124 92 195MB
English, German Pages 730 [965] Year 2005
Michaela Windisch-Graetz (Hrsg)
GlBG
Gleichbehandlungsgesetz
2. Auflage auf Grundlage der 1. Auflage hrsg von Univ.-Prof. Dr. Robert Rebhahn†
2022 Kommentar
Univ.-Prof. MMag. Dr. Michaela Windisch-Graetz Vorständin des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien
Zitiervorschlag: lang: Autor in Windisch-Graetz (Hrsg), Kommentar zum Gleichbehandlungsgesetz (2022) § ## Rz ## kurz: Autor in Windisch-Graetz, Gleichbehandlungsgesetz § ## Rz ##. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. © 2022 Verlag Österreich GmbH, Wien www.verlagoesterreich.at Gedruckt in Deutschland
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ISBN 978-3-7046-6177-7 2. Aufl Verlag Österreich https://doi.org/10.33196/9783704690418
Vorwort 17 Jahre nach der ersten Auflage des vorliegenden Kommentares ist es gelungen, eine zweite Auflage zu publizieren, die dem herzlichen Andenken des Herausgebers der ersten Auflage, meinem Kollegen und Freund Robert Rebhahn, gewidmet ist. Robert Rebhahn war das Gleichbehandlungsrecht ein besonderes Anliegen und es war sein dringender Wunsch, noch vor seinem viel zu frühzeitigen Ableben eine Neuauflage seines Kommentars auf den Weg zu bringen. Er hat noch mit dem Verlag die entsprechenden Verlagsverträge ausgehandelt und, wo notwendig, neue AutorInnen gesucht, durchführen konnte er die Neuauflage jedoch nicht mehr. Vier Jahre nach seinem Tod können wir nun endlich, wiederum nach verschiedenen AutorInnen-Rochaden, die zweite Auflage präsentieren. Die Überarbeitung der in der ersten Auflage von Robert Rebhahn kommentierten Teile zur Gleichbehandlung aufgrund des Geschlechts habe ich selbst übernommen, wobei es mir ein wichtiges Anliegen war, Robert Rebhahns Überlegungen und Ansichten zu dogmatischen aber auch rechtspolitischen Fragen zum Gleichbehandlungsrecht und damit den besonderen Charakter dieses Teils der Kommentierung im Wesentlichen zu belassen. Rebhahns früherer Studienassistent und nun mein PraeDoc-Assistent Philipp Bertsch hat die 2011 neu hinzugekommene Bestimmung über den Einkommensbericht kommentiert. Die Regelungen zur sexuellen Belästigung und Belästigung wurden nunmehr von Wolfgang Mazal kommentiert, der die Texte der ersten Auflage von Katharina Völkl-Posch als Grundlage verwendet hat. Der in der ersten Auflage von mir kommentierte II. Teil des GlBG, dh die Diskriminierungsverbote in Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit, die Religion und Weltanschauung, das Alter und die sexuelle Orientierung, wurde grundlegend von Thomas Dullinger überarbeitet. Zu diesem Teil, der erst kurz vor dem Erscheinen der ersten Auflage in Kraft getreten ist und daher dort nur in ersten Grundzügen kommentiert werden konnte, ist inzwischen eine Vielzahl an Entscheidungen des OGH und des EuGH ergangen, die einer umfassenden systematischen Aufarbeitung bedurften. Eine ebenfalls umfassende neue Kommentierung hat Maria V
Vorwort
Y. Lee zum III. Teil des GlBG, der Gleichbehandlung aufgrund des Geschlechts und der ethnischen Zugehörigkeit außerhalb der Arbeitswelt, verfasst. Die Bestimmungen des GlBG zu Rechtsfolgen und Fristen wurden nunmehr von Stefan Köck kommentiert, wobei er auf der Kommentierung der ersten Auflage von Andreas Kletecˇka aufgebaut hat. Zuletzt ist das GBK/GAW-Gesetz zu erwähnen, das wie bereits in der ersten Auflage von Doris Hattenberger bearbeitet wurde. Die Neuauflage hat ihre Zeit gebraucht. Ich bedanke mich bei allen AutorInnen für ihre Kooperationsbereitschaft und – bei manchen – für ihre Geduld. Dank gilt auch den betreuenden Mitarbeiterinnen des Verlags Österreich, insbesondere Mag. Eva-Maria Rauch und Mag. Katja Sonner, sowie meinen Assistenten Univ.-Ass. Mag. Philipp Bertsch, der die Neuauflage von Institutsseite maßgeblich betreut hat, und Stud.-Ass. Lukas Winkler, der ebenfalls Lektoratsarbeiten übernommen hat. Wien, am 9. November 2021
VI
Michaela Windisch-Graetz
Inhaltsverzeichnis Vorwort.................................................................................................. V AutorInnenverzeichnis......................................................................... XI Abkürzungsverzeichnis........................................................................ XIII Einleitung............................................................................................... 1 Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz – GlBG).................................................. 33 I. Teil: Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt............................................................................... 33 § 1 Geltungsbereich........................................................................ 33 § 2 Gleichstellung............................................................................ 77 § 3 Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis....................................................................... 99 § 4 Gleichbehandlungsgebot in der sonstigen Arbeitswelt......... 267 § 5 Begriffsbestimmungen.............................................................. 270 § 6 Sexuelle Belästigung.................................................................. 320 § 7 Belästigung................................................................................. 321 § 8 Positive Maßnahmen................................................................. 359 § 9 Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung.......... 381 § 10 Strafbestimmungen................................................................... 399 § 11 Entlohnungskriterien................................................................ 403 § 11a Einkommensbericht.................................................................. 403 § 12 Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes. 438 § 13 Benachteiligungsverbot............................................................ 501 § 14 Förderungsmaßnahmen............................................................ 508 § 15 Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen................. 515 II. Teil: Gleichbehandlung in der Arbeitswelt ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung (Antidiskriminierung)................................. 531 Vor § 16.................................................................................................. 532 § 16 Geltungsbereich........................................................................ 541 VII
Inhaltsverzeichnis
§ 17 Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis....................................................................... 542 § 18 Gleichbehandlungsgebot in der sonstigen Arbeitswelt......... 568 § 19 Begriffsbestimmungen.............................................................. 569 § 20 Ausnahmebestimmungen......................................................... 616 § 21 Belästigung................................................................................. 666 § 22 Positive Maßnahmen................................................................. 674 § 23 Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung....... 675 § 24 Strafbestimmungen................................................................... 680 § 25 Entlohnungskriterien................................................................ 682 § 26 Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes. 682 § 27 Benachteiligungsverbot............................................................ 686 § 28 Förderungsmaßnahmen............................................................ 687 § 29 Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen................. 687 III. Teil: Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen............................................................................... 689 1. Abschnitt........................................................................................... 689 § 30 Geltungsbereich........................................................................ 689 § 31 Gleichbehandlungsgebot.......................................................... 712 § 32 Begriffsbestimmungen.............................................................. 730 § 33 Ausnahmebestimmungen......................................................... 736 § 34 Positive Maßnahmen................................................................. 754 § 35 Belästigung und sexuelle Belästigung...................................... 759 § 36 Gebot des diskriminierungsfreien Inserierens von Wohnraum................................................................................. 761 § 37 Strafbestimmungen................................................................... 765 § 38 Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes........................................................................................ 766 § 39 Benachteiligungsverbot............................................................ 770 § 40 Förderungsmaßnahmen............................................................ 771 2. Abschnitt........................................................................................... 771 Grundsätze für die Regelung der Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen......... 771 § 40a Geltungsbereich........................................................................ 771 § 40b Gleichbehandlungsgebot, Begriffsbestimmungen, Rechtsfolgen.............................................................................. 772 VIII
Inhaltsverzeichnis
§ 40c Verpflichtung zur Schaffung oder Benennung einer unabhängigen Stelle................................................................... 772 IV. Teil: Grundsätze für die Regelung der Gleichbehandlung im Arbeitsleben in der Land- und Forstwirtschaft......... 776 V. Teil: Schlussbestimmungen......................................................... 780 § 59 Verweisungen............................................................................. 780 § 60 Bestimmungen in Zusammenhang mit COVID-19............... 780 § 61 Begründungspflicht des Gerichtes........................................... 780 § 62 Nebenintervention.................................................................... 781 § 62a Dialog mit Nichtregierungsorganisationen ........................... 781 § 63 In-Kraft-Treten.......................................................................... 782 § 64 Vollziehung................................................................................ 786 Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft – GBK/GAW-Gesetz................. 789 Vor § 1.................................................................................................... 789 § 1 Gleichbehandlungskommission............................................... 804 § 2 Zusammensetzung der Senate.................................................. 814 § 3 Anwaltschaft für Gleichbehandlung....................................... 820 § 4 Regionalbüros............................................................................ 831 § 5 Aufgaben der Anwaltschaft für Gleichbehandlung............... 833 § 6 (aufgehoben).............................................................................. 841 § 7 (aufgehoben).............................................................................. 842 § 8 Aufgaben der Senate der Gleichbehandlungskommission.... 842 § 9 Geschäftsordnung..................................................................... 845 § 10 Rechtsstellung der Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Kommission............................................................................... 845 § 11 Gutachten.................................................................................. 851 § 12 Einzelfallprüfung...................................................................... 884 § 13 Verpflichtung zur Berichtslegung............................................ 902 § 14 Geschäftsführung der Kommission......................................... 909 § 15 Ausschüsse des Senates............................................................. 915 § 16 Anwendung des AVG............................................................... 918 § 21 .................................................................................................... 920 § 22 .................................................................................................... 923 § 23 Verweisungen............................................................................. 923 § 24 Berichte an den Nationalrat..................................................... 924 Stichwortverzeichnis............................................................................. 925 IX
AutorInnenverzeichnis Univ.-Ass. Mag. Philipp Bertsch, Universität Wien Univ.-Ass. Mag. Dr. Thomas Dullinger, Universität Wien Ass.-Prof. Mag. Dr. Doris Hattenberger, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Kletecˇka, Paris Lodron Universität Salzburg Hon.-Prof. Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt, Universität Wien Mag. Dr. Maria Y. Lee, Universität Wien Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal, Universität Wien Univ.-Prof Dr. Robert Rebhahn† Mag. Dr. Katharina Völkl-Posch, Rechtsanwältin Univ.-Prof. MMag. Dr. Michaela Windisch-Graetz, Universität Wien
XI
Abkürzungsverzeichnis aA andere Ansicht AB Ausschussbericht ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch RGBl 69/1916 (III TN) ABl Amtsblatt Abs Absatz ADEA Age Discrimination in Employment Act aE am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union aF alte Fassung AG Arbeitgeber AG (AktG) Aktiengesellschaft AJP Aktuelle juristische Praxis allg allgemein, -e, -er aM anderer Meinung AMFG Arbeitsmarktförderungsgesetz BGBl 1969/31 Änderungs-RL Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (Text von Bedeutung für den EWR) AN Arbeitnehmer AngG Angestelltengesetz BGBl 1921/292 Anm Anmerkung Antirassismus-RL Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft XIII
Abkürzungsverzeichnis
AnwBl AöR AP
Anwaltsblatt, „Österreichisches“ (deutsches) Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis, Sammlung der Entscheidungen des (deutschen) Bundesarbeitsgerichtes, der Landesgerichte und Arbeitsgerichte Appl Application (an die Europäische Menschenrechtskommission) Arb (ArbSlg) Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen der Gerichte und Einigungsämter ArbV Arbeitsvertrag ArbVG Arbeitsverfassungsgesetz BGBl 1974/22 ARD ARD-Betriebsdienst ARG Arbeitsruhegesetz BGBl 1983/144 AR-RL Antirassismusrichtlinie, Richtlinie 2000/43/ EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft Art Artikel ASG Arbeits- und Sozialgericht ASGG Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz BGBl 1985/104 ASoK Arbeits- und Sozialrechtskartei ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz BGBl 1955/189 AÜG Arbeitskräfteüberlassungsgesetz BGBl 1988/196 AuR Arbeit und Recht (Zeitschrift für Arbeitsrechtpraxis) AuslBG Ausländerbeschäftigungsgesetz BGBl 1975/218 AVRAG Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz BGBl 1993/459 AZG Arbeitszeitgesetz BGBl 1969/461 BAG BAG BAGE
Berufsausbildungsgesetz BGBl 1969/142 (deutsches) Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des (deutschen) Bundesarbeitsgerichts BB Der Betriebsberater (deutsch) BE Begründungserwägung Bekl Beklagte, -r XIV
Abkürzungsverzeichnis
Beweislast-RL
Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts BeschSchG (deutsches) Beschäftigungsschutzgesetz BGBl I S 1406 BG Bundesgesetz BGB (deutsches) Bürgerliches Gesetzbuch RGBl 1896, 195 BGBl Bundesgesetzblatt BGH (deutscher) Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des (deutschen) Bundesgerichtshofs in Zivilsachen B-GlBG Bundes-Gleichbehandlungsgesetz BGBl 1993/100 BlgNR Beilage(-n) zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates BM Bundesminister/in/ium BMGF Bundesminister/in/ium für Gesundheit und Frauen BMVG Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz BGBl I 2002/100 BMWA Bundesminister/in/ium für Wirtschaft und Arbeit BPG Betriebspensionsgesetz BGBL 1990/282 BSG (deutsches) Bundessozialgericht Bsp Beispiel, -e BV Betriebsvereinbarung BVerfG (deutsches) Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des (deutschen) Bundesverfassungsgerichts BVerwG (deutsches) Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des (deutschen) Bundesverwaltungsgerichts BVG Bundesverfassungsgesetz B-VG Bundes-Verfassungsgesetz BGBl 1930/1 (Wv) bzgl bezüglich bzw beziehungsweise CEDAW
Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau XV
Abkürzungsverzeichnis
CERD DB dh DNHG DR DRdA dRdA DVBl dZPO
Abkommen zur Eliminierung jeder Form der rassischen Diskriminierung Der Betrieb (Zeitschrift) das heißt Dienstnehmerhaftpflichtgesetz BGBl 1965/80 Decisions and Reports (Amtliche Sammlung der Entscheidungen der Europäischen Menschenrechtskommission seit 1975) Das Recht der Arbeit (deutsches) Recht der Arbeit Deutsches Verwaltungsblatt deutsche Zivilprozessordnung
E Entscheidung EAS Oetker/Preis, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (Loseblattausgabe) EEG Eingetragene Erwerbsgesellschaft EB Erläuternde Bemerkungen EB(z)RV Erläuternde Bemerkungen zur Regierungs vorlage ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht EG Europäische Gemeinschaft(en) EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften EGVG Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, BGBl 50 (Wv) ELR European law reporter ELRev European Law Review Elternurlaubs-RL Richtlinie des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG EMRK Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210 Entgelt-RL Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der XVI
Abkürzungsverzeichnis
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen Entsende-RL Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen in der Fassung Richtlinie 2018/957/EU EP Europäisches Parlament Erl Erläuterungen ErläutRV Erläuterungen zur Regierungsvorlage Erw Erwägung, -en etc et cetera EU Europäische Union EuGEI (EUG) Europäisches Gericht erster Instanz EuGH Europäischer Gerichtshof EuGRZ Europäische Grundrechte Zeitschrift EUV Vertrag über die Europäische Union EuZA Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum f und der, die folgende ff und der, die folgenden Fn Fußnote FS Festschrift G Gesetz GA Generalanwalt GAngG Gutsangestelltengesetz BGBl 1923/538 GAW Gleichbehandlungsanwaltschaft GBK Gleichbehandlungskommission GBK/GAW-G Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und Gleichbehandlungsanwaltschaft, Art 2, BGBl I 2004/66 GBK-GO Gleichbehandlungskommissions-Geschäftsordnung, BGBl II 2004/396 gem gemäß XVII
Abkürzungsverzeichnis
GewO Gewerbeordnung RGBl 1859/227 ggü gegenüber GlBG Gleichbehandlungsgesetz BGBl 2004/66 GlbRL Gleichbehandlungsrichtlinie GB-RL Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen GlUNF Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GP Gesetzgebungsperiode GRC Charta der Grundrechte der EU grds grundsätzlich GS Gesetzessammlung Güter-GB-RL Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen hA hM hRsp IAO ICCPR
herrschende Ansicht herrschende Meinung herrschende Rechtsprechung
Internationale Arbeitsorganisation Internationales Paket über zivile und politische Rechte idF in der Fassung idR in der Regel idS in diesem Sinne idZ in diesem Zusammenhang ieS im engeren Sinn ILJ International law journal ILO International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) insb insbesondere IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht BGBl 1978/304 XVIII
iS iSd iSv iVm iwS
Abkürzungsverzeichnis
im Sinn, -e im Sinne des, der im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinn
JAS Journal für Arbeits- und Sozialrecht JBl Juristische Blätter JRP Journal für Rechtspolitik Jud Judikatur JZ (deutsche) Juristenzeitung KJ
Der Kraftfahrjurist (Mitteilungsblatt der Rechtsabteilung des ÖAMTC) kk kaiserlich-königlich KollV (KV) Kollektivvertrag KOM Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften KSchG Konsumentenschutzgesetz BGBl 1979/140 LAG LAG 2021
Landesarbeitsgericht (Deutschland) Bundesgesetz über das Arbeitsrecht in der Land - und Forstwirtschaft, BGBl I 2021/78 Lfg Lieferung lit litera Lit Literatur mA mit Anmerkung Mat Materialien mE meines Erachtens MSchG Mutterschutzgesetz 1979 BGBl 221 (Wv) mwH mit weiteren Hinweisen mwN mit weiteren Nachweisen Nachw Nachweis NJW (deutsche) Neue Juristische Wochenschrift NÖ ADG Niederösterreichisches Antidiskriminierungsgesetz Nr Nummer NZ Österreichische Notariats-Zeitung XIX
Abkürzungsverzeichnis
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (deutsch)
oÄ oder Ähnliche/s ÖARR Österreichisches Archiv für Recht und Religion ÖBA Österreichisches Bankarchiv OGH Oberster Gerichtshof ÖJT a) Österreichischer Juristentag b) Verhandlungen des österreichischen Juristentages ÖJZ Österreichische Juristenzeitung OLG Oberlandesgericht Rahmen-RL Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom (R-GB-RL) 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf RIS Rechtsinformationssystem des Bundes RdW Österreichisches Recht der Wirtschaft RL Richtlinie der EU Rs Rechtssache (bei Europäischen Gerichten) Rsp Rechtsprechung RV Regierungsvorlage Rz Randziffer RZ Österreichische Richterzeitung s siehe S a) Satz b) Seite SAE (deutsche) Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen SchauspG Schauspielergesetz BGBl 1922/441 Slg a) Sammlung b) Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des EuGEI sog so genannt, -e, -er, -es SozR Sozialrecht, Rechtsprechung und Schrifttum, bearbeitet von den Richtern des (deutschen) Bundessozialgerichts SozSi Soziale Sicherheit, Zeitschrift für die österreichische Sozialversicherung XX
StGB StGG StGBl stRsp SZ
Abkürzungsverzeichnis
Strafgesetzbuch BGBl 1974/60 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte und Pflichten der Staatsbürger, RGBl 1867/142 Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich ständige Rechtsprechung Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs-)sachen
TN Teilnovelle ua a) und andere, -s b) unter anderem UG Universitätsgesetz BGBl 2002/120 UNESCO United Nations Educatian, Scientific and Cultural Organization (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) UrlG Urlaubsgesetz BGBl 1976/390 uU unter Umständen UVS Unabhängige Verwaltungssenate UWG Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 BGBl 448 (Wv) uzw und zwar va vor allem VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vgl vergleiche VO Verordnung VStG Verwaltungsstrafgesetz 1991 BGBl 52 (Wv) VwGH Verwaltungsgerichtshof VwSlg Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes wbl wobl Work-Life-
Wirtschaftsrechtliche Blätter Wohnrechtliche Blätter Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen XXI
Abkürzungsverzeichnis
Balance-RL
Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates WuG Wirtschaft und Gesellschaft Wv Wiederverlautbarung Z Ziffer ZAS Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht zB zum Beispiel ZESAR Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht zit zitiert ZPO Zivilprozessordnung RGBl 1895/113 ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZVR Zeitschrift für Verkehrsrecht
XXII
Einleitung Literatur: Mayer-Maly, Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, DRdA 1980, 261 ff; Loebenstein, Die Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht, in FS Strasser (1983) 759 ff; Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht (1991); Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung (1991); Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung (1993; va zum Recht der USA); Oetker/Preis (Hrsg), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS, Loseblatt, seit 1994); Hervey/O’Keeffe (Eds), Sex Equality Law in the Europe (1996); McColgan, Discrimination Law (2000); Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz (2001); Wiedemann, Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht (2001); Thüsing, Der Fortschritt des Diskriminierungsschutzes im Europäischen Arbeitsrecht, ZfA 2001, 397 ff; Holzleithner, Recht Macht Geschlecht. Legal Gender Studies. Eine Einführung (2002); Wank; Gleichbehandlung von Mann und Frau, in Hanau/Steinmeyer/Wank (Hrsg), Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts (2002), § 16; Epiney/ Freiermuth Abt, Das Recht der Gleichstellung von Mann und Frau in der EU (2003); McCrudden, The New Concept of Equality: Legal approaches in the European Community (ILO, 2003); Tomei, Discrimination and equality at work: A review of the concepts, Int Labour Review 142 (2003), 401 ff; Schindler, Zur Umsetzung des EU-Rechts in Österreich – Teil 2: Insb die Antidiskriminierungs-Richtlinien, DRdA 2003, 523 ff; Reichold, Sozialgerechtigkeit versus Vertragsgerechtigkeit, JZ 2004, 384 ff; Tomandl/Schrammel (Hrsg), Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote (2005); Picker, Antidiskriminierungsprogramme im freiheitlichen Privatrecht (2005); Krejci, Antidiskriminierung, Privatautonomie und Arbeitnehmerschutz, DRdA 2005, 383, 501; Heldrich, Antinomien im Gleichbehandlungsrecht (2007); Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz (2008); Fredman, Discrimination Law2 (2011) 4 ff; Somek, Engeneering Equality. An Essay on European Anti-Discrimination Law (2011); Barnard, EU Employment Law4 (2012); Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht? (2012); Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz2 (2013); Pöschl, Verfassungsrechtliche Gleichheit, arbeitsrechtliche Gleichbehandlung, unionsrechtliche Antidiskriminierung, DRdA 2013, 467; Schmölzer, Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes: Die verpasste Chance einer echten Reform, juridikum 2013, 165; Kingreen, Gleichheitsrechte, in Ehlers (Hrsg), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (2014) § 21; McColgan, Discrimination, Equality and the Law (2014); Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung² (2014); Rust, Art 157 AEUV, in Von der Groeben/ Schwarze/Hatje (Hrsg), EUV/AEUV-Kommentar7 (2015); Rebhahn, Art 157 AEUV, in Schwarze (Hrsg), EU-Kommentar4 (2019); Lee, Grenzen der Maßnahmen zur Förderung faktischer Gleichstellung („positive action“) – Die Frage nach deren Rechtsnatur, ZöR 2019, 883; Windisch-Graetz, Gleichbehandlung –
1
Einleitung
Rebhahn / Windisch-Graetz
Gleichheit als Diversität? in Köck/Niksova/Risak/Wolf (Hrsg), Liber Amicorum Wolfgang Mazal. Wandel der Arbeitswelt und Herausforderungen im Arbeitsrecht (2019) 201; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021); Körber-Risak, Die Gleichbehandlungspflichten im Arbeitsrecht, in Gruber-Risak/Mazal (Hrsg), Das Arbeitsrecht (37. Lfg 2021); Windisch-Graetz, Gleichbehandlung – Zielsetzung, Begriffe, Konzepte, in Reissner/Mair (Hrsg), Antidiskriminierungsrecht: Aktuelle Entwicklungen (2022) 1. Vgl auch die Angaben zu § 2.
I. Grundlagen 1 Das GlBG 2004 verbietet für den Rechtsverkehr zwischen Privaten in bestimmtem Umfang unmittelbare wie mittelbare Diskriminierungen aufgrund bestimmter Merkmale eines Menschen. Das Gesetz verbietet Diskriminierungen zwischen Privaten aber nicht generell. Das Diskriminierungsverbot ist vielmehr auf zwei Bereiche des Privatrechtsverkehrs beschränkt, die man kurz mit (1) Arbeitsleben sowie (2) Sozialschutz und öffentlich angebotene Leistungen umschreiben kann. Diskriminierungen in der Arbeitswelt sind im I. und II. Teil des Gesetzes geregelt. Für das Arbeitsleben verbietet das Gesetz Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht (§ 3), ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter und sexueller Orientierung (§ 17). Verboten ist eine Diskriminierung aufgrund eines dieser sechs Merkmale im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis sowie darüber hinaus insb beim Zugang zur Berufsbildung und zur sonstigen Erwerbstätigkeit (§§ 3 und 16). Im Zivilrechtsverkehr außerhalb der Arbeitswelt – also insb bei öffentlich angebotenen Leistungen – ist derzeit nur die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der ethnischen Zugehörigkeit verboten (§ 30 f). Die Unterscheidung der beiden Bereiche des Diskriminierungsschutzes nach GlBG – Diskriminierungsverbot im Arbeitsleben und das geschlechts- und ethnizitätsbezogene zivilrechtliche Diskriminierungsverbot – ist für die Rechtsanwendung zentral, weil die Zahl der normierten Diskriminierungsmerkmale für den Bereich des Arbeitslebens viel größer ist. 2 Diese Diskriminierungsverbote stehen in starkem Gegensatz zum traditionellen Inhalt des Privatrechts. Traditionell stand es im Belieben der Bürgerinnen und Bürger, bei der Auswahl ihrer Vertragspartner und auch bei der inhaltlichen Gestaltung der von ihnen abgeschlossenen Verträge nach den persönlichen Merkmalen der potentiellen Vertragspartner zu unterscheiden. So war es insb erlaubt, beim Abschluss eines Arbeitsvertrages Männer gegenüber Frauen und Angehörige der 2
Einleitung
Mehrheitsbevölkerung gegenüber Angehörigen einer ethnischen Minderheit zu bevorzugen. Allgemeiner gesagt war es den Privatrechtssubjekten erlaubt, bei der Ausübung ihrer Privatautonomie verschiedenste persönliche Merkmale zu berücksichtigen und ihre Entscheidung nach einem dieser Merkmale zu treffen. Mögliche und zulässige Unterscheidungsmerkmale waren ua Alter, Geschlecht, ethnische oder lokale Herkunft, körperliche und geistige Fähigkeiten, Gesundheitszustand, Behinderung, sexuelle Orientierung, Verwandtschaft, der Familienstand (Heirat, Lebensgemeinschaft oder Ledigsein) sowie das Haben oder Nichthaben von Kindern, soziale Schicht, Religion, Weltanschauung, politische Überzeugung, Parteimitgliedschaft, Gewerkschaftszugehörigkeit, Aussehen und Körperpflege, Gewicht, sowie schließlich – und oft entscheidend – Sympathie. Manche dieser Merkmale sind leicht erkennbar, andere schwerer. Manche können von der betreffenden Person überhaupt nicht beeinflusst werden, andere zum Teil und wieder andere stark. Die Diskriminierungsverbote verbieten nun die Benachteiligung aufgrund bestimmter, aber lange nicht aller genannten Merkmale. Für den Staat (Gesetzgebung und Vollziehung) gab es schon früh und 3 zunehmend intensiv Verbote, zwischen den Bürgern nach einem Kriterium zu differenzieren, das mit dem sachlichen Gehalt einer Regelung nichts zu tun hatte (Sachlichkeitsgebot). Den Anfang machte in Österreich das Gleichheitsgebot des Art 2 StGG 1867, das zuerst die Vollziehung band, später auch den Gesetzgeber.1 Für Private blieb dagegen die Möglichkeit, nach einem der genannten Kriterien zu differenzieren, für lange Zeit weitgehend unbestritten. Eine neue Entwicklung trat erst nach dem 2. Weltkrieg ein. Für den Bereich des Arbeitslebens ist insb die ILO-Konvention Nr 111 aus 1958 zu nennen. Sie untersagt jede Unterscheidung, Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion und politischer Überzeugung sowie sozialer Herkunft. Die Unterscheidung aufgrund von Alter oder Behinderung wurde hingegen noch nicht missbilligt. 1964 wurde in den USA der Civil Rights Act erlassen, der vor allem eine Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe und Geschlecht verbot, und 1967 um das Verbot der (unmittelbaren) Altersdiskriminierung erweitert wurde. Der Gründungsvertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus 1957 normierte ein Gebot gleichen Entgelts für gleiche 1 Pöschl, DRdA 2013, 469; dies, Gleichheit 133.
3
Einleitung
Rebhahn / Windisch-Graetz
Arbeit unabhängig vom Geschlecht, allerdings aus wettbewerbsrechtlichen Erwägungen.2 Allerdings erging erst 20 Jahre später die erste wichtige Entscheidung des EuGH dazu, die vor allem die unmittelbare Anwendbarkeit des Art 119 EWGV bejahte.3 In demselben Jahr wurde die GleichbehandlungsRL 76/207/EWG erlassen, die den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen auch für die anderen Arbeitsbedingungen neben dem Entgelt vorschrieb.4 In der Folge entwickelte sich eine reichhaltige Judikatur des EuGH, die das Verbot der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts entfaltete, etwa zum Vorteil von Teilzeitbeschäftigten, und die das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung ausbaute, insb zum Schutz von Schwangeren. Überdies verbietet das Unionsrecht – insb in den Grundfreiheiten – jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und damit auch aufgrund der nationalen Herkunft. Über diese Diskriminierungsverbote hinaus enthielt das Unionsrecht bis zum Jahr 2000 aber kein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung aufgrund eines anderen Merkmales. In einigen Mitgliedstaaten wurden aber sukzessive Antidiskriminierungsgesetze erlassen, die auch andere Merkmale missbilligten. Zu nennen sind insb Großbritannien mit dem Race Relations Act 1976, die Niederlande mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aus 1994, Dänemark (1996), Schweden (1998) und Irland (Employment Equality Act aus 1998, angepasst durch den Equality Act 2004, der einen besonders umfassenden Katalog von missbilligten Merkmalen enthält). 4 In der Europäischen Gemeinschaft (EG) gab es schon länger Bestrebungen, das Gemeinschaftsrecht verstärkt als Mittel gegen Diskriminierungen einzusetzen, und somit auch Diskriminierungen aus anderen Gründen als dem Geschlecht zu verbieten. Motivierend dafür war neben dem Bemühen um Menschenrechte auch der Wunsch, durch das Zurückdrängen von Diskriminierung die wirtschaftliche Effizienz der EG zu fördern. Die Kompetenzgrundlage für neue Regulierungen wurde 1999 durch den Amsterdamer Vertrag in Art 13 EG (heute Art 19 AEUV) geschaffen. Auf dieser Grundlage wurden im Jahr 2000 die beiden neuen Antidiskriminierungs-RL erlassen: die RL 2000/43/ EG des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes 2 Art 119 EWGV, später Art 141 EGV, heute Art 157 AEUV; zur Entwicklung vgl Holzleithner (2002) 43 ff. 3 EuGH 8.4.1976, 43/75, Defrenne II. 4 Vgl zur Entwicklung zB Rust, NZA 2003, 72.
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ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft und die RL 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allg Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Die RL 2000/43/EG verbietet Diskriminierungen aufgrund der Rasse und ethnischen Herkunft für die Arbeitswelt, für soziale Vergünstigungen, die Bildung und den Zugang zu öffentlich zugänglichen Dienstleistungen. Die sog Rahmenrichtlinie 2000/78/EG gilt hingegen nur für die Arbeitswelt, verlangt dafür aber auch, Diskriminierungen aufgrund anderer Merkmale zu verbieten: Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Ausrichtung. Mit der Änderungs-RL 2002/73/EG wurde die RL 76/207/EWG novelliert und an die Rahmen-RL 2000/78/ EG angeglichen. Die RL 2004/113/EG erstreckt das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts weitgehend auf den Anwendungsbereich der RL 2000/43/EG (öffentlich angebotene Leistungen). Positive Maßnahmen, um eine Benachteiligung aufgrund eines der missbilligten Merkmale zu verhindern oder faktisch auszugleichen, werden vom Unionsrecht sowohl in Art 157 AEUV als auch durch die RL in bestimmtem Rahmen zugelassen, nicht aber vorgeschrieben (vgl zu §§ 8 und 22). Manche sagen, die Neigung einiger Mitgliedstaaten, den neuen RL im Jahr 2000 zuzustimmen, sei durch die öffentliche Erregung über die Regierungsbildung in Österreich (Koalition ÖVPFPÖ) merklich erhöht worden. In der Folge wurde durch die RL 2006/54/EG zur Chancengleicheit von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen das Diskriminierungsverbot nach dem Geschlecht neu gefasst und eine Reihe von RL aufgehoben, darunter insb die RL 76/207/EWG und die RL 2002/73/EG. Die letzte zur Gleichbehandlung ergangene Richtlinie ist die RL 2010/41/EU zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen, die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben – eine Personengruppe, die bisher lediglich von der veralteten RL 86/613/EWG erfasst gewesen war. Angedacht, aber bislang unterblieben, ist die Ausdehnung des Diskriminierungsschutzes außerhalb der Arbeitswelt auf sämtliche vom Unionsrecht bisher missbilligten Merkmale. Seit dem Vertrag von Lissabon ist weiters die Europäische Grundrechtecharta in Kraft, die in Art 21 und 23 Diskriminierungen insb wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen 5
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Ausrichtung verbietet. Es besteht also eine Überschneidung zu den Merkmalen nach den Gleichbehandlungsrichtlinien. 5 Die Diskriminierungsverbote wurden zuerst als Verbot einer unmittelbaren Differenzierung nach einem missbilligten Kriterium verstanden. Untersagt war in den USA zB die Nichtbeförderung eines AN, weil er Afroamerikaner ist. Eine entscheidende Erweiterung trat ein, als manche Verbote auch auf Unterscheidungen ausgedehnt wurden, die nur indirekt auf einem missbilligten Kriterium beruhten. Wegweisend war eine Entscheidung des US-Supreme Court aus 1971; sie subsumierte unter den Civil Rights Act auch den Fall, dass ein AG Einstellungstests verlangt, die über das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes hinausgehen, wenn sie unverhältnismäßig mehr farbige als weiße Bewerber von der Einstellung ausschließen.5 Man spricht von disparate impact discrimination bzw von mittelbarer Diskriminierung. In der EU wurde die Figur der mittelbaren Diskriminierung zuerst zu den Grundfreiheiten entwickelt (ausgehend von den Maßnahmen gleicher Wirkung bei der Warenverkehrsfreiheit) und vom EuGH erstmals 1981 zu Art 119 EWGV angewendet (§ 5 Rz 26). 6 Heute sind die beiden Formen der Diskriminierung in den Gleichbehandlungsrichtlinien6 und ihnen folgend auch im GlBG (§§ 5, 19) definiert. Unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund eines missbilligten Kriteriums eine weniger günstige Behandlung als eine andere erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Erforderlich ist also eine Regelung oder Maßnahme, die direkt an einem missbilligten Kriterium anknüpft. Die RL aus dem Jahr 2000 haben die Definition der unmittelbaren Diskriminierung beträchtlich erweitert. War zuvor grds eine Vergleichsperson erforderlich, genügt nunmehr eine „hypothetische“ Vergleichsperson (§ 5 Rz 3). Ein unmittelbares Differenzieren nach einem missbilligten Kriterium ist grds nur in jenen Fällen erlaubt, in denen das Recht dies ausdrücklich vorsieht. Das Unionsrecht erlaubt erstens bei allen Merkmalen „spezifische – sog positive – Maßnahmen“ zur Förderung von Personen einer Gruppe, die aufgrund eines missbilligten Merkmales benachteiligt sind (Art 157 Abs 4 AEUV). Das Unionsrecht lässt solche Maßnahmen nur unter besonderen und engen 5 Griggs v Duke Power Co, 8.3.1971, 401 U.S. 424 (1971); zu ihren Auswirkungen auf das Unionsrecht vgl Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (9). 6 ZB Art 2 Abs 1 lit a und b GleichbRL 2006/54/EG.
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Voraussetzungen zu, und es verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, solche spezifischen Maßnahmen zuzulassen oder vorzuschreiben. Zweitens besteht eine Ausnahme vom Verbot für den Fall, dass eine bestimmte Merkmalsausprägung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung ist. Darüber hinaus gibt es spezifisch geregelte Ausnahmen für bestimmte Merkmale, insb beim Geschlecht die Schwangerschaft sowie beim Alter verschiedene Tatbestände. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung nach an 7 sich neutralen Kriterien differenziert, dadurch aber Personen mit einer bestimmten Ausprägung des missbilligten Merkmals (zB Frauen, Alte, „Ausländer“) in besonderer Weise – und damit spezifisch – benachteiligt, aber nicht gerechtfertigt werden kann. Auch die Definition der mittelbaren Benachteiligung wurde durch die Richtlinien aus dem Jahr 2000 erweitert. Vorher verlangte die Rsp grds einen statistischen Nachweis für die mittelbare Benachteiligung, der oft schwer zu erbringen war. Heute genügt, dass das verwendete Kriterium – im gegebenen Zusammenhang – geeignet ist, bestimmte Personengruppen in besonderer Weise zu benachteiligen. Schwierig zu beantworten ist die Frage, wodurch und unter welchen Vorraussetzungen eine mittelbare Benachteiligung gerechtfertigt werden kann. Der Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten – und damit die Subsidiarität – ist bei den in der RahmenRL 2000/78/EG geregelten Merkmalen eindeutig größer als bei der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – wohl auch, weil es hier schon eine längere Entwicklung und damit mehr gemeinsamen Rechtsbestand gibt (vgl dazu § 5 und § 19 Rz 52, 57, 66, 71, 78). Die Diskriminierungsverbote verlangen vom Verpflichteten (zB AG) 8 nach wie vor keine umfassend sachliche Entscheidung. Sie verbieten vielmehr „nur“, bei einer Entscheidung oder Maßnahme unmittelbar oder mittelbar aufgrund eines im G missbilligten Merkmals zu entscheiden. Das GlBG verlangt vom Verpflichteten – entgegen einer weit verbreiteten Auffassung – also nicht, Frauen Männern vorzuziehen oder ältere Personen jüngeren. Das GlBG kann vielmehr allen Personen zugute kommen, einem Mann ebenso wie einer Frau; einer Österreicherin ebenso wie einem Zugewanderten, weil eben alle Menschen eine bestimmte Ausprägung des missbilligten Merkmales aufweisen. Die Diskriminierungsverbote schaffen daher auch keine bestimmten Gruppen, die zu schützen sind.7 Vielmehr hat der Verpflichtete das 7 Treffend Schindler, DRdA 2004, 526.
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missbilligte Merkmal auszublenden und nicht zu berücksichtigen; und er soll Maßnahmen, die sich auf Personen mit unterschiedlicher Ausprägung eines missbilligten Merkmals (zB Ältere oder Jüngere) in besonderer Weise auswirken, besonders sorgfältig überlegen und ändern (oder unterlassen), falls sie nicht iSd GlBG gerechtfertigt werden können. Insoweit geht manche Kritik an den Diskriminierungsverboten an der Sache vorbei. Ein unzulässiges Beispiel gegen die Diskriminierungsverbote (unter der Voraussetzung, dass bei Mietverträgen dieselben Merkmale missbilligt sind wie beim Arbeitsverhältnis) lautet: „Ein Farbiger, ein Türke, ein Homosexueller, ein Behinderter und eine Familie mit drei Kindern bewerben sich um eine Wohnung. Wen darf der Vermieter ablehnen, ohne gegen das Antidiskriminierungsgesetz zu verstoßen? Nur die Familie mit den Kindern.“8 Der Vermieter darf aber auch die anderen Bewerber ablehnen, zwar nicht aufgrund von Herkunft, sexueller Orientierung oder Behinderung, sehr wohl aber aus anderen Gründen (etwa zu geringe finanzielle Sicherheit); und er darf die Familie mit Kindern gezielt bevorzugen (wie auch der AG mE AN mit Kindern gezielt bevorzugen darf; § 3 Rz 44). Man muss also genau blicken, um den genauen Umfang der Verbote zu sehen. Die Diskriminierungsverbote binden daher grds auch weniger als etwa das Vergaberecht.9 Auf der anderen Seite gehen die Diskriminierungsverbote über ein bloßes Sachlichkeitsgebot hinaus, weil sie unmittelbare Diskriminierungen grds verbieten und mittelbare Diskriminierungen einer strengen Rechtfertigung unterwerfen. Ein AG, der eine schwangere Bewerberin wegen möglicher finanzieller Belastungen nicht einstellt, handelt ökonomisch rational und (daher) an sich „sachlich“.10 Er verletzt aber das Diskriminierungsverbot. Und die Anforderungen an die Rechtfertigung sind bei der mittelbaren Diskriminierung idR strenger als bei einem bloßen Sachlichkeitsgebot, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingreift (§ 5 Rz 47). 9 Die genaue Analyse des Inhalts der Diskriminierungsverbote darf aber nicht vergessen lassen, dass jedes dieser Verbote in der Praxis zu einer Rechtfertigungslast des Verpflichteten führt. Der AG oder ein anderer Verpflichteter muss damit rechnen, darlegen zu müssen, dass er eine bestimmte Entscheidung nicht aufgrund eines missbilligten Merkmales 8 Braun, JZ 2002, 424. 9 Vgl dazu Krejci, DRdA 2005, 301 ff. 10 Treffend Reichold, JZ 2004, 388.
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getroffen hat. Die größten Probleme treten bei Auswahlentscheidungen (Einstellung, Beförderung, Versetzung, Kündigung) auf. Am leichtesten wird die Rechtfertigung sein, wenn der Verpflichtete darlegen kann, dass er die am besten geeignete Person eingestellt oder befördert und die am wenigsten geeignete Person gekündigt hat – obwohl eine Diskriminierung auch dann nicht vorliegt, wenn er die Auswahlentscheidung aus Sympathie oder wegen der besseren Teamfähigkeit (die nicht gewählte Person würde das Arbeitsklima belasten, weil „die Chemie nicht stimmt“) getroffen hat, (falls diese Kriterien nichts mit einem missbilligten Merkmal zu tun haben) und er dies auch ausreichend dartun kann. In jedem Fall führt daher jedes Diskriminierungsverbot zur Last bzw Pflicht, die getroffene Entscheidung zu begründen. Diese Begründungspflicht wird den Verpflichteten idR veranlassen, seine Entscheidungen ausreichend zu dokumentieren, um im Fall einer Klage dartun zu können, dass er nicht diskriminiert hat (Dokumentationslast). Und das vorhin Erwähnte wird dazu führen, dass der Verpflichtete insb seine Auswahlentscheidungen an der Eignung der Personen ausrichtet, oder sonst an Überlegungen, aus denen abgeleitet werden kann, dass es sich um die nach ökonomischen und sonstigen sachlichen Kriterien „beste“ Entscheidung handelt. Im Ergebnis führen Diskriminierungsverbote daher weg von Privatautonomie und Auswahlfreiheit hin zum Erfordernis „sachlich“ begründbarer Entscheidungen (auch wenn der Inhalt des Diskriminierungsverbotes vom Inhalt eines Sachlichkeitsgebotes durchaus verschieden ist; vgl Rz 8, 21). Und diese Tendenz steigt mit der Anzahl der missbilligten Merkmale. Nicht zu den Diskriminierungsverboten ieS zählen uE die Verbote der 10 Belästigung von Personen aufgrund eines missbilligten Merkmales, auch wenn das Unionsrecht und das GlBG sie heute unter den Begriff der Diskriminierung subsumieren. Die Diskriminierungsverbote betreffen ein Verhalten, das von seinem Inhalt an sich völlig unbedenklich und rechtmäßig ist (zB Einstellung oder Entgeltabrede), wenn es aufgrund eines missbilligten Merkmales erfolgt oder sich bei bestimmten Personen in besonderer Weise auswirkt. Die Belästigungsverbote betreffen hingegen ein an sich bedenkliches Verhalten, das aber nur für den Fall explizit verboten wird, dass es mit einem missbilligten Merkmal in Zusammenhang steht. Das Unionsrecht enthält auch Vorgaben zur Durchsetzung der Dis- 11 kriminierungsverbote. Die Betroffenen müssen die Möglichkeit haben, die Verbote individuell durchzusetzen, die Mitgliedstaaten müssen also 9
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subjektive Rechte vorsehen. Überdies verlangt das Unionsrecht angemessene Sanktionen bei einer Verletzung und verbietet die Benachteiligung einer Person, die sich gegen eine Diskriminierung wehrt. Die Rechtsdurchsetzung wird durch eine Beweiserleichterung gefördert (die RL verlangen aber keine Beweislastumkehr; vgl § 12 Rz 56 f). Die neuen RL verpflichten die Mitgliedstaaten auch, vorzusehen, dass einschlägige Verbände die Rechtsverfolgung der Betroffenen unterstützen können (zB Art 17 Abs 2 GleichbRL). Die RL verpflichten die Mitgliedstaaten jedoch nicht, eine echte Verbandsklage vorzusehen. Auch eine Erleichterung für Gruppenklagen wird nicht verlangt. Die RL verfolgen also ein grds individualistisches Konzept.11 Das GlBG geht nicht darüber hinaus. Insb räumt es den „Klageverbänden“ nicht das Recht der Verbandsklage nach § 54 ASGG ein. Schließlich verlangen die RL auch die Einrichtung von Stellen zur Förderung der Gleichbehandlung. Dies erfolgt durch das BG über die Gleichbehandlungskommissionen und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-G). 12 Das Verbot einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund eines der missbilligten Merkmale ist der Kern des Rechts zur Antidiskriminierung. Ergänzt wird es durch organisatorische Maßnahmen. Die Betroffenen sind häufig nicht in der Lage, sich als Einzelne gegen Diskriminierungen zu wehren, sondern bedürfen der Unterstützung durch spezialisierte Organe oder Organisationen, die Beschwerden Einzelner aufgreifen, und darüber hinaus allgemein die Lage in Bezug auf Diskriminierungen beobachten und sich um Abhilfe bemühen. Dies führte zur Errichtung von Anwaltschaften für Gleichbehandlung und zu Klagerechten dieser Organe und/oder von einschlägigen Verbänden. In Österreich ist dies heute im GBK/GAW-G geregelt. Außerdem reichen nach verbreiteter Auffassung Diskriminierungsverbote allein oft nicht aus, um eine benachteiligte Gruppe (zB Frauen im Arbeitsleben, behinderte Personen, Minderheiten) faktisch – insb im Arbeitsleben – „gleichzustellen“, ihnen also zumindest die gleichen Chancen zu eröffnen, weil die Benachteiligungen auch auf strukturellen Nachteilen beruhten. Dies führte zur Forderung nach spezifischen Maßnahmen („positive actions“) zur Förderung der faktischen Gleichstellung. Da diese Maßnahmen aber gerade an ein missbilligtes Merkmal anknüpfen (zB Vorrangregel zugunsten von Frauen), bedarf es einer Sonderbestimmung, die vom Diskriminierungsver11 Schindler, DRdA 2004, 527; § 2 Rz 6 ff.
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bot freistellt. Das GlBG sieht solche Freistellungen in den §§ 8, 22 und 34 vor. Vorreiter waren auch hier die USA mit der Erlaubnis oder gar der gesetzlichen Pflicht zu positive actions. Vom Verbot der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung 13 zu unterscheiden ist die Verpflichtung, zugunsten von Personen mit bestimmten Bedürfnissen angemessene Vorkehrungen („reasonable accomodation“) zu treffen. Das Unionsrecht enthält eine solche Verpflichtung nur in Bezug auf Behinderte. Art 5 der RL 2000/78 verpflichtet AG zu angemessenen Vorkehrungen, um die Gleichbehandlung auch zugunsten von Behinderten zu gewährleisten. In Bezug auf die anderen missbilligten Merkmale fehlt ein vergleichbares Gebot – auch im GlBG.12 Der AG ist also nicht verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, um die Beschäftigung von Angehörigen einer bestimmten Religion oder von Frauen zu erleichtern – er darf diese nur nicht diskriminieren (vgl auch § 19 Rz 80). Hervorzuheben ist, dass die RL zu „angemessenen Vorkehrungen“ für Behinderte nur verpflichtet, sofern die Vorkehrungen nicht zu einer „unverhältnismäßigen Belastung“ des AG führen. Daraus wird abgeleitet, dass eine mittelbare Diskriminierung bei den anderen missbilligten Merkmalen nicht durch rein ökonomische Erwägungen gerechtfertigt werden kann.13 Dies ist jedenfalls richtig, soweit es nur um das Argument zu hoher Kosten geht (vgl im Übrigen § 2 Rz 14 ff und 5 Rz 57 ff). Fraglich ist, inwieweit die vier zentralen RL (Rz 3 f) nur Mindestvor- 14 schriften (iSd Art 153 Abs 2 lit b AEUV) enthalten, die die Mitgliedstaaten nicht hindern, strengere Vorschriften zu erlassen (sog „gold plating“). Sicher ist, dass der nationale Gesetzgeber ein Diskriminierungsverbot auch für Bereiche erlassen darf, für die das Unionsrecht dies nicht vorschreibt. Er darf bei öffentlich angebotenen Leistungen also auch die Diskriminierung nach einem anderen Merkmal als der ethnischen Herkunft oder dem Geschlecht verbieten, oder ein Diskriminierungsverbot für den gesamten Zivilrechtsverkehr einführen. In Bezug auf den Tatbestand der Diskriminierungsverbote ist es jedenfalls bei den meisten missbilligten Merkmalen so, dass das nationale Recht das Verbot nicht zugunsten von bestimmten Personen abändern darf, die durch eines dieser Merkmale bestimmt werden. Die Bevorzugung der einen Person aufgrund von Geschlecht, Religion, Herkunft oder 12 Vgl dazu Windisch-Graetz in Liber Amicorum Wolfgang Mazal, 207 ff. 13 Schiek, NZA 2004, 875.
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Alter bedeutet ja notwendig eine Benachteiligung einer Person anderen Geschlechts oder Alters bzw anderer Religion oder Herkunft. Maßnahmen zum Vorteil von Personen mit einer bestimmten Ausprägung des an sich missbilligten Merkmals sind daher nur als „spezifische Maßnahmen“ iSd §§ 8 und 22 zulässig. Nur in Bezug auf das Merkmal Behinderung dürfte es anders sein. Auch bei den im GlBG geregelten Merkmalen (Geschlecht usw) kann der nationale Gesetzgeber über die Vorgaben der RL aber insoweit hinausgehen, als es um die Rechtsfolgen einer Diskriminierung und damit um die Sanktionen geht. 15 Österreich war ohne Zweifel kein Vorreiter bei der Gesetzgebung gegen Diskriminierung. Versetzt man sich etwa in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, so war die Rechtslage in Österreich in Bezug auf die jetzt im GlBG verbotenen Diskriminierungen ganz anders als heute. Lediglich gem Art III Abs 1 Z 3 EGVG14 machte sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer „einen anderen aus dem Grund der Rasse, der Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung diskriminiert oder ihn hindert, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch bestimmt sind“. Häufig vollzogen wurde diese Regelung nicht. Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund mancher Merkmale war somit an sich rechtlich missbilligt, während eine Benachteiligung aufgrund anderer Merkmale nicht missbilligt wurde (so Alter und sexuelle Orientierung). Aber auch bei den Merkmalen der ersten Gruppe war nur die unmittelbare Diskriminierung unzulässig, während das Konzept der mittelbaren Diskriminierung in Österreich noch unbekannt war. Und auch bei der unmittelbaren Diskriminierung waren die Kontrolldichte und die Rechtsfolgen im Vergleich zu heute deutlich geringer. Zur privatrechtlichen Geltung der Diskriminierungsverbote wurde insb gesagt, dass die Differenzierungsverbote des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes im Verhältnis zwischen Privaten nur mittelbar und damit in „verdünnter“ Form maßgebend seien, weil jede stärkere Durchsetzung zulasten Privater die Privatautonomie zu stark einschränke.15 16 Die erste bedeutende Änderung brachte das Gleichbehandlungsgesetz 1979 (BGBl 108/1979). Es wandte sich nur gegen die Benachteiligung 14 Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008; BGBl I 87/2008; eingeführt durch Art IX Abs 1 Z 6 EGVG, BGBl 56/1977. 15 Vgl zur früheren Sicht Mayer-Maly, DRdA 1980, 261 ff, 274 f; Loebenstein in FS Strasser 759 ff.
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aufgrund des Geschlechtes und enthielt sowohl materiellrechtliche als auch organisatorische Bestimmungen. Va die materiellrechtlichen Normen waren aber – verglichen mit den heute geltenden – noch zurückhaltend und schwach, und verboten allein die unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Entgelts. Geistig beeinflusst war schon dieses Gesetz durch das Recht der Europäischen Gemeinschaft. In den Jahren vor dem Beitritt Österreichs zum EWR und zur EG wurde das GlBG verstärkt an den damaligen Stand des Gemeinschaftsrechts herangeführt, insb durch die 2. und 3. Novelle des GlBG 1979.16 Die RL 2000/43/EG und 2000/78/EG erforderten in Österreich eine 17 umfassende Neuregelung des Gleichbehandlungsrechts. Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, die Vorgaben des damaligen Gemeinschaftsrechts – also insb des Art 141 EG und der RL 76/207/EWG sowie der RL 2000/43/EG und 2000/78/EG – nicht in einem einzigen Gesetz umzusetzen. Die Ausführung erfolgte vielmehr in drei Gesetzen. Die Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, die auch in der RL 2000/78/EG geregelt ist, wurde im BEinStG geregelt. Das neue GlBG 2004 wurde primär zur Ausführung der beiden RL aus dem Jahr 2000 erlassen. Daneben wurde das alte Gleichbehandlungsgesetz 1979 novelliert und zur Regelung von Gleichbehandlungskommission und Gleichbehandlungsanwaltschaft genutzt; es wurde entsprechend umbenannt (GBK/GAW-Gesetz). Dieses Vorgehen ist wohl durch den Wunsch veranlasst worden, die Verfassungsbestimmung des § 10 GlBG 1979 weiter nutzen zu können. Das GlBG regelt die Diskriminierung außerhalb des Arbeitslebens ge- 18 sondert im III. Teil. Es regelt aber auch die Diskriminierung im Arbeitsleben in zwei getrennten Teilen. Der I. Teil betrifft nur die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der II. Teil die Diskriminierung aufgrund eines der anderen missbilligten Merkmale. Da die Sachprobleme in diesen beiden Teilen naturgemäß parallel laufen, sind auch die Regelungen nahezu parallel. Zu fast allen Bestimmungen des I. Teiles gibt es also Bestimmungen im II. Teil, deren Wortlaut – von den Merkmalen abgesehen – zur Gänze oder weitestgehend übereinstimmen. Der Gleichbehandlungsausschuss im Parlament nannte als Grund für die Verdoppelung das Bedürfnis, „die besondere Bedeutung der Gleichstellung von Frauen und Männern hervorzuheben“.17 16 BGBl 410/1990 und 833/1992; vgl Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht (1991). 17 AB 499 BlgNR 22. GP 3.
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19 Im IV. Teil regelt das GlBG die Gleichbehandlung im Arbeitsleben im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Die Notwendigkeit für diese Sonderregelung folgte ursprünglich aus der antiquierten und jedenfalls in diesem Bereich nicht mehr erklärbaren Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen durch das B-VG: Der Bund durfte hier nur die Grundsätze regeln. Diese „Grundsätze“ stimmten jedoch in wesentlichen Punkten mit den unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Teile I. und II. überein und es war dem Gesetzgeber auch möglich, alle missbilligten Merkmale gemeinsam zu regeln. Durch die Novelle BGBl I 2019/14 wurde die Zuständigkeit für Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt, von der Grundsatzgesetzgebung zu einer Gesetzgebung durch den Bund und Vollziehung durch die Länder geändert. Die Übergangsvorschrift des Art 151 Abs 63 Z 4 B-VG sieht vor, dass in den Angelegenheiten des bisherigen Art 12 erlassene Grundsatzgesetze „außer Kraft treten“. Der IV. Teil ist daher nicht mehr in Kraft, auf eine entsprechende bereinigende Novellierung des GlBG wurde allerdings verzichtet (IV Teil Rz 2). Mit dem 2021 neu erlassenen Bundesgesetz über das Arbeitsrecht in der Land - und Forstwirtschaft (Landarbeitsgesetz 2021 – LAG18) wurden in den § 133 bis 150 Gleichbehandlungsregelungen eingeführt, die im Wesentlichen den Bestimmungen des GlBG entsprechen. 20 Der österr Gesetzgeber hat sich im GlBG im Wesentlichen am Unionsrecht orientiert. Nur an einigen wenigen Stellen weicht der Gesetzestext deutlich von der RL ab, ohne dass das Unionsrecht dies verlangen würde, so insb in den §§ 9 und 23. Außerhalb des Arbeitslebens hat der Gesetzgeber nur die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der ethnischen Herkunft verboten, nicht aber die Diskriminierung aufgrund eines der anderen in der RL 2000/78/EG genannten Merkmale. Auch in den Regelungen zum Arbeitsleben geht das österr Recht nicht über die Vorgaben hinaus. So werden (anders als etwa in Irland) nur die von den Gleichbehandlungs-RL verlangten Merkmale missbilligt. Und bei vielen Fragen zu den Tatbeständen der Diskriminierung begnügt sich das GlBG im Wesentlichen mit einer Übernahme der unionsrechtlichen Grundregel. Dies gilt nicht nur für das Diskriminierungsverbot und die Definitionen der Diskriminierung (§§ 3 und 5 sowie 17 und 19). Es gilt auch für die Ausnahmeregelungen zur wesent18 BGBl I 78/2021.
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lichen und entscheidenden Voraussetzung (§§ 9 und 23), die Ermächtigungen für positive Maßnahmen (§§ 8 und 22) sowie die Möglichkeiten der Rechtfertigung der Diskriminierung, insb beim Alter (§ 20 Abs 3 und 4) und allgemein einer mittelbaren Diskriminierung. Damit hat der österr Gesetzgeber jedenfalls die Möglichkeiten nicht genutzt, die er zur Konkretisierung der Verbote hatte, und deren Ausnutzen vor allem die Rechtfertigung einer Benachteiligung hätte erleichtern können. Das GlBG ist seit 2004 acht Mal novelliert worden. Die erste Novelle erfolgte bereits ein Jahr nach der Erlassung des GlBG, durch das BGBl I 2005/82, das neben der Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben für die Behinderung auch das Verhältnis der Diskriminierungen nach dem BEinstG und dem GlBG zueinander iSe Vorranges des BEinstG löste. Eine weitere Novelle erfolgte 2008, BGBl I 2008/98, und brachte in Umsetzung der RL 2004/113/EG die Ausdehnung des Diskriminierungsverbots beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen auf das Geschlecht, zu diesem Zeitpunkt noch – dem sonstigen Aufbau des GlBG folgend und legistisch wenig sinnvoll – getrennt von dem im II. Teil geregelten Diskriminierungsverbot aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit. Mit BGBl I 2011/7 wurde für alle missbilligten Merkmale die Diskriminierung durch Assoziierung als zusätzliche Form der Diskriminierung eingeführt. Zusätzlich wurde in § 11a das Erfordernis der Erstellung eines Einkommensberichts und in § 36 das Gebot des diskriminierungsfreien Ausschreibens von Wohnraum geschaffen. Außerdem wurden die zuvor zersplitterten Regelungen zur Diskriminierung ausserhalb der Arbeitswelt zusammengeführt. Noch in der Regierungsvorlage war eine Ausdehnung des Diskriminierungsschutzes außerhalb der Arbeitswelt auf weitere Diskriminierungsmerkmale geplant. Diese wurde auf Abänderungsantrag des Gleichbehandlungsausschusses mit der Begründung beseitigt, man wolle die Entwicklung auf Unionsebene abwarten – dies, obwohl die Ausdehnung im Begutachtungsverfahren überwiegend positiv gesehen wurde. Im Jahr 2013 erfolgte neben einer begrifflichen Anpassung an die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch BGBl I 2013/71 die letzte substanzielle Novellierung durch BGBl I 2013/107. Insbesondere sollte dadurch die RL 2010/41/EU zum Diskriminierungsverbot von Selbstständigen umgesetzt werden, wobei eine Diskriminierung nach den vom GlBG verpönten Merkmalen bei Berufsberatung und Ausbildung und beim Zugang zu selbständiger Tätigkeit auch zuvor schon untersagt war und hier insofern bloße Klarstellungen erfolgten. Erneut war eine Ausdehnung des Diskriminierungsschutzes außerhalb der Arbeits15
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welt angedacht, die es jedoch diesmal nicht einmal bis in die Regierungsvorlage schaffte.19 Nur punktuelle Änderungen brachten die Novellen BGBl I 2015/34 (begriffliche Anpassung an das neue Versicherungsaufsichtsgesetz) und BGBl I 2017/40 (Entfall der Pflicht zur Auflage des GlBG im Betrieb). Die letzte Novelle BGBl I 2020/16 erfolgte im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und sah Fristverlängerungen vor. 21 Im Bereich des Arbeitsrechts treten die Diskriminierungsverbote neben die bestehenden Regelungen, insb neben den auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gestützten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und den Motivkündigungsschutz nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG. Auch für Benachteiligungen aufgrund von Merkmalen, die das GlBG nicht missbilligt, gelten weiterhin allgemeine Vorschriften, die zu einem Diskriminierungsverbot führen können. Das GlBG ist nur in Bezug auf die darin geregelten Unterscheidungsmerkmale, nicht aber in Bezug auf andere Merkmale als abschließende Regelung gedacht. Für Benachteiligungen aus anderen Gründen (zB Koalitionsbetätigung, politische Überzeugung, Gewissensentscheidung) gelten weiterhin die allg Bestimmungen, insb § 879 ABGB iVm den Grundrechten. Die Unterschiede der Verbote nach dem GlBG zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sind beträchtlich. Dieser gilt nur für die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, nicht aber bei dessen Begründung oder dessen Beendigung. Und er untersagt zumindest die Benachteiligung einer Minderheit ohne sachlichen Grund.20 Aber auch nach neuerer und strengerer Auffassung,21 die jede Benachteiligung bei der Aufstellung und Anwendung generalisierbarer Prinzipien durch den AG für unzulässig hält, sind sachliche Unterscheidungen zulässig. Nach dem GlBG sind hingegen unmittelbare Unterscheidungen nach einem missbilligten Merkmal grds unzulässig, und die Anforderungen an die Rechtfertigung sind bei der mittelbaren Diskriminierung klar strenger als beim Gleichbehandlungsgrundsatz. Insb ist beim Gleichbehandlungsgrundsatz eine Rechtfertigung durch rein finanzielle Erwägungen des Unternehmens zulässig, beim Diskriminierungsverbot hingegen unzulässig. Soweit ein Diskriminierungsverbot eingreift, beschränkt es die Privatautonomie also mehr als der Gleichbehandlungs19 Siehe dazu Schmölzer, juridikum 2013, 165 (168). 20 ZB OGH 26.8.2014, 9 ObA 36/14f. 21 Vgl dazu ausf Pöschl, DRdA 2013, 475.
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grundsatz. Dafür lässt es allerdings vor allem bei Einzelmaßnahmen auch Erwägungen zu, die vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zulässig wären (zB Sympathie). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt ferner nach überwiegender Auffassung22 nur im Rahmen des Betriebes und nicht auch zugunsten der AN verschiedener Betriebe eines Unternehmens (anders in Deutschland), außer wenn der AG selbst eine überbetriebliche Regelung aufstellt und anwendet oder eine Personalfluktuation zwischen den Betrieben stattfindet.23 Ferner gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Auffassung des OGH24 nur für gleichzeitig ablaufende Sachverhalte, die Behandlung von Vorgängern ist unbeachtlich.25 Jedenfalls bei der unmittelbaren Diskriminierung ist dies anders. Außerdem kann der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im konkreten Einzelfall abbedungen werden, insb beim Entgelt, weil der Vorwurf der Persönlichkeitsverletzung nicht mehr besteht, wenn der Betroffene einverstanden ist. Der Gleichbehandlungsgrundsatz respektiert den AG also auch als Grundrechtsträger, während die Diskriminierungsverbote den AG nur als Verpflichteten sehen. Die Diskriminierungsverbote sind in ihrem Anwendungsbereich auch strenger als die Beschränkungen durch § 105 ArbVG. Was den KollV betrifft, so ist dieser nach der Rsp zwar nicht an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, wohl aber an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Dieser erlaubt „sachliche“ Differenzierungen, insb nach einem Stichtag. Das ist eine weniger strenge Begrenzung als jene durch ein Diskriminierungsverbot, soweit dieses eingreift, und eine strengere dort, wo nicht (auch nicht mittelbar) nach einem missbilligten Merkmal unterschieden wird. Die Rechtslage im Bereich der Antidiskriminierung in anderen Mit- 22 gliedstaaten unterscheidet sich zum Teil deutlich von jener in Österreich. In Deutschland etwa werden außerhalb des Arbeitslebens auch andere Merkmale ausdrücklich missbilligt. Bereits der erste Entwurf der Regierungsparteien zum AGG wollte außerhalb des Arbeitslebens jede Diskriminierung aufgrund eines der im Unionsrecht genannten 22 ZB OGH 3.4.1962, 4 Ob 25/62; vgl dazu mwN Schrammel, Betriebspen sionsgesetz 197 f; aA zB Binder, DRdA 1983, 156 ebenfalls mwN der überwiegenden Ansicht. 23 Mosler in ZellKomm3 AngG § 18 Rz 94. 24 OGH 15.4.1998, 9 ObA 409/97f; zu Stichtagsregelungen vgl 4.9.2002, 9 ObA 24/02y. 25 Vgl zB Binder, DRdA 1983, 156.
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Merkmale verbieten. Der Antrag der Regierungsparteien wurde weitreichend kritisiert.26 Die Regierung hatte daraufhin zahlreiche Abschwächungen angekündigt, zu denen es jedoch nicht kam. Außerhalb des Arbeitslebens erfasst das spezielle Diskriminierungsverbot in Deutschland somit auch die anderne Merkmale (§ 19 AGG) – ein Schritt, zu dem sich der österreichische Gesetzgeber wie bereits ausgeführt bisher nicht hat durchringen können (vgl Rz 20).27 23 Das GlBG und GBK/GAW-G dienen der Ausführung von Unionsrecht. Zur Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben ist letztlich der EuGH berufen. Er hatte sich zunächst nur zur Geschlechterdiskriminierung äußern können, wobei seine diesbezügliche Judikatur mit etwa 150 Entscheidungen bereits sehr umfangreich war. Die neuen RL nahmen die vom EuGH entwickelte Dogmatik auf und schlossen an sie an, sodass die vorhandene Judikatur zur Geschlechtsdiskriminierung auch die Maßstäbe für das rechtsdogmatische Verständnis der neuen Regelungen setzte. Wie nicht anders zu erwarten, entfaltete der EuGH inzwischen auch zu den neuen Diskriminierungsmerkmalen eine rege Rechtsprechungstätigkeit, und seine Judikatur ist für die Auslegung und Weiterentwicklung des Antidiskriminierungsrechts von großer Bedeutung. 24 Da das GlBG und GBK/GAW-G Unionsrecht umsetzen, können zur Auslegung und Anwendung der beiden Gesetze grds auch Literatur und Judikatur aus anderen Mitgliedsstaaten herangezogen werden, soweit sie die gemeinsame unionsrechtliche Grundlage betreffen. Insb kann oft dt Literatur und Judikatur zum älteren Recht der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (insb §§ 611a und b BGB) herangezogen werden, weil die unionsrechtlichen Vorgaben eine gemeinsame Ausgangsbasis schaffen und das dt Recht zunächst kaum über das vom Unionsrecht Geforderte hinausging. Das dt AGG geht hingegen allerdings in manchen Punkten über das vom Unionsrecht Geforderte hinaus (siehe Rz 22), während man dies vom GlBG nicht behaupten kann. Stellungnahmen zum neuen deutschen Recht sind daher für Österreich nicht immer ohne weiteres relevant, auch weil sich deutliche Unterschiede bei dem einen Punkt auf andere Punkte und daher auch deren Verständnis auswirken können. 26 ZB Nielebock, NZA 2004, 28 ff. 27 Zur Ausführung in Großbritannien und Frankreich vgl Gay und LeFriant, NZA-Sonderbeilage zu Heft 2004/22; sowie Husmann, ZESAR 2005, 107 ff.
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II. Bewertungen der Regelungen Die Bereitschaft einer Person, mit einer anderen Person einen Vertrag 25 abzuschließen, bestimmte Vertragsinhalte zu vereinbaren, sowie das Verhalten bei der Durchführung des Vertrages, insb in einem Dauerschuldverhältnis, sind durch verschiedene Motive der Privatrechtssubjekte bestimmt. An erster Stelle steht idR das wirtschaftliche Eigeninteresse. Daneben können auch persönliche Merkmale der anderen Person eine Rolle spielen, insb die in Rz 2 genannten Merkmale. Nicht selten wird aber auch das Berücksichtigen eines dieser Merkmale auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen. Mit bestimmten Merkmalen sind entweder notwendige oder nach der Erfahrung wahrscheinlich bestimmte für den potentiell Handelnden nachteilige ökonomische Folgen (insb Kosten) verbunden. So steigt bei Angestellten das kollektivvertragliche Entgelt idR mit dem Alter; nur jüngere Frauen werden schwanger und verursachen die damit für den AG verbundenen Kosten; manche Kunden werden lieber von Einheimischen als von Angehörigen einer ethnischen Minderheit bedient; und in manchen Gegenden soll der Wert von Wohnimmobilien sinken, wenn der Anteil an zugewanderten Bewohnern steigt. In anderen Situationen beruht das Berücksichtigen eines dieser persönlichen Merkmale hingegen nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen, und daher nach verbreiteter Auffassung nur auf einem „Vorurteil“ des Handelnden gegenüber bestimmten Merkmalsausprägungen, insb in Bezug auf Minderheiten. Manche werden auch umgekehrte Vorurteile haben (also zB lieber eine Zuwanderin einstellen als einen Einheimischen). Die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmer am Privatrechtsverkehr Menschen mit einer Ausprägung eines missbiligten Merkmales, die auf eine Minderheit oder zusätzliche Kosten hinweist, gezielt bevorzugen, ist aber deutlich geringer als die Wahrscheinlichkeit, dass sie deshalb gezielt oder mittelbar benachteiligen.28 Die Bestrebungen gegen Diskriminierung wenden sich nun zum einen dagegen, dass bestimmte Merkmale pauschal als Entscheidungskriterien verwendet werden, weil sie nicht auf die individuellen Umstände der (potentiellen) Vertragspartner und daher nicht auf deren Person und Persönlichkeit Bedacht nehmen (zB wenn unterstellt wird, dass Frauen stets körperlich schwächer sind als Männer, Zugewanderte die Landessprache stets schlechter beherrschen als Einheimische oder als Mieter weniger regelmäßig zahlen). Sie wenden sich aber zum ande28 Vgl zB Schindler, DRdA 2004, 529; aA zB Adomeit, NJW 2002, 1622.
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ren auch gegen das Heranziehen konkret verwirklichter Merkmale, weil das Merkmal allgemein missbilligt wird oder weil es zumindest bei der konkreten Entscheidung keine Rolle spielen soll. 26 Hinter diesen Bestrebungen, Diskriminierungen zu verbieten, stehen verschiedene Erwägungen. Diese Erwägungen können nach dem Anwendungsbereich des Verbotes (Arbeitsleben oder Zivilrechtsverkehr, Ausgestaltung oder Begründung des Vertragsverhältnisses) differieren. Sie können bei den verschiedenen missbilligten Merkmalen unterschiedlich sein und auch nach den Rechtsfolgen differieren. Und unterschiedliche Befürworter können unterschiedliche Motive für Diskriminierungsverbote haben. Es gibt also wohl keine einheitliche und durchgehende „Erklärung“ der Vorschriften zur Diskriminierung. Allen Diskriminierungsverboten liegen aber jedenfalls auch ethische Erwägungen zugrunde, die auf die Würde der Menschen, das Postulat der Gleichheit (Rz 23 ff) und die Integration aller Bezug nehmen. Vor allem darauf beruht bei vielen die positive Einschätzung der Verbote. Manche verlangen darüber hinaus einen verstärkten Einsatz spezifischer Maßnahmen, um neben der Gleichbehandlung auch die faktische Gleichstellung im Privatrechtsverkehr zu fördern (zur Unterscheidung vgl § 2 Rz 1 f). Bei manchen missbilligten Merkmalen treten dazu ökonomische Erwägungen. So sollen insb die Verbote der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und auch des Alters die Integration von Frauen und von Älteren in den Erwerbsprozess und damit die Beschäftigungsquote erhöhen und die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Die Diskriminierungsverbote werden somit als Mittel zur sozialen wie zur ökonomischen Integration gesehen.29 Zu einzelnen Merkmalen werden auch spezifische Begründungen angeführt. So wird für das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsleben – überzeugend – ins Treffen geführt, dass die von der Politik und den AG zur Entlastung der sozialen Pensionsversicherung gewünschte Erhöhung der Erwerbsquoten Älterer von einer arbeitsrechtlichen Unterstützung dieser Erwerbsarbeit begleitet sein müsse (zB auch durch den Abbau von Senioritätsrechten). Für das Verbot der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft werden die positiven Effekte von Diversität (Rz 28), aber auch die ökonomischen Vorteile einer besseren Integration von Zuwanderern angeführt. Allerdings gibt es auch Stimmen, die in Multikulturalität und Zuwanderung keine klaren – ökonomischen – Vorteile sehen. Für das 29 ZB McCrudden, New concept 11.
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Verbot der Diskriminierung aufgrund der Religion werden auch die leidvollen Erfahrungen Europas mit religiösen Konflikten ins Treffen geführt. Zur Kritik vgl unten Rz 35 ff. Gemeinsam ist vielen Ansätzen zur Erklärung oder Begründung der 27 Diskriminierungsverbote, dass sie sich auf das „Prinzip der Gleichheit“ berufen, allerdings werden auch dazu sehr unterschiedliche Konzepte und Begründungen vertreten. Bei der Frage nach den geistesgeschichtlichen Grundlagen des Antidiskriminierungsrechts muss man also nach den verschiedenen Konzepten zur Gleichheit und damit auch zur Antidiskriminierung unterscheiden. Grundlegend ist wohl die Zweiteilung in einerseits das Konzept der Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit und andererseits eine mehr gruppenbezogene Sicht der Gleichheit. Bei der gruppenbezogenen Sicht können wiederum vor allem zwei Konzepte unterschieden werden, uzw Gleichheit im Ergebnis sowie Gleichheit als Chancengleichheit.30 Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit blickt primär auf die Einzelnen: die Menschen sollen vor allem nach ihrem „Verdienst“ (merit) behandelt werden, also insb nach ihren Fähigkeiten und Leistungen. Die gruppenbezogene Sicht will Gruppen, die als sozial oder wirtschaftlich benachteiligt betrachtet werden (Frauen, Minderheiten), schützen; dementsprechend sollen mit der Zugehörigkeit zur Gruppe verbundene Merkmale keine Rolle spielen dürfen. Das „Prinzip der Gleichheit“ wurde in erster Linie für das Verhältnis 28 der Bürger zum Staat entwickelt.31 Die Verfassungen der meisten der 15 alten Mitgliedstaaten enthalten einen Gleichheitssatz, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten. Der Gleichheitssatz verbietet grds jede unsachliche Differenzierung durch den Staat und gebietet, Unterschiedliches je nach den Unterschieden verschieden zu behandeln.32 Manche Rechtsordnungen, keineswegs aber alle, verbinden den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach eine Unterscheidung nur dann sachlich sei, wenn sie für ein legitimes Handlungsziel gegeben ist und die Maßnahme geeignet und erforderlich und nicht überschießend ist. Im Rahmen der EU 30 Vgl § 2 Rz 2 ff; sowie Fredman, Discrimination Law 14 ff; McCrudden, New Concept; Tomei, Discrimination, 409 ff; Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (2). 31 Vgl dazu grundlegend Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz (2008). 32 Vgl Pöschl 152 ff.
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ist ein Diskriminierungsverbot und damit der Gedanke der Gleichheit schon lange für den Binnenmarkt prägend: Die Grundfreiheiten verbieten die – unmittelbare oder mittelbare – Unterscheidung nach der Herkunft von AN, Waren oder Dienstleistungen. Der „tägliche“ Umgang mit diesen Verboten hat die Bereitschaft zu weiteren Maßnahmen gegen Diskriminierung gefördert und deren Strukturen beeinflusst. Der EuGH hat das Prinzip der Gleichheit bereits vor Inkraftreten der Grundrechtecharta als einen allg Rechtsgrundsatz des Unionsrechts und damit als Unionsgrundrecht anerkannt, auch wenn seine Konturen wenig scharf sind.33 Man darf aber nicht übersehen, dass die Grundfreiheiten im Wesentlichen nur den Staat (und kollektive Mächte) binden, nicht aber Private.34 29 Die anderen, neuen Vorschriften der EU gegen Diskriminierung und das GlBG betreffen aber primär nicht das Verhältnis der Bürger zum Staat, sondern das Verhältnis der Bürger untereinander und damit die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten. Die entscheidende Frage ist dann, inwieweit und warum das „Prinzip der Gleichheit“ nicht nur den Staat, sondern auch die Bürger untereinander binden und verpflichten soll. Jedenfalls in Österreich und Deutschland war und ist diese Unterscheidung nach dem Adressaten der Pflicht zur Gleichbehandlung grundlegend. Eine Erweiterung der Anwendung von Grundrechten auf die Rechtsbeziehungen unter Privaten – und damit auch zu Lasten eines Privaten – ist zwar auch aus der österr Grundrechtsdiskussion bekannt, insb über die Figur von Schutzpflichten des Staates in Bezug auf Beziehungen Privater (neben dem Einfließen der grundrechtlichen Wertungen in die unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln). Allerdings wurde und wird dies jeweils gesondert diskutiert und bei der Begründung einer Schutzpflicht wird die Tatsache, dass es sich um ein Rechtsverhältnis zwischen Privaten handelt, sehr wohl bedacht. In mancher europäischer Diskussion zur Antidiskriminierung scheint dies anders zu sein: Für Private sollen die Gleichbehandlungsgebote ebenso gelten wie für den Staat. Dies stimmt zwar für einige der hier zentralen Richtlinien (Rz 3 f), die ja nicht zwischen dem Adressaten der Pflicht unterscheiden, jedoch haben diese einen eingeschränkten Anwendungsbereich, nämlich idR nur die Beschäftigung. Klar abzulehnen ist 33 Kingreen § 17 Rz 10 ff. 34 Vgl aber die horizontale Wirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, EuGH 6.6.2000, C-281/98, Angonese.
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daher die Tendenz mancher Diskussionsbeiträge (zB von McCrudden), so zu tun, als würden die Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote für Aktivitäten Privater stets ebenso gelten wie für den Staat und dann auch noch für alle Aktivitäten Privater. Jedenfalls der allg Gleichheitssatz des Unionsrechts (Gleichbehandlung nach der Staatsangehörigkeit) bindet derzeit nur die Staaten (und allenfalls Gleichgestellte), nicht aber Private. Aber auch die Diskriminierungsverbote gelten für Private nur soweit, als dies klar angeordnet wurde – wenngleich die Anforderungen an diese Klarheit in der jüngeren Judikatur des EuGH etwas herabgesetzt erscheinen, wenn etwa Diskriminierungsverbote als allgemeine Rechtsgrundsätze35 oder aufgrund der Grundrechtecharta36 auch Private binden sollen. Am deutlichsten wird dies darin, dass selbst die Grundfreiheiten private Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen nicht daran hindern, beim Einkauf nach der nationalen Herkunft der Leistung zu „diskriminieren“; das gilt selbst zugunsten großer Nachfrager (zB SPAR) und findet seine Grenze erst am Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art 102 AEUV). Man kann daher – anders als McCrudden dies tut – die Diskriminierungsverbote nicht ohne Beachtung der unterschiedlichen Adressatenkreise erörtern. Darüber hinaus haben auch die Diskriminierungsverbote heute noch 30 einen deutlich anderen Inhalt als der Gleichheitssatz wie wir ihn aus der österr Bundesverfassung kennen. Erstens begründen sie für Private kein allgemeines Gebot zu „sachlicher“ Entscheidung, sondern verbieten nur die Benachteiligung aufgrund bestimmter Merkmale bzw Kriterien (Rz 6). Auch das GlBG verbietet es dem AG nicht, zB nach körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Gesundheitszustand, Verwandtschaft, sozialer Schicht oder Sympathie zu differenzieren, sofern damit keine mittelbare Diskriminierung nach einem missbilligten Kriterium verbunden ist. Zweitens verbietet das GlBG nur Diskriminierungen. Wird nicht diskriminiert, so verpflichtet das Gesetz zu keiner Gleichbehandlung. Drittens haben die Diskriminierungsverbote einen spezifischen Inhalt, der zuweilen strenger ist als jener des Gleichheitssatzes. Insb sind „spezifische Maßnahmen“, die die Angehörigen einer als benachteiligt angesehenen Gruppe begünstigen sollen (zB Vorrangregel), nur unter engen Voraussetzungen zulässig (vgl zu § 8). 35 EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold. 36 EuGH 17.4.2018, C‑414/16, Egenberger; 22.1.2019, C-193/17, Cresco.
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31 Bei den Konzepten zur Gleichheit kann man wie gesagt zwischen Gleichheit als individueller Gerechtigkeit und einer mehr gruppenbezogenen Sicht der Gleichheit unterscheiden (Rz 27 und § 2 Rz 3 ff). Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit oder Symmetrie verlangt, dass bestimmte – vom Gesetzgeber missbilligte – persönliche Merkmale, die für die Arbeitsaufgabe keine Bedeutung haben sollen, außer Betracht bleiben. Die Regeln des Wettbewerbs um Verträge sollen für alle gleich sein, es soll auf persönliches Verdienst und damit im Wirtschaftsleben weitgehend auf Effizienz ankommen. Allerdings – und dies ist das Besondere – bedeuten die Diskriminierungsverbote, dass Unterschiede im Tatsächlichen in manchen Fällen auch dann unberücksichtigt bleiben müssen, wenn sie nach den sonst geltenden Maßstäben als nachvollziehbar und rational und daher als „sachlich“ angesehen werden (zB typischerweise höhere Kosten bei der Beschäftigung junger Frauen). Dies gilt bei unmittelbarer Diskriminierung grds; eine mittelbare Benachteiligung kann hingegen unter Umständen gerechtfertigt werden, sodass dann die Frage auftritt, wann eine Benachteiligung durch ökonomische Argumente gerechtfertigt werden kann und wann nicht. Gleichheit im Ergebnis blickt hingegen mehr auf die Folgen einer Entscheidungspraxis für die durch die Merkmale konstituierten Gruppen und verlangt, dass diese Gruppen im Ergebnis gleich behandelt werden. Dieses Konzept unterscheidet sich vor allem bei Entscheidungen über den Abschluss oder die Auflösung von Verträgen (und etwa auch bei Beförderungen) vom ersten Konzept. Gleichheit als Symmetrie verlangt hier nur, dass die Auswahl nicht aufgrund eines missbilligten Motivs erfolgt, Gleichheit im Ergebnis verlangt hingegen, dass die verschiedenen Gruppen angemessen und damit letztlich proportional berücksichtigt werden (zB dass Frauen in Spitzenpositionen so stark vertreten sind wie unter allen AN, und dass in den Gemeindewohnungen Angehörige einer ethnischen Minderheit ebenso stark vertreten sein können wie in der gesamten Wohnbevölkerung). Gleichheit im Ergebnis verlangt daher spezifische Maßnahmen zur Beseitigung von Benachteiligung, was bei Gleichheit als Symmetrie nicht der Fall ist. Bei den Vertragsbedingungen selbst – zB beim Entgelt – sind die Unterschiede zwischen den beiden Konzepten hingegen nicht so stark. Gleichheit als Chancengleichheit steht zwischen den beiden vorher genannten Konzepten, und verlangt, dass die Angehörigen der benachteiligten Gruppe faktisch zumindest dieselben Chancen und damit Ausgangsbedingungen haben; haben sie diese nicht, so soll sich das Recht darum aktiv bemühen. Zu den drei Konzepten näher § 2 Rz 3 ff. 24
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Wiederholt wird neben den drei in Rz 27 und 31 genannten Konzepten 32 ein viertes genannt, nämlich Gleichheit als Diversität oder als Anerkennung der Identität. Es stellt danach Ungleichheit dar, die Bedeutung der verschiedenen (zB ethnischen) Identitäten nicht ausreichend zu achten. Die Zielrichtung dieses Ansatzes liegt letztlich darin, die individuellen Bedürfnisse von Personen, die mit bestimmten Merkmalen in Verbindung stehen, angemessen zu berücksichtigen. Gleichheit als Diversität kann insb durch Akkomodierung („reasonable accommoda tion“) erreicht werden. Solche Maßnahmen sehen der EU-Gesetzgeber und das österr Recht nur für den Fall der Behinderung vor („zumutbare Maßnahmen“; vgl Rz 13). In den USA und in Kanada sind dagegen AG gefordert, „reasonable accomodations“ auch aufgrund der Religion oder der ethnischen Zugehörigkeit zu ergreifen.37 Das Antidiskriminierungsrecht der EU beruht im Wesentlichen auf 33 dem Konzept der Gleichheit als individueller Gerechtigkeit. Dies zeigt sich im Verbot der unmittelbaren Diskriminierung und der nur eingeschränkten Zulässigkeit von spezifischen Maßnahmen, der Ausgestaltung der mittelbaren Diskriminierung in Bezug auf die Rechtfertigung durch individuelle Fähigkeiten und Verdienste, sowie die Ausgestaltung der Rechtsdurchsetzung als individuelles Recht mit der Notwendigkeit, das Recht auch als Individuum zu verfolgen. Das Unionsrecht enthält aber auch Übergänge zur Gleichheit im Ergebnis insb bei der Sicht der mittelbaren Diskriminierung und bei der Erlaubnis spezifischer Maßnahmen. Die gruppenbezogenen Elemente der mittelbaren Diskriminierung lassen sich aber noch ohne Schwierigkeiten in das Konzept der individuellen Gerechtigkeit integrieren. Das Antidiskriminierungsrecht begründet allerdings Rechte Einzelner zuweilen nicht wegen der Situation der betreffenden Person, sondern weil diese einer bestimmten Gruppe angehört (zB sind manche Kriterien wie Unterbrechungen der Berufslaufbahn unzulässig, weil sie typischerweise Frauen als Mütter benachteiligen, auch wenn die konkret Begünstigte gar keine Kinder hat); eine konkrete Benachteiligung ist daher zuweilen gar nicht erforderlich oder sicher. Manche meinen, dass das Unionsrecht stärker auf dem Konzept „materieller“ Gleichheit – und damit jenem der Chancengleichheit oder der Gleichheit im Ergebnis – beruhe.38 Dabei wird aber übersehen, dass die Grundregeln besser durch das 37 Vgl Windisch-Graetz in Liber Amicorum Wolfgang Mazal 207. 38 ZB Schiek, NZA 2004, 875.
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Konzept der Gleichheit als individueller Gerechtigkeit erklärt und gedeutet werden können, und dass die Abweichungen davon jeweils gesondert zu begründen und zu rechtfertigen sind. 34 Das Antidiskriminierungsrecht besteht zu einem großen Teil aus unbestimmten Rechtsbegriffen. Die Zuordnung einer Unterscheidung zur unmittelbaren oder zur mittelbaren Diskriminierung ist oft zweifelhaft; fraglich ist nicht selten, ob eine „vergleichbare Lage“ vorliegt; die statistische Differenz muss „wesentlich und aussagekräftig“ sein; die Rechtfertigung muss „objektiv“ sein, das Differenzierungsziel „legitim“; das Mittel muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. All dies macht die Anwendung der Vorschriften schwierig und wenig vorhersehbar. Überdies verdient es festgehalten zu werden, dass mit den Diskriminierungsverboten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der bisher nur für den Staat beachtlich war, erstmals großflächig auch in das Privatrecht Einzug hält. 35 Gegen die Diskriminierungsverbote, und noch mehr gegen spezifische Maßnahmen, wird immer wieder Kritik erhoben. Anlass für Kritik sind die Sorge um die Privatautonomie,39 die mit deren Einschränkung möglichen ökonomischen Belastungen, die Sorge um die Grundlagen der Marktwirtschaft sowie Vorbehalte gegen die Unbestimmtheit der Regeln (Rz 34) und die daraus folgende Rechtsunsicherheit für die Verpflichteten. Zu Befürwortung wie Kritik ist allg anzumerken, dass die Sicht der Vorschriften zur Gleichbehandlung in beträchtlichem Umfang auch zeitbedingt ist. 36 Für die Beurteilung von Regelungen – und damit auch für Befürwortung wie Kritik – ist es erste Voraussetzung, genau zwischen den verschiedenen Anwendungsbereichen und Inhalten zu unterscheiden, uzw jedenfalls nach Verpflichteten und Schuldverhältnis.40 Es liegt nahe, primär danach zu unterscheiden, ob der Verpflichtete Unternehmer oder Privater ist. Bei Unternehmern kommen Pflichten zur Gleichbehandlung weit eher in Betracht als bei Privaten, weil die Unterwerfung unter sozialethische Anforderungen eines „Sozialprivatrechts“ weit eher zumutbar ist, wenn der Verpflichtete sich systematisch am Marktgeschehen beteiligt, als wenn er nur gelegentlich eine Leistung einem größeren Personenkreis anbietet. Dies trifft insb in Bezug auf die mittelbare Diskriminierung zu, weil diese auch eine auf Wahrscheinlichkeit aufbauen39 Vgl dazu ausf Krejci, DRdA 2005, 383 ff. 40 Treffend Reichold, JZ 2004, 392.
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de Risikoerwägung verbieten kann. Diese Verbote belasten aber den, der viele gleichartige Geschäfte (zB als Vermieter) tätigt, bedeutend weniger als denjenigen, der nur selten ein solches Geschäft tätigt. Schließt jemand viele gleichartige Geschäfte ab, so werden die mit einer bestimmten Ausprägung des missbilligten Merkmals wahrscheinlich verbundenen Nachteile nur bei einem Teil der Vertragspartner und auch bei diesen nur entsprechend der Wahrscheinlichkeit eintreten; die Nachteile werden daher, gemessen am Gesamtgeschäft, nur eine geringe Belastung darstellen. Wer hingegen nur sehr wenige gleichartige Geschäfte abschließt, bei dem können sich die Nachteile entweder realisieren oder auch nicht; falls sie sich realisieren, so belasten sie den Verpflichteten sehr stark. Konkret: Wer nur eine oder zwei Eigentumswohnungen zur Absicherung im Alter vermietet, kann durch das Diskriminierungsverbot weit stärker getroffen und geschädigt werden als eine große Wohnungsgesellschaft, weil sich bei dieser die mit einem missbilligten Kriterium verbundenen negativen Verhaltenserwartungen nur auf einen kleinen Teil der Vertragspartner auswirken können. Ähnliches würde auch für das Arbeitsrecht gelten. Das Unionsrecht berücksichtigt diese nahe liegende Erwägung auf der Tatbestandsebene jedoch im Arbeitsleben nicht, und bei der Diskriminierung im Zivilrechtsbereich ist die Berücksichtigung fraglich. ME sollte diese Erwägung zumindest bei der Rechtfertigung berücksichtigt werden, sodass jedenfalls ein privater Vermieter den Vertragsabschluss davon abhängig machen kann, dass der Interessent nachweisbar in gesicherten finanziellen Verhältnissen lebt (obwohl dies wohl eine mittelbare Benachteiligung von in letzter Zeit Zugewanderten bedeutete). Überdies wird ein Verpflichteter, der nur sehr wenige einschlägige Rechtsgeschäfte tätigt (zB AG mit nur einem oder zwei AN), idR jeden Anhaltspunkt für eine Diskriminierung vermeiden können. Ferner müssen die Diskriminierungsverbote auch für die einzelnen 37 Schuldverhältnisse gesondert gesehen werden. Das Unionsrecht berücksichtigt dies (derzeit) zum Teil. Zum einen gelten sie nur für das Arbeitsleben pauschal, im sonstigen Zivilrechtsbereich aber nur für manche Vertragsverhältnisse. In Deutschland gab es allerdings Bestrebungen, das Diskriminierungsverbot für alle Merkmale auf das gesamte Vertragsrecht auszudehnen.41 Der dann beratene Entwurf bleibt bei 41 Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums aus 2001; dazu zB Säcker, ZRP 2002, 286.
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dem von der RahmenRL 2000/78/EG vorgezeichneten Anwendungsbereich. Auch dieser Anwendungsbereich wurde aber von manchen als zu weit kritisiert, insb soweit er auch Private und Kleinstunternehmer erfasst (vgl nunmehr die differenzierte Vorschrift des § 19 AGG). Gegen Diskriminierungsverbote beim öffentlichen Angebot von Leistungen bestehen idR stärkere Vorbehalte als gegen jene zum Arbeitsleben. Das Spannungsverhältnis zur Privatautonomie wird offenbar bei Kauf-, Miet- und Werkverträgen sowie den meisten freien Dienstverträgen als problematischer angesehen als bei der auf einen Vertragspartner ausgerichteten Erwerbstätigkeit. Am wenigsten in Frage gestellt wird, was den Anwendungsbereich betrifft, die Geltung für Arbeitsverhältnisse und damit die unselbständige Erwerbsarbeit. Allerdings wurde auch für diesen Bereich das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes – und dessen Ausgestaltung durch den EuGH – früher immer wieder kritisiert. Inzwischen haben sich die meisten daran gewöhnt; manche erwarten Ähnliches auch in Bezug auf die neuen Regelungen. Vorbehalte gibt es gegen Diskriminierungsverbote beim Zugang zur selbständigen Erwerbstätigkeit, obwohl der Anwendungsbereich im Vergleich zum Arbeitsvertrag eingeschränkt ist, weil hier nicht der für das ArbV als charakteristisch gesehene Schutzbedarf besteht. 38 Zu differenzieren ist ferner nach den missbilligten Merkmalen und der Intensität des Verbotes. Für den Zivilrechtsbereich verbietet das Unionsrecht bislang allein die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft und aufgrund des Geschlechts ausdrücklich, und damit wohl jene Merkmale, bei denen die Vorbehalte vergleichsweise am geringsten sind. Allerdings gibt es auch dazu Kritik. Für das Arbeitsleben ist hingegen die gesamte Liste der missbilligten Merkmale des Art 19 AEUV verbindlich. Manche kritisieren diese Erweiterung zur Gänze oder doch partiell. Manche Merkmale (zB Alter, Religion oder sexuelle Orientierung) werden kritischer gesehen als andere. Man kann durchaus fragen, ob die EU die missbilligten Kriterien sachgerecht ausgewählt hat. Allerdings greift manche Kritik zu kurz. So erscheint es in der Tat seltsam, dass ein Vermieter zwar gezielt wegen des Habens von Kindern benachteiligen darf, nicht aber wegen der ethnischen Herkunft. Allerdings hat die Abweisung wegen Kindern offenbar bisher noch keine die Versorgung mit Wohnraum gefährdenden Ausmaße erreicht – sodass der Gesetzgeber davon absehen kann, die Privatautonomie durch ein zusätzliches Verbot weiter zu belasten. In Bezug auf die Intensität des Verbotes geht es um das Verbot auch der mittelbaren 28
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Diskriminierung und dabei um die Möglichkeiten der Rechtfertigung bei den verschiedenen Merkmalen. Das Verbot mittelbarer Diskriminierung bereitet nämlich bei manchen der „neuen“ Merkmale weitaus größere Schwierigkeiten als beim Merkmal Geschlecht. Zum einen wirken sich „bewährte“ Entscheidungsregeln oft zum Nachteil bestimmter Gruppen aus, zum anderen erfordert die Rechtfertigungsebene oft komplexere Überlegungen als beim Geschlecht, weil es hier nicht mehr nur um Kosten des AG geht, sondern oft auch um das Steuern gesellschaftlicher Entwicklungen. Das Unionsrecht geht hier durchaus zuweilen über das Vorbild der USA hinaus, insb beim Alter. Man hätte auch überlegen können, bei manchen Merkmalen – vorerst – nur die unmittelbare Diskriminierung zu verbieten. Hervorzuheben ist die Bindung an die Verhältnismäßigkeit. Für manche bedeutet dies den Untergang des Privatrechts, wie man es bisher kannte; für dieses war ja die Erlaubnis charakteristisch, ohne Rechtfertigungslast nach Belieben entscheiden zu können. Andere nennen diese Möglichkeit Willkür. Kritik gibt es schließlich auch an den Rechtsfolgen. Dies beginnt mit 39 der – im Kern nachvollziehbaren – These, das neue GlBG verpflichte insb den AG zu viel zu umfassender Dokumentation, weil er ja insb bei Einstellung und Beförderung seine Entscheidungsgründe dokumentieren und diese Dokumentation bis zum Ende der Verjährungsfrist (nach § 15 und § 29 nur sechs Monate) aufbewahren müsse. Das sei ein unzumutbarer bürokratischer Aufwand, der die allfälligen Vorteile idR nicht rechtfertige. Befürworter halten dem entgegen, dass bereits eine Beeinflussung des Bewusstseins der Entscheidungsträger das Gesetz und den Aufwand rechtfertige. Kritisch gesehen wird ferner die verschuldensunabhängige Verantwortlichkeit des AG oder sonstiger Verpflichteter, schon wenn es um eigenes Verhalten geht. Nach dem EuGH ist für die Verletzung des Diskriminierungsverbotes und die daraus folgende Haftung eine Sorgfaltswidrigkeit nämlich nicht erforderlich (§ 3 Rz 6). Zum Teil scharf kritisiert wird darüber hinaus die Haftung des Verpflichteten für eine Diskriminierung, die einer seiner Mitarbeiter begangen hat. Auch diese Haftung hängt weder von einem Verschulden des Verpflichteten noch des Mitarbeiters ab (§ 3 Rz 13, § 12 Rz 13). Picker spricht von einer Gefährdungshaftung. Allerdings hängt die Haftung für Gehilfen – auch für andere als Erfüllungsgehilfen – in den meisten Mitgliedstaaten (und wohl allen alten außer Deutschland und Österreich) nicht von einem (vermuteten) Verschulden des Geschäftsherrn ab. Wenn also der Diskriminierungstatbestand verschuldensun29
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abhängig ist, dann führt dies bei Einsatz von Gehilfen bei den Verhandlungen oder bei der Vertragsdurchführung eben zu einer Risikohaftung. Diskutiert wird ferner das Ausmaß der Entschädigung für Vermögensschäden. Besonders kritisiert wird von manchen auch eine Entschädigung für den immateriellen Schaden – was erstaunt, wenn man die sonstigen Bemühungen um dessen Ersatzfähigkeit sieht. Scharf abgelehnt wird schließlich ein echtes Recht auf Vertragsabschluss und damit ein Kontrahierungszwang. Das geltende Recht sieht ihn derzeit aber – auch im Arbeitsverhältnis – nicht vor (§ 3 Rz 60); eine Ausnahme gibt es nur in Sonderfällen, nämlich bei Nichtverlängerung eines befristeten ArbV (§ 3 Rz 149, 152). Der Kontrahierungszwang sollte auch in Hinkunft die ganz seltene Ausnahme bleiben. Allerdings kann die auch im GlBG vorgesehene Pflicht, den Vermögensschaden zu ersetzen, in der Sache zu einer ähnlichen Belastung führen wie die Kontrahierungspflicht, falls man die Ersatzpflicht für einen längeren Zeitraum bejaht. 40 Zuweilen gibt es auch Fundamentalkritik am Antidiskriminierungsrecht, so von Picker.42 Er spricht von einem „sozial-egalitaristischem Verhaltensprinzip“, das durch mehr Zuweisungsgleichförmigkeit mehr Verteilungsgerechtigkeit erzielen möchte; allerdings gingen die persönlichen Nachteile von Frauen oder älteren AN den AG nichts an; er dürfe also nicht gezwungen werden davon abzusehen, falls es seinem individuellen ökonomischen Kalkül entspreche, sie zu berücksichtigen; überdies schlügen die Verbote willkürlich zu, weil sie nur jene treffen, die sich ertappen lassen. Picker geht zu Recht davon aus, dass Unterscheiden und Auswählen – und damit Hintansetzen anderer – für das Privatrecht und die Marktwirtschaft an sich konstitutiv sind: „Ungleichbehandlung stellt sich unter der Maxime der Selbstbestimmung des Menschen als unverzichtbar heraus.“ Allerdings unterstellt er zu schnell, dass das Unterscheiden nach einem der missbilligten Merkmale unverzichtbar ist. Gerade wenn man die ökonomischen Folgen für den einzelnen Verpflichteten betrachtet, kommt es darauf an, ob die Unterscheidung auch anderen Mitbewerbern verboten ist. Trifft dies zu, dann ist die Diskriminierung jedenfalls für den Wettbewerb innerhalb der EU nicht mehr „lebenswichtig“ (selbst wenn einige sich nicht daran halten sollten; vgl § 2 Rz 15 ff). Überdies berücksichtigt Picker zu we42 Antidiskriminierungsprogramme – hier zitiert nach der Kurzfassung in einem Vortrag.
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nig, dass man vor allem bei der mittelbaren Diskriminierung über die Rechtfertigung die ökonomische Effizienz und den Markt berücksichtigen kann und dies auch tut (§ 5 Rz 49 ff). Und dort, wo die Ausprägung des missbilligten Merkmals keine ökonomischen Auswirkungen hat, geht es – um Pickers Worte zu verwenden – „den AG grundsätzlich nichts an“; allerdings spricht dies dann wohl für das Diskriminierungsverbot. Die undifferenzierte Fundamentalkritik an der Einschränkung der Privatautonomie übersieht schließlich, dass das Antidiskriminierungsrecht – um mit Reichold zu sprechen – „auch (oder gerade) in liberalen Gesellschaften wie insb den USA und Großbritannien [...] längst seinen besonderen Stellenwert [...] gefunden (hat)“, insb in Bezug auf die Merkmale Geschlecht und Rasse.43 Die Erweiterung auf andere Merkmale ändert dann nur den Umfang, nicht aber die von Picker perhorreszierte Struktur. Und in den USA und Großbritannien haben nicht nur die persönliche Freiheit, sondern auch die Marktwirtschaft und die Privatautonomie insgesamt doch eine längere und gefestigtere Tradition als in Deutschland. Wenn man dort mit Diskriminierungsverboten leben kann, dann sollte dies auch in Deutschland möglich sein. Das de lege lata rechtsdogmatisch, aber zur Auslegung auch rechts- 41 politisch interessanteste Thema sind die Möglichkeiten zur Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung. Das zweite Thema ist in manchen Konstellationen die Abgrenzung der unmittelbaren von der mittelbaren Diskriminierung (insb mit Hilfe des Topos der vergleichbaren Lage). Bei der Rechtfertigung besteht – vor allem im Arbeitsleben – ein erhebliches Spannungsverhältnis zwischen den Interessen und Rechten der Einzelnen oder der Gruppe am Unterbleiben der Benachteiligung auf der einen Seite und dem Interesse des Unternehmers (AG) an marktkonformem Verhalten und damit an Umsatz und Ertrag auf der anderen Seite. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit eine mittelbare Benachteiligung durch die Orientierung des Unternehmers (AG) am Markt, insb auch an den Wünschen und Vorstellungen der anderen Vertragspartner (Kunden) gerechtfertigt werden kann – oder inwieweit die Diskriminierungsverbote gegen den Markt durchgesetzt werden sollen (zB indem Kundenwünsche nach jungen/weiblichen/inländischen/heterosexuellen AN oder Mitmietern ignoriert werden); vgl § 2 Rz 14 ff und 5 Rz 62 ff. Oft wird gesagt, dass „ökonomische Grün43 Reichold, JZ 2004, 392.
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de“ für eine Rechtfertigung nicht ausreichen sollen. Dies wird letztlich aber nur für das Argumentieren allein mit geringeren Kosten gelten. Wie die Judikatur zu Art 157 AEUV und zur den GleichbRL zeigt, kann der Verpflichtete (insb AG) nämlich sehr wohl Argumente zur Rechtfertigung heranziehen, die letztlich auch ökonomische sind und den Ertrag betreffen, aber primär „legitime“ Erfordernisse des Unternehmens betreffen, wie Mobilität oder Flexibilität. Auch diese Erfordernisse sind aber in Geld umrechenbar (zB könnte weniger Flexibilität der einzelnen AN durch einen Mehraufwand an anderer Stelle ausgeglichen werden). Die Grenzziehung zwischen zulässigen und nicht (mehr) zulässigen ökonomischen Erwägungen ist daher schwierig, oft aber entscheidend. Der österr Gesetzgeber hat dazu keine Hinweise zur Konkretisierung gegeben (obwohl dies in gewissem Umfang zulässig wäre). Die Grenzziehung obliegt daher den Gerichten. 42 Ein Kennzeichen des österr Antidiskriminierungsrechts ist ohne Zweifel die mangelhafte Legistik. Dies beginnt mit der fragwürdigen Trennung der beiden ersten Teile und der daraus folgenden Verdoppelung von Bestimmungen sowie der Systematik der einzelnen Bestimmungen, setzt sich fort in der oft fragwürdigen rudimentären Regelung der Rechtfertigungsgründe und den unvollständigen Regeln zu den Rechtsfolgen, und findet seinen Höhepunkt im GBK/GAW-G. Offenbar konnte man schon bei Schaffung des GlBG 2004 innerhalb der Mehrheitsfraktionen keine politische Einigung finden und fand dann keine Zeit mehr, das politisch nun Gewollte legistisch ordentlich umzusetzen, was in der Folge auch bei den Novellierungen beibehalten wurde.44
44 Vgl auch Krejci, DRdA 2005, 501.
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Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz – GlBG) BGBl I 2004/66
I. Teil: Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt Geltungsbereich § 1. (1) Die Bestimmungen des I. Teiles gelten für den Bereich der Arbeitswelt, dazu zählen 1. Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen; 2. alle Formen und alle Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung; 3. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer/ innen/- oder Arbeitgeber/innen/organisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen; 4. die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie die Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit, sofern dies in die Regelungskompetenz des Bundes fällt. (2) Ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse 1. der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter/innen im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287; 2. zu einem Land, einem Gemeindeverband oder einer Gemeinde; 3. zum Bund. (3) Die Bestimmungen des I. Teiles gelten auch 1. für Beschäftigungsverhältnisse, auf die das Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr. 105/1961, anzuwenden ist, und
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2. für Beschäftigungsverhältnisse von Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. Für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes gelten die Beschäftigungsverhältnisse nach Z 1 und 2 als Arbeitsverhältnisse. (4) Die Bestimmungen des I. Teiles gelten auch für die Beschäftigung von Arbeitnehmer/inne/n, die von einem/einer Arbeitgeber/ in ohne Sitz in Österreich 1. im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung oder 2. zur fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, für die Dauer der Entsendung. Materialien: Zum GlBG: Ministerialentwurf vom 17.7.2003 70/ME BlgNR 22. GP; Regierungsvorlage: 307 BlgNR 22. GP; Ausschussbericht: 499 BlgNR 22. GP, 61 (mit umfangreichen Änderungen gegenüber der RV); Debatte im Nationalrat am 25.6.2004 in der 61. Sitzung. Regierungsvorlagen zum alten GlBG und dessen Novellen: 664 BlgNR 16. GP; 1411 BlgNR 17. GP; 735 BlgNR 18. GP; 842 BlgNR 20. GP. Zu den Novellen: RV 2300 BlgNR 24.GP; AB 2326, BlgNR 24. GP. Literatur: Zum österr Gleichbehandlungsrecht: Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht (1991); Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar (2001); Mayr, Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, DRdA 2002, 66; Naderhirn, Die geplante Neuregelung des Gleichbehandlungsgesetzes. Einige (Auslegungs) Probleme des Entwurfs, RdW 2003, 635; Schindler, Zur Umsetzung des EURechts in Österreichs II, DRdA 2003, 523 ff; Sturm, Richtlinienumsetzung im neuen GlBG, DRdA 2004, 574; Tomandl/Schrammel (Hrsg), Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote (2005); Rebhahn, Das neue Antidiskriminierungsrecht – Anmerkungen zur Lage in Österreich, ZfA 2006, 347; Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz (2008); Rosenmayr/Sacherer, Gleichbehandlungsgesetz 2011, ZAS 2011, 52; Rebhahn, Korrektur einer Diskriminierung im Arbeitsleben für die Vergangenheit, RdW 2012, 481, 552; Ercher-Lederer, Novelle zum GlBG: Umsetzung der Selbständigen-Gleichbehandlungsrichtlinie und Verbesserungen bei der Gleichbehandlung in der Arbeitswelt, ASoK 2013, 241; Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung – Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU² (2014); Mayr, Betriebsratsbefugnisse und Kostentragung, ecolex 2015, 801; Kalss/Dauner-Lieb, Töchter unerwünscht? Weder die einzelne Gesellschaft noch die Wirtschaft können sich das leisten, GesRZ 2016, 249; Windisch-Graetz, GlBG, in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018); Kietaibl, Unionsrechtlicher Diskriminierungsschutz im Zivilrecht – Grundfragen des Anwendungsbereichs, in GS für Robert Rebhahn (2019) 215; Windisch-Graetz, Gleichbehandlung – Gleichheit als Diversität, in Köck/Nikso-
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va/Risak/Wolf (Hrsg), Liber Amicorum Wolfgang Mazal (2019) 201; Hopf/ Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021); Körber-Risak, Die Gleichbehandlungspflichten im Arbeitsrecht, in Gruber-Risak/Mazal (Hrsg), Das Arbeitsrecht (37. Lfg 2021). Zum Recht der EU zur Gleichbehandlung nach dem Geschlecht: Allgemein Oetker/Preis (Hrsg), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS, Loseblatt, seit 1994); Hervey/O’Keeffe (Hrsg), Sex Equality Law in the Europe (1996); Curall, Art 141 EGV, in von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg), Kommentar zum EGV5 (1998); Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht (1999); Robin-Ollivier, Le principe d’égalité en droit communautaire (1999); McColgan, Discrimination Law (2000); Vonfeldt (Hrsg), L’égalité de traitement entre hommes et femmes (2000); Sciarra (Hrsg), Labour Law and the Courts: National judges and the European Court of Justice (2001); Wernicke, Die Privatwirkung im Europäischen Gemeinschaftsrecht (2002); Wank, Gleichbehandlung von Mann und Frau, in Hanau/Steinmeyer/Wank (Hrsg), Handbuch des europä ischen Arbeits- und Sozialrechts (2002); Epiney/Freiermuth Abt, Das Recht der Gleichstellung von Mann und Frau in der EU (2003); Barnard, EU Employment Law4 (2012); Rebhahn, Die Arbeitnehmerbegriffe des Unionsrechts, EuZA 2012, 3; McColgan, Discrimination, equality and the law (2014); Kingreen, Gleichheitsrechte, in Ehlers (Hrsg) Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (2014); Langenfeld, Art 157 AEUV, in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg), Das Recht der EU (55. ErgLief, 2015); Rust, Art 157 AEUV, in Von der Groeben/ Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht7 (2015); Bieback/Kahil-Wolff, Kommentierung der RL 79/7/EWG und 2006/54/EG, in Fuchs (Hrsg), Kommentar zum Europäischen Sozialrecht7 (2018); Dullinger, Arbeitnehmerbegriff(e) des Unionsrechts und das österreichische Arbeitsrecht, ZAS 2018/2; Schrammel/ Windisch-Graetz, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht² (2018); Eichenhofer, Art 157 AEUV, in Streinz (Hrsg), EUV/AEUV – Kommentar3 (2018); Rebhahn, Art 157 AEUV, in Schwarze (Hrsg), EU-Kommentar4 (2019); Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht6 (2020); Jarass, Grundrechtecharta4 (2021); Krebber, Art 157 AEUV, in Calliess/Ruffert, AEUV/EUV: das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta6 (2022); Mohr, RL 2006/54/EG, in Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg), Kommentar zum Europä ischen Arbeitsrecht4 (2022). Zu Einzelfragen vgl die Literaturangaben zu den einzelnen §§, insb bei § 3, sowie: Wöhlermann, Die richtlinienkonforme Auslegung im Europäischen Arbeitsrecht – am Beispiel arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsrichtlinien (1998); Mallossek, Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EG und ihre Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht (1999); Wittinger, Die Gleichheit der Geschlechter und das Verbot geschlechtsspezifischer Diskriminierung in der EMRK, EuGRZ 2001, 272; Meyer, Das Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechts als Grundsatznorm und Gleichheitsrecht (2002); Sturm, Die Änderung der Gleichbehandlungsrichtlinie, DRdA 2003, 83; Schiek, Gleichbehandlungsrichtlinien der EU – Umsetzung im deutschen Arbeitsrecht, NZA 2004, 873; Riesenhuber/Franck, Verbot der Geschlech-
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terdiskriminierung im Europäischen Vertragsrecht, JZ 2004, 529; Sporrer, Art 8 AEUV, in Jäger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV (2019). Zum Recht der Gleichbehandlung nach dem Geschlecht in anderen Staaten: Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung: Vergleich des Arbeitsrechts der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten (1993); Dungs, Die Europäisierung des deutschen Arbeitsrechts und der geschlechtsspezifische Gleichbehandlungsgrundsatz (1997); Husmann, ZESAR 2005, 107; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz2 (2013); Guttenberg, Schutz vor Diskriminierung im Beschäftigungsverhältnis in Großbritannien – Equality Act 2010 (2015); Baumgärtner, AGG, in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann (Hrsg), BeckOnline Großkommentar Zivilrecht (2021); Horcher, AGG, in Hau/Poseck (Hrsg), BeckOnline Kommentar BGB (2021); Kiel/Lunk/Oetker (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht5 (2021); Thüsing, AGG, in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (2021); Schlachter, AGG, in Müller-Gloge/Preis/ Schmidt (Hrsg), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht22 (2022); Däubler/ Bertzbach (Hrsg), AGG5 (2022). Andere Themen: Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in FS Bydlinski (2001) 47; Eilmannsberger, Zur Direktwirkung von Richtlinien gegenüber Privaten, JBl 2004, 283, 364; Brenn, Auf dem Weg zur horizontalen Direktwirkung von EURichtlinien, ÖJZ 2005, 41; Pačić, Rs Kücükdeveci: Der EuGH an der Grenze zur Willkür, ZAS 2012/4; Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht; die Anwendung des Europarechts im innerstaatlichen Bereich7 (2020) 71 f; Gölles (Hrsg), Bundesvergabegesetz 2018 (40 ErgLief, 2020); Riesenhuber, Europäische Methodenlehre4 (2021).
Inhaltsübersicht I. Geschichte..................................................................................................... 1 II. Unionsrechtliche Vorgaben........................................................................ 4 1. Überblick.................................................................................................. 4 2. Zum Inhalt............................................................................................... 10 III. Bedeutung des Unionsrechts neben dem I. Teil des GlBG..................... 14 IV. Geltung für Arbeitsverhältnisse................................................................ 19 1. Allgemeines.............................................................................................. 19 2. Arbeitsverhältnisse................................................................................. 20 3. Anwendung bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, insb bei Entsendung.............................................................................................. 30 V. Geltungsbereich außerhalb eines Arbeitsverhältnisses.......................... 34 1. Heimarbeiter............................................................................................ 34 2. Arbeitnehmerähnliche Personen.......................................................... 35 3. Zugang zu Berufsberatung und Berufsbildung................................. 40 4. Berufsorganisationen............................................................................. 43 5. Selbständige............................................................................................. 45 VI. Zwingender Charakter des GlBG.............................................................. 48
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I. Geschichte Gemäß Art 7 B-VG 1920 idF 1929 sind alle Staatsbürger vor dem Ge- 1 setz gleich. Nach Art 7 Abs 1 B-VG sind ua Vorrechte des Geschlechts ausgeschlossen. Diese Bestimmungen haben für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Arbeitsleben kaum praktische Bedeutung erlangt, auch weil die Grundrechte zwischen Privaten nach (treffender) hA nicht unmittelbar wirken, sondern nur mittelbar über die Generalklauseln. Auf Normen der kollektiven Rechtsgestaltung ist der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz hingegen direkt anzuwenden.1 Auch daraus wurden aber kaum Folgen für eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes abgeleitet. 1979 wurde erstmals ein Bundesgesetz über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Arbeitsleben (Gleichbehandlungsgesetz) erlassen.2 Es sah sowohl materiellrechtliche wie organisatorische Bestimmungen vor, va die materiellrechtlichen Normen waren aber – verglichen mit den heute geltenden – noch zurückhaltend und schwach. Ursprünglich hatte es nur die Gleichbehandlung beim Entgelt vorgesehen, erst sukzessiv waren Gleichbehandlungsgebote bei freiwilligen Sozialleistungen, der Begründung des Arbeitsverhältnisses, dem beruflichen Aufstieg und der Beendigung hinzugekommen.3 Schon mit dem EWR-Abkommen (BGBl 1993/909) hat Österreich sich 2 verpflichtet, ab 1. 1. 1994 die wesentlichen Vorschriften des damaligen Gemeinschaftsrechts zur Gleichbehandlung einzuhalten. Einschlägig waren va Art 119 alt des EG-Vertrags zum Entgelt, die RL 75/117/ EWG (Entgeltgleichheits-RL) sowie 76/207/EWG (Gleichbehandlungs-RL betreffend die Gleichbehandlung bei anderen Arbeitsbedingungen), sowie die umfangreiche Judikatur des EuGH dazu. Die Normen des Gemeinschaftsrechts wurden seither wesentlich geändert. Art 119 alt wurde umgestaltet und zu Art 141 EGV. 1997 wurde die RL 97/80/EG zur Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes erlassen. Die RL 76/207 wurde durch die RL 2002/73/EG wesentlich geändert (aber nicht wieder verlautbart). Zum einen wurden wich1 OGH 16.12.1992, 9 ObA 602/92, DRdA 1993/45, 369; 6.9.2000, 9 ObA 106/00d, DRdA 2001/25 = ZAS 2001/12; 19.3.2003, 9 ObA 229/02w; 20.8.2008, 9 ObA 66/07g; 27.2.2012, 9 ObA 80/11x, ZAS 2013, 114. 2 BGBl 1979/108. 3 Zur historischen Entwicklung Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 2 f.
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tige Entwicklungen aus der Judikatur des EuGH in den Normtext übernommen, zum anderen wurde diese RL in manchen Fragen an die neuen Antidiskriminierungs-RL aus 2000 zu den anderen Diskriminierungsgründen (Gleichbehandlungsrahmen-RL 2000/78/EG, Antirassismus-RL 2000/43/EG) angepasst. Auf Vorschlag der EU-Kommission wurde schließlich mit der RL 2006/54/EG eine konsolidierte RL zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern erlassen (Rz 9). Durch den Vertrag von Lissabon wurde Art 141 EGV zu Art 157 AEUV. 3 Das GlBG 1979 wurde wiederholt geändert. Hervorzuheben sind va die zweite Novelle aus 1990 (BGBl 1990/410) und die dritte Novelle aus 1992 (BGBl 1992/833). Die Novelle 1990 näherte das Gesetz dem Gemeinschaftsrecht an, die Novelle 1992 versuchte auch im Text den Anschluss an das Gemeinschaftsrecht, insb durch die Aufnahme der mittelbaren Diskriminierung. Ferner wurde der Tatbestand der sexuellen Belästigung eingeführt. 2004 hat der Gesetzgeber die Umsetzung der beiden neuen Antidiskriminierungs-RL zum Anlass genommen, auch die Vorschriften über die Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes neu zu fassen. Die RV sah vor, dass auf der Tatbestandsseite die Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes und jene auf Grund der anderen verbotenen Gründe getrennt, die Rechtsfolgen aber für alle Diskriminierungsverbote gemeinsam geregelt werden. Dies wurde erst vom Ausschuss geändert – der Grund dafür ist nicht wirklich einsichtig, zumal ja die meisten Bestimmungen übereinstimmen. Im deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wird beim Aufbau überhaupt nicht zwischen den einzelnen verbotenen Gründen unterschieden. Auch die Systematik des I. Teiles zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern lässt sehr zu wünschen übrig, weil zusammengehörende Fragen auseinandergerissen sind. So gehört § 11 eindeutig zu den §§ 3 bis 5, § 9 Abs 1 regelt eine wesentliche Frage zur unmittelbaren Diskriminierung nach § 5; und bei diesen Paragraphen ist die Anordnung der Regelungen zwar schwierig, aber wohl besser lösbar als derzeit geschehen. Das GlBG 2004 wurde inzwischen acht Mal novelliert; nennenswerte Änderungen im Bereich der Geschlechterdiskriminierung in der Arbeitswelt sind die Einbeziehung der Diskriminierung durch Assoziation sowie die Schaffung des Einkommensberichts durch BGBl I 2011/7 und die Anpassung im Bereich der Selbstständigen durch BGBl I 2013/107. Die letzte Novelle erfolgte im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie und sah eine Fristverlängerung für die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem GlBG vor (BGBl I 2020/16). 38
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Auffallend ist, dass das GlBG im Rahmen der 2018 erfolgten Anerken- 3a nung des zT (wohl fälschlich) so bezeichneten „dritten Geschlechts“, also nichtbinärer Geschlechtsidentitäten, durch den VfGH4 bzw genauer formuliert der Möglichkeit einer anderen Eintragung im Zentralen Personenstandsregister als „männlich“ und „weiblich“ oder gar keiner Eintragung, bisher nicht novelliert wurde, was zu einigen Unklarheiten führt (im Detail § 3 Rz 35 f). Auf der Ebene des Bundesverfassungsrechts ist mit Art 13 Abs 3 B-VG 3b mit 1. 1. 2009 eine weitere Staatszielbestimmung eingeführt worden.5 Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen anzustreben, was dem Konzept des Gender Budgeting entspricht.6 Weiter ausgeführt ist dieser Ansatz in Art 51 Abs 8 und 9 B-VG.7
II. Unionsrechtliche Vorgaben 1. Überblick Im Primärrecht ist zentral Art 157 Abs 1 AEUV zu nennen: „Jeder 4 Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.“ Art 157 Abs 2 AEUV konkretisiert den Begriff des Entgelts. Art 157 Abs 1 und 2 AEUV entsprechen im Wesentlichen dem früheren Art 141 EGV und dieser wiederum Art 119 EWGV; auch der vom Europäischen Rat im Juni 2004 beschlossene Verfassungsentwurf hätte Art 141 EGV als Art III-214 übernommen. Die Bestimmung war bereits im Gründungsvertrag von Rom im Jahr 1957 enthalten und hatte damals primär wettbewerbsrechtlichen Charaker; konkret hatte Frankreich, wo Lohngleichheit für Männer und Frauen zu diesem Zeitpunkt bereits gesetzlich normiert war, Wettbewerbsvorteile für deutsche Unternehmen befürchtet, wenn diese niedrigere Löhne an Frauen bezahlen könnten. Art 157 Abs 1 enthält primär ein an die Mitgliedstaaten gerichtetes Gebot. Nach ganz hM schon zu Art 119 EWGV ist dieses Gebot (und das entsprechende Verbot) jedoch unmittelbar anwendbar,
4 5 6 7
VfGH 15.6.2018, G77/2018. BGBl I 2008/1. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 2 Rz 8. Vgl dazu auch Sporrer in Jäger/Stöger, AEUV Art 8 Rz 17.
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gerade zwischen Privaten,8 und zwar auch dann, wenn die Diskriminierung nicht offenkundig (bzw unmittelbar) ist.9 Daran ändert es nichts, dass der Text des Abs 1 trotz der Umformulierung durch den Amsterdamer Vertrag noch immer nur an die Mitgliedstaaten gerichtet ist. Art 157 Abs 1 AEUV ist also neben dem österr GlBG unmittelbar anwendbar. Neben Art 157 AEUV sind auch Art 8 und 10 AEUV (ehemals Art 2 und 3 EGV) zu nennen. Art 10 AEUV sieht vor, dass die Union bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen darauf abzielt, Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen. Art 8 AEUV sagt, dass die Union bei all ihren Tätigkeiten darauf hinwirkt, die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Weder aus Art 8 noch aus Art 10 AEUV folgen konkrete Rechte der Einzelnen gegen die EU oder gegen einen Mitgliedstaat10 oder ein bestimmter Förderauftrag.11 Aus Art 8 folgt aber ein Handlungsauftrag an die EU-Organe, der die Gleichstellung von Männern und Frauen zur Querschnittsaufgabe macht.12 5 Das Gebot des Art 157 AEUV bzw der Art 141 EGV und 119 EWGV wurde durch verschiedene RL teils konkretisiert, teils erweitert. Zur Konkretisierung wurde die RL 75/117/EWG betreffend den Grundsatz des gleichen Entgeltes (Entgelt-RL) erlassen. Der EuGH hat Art 119 EWGV mit dem Inhalt dieser RL aufgefüllt. Sie hat daher gegenüber Abs 1 keine eigenständige Bedeutung mehr, weil nur Abs 1 unmittelbar anwendbar ist, und dieser nicht weniger anordnet als die RL.13 Die RL 86/378/EWG betreffend betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit (geändert durch RL 96/97/EG) wurde als Erweiterung des Art 119 EWGV erlassen. In der Folge hat der EuGH auch diese Systeme dem primärrechtlichen Gebot unterstellt (§ 3 Rz 168). Die RL 8 Grundlegend EuGH 8.4.1976, 43/75, Defrenne II, Rz 4 ff. 9 EuGH 31.3.1981, 96/80, Jenkins, Rz 18. 10 Vgl Rust in GSH, AEUV Art 8 Rz 23; Art 10 Rz 31; Sporrer in Jäger/Stöger, AEUV Art 8 Rz 8. 11 Eichenhofer in Streinz, AEUV Art 8 Rz 6. 12 Zur Entwicklung der Bestimmungen des Unionsrechts zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern vgl ausführlich Rust in GSH, AEUV Art 157 Rz 1-188. 13 Vgl EuGH 15.12.1994, C-399/92, Helmig/Lengerich, Rz 19; 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 27 ff.
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75/117 und 86/378 lagen also innerhalb des Anwendungsbereiches des Art 119 EWGV und traten hinter Abs 1 zurück. In der Judikatur des EuGH zur Benachteiligung beim Entgelt geht und ging es meist um Fälle mittelbarer Benachteiligung. Art 157 AEUV erfasst nur das Entgelt, nicht aber die sonstigen Arbeits- 6 bedingungen, auch wenn sie finanzielle Auswirkungen haben.14 Das Verbot einer Benachteiligung beim Entgelt könnte va durch Benachteiligungen bei anderen Arbeitsbedingungen, etwa beim Aufstieg und bei der Einstellung, umgangen werden. Aus diesem Grund wurde die RL 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich des Zuganges zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen erlassen. Sie ging klar über Art 141 EGV hinaus und ist die wichtigste RL zur Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes. Sie erfasste alle Arbeitsbedingungen außer dem Entgelt und Angelegenheiten der Sozialen Sicherheit, also: Einstellung, Ausbildung und Aufstieg, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, und weitere/sonstige Arbeitsbedingungen. Sie wurde durch die Änderungs-RL 2002/73/EG an die Antidiskriminierungs-RL aus dem Jahr 2000 angepasst und in wesentlichen Punkten geändert (Umsetzungsfrist bis 5. 10. 2005). Art 2 Abs 1 der RL verbot jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insb unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Die Judikatur des EuGH zu dieser RL betraf und betrifft – anders als jene zu Art 141 EGV – häufig Fälle unmittelbarer Benachteiligung, insb wegen Schwangerschaft und zu Vorrangregeln. Die Dogmatik zur RL in Bezug auf Benachteiligung und Rechtfertigung entspricht im Wesentlichen jener zu Art 141 EGV. Die Geltung für selbständige Beschäftigungen hat bislang wenig praktische Bedeutung erlangt. Die RL verlangt, dass KollV ihr entsprechen. Die RL ließ in Art 2 Abs 6 bis 8 für manche Fälle eine Differenzierung gerade nach dem Geschlecht zu. Diese Bestimmungen sind als Ausnahmen vom Individualrecht auf Gleichbehandlung eng auszulegen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten.15
14 EuGH 15.6.1978, 149/77, Defrenne III, Rz 30 ff; § 3 Rz 94. 15 § 5 Rz 13 ff; EuGH 15.5.1986, 222/84, Johnston, Rz 36, 38; 26.10.1999, C-273/97, Sirdar, Rz 23, 26; 17.10.1995, C-450/93, Kalanke, Rz 21; 6.3.2014, C-595/12, Napoli, Rz 41.
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7 Art 141 Abs 1 EGV sowie die RL 75/117 und 76/207 wurden durch die RL 97/80/EG betreffend die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes (Beweislast-RL; § 12 Rz 56) und die RL 86/378/ EWG (idF RL 96/97/EG) betreffend betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit ergänzt. Für den Geltungsbereich des GlBG relevant war auch die RL 86/613/EWG betreffend die Gleichbehandlung bei selbständiger Erwerbstätigkeit, deren Auswirkungen aber wohl eher beschränkt waren. Am Rande relevant ist auch die RL 79/7/EWG betreffend die Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit (vgl § 3 Rz 170). Der Anwendungsbereich des Art 141 Abs 1 EGV einerseits und der RL 76/207, 79/7 und 86/613 andererseits schlossen einander aus. Die Abgrenzung ist auch erforderlich, weil die RL idR nicht unmittelbar anwendbar sind und Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung nur bei den RL ausdrücklich vorgesehen sind. Ende 2004 erließ der Rat eine weitere RL, nämlich die RL 2004/113/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Sie betrifft nicht unmittelbar die Arbeitsbeziehungen, ist für diese aber jedenfalls deshalb interessant, weil sie die unionsrechtlichen Begriffe und Vorstellungen zur Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erneut zusammenfasst. Der österr Gesetzgeber hat diese RL in den §§ 30 ff GlBG umgesetzt. 8 Die Vorschriften des Unionsrechts zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern wurden mit dem Beitritt Österreichs zur EU mit 1. 1. 1995 für und in Österreich als Unionsrecht voll wirksam. Inhaltlich war das Wesentliche aber schon aufgrund des EWR-Vertrages ab 1. 1. 1994 verbindlich gewesen. Einschlägig war Art 69 des EWR-Abkommens und dessen Anhang 18. Vorschriften des Unionsrechts können an sich durchaus auch auf „die gegenwärtigen und künftigen Wirkungen von Sachverhalten angewandt werden, die vor dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union entstanden sind“.16 Für bestimmte Fälle kann aber anderes gelten. So hat der EuGH zu Art 119 EWGV schon in der Entscheidung Defrenne II gesagt, dass Art 119 für 16 EuGH 18.4.2001, C-290/00, Duchon; vgl auch EuGH 18.11.2004, C-284/02, Sass, Rz 24, wonach das Unionsrecht auf Sachverhalte anwendbar sein kann, die sich vor seinem Wirksamwerden für diese Sachverhalte ereignet haben; ähnlich EUGH 12.9.2013, C-614/11, Kuso, Rz 25 ff, wo die Anwendbarkeit des Unionsrecht auf die Beendigung eines vor dem Beitritt Österreichs abgeschlossenen Arbeitsvertrages bejaht wurde.
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die Beitrittsländer des Jahres 1973 erst ab dem Beitritt gilt.17 Besondere Bedeutung könnte die Frage des Beginns des zeitlichen Geltungsbereiches nach wie vor für Betriebspensionen haben (dazu § 3 Rz 180 ff). Für andere Probleme hat die Frage heute, 26 Jahre nach dem Beitritt, wohl kaum mehr Relevanz.18 Die EU-Kommission hatte am 21. 4. 2004 einen Vorschlag für eine 9 konsolidierende RL gemacht, die viele bestehende RL zusammenfassen sollte,19 und zwar die Entgelt-RL, die RL 76/207/EWG,20 die RL betreffend betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit, sowie jene zur Beweislast (RL 75/117/EWG, RL 76/207/EWG, RL 2002/73/EG, RL 86/378/EWG, RL 96/97/EG, RL 97/80/EG, RL 98/52/EG). Dies wurde letztlich durch die RL 2006/54/EG (konsolidierte Gleichbehandlungs-RL) zur Chancengleicheit von Männern und Frauen in Arbeitsund Beschäftigungsfragen das Diskriminierungsverbot nach dem Geschlecht erreicht. Sie bietet im Vergleich zur vorigen, zersplitterten Rechtslage in gewisser Weise einen „One-Stop-Shop“ für alle Fragen der Geschlechterdiskriminierung im Arbeitsverhältnis. Weiterhin separat geregelt ist aber die Situation für Selbstständige, die eine Neuregelung durch die RL 2010/41/EU zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen, welche eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, erfahren hat. Außerdem wurde die RL 2004/113/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen nicht einbezogen und ist weiterhin in Kraft. Seit 1. 12. 2009, mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon, sind 9a die Grundrechte in der Europäischen Union in der Grundrechtecharta (GRC) verbindlich kodifiziert. Zuvor hatte der EuGH in seiner ständigen Judikatur Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze durch Rechtsvergleichung aus den Verfassungsüberlieferungen der
17 EuGH 8.4.1976, 43/75, Rz 59. 18 Ebenso Rebhahn, RdW 2012, 481. 19 KOM (2004) 279. 20 Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen.
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Mitgliedstaaten gewonnen.21 Vor ihrem Verbindlichwerden hatte die Ende der 90er Jahre erstellte, damals noch unverbindliche Charta in der Rsp des EuGH bereits Bedeutung als Auslegungshilfe erlangt.22 Die GRC enthält in Art 21 ein Gebot der Nichtdiskriminierung, wobei Abs 1 eine Reihe an Merkmalen nennt, aufgrund derer Diskriminierungen verboten sind. Dazu zählt auch das Geschlecht. Die Diskriminierungsverbote der Charta gehen allerdings über jene der RL zur Gleichbehandlung hinaus und nennt auch Gründe, die von den RL nicht erfasst sind, etwa genetische Merkmale und Vermögen. 9b Als jüngste Entwicklung ist der Vorschlag der Kommission vom 4. 3. 2021 für eine Richtlinie zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen (Lohntransparenz-RL) zu nennen.23 Die wirksame Umsetzung und Durchsetzung dieses Grundsatzes stellt nach Ansicht der Kommission in der Praxis nach wie vor eine Herausforderung dar, wobei mangelnde Lohntransparenz als eines der Haupthindernisse ermittelt wurde. Der Entwurf sieht daher stärkere Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen vor, etwa nach Art 7 ein Auskunftsrecht des AN und in Art 8 die Pflicht des AG zur Berichterstattung über das Lohngefälle in Betrieben mit mehr als 250 AN, außerdem die Möglichkeit von Sammelklagen in Art 13, einen Entschädigungsanspruch von AN, die von Lohndiskriminierung betroffen wurden, und Geldstrafen in Art 20. Kritisch zu sehen ist mglw die durch die neuerliche Betonung der Pflicht zur Beseitigung der Entgeltdiskriminierung bewirkte Redundanz, da eine derartige Pflicht sich ohnehin schon aus Art 157 und der RL 2006/54/EG ergeben würde. Ebenso würde die Umsetzung dieses Vorschlags ein Abgehen von der mit der RL 2006/54/EG bewirkten Tendenz zu Konsolidierung des Gleichbehandlungsrechts bedeuten. Im Dezember 2021 hat der Rat sich auf seinen Standpunkt zu dem Entwurf geeinigt, die erste Lesung im Europäischen Parlament steht noch aus.
21 EuGH 12.11.1969, 29/69, Stauder; 14.5.1974, 4/73, Nold, 13.12.1979, 44/79, Hauer. 22 Jarass, GRC4 Einleitung Rz 7 mwN. 23 COM (2021) 93 final.
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2. Zum Inhalt Art 157 Abs 1 AEUV, den Abs 2 (nur) ergänzt, verbietet jede „Diskri- 10 minierung aufgrund des Geschlechts“ (vgl Art 157 Abs 2 AEUV) beim Entgelt, das einem AN oder einer ANin bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit bezahlt wird. Die Judikatur hat, so wie vorher schon die RL 76/207, das Verbot über unmittelbare hinaus auf mittelbare Diskriminierungen (§ 5 Rz 26 ff) erweitert. Art 157 Abs 1 und 2 AEUV geben den wesentlichen Inhalt des geltenden Gebotes der Entgeltgleichheit (§ 3 Rz 4 ff) aber nur sehr unvollkommen wieder. Art 157 Abs 1 AEUV, die RL 2006/54/EG und die anderen RL zur Gleichbehandlung haben denselben zentralen Regelungsgehalt. Die RL sprechen, weitgehend übereinstimmend, von einem Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter (oder Gleichbehandlungsgrundsatz). Sie verstehen darunter, „dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes erfolgen darf.“24 Die Konzepte/Begriffe der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung wurden zuerst durch die Beweislast-RL definiert und in der Folge in allen RL zur Gleichbehandlung umschrieben. Die Definitionen stimmten nicht immer genau überein. Für die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wird man heute von der konsolidierten Fassung der Richtlinien zur Gleichbehandlung durch die RL 2006/54/EG ausgehen müssen (vgl § 3 Rz 5). Annäherungsweise kann man sagen: Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist jede Verschiedenbehandlung aufgrund des Geschlechts ohne ausreichende Rechtfertigung. Der Begriff „Grundsatz der Gleichbehandlung“ wird nun auch in Art 157 Abs 3 und 4 AEUV verwendet. Daraus folgt wohl, dass schon das Primärrecht diesen Grundsatz nun nicht mehr nur für das Entgelt, sondern für alle Arbeitsbedingungen enthält.25 Allerdings ist er nur nach Maßgabe des Art 157 Abs 1 AEUV und damit für das Entgelt unmittelbar anwendbar. Der Inhalt des primärrechtlichen Grundsatzes wird so wie in den RL zu umschreiben sein; vor allem § 5 übernimmt daraus das Wesentliche. Fraglich ist, ob der Begriff „Gleichbehandlungsgebot“ im GlBG genau dasselbe bedeutet wie Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu § 2 Rz 2). Art 157 AEUV und die RL 2006/54/EG schützen grds alle AN vor Be- 11 nachteiligung auf Grund des Geschlechts. Das Verbot einer unmittel24 Art 2 RL 76/207, Art 5 RL 86/378, Art 4 RL 79/7, Art 2 RL 97/80, Art 5 RL 2006/54/EG. 25 Wohl aA Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim AEUV Art 157 Rz 7 mwN.
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baren oder mittelbaren Diskriminierung wirkt also rechtlich „nach allen Seiten“, auch wenn es in der Mehrzahl der Fälle dazu dient, Benachteiligungen von Frauen entgegenzuwirken. Nicht wenige wichtige Entscheidungen ergingen aufgrund von Klagen von Männern. Aufgrund der gleichsam geschlechtsneutralen Fassung des Gleichbehandlungsgebotes kann auch der bei arbeitsrechtlichen RL anzutreffende Grundsatz, wonach Mitgliedstaaten „strengere“ Vorschriften erlassen dürfen, nicht oder nur eingeschränkt gelten, soweit es um die Position der Betroffenen zueinander geht; jede Änderung würde hier zum Nachteil der Angehörigen des anderen Geschlechtes ausschlagen.26 Daher erlaubte Art 8e Abs 1 RL 76/207 unter dem Titel „Günstigkeitsprinzip“ den Mitgliedstaaten nur „Vorschriften [...], die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger“ sind als die RL. Der Grundsatz selbst darf also nicht verändert werden. Vom EU-Recht kann daher zum Vorteil des „unterrepräsentierten Geschlechts“ – nur – nach Maßgabe jener Vorschriften des Unionsrechtes abgegangen werden, die positive Maßnahmen (= Fördermaßnahmen) ausdrücklich erlauben. Ein Abgehen vom Grundsatz erlaubt Art 157 Abs 4 AEUV. Die RL 2006/54/EG (Rz 9) formuliert in Art 3 auch entsprechend, ein konkreter Verweis auf das Günstigkeitsprinzip fehlt aber. Die RL enthält also keine über Art 157 AEUV hinausgehende Ausnahme, sondern betrifft nur fördernde Maßnahmen, die den Grundsatz selbst nicht verletzen (vgl zu § 8). Denkbar und zulässig sind strengere Vorschriften hingegen oft im Verhältnis zu Dritten, hier zum Nachteil va des AG. So könnte der Mitgliedstaat die Beweislast über Art 19 RL 2006/54/EG hinaus auf den AG verschieben oder die Rechtsfolgen einer Diskriminierung zum Vorteil der Diskriminierten verschärfen. Österreich hat dies aber kaum getan – eher das Gegenteil. 12 Art 157 Abs 3 und 4 AEUV unterscheiden vom Grundsatz der Gleichbehandlung deutlich sowohl das Ziel der „vollen Gleichstellung“ wie den „Grundsatz der Chancengleichheit“. Abs 4 zeigt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung keineswegs alle Maßnahmen zur Verwirklichung der vollen Gleichstellung mit umfasst, sondern vielmehr solchen Maßnahmen an sich entgegenstehen kann. Maßnahmen, die Frauen oder Männer gezielt und unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bevorzugen, sind nur nach Maßgabe des Art 157 Abs 4 26 In diese Richtung die E des EuGH zu Vorrangregeln; vgl insb 17.10.1995, C-450/93, Kalanke; 11.11.1997, C-409/95, Marschall; § 8 Rz 18 ff.
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AEUV zulässig (vgl Art 3 RL 2006/54/EG, sowie Rz 11, § 2 Rz 1 und zu § 8). Ähnliches gilt auch zum Verhältnis von Gleichbehandlung und Chancengleichheit (§ 2 Rz 1, 18). Das spezielle Gleichheitsgebot des Art 157 AEUV betrifft (nur) die 13 Gleichbehandlung beim Entgelt für AN in Bezug auf das Geschlecht. Art 157 AEUV enthält kein allgemeines Gebot gleicher Bezahlung für gleichwertige Arbeit. Art 157 Abs 1 AEUV gilt, wie va Abs 2 zeigt, nur für das Entgelt eines AN und daher nur für Arbeitsverhältnisse. Der Begriff „Arbeitnehmer“ ist unionsrechtlich auszulegen. Entscheidend ist das Vorliegen eines Unterordnungsverhältnisses: Selbständige Erbringer von Dienstleistungen, die gegenüber dem Empfänger nicht in einem Unterordnungsverhältnis stehen, fallen nicht unter den AN-Begriff iSd Art 157 AEUV; die Frage, ob ein solches Unterordnungsverhältnis vorliegt, ist vom nationalen Gericht zu beantworten. Auf die Einstufung im nationalen Recht kommt es aber nicht an.27 Die Mitgliedstaaten müssen daher Art 157 AEUV auf alle AN iSd dieser Bestimmung anwenden, auch wenn der nationale AN-Begriff enger ist; für den österr AN-Begriff könnte das partiell zutreffen (Rz 21 ff). Die RL 2006/54/EG gilt jedenfalls für AN und Arbeitsverhältnisse; insoweit gilt das eben zu Art 157 AEUV Gesagte. Der Zugang zur selbständigen Erwerbstätigkeit ist nunmehr von einer eigenen RL erfasst (Rz 45), die RL 2006/54/EG gilt dort nur punktuell (Kapitel 2, Gleichbehandlung in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit).
III. B edeutung des Unionsrechts neben dem 1. Teil des GlBG Zu unterscheiden ist zwischen unmittelbar und mittelbar anwendba- 14 rem Unionsrecht. Die österr Gerichte und Verwaltungsbehörden haben unmittelbar anwendbares Unionsrecht (Rz 15) anzuwenden, auch wenn nationales Recht entgegensteht. Bestehen Unklarheiten über den Inhalt des Unionsrechts, so kann jedes Gericht die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen, der OGH ist dazu verpflichtet. Auch nicht unmittelbar anwendbares Unionsrecht (Rz 16) ist von den österr Gerichten zu beachten: Sie haben die nationalen Normen unionsrechtskonform zu interpretieren (Rz 17). Die Möglichkeit oder Pflicht zur Vorlage gilt auch hier. Sie erfasst auch Regeln, die die Gerichte selbst 27 EuGH 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 68, 71.
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entwickelt haben. Österr Gerichte haben schon öfters vorgelegt, es wurde aber nicht jede wesentliche Frage vorgelegt, wie etwa Begünstigungen für Angehörige (§ 3 Rz 41 ff) oder das Dienstalter als Kriterium bei der Sozialauswahl (§ 3 Rz 162). 15 Unmittelbar anwendbares Unionsrecht kann auch neben dem nationalen Recht direkt zur Begründung von Rechtsbegehren herangezogen werden. Unmittelbar anwendbar ist im vorliegenden Zusammenhang (nur) Art 157 Abs 1 AEUV. Diese Norm begründet in der Folge ein subjektives Recht jedes AN iSd Art 157 AEUV va gegenüber dem AG, bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ohne Rücksicht auf das Geschlecht gleich entlohnt zu werden. Dieses Individualrecht zählt zu den Grundlagen des Unionsrechts.28 Auf dieses Recht kann sich der AN vor den nationalen Gerichten berufen. Art 157 Abs 1 AEUV ist neben dem österr GlBG unmittelbar anwendbar. Konkret folgt daraus, dass die besagte Bestimmung neben § 12 GlBG Anspruchsgrundlage ist. Art 157 AEUV gilt aber nur für Fragen des Entgelts im von ihm erfassten Sinn, nicht auch für andere Arbeitsbedingungen. Wiederum kann dieser Entgeltbegriff aber weiter sein als jener des österr Arbeitsrechts oder auch des GlBG. Das Gebot des Art 157 Abs 1 AEUV erfasst dann alle vermutlich einschlägigen Rechtssätze und Regelungen, also insb KollV, Betriebsvereinbarungen und Allgemeine Arbeitsbedingungen. Insb dürfen gegen Art 157 Abs 1 AEUV verstoßende Regelungen (zB KollV) nicht angewendet werden (§ 11; § 3 Rz 21). Konkret kann Art 157 AEUV als Anspruchsgrundlage relevant sein, soweit die Ansprüche aus Diskriminierung beim Entgelt nach § 15 früher verjähren würden als dies nach dem Unionsrecht zulässig ist (vgl § 3 Rz 34; § 12 Rz 2). Auf Art 157 Abs 1 AEUV können sich alle AN iSd Art 157 AEUV berufen; dazu können auch Arbeitsleistende zählen, die nicht zu den AN iSd österr Arbeitsvertragsrechts zählen (Rz 13). 15a Der EuGH hat in seiner jüngeren Rsp in Fragen der Nichtdiskriminierung auch der Grundrechtecharta unmittelbare Wirkung zuerkannt.29 Grds verpflichtet die GRC nur die Union und ihre Organe, sowie die Mitgliedstaaten, soweit es um die Durchführung von Unionsrecht geht (Art 51 Abs 1 GRC). Der EuGH hat jedoch Art 21 GRC inzwischen in mehreren E Bindunsgwirkung zwischen Privaten gewährt;30 konkret 28 EuGH 8.4.1976, 43/5, Defrenne II, Rz 12, 40. 29 Öhlinger/Potacs, EU-Recht7 72 u 79. 30 Jarass, GRC4 Art 21 Rz 4 mwN.
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gegenüber Arbeitgebern. In älteren E, welche tw noch vor der GRC lagen, hatte der EuGH dieses Ergebnis primär auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gestützt und nicht so sehr die Grundrechte in den Vordergrund gestellt.31 Gegen Art 21 GRC und den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Gleichbehandlung verstoßende Gesetze sind auch in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten unanwendbar, was letztlich eine Art inzidente Normkontrolle bewirkt. Die Richtlinien zu anderen Arbeitsbedingungen als dem Entgelt sind 16 nicht unmittelbar anwendbares Unionsrecht. Dies galt bereits für die RL 76/207/EWG,32 und nunmehr auch für die RL 2006/54/EG. Private können sich auf nicht unmittelbar anwendbares Unionsrecht im Verhältnis zu anderen Privaten grundsätzlich nicht berufen, dh staatliche Organe haben es im Verhältnis zwischen Privaten grundsätzlich nicht anzuwenden.33 Der EuGH hat die Unterscheidung gerade an der RL 76/207 entwickelt,34 und seither an sich daran festgehalten, auch wenn die in späteren E entwickelte Auffassung, das Diskriminierungsverbot nach dem Alter und auch andere Diskriminierungsverbote könnten als allgemeiner Rechtsgrundsatz bzw aufgrund der GRC unmittelbare Wirkung erlangen, letztlich ein ähnliches Ergebnis bewirkt (vgl § 3 Rz 26).35 Insb werden Unterschiede zwischen dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung als allgemeinen Rechtsgrundsatz bzw als Grundrecht, den die RL letztlich konkretisieren,36 und den Inhalten dieser RL idR nicht bestehen. Im Regelungsbereich der RL, insb der RL 2006/54/ EG, ist jedoch weiterhin primär das nationale Recht maßgebend, dh zentral das GlBG. Die RL dienen zu dessen Auslegung. Die Gerichte sind zur unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung des GlBG verpflichtet.37 Die Möglichkeiten und Grenzen eines richtlinien31 EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold; 19.1.2010, C-555/07, Kücükdeveci und 19.4.2016, C-441/14, Dansk Industri. 32 ZB OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h. 33 Vgl Öhlinger/Potacs, EU-Recht7 78 f; Eilmannsberger, JBl 2004, 283 ff, 364 ff. 34 EuGH 26.2.1986, 152/84, Marshall I, Rz 30 ff. 35 Vgl 22.11.2005, C-144/04, Mangold; 19.1.2010, C-555/07, Kücükdeveci und 19.4.2016, C-441/14, Dansk Industri, nach EuGH 22.1.2019, C-193/17, Cresco Investigation gilt dies auch für das Diskriminierungsverbot nach der Religion, vgl auch § 3 Rz 26. 36 EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold, Rz 74: „allgemeiner Rahmen“. 37 Vgl Öhlinger/Potacs, EU-Recht7 102 ff; Canaris in FS Bydlinski, 47 ff.
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konformen Verständnisses richten sich dabei zuerst einmal nach den Methodenregeln des nationalen Rechts. Die Grenze einer Auslegung wird danach (erst) erreicht sein, wenn der Wortlaut des nationalen Gesetzes eindeutig eine Berücksichtigung des Unionsrechts nicht zulässt.38 Allerdings beschränkt sich das Gebot der unionsrechtskonformen Interpretation aus österr Sicht nicht nur auf die Auslegung ieS, sondern verlangt auch eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Rechtsfortbildung im Wege der Lückenfüllung durch Analogie und der teleologischen Reduktion. Entspricht das nationale Recht auch nach unionsrechtskonformer Anwendung nicht der RL, so kommt im Verhältnis zwischen Privaten daher allenfalls ein Anspruch auf Staatshaftung in Betracht.39 Da die Formulierungen des GlBG in vielen entscheidenden Punkten vor allem zum Tatbestand offen und/oder unklar (zB §§ 3, 5, 12 Abs 12) sind, wird diese Grenze nur selten überschritten werden können. Das österr Recht ist daher für unionsrechtskonforme Anwendung grds offen; am engsten sind die vom Wortlaut gezogenen Grenzen wohl bei den Rechtsfolgen. Allerdings ist die Lage im Unionsrecht in manchen Fragen nicht sehr klar, zumal der EuGH viele wichtigen Fragen den nationalen Gerichten zur Beurteilung überlässt (zB ob Sachverhalte wirklich vergleichbar sind, § 3 Rz 8; ob die Zahlen für eine vermutete Benachteiligung sprechen, § 5 Rz 38; und ob eine Rechtfertigung möglich ist, § 5 Rz 6). 17 Der EuGH hat nach verbreiteter Auffassung die Anforderungen an die richtlinienkonforme Anwendung in der E Pfeiffer verschärft.40 Er verlangt, dass die nationalen Behörden wirklich alle nach dem nationalen Recht gegebenen Möglichkeiten einsetzen, um RL auch zwischen Privaten zur Geltung zu bringen. Insb müssen sie die im nationalen Recht sonst bestehenden Möglichkeiten zur Rechtsfortbildung voll einsetzen und (auch dabei) davon ausgehen, dass der Gesetzgeber die RL umfassend umsetzen wollte, außer er sagt ausdrücklich anderes. Dies kann dazu führen, dass die richtlinienwidrige Bestimmung bis auf Null zu reduzieren ist. Probleme bereitet diese Anwendung der RL zwischen Privaten aber in Fällen, in denen daraus eine zusätzliche Verpflichtung 38 Vgl speziell zur Gleichbehandlung zB OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h. 39 Öhlinger/Potacs, EU-Recht7 210. 40 EuGH 5.10.2004, C-397/01, Pfeiffer, Rz 110 ff; vgl dazu zB Brenn, ÖJZ 2005, 41 ff mwN; Abig, ZESAR 2005, 93 ff; Roth in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre4.
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Privater folgte,41 auch weil sich die RL dann doch an Private und nicht nur an die Mitgliedstaaten wendete. Den EuGH scheint dies aber nicht mehr zu stören. Bei den Diskriminierungsverboten der RL geht es durchwegs um Verpflichtungen Privater. Die nationalen Behörden sind aber weiterhin nur zur unionsrechts- bzw richtlinienkonformen Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts verpflichtet, soweit dies nach den nationalen Regeln zur Anwendung und Auslegung möglich ist, und nicht zur unmittelbaren Anwendung der RL. Die unmittelbare Anwendung der RL, insb der RL 2006/54/EG, 18 kommt allerdings im Verhältnis zum Staat in Betracht, auch wenn dieser nicht als Hoheitsträger, sondern als AG auftritt.42 Grundlage dafür kann derzeit allein das Unionsrecht sein. Das nationale Recht könnte darüber hinausgehen, das österr Recht tut dies aber derzeit nicht. Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendung sind: der AG ist dem Staat zurechenbar, die RL ist unbedingt und hinreichend genau bestimmt, und die Ausführungsfrist ist bereits abgelaufen. Die Abgrenzung Privater – Staat ist in Grenzfällen nicht klar.43 Die RL 2006/54/ EG ist jedenfalls auf jene Arbeitsverhältnisse unmittelbar anwendbar, die gem § 1 Abs 2 Z 2 und 3 von der Anwendung des GlBG ausgenommen sind, weil „der Einzelne, wenn er sich gegenüber dem Staat auf eine RL berufen kann, dies unabhängig davon tun kann, in welcher Eigenschaft – als AG oder als Hoheitsträger – der Staat handelt. In dem einen wie dem anderen Fall muss verhindert werden, dass der Staat aus seiner Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen ziehen kann.“44 Die RL kann aber auch bei Arbeitsverhältnissen unmittelbar anwendbar sein, die dem GlBG unterliegen. Die Zurechnung eines AG zum Staat wird nämlich im Interesse der AN weit gezogen und eher bejaht. Es genügt, dass es sich um eine Einrichtung handelt, „die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausge41 Vgl Eilmannsberger, JBl 2004, 283 ff, 364 ff. 42 EuGH 26.2.1986, 152/84, Marshall I, Rz 46 ff; 12.7.1990, C-188/89, Foster; 2.8.1993, C-271/91, Marschall II, Rz 21; 20.3.2003, C-187/00, Kutz-Bauer, Rz 71; 12.9.2013, C-614/11, Kuso, Rz 32; 6.3.2014, C-595/12, Napoli, Rz 50. 43 Vgl allg Wernicke, Privatwirkung, 2001. 44 EuGH 5.2.2004, C-157/02, ASFINAG, Rz 23; 26.2.1986, 152/84, Marshall I, Rz 49; Foster, Rz 17; 10.10.2017, C-413/15, Farell, Rz 32.
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hen.“,45 wobei diese Merkmale nach neuerer Rsp nicht kumulativ vorliegen müssen.46 Es wird auch von einem funktionalen Staatsbegriff gesprochen.47 Hierzu gehören Gebietskörperschaften oder Einrichtungen, denen – unabhängig von ihrer Rechtsform – durch Hoheitsakt die Erbringung einer Dienstleistung im öffentlichen Interesse unter der Aufsicht des Staates übertragen worden ist.48 Man wird dazu auf die Abgrenzung zum Vergaberecht zurückgreifen können,49 weil die Zielrichtungen wohl ähnlich sind: Den für den Staat geltenden Regeln sollen jene „Privaten“ unterworfen werden, die auf einem Markt mit einem dank staatlicher Regelung nicht voll entwickelten Wettbewerb agieren können. In der Rs Asfinag hat der EuGH die unmittelbare Anwendbarkeit bejaht, weil es sich um ein öffentliches Unternehmen mit staatlichem Auftrag handelt, dessen Leistungsentgelte vom Staat festgesetzt werden und das einer laufenden Kontrolle unterliegt.50 Zu den zuzurechnenden Einrichtungen zählen etwa die Post (Universaldienst), ORF (Gebührenrecht), Agrarmarkt-Austria (Agrarbeihilfen), Universitäten (Studien als „hoheitliche“ Aufgabe), die Telekom (aufgrund des Universaldienstes) und wohl auch die öffentlichen Elektrizitätsgesellschaften. Fraglich ist, ob allein die Tatsache der Betriebspflicht ausreicht, wie sie etwa bei „öffentlichen Krankenanstalten“ und Kraftfahrlinien besteht, und ob der massive Einsatz öffentlicher Mittel bei den ÖBB ausreicht. Bei den ÖBB spricht für das Einbeziehen, dass sie insb im Infrastrukturbereich nicht voll im Wettbewerb steht. In der Lit wird vertreten, dass bereits der beherrschende Einfluss einer Gebietskörperschaft für die Zurechnung ausreiche;51 ebenso eine besondere Nahebeziehung eines privaten Unternehmens zum Staat.52 UE geht dies über die Rsp des EuGH hinaus, und kann dann mangels anderer Grundlage im nationalen Recht von den österr Gerichten auch nicht autonom bejaht werden. Eine unmittelbare Anwendung von RL setzt überdies stets 45 EuGH Foster Rz 18-20; 4.12.1997, C-253/96, Kampelmann, Rz 46; ASFINAG Rz 24. 46 EuGH 10.10.2017, C-413/15, Farell, Rz 29. 47 Öhlinger/Potacs, EU-Recht7 79 f. 48 Vgl zu einer Landes-Landwirtschaftskammer EuGH 12.9.2013, C-614/11, Kuso, Rz 32. 49 Dazu Gölles, BVergG § 4 Rz 7 ff. 50 EuGH 5.2.2004, C-157/02, Rieser, Rz 25 ff. 51 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht 109; Fredman, Discrimina tion Law 150. 52 Eichenhofer in Streinz, AEUV Art 288 Rz 58.
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voraus, dass der Inhalt der konkreten Bestimmung unbedingt ist, das heißt dem Mitgliedstaat keinen größeren Gestaltungsspielraum einräumt, und dass er hinreichend bestimmt ist.53 Der Grundsatz der Gleichbehandlung selbst ist nun zwar unbedingt. Gestaltungsspielräume haben die Mitgliedstaaten idR nur bei den Ausnahmen. Fraglich ist aber, ob er in allen Facetten auch hinreichend bestimmt ist; bejaht wurde die hinreichende Bestimmtheit bereits im Hinblick auf die Art 14 Abs 1 lit c und Art 15 der RL 2006/54/EG.54 Gerade mit Blick auf den eher weit gefassten Art 14 (Verbot jeder unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung in den genannten Bereichen) spricht dies für eine eher weitgehende Annahme der hinreichenden Bestimmtheit. Bereits zur alten Fassung der RL 2006/54/EG (dh zur alten GleichbehandlungsRL 76/207/EWG) hatte der EuGH gesagt, dass die Bürger das in Art 5 Abs 1 enthaltene Verbot von Diskriminierungen gegenüber einem „Hoheitsträger“ geltend machen können;55 das wird wohl auch nach der Änderung gelten.56
IV. Geltung für Arbeitsverhältnisse 1. Allgemeines Nach § 1 Abs 1 gelten die Bestimmungen des I. Teiles „für den Bereich 19 der Arbeitswelt“; in der Folge werden verschiedene Tatbestände aufgezählt. Diese Aufzählung ist wohl abschließend (gemeint), schon weil das Wort „insbesondere“ fehlt. Die §§ 2 ff können dann nicht unmittelbar aufgrund der Worte „für den Bereich der Arbeitswelt“ angewendet werden, sondern nur auf einen Sachverhalt, der unter eine der Ziffern 1 bis 4 des Abs 1 fällt. Allerdings könnte das Unionsrecht die Anwendung in einem Fall verlangen, der unter keine der Z 1 bis 4 passt. In diesem Fall wird man wohl unter „Bereich der Arbeitswelt“ subsumieren können und müssen. Das GlBG unterscheidet in der Folge bei der Arbeitswelt zwischen den Arbeitsverhältnissen und der sonstigen Arbeitswelt.57 Nach dem letzten Halbsatz des Abs 1 begründen die Z 1 53 Öhlinger/Potacs, EU-Recht7 74 f. 54 EuGH 6.3.2014, C-595/12, Napoli, Rz 45–51. 55 EuGH 26.2.1986, 152/84, Marshall I, Rz 49; 12.7.1990, C-188/89, Foster, Rz 19, 21; 20.3.2003, C-187/00, Kutz-Bauer, Rz 71; 12.9.2013 C-614/11, Kuso, Rz 32. 56 Rust in GSH, AEUV Art 157 Rz 224 ff. 57 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 3.
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bis 4 die Anwendbarkeit nur insoweit, als „dies“ – gemeint wohl: eine der davor genannten Regelungsmaterien – in die Regelungskompetenz des Bundes fällt (womit wohl die Kompetenz zur Gesetzgebung gemeint ist). Der Rechtsanwender muss bei dieser uU fragwürdigen Regelungstechnik selbst klären, ob der Bund für die konkrete Rechtsfrage zuständig ist. Diese Vorgangsweise wäre schon bei klarer Kompetenzverteilung schwierig. Bei der vorhandenen chaotischen Kompetenzverteilung ist sie schlicht unzumutbar, und daher unionsrechts- und wohl auch verfassungswidrig. Die Schwierigkeiten spielen aber in der Praxis keine große Rolle; näheres bei den einzelnen Tatbeständen.
2. Arbeitsverhältnisse 20 Die §§ 2 bis 15 gelten gem § 1 Abs 1 Z 1 für „Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen“. Sie gelten also für alle nicht ausdrücklich ausgenommenen Arbeitsverhältnisse, auch für AN in Kleinbetrieben und in privaten Haushalten. Mit Arbeitsverhältnissen sind primär jene Rechtsverhältnisse gemeint, die nach österr Recht Arbeitsverhältnisse sind. Damit wird auf den Arbeitnehmer- bzw Arbeitsvertragsbegriff des österr Individualarbeitsrechts gem § 1151 ABGB verwiesen. Die Aufzählung etwa von Angestellten, Arbeitern und Lehrlingen hat nur klarstellende Funktion.58 Die Abgrenzung ist auch für das GlBG wesentlich, weil Dienstleistungen auf anderer Grundlage – insb auf der Basis von freien Dienst-, Werk- oder Gesellschaftsverträgen oder familienhafter Mitarbeit – grds nicht oder doch nicht ohne weiteres dem 1. Teil des GlBG unterliegen. Für diese anderen Formen der Dienstleistung gilt der I. Teil vielmehr nur, wenn entweder § 1 Abs 3 eingreift oder wenn das Unionsrecht die Anwendung erfordert. 21 Das Unionsrecht erfordert die Anwendung der §§ 2 bis 15 zumindest für alle AN iSd Art 157 AEUV. Der EuGH hat bereits zum Begriff des AN in Art 157 AEUV (damals noch Art 141 EGV) Stellung genommen.59 Er geht davon aus, dass es im Unionsrecht keinen einheitlichen AN-Begriff gibt, sondern dass die Bedeutung dieses Begriffes vom jeweiligen Anwendungsbereich abhängt.60 Der Begriff darf nicht durch 58 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 5. 59 EuGH 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 63 ff. 60 EuGH 12.5.1998, C-85/96, Martínez Sala, Rz 31; vgl dazu auch Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 153 Rz 3 ff; Rebhahn, EuZA 2012, 3; Dullinger, ZAS 2018/2.
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Verweisung auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten definiert werden, sondern hat eine unionsrechtliche Bedeutung. Außerdem kann er nicht eng ausgelegt werden. In der Folge orientiert der EuGH den AN-Begriff des Art 157 AEUV sehr stark (wenn nicht vollständig) an der Begriffsbildung zur Freizügigkeit.61 Als AN ist „anzusehen, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält“.62 Aus dem Zusammenhalt mit der Umschreibung des Entgelts in Art 157 AEUV leitet der EuGH dann ab, dass der AEUV „selbständige Erbringer von Dienstleistungen, die gegenüber dem Empfänger der Dienstleistungen nicht in einem Unterordnungsverhältnis stehen, nicht in den Begriff ‚Arbeitnehmer‘ einbeziehen“ will.63 Die Frage, ob das geforderte Unterordnungsverhältnis vorliegt, ist in jedem Einzelfall nach Maßgabe aller Gesichtspunkte und aller Umstände zu beantworten, die die Beziehungen zwischen den Beteiligten kennzeichnen. Die formale Einstufung als Selbständiger nach innerstaatlichem Recht schließt nicht aus, dass jemand als AN im Sinne von Art 157 AEUV einzustufen ist, wenn seine Selbständigkeit nur fiktiv ist und damit ein Arbeitsverhältnis verschleiert wird.64 Die rechtliche Einordnung des Verhältnisses nach nationalem Recht und seine Ausgestaltung ebenso wie die Art der zwischen beiden Personen bestehenden Rechtsbeziehung sind insoweit nicht ausschlaggebend.65 Der EuGH betont die Irrelevanz der nationalen Einstufung des Verhältnisses, das zwischen einer Kapitalgesellschaft und den Mitgliedern ihrer Unternehmensleitung besteht, oder des Umstands, dass eine solche Gesellschaft und die Mitglieder der Unternehmensleitung keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Ein Mitglied der Unternehmensleitung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, das seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden 61 Obwohl die Rahmenbedingungen stark differieren; vgl Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 153 Rz 6. Zu den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffen vgl insb Dullinger, ZAS 2018/2; Dullinger/Risak, DRdA 2018/206. 62 So zur Gleichbehandlung zB EuGH 3.7.1986, 66/85, Laurie Blum, Rz 17. 63 EuGH 13.1.2004, C-256/01, Allonby. 64 Allonby Rz 68–71, 79; vgl auch EuGH 4.12.2014, C-413/13, FNV Kunsten, Rz 34 ff mwN. 65 EuGH 17.11.2016, C-216/15, Ruhrlandklinik, Rz 27.
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kann, erfüllt dem ersten Anschein nach die Voraussetzungen, um als AN im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs zu gelten.66 Die Eigenschaft als AN iSd Unionsrechts wird nicht dadurch berührt, dass eine Person aus steuerlichen, administrativen oder verwaltungstechnischen Gründen nach innerstaatlichem Recht als selbständiger Dienstleistungserbringer beschäftigt wird, sofern sie nach Weisung ihres AG handelt, insbesondere was ihre Freiheit bei der Wahl von Zeit, Ort und Inhalt ihrer Arbeit angeht,67 nicht an den geschäftlichen Risiken dieses AG beteiligt ist68 und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses in dessen Unternehmen eingegliedert ist und daher mit ihm eine wirtschaftliche Einheit bildet.69 22 Um die unionsrechtskonforme Einbeziehung einer arbeitenden Person in den Geltungsbereich des GlBG zu erreichen, kann entweder der Begriff des AN primärrechtskonform bzw richtlinienkonform weit ausgelegt werden, bzw wird die Einbeziehung arbeitnehmerähnlicher Personen in den Geltungsbereich des GlBG zu einem entsprechenden Ergebnis führen. 23 Die §§ 2 ff gelten in erster Linie für das Rechtsverhältnis zwischen einem einzelnen AG und dessen AN. Sie verpflichten damit den AG und erfassen alle Einzelmaßnahmen und kollektiven Maßnahmen des AG einschließlich der Betriebsvereinbarungen (§ 3 Rz 11 ff). Die Normen gelten, wie § 12 belegt, ebenfalls für KollV. Auch die Bewerber um einen Arbeitsplatz fallen unter den AN-Begriff des Gleichbehandlungsrechts, schon weil die RL 2006/54/EG auch für die Einstellung gilt. Die Bedeutung der Einschränkung des Anwendungsbereiches auf Fragen, für die der Bund zur Regelung zuständig ist, dürfte bei Z 1 eher gering sein, weil der Bund wohl erstens für alle Arbeitsverhältnisse zur Gesetzgebung zuständig ist, die nicht in § 1 Abs 2 ausdrücklich ausgenommen sind (und auch dort bestünde inzwischen eine Bundeskompetenz für Land- und Forstarbeiter), und zweitens bei diesen Arbeitsverhältnissen dann auch zur Regelung der im GlBG geregelten Fragen. Er kann sich freilich, wie es zB zum Landarbeitsrecht geschehen ist, ent-
66 Vgl zur MutterschutzRL 92/85/EWG EuGH 11.11.2010, C‑232/09, Danosa, Rz 41. 67 EuGH Allonby, Rz 72. 68 EuGH 14.12.1989, C‑3/87, Agegate, Rz 36. 69 EuGH C‑22/98, Becu, Rz 26.
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scheiden, anstelle einer Einbeziehung in das GlBG ein Sondergesetz zu schaffen (Rz 29). Die Begriffe des Arbeitsvertrages und des AN nach österr Individual- 24 arbeitsrecht müssen hier nicht im Detail dargelegt werden; es kann auf die einschlägige Literatur verwiesen werden.70 Maßgebend ist danach die Leistung von Diensten für einen anderen und die Verpflichtung dazu. Entscheidend ist, dass die Dienste unselbständig und damit in persönlicher Abhängigkeit erbracht werden. Entgeltlichkeit ist nicht erforderlich; das GlBG geht damit über das vom Unionsrecht Geforderte hinaus. Das Angewiesensein der Dienste leistenden Person auf die Einnahmen aus der Dienstleistung ist für die Qualifikation als AN weder ausreichend noch erforderlich. Das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ist ein Typusbegriff: es kommt auf die Ausprägung verschiedener Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung an, wobei es ausreicht, wenn die Indizien für eine unselbständige Tätigkeit überwiegen. Relevant ist die Art, wie die Dienstleistung tatsächlich durchgeführt wird; vor deren Beginn wie sie tatsächlich durchgeführt werden soll. Die Bezeichnung des Vertrags durch die Parteien als Werkvertrag oder freier Dienstvertrag allein kann das Rechtsverhältnis nicht dem Arbeitsrecht und damit – schon wegen des Unionsrechts – auch nicht dem GlBG entziehen; andererseits kann die Bezeichnung als ArbV jedenfalls in Zweifelsfällen wohl zur Anwendung des Arbeitsrechts und damit auch des GlBG führen. Auch das Fehlen der Pflicht zur Dienstleistung (etwa durch Vereinbarung einer allg Vertretungsbefugnis) schließt die ANEigenschaft nicht aus, falls der Vertragspartner dennoch über die Arbeitskraft wie bei einem AN verfügt bzw verfügen kann, insb weil von der Vertretungserlaubnis nicht Gebrauch gemacht wird.71 Die Rsp des EuGH könnte darüber hinausgehen (vorige Rz). Auch der OGH hat in seiner Vorlageentscheidung in der E Wippel zum österr Recht von der Pflicht zur Arbeitsleistung auch für Fälle abgesehen, in denen der Unternehmer über die Arbeitskraft wohl nicht wie bei einem AN disponieren wollte und konnte.72
70 Vgl insb Rebhahn in ZellKomm3 ABGB § 1151 Rz 1 ff; Krejci in Rummel, ABGB5 § 1151 Rz 1 ff; Pfeil in Schwimann, ABGB4 § 1151 Rz 1 ff. 71 Weil der Dienste Leistende weiß, dass er bei Weigerung nicht mehr herangezogen wird; vgl OGH 13.11.2003, 8 ObA 86/03k. 72 OGH 8.8.2002, 8 ObA 277/01w; dazu Mosler, DRdA 2002, 461.
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25 Die wichtigsten Merkmale der persönlichen Abhängigkeit sind nach hM die Bindung der Dienste leistenden Person in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenes Verhalten, wobei die Bindung entweder bereits durch den Vertrag oder durch Weisung (Weisungsrecht) erfolgen kann; wesentlich ist jedenfalls das Recht des Vertragspartners, die Einhaltung der Bindungen zu kontrollieren, und bei Pflichtverletzung Sanktionen zu ergreifen. Neben diesen Bindungen ist zweitens die Einordnung der die Dienste leistenden Person in die Arbeitsorganisation des Vertragspartners wesentlich; ein ArbV kann aber auch bestehen, wenn der Vertragspartner nur eine Person beschäftigt. Neben den beiden genannten Merkmalen kann auch relevant sein, wem die Arbeitsmittel gehören und wer das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit tragen soll (allerdings werden diese Elemente uE eher nur als Argumente für die AN-Eigenschaft eingesetzt werden können). Die Anmeldung zur Sozialversicherung als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ASVG ist (nur) ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses; die Anmeldung als freier Dienstnehmer nach ASVG oder die Anmeldung nach GSVG schließt das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht aus. Wird eine Pflicht zu einem Arbeitserfolg vereinbart und die Entlohnung daran geknüpft, so kann dennoch ein ArbV vorliegen, falls die allg Merkmale dafürsprechen; die Pflicht zum Erfolg ist dann ungültig. 26 § 1 Abs 1 Z 1 bezieht nur das Arbeitsverhältnis auf privatrechtlicher Grundlage ein. Nicht erfasst sind damit alle Dienstleistungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, wie insb bei Beamten. Die Bestimmung scheint zu verlangen, dass ein privatrechtlicher Vertrag bereits vorliegt, damit das GlBG eingreift. Dies ist aber offenkundig nicht gemeint, weil § 3 ausdrücklich auch die Begründung des ArbV nennt. Es reicht also, wenn der vermutete Vertragspartner der dienstleistenden Person ein Arbeitsverhältnis in Aussicht nimmt, auch wenn er bisher nicht als AG aufgetreten ist. § 1 spricht von „Arbeitsverhältnissen aller Art“. Erfasst sind also Arbeiter und Angestellte, aber auch alle gesondert durch ein Bundesgesetz geregelten ArbV (zB Schauspieler, Journalisten, Hausgehilfen). Es gibt keine Ausnahme für AN in Kleinbetrieben oder in privaten Haushalten. Erfasst sind auch in Teilzeit sowie befristet Beschäftigte. Heimarbeiter sind keine AN, der I. Teil ist aber gem § 1 Abs 3 auf sie anzuwenden. Eine Suspendierung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis ändert nichts an der Anwendbarkeit (zB in Bezug auf Vorrückung während der Suspendie58
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rung), weil das Rechtsverhältnis aufrecht bleibt. Der I. Teil gilt daher auch während des Beschäftigungsverbotes nach dem MSchG und auch während eines Karenzurlaubes (§ 3 Rz 135, 140), sowie für Männer, die zum Präsenz- und Zivildienst einberufen sind, soweit es um das Rechtsverhältnis zum AG geht. Bei Ausbildungsverhältnissen fällt jedenfalls jenes nach BAG unter § 1 Abs 1 Z 1, weil es nach hA ein Arbeitsverhältnis ist. Andere Ausbildungsverhältnisse fallen unter § 1 Abs 1 Z 1, falls die Auszubildenden Dienste in persönlicher Abhängigkeit zu erbringen haben. Ist diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt, dann sind die Auszubildenden nunmehr in allen Phasen der Ausbildung von § 1 Abs 1 Z 2 GlBG erfasst. Auch das B-GlBG bezieht alle Ausbildungsverhältnisse ausdrücklich in seinen Geltungsbereich ein. Nach dem EuGH steht der Ausbildungszweck der AN-Eigenschaft nicht entgegen.73 Bei Arbeitnehmerüberlassung ist das GlBG jedenfalls auf das Verhält- 27 nis zwischen Überlasser und AN anzuwenden. Das GlBG ist aber auch auf das Verhältnis Beschäftiger und AN anzuwenden, weil (auch) den Beschäftiger die wesentlichen Fürsorgepflichten treffen (§ 6 Abs 3 AÜG) und das Diskriminierungsverbot darunter subsumiert werden kann. Mit der Novelle BGBl I 2012/98 wurde dies in § 6a AÜG eigens klargestellt. Jeder der beiden AG hat sein Verhalten am GlBG auszurichten.74 Der Beschäftiger darf die überlassenen AN also bei Auswahl und Beendigung, ebenso auch bei der Arbeitseinteilung oder bei anderen Fragen nicht aufgrund des Geschlechts benachteiligen.75 Sind die überlassenen AN in weit größerem Ausmaß Frauen/Männer als die Stammbelegschaft, dann könnte auch eine Benachteiligung der Überlassenen jedenfalls in jenen Fragen, in denen der Beschäftiger AGFunktionen ausübt, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sein. Soweit die Entscheidung allerdings vom Überlasser getroffen wird, hat eine zur Stammbelegschaft unterschiedliche Behandlung ihren Ursprung nicht in ein und derselben Regelungsquelle, sodass eine Diskriminierung ausscheiden dürfte;76 anders wird nur zu entscheiden sein, wenn die beiden AG eng verbunden sind, also etwa in 73 EuGH 3.7.1986, 66/85, Laurie Blum, Rz 18. 74 OGH 26.8.2004, 8 ObA 3/04f. 75 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 6. 76 IdS EuGH 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 45 ff zum Entgelt, obwohl das Entgelt der überlassenen AN natürlich vom Entgelt abhängt, das der Beschäftiger dem Überlasser zahlt; vgl § 3 Rz 15, 104.
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einem Konzern, jedenfalls bei einheitlicher Personalpolitik. § 6a Abs 3 AÜG sieht eine Verpflichtung des Überlassers zu angemessener Abhilfe vor, sobald er weiß oder wissen muss, dass der Beschäftiger während der Dauer der Beschäftigung die Gleichbehandlungsvorschriften oder Diskriminierungsverbote nicht einhält, und nach § 6a Abs 5 AÜG hat der Überlasser gegen den Beschäftiger Anspruch auf Ersatz aller aus den Abs 3 und 4 resultierenden Aufwendungen, zB hinsichtlich an den Betroffenen geleistetem Schadenersatz.77 § 6 Abs 4 verpflichtet den Überlasser außerdem, die Überlassung sofort zu beenden, sobald er weiß oder wissen muß, daß der Beschäftiger trotz Aufforderung die Arbeitnehmerschutz- oder die Fürsorgepflichten nicht einhält; hierunter werden auch sexuelle oder sonstige Belästigungen fallen.78 28 Ausgenommen vom I. Teil sind gem § 1 Abs 2 va alle Arbeitsverhältnisse zum Bund, einem Land, einer Gemeinde und zu einem Gemeindeverband, kurzum also alle Arbeitsverhältnisse zu einer Gebietskörperschaft. Für die Arbeitsverhältnisse zum Bund gilt das B-GlBG. Für die Arbeitsverhältnisse zu den Ländern und Gemeinden gelten die Gleichbehandlungsgesetze der Länder. Aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben müssen auch diese einen gewissen Mindestinhalt aufweisen, was zu einer weitgehenden Übereinstimmung zumindest im materiellen Recht führt. Dies hat zur Folge, dass die Frage, welches Gesetz anzuwenden ist, praktisch oft an Bedeutung verliert. Die Ausnahme vom GlBG greift nach dem klaren Wortlaut nur ein, falls eine der genannten Gebietskörperschaften AG, also Vertragspartner der AN ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Gesetzen sind nicht die AN jeder juristischen Person öffentlichen Rechts ausgeschlossen, und es reicht für die Ausnahme auch nicht, dass die Organe des AG von einer Gebietskörperschaft bestellt oder geleitet werden. Der I. Teil des GlBG ist daher auch auf alle Arbeitsverhältnisse zu Kammern, öffentlichen Fonds und Rechtsträgern eines öffentlichen Unternehmens (zB ÖBB) anzuwenden. Nach einer Ausgliederung ist das GlBG jedenfalls auf jene AN anzuwenden, deren ArbV auf den neuen Rechtsträger übergegangen ist bzw zu diesem neu begründet wurde. Aber auch wenn die AN dem neuen Rechtsträger nur zur Dienstleistung zugewiesen wurden, wird das GlBG so wie sonst bei Arbeitskräfteüberlassung (Rz 26) auch auf das Verhältnis zum Beschäftiger anwendbar sein.79 Nicht anzuwenden 77 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 6. 78 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 6. 79 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 12.
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ist das GlBG nur auf „ausgeliehene“ Beamte ieS. Die Nähe des AG zum Staat kann überdies dazu führen, dass neben dem GlBG die RL 2006/54/EG und andere RL unmittelbar anzuwenden sind (Rz 18). Auf Universitäten und die Arbeitsverhältnisse zu diesen ist das GlBG derzeit nicht anwendbar: Zwar fallen die Arbeitsverhältnisse zu Universitäten an sich unter das GlBG. § 44 UG 2002 und va § 41 B-GlBG ordnen jedoch ausdrücklich die Anwendung des B-GlBG an, um ein Nebeneinander von GlBG und B-GlBG (für Beamte) zu vermeiden. Damit soll auch die Nichtanwendung des GlBG angeordnet sein (obwohl dies kein absolut zwingender Schluss ist, weil strengere Vorschriften des GlBG auch neben dem B-GlBG angewendet werden könnten). Auch bei einer Reihe an anderen ausgegliederten Unternehmen wurde diese Regelungstechnik gewählt, sodass das B-GlBG dort kraft gesetzlicher Anordnung das GlBG ersetzt, etwa in § 58 Bundesstatistikgesetz, § 38 Abs 4 Nationalbankgesetz und § 54 Abs 6 Arbeitsmarktservicegesetz.80 Ausgenommen sind gem § 1 Abs 2 Z 1 ferner Arbeitsverhältnisse, die 29 dem Landarbeitsgesetz 1984 unterliegen, weil der Bund hier bis zur Novelle BGBl I 2019/14 nur zur Grundsatzgesetzgebung zuständig war. Seit 1.1.2020 sind nach Art 11 Abs 1 Z 9 B-VG das Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt, in der Gesetzgebung Bundessache und in der Vollziehung Landessache. Dem Bund kommt nunmehr keine bloße Grundsatz-, sondern volle Gesetzgebungskompetenz zu. Durch diese Novelle erschien der Anwendungsbereich von § 1 Abs 2 Z 1 GlBG zunächst etwas kryptisch, da das Landarbeitsgesetz 1984 keine Definition des land- und forstwirtschaftlichen Arbeiters (mehr) enthält. Die Materialien enthielten dazu den Hinweis, es solle hinsichtlich des Umfangs dieses Teilbereichs keine Änderung eintreten.81 Erst durch die Übergangsbestimmungen im B-VG aufgeklärt (Art 151 Abs 63 Z 4) wurde die Frage, welches Gleichbehandlungsrecht nach der Novelle auf land- und forstwirtschaftliche Arbeiter zur Anwendung kam (vgl dazu die Kommentierung zum IV. Teil des GlBG). Mit 1. 7. 2021 ist nunmehr das LAG 2021, BGBl I 2021/78, in Kraft getreten, welches die Gleichbehandlung als 15. Teil regelt und auch (wieder) eine Definition des land- und forstwirtschaftlichen Ar80 Vgl auch die Aufzählung bei Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 13. 81 ErläutRV 301 BlgNR 26. GP 3.
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beiters (§ 1 Abs 2 LAG). Der Gesetzgeber hat sich also für die Lösung entschieden, das Gleichbehandlungsrecht der Land- und Forstarbeiter weiterhin separat zu regeln; möglich gewesen wäre wohl auch, stattdessen die Ausnahme im GlBG zu streichen.82 Vergleicht man die ehemaligen Grundsatzbestimmungen mit den anderen Bestimmungen des GlBG, so merkt man va bei den zentralen materiellen Bestimmungen kaum einen Unterschied. Der Grund dafür liegt hier schon in den unionsrechtlichen Vorgaben, weil man diese kaum in Grundsatz und Ausführung aufspalten kann. Ebenso sind die Vorschriften des neuen LAG weitgehend mit jenen des GlBG ident, weshalb zu ihrer Auslegung ohne weiteres auf Rsp und Lehre zum GlBG zurückgegriffen werden kann.
3. Anwendung bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, insb bei Entsendung 30 Das GlBG bestimmt in § 1 Abs 4 seine Anwendung auch für den Fall, dass der AG seinen Sitz nicht in Österreich hat, er aber AN nach Österreich überlässt oder entsendet. Innerhalb der EU spielt die Frage, welches einzelstaatliche Recht anzuwenden ist, bei Fragen der Antidiskriminierung keine prägende Rolle mehr, weil das Unionsrecht nicht nur gewisse Positionen verlangt und sichert, sondern auch ein Mehr an Schutz eines bestimmten Geschlechtes nicht ohne weiteres zulässt (Rz 11). Dennoch können die nationalen Rechtsordnungen auch in der EU in Bezug auf die Gleichbehandlung beträchtlich differieren und tun dies auch, etwa bei den Rechtsfolgen, der Verjährung, der Rechtsdurchsetzung und der Zulässigkeit von spezifischen Maßnahmen iSd § 8. Die Entscheidung, welche Rechtsordnung auf Fragen der Gleichbehandlung anzuwenden ist, das GlBG oder ein ausländisches Recht, richtet sich nach den Normen des IPR, und damit bei Arbeitsverhältnissen nach Art 8 Rom I-VO.83 Irrelevant ist die Staatsangehörigkeit von AN oder AG. Die unionsrechtlichen Normen zur Gleichbehandlung verlangen stets ihre Anwendung auf ein Arbeitsverhältnis, falls das Recht eines Mitgliedstaates Vertragsstatut ist,84 aber auch dann, wenn der gewöhnliche Arbeitsort in der EU oder im EWR liegt und das Gleichbe82 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 41 Rz 2. 83 VO 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl L/177. 84 Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 18.
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handlungsrecht des Arbeitsstaates für den AN günstigeres Recht ist. Die unionsrechtlichen Vorgaben gelten auch zugunsten von Staatsangehörigen eines Nichtmitgliedstaates. Nach Art 8 Rom I-VO wird die für die Rechtsfragen des Arbeitsver- 31 tragsstatuts maßgebende Rechtsordnung primär durch eine wirksame Rechtswahl (Art 3 Rom I-VO) durch die Parteien des ArbV bestimmt. Fehlt eine Rechtswahl der Parteien, so ist die objektive Anknüpfung maßgebend; entscheidend ist dann idR der gewöhnliche Arbeitsort. Das objektiv verwiesene Recht ist aber gem Art 8 Abs 1 Rom I-VO auch bei Rechtswahl relevant, weil die zwingenden Normen des objektiv verwiesenen Rechts auch dann anzuwenden sind, wenn die Parteien das Recht eines anderen Staates gewählt haben. Die Normen zur Gleichbehandlung des Arbeitsstaates sind damit auch gegen eine Rechtswahl anwendbar, sofern diese für den AN günstiger als das Vertragsstatut sind.85 Das GlBG ist daher stets anwendbar, wenn österr Recht aufgrund der objektiven Anknüpfung (nächste Rz) maßgebend ist, auch wenn die Parteien ein anderes Recht als Vertragsstatut gewählt haben. Für die objektive Anknüpfung ist primär maßgebend, wo der gewöhn- 32 liche Arbeitsort des AN liegt: Das GlBG ist anzuwenden, wenn der gewöhnliche Arbeitsort in Österreich liegt. Dabei bleibt es auch, wenn der AN in ein anderes Land entsandt wird (Art 8 Abs 2 Rom I-VO). Der Begriff der Entsendung ist unklar. Man wird die zum IPR übliche Interpretation auch für die Anwendung des GlBG heranziehen können, jedenfalls soweit es um eine Entsendung innerhalb der EU geht. Bei Verlegung des Arbeitsortes in einen Nichtmitgliedstaat wird man Entsendung vielleicht weiter interpretieren müssen, um sicherzustellen, dass die unionsrechtlichen Wertungen zur Diskriminierung solange anwendbar bleiben, als das Arbeitsverhältnis einen Bezug zur Rechtsordnung der EU hat, also etwa stets, wenn die Rechtsordnung eines Mitgliedstaates grds gewählt wird, oder wenn das ArbV von einem Mitgliedstaat seinen Ausgang genommen hat. Arbeitet ein AN vorübergehend in Österreich, liegt sein gewöhnlicher 33 Arbeitsort aber im Ausland, so verweist Art 8 Rom I-VO nicht auf österreichisches Recht, sondern auf das Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes. Die Entsende-RL 96/71/EG verlangt allerdings in Art 3 Abs 1 85 Vgl dazu Schlachter in ErfK VO 593/2008/EG Art 8 Rz 18 ff.
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lit g für den Entsendungsfall, dass der Empfangsstaat, dh jener Staat, in den der AN entsandt wird, seine Regelungen über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen auch für die entsandten AN für anwendbar erklärt. § 1 Abs 4 GlBG setzt die Entsende-RL um: Der I. Teil des GlBG ist auch anwendbar, wenn der AG seinen Sitz im Ausland (EWR oder NichtEWR) hat und die Arbeit in Österreich zur fortgesetzten Arbeitsleistung oder im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung erfolgt. Der Begriff „fortgesetzte Arbeitsleistung“ wurde offenkundig aus dem AVRAG (aF) übernommen und ist heute veraltet. Im Anwendungsbereich der Entsende-RL 96/71/EG ist eine richtlinienkonforme Auslegung des GlBG geboten. Fallen kurzfristige Entsendungen in den Geltungsbereich der Entsende-RL, dürfen diese nicht von der Anwendbarkeit des GlBG mit dem Hinweis, sie seien nicht „fortgesetzt“ genug, ausgenommen werden. Außerdem wird man die Regelungen des GlBG hinsichtlich der sexuellen und sonstigen Belästigung als Eingriffsnormen iSd Art 9 Rom-I VO ansehen und insofern auch dann zur Anwendung bringen müssen, wenn eine Entsendung außerhalb des Anwendungsbereichs der Entsende-RL liegt.86
V. G eltungsbereich außerhalb eines Arbeits verhältnisses 1. Heimarbeiter 34 Heimarbeiter sind nach hA keine AN, wenn bzw weil es an der persönlichen Abhängigkeit bei der Dienstleistung fehlt. § 1 Abs 3 Z 1 bezieht sie dennoch in den Geltungsbereich des GlBG ein. Für andere Personen, die primär von zu Hause aus Dienste für einen anderen leisten (insb mit Angestelltentätigkeit), gelten die allg Bestimmungen und Kriterien. Sie können etwa bei einer Dienstleistenden, die kontinuierlich über das IT-Netz überwacht wird, zur AN-Eigenschaft führen.87
2. Arbeitnehmerähnliche Personen 35 § 1 Abs 3 Z 2 erweitert den Geltungsbereich des I. Teiles auf Beschäftigungsverhältnisse von Personen, die ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit 86 Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 1 Rz 16. 87 Vgl OGH 26.3.1997, 9 ObA 88/97z.
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leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. Das GlBG umschreibt damit den Kreis der Arbeitnehmerähnlichen bewusst88 mit denselben Worten wie § 51 Abs 3 ASGG. Man wird daher den Kreis der Erfassten primär so wie dort abgrenzen können.89 Die Rsp stellt auf eine Gesamtbetrachtung einer Mehrheit von Faktoren ab. Maßgebend ist die Ausrichtung der Tätigkeit nicht auf den Markt, sondern auf wenige Vertragspartner, für die regelmäßig gearbeitet wird; weitere Elemente sind die wirtschaftliche Abhängigkeit im vorher genannten Sinn, die starke Ein- und Unterordnung in die Arbeitsorganisation des anderen, welche die Dispositionsmöglichkeiten stark verringern, sowie dass der wirtschaftliche Erfolg dem Vertragspartner zukommt.90 Neben dem nationalen Recht ist das Unionsrecht zu berücksichtigen. 36 Die RL 2006/54/EG (Art 14 Abs 1 lit c), die Gleichheitsrahmen-RL 2000/78/EG und die Antirassismus-RL 2000/43/EG (jeweils Art 3 Abs 1 lit c) gelten für alle „Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen“;91 Art 157 AEUV und die RL 2006/54/EG sprechen von „Arbeit“, aber auch von AN. Allerdings erstrecken die genannten RL ihren Geltungsbereich nur beim „Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“ zur Gänze auch auf Selbständige, so jeweils Art 3 Abs 1 lit a bzw Art 14 Abs 1 lit a RL 2006/54/EG. Die RL 2010/41/EU spricht in Art 2 lit a von „allen Personen, die nach den Bedingungen des innerstaatlichen Rechts eine Erwerbstätigkeit auf eigene Rechnung ausüben“ und in Art 4 Abs 1 von einem Diskriminierungsverbot „etwa“ in Bezug auf die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens bzw die Aufnahme oder Ausweitung irgendeiner anderen Form der selbständigen Tätigkeit (dazu auch Rz 45 ff). Auf der einen Seite deutet der Wortlaut von Art 3 Abs 1 lit c der genannten RL bzw von 14 Abs 1 lit c RL 2006/54/EG also klar darauf hin, dass nicht nur die Arbeitsbedingungen von AN im traditionellen Sinn, sondern auch die anderer Beschäftigter einbezogen werden sollen. Auf der anderen Seite kann das Wort „Beschäftigungsbedingungen“ nach dem Zusam88 RV 307 BlgNR 22. GP 9. 89 Vgl Neumayr in ZellKomm3 ASGG § 51 Rz 11 ff. 90 OGH 28.2.1989, 9 ObA 43/89; 9.9.1999, 8 Ob S 243/99i; 5.5.2004, 9 ObA 53/04s; 22.8.2012, 9 ObA 48/12t; 22.10.2014, 3 Ob 138/14m. 91 Für eine umfassende Einbeziehung von unselbständigen und selbständigen Personen aufgrund dieser Bestimmungen Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 8 f.
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menhang mit lit a auch nicht alle Bedingungen selbständiger Erwerbstätigkeit erfassen. Bei der Abgrenzung und Entscheidung ist wertungsmäßig va zu bedenken, dass es hier – anders als im Arbeitsrecht im Allgemeinen – weniger auf die Schutzbedürftigkeit der einzelnen Person ankommt, als vielmehr auf das Zurückdrängen bestimmter missbilligter Motivationen und Verhaltensweisen im Bereich der Arbeitswelt. Dies spricht für einen im Zweifel weiteren Anwendungsbereich. Ausgenommen bleiben sollen idR nur Personen, die klar selbständig erwerbstätig sind; auch dort wird zT aber eine Einbeziehung freier DN ohne Rücksicht auf deren AN-Ähnlichkeit vertreten.92 Das dt AGG bezieht arbeitnehmerähnliche Personen in § 6 Abs 1 Z 3 ausdrücklich in den persönlichen Anwendungsbereich ein. 37 Geht man von § 1 Abs 3 Z 2 GlBG aus, so ist erste Voraussetzung das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, das nicht als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Dies ist eindeutig zu bejahen, wenn ein freier Dienstvertrag oder ein Werkvertrag vorliegt, oder auch ein anderer synallagmatischer Vertrag über Dienstleistungen (wenn er nur kein ArbV ist). Das Gesetz verlangt weiter, dass Arbeit im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen geleistet wird. Aus dem Erfordernis „im Auftrag“ ergeben sich wohl nicht mehr Anforderungen als bereits aus „Beschäftigungsverhältnis“. Anders könnte es beim Erfordernis „auf Rechnung“ sein, weil dadurch Fälle ausgeschlossen werden, in denen die Dienste zwar in fremdem Auftrag, aber auf eigene Rechnung erbracht werden; man denke etwa an Tankstellenpächter, die zumindest im Zusatzgeschäft auf eigene Rechnung handeln (aber sonst häufig als arbeitnehmerähnlich eingestuft werden). In der Folge kann die zweite Hälfte der Z 2 (ab „im Auftrag“) wohl zur Deutung der ersten herangezogen werden. Die erste Voraussetzung wird in der Folge auch erfüllt sein, wenn zwar die Pflicht zur Dienstleistung fehlt, und nur geleistete Dienste entlohnt werden, aber dies vereinbart ist (konditionale Entgeltlichkeit). Man kann auch in diesem Fall nicht nur von einem Beschäftigungsverhältnis sprechen, sondern es wird auch Arbeit im Auftrag bestimmter Personen geleistet. 38 Dritte Voraussetzung ist die „wirtschaftliche Unselbständigkeit“ bei der Leistung der Dienste. Diese Unselbständigkeit muss im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses bestehen, und damit im Verhältnis zum Vertragspartner (der durch das GlBG gebunden werden soll). 92 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 9.
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Wirtschaftliche Unselbständigkeit wird – auch hier – jedenfalls fehlen, wenn die Arbeitende mit ihren Leistungen kontinuierlich am Markt auftritt, also wiederholt Geschäftskontakte zu verschiedenen Vertragspartnern sucht. Hingegen spricht es für wirtschaftliche Unselbständigkeit, wenn die Arbeitende über längere Zeit hinweg ihre Leistungen nur einem oder zwei Partnern erbringt, und dabei ohne Mitarbeiter tätig wird. Fraglich ist, ob für wirtschaftliche Unselbständigkeit zusätzlich erforderlich ist, dass der Arbeitende seinen Lebensunterhalt aus den Einnahmen aus dem (einen oder zwei) Beschäftigungsverhältnis(sen) bestreiten muss,93 also wirtschaftliche Abhängigkeit vorliegt. Bejahte man dies, so würden Teilzeitarbeitende bei der Abgrenzung des Geltungsbereiches des GlBG benachteiligt. Das widerspricht zwar nicht dem Wortlaut der RL 97/81/EG zur Teilzeitarbeit, weil diese nur AN erfasst, wohl aber diametral dem Zweck des Unionsrechts zur Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und damit des GlBG, weil Teilzeitarbeitende in überwiegendem Maß Frauen sind. Auch sonst stellt die Rsp nicht (mehr) entscheidend auf die Abhängigkeit von den Einnahmen von einem oder wenigen bestimmten Vertragspartnern zur Bestreitung des Lebensunterhalts ab,94 sondern sieht sie allenfalls als eines von mehreren Kriterien. Man wird daher im vorliegenden Zusammenhang wohl sagen müssen, dass wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt, falls – neben der längerfristigen Ausrichtung auf einen oder zwei Vertragspartner – der Leistende entweder auf die Einnahmen angewiesen ist95 oder aber weitgehend keine Dispositionsmöglichkeiten bei der vereinbarten Tätigkeit hat. Ob dies zutrifft, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Anwendungsfälle können etwa Regalbetreuer, Medienmitarbeiter oder Vorstandsmitglieder einer AG (sofern man sie nicht entgegen der hA ohnehin als AN ansieht) sein. Für selbständige Tätigkeiten, die nicht mehr unter § 1 Abs 3 Z 2 subsumiert werden können, kann immer noch § 1 Abs 1 Z 2 oder 4 einschlägig sein. Unklar ist, ob § 1 Abs 3 Z 2 auch für Beschäftigungsverhältnisse zu ei- 39 ner Gebietskörperschaft gilt. Auf der einen Seite enthält Abs 3 keine ausdrückliche Ausnahme; und die EB sagen, dass das GlBG auch für die arbeitnehmerähnlichen Verhältnisse zu Ländern und Gemeinden 93 Dafür wohl die RV 307 BlgNR 22. GP 9. 94 Rebhahn in ZellKomm3 ABGB § 1151 Rz 125 mwN. 95 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 8.
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gelten kann, weil zu deren Regelung der Bund zuständig ist.96 Auf der anderen Seite gelten die in § 1 Abs 3 genannten Rechtsverhältnisse „für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes“ als Arbeitsverhältnisse, was bei spitzfindiger Interpretation doch zum Eingreifen des § 1 Abs 1 führen könnte. Der letzte Satz von Abs 3 kann aber bei der Abgrenzung des Geltungsbereiches selbst nicht anzuwenden sein, zumal sonst die arbeitnehmerähnlichen Verhältnisse zu Ländern und Gemeinden – unionsrechtswidrig – nicht geregelt wären. Im Übrigen sieht § 1 Abs 1 Z 2 B-GlBG ausdrücklich die Geltung des B-GlBG für Personen mit einem freien Dienstvertrag zum Bund vor, worunter viele arbeitnehmerähnliche Verhältnisse fallen werden; insofern ist auch auf arbeitnehmerähnliche Verhältnisse zum Bund das B-GlBG anwendbar.
3. Zugang zu Berufsberatung und Berufsbildung 40 Nach § 1 Abs 1 Z 2 gilt der I. Teil für alle Formen und alle Ebenen von Berufsberatung, Berufsbildung, beruflicher Weiterbildung und Umschulung einschließlich praktischer Berufserfahrung. Ebenso formuliert die Vorgabe in Art 14 Abs 1 lit b der RL 2006/54/EG. Aus dem Zusammenhang mit Art 14 Abs 1 lit a RL 2006/54/EG und § 1 Abs 1 Z 4 GlBG folgt, dass Z 2 („Beratung und Bildung“) sowohl unselbständige wie selbständige Erwerbstätigkeit erfassen muss.97 Nach dem Wortlaut von RL und GlBG sollte dies ursprünglich nur für den Zugang zu Beratung und Bildung gelten, nicht auch für deren Durchführung. Nimmt man dies wörtlich, so dürfte der Ausbildende zwar nicht bei der Zulassung aufgrund des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft diskriminieren, wohl aber wenige Wochen später durch eine begründungslose Beendigung der Ausbildung, was dem Zweck der Norm entgegenstünde. Diese missverständliche Formulierung wurde durch BGBl I 2013/107 beseitigt, womit sich nunmehr auch nach dem Gesetzeswortlaut das Diskriminierungsverbot auf alle Phasen der Ausbildung erstreckt, insb auch auf Beendigung durch den Ausbildenden und Leistungsangebot; nicht erfasst sein soll laut den Mat aber die Beurteilung der Teilnehmer bei Prüfungen.98 Schon davor erfolgte eine korrigierende Auslegung durch die GBK.99 96 ErläutRV 307 BlgNR 22. GP 8; zustimmend Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 11. 97 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 15. 98 ErläutRV 2300 BlgNR 24. GP 2. 99 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 4 Rz 3.
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Z 2 erfasst nur berufsspezifische Leistungen bzw Angebote. Nicht er- 41 fasst sind also Bildungsangebote, die nur allgemeinbildend sein sollen oder die nur auf den privaten Bereich abzielen (zB Kochkurs für Hobbyköche, Mondphasen für den Hausgebrauch); diese würden lediglich dem III. Teil unterliegen. Unter Berufsausbildung werden nur Ausbildungen für eine klar abgegrenzte Erwerbstätigkeit fallen; bei Angeboten, die sowohl aus beruflichen wie privaten Gründen besucht werden könnten, wird tw eine Auswahl zugunsten jener Personen, die das Angebot zu beruflichen Zwecken nutzen, für zulässig gehalten.100 Es wäre jedenfalls zu eng, unter Berufsausbildung nur die Lehre nach dem BAG oder Kurse zur Meisterprüfung zu zählen, vielmehr zählen dazu alle Ausbildungen, die einer konkreten Berufsausübung dienen oder objektiv dienen können.101 Erfasst sind auch der Erwerb von Praxis als Voraussetzung für eine weitere Berufsausübung, wie Turnus und Facharztausbildung im Krankenhaus oder Gerichtsjahr. Auch in diesen Bereichen ist nun eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes oder eines anderen unzulässigen Merkmals – das als Kriterium eingesetzt wird – verboten, selbst wenn es sich nicht um die Ausbildung im Rahmen eines ArbV handeln sollte, damit sind auch Praktika, Volontariate und andere nicht als ArbV zählende Ausbildungsverhältnisse wie Gesundheits- und Krankenpflegeschüler erfasst.102 Der Erwerb der praktischen Berufserfahrung ist, anders als der Wortlaut vl vermuten lassen könnte, auch nicht auf die unmittelbar davor genannte Umschulung beschränkt.103 Einschlägig für Z 3 können durchaus auch Kurse oder Schulen mit breiterem Angebot sein, wie etwa Hochschullehrgänge wie ein Universitätsstudium oder eine Fachhochschule, es sei denn, der Lehrgang richtet sich auf Grund seiner Eigenart an Personen, die eher ihre Allgemeinkenntnisse vertiefen als sich einen Berufszugang verschaffen wollen,104 oder eine HTL. Die Tatsache, dass die Ausbildung in einer öffentlichen Schule angeboten wird, schließt die Anwendung des Gleichbehandlungsrechts nicht aus. Noch weiter ist der Tatbestand der beruflichen Weiterbildung.105 Darunter fallen alle Kurse und Lehrgänge, welche Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln wollen, 100 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 16. 101 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 16. 102 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 14. 103 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 18. 104 Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 1 Rz 21. 105 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 16: „beinahe grenzenlos“.
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welche im Berufsleben nützlich sein sollen, auch wenn sie (wie Sprachkurse) auch aus privaten Gründen besucht werden können. Erfasst sind also viele Kurse von WIFI und BFI, aber auch Angebote rein privater Anbieter (zB einer Sprachschule). Ähnlich weit ist der Tatbestand der Umschulung. Unter den einen oder anderen Tatbestand fallen auch die vom Arbeitsmarktservice durchgeführten wie die von ihm nur geförderten Kurse für Arbeitsuchende; verpflichtet ist primär das Arbeitsmarktservice (vgl § 18 Abs 6 u 7 AlVG), sekundär auch der Kursbetreiber. Wer eine Berufsausbildung, Umschulung etc durchführt oder finanziert, ist also irrelevant, ebenso wie, ob die Maßnahme im Rahmen oder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses durchgeführt wird.106 Hierin liegt ein Unterschied zur deutschen Rechtslage, wo der Anwendungsbereich im wesentlichen auf den AG beschränkt und auf das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot verwiesen wird.107 42 Das GlBG ist allerdings nur anwendbar, wenn die gesetzliche Regelung der fraglichen Ausbildung in die Regelungskompetenz des Bundes fällt. Die praktische Bedeutung dieser Einschränkung ist jedenfalls für die Betroffenen kaum zu überblicken. Soweit die Beratung bzw Weiterbildung von Einrichtungen angeboten wird, die der Bund regelt (zB Arbeitsmarktservice, Fachhochschule, HTL), ist das GlBG ohne Zweifel anwendbar. Im Übrigen scheint es darauf anzukommen, inwieweit der Bund zur Regelung von beruflicher Beratung und Bildung zuständig ist. Geht man von der Vertragsbeziehung zwischen Einrichtung und Teilnehmer aus, so ist der Bund zu deren Regelung aufgrund der Zivilrechtskompetenz zuständig. Man könnte aber auch daran denken, darauf abzustellen, wer zur Regelung der betreffenden Tätigkeit als selbständige Tätigkeit zuständig ist. Dann wäre va die Reichweite des Begriffes „Gewerbe und Industrie“ in Art 10 B-VG relevant; darunter fallen zB gewerbliche Lebensberater, während die Länder etwa zur Regelung von Tanz- und Skischulen zuständig sind. Würde man auf diese Kompetenz zur Regelung der selbständigen Tätigkeit abstellen, so würden Weiterbildungen für Lebensberater dem GlBG unterliegen, Kurse für Tanz- oder Skilehrer aber dem jeweiligen Landesgleichbehandlungsgesetz. Sinnvoll ist nur das Abstellen auf das Rechtsverhältnis zwischen Anbieter und Teilnehmer, und damit auf die Zivilrechtskompetenz des Bundes. Bestimmungen, die gegen Diskriminierung gerich106 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 17. 107 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 2 Rz 44.
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tet sind, gehören nämlich eher zur Regelung des Rechtsverhältnisses als zum Berufsrecht, weil der Zugang zum Gewerbe nicht hoheitlich erschwert wird (wie das zulasten von Frauen früher oft der Fall war), sondern durch einen Unternehmer oder eine Ausbildungseinrichtung. Folgt man dem, dann hat die Einschränkung auf die Regelungskompetenz des Bundes auch bei § 1 Abs 1 Z 2 kaum praktische Bedeutung (das spricht aber nicht gegen diese Auslegung, weil die Kompetenzklausel eher automatisch zur Absicherung verwendet wird).
4. Berufsorganisationen Der Text von § 1 Abs 1 Z 3 folgt der Vorgabe in Art 14 Abs 1 lit d RL 43 2006/54/EG. Der Unionsgesetzgeber will damit die Diskriminierungsverbote auch auf berufliche Organisationen ausdehnen, weil auch diese zur Arbeitswelt gehören und deren Verhaltensmuster oft prägen. Z 3 erfasst Organisationen mit freiwilliger Mitgliedschaft ebenso wie solche mit Pflichtmitgliedschaft. Die Norm erfasst zwei Arten von Organisationen. Erstens Organisationen der AN oder der AG, auch und gerade wenn sie nicht nach einem beruflichen Kriterium organisiert sind. Es genügt wohl, wenn die Organisation der AG oder AN in dieser Eigenschaft einen wesentlichen Teil der Organisationsaufgabe darstellt. In Österreich fallen unter Z 3 daher insb ÖGB und Arbeiterkammern, Wirtschaftskammern und Industriellenvereinigung.108 Zweitens geht es um Organisationen, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, bei denen also nur Angehörige einer bestimmten Berufsgruppe Mitglieder sind (wobei es genügen wird, wenn die ganz große Mehrzahl diese Voraussetzung erfüllt). Aufgrund dieser Tatbestandsalternative fallen etwa die Kammern für Ärzte, Rechtsanwälte oder Ziviltechniker unter Z 3, aber auch ein Verband der Psychologen oder der Hochschullehrer. Das GlBG gilt bei den Kammern nur für jene, deren Regelung Bundessache ist, also nicht für die Landwirtschafts- und Landarbeiterkammern (da diese unter Art 15 B-VG fallen,109 ist hier auch durch die Novellierung der Kompetenzbestimmungen durch BGBl I 2019/14 keine Änderung eingetreten). Bei den freiwilligen Organisationen ist der Bund aufgrund der Kompetenz zur Regelung des Vereinsrechts hingegen für alle zuständig. Der Zugang zu AN-Organi-
108 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 19. 109 VfGH 19.6.1963 VfSlg 4446; s auch BGBl 1963/230.
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sationen dürfte auch alle Formen der Belegschaftsvertretung umfassen.110 44 Das GlBG kann bei gesetzlich geregelten Organisationen (zB Kammer) nur insoweit gelten, als eine Frage nicht schon durch das Organisationsgesetz geregelt ist. Das Gleichbehandlungsgebot gilt bei den Organisationen sowohl für die Frage der Mitgliedschaft wie für die Mitwirkung (zB Stimmrecht, Wahlen in Funktionen). Unzulässig wären also Organisationen nur für Angehörige eines Geschlechtes, außer sie sind nach § 8 zulässig. Das Gleichbehandlungsgebot verbietet aber nicht Organisationen, die außerhalb der von Z 3 genannten Strukturen nur Angehörige eines Geschlechtes versammeln (zB „Frau in der Wirtschaft“; Serviceclubs, auch wenn dort häufig auch berufliche Kontakte gepflogen werden). Bedenklich wären in den von Z 3 erfassten Organisationen Regelungen, die die Wahrnehmung von Funktionen speziell für Frauen sehr erschweren. Das GlBG gilt schließlich auch für die Inanspruchnahme von Leistungen dieser Organisationen. Erfasst ist aber wohl nur die Inanspruchnahme durch Mitglieder der Organisationen, nicht jene durch Dritte. Zu denken ist etwa an die Rechtsberatung der Kammern, bezieht man die Belegschaftsvertetung ein, auch an Leistungen aus dem Betriebsratsfonds.111
5. Selbständige 45 Die Geltung des GlBG auch für die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie die Aufnahme oder Erweiterung jeglicher anderer Art von selbständiger Erwerbstätigkeit will die Diskriminierungsverbote zumindest partiell über den Bereich der unselbständigen Arbeit hinaus erweitern. Die Geltung ist zunächst von Art 14 Abs 1 lit a RL 2006/54/EG vorgeschrieben und zudem Gegenstand einer eigenen RL 2010/41/EU. Der EuGH hat zur ursprünglichen Selbstständigen-GleichbehandlungsRL 86/613/EWG bisher nur selten und am Rande Stellung genommen.112 Auch zur Neufassung durch die RL 2010/41/EU ist soweit ersichtlich keine Judikatur ergangen und auch sonst hält ihre praktische Relevanz sich (noch?) in Grenzen. Für die Interpretation des Begriffes „selbständige Erwerbstätig110 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 19, Mayr, ecolex 2015, 801. 111 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 19. 112 EuGH 8.11.1983, 165/82, Komm/Großbritannien; 6.4.2000, C-226/98, Jorgensen.
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keit“ ist ein einheitliches unionsrechtliches Begriffsverständnis maßgeblich. Erfasst sind alle Personen, die nach den Bedingungen des innerstaatlichen Rechts eine Erwerbstätigkeit auf eigene Rechnung ausüben, also während einer bestimmten Zeit für einen anderen, ohne dessen Weisungen unterworfen zu sein, Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhalten.113 § 1 Abs 1 Z 4 erfasst grds alle selbständigen Erwerbstätigkeiten. Ausgenommen sind nur jene, für die dem Bund die Regelungskompetenz fehlt. Da es hier – anders als bei Z 2 – primär um berufsrechtliche Fragen geht, kommt es auf die Kompetenz zur Regelung des Berufszugangs an; § 1 Abs 1 Z 4 greift daher zB nicht beim Zugang zum selbständigen Tanz- oder Skilehrer. Dort bestehen in Teilen noch Umsetzungsdefizite.114 Schwierig ist die Frage, inwiefern auch für die Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit ein Diskriminierungsverbot bestehen müsste (Rz 46). Von Bedingungen für die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätig- 46 keit kann man immer dann sprechen, wenn die fragliche Regelung oder Maßnahme dazu dient, den Zugang zum Auftreten am Markt zu kontrollieren, uzw spezifisch in Bezug auf die Erwerbstätigkeit. Unter Z 4 fallen insb die Bedingungen für den Zugang zu einem Gewerbe iSd der GewO, aber auch für freiberufliche Tätigkeiten wie Arzt, Rechtsanwalt oder Notar, also hoheitliche oder hoheitlich geprägte Regelungen. Die Tätigkeit als Vertragsarzt der Sozialversicherung ist vom Tätigkeitsbild her so deutlich vom „Wahlarzt“ zu unterscheiden, dass auch die Bedingungen für den Zugang dazu (also die Auswahlkriterien) dem GlBG unterliegen.115 Zu den „Bedingungen“ für den Zugang zählen primär die Anforderungen an die Person, aber auch Kriterien für die Auswahl, falls eine solche getroffen werden muss; es fallen aber wohl auch andere Regelungen darunter, welche den Zugang zur Erwerbstätigkeit behindern. Durch die Novelle 2013116 wurde die Formulierung an die RL 2010/41/EU angepasst, die über den bloßen Zugang zu selbständiger Tätigkeit hinausgeht. Laut den Mat soll dies aber keine Änderung der materiellen Rechtslage bewirkt haben.117 Ähnlich lautet die deutsche Umsetzung in § 2 Abs 1 lit 1 AGG. Ob die Umsetzung der RL korrekt 113 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 2 Rz 25; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 20. 114 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 3. 115 VfGH 9.12.2014, V 54/2014. 116 BGBl I 2013/107. 117 RV 2300 BlgNR 24. GP 2.
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erfolgt ist, erscheint aber durchaus fraglich, da die RL in den Erwägungsgründen sowie in Art 4 Abs 1 ein Diskriminierungsverbot „etwa“ in Bezug auf die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens bzw die Aufnahme oder Ausweitung irgendeiner anderen Form der selbständigen Tätigkeit nennt.118 Diese Aufzählung lässt sich also ebenso gut als bloß demonstrativ verstehen, womit nicht nur die Aufnahme, sondern jede Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit vom Diskriminierungsverbot erfasst ist.119 Damit wäre die österreichische Umsetzung unvollständig, da sie aus einer demonstrativen eine taxative Aufzählung gemacht hat. Zu einem anderen Ergebnis könnte man dann allenfalls gelangen, indem man den Begriff „Ausweitung“ sehr weit auslegt, durch einen Analogieschluss oder, sollte dies nicht möglich sein, eine unmittelbare Anwendung der RL 2010/41/EU. Eng verbunden damit ist die Frage, inwiefern die Aufnahme auch die Beendigung (iS eines „fortgesetzten Zugangs“)120 umfasst und damit zB aus der diskriminierenden Kündigung essentieller Verträge Ansprüche abgeleitet werden könnten (siehe auch Rz 47). Ausübung und fortgesetzter Zugang meinen aber wohl nicht dasselbe, weil es im Rahmen der Ausübung zu Diskriminierungen kommen kann, die nicht den Zugang zur Tätigkeit an sich infrage stellen (da sie nicht dazu zwingen, die Tätigkeit aufzugeben). Der OGH hat in einer Entscheidung bzgl einer gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeklausel, die nach Geschlechtern differenziert, die Wertungen des GlBG in § 879 Abs 1 ABGB einfließen lassen und die Klausel als sittenwidrig und damit nichtig beurteilt.121 Die Lösung über § 879 könnte auch dort eine teilweise Abhilfe schaffen, wo nicht die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie die Aufnahme oder Erweiterung (sowie damit verbunden die Fortsetzung) selbständiger Tätigkeit betroffen ist, indem diskriminierende Vertragsklauseln oder Gesellschafterbeschlüsse nichtig werden.
118 Erwägungsgrund 14 der Rl 2010/41/EU. 119 Für eine weite Auslegung („gesamte Arbeitswelt diskriminierungsfrei gestellt“) der selbständigen Tätigkeit Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 20 u § 4 Rz 6 ff. Die Autoren gehen allerdings nicht auf die mögliche Abweichung zur RL ein. 120 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 2 Rz 31 mit Nachweisen aus der deutschen Rsp; Thüsing in MüKo AGG § 2 Rz 7. 121 OGH 24.1.2019, 6 Ob 55/18h.
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§ 1 Abs 1 Z 4 richtet sich zunächst an Behörden und Institutionen, die 47 über Berufszulassung oder Beendigung der Berufausübung entscheiden. Fraglich ist, inwieweit auch Regeln privater Marktteilnehmer, die ihr eigenes Nachfrageverhalten steuern sollen, unter Z 4 fallen, wie Richtlinien eines großen Nachfragers über die Auswahl der Geschäftspartner. Es geht um die Abgrenzung zwischen der Aufnahme bzw Ausweitung von und der Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeit. Das GlBG (und mglw auch die RL) regeln ausdrücklich nur ersteres – dies aber auch, wenn ein anderer Privater darüber entscheidet. Unter Z 4 werden Verträge fallen, die die Grundlage für eine längere selbständige Tätigkeit schaffen, wie zB ein Franchisevertrag.122 Die Auswahlrichtlinien eines Franchisegebers dürfen daher auch nicht mittelbar aufgrund des Geschlechtes benachteiligen oder gar unmittelbar nach dem Geschlecht differenzieren. Auch erfasst sein können Gesellschaftsverträge und die Aufnahme als Gesellschafter, soweit mit dieser Stellung eine Erwerbstätigkeit verbunden ist (also nicht bloße Kapitalbeteiligung).123 Der OGH schien im Fall einer Kommanditistin mit Geschäftsführungsbefugnissen nicht ganz eindeutig, ob er das GlBG direkt anwendet; er hat jedoch ausgesprochen, es sei „wertungsmäßig“ von einer selbständigen Tätigkeit im Sinn der Richtlinie und des GlBG auszugehen. Er hat jedenfalls die Wertungen des GlBG in § 879 ABGB einfließen lassen und eine Klausel im Gesellschaftsvertrag für nichtig gehalten.124 Nicht unter Z 4 fallen könnten hingegen freie Dienstverträge oder Werkverträge mit Anbietern, die ihre Leistungen kontinuierlich am Markt anbieten (zB freie Journalisten, die wöchentlich mehrere Beiträge an verschiedene Zeitungen anbieten).125 Auch das erscheint mittlerweile fraglich, da es sich bei dem Abschluss von einzelnen Dienstoder Werkverträgen nicht zwangsläufig um Massengeschäfte handeln muss und ein solches Verständnis den Anwendungsbereich uU empfindlich einschränkt.126 Auch hier könnte schon im innerstaatlichen Recht mit einem „fortgesetzten Zugang“ argumentiert werden, unions122 Zustimmend Kietaibl in GS Rebhahn 215 (218). 123 Kietaibl in GS Rebhahn 215 (218); Kalss/Dauner-Lieb, GesRZ 2016, 249. 124 OGH 24.1.2019, 6 Ob 55/18h. 125 Ebenso Schlachter in Erfk AGG § 2 Rz 6; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 4 Rz 8. 126 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 2 Rz 31; aA Thüsing in MüKo AGG § 2 Rz 5; für eine ausnahmslose Erfassung von freien DN Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 1 Rz 9.
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rechtlich auch mit dem nicht abschließenden Charakter der Aufzählung. Durchaus unter Z 4 subsumierbar werden hingegen freie Dienstverträge sein, die für längere Zeit abgeschlossen werden, wie Verträge mit Organmitgliedern einer AktG (sofern diese nicht als arbeitnehmerähnlich definiert werden bzw unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen).127
VI. Zwingender Charakter des GlBG 48 Die Vorschriften des GlBG sind zwingend. Das GlBG sagt dies zwar nicht ausdrücklich, der zwingende Charakter folgt aber aus dem Zweck und den Vorgaben des Unionsrechts. Anders als die meisten arbeitsrechtlichen Regeln sind die meisten Normen des GlBG jedoch nicht einseitig zwingend, wenn und weil die Besserstellung eines AN zur Diskriminierung einer anderen (und umgekehrt) führt (Rz 11). Einseitig zwingend sind nach dem Zweck nur die Normen über die Rechtsfolgen sowie wohl auch jene über die Belästigung. Von diesen kann zum Vorteil der betroffenen AN abgewichen werden. Die anderen Normen des GlBG sind hingegen zweiseitig zwingend. Die zwingende Wirkung besteht nicht nur gegenüber Vereinbarungen mit dem AN, sondern auch im Verhältnis zu KollV und Betriebsvereinbarung. 49 Zwingend bedeutet auch in Bezug auf das GlBG, dass von den Normen jedenfalls nicht im Vorhinein abgewichen werden darf. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig, uzw idR teilnichtig (§ 3 Rz 28 ff). Fraglich ist, ab wann auf Rechte aus dem GlBG verzichtet werden kann. Die hM vertritt zum Arbeitsrecht im Allgemeinen, dass der AN auf einen bereits entstandenen (unabdingbaren) Anspruch erst bei Ende des Arbeitsverhältnisses verzichten kann (Drucktheorie); die Details sind umstritten, wobei es insb darum geht, ob einem wirksamen Verzicht der auf dem AN lastende wirtschaftliche Druck oder aber die Unabdingbarkeit des Anspruchs entgegensteht. In letzterem Fall wäre auch ein Verzicht nach Beendigung unwirksam.128 Das allg Geltende wird auch für Rechte aus dem GlBG gelten. Das Unionsrecht verlangt wohl nicht mehr. 127 Zur Abgrenzung bei Organmitgliedern vgl auch Baumgärtner in BeckOGK AGG § 2 Rz 23; zum AN-Begriff der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EG EuGH 11.11.2010 C-232/09, Danosa. 128 Vgl Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II11 107 ff.
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Gleichstellung § 2. Ziel dieses Abschnittes ist die Gleichstellung von Frauen und Männern.
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Inhaltsübersicht I. Konzepte von Gleichheit: Gleichberechtigung und Gleichstellung.... 1 II. Zum Zweck des Diskriminierungsverbots im Unionsrecht.................. 19 III. Weitergehende Maßnahmen, insb der Union.......................................... 24 IV. Zum Ziel des I. Teils und zur Bedeutung des § 2..................................... 28
I. K onzepte von Gleichheit: Gleichberechtigung und Gleichstellung 1 Die Vorschriften des Unionsrechts (zB Art 157 Abs 3 und 4 AEUV sowie Art 1 und 3 RL 2006/54/EG) unterscheiden deutlich schon sprachlich zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung (principle of equal treatment; principe de l’égalité de traitement) und dem der „vollen Gleichstellung“ (full equality; pleine égalité). Gleichbehandlung bedeutet dabei im Wesentlichen das Nichtvorhandensein von Diskriminierung, während Gleichstellung für ein Konzept steht, das zusätzlich auf einen Ausgleich von Benachteiligungen durch Staat und Recht zielt. Das Ziel der Gleichstellung findet sich nur in der RL 2006/54/EG, nicht aber in der RahmenRL und der AntirassismusRL, welche „nur“ Gleichbehandlung verlangen. Zum deutschen Recht (dessen Sprachgebrauch die deutsche Fassung der RL 2006/54/EG beeinflusst haben dürfte) sagt Wiedemann: „‚Gleichstellung‘ wird in der Gesetzes- und Rechtssprache benutzt, um ein über die Gleichbehandlung hinausgehendes Ziel der Frauenförderung oder der Förderung anderer Personengruppen zu charakterisieren; eine solche Gleichstellung will bestehende Nachteile beseitigen, notfalls auch durch (vorübergehende) Besserstellung“.1 Daneben verwendet Art 157 Abs 3 AEUV noch den Begriff Chancengleichheit, uzw als Teil von „Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung“ (principle of equal opportunities, principe de l’égalité des chances). Die konsolidierte RL 2006/54/EG (§ 1 Rz 9) verwendet diesen Begriff weit häufiger als bisher, allerdings eher in Überschriften und allg Ausführungen, aber auch im Zusammenhang mit positiven Maßnahmen in Art 3. Das deutsche AGG verwendet den Begriff der Gleichstellung nicht, sondern spricht in seiner Zielbestimmung § 1 AGG nur von „Benachteiligungen“.
1 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 6.
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Das GlBG greift wohl den Unterschied auf, den Art 157 AEUV und die 2 RL 2006/54/EG zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung einerseits und der „Gleichstellung“ andererseits machen, wenn es in § 2 vom Ziel der Gleichstellung spricht, sonst aber von Gleichbehandlungsgebot. Diese beiden Begriffe dürfen insofern nicht synonym verwendet werden.2 Das Gleichbehandlungsgebot des GlBG entspricht dem „Grundsatz der Gleichbehandlung“ von Art 157 AEUV und der RL 2006/54/ EG bzw dessen Konkretisierung durch das nationale Gesetz. Die unterschiedliche Begrifflichkeit zeigt sich auch in Art 7 B-VG. Art 7 Abs 1 spricht von Gleichheit bzw hinsichtlich behinderten und nichtbehinderten Menschen von Gleichbehandlung, Abs 2 hingegen von Gleichstellung: „Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.“ In Art 7 spricht der Gesetzgeber zur Verdeutlichung des Gemeinten von tatsächlicher und faktischer Gleichstellung. Diese Bedeutung von Gleichstellung entspricht nämlich nicht dem üblichen Begriffsinhalt in Österreich. „Gleichstellung“ kommt in der österr Rechtssprache häufig vor. Meist bedeutet dieser Begriff, anders als in der RL 2006/54/EG, dass an einen Sachverhalt dieselben Rechtsfolgen wie an einen anderen geknüpft werden (man vgl die über 600 Ergebnisse im RIS bei Suche unter Bundesrecht). Im Kontext der Antidiskriminierung hat der Begriff der Gleichstellung daher eine andere Bedeutung als sonst. Zu erwähnen ist hier ferner die Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau.3 Der Nationalrat hat beschlossen, dass dieser Staatsvertrag durch Gesetze zu erfüllen ist (Art 50 Abs 2 B-VG). Die Konvention ist daher grds nicht unmittelbar anwendbar.4 In der Sache enthält sie primär ein Diskriminierungsverbot mit dem Zusatz, dass Fördermaßnahmen keine Diskriminierung darstellen. Die beiden in Rz 1 genannten Begriffe und deren Gegenüberstellung 3 gehen auf unterschiedliche Konzepte von Gleichheit zurück, welche die politische und rechtswissenschaftliche Diskussion zum Thema der Diskriminierung seit Jahrzehnten durchziehen. Man kann va drei Kon2 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 2 Rz 14. 3 Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women (CEDAW) vom 18.12.1979, BGBl 1982/443. 4 Vgl VfGH 3.3.1995, VfSlg 14.050; OGH 30.6.1992, 10 ObS 150/92.
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zepte unterscheiden, auch wenn die Bezeichnungen nicht einheitlich und gefestigt sind;5 bisweilen wird auch ein viertes genannt.6 – Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit; man spricht auch von consistency, was man hier mit Folgerichtigkeit oder besser als Symmetrie übersetzen kann; – Gleichheit im Ergebnis oder Gleichheit als Ausgleich; – Gleichheit der Chancen; – Gleichheit als Diversität. Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit bzw Symmetrie entspricht im Wesentlichen dem Grundsatz der Gleichbehandlung, die nachfolgenden zwei sind der „Gleichstellung“ zuzuordnen. Die hier verwendete Terminologie orientiert sich direkt am Inhalt der Konzepte. Dem steht eine Terminologie gegenüber, die primär zwischen „formaler“ und „materieller“7 bzw „substantieller“ Gleichheit unterscheidet. Die meisten Verwender wollen schon mit dieser Terminologie vermitteln, dass sie die „bloß“ formale Gleichheit nicht für ausreichend halten – und daher schon begrifflich abwerten wollen. Als substantielle – und damit „echte“ – Gleichheit wird dann idR nur die Gleichheit im Ergebnis angesehen. Im Gleichbehandlungsrecht der EU sowie im GlBG lassen sich Überlegungen von sowohl formaler als auch materieller Gleichheit nachweisen.8 4 Für die Tragweite der verschiedenen Konzepte ist wesentlich, worauf sie angewendet werden. Man kann hier im Rahmen der Arbeitsverhältnisse zwei große Gruppen von Angelegenheiten unterscheiden: Statusangelegenheiten wie Einstellung, Einstufung und Beförderung, sowie die weiteren Arbeitsbedingungen wie insb das Entgelt.9 Es ist heute weithin anerkannt (wenn auch nicht unbestritten), dass für beide Gruppen von Angelegenheiten die Gleichheit als Folgerichtigkeit und damit ein Diskriminierungsverbot gelten sollen. Kaum Probleme bereitet es auch, für die Arbeitsbedingungen bei gleicher Arbeit Erfolgsgleichheit zu verlangen. Strittig ist hingegen vor allem, inwieweit man bei Status5 Vgl Einleitung Rz 27, 31 ff; Fredman, Discrimination Law 8 ff; Holzleithner, Recht. Macht. Geschlecht 10 f. 6 McCrudden, The New Concept of Equality 15; Windisch-Graetz in Reissner/ Mair, Antidiskriminierung 1 (2). 7 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 16 f. 8 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 18 ff. 9 Vgl Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 18 ff, 51.
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angelegenheit über das Diskriminierungsverbot hinausgehen soll und darf. Bevor auf die verschiedenen Konzepte von Gleichheit eingegangen 5 wird, seien noch einige andere Thesen zur Begründung der Antidiskriminierungsvorschriften erwähnt. Diese Verbote – und auch die Konzepte zur Gleichheit – werden (auch) vom Wert der Würde des einzelnen Menschen getragen.10 Auch der private AG müsse die Würde der anderen achten, und eine Entscheidung aufgrund des Geschlechts im Arbeitsleben verletze idR die Würde. Von den Konzepten zur Gleichheit werden jene der Symmetrie und der Chancengleichheit mehr als die Ergebnisgleichheit vom Konzept der Würde mitgetragen, weil dort die Person des Einzelnen mehr Beachtung findet als hier. Vor allem die Begründung mit Würde trägt dazu bei, das Recht auf Gleichbehandlung als Grundrecht zu qualifizieren, wie dies im Unionsrecht der Fall ist (Rz 20). Allerdings kann die Würde – soll nicht jeder Nachteil, den jemand erleidet, gleich dessen Würde verletzen – das Diskriminierungsverbot und die damit verbundene Einschränkung der Privatautonomie wohl nur in schweren Fällen tragen, insb bei unmittelbarer Diskriminierung und bei Fehlen jedes sachlichen Grundes. Ferner wird gesagt, dass ein Zurückdrängen von Diskriminierung auch dazu beitrage, dass sich alle Bürger an der Willensbildung in der Demokratie beteiligen können. Eine andere Legitimation des Antidiskriminierungsrechts wird darin 6 gesehen, dass die modernen Formen der Arbeitsorganisation – große Unternehmen mit einer Vielzahl von Mitarbeitern – es rechtfertigen, auf das Arbeitsverhältnis manche Grundsätze anzuwenden, die für das Verhältnis Bürger – Staat gelten,11 und damit auch das Verbot von Entscheidungen nach Belieben. Auch Unternehmen sollten gegenüber den AN rational und nachvollziehbar entscheiden.12 Diese Begründung trägt aber nur in einem – geringeren – Teil der Fälle, weil der AG in vielen Fällen nicht aus Willkür oder Belieben diskriminiert, sondern weil das diskriminierende Verhalten den Wünschen der Kunden und/ oder dem Gewinnziel des Unternehmens mehr dient (dazu Rz 14 ff). In diesen Fällen kann die Beschränkung der Privatautonomie daher nur 10 Vgl dazu und zum Folgenden Fredman, Discrimination Law 19 ff; kritisch zur Begründung mit Würde Baer, Würde oder Gleichheit 190 ff. 11 Collins, Employment Law 54. 12 Collins, Employment Law 58 ff.
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mit dem Ziel begründet werden, Gleichheit zu fördern. Auch dort, wo das genannte Argument trägt, kann es nur ein Diskriminierungsverbot und nicht mehr tragen. Schließlich wird zunehmend versucht darzutun, dass zumindest manche Ziele der Gleichberechtigung, insb die Chancengleichheit, auch aus ökonomischer Sicht vorteilhaft seien, etwa weil sie die Beschäftigungsquote und employability von Frauen erhöhen. 7 Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit bzw Symmetrie oder consistency ist der traditionelle Inhalt des Gleichheitssatzes: Gleiches soll gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden. Die Regeln müssen für alle AN dieselben, insb unabhängig vom Geschlecht, sein und diese müssen auch konsequent angewendet werden. Dies wird von manchen als „formale“ Gleichheit bezeichnet13 (womit manchmal auch zum Ausdruck gebracht wird, dass dies noch nicht die „richtige“ Gleichheit sei). Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet Gleichheit als Symmetrie, dass Frauen nicht wegen des Geschleches schlechter behandelt werden sollen als Männer, aber auch nicht besser. Dieses Konzept schützt also sowohl Frauen wie Männer vor einer Benachteiligung. Es wendet sich zum einen gegen Benachteiligungen, die direkt an das Geschlecht anknüpfen (vgl § 5 Abs 1), aber auch gegen Benachteiligungen, die an Stereotype bzw Vorurteile anknüpfen, die mit einem Geschlecht verbunden sind (zB: Frauen sind „typischerweise“ körperlich schwächer als Männer; vgl § 5 Abs 2; zum sozialen Geschlecht vgl § 3 Rz 36). In beiden Aspekten ist das Konzept primär individualistisch ausgerichtet, nicht primär gruppenbezogen, weil die Einzelnen aufgrund ihrer – anderen – individuellen Eigenschaften behandelt und beurteilt werden sollen, und nicht aufgrund des Geschlechts oder aufgrund von Stereotypen, die mit der Gruppenzugehörigkeit verbunden sind. Allerdings hat auch das Verbot einer mittelbaren Benachteiligung einen starken Gruppenbezug, weil erst durch das Einbeziehen der Gruppe erkennbar wird, ob und dass ein bestimmtes Kriterium sich häufig zum Nachteil einer Gruppe auswirkt. In Bezug auf die Gleichheit der Geschlechter hat schon das Konzept der Gleichheit als Symmetrie wesentliche Konsequenzen für die Praxis. So sind Benachteiligungen aufgrund einer Schwangerschaft ebenso unzulässig wie unterschiedliche Lohngruppen oder mittelbar diskriminierende Kriterien bei Einstellung und Entlohnung. Wichtig – und oft verkannt – ist, dass das Diskriminierungsverbot keine bestimmte Entscheidung vorgibt, sondern „nur“ verlangt, 13 Thüsing in MüKo AGG § 1 Rz 10.
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dass die Entscheidung nicht aufgrund eines missbilligten Merkmals (zB Geschlecht) getroffen wird. Das Diskriminierungsverbot verlangt im Übrigen nicht eine Entscheidung aufgrund eines „sachlichen“ Kriteriums, ja es verbietet nicht einmal eine Entscheidung aufgrund von Sympathie (§ 5 Rz 10).14 Es fördert sachliche Entscheidungen nur mittelbar dadurch, dass der AG uU den Vorwurf eines diskriminierenden Motivs entkräften muss.15 Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit wird von Kritikern oft als un- 8 zureichend angesehen. Konkret wird zB kritisiert, dass es oft an einer (männlichen) Vergleichsperson (Komparator) fehlt, sodass dieses Gleichheitsverständnis gegen faktische Ungleichbehandlungen nicht helfe. So ist es in der Tat etwa bei einer geringeren Bezahlung in Berufen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, im Vergleich zu typischen Männerberufen, weil die andere „ungleiche“ Arbeit nicht als Vergleichsobjekt genommen werden darf (vgl § 3 Rz 105 ff). Das Diskriminierungsverbot hilft daher nur wenig beim Bemühen, geschlechtsspezifische job segregation abzubauen. Dieses Konzept verlangt (daher) auch nicht, dass Ungleiches nur verhältnismäßig ungleich behandelt wird, also zB das Entgelt für die beiden Berufe daraufhin geprüft wird, ob der Unterschied beim Entgelt dem Unterschied in der „Wertigkeit“ der Arbeiten proportional ist. In beiden Punkten entspricht das Konzept allerdings den Grundwertungen der Marktwirtschaft. Ferner wird – zu Recht – eingewendet, dass Gleichheit als Symmetrie 9 nur ein „relatives“ Prinzip ist: Es verbietet dem AG nicht, Frauen und Männer gleich schlecht zu behandeln.16 Jedenfalls für die Zukunft kann der AG eine Diskriminierung auch dadurch beseitigen, dass er die Regel für beide Gruppen verschlechtert (§ 3 Rz 33). Gerade im Arbeitsrecht ist fraglich, ob die Vorschriften gegen Antidiskriminierung auf Dauer neben die traditionellen (nun wirklich) materiellen Schutzbestimmungen treten können, oder ob sie diese langsam verdrängen (weil beide Schutzmechanismen nebeneinander zu teuer sind oder erfolgreich als zu teuer dargestellt werden). Dieser Aspekt wird von jenen, die kontinuierlich für eine Ausweitung der verschiedenen Antidiskriminierungsregeln eintreten, wohl zu wenig bedacht, auch wenn er sich (noch) nicht spürbar ausgewirkt hat. 14 Zur Sachlichkeit vgl auch Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 4. 15 Vgl Kietaibl in Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht 55 (58). 16 Kietaibl, Arbeitsrecht I 371; Fredman Discrimination Law 9 f, 162.
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10 Ein anderes Konzept von Gleichheit will primär nicht gleiche Verhaltensregeln, sondern blickt auf die Folgen und zur Beurteilung weniger auf das Individuum als primär auf die Gruppen; angestrebt werden „gleiche Folgen“ (results). Man kann von Gleichheit der Folgen oder auch von Gleichheit als Ausgleich sprechen. Es handelt sich also um ein eher kollektivistisches Konzept. Allerdings kann man verschiedene Ausprägungen unterscheiden. Am weitesten geht die Forderung nach „Gleichheit im Ergebnis“ für die betreffenden Gruppen. Angestrebt wird eine gleiche Verteilung (Repräsentation) der betreffenden Gruppen in der Zielgesamtheit wie in der Grundgesamtheit: Dabei kann schon die Abgrenzung der Grundgesamtheit Fragen aufwerfen: Soll der Anteil der Frauen unter den leitenden Angestellten genauso groß sein wie unter der erwerbsfähigen Bevölkerung/erwerbstätigen Bevölkerung/den Angestellten/den Angestellten in der einschlägigen Altersgruppe. Die Forderung nach rechtlicher Durchsetzung von Gleichheit im Ergebnis wird meist mit historischen und verdeckten Hindernissen für die unterrepräsentierte Gruppe begründet: Einzelne sollen für gegenwärtige (oder auch frühere) Nachteile ihrer Gruppe entschädigt werden, die durch (langandauernde) Vorurteile und Diskriminierung in der Vergangenheit (mit-)verursacht wurden. Dieser Ansatz führt tendenziell zu einer möglichst weiten Grundgesamtheit, weil Frauen schon unter den Erwerbstätigen aufgrund geschlechtsbezogener Barrieren unterrepräsentiert seien. 11 Die Forderung nach Ergebnisgleichheit kann zu Vorrangregeln für die Angehörigen einer Gruppe führen, die entweder nur bei gleicher Eignung oder auch bei schlechterer Eignung den Vorrang bei Einstellung, Ausbildung, Beförderung oder Verschonung von Nachteilen (zB Kündigung) einräumen (vgl § 8 Rz 18 ff). Ergebnisgleichheit kann aber auch mit anderen Maßnahmen gefördert werden, wie Unterstützung und Ausbildung. Man spricht übergreifend von affirmative action, spezifischen Maßnahmen (so Art 157 Abs 4 AEUV), reverse discrimination, positiven Maßnahmen (so § 8) oder gar positiver Diskriminierung; diese Begriffe haben keine unterschiedlichen Inhalte (sehr wohl aber ansteigende Eignung, das Entscheidende zu verschleiern; vgl § 8 Rz 9). Als schwächere Ausprägung von Gleichheit in den Folgen kann man es ansehen, wenn man aus der gruppenspezifischen Ausprägung einer Regel die widerlegbare Vermutung ableitet, dass die Regelung selbst ungleich ist. Dies ist das Kennzeichen der mittelbaren Diskriminierung iSd § 5 Abs 2. Wie bereits zur Gleichheit als Symmetrie angedeutet, 84
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steht das Verbot der mittelbaren Diskriminierung daher zwischen dieser und der Gleichheit in den Folgen. Maßnahmen zur Durchsetzung von Ergebnisgleichheit haben häufig den Nebeneffekt, die bisher unterrepräsentierte Gruppe an die Verhaltensmuster der bisher stärker vertretenen Gruppe heranzuführen und zu assimilieren. Das dritte Konzept ist die Gleichheit der Chancen. Es blickt wieder 12 mehr auf die Individuen als auf die Gruppen, und klar mehr auf die Regeln denn auf das Ergebnis, und steht daher zwischen Gleichheit als Symmetrie (einschließlich des Verbots mittelbarer Diskriminierung) und Gleichheit im Ergebnis. Eine schwächere Ausformung verlangt (nur), dass rechtliche Hindernisse beim Zugang zum „Start“ beseitigt werden, wobei es im Laufe des Berufslebens viele solcher Starts gibt; dies deckt sich mit dem Postulat der Gleichheit als Symmetrie und wird dafür auch kritisiert.17 Eine stärkere Fassung verlangt, dass der Zugang zum Start für bis dahin Benachteiligten durch Fördermaßnahmen (zB Schulungen) erleichtert wird. Eine noch stärkere Fassung verlangt, dass die Zugangsbedingungen zu einer Stelle selbst geprüft werden, ob sie wirklich erforderlich sind; dies deckt sich mit dem Verbot mittelbarer Diskriminierung. Ein Beispiel für die schwache Fassung bietet eine E des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu Zahlungspflichten des AG während der Schwangerschaft. Ausgehend von dem Satz, dass Frauen und Männer die gleichen Erwerbschancen haben müssten, wurden die Zahlungspflichten als unzulässig angesehen, weil sie die Einstellung von Frauen unverhältnismäßig belasten und damit behindern.18 Das Konzept der Chancengleichheit wird – stärker als die anderen Konzepte – durch den Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit gestützt. Das vierte Konzept der Gleichheit als Diversität verlangt ein Abgehen 12a von den wenigen Großgruppen, die bisher durch das Gleichbehandlungsrecht geschützt sind, und Diskriminierungsverbote sowie Fördermaßnahmen je nach den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen. Ungleichheit wäre demnach, die Bedeutung der verschiedenen (zB ethnischen) Identitäten nicht ausreichend zu achten. Diesem Zugang liegt im Gegensatz zu den anderen Konzepten von Gleichheit eine Asymetrie zugrunde. Mit diesem Konzept sind insbesondere „angemessene Vorkehrungen“ (reasonable accomodations, eine besondere Rechtsfi17 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 15.1. 18 BVerfG, 18.11.2003 – 1 BvR 302/96 = NZA 2004, 33.
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gur des Gleichbehandlungsrechts im anglo-amerikanischen Raum) verbunden. Das europäische und das österreichische Gleichbehandlungsrecht sehen solche Maßnahmen jedoch nur hinsichtlich der Behinderung vor, in anderen Bereichen wären sie nicht nur nicht vorgeschrieben, sondern oft wohl verboten, da es sich bei diesen Maßnahmen – nach der aktuellen Rechtslage – um unmittelbare Diskriminierungen handeln kann. Ein geschriebener Rechtfertigungsgrund besteht nicht, bei unterschiedlichen Bedürfnissen wäre allenfalls die Argumentation mit fehlender Vergleichbarkeit naheliegend (§ 3 Rz 8, § 5 Rz 3). 12b Den Argumenten, die für ein Diskriminierungsverbot und für Maßnahmen zur Gleichstellung ins Treffen geführt werden, werden va zwei Argumente entgegengehalten, sowohl in der politischen Diskussion wie bei der Auslegung und Anwendung von Bestimmungen zur Antidiskriminierung: die Freiheit des anderen, hier des Unternehmers, sowie die wirtschaftliche Effizienz bzw die Notwendigkeit zur Kostenminimierung. So wie bei der Gleichheit können auch bei der Freiheit verschiedene Konzepte unterschieden werden. Das Antidiskriminierungsrecht steht aber ohne Zweifel in einer starken Spannung zum Prinzip der Privatautonomie.19 Dieses Spannungsverhältnis durchzieht die Bewertung und Auslegung des Antidiskriminierungsrechts. Nicht wenige meinen, dass schon die Grundentscheidung falsch sei. Kritik sollte aber am wahren Inhalt des Verbotes ansetzen, das eben keine sachliche Entscheidung verlangt, sondern „nur“ das Heranziehen bestimmter missbilligter Kriterien verbietet (§ 5 Rz 10). Das Verbot von Diskriminierungen aufgrund bestimmter Kriterien ist auch mit der Möglichkeit vereinbar, Entscheidungen im Übrigen nach Sympathie oder Schönheit zu treffen, weil AG idR nicht allein nach Sympathie, sondern wirtschaftlich rational entscheiden (Rz 14). Auf der Beweisebene erleichtert aber das Vorliegen eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes ohne Zweifel das Abwehren des Vorwurfes, diskriminiert zu haben. Auch mit diesen Präzisierungen kann man mit guten Gründen Vorbehalte gegen das Antidiskriminierungsrecht in Bezug auf manche oder gar alle missbilligten Kriterien hegen. 13 Auch wenn man das Diskriminierungsverbot „nur“ als Verbot versteht, bestimmte Erwägungen anzustellen, schränkt es die Privatautonomie 19 Von der die Gleichbehandlungspflichten nach klassischer Auffassung die begründungsbedürftige Ausnahme bilden, vgl Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 4.
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massiv ein. Das Spannungsverhältnis zeigt sich dann aber bei der Auslegung und Anwendung der Diskriminierungsverbote. Jede extensive Interpretation schränkt die Privatautonomie (noch) weiter ein. Die Einschränkung wirkt bei den „Statusentscheidungen“ Einstellung und Beförderung stärker als bei anderen Fragen wie etwa Ausbildungschancen, Entgelt oder auch Beendigung (Rz 4). Einstellung und Beförderung betreffen nicht nur ein Kerngebiet der Privatautonomie (Abschlussfreiheit), das traditionell viel weniger beschränkt ist als die Freiheit bei der Ausgestaltung des Vertrages. Es betrifft im Arbeitsleben auch ein Kerngebiet der unternehmerischen Freiheit, nämlich mit welchen Personen der Unternehmer zusammenarbeiten will.20 Dementsprechend geben weder das Unionsrecht noch das GlBG noch andere Mitgliedstaaten den Diskriminierten ein Recht auf Abschluss des ArbV (§ 3 Rz 60, § 12 Rz 19). Und die Einschränkung der Privatautonomie ist bei einer affirmative action idR größer als beim reinen Diskriminierungsverbot. Die Abweichung vom Normalfall des Privatrechts besteht schon darin, dass der Bürger im Bereich des Privatrechts grds „nach Belieben“ entscheiden kann. Dies ist das traditionelle Charakteristikum des Vertragsrechts jedenfalls soweit es um den Abschluss und die Auswahl des Vertragspartners geht. Das Antidiskriminierungsrecht wendet sich aber nicht nur gegen „beliebige“ Entscheidungen des AG. Schon das „reine“ Diskriminierungsverbot verbietet – bereits bei den Arbeitsbedingungen – dem AG oft jene Entscheidungen, die er bei einer aus seiner Sicht rationalen Entscheidung treffen würde, um den Unternehmenszielen (insb Gewinn) und den Wünschen der Kunden am besten zu entsprechen. Das Antidiskriminierungsrecht anerkennt eben nicht alle aus der Sicht des Unternehmers wirtschaftlich rationalen Gründe auch als Rechtfertigungsgrund für eine (vermutete) Diskriminierung, sondern verlangt vom Unternehmer ein Agieren gegen den Markt. Dies ist näher zu erläutern. Betrachtet man das Verhalten der Unternehmen primär aus ökonomi- 14 scher Perspektive, so kann die – unmittelbare oder mittelbare – Benachteilung von AN aufgrund eines missbilligten Merkmals auf zwei unterschiedlichen Ursachen beruhen: entweder auf ökonomisch rationalen Gründen oder aber auf anderen Gründen.21 Bei den anderen 20 Krejci, DRdA 2005, 383 ff; Kietaibl in Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht 55 (62). 21 Vgl Thüsing, RdA 2003, 257 ff.
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Gründen kann man dann zwischen Vorurteilen und paternalistischen Motiven unterscheiden. Die entscheidende Grenzlinie ist die erste: ökonomisch fundierte Gründe und andere. Man ist versucht diese Linie danach zu ziehen, ob eine (mittelbar) benachteiligende Regelung im Untersuchungsbereich zu einer Reduktion der Kosten und zu effizienterer Produktion führt als eine Regelung, welche nicht benachteiligt. Entscheidend ist dann aber oft der Untersuchungsbereich und damit die Ebene der Beurteilung: Unternehmen oder Volkswirtschaft. Bei manchen Fragen decken sich die Ergebnisse. So können Unternehmen die Tendenz, eher Männer als Frauen zu beschäftigen (überhaupt oder in besser bezahlten Positionen), jedenfalls bei langfristig angelegten Arbeitsverhältnissen (wie sie früher häufig waren) mit geringeren Kosten für gleiche Arbeitsleistung erklären: Bei Frauen seien Abwesenheiten und Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit typischerweise größer (Schwangerschaft, Kinderbetreuung) und daher auch die dadurch verursachten Kosten (Entgeltfortzahlung und/oder Dispositionskosten); werden Betriebspensionen gezahlt, so erhöht die durchschnittlich längere Bezugsdauer die Kosten. Bei anderen Fragen weicht die Beurteilung auf Unternehmensebene hingegen von jener auf gesamtwirtschaftlicher Ebene ab. Vorurteile der Geschäftspartner, der Kunden oder anderer AN, die deren Verhalten steuern, führen nämlich – nur – auf der Ebene des Unternehmens und damit aus der Sicht des AG zu einem ökonomischen Grund für Differenzierung. So erscheint die bevorzugte Einstellung bestimmter Personen (Frauen, Jüngere, Angehörige der Mehrheitsbevölkerung) aus der Sicht des AG ökonomisch und rational, falls die Kunden diese Personen so sehr bevorzugen, dass das Ausmaß der Nachfrage nach den Leistungen des AG davon beeinflusst wird. Auf der Ebene der Volkswirtschaft kann das einzelwirtschaftlich rationale Verhalten aber ganz anders zu beurteilen sein, nämlich als gesamtwirtschaftlich gleich effizient oder gar als weniger effizient als ein nicht diskriminierendes Verhalten. Bei der Suche nach den rechtlichen Maßstäben der Antidiskriminierung kann nun wohl nicht die Ebene des einzelnen Unternehmens, sondern nur die der Volkswirtschaft maßgebend sein. Verringert das Befolgen eines bestimmten Verbotes die gesamtwirtschaftliche Effizienz – oder drängt es vielmehr die diskriminierenden Präferenzen der Marktteilnehmer zurück (weil sie eben bei allen Anbietern damit rechnen müssen, dass ihnen Männer/Ältere/Angehörige einer ethnischen Minderheit als AN gegenübertreten). Jedenfalls wenn erwartet werden kann, dass das Verbot die gesamtwirtschaftliche Effizienz nicht beeinträchtigt, gibt es keine ökonomischen Ein88
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wände gegen das Verbot. Und auch im anderen Fall bleibt abzuwägen, wie groß die ökonomischen Nachteile sein können, die man zugunsten der Antidiskriminierung in Kauf nehmen soll und nimmt. Allerdings ist eine klare Aussage zu den ökonomischen Folgen, insb Nachteilen, eines mit den Präferenzen der Marktteilnehmer konfligierenden Diskriminierungsverbotes schon auf Unternehmensebene meist schwierig inwieweit hängt der Umsatz eines Lokales von Geschlecht und Alter des Bedienungspersonals ab? Noch schwieriger sind Aussagen auf nationaler oder gar europäischer Ebene, wenn und weil bei größerem Untersuchungsbereich die ökonomischen Auswirkungen der Regelung andere sind als beim Unternehmen (so führt die Öffnung von Männerberufen für Frauen, insb wegen des dann größeren Angebotes oder auch aus anderen Gründen, oft zu einer Reduktion der Entgelte für beide Gruppen und nicht zur Anhebung), die kulturellen Besonderheiten zu berücksichtigen sind, und die Auswirkungen auf dieser Ebene überdies nicht klar erkennbar sind. Diskriminierungsverbote und Gleichstellungsgebote im Arbeitsleben 15 beschränken stets – wie jedes unternehmensbezogene Recht – die Privatautonomie der AG und die unternehmerische Freiheit. Es ist daher fraglich, wieweit sich diese Freiheit und die damit verbundenen wirtschaftlichen Erwägungen (etwa: Beförderung des Gesamtwohls durch Gewinnstreben der Einzelnen) gegenüber dem Streben nach Gleichheit durchsetzen. Im Rahmen der Ergebnisgleichheit geht es primär um politische Abwägung. Im Rahmen der Diskriminierungsverbote stellt sich die Frage, inwieweit die Gleichbehandlung gegen den Markt durchgesetzt werden soll, inwieweit also eine Diskriminierung verboten werden soll, welche jedenfalls aus der Sicht des einzelnen AG ökonomisch rational erscheint (Rz 14). Diese Frage stellt sich sowohl bei der unmittelbaren Diskriminierung, insb wenn Kunden bestimmte AN wünschen, andere es aber objektiv genau so gut könnten (§ 3 Rz 73 ff, § 20 Rz 19), als auch bei der mittelbaren Diskriminierung (insb bei der Rechtfertigung). Nach hM ist es nun zumindest bei der mittelbaren Diskriminierung – in bestimmten Fällen – zulässig, eine Benachteiligung durch wirtschaftliche Gründe des Unternehmens (oder auch der staatlichen Politik) zu rechtfertigen. Fraglich sind aber die Grenzen: Im Allgemeinen ist stets eine Abwägung der Interessen an Gleichbehandlung mit den wirtschaftlichen Interessen erforderlich (§ 5 Rz 48 ff). Es kommt dann entscheidend darauf an, wie streng der Rechtfertigungsmaßstab angesetzt wird: muss die Differenzierung für 89
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die wirtschaftlichen Ziele des Unternehmens nur nützlich sein oder muss sie unerlässlich und überdies nicht unverhältnismäßig sein. Das sind die in der Praxis entscheidenden Fragen, zu denen der EuGH bisher nur wenig Substantielles gesagt hat. Die Doktrin fragt bei der Rechtfertigung bisher nicht ausdrücklich danach, ob das Verbot die Effizienz auch gesamtwirtschaftlich beeinträchtigt (Rz 14); die Überlegungen in Rz 14 können aber Hinweise zur Lösung bieten. 16 Ist eine benachteiligende Regelung auf nationaler Ebene nicht eindeutig effizienter als die nicht diskriminierende, spricht einiges dafür, das konkrete Diskriminierungsverbot auch „gegen den Markt“, also gegen die gegenwärtigen Präferenzen einzelner Marktteilnehmer durchzusetzen, zumal diese bei konsequenter Anwendung des Verbotes kaum ausweichen können.22 Dafür spricht auch, dass die bereits zahlreichen und massiven gesetzlichen Diskriminierungsverbote wohl nicht mehr nur die Würde schützen und „Willkür“ zurückdrängen, sondern die Solidarität und die Inklusion in der Gesellschaft – und damit die Gleichheit – real und als wirkungsmächtige Idee fördern sollen. Angestrebt werden gerade auch ein Umdenken und eine Abkehr von manchen gesellschaftlichen Vorstellungen und Trends. Dies prägt die Rahmen-RL (dort geht es deutlicher gegen zB Jugendkult und Orientierung am kurzfristigen Gewinnstreben) ebenso wie das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Beleg dafür ist Art 5 der RL 2004/113/ EG zu geschlechtsspezifischen Versicherungsprämien; § 3 Rz 189). Allerdings gibt es für dieses Durchsetzen gegen den Markt auch Grenzen, wie insb ein enges Verständnis von „gleichwertiger“ Arbeit (§ 3 Rz 111) und die Möglichkeit, eine mittelbare Benachteiligung auch mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu rechtfertigen (§ 5 Rz 48). Belasten wird dieses Durchsetzen gegen den Markt vorerst einmal die einzelnen AG, die zwischen den Wünschen des Rechts und jenen der Vertragspartner stehen und nicht das tun können, was jedenfalls derzeit dem Geschäft am meisten nützt. Man sollte die gesetzestreuen AG dann zumindest rechtlich unterstützen, indem man ihnen gegen Mitbewerber, die das GlBG systematisch verletzen, einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG gibt (§ 10 Rz 3). 22 Für dieses Durchsetzen gegen den Markt zB Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 60, 66; Fredman, Discrimination Law 35 f; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 26; schärfer Schiek, NZA 2004, 878 f; schwächer Moreau, Justifications 2.2.
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Die benachteiligende Regelung kann aber nicht nur auf Ebene des 17 Unternehmens, sondern auch auf nationaler Ebene eindeutig effizienter sein als das Verbot der Benachteiligung. Dann wird die Beurteilung vor allem bei der mittelbaren Diskriminierung schwierig. Das Diskriminierungsverbot zwingt dann zu höheren Ausgaben und damit zu Quersubventionen zwischen Arbeitsplätzen; das staatliche Verbot scheint ökonomisch ineffizient.23 Man muss dann das rechtliche Interesse an Gleichbehandlung mit dem ebenfalls rechtlich bewerteten Interesse an Effizienz (der Volkswirtschaft) abwägen. In Anbetracht der großen Bemühungen der EU um eine ausreichende Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen spricht manches dafür, dass das Unionsrecht keine Maßnahmen verlangt, die volkswirtschaftlich wirklich nachteilig sind.24 Von Interesse sind auch die ökonomischen Auswirkungen von Anti- 18 diskriminierungsrecht. Man kann diese entweder im Modell untersuchen oder versuchen, sie empirisch aufzudecken. Empirische Studien wurden vor allem in den USA zum Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse und des Geschlechts durchgeführt. Verschiedene Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen; die positiven Wirkungen sind aber - wenn überhaupt - nicht sehr stark ausgeprägt. Die Beurteilung der Auswirkungen im Rahmen eines Modells hängt wesentlich von den Annahmen über die Gründe für Diskriminierung und zur Frage ab, ob sich diskriminierendes Verhalten auf Dauer auf dem Markt halten kann und rechnet.25
II. Z um Zweck des Diskriminierungsverbotes im Unionsrecht Im Vordergrund der unionsrechtlichen Normen zur Gleichheit der 19 Geschlechter (aber auch zur Antidiskriminierung iSd Art 19 AEUV) steht klar und eindeutig der Grundsatz der Gleichbehandlung des Art 157 Abs 1 AEUV und der RL 2006/54/EG – und nicht etwa die Möglichkeit für Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung. Der genannte Grundsatz ist fest etabliertes Unionsrecht, während das Unionsrecht für Maßnahmen zur Gleichstellung (affirmative action) nur eine Möglichkeit einräumt. Auch die Wendung vom Grundsatz der 23 Thüsing, RdA 2003, 259. 24 In diese Richtung – wenn auch kritisch – Moreau, Justifications. 25 Man vgl zu diesen Fragen insb Schwab, Employment Discrimination.
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Chancengleichheit in Art 157 Abs 3 AEUV ändert daran derzeit nichts. Abzulehnen wäre es jedenfalls, unter Chancengleichheit in Abs 3 dasselbe zu verstehen wie unter „effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung“ in Art 157 Abs 4 AEUV.26 Gegen eine solche Annäherung der Begriffsinhalte sprechen der deutlich unterschiedliche Wortlaut, der Kontext und die unterschiedlichen Konzepte von Gleichheit, die sich gerade hier auswirken. Nach dem Kontext dürfte also mit Chancengleichheit derzeit nicht mehr gemeint sein als der bisherige Grundsatz der Gleichbehandlung und damit das Diskriminierungsverbot. Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten nur zum Grundsatz der Gleichbehandlung, nicht aber zu Maßnahmen zur „Gleichstellung“ der Geschlechter (§ 8 Rz 2). 20 Das Entgeltgleichheitsgebot (und damit der Kern des Diskriminierungsverbotes) wurde 1957 als Art 119 aF in den EWG-Vertrag aufgenommen, um eine Verfälschung des Wettbewerbs zugunsten von Mitgliedstaaten hintanzuhalten, in denen dieses Gebot noch nicht galt. Diese wettbewerbliche Dimension trat in den Hintergrund, als der EuGH das Gebot alsbald als sozialpolitische Vorschrift verstanden.27 Heute kann Art 157 AEUV als Konkretisierung des allg Gleichheitssatzes des Unionsrechts gesehen werden, weil eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts nach dem EuGH „nur darin bestehen (kann), dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird“.28 Der Grundsatz des Art 157 AEUV ist eine menschenrechtliche Norm. Er zählt zu den Grundlagen der Union.29 Die Bedeutung von Art 157 AEUV wird durch Art 8 und 10 AEUV unterstrichen: Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist eines der Ziele der EU, die diese gem Art 8 AEUV bei allen Tätigkeiten zu fördern hat, zumal sie nach Art 10 AEUV darauf abzielt, bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts zu bekämpfen. Und der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen gehört heute zu den in der Rechtsordnung der Union geschützten Grundrechten.30 Diese grundrechtli26 Im Ergebnis auch Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 92. 27 So schon die grundlegende E EuGH 8.4.1976, 43/75, Defrenne II, Rz 8–11. 28 EuGH 17.6.1998, C-243/95, Hill/Stapleton, Rz 22; vgl auch § 3 Rz 8. 29 EuGH Defrenne II, Rz 12; Hill/Stapleton, Rz 18. 30 EuGH 15.6.1978, 149/77, Defrenne III, Rz 26; 30.4.1996, C-13/94, P/S und Cornwall County Council, Rz 19; 10.2.2000, C-270/97, Schröder, Rz 57.
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che Sicht des Grundsatzes ist allerdings nicht völlig unbestritten, weil manche in Art 157 AEUV noch immer eine im Wesentlichen auch wettbewerbsrelevante Norm sehen. Die unterschiedlichen Standpunkte zeigen sich auch darin, dass die Rsp (auch des EuGH) in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedliche Anforderungen an die Rechtfertigung einer (vermuteten) Diskriminierung stellt. Art 157 AEUV und die RL 2006/54/EG sowie die Rsp dazu basieren 21 auf dem Konzept der Gleichheit als Symmetrie (bzw auf jenem der „formalen Gleichheit“, wenn man diesen eher abwertenden Begriff verwenden will): Frauen und Männer müssen vom AG als Teilnehmer am Arbeitsmarkt gleich behandelt werden; die strukturelle Verschiedenheit der gesellschaftlichen Lebensbedingungen bleibt hingegen eher ausgeblendet.31 Dieses Konzept erfordert zwar Eingriffe in den Markt, nicht jedoch in die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt. Das EU-Recht zur Gleichbehandlung der Geschlechter beeinflusst langfristig weder die Verhältnisse zwischen AG und AN noch die Arbeitskosten wesentlich. Allerdings gibt es auch Stimmen, die diese Ausrichtung der Prinzipien des EU-Diskriminierungsrechts kritisieren. Manche fordern, dass das Unionsrecht stärker die Chancengleichheit im Arbeitsleben gewährleisten soll, insb gleiche Ausgangsbedingungen für Frauen und Männer, die nicht mehr die traditionellen „männlichen“ Grundstrukturen des Arbeitslebens bevorzugen, wie Vollzeitbeschäftigung und Lebenszeitanstellung.32 Zumindest die Lebenszeitanstellung ist aber inzwischen nur mehr für eine Minderheit auch der männlichen AN relevant, und prägt auch kaum mehr die Strukturen von Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht. Fraglich ist, inwieweit das derzeitige Unionsrecht zur Diskriminierung 22 neben dem Individuum auch gruppenbezogene Aspekte aufweist. Die Deutung als Grundrecht spricht stark dafür, dass es primär um den Schutz der Einzelnen – Frauen wie Männer – geht. Dementsprechend legt der EuGH Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung auch eng aus (§ 5 Rz 13). Gleichwohl spielt auch die Gruppensicht eine bedeutende und tragende Rolle. Dafür spricht schon das Verbot (auch) der mittelbaren Diskriminierung. Es geht hierbei ja um das Verbot eines Kriteriums, das eine bestimmte Gruppe benachteiligt; erst der Blick auf die Gruppe führt zum Verbot. Noch mehr Bedeutung hat die Gruppe, wenn der Tatbestand der mittelbaren (oder auch der unmittelbaren) Diskrimi31 Fenwick/Hervey, CMLR 32, 443 ff. 32 Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (104).
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nierung durch Statistik dargelegt werden kann (§ 5 Rz 32 ff). Vorbehaltlich einer Rechtfertigung entscheiden dann die gruppenbezogenen Daten über die Rechtswidrigkeit. Die Ausgleichsmaßnahmen mittelbarer Diskriminierung haben das Ziel, AN einer als benachteiligt festgestellten Gruppe formal den AN der Vergleichsgruppe gleichzustellen (Teilzeitund Vollzeit-AN erhalten den gleichen Stundenlohn, einen Zugang zur Betriebspension oder Biennalsprünge im gleichen Zeitraum). Das Verbot mittelbarer Diskriminierung ist somit geeignet, in arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen versteckte Diskriminierungen auszugleichen. Die Ausgleichsmaßnahmen sind aber nicht geeignet, in der Gesamtgesellschaft tiefer liegende gewachsene Strukturen, die zu Ungleichheiten zwischen Gruppen führen, zu beseitigen. Thüsing ist daher der (überzeugenden) Auffassung, dass dem Verbot der mittelbaren Diskriminierung kein selbständiger Gerechtigkeitsgehalt innewohnt, sondern dass das Verbot der mittelbaren Diskriminierung lediglich ein Hilfsinstrument zur Durchsetzung des eigentlichen Verbots der unmittelbaren Diskriminierung ist. Für Thüsing zielt auch das Verbot der mittelbaren Diskriminierung lediglich auf formale Gleichheit ab.33 Noch stärker ist die Bedeutung der Gruppensicht naheliegenderweise bei den spezifischen Maßnahmen iSd § 8. Sie sind ja an sich eine Diskriminierung des einzelnen anderen, und ethisch allenfalls zu rechtfertigen, weil Angehörige der anderen Gruppe typischerweise benachteiligt werden. 23 Die starke Stellung der Gruppensicht bei den Grundentscheidungen des geltenden Unionsrechts zur Diskriminierung rechtfertigt es, den Gruppenaspekt auch in anderen Fragen zu bedenken. So stellt es uE eine starke Vermutung gegen eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung dar, wenn die Zusammensetzung der Zielgruppe in der Belegschaft „ausgewogen“ ist. Es spricht also stark gegen eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, wenn die Belegschaft schon einen der Grundgesamtheit (Rz 10) entsprechenden Frauenanteil hat, auch wenn im konkreten Fall eine Frau abgelehnt wird; noch mehr gilt dies etwa in Bezug auf die Altersdiskriminierung. Auf der anderen Seite begründet es – unabhängig von den Umständen des konkreten Falles – uE die Vermutung einer unmittelbaren Diskriminierung, wenn die Zusammensetzung der Zielgruppe offenkundig unausgewogen ist, wenn also zB in einem Betrieb keine AN über 50 Jahre beschäftigt werden. Die Entscheidung, ob die Zusammensetzung ausgewogen ist, hängt wie ge33 Thüsing in GS Rebhahn 611 (612).
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sagt von der Grundgesamtheit ab, bei Einstellungen insb von der Gesamtheit der möglichen Bewerbungen, aber nicht allein davon ab (weil der potentielle Bewerberkreis ja auch schon diskriminierend zusammengesetzt sein kann). In Bezug auf die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wird man sagen können, dass die Zusammensetzung jedenfalls ausgewogen ist, wenn 40% der einschlägigen AN jenem Geschlecht angehören, welches nach Auffassung der Klage benachteiligt worden sein soll.
III. Weitergehende Maßnahmen, insb der Union Die Gleichstellung von Männern und Frauen stellt nach Art 8 AEUV 24 sowie nach der Rsp des EuGH ein grundlegendes Prinzip dar. In dieser Vertragsbestimmung wird eine positive Verpflichtung begründet, sie bei allen Tätigkeiten der Union zu fördern. Die EU-Kommission sieht daher in der Frage der Gleichbehandlung der Geschlechter einen Schwerpunkt ihrer Arbeit. Im Vordergrund stehen Bemühungen, die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes aufzuheben, die Frauenarbeit aufzuwerten und Familie und Beruf besser vereinbar zu machen.34 Die große Bedeutung auch des Art 157 AEUV beruht auf dem großen Änderungsbedarf in einer zentralen gesellschaftspolitischen Frage. Die EU verfolgt seit 1996 einen dualen Ansatz. Neben spezifische Maß- 25 nahmen tritt das Konzept des gender mainstreaming. Dies bedeutet: Die Ziele der Geschlechtergleichstellung und Chancengleichheit sollen in alle Konzepte, Maßnahmen und Politiken der Union wie der Mitgliedstaaten integriert werden, die – auch indirekte – Auswirkungen auf das Leben von Frauen und Männern haben. Gender, Geschlecht soll als relevanter Faktor in allen Bereichen der Politik zur Kenntnis genommen und in die Mitte der üblichen Handlungsorientierungen befördert werden.35 Dafür sollen die Unterschiede zwischen den Lebensverhältnissen, den Situationen und Bedürfnissen von Frauen und Männern systematisch auf allen Politik- und Aktionsfeldern der Union erfasst und berücksichtigt werden. Stets kann man fragen: Wie präsent sind Frauen und Männer? Wer erhält was? Wer hat was? Bei Konzeption und Durchführung politischer Maßnahmen sollte den Anliegen, Bedürfnissen und Wünschen der Frauen Rechnung getragen und die gleiche Bedeutung 34 Weißbuch 1994, KOM (94) 333. 35 Vgl Baer in Bothfeld, Gender Mainstreaming 41 ff.
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beigemessen werden, wie denen der Männer. Die etwaigen Auswirkungen auf die Situation der Frauen bzw der Männer sind dafür bereits in der Konzeptionsphase aktiv und erkennbar zu integrieren („gender perspective“). Dies setzt voraus, dass diese politischen Konzepte und Maßnahmen systematisch beleuchtet und die etwaigen Auswirkungen bei der Festlegung und Ausführung berücksichtigt werden. Das Gleichstellungsziel soll jedenfalls in die Diskussion eingebracht und angemessen berücksichtigt werden; Zielkonflikte mit anderen Politikzielen sollen erkannt und angemessen aufgelöst werden. 26 Förderung der Gleichstellung im Rahmen des gender mainstreaming ist danach nicht einfach der Versuch, statistische Parität zu erreichen. Vielmehr geht es darum, eine dauerhafte Weiterentwicklung der Elternrollen, der Familienstrukturen, der institutionellen Praxis, der Formen der Arbeitsorganisation und der Zeiteinteilung usw zu fördern. Die Chancengleichheit betrifft daher nicht allein die Frauen, die Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihre Selbständigkeit, sondern auch die Männer und die Gesellschaft insgesamt.36 Im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie denkt die Kommission dabei unter anderem an folgende Maßnahmen: Förderung des lebenslangen Lernens für Frauen und des Zugangs der Frauen zu Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik; Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Frauen und ihres Zugangs zu IT-Berufen, insb durch Erhöhung der Frauenpräsenz in einschlägigen Bildungs- und Ausbildungsgängen. Die EU unterstützt gender mainstreaming wohl auch deshalb, weil sie es als Mittel zur Steigerung der ökonomischen Effizienz sieht, indem die Möglichkeiten der Frauen am und für den Markt verbessert werden. 27 Rz 27 bleibt unbesetzt.
IV. Z um Ziel des I. Teiles und zur Bedeutung des § 2 28 § 2 sagt, das „Ziel dieses Abschnittes“ – gemeint ist wohl der „I. Teil“ – „ist die Gleichstellung von Frauen und Männern.“ Nach den ErläutRV diente § 2 der Umsetzung des Art 1 Abs 1a der RL 2002/73/EG (jetzt Art 29 RL 2006/54/EG). Allerdings sagt dieser etwas ganz Anderes: „Die Mitgliedstaaten berücksichtigen aktiv das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Formulierung und Ausführung 36 Vgl insb Mitteilung KOM (96) 67 sowie Rahmenstrategie KOM (2000) 335.
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der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Politiken und Tätigkeiten in den in dieser Richtlinie genannten Bereichen“. Art 29 RL 2006/54/EG betrifft also deutlich erkennbar gerade nicht die Ausführung dieser RL selbst, sondern das Verhalten der Mitgliedstaaten in einem anderen Zusammenhang, welches Einfluss auf Arbeitsbedingungen und den Zugang zu Berufsbildung haben kann, wie die Ausbildung in Schulen und Hochschulen. Wollte man diese Vorgabe umsetzen, dann müsste sich die Gesetzesbestimmung an die Verwaltungsorgane wenden, allenfalls auch an die Verfasser von Gesetzesvorlagen. § 2 betrifft aber nur die Adressaten des I. Teils des GlBG, also die AG und die Kollektivvertragsparteien. Es handelt sich also um einen absolut untauglichen Versuch der Ausführung. Der Ministerialentwurf des GlBG aus 2003 sah eine Zielbestimmung 29 nach Art des jetzigen § 2 nur im Zusammenhang mit und daher nur in Bezug auf die „positiven“ Maßnahmen des heutigen § 8 vor.37 In diesem Zusammenhang konnte „Gleichstellung“ so verstanden werden wie im Unionsrecht (Rz 1). Heute steht die „Zielbestimmung“ hingegen an der Spitze der Gesamtheit der Bestimmungen zur Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes (allerdings auch nur hier; beim II. Teil fehlt eine vergleichbare Norm). In dieser systematischen Position ist der Sinn der Worte des § 2 mehr als unklar. Die §§ 3 bis 15 enthalten ja – bis auf die §§ 8 und 9 – lediglich Bestimmungen, die inhaltlich dem Gleichbehandlungsgebot und damit dem Diskriminierungsverbot zuzuordnen sind. Zu sagen, dass alle diese Normen das Ziel der „Gleichstellung“ verfolgten, scheint das herrschende Begriffsverständnis des Unionsrechts ebenso wie die gesamte Diskussion dazu zu ignorieren, die ja auf der Gegenüberstellung von Gleichbehandlung und Gleichstellung aufbauen (Rz 1 ff). Denkbar wäre allenfalls, dass § 2 eine Vorgabe zur Auslegung aller anderen Bestimmungen des I. Teils enthält: Vorzuziehen wäre stets jene Auslegungsvariante, welche besser zur „Gleichstellung“ beiträgt; oder – stärker – die Bestimmungen wären stets so auszulegen, dass dies der „Gleichstellung“ dient. Entscheidend ist dann, was unter „Gleichstellung“ zu verstehen ist. Verstünde man Gleichstellung in § 2 in jenem Sinn, in dem Art 157 Abs 4 AEUV und die RL 2006/54/EG das Wort verwenden, dann wäre dies von großer praktischer Bedeutung: Das GlBG würde dann – nur – in Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern nicht nur das Unterlassen von Diskriminierung bezwecken, sondern durchgehend auch eine darüber hinaus37 Vgl Sturm, DRdA 2003, 489.
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gehende Gleichstellung. Das könnte va die Rechtfertigung einer mittelbaren Ungleichbehandlung bedeutend erschweren oder beschränken, weil viele Ungleichbehandlungen die Gleichstellung behindern, auch wenn sie gerechtfertigt werden können. 30 Das eben skizzierte Verständnis des § 2 ist abzulehnen. Erstens sprechen die Materialien dagegen; sie enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber dieses Verständnis wollte. Zweitens enthält § 2 keinen klaren Hinweis darauf, dass er die Bedeutung anderer Bestimmungen erheblich verändern will. Drittens verwendet § 2 auch nicht genau jene Formulierung, welche Art 157 Abs 4 AEUV und die RL zur Gleichbehandlung verwenden, um spezifische Maßnahmen zu umschreiben, nämlich „volle Gleichstellung“. Schließlich spricht § 8 positive Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung ausdrücklich an, was nahe legt, dass die anderen konkreten Bestimmungen, insb § 5 Abs 2 zur Rechtfertigung, nicht – über die Gleichbehandlung hinaus – schon die Gleichstellung fördern sollen. § 2 enthält daher keine Modifikation der Bestimmungen des I. Teils zum Gleichbehandlungsgebot. Insb folgt aus § 2 nicht die Pflicht, bei der Auslegung dieser Bestimmungen Postulate eines gender mainstreaming zu verwirklichen, zumal deren Inhalt bisher weder im Gesetz noch in den RL zur Gleichbehandlung hinreichend deutlich konkretisiert wurde.38 Die Bedeutung des § 2 liegt daher wohl nur darin festzuhalten, dass auch die Bestimmungen zum Gleichbehandlungsgebot einen – wichtigen – Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und Männern darstellen. Insofern dient der I. Teil des GlBG zugleich der Konkretisierung des Art 7 Abs 2 B-VG. 31 Die in diesem Gesetz enthaltenen Ver- oder Gebote sind – nicht zur Gänze, aber doch zu einem guten Teil – nur Ausdruck dessen, was auch das Gebot fairen Verhaltens beinhaltet, nämlich den einzelnen Menschen va im Arbeitsleben aufgrund seiner berufsrelevanten individuellen Eigenschaften zu beurteilen, und nicht aufgrund des Geschlechts oder anderer für die Arbeit eigentlich nicht relevanter Merkmale. Allerdings ist die Neigung, Menschen primär aufgrund der Zugehörigkeit zu Organisationen zu beurteilen und zu bewerten (Partei, mehr oder weniger öffentliche Vereine) in Österreich im Vergleich zu anderen Staaten wohl überdurchschnittlich, insb im staatsnahen Bereich. 38 Ebenso gegen eine rechtliche Verpflichtung des AG oder Dritter wie KV-Parteien zur Ergreifung von aktiven Gleichstellungsmaßnahmen Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 § 2 Rz 13.
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Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis § 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme
auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht 1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, 2. bei der Festsetzung des Entgelts, 3. bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, 4. bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung, 5. beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen, 6. bei den sonstigen Arbeitsbedingungen, 7. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Literatur: Mayer-Maly, Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar (1980); Gamillscheg, Die mittelbare Benachteiligung der Frau im Arbeitsleben, in FS Strasser 171; Zöllner, Gleichbehandlung des Geschlechts, in FS Strasser (1983) 223 ff; Pfarr/Bertelsmann, Diskriminierung im Erwerbsleben (1989); Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung (1991); Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung (1993); Bertelsmann/Colneric/Pfarr/Rust, Handbuch zur Frauenerwerbstätigkeit (Loseblatt, seit 1993); Rebhahn, Gleichbehandlung, Qualifikation und Leistung, JBl 1993, 681; Oetker/Preis (Hrsg), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EAS; Loseblatt seit 1994); Wisskirchen, Mittelbare Diskriminierungen von Frauen im Erwerbsleben (1994); Baer, Susanne, Würde oder Gleichheit (1995); Fenwick/Hervey, Sex Equality in the Single Market, CMLR 32 (1995), 443; Davies, The European Court of Justice, National Courts, and the Member States, in FS für Lord Wedderburn (1996) 95; Hepple, Equality and Discrimination, in FS Wedderburn 237; Hervey/O’Keeffe (Hrsg), Sex Equality Law in the European Union (1996); Bei/Novak, Das Gleichbehandlungsgesetz, in Aichhorn (Hrsg), Frau & Recht (1997) 83; Bieback, Die mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechtes (1997); Sievers, Die mittelbare Diskriminierung im Arbeitsrecht (1997); Dungs, Die Europäisierung des deutschen Arbeitsrechts und der geschlechtsspezifische Gleichbehandlungsgrundsatz (1997); Curall, Kommentierung des Art 119 EGV in Von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg), Kommentar zum EGV5 (1998); Schlachter, Grundsatz des gleichen Entgelts nach Art 119 EG-Vertrag und der RL 75/117/EWG, in Oetker/Preis (Hrsg), EAS B 4100 (Stand 1998); Appel ua (Hrsg), Handbuch zur Gleichstellung der Geschlechter im Arbeitsrecht (1998); Wöhlermann, Die richtlinienkonforme Auslegung im Europäischen Arbeitsrecht – am Beispiel arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsrichtlinien (1998); Schlachter, Richtlinie über die Beweislast bei Diskriminierung, RdA 1998, 321; Ellis, Recent Developments in European Commu-
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§ 3
2018, 558; Neumayr, Verfassungsgerichtshof: „unbestimmtes“, nicht „drittes Geschlecht“, ÖZPR 2018, 126; Schrammel/Windisch-Graetz, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht² (2018); Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018); Petričević, Inter, divers oder keine Geschlechtsangabe, juridikum 2019, 165; Freyler, Robot-Recruiting, Künstliche Intelligenz und das Antidiskriminierungsrecht, NZA 2020, 284; Lee, Die Ungleichbehandlung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen (2020); Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar5 (2020); Ascheid/Preis/Schmidt (Hrsg), Großkommentar zum Kündigungsrecht6 (2021); Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler, GlBG2 (2021); Kiel/Lunk/Oetker (Hrsg), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht5 (2021); Körber-Risak, Die Gleichbehandlungspflichten im Arbeitsrecht, in Gruber-Risak/Mazal (Hrsg), Das Arbeitsrecht (37. Lfg 2021); Thüsing, AGG, in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch5 (2021); Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht4 (2022); Mayr, Arbeitsrecht (195. ErgLief 2022); Schlachter, AGG, in Müller-Gloge/Preis/ Schmidt (Hrsg), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht22 (2022); Windisch- Graetz, Gleichbehandlung – Zielsetzung, Begriffe, Konzepte, in Reissner/Mair (Hrsg), Antidiskriminierungsrecht: Aktuelle Entwicklungen (2022) 1.
Inhaltsübersicht I. Allgemeines und erfasste Maßnahmen.................................................. 1 1. Allgemeines........................................................................................... 1 2. Zum Begriff der Diskriminierung..................................................... 4 3. Erfasste Maßnahmen und Regelungen............................................ 10 a. Verhalten des Arbeitgebers............................................................. 10 b. Andere Arbeitnehmer..................................................................... 17 c. Dritte.................................................................................................. 18 d. Kollektivverträge............................................................................. 20 e. Anwendung von Gesetzen.............................................................. 25 4. Zu den Rechtsfolgen............................................................................ 28 II. „Geschlecht“ als Unterscheidungsmerkmal......................................... 35 1. Allgemeines........................................................................................... 35 2. Schwangerschaft.................................................................................. 39 3. „Familienstand“.................................................................................... 41 a. Allgemeines....................................................................................... 41 b. Kinder................................................................................................ 44 III. Benachteiligungsverbot und Mehrfachdiskriminierung.................... 48 1. Maßregelung und Folgediskriminierung......................................... 48 2. Mehrfachdiskriminierung.................................................................. 51 IV. Begründung des Arbeitsverhältnisses.................................................... 60 1. Allgemeines........................................................................................... 60 2. Unmittelbare Diskriminierung......................................................... 62 a. Allgemeines....................................................................................... 62 b. Schwangerschaft.............................................................................. 67 c. Familienstand.................................................................................... 72
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d. Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung............................ 73 3. Mittelbare Diskriminierung............................................................... 85 V. Entgelt und freiwillige Sozialleistungen................................................ 89 1. Allgemeines........................................................................................... 89 2. Entgelt iSd Art 157 AEUV................................................................. 93 3. Gleiche und gleichwertige Arbeit...................................................... 100 a. Allgemeines....................................................................................... 100 b. Gleiche Arbeit................................................................................... 105 c. Gleichwertige Arbeit....................................................................... 107 4. Unmittelbare Diskriminierung......................................................... 115 5. Mittelbare Diskriminierung............................................................... 118 a. Benachteiligung................................................................................ 118 b. Reichweite des Vergleichs............................................................... 124 c. Rechtfertigung................................................................................. 126 VI. Bildung, Umschulung und Aufstieg...................................................... 129 1. Weiterbildung, Ausbildung, Umschulung (§ 3 Z 4)........................ 129 2. Beruflicher Aufstieg (§ 3 Z 5)............................................................. 136 VII. Sonstige Arbeitsbedingungen................................................................. 143 1. Allgemeines........................................................................................... 143 2. Anwendungsfälle.................................................................................. 146 VIII. Beendigung................................................................................................. 152 1. Anwendungsbereich der Z 7............................................................... 152 2. Unmittelbare Diskriminierung......................................................... 157 3. Mittelbare Diskriminierung............................................................... 161 IX. Betriebliche Versorgungssysteme........................................................... 168 1. Allgemeines und Direktpensionen.................................................... 168 2. Korrektur für die Vergangenheit...................................................... 179 3. Pensionskasse und Lebensversicherung........................................... 187
I. Allgemeines und erfasste Maßnahmen 1. Allgemeines 1 § 3 ist die zentrale Norm des I. Teils, weil sie das Verbot der Diskriminierung für die wichtigste Fallgruppe des § 1 normiert, nämlich die Arbeitsverhältnisse. Allerdings ist § 3 unvollständig, weil die Legaldefinition der Diskriminierung sich erst in § 5 findet; § 5 ist technisch gesehen lediglich eine Ergänzung zu § 3 (und § 4). § 3 verbietet Diskriminierungen „im Zusammenhang“ mit einem Arbeitsverhältnis. Diese Formulierung stammt nicht aus dem Unionsrecht, welches in den Vorgaben zur Geschlechtsdiskriminierung überhaupt nur Zugang zu Beschäftigung, Entgelt und Arbeitsbedingungen als dem Diskriminierungsverbot unterliegende Fragen konkret nennt (vgl insb Art 1 102
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Abs 1 RL 2006/54/EG). Die Wendung „im Zusammenhang“ bedeutet jedenfalls, dass § 3 nur bei Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses eingreift, wobei Arbeitsverhältnis aber ebenso weit zu verstehen ist wie zu § 1 Abs 1 Z 1 (§ 1 Rz 20 ff); überdies gelten die in § 1 Abs 3 genannten Rechtsverhältnisse als Arbeitsverhältnisse. Das Diskriminierungsverbot gilt grds unabhängig von der Betriebsgröße, also auch für Klein(st)betriebe.1 Die Aufzählung von Rechtsfragen, in denen das Diskriminierungsver- 2 bot eingreift, in den Z 1 bis 7 des § 3 ist aufgrund des Wortes „insbesondere“ nicht abschließend,2 sodass das Verbot noch bei anderen Fragen „im Zusammenhang“ mit einem Arbeitsverhältnis eingreifen kann. Die in den Ziffern 1 bis 7 genannten Rechtsfragen decken aber alle Rechtsfragen ab, deren Einbeziehung das Unionsrecht verlangt. Auch aus der Sicht des nationalen Rechts dürfte es keine Fälle geben, in denen über die Aufzählung hinausgegangen werden müsste, weil Z 6 mit „sonstige Arbeitsbedingungen“ wohl alles abdeckt. Allerdings ist in vielen und auch wichtigen Fällen die Zuordnung zu den einzelnen Ziffern des § 3 relevant, weil § 12 die Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestaltet. Einen Anspruch der Diskriminierten auf Gleichstellung (Erfüllungsanspruch) und damit Beseitigung der Diskriminierung gibt § 12 nämlich nicht in allen Fällen, sondern nur beim Entgelt (Z 2), bei den sonstigen Arbeitsbedingungen (Z 6) sowie bei den Z 3 und 4; genauer ist bei Verletzung der Z 3, 4 und 6 ein – nicht besonders beschränkter – Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens vorgesehen (zu Z 2 vgl § 12 Rz 42 ff). Im Falle einer Diskriminierung bei Einstellung (Z 1) und Aufstieg (Z 5) gibt § 12 hingegen den Erfüllungsanspruch nicht, sondern nur einen Ersatzanspruch. Der Gesetzgeber wollte damit den AG davor bewahren, diskriminierte AN einstellen oder befördern zu müssen. Der Ersatzanspruch bei Einstellung und Beförderung ist allerdings bei jener Person, die ohne Diskriminierung eingestellt oder befördert worden wäre, betragsmäßig vom Gesetz nicht beschränkt. Versucht man dies zu generalisieren, dann kann man wohl sagen, dass Diskriminierte verlangen können, nicht schlechter als Vergleichbare behandelt zu werden, aber keinen Anspruch auf Verbesserung der individuellen Position im Unternehmen (sondern nur Geldersatz dafür) erreichen können. Prob1 Vgl EuGH 8.11.1983, 165/82, Komm/UK, Rz 12–16; 4.10.2001, C-109/00, Tele Danmark, Rz 37. 2 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 1.
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lematisch ist die Abgrenzung etwa, wenn der AG Frauen nicht unbefristet einstellen will. Kommt es zum Abschluss eines (nur befristeten) Vertrages, dann scheint Z 6 einschlägig,3 was zu einem unbefristeten Vertrag führt; kommt es nicht zum Vertrag, dann ist Z 1 einschlägig (begrenzte Entschädigung); dazu Rz 149. Die diskriminierende Nichtverlängerung eines auf Verlängerung ausgelegten befristeten Vertrages wäre demgegenüber eine Beendigung nach Z 7, vgl § 12 Rz 49c. Zur Vereinbarkeit der Beschränkung der Rechtsfolgen bei Z 1 und 5 mit den Vorgaben der RL 2006/54/EG vgl § 12 Rz 16 ff, 48. Jedenfalls in Randbereichen ist eine Korrektur erforderlich, so wenn AN an sich Anspruch auf Aufstieg haben; vgl Rz 137. 3 Der genaue Inhalt des Gleichbehandlungsgebotes hat sich im Lauf der Jahre etwas geändert. Daher kann fraglich sein, welche Ausgestaltung des Gebotes für die Prüfung einer Regelung, eines Rechtsgeschäftes oder einer Maßnahme heranzuziehen ist, zB bei Nachzahlung von Entgelt oder Schadenersatz wegen Benachteiligung bei der Beförderung. Relevant kann dies va bei Fragen der betrieblichen Versorgung sein. Grundsätzlich wirken Normen nicht zurück, außer die Norm sagt selbst etwas Anderes. Dies bedeutet, dass die Norm idR nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, die sich vor ihrem Inkrafttreten ereignet und vollendet haben. Dies gilt auch für das Unionsrecht. In Bezug auf das Unionsrecht hat das nationale Gericht zu beurteilen, für welchen Zeitpunkt (Inkrafttreten der Regelung, Verwirklichung des Sachverhaltes) die Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgebot zu prüfen ist,4 und dann die maßgebliche Fassung des Gebotes zu ermitteln. Entscheidungen des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren stellen nach hA nur den Inhalt der Norm fest, den sie schon seit ihrem Inkrafttreten hatte.5 Sie sind daher auch auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem Inkrafttreten, aber vor der Entscheidung verwirklicht haben.6
2. Zum Begriff der Diskriminierung 4 Das Unionsrecht und § 5 definieren sowohl die unmittelbare wie die mittelbare Diskriminierung. Diese Begriffe wurden vom EuGH ent3 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 133; anders mglw OGH 26.6.2014, 8 ObA 69/13z. 4 EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Rz 50. 5 Vgl – kritisch – F. Bydlinski, JBl 2001, 2. 6 EuGH 2.2.1988, 309/85, Barra, Rz 11 ff; zur Ausnahme bei Betriebspensionen vgl Rz 183.
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wickelt und vom damaligen Gemeinschaftsgesetzgeber erstmals in der Beweislast-RL 97/80 autoritativ umschrieben. Die neuen RL zur Gleichbehandlung folgen dem weitgehend, wenn auch nicht vollständig (vgl § 5 Rz 2, 26). § 5 hat diese Umschreibungen übernommen. Gleichwohl ist in Bezug auf die Terminologie fraglich, in welchem Stadium des Prüfungsprozesses bereits von Diskriminierung gesprochen werden soll. Soll jede Ungleichbehandlung aufgrund eines unzulässigen Unterscheidungsmerkmales Diskriminierung genannt werden, auch wenn sie gerechtfertigt werden kann, oder nur eine nicht zu rechtfertigende und daher letztlich verbotene Ungleichbehandlung? Im ersten Fall gibt es dann gerechtfertigte Diskriminierung, was schlecht zu der Missbilligung passt, welche in der deutschen Sprache mit „Diskriminierung“ üblicherweise verbunden wird: die Begriffsbedeutung schießt über den Inhalt hinaus. Im zweiten Fall muss man für die „bloße“ rechtfertigungsbedürftige Differenzierung einen eigenen Begriff verwenden. Die Begriffsbildung der Wissenschaft ist an sich frei, allerdings soll sie sich an den Begriffen der Rechtsordnung orientieren, soweit dies vertretbar ist. Und dies ist bei den neuen Umschreibungen der RL und des § 5 auch möglich. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt nach § 5 und § 19 sowie den 5 zugrunde liegenden RL bereits vor, „wenn eine Person auf Grund ihres Geschlechts“ oder eines in § 17 genannten Grundes (Merkmals) „in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.“7 Kurz: Eine Person erfährt aufgrund des Geschlechts eine weniger günstige Behandlung. Der Tatbestand der Diskriminierung ist damit bereits erfüllt, selbst wenn die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Dieses Absehen von der Rechtfertigung bei der Verwendung des Wortes Diskriminierung ist hier idR sinnvoll, weil unmittelbare Ungleichbehandlungen aus der Sicht der Rechtsordnung an sich verpönt sind und überdies idR nicht gerechtfertigt werden können.8 Letzteres gilt insb bei Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechtes (anders ist es insb bei Differenzierungen nach dem Alter). Bei der mittelbaren Diskriminierung ist die Lage anders. Diese liegt nach den Legaldefinitionen der §§ 5 und 19 und der RL nur vor, „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht an7 Vgl § 5 Rz 2 ff. 8 Ähnlich Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 35.
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gehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.“ Schon das Gesetz unterscheidet hier also deutlich zwei Schritte: erstens ist zu prüfen, ob – insb wegen des statistischen Zusammenhanges mit einem missbilligten Merkmal – eine vermutete Benachteiligung aufgrund des missbilligten Merkmals vorliegt; wird dies bejaht, so ist zweitens zu prüfen, ob diese gerechtfertigt werden kann. Das Vorliegen einer vermuteten Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes ist daher schon terminologisch noch keine Diskriminierung! Im Folgenden wird daher bei Sachverhalten, die nur den ersten Teil der Legaldefinition des § 5 Abs 2 erfüllen, von vermuteter Benachteiligung gesprochen. Der Begriff der Ungleichbehandlung wird als Oberbegriff verwendet. 6 Der Begriff der Diskriminierung ist folgenorientiert umschrieben, weil es auf die Auswirkungen ankommt. Das Vorliegen einer unmittelbaren – aber auch einer mittelbaren – Diskriminierung ist allein objektiv zu bestimmen. Relevant ist die Wirkung einer Regelung. Auf eine Benachteiligungsabsicht des AG oder der ihm zuzurechnenden Person (Rz 13) kommt es nicht an.9 Nicht erforderlich ist, dass durch die Ungleichbehandlung ein darüber hinausgehender Nachteil/Schaden eingetreten ist. Ebenso wenig kommt es auf eine Fahrlässigkeit dieser Personen an: Diskriminierung kann auch vorliegen, wenn der AG die Diskriminierung (zB das Nichteingreifen des Rechtfertigungsgrundes) selbst bei gebotener Sorgfalt nicht hätte erkennen können. Auch ein unverschuldeter Irrtum über Tatsachen, die Rechtslage oder die Rechtsfolgen schützt nicht davor, dass man diskriminiert, und weitgehend auch nicht vor den nachteiligen Rechtsfolgen.10 Dies führt zu einer verschuldensunabhängigen Haftung und zu einer „Erfolgspflicht“ des AG. Diese wurde in der Lehre heftig diskutiert, insb weil auch ein unverschuldeter Rechtsirrtum nicht entlastet. Allerdings darf nicht übersehen werden (was aber oft geschieht), dass die vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen funktionell häufig gar nicht Schadenersatz ieS sind. 9 EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 35; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 49 mwN. 10 Vgl § 12 Rz 9, 24, 38 ff, 55; EuGH 8.11.1990 C-177/88, Dekker, Rz 22; 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 38; 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 17 f; ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 Rz 8.
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Zum Teil handelt es sich um Ansprüche auf Gleichbehandlung oder auf Unterlassung oder Beseitigung. Dies gilt insb für alle Begehren, die sich auf die Gestaltung der künftigen Lage richten, wie die Korrektur eines Kollektivvertrages oder die Gewährung gleicher Arbeitsbedingungen. Auch die Korrektur einer Benachteiligung für die Vergangenheit kann aber oft noch so gedeutet werden. Selbst die Entschädigung wegen unterbliebener Einstellung oder Beförderung muss bei der Person, welche ohne Diskriminierung genommen worden wäre, nicht als Schadenersatzanspruch gesehen werden (weil die Entschädigung hier „nur“ ein Minus gegenüber der Kontrahierungspflicht sei). In voller Schärfe besteht der Widerspruch zu den traditionellen Grundsätzen des österr (und deutschen) Schadensersatzrechts daher (nur) beim Ersatz immateriellen Schadens und den Ansprüchen jener Bewerber, welche auch ohne Diskriminierung nicht eingestellt worden wären. Eine Ersatzpflicht ohne Verschulden in diesen beiden Fällen erscheint in der Tat bedenklich und wird auch nicht dadurch gerechtfertigt oder über jeden Zweifel erhaben, dass sie vom EuGH stammt. Die Kritik kann auch ins Treffen führen, dass die Mitgliedstaaten in manchen Fällen statt einer zivilrechtlichen auch eine öffentlichrechtliche Sanktion wählen könnten; diese wären aber – als Strafen – schon aufgrund der EMRK nur bei Verschulden zulässig. Im Übrigen gibt es in der Tat kaum andere Fälle einer verschuldensunabhängigen Haftung, die mit dem vorliegenden Fall vergleichbar wären. In der Literatur wurde daher gesagt, die verschuldensunabhängige Haftung sei – jedenfalls in manchen Fällen – eine Strafe ohne Verschulden.11 Rechtsvergleichend ist allerdings zu beachten, dass in mehreren Mitgliedstaaten Schadenersatz bei Vertragsverletzung grundsätzlich kein Verschulden voraussetzt. Auch wenn man dies bedenkt, kann aber die Schadenersatzpflicht bei unverschuldetem Rechtsirrtum fragwürdig sein, wenn und weil die Rechtslage unklar war. Von solchen Fällen abgesehen erscheinen allerdings Konstellationen, in denen zwar eine Diskriminierung, aber kein Verschulden vorliegt, ohnehin eher schwer denkbar (siehe § 12 Rz 24). Unmittelbare wie mittelbare Diskriminierungen sind auch möglich, 7 wenn der AG nicht gleichzeitig bzw tatsächlich AN des anderen Geschlechtes mit gleicher Arbeit beschäftigt und besser behandelt. Wie § 5 Abs 1 sagt, kann der Vergleich (innerhalb eines Unternehmens) auch mit den Arbeitsbedingungen eines AN des anderen Geschlechts erfolgen, 11 ZB Krejci, DRdA 2005, 501.
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die diese/dieser früher erfahren hat oder jetzt erfahren würde (hypothetischer Vergleich). Schon die E Macarthys hat den Vergleich mit AN zugelassen, welche früher für diesen AG tätig waren.12 Diskriminierung kann also auch vorliegen, wenn die Frau für die gleiche Arbeit weniger bekommt als vorher der Mann – vorausgesetzt die Situation ist im Übrigen vergleichbar. Denn es ist zu prüfen, ob der Unterschied auch mit Umständen erklärt werden kann, die nichts mit einer Diskriminierung zu tun haben. Beim Vergleich mit früheren Arbeitsbedingungen kann der AG dartun, dass die Lage aufgrund von relevanten Änderungen der Rahmenbedingungen nicht mehr vergleichbar ist, insb wird der AG das Entgelt ändern dürfen, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert haben, zB das Ausmaß des übertariflichen Entgelts oder die Nachfrage nach Arbeitskräften gesunken ist. Die RL 2006/54/ EG und § 5 verlangen nun den Vergleich auch dann, wenn der AG eine/n AN des anderen Geschlechtes weder beschäftigt noch je beschäftigt hat – und damit mit einer hypothetischen Vergleichsperson des anderen Geschlechtes („erfahren würde“). Da dies wohl nur bei der unmittelbaren Diskriminierung relevant sein kann, wird es dort erörtert (§ 5 Rz 3). 8 Nach Auffassung des EuGH ist das in der RL 2006/54/EG und in Art 157 AEUV aufgestellte Diskriminierungsverbot nur der spezifische Ausdruck des zu den tragenden Grundsätzen des Unionsrechts zählenden allg Gleichheitssatzes, wonach gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden dürfen, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt.13 „Dieser Grundsatz kann daher nur auf Personen Anwendung finden, die sich in der gleichen Lage befinden“.14 Die letzte Aussage ist von großer und steigender Bedeutung, weil der EuGH zunehmend eine Ungleichbehandlung mit der Begründung zulässt, dass sich die verschiedenen Personen nicht in vergleichbarer Lage befänden (vgl Rz 39, 61, 135, 167, 177, 188; § 5 Rz 18, 21).15 Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf dabei nicht allg und abstrakt erfolgen, sondern muss spezifisch und konkret für die betreffende Leistung erfolgen.16 Natürlich kann nicht jeder Unterschied in der Ausgestal12 EuGH 27.3.1980, 129/79, Macarthys, Rz 11 f. 13 Vgl EuGH 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 28; 17.9.2002, C-320/00, Lawrence, Rz 12; 12.10.2004, C-313/02, Wippel, Rz 56; 10.3.2005, C-196/02, Nikoloudi; EuGH 3.6.2021, C‑624/19, Tesco Stores, Rz 27. 14 EuGH 31.5.2001, C-122/99, P, Rz 48; E Wippel Rz 56. 15 Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 5 Rz 4. 16 EuGH 1.4.2008, C-267/06, Maruko; 10. 5. 2011, C-147, Römer, Rz 42.
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tung des Arbeitsverhältnisses die Vergleichbarkeit ausschließen, schon weil sonst die Normen zur Gleichbehandlung leer laufen würden.17 Das Verneinen der Vergleichbarkeit und das Bejahen ungeschriebener Rechtfertigungsgründe sind an sich funktionell gleichwertig; da der EuGH ungeschriebene Rechtfertigungsgründe eher ablehnt, hat das Verneinen der Vergleichbarkeit mehr Bedeutung (als es uE haben sollte; vgl auch § 5 Rz 3). Die Abgrenzung ist sehr schwierig und gibt dem zuständigen Höchstgericht viel Beurteilungsspielraum, den der EuGH wohl zunehmend ausschöpft. So hat er etwa in der E Wippel gesagt, dass Arbeit nach Bedarf und ein normales Vollzeitarbeitsverhältnis nicht vergleichbar seien; allerdings hat er dies aus der Teilzeit-RL abgeleitet. Selbst wenn dies anders wäre, so könnte diese Entscheidung doch nur auf Konstellationen übertragen werden, in denen die Unterschiede in Bezug auf die Pflichten und Rechte der Parteien ähnlich groß sind; sie könnte daher nicht auf den Unterschied von befristetem und unbefristetem ArbV und auf den Unterschied von normalem Teilzeitzu Vollzeitarbeitsverhältnis übertragen werden, weil in beiden Fällen der AN sehr wohl zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Das Gesetz verbietet die Diskriminierung „aufgrund“ des Geschlechts. 9 Das deutsche AGG, damit auch die deutsche Literatur,18 verwendet gleichbedeutend Diskriminierung „wegen“ des Geschlechts; zT ist unter „wegen“ auch nur eine Diskriminierung mit Absicht bzw Vorsatz verstanden worden.19 Um jeden Zweifel auszuschließen, dass es für § 3 nicht auf Vorsatz ankommt, wird hier stets nur „aufgrund“ verwendet, wenn der Gesetzesinhalt gemeint ist.
3. Erfasste Regelungen und Maßnahmen a. Verhalten des AG Die Normen des GlBG gegen Diskriminierung gelten in erster Linie für 10 das Rechtsverhältnis zwischen dem einzelnem AG und dessen AN. Der AG ist unzweifelhaft Adressat des und Verpflichteter aus dem GlBG. § 5 GlBG spricht, wie Art 2 RL 2006/54/EG, von „Behandlung“ bei unmittelbarer und von „Vorschriften, Kriterien und Verfahren“ bei mittelbarer Diskriminierung, um den Prüfungsgegenstand zu bezeich17 Für eine enge Auslegung auch Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (7). 18 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 47. 19 ZB Wiedemann, Gleichbehandlung 40.
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nen. Diese Einteilung ist allerdings nicht sehr weiterführend: Behandlung sagt zu wenig und „Vorschriften, Kriterien und Verfahren“ bezeichnet aufgrund des Satzaufbaues nicht wirklich den Prüfungsgegenstand, sondern die verhaltenssteuernden Elemente. Sinnvoller ist es, nach den verschiedenen Formen der rechtlich relevanten „Behandlung“ von AN im Arbeitsverhältnis zu unterscheiden. Das deutsche BGB nannte in diesem Sinn in § 611a Vereinbarungen und Maßnahmen sowie in § 612 Abs 3 das Entgelt, nunmehr findet sich beides in § 2 Abs 1 Z 2 AGG. Noch besser ist es, von Rechtsgeschäften und Maßnahmen zu sprechen, und – wegen der KollV – um Regelungen zu ergänzen. Zuerst werden die inhaltliche Reichweite, und dann die Frage der Zurechnung erörtert. 11 Das GlBG und insb § 3 gilt primär für alle Rechtsgeschäfte, Einzelmaßnahmen und kollektive Maßnahmen des AG selbst und all jene vergleichbaren Rechtsgeschäfte und Maßnahmen, die ihm zugerechnet werden, insb also für: den Inhalt des ArbV,20 gleichgültig ob er im Einzelnen ausgehandelt wurde oder auf AGB oder betrieblicher Übung beruht; individuelle oder generelle Weisungen an den AN, und damit auch alle Arbeitsordnungen; Willenserklärungen, insb einseitige Leistungsbestimmungen und Kündigungen; und schließlich auch faktische Gestaltungen des AG (zB Kontrollmaßnahmen, die nur Frauen betreffen). Und das GlBG gilt für das gesamte Arbeitsverhältnis, einschließlich Vertragsanbahnung und Nachwirkungen. Ist der AG eine juristische Person, so gilt § 3 jedenfalls für die genannten Verhaltensweisen, die vom vertretungsbefugten Organ gesetzt werden. Ferner gelten die Bestimmungen uneingeschränkt für Betriebsvereinbarungen. Die Mitwirkung des Betriebsrates führt nicht zu größeren Möglichkeiten, eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. 12 § 5 Abs 3 bestimmt: „Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung einer Person zur Diskriminierung vor“ (ebenso Art 2 Abs 2 lit b RL 2006/54/EG). Gemeint ist damit jedenfalls, dass auch die Anweisung des AG (oder einer ihm zuzurechnenden Person) mit dem Inhalt, ein anderer möge diskriminieren, eine vom AG zu verantwortende Diskriminierung darstellt. Allerdings wäre diese Anordnung wohl nicht notwendig, weil dem AG das Verhalten anderer in viel weiterem Umfang zuzurechnen ist (Rz 13).21 Im Übrigen ist die Bedeutung dieser 20 EuGH 12.10.2004, C-313/02, Wippel, Rz 55. 21 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 155 sprechen sich demgegenüber dafür aus, in der Bestimmung nicht nur eine Klarstellung zu sehen, sondern eine Erweiterung des Kreises der verpflichteten Personen.
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Norm eher dunkel. Die EB zur RV zu § 5 (S 11) meinen: Damit soll auch jene Person, die eine andere Person zur Diskriminierung angestiftet hat, in den Kreis der Verpflichteten einbezogen und somit die Geltendmachung von Ansprüchen ihr gegenüber ermöglicht werden. Dies stimmt aber nicht mit dem Text des Gesetzes (und der RL 2006/54/EG) überein. § 12 sieht nämlich in den meisten Fällen ausdrücklich vor, dass sich Ansprüche wegen Diskriminierung gegen den AG richten – und sieht daher Ansprüche gegen Dritte nicht vor. Nur bei Belästigung sieht das GlBG ausdrücklich die Verantwortlichkeit einer anderen Person als des AG vor. Man kann daraus schließen, dass nach § 12 nur der AG für Diskriminierung haftet. Daran ändert dann auch § 5 Abs 3 nichts, der ja nur sagt, wann noch eine Diskriminierung vorliegt, ganz abgesehen davon, dass die EB ohne Grund Anweisung und Anstiftung gleichsetzen. Abs 3 könnte aber auch meinen, dass allein in der Anweisung selbst auch eine Diskriminierung liege.22 Gegen diese Auslegung scheint zu sprechen, dass dafür die vom GlBG vorgesehenen Rechtsfolgen nicht passen. Jene Person, die laut Anweisung diskriminiert werden sollte, würde erst nach Ausführung der Anweisung diskriminiert, und in Bezug auf die angewiesene Person machen die in § 12 vorgesehenen Rechtsfolgen wohl keinen Sinn. Denkbar wäre allerdings, dass die RL eine zur Diskriminierung angewiesene Person davor schützen will, wegen des Nichtbefolgens dieser Anweisung benachteiligt zu werden. Das GlBG würde die RL dann nicht ausreichend umsetzen. Einen zusätzlichen Gehalt hätte § 5 Abs 3 auch, wenn man unter Anweisung mehr Aufstachelung als Weisung zu Diskriminierung versteht. Die EB zur RV weisen in diese Richtung. Dann würden Art 2 Abs 2 lit b RL 2006/54/EG und § 5 Abs 3 wirklich jeweils einen zusätzlichen Tatbestand neben Abs 1 und 2 darstellen, der wohl auch von anderen Personen als dem AG (oder den ihm Zuzurechnenden) erfüllt werden kann; die RL würde dann aber auch gesonderte Sanktionen gegen den aufstachelnden Dritten verlangen. Das GlBG sieht solche nicht vor. Die meisten Sprachfassungen der RL 2006/54/EG sind aber so formuliert, dass nur Weisungen zu diskriminieren erfasst sind (im Englischen etwa „instruction“), nicht auch die Motivierung zu diskriminieren; allein die französische Fassung könnte anders verstanden werden (comportement à enjoindre).
22 Dafür Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 141 und wohl auch Hopf/ Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 160.
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13 § 3 gilt auch für das Verhalten von Personen, das dem AG zuzurechnen ist, insb also von Mitarbeitern. Nur für die sexuelle Belästigung ist die Frage der Zurechnung in § 6 Abs 1 Z 2 (und 3) besonders geregelt. Für die anderen Fälle kann jedenfalls nicht aus § 5 Abs 3 (dazu Rz 12) abgeleitet werden, dass dem AG ein Verhalten eines AN oder eines anderen, das objektiv betrachtet eine Diskriminierung im Arbeitsverhältnis bewirkt, nur dann zugerechnet wird, wenn der AG dazu angewiesen hat.23 Würde man das annehmen, dann hätten Einzelunternehmer nach dem GlBG nur eigenes Verhalten und Anweisungen als Diskriminierung zu verantworten; und einer Aktiengesellschaft wäre nur das Verhalten (einschließlich der Anweisungen) eines Vertretungsorgans zuzurechnen (und allenfalls einer gleichgestellten Person, zB eines „Machthabers“, oder der Personen, denen genuine Vorstandsaufgaben delegiert wurden). Hingegen könnte nicht zugerechnet werden, falls eine nur „vertretungsbefugte“ Person diskriminiert, etwa ein Prokurist oder ein Betriebsleiter mit Vollmacht in Personalangelegenheiten. Ein solches Ergebnis ist unvertretbar. Vielmehr wird dem AG auch das Verhalten von bestimmten Dritten zuzurechnen sein.24 Primär wird zuzurechnen sein, wenn der Dritte rechtsgeschäftlich für den AG handeln kann und handelt, also Vertretungsmacht hat. Die Zurechnung muss aber auch bejaht werden, wenn eine faktische Maßnahme vom Vertreter des AG angeordnet wurde, oder wenn dieser sie nur gebilligt hat. Auf dieser Grundlage können va Weisungen zugerechnet werden, weil diese die Ausübung eines Gestaltungsrechts sind. Ferner wird dem AG auch das Verhalten von Verhandlungsgehilfen zuzurechnen sein, also von Personen, deren er sich zur Vorbereitung oder Verhandlung eines Arbeitsvertrages (einschließlich einer Änderung) bedient. Es reicht zB, wenn der mit den Bewerbungsgesprächen Betraute im Gespräch sagt, Frauen kämen eigentlich nicht in Betracht, auch wenn die Einstellung vom vertretungsbefugten Vorgesetzten entschieden wird. Dem AG kann daher auch das Verhalten Betriebsfremder zugerechnet werden, die er mit Aufgaben betraut, etwa eines Personalberatungsbüros AG.25 Schließlich kann dem AG wohl auch ein faktisches Verhalten zuzurechnen sein, das eine mit Personalaufgaben betraute Person bei der 23 Ebenso Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 142. 24 Vgl dazu auch § 12 Rz 13 ff; Kletečka/Köck begründen die Zurechnung dort über § 1313a ABGB. 25 BAG 5.2.2004, 8 AZR 112/03 = NZA 2004, 540 rechnet sogar die von der Bundesagentur für Arbeit veranlasste Ausschreibung dem AG zu.
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Durchführung dieser Aufgaben setzt, nach manchen auch Personen, die keine Personalkompetenz, aber zumindest Vorgesetztenstellung haben.26 Der AG hat für das diskriminierende Verhalten der genannten Personen auch dann einzustehen, wenn ihn selbst keinerlei Vorwurf trifft (in Bezug auf Auswahl, Anleitung oder Überwachung), selbst wenn der Dritte weisungswidrig gehandelt hat (Erfolgshaftung; Rz 7). Für die Zurechung genügt es also grds, dass der AG den anderen eingesetzt hat; die Zurechung entfällt erst, wenn das Verhalten nicht mehr im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht. Hat der AG durch das diskriminierende Verhalten auch selbst einen Schaden erlitten (zB weil er einem diskriminierten AN Ersatz leisten muss), so kann er vom unmittelbaren Schädiger Ersatz verlangen. Ist der Schädiger selbst AN, so wird idR das DHG anwendbar sein. Immer häufiger werden bei Personalentscheidungen Algorithmen ein- 13a gesetzt und ihre Bedeutung wird in Zukunft wohl noch steigen. Auch durch solche Algorithmen kann es zu einer Diskriminierung kommen, wobei unmittelbare Diskriminierungen wohl eher selten sein werden. In Betracht kommen aber mittelbare Diskriminierungen.27 Entscheidungen zum Gleichbehandlungsrecht im Zusammenhang mit dem Einsatz von Algorithmen liegen bisher (noch) keine vor. In der deutschen Lit wurde die Frage aber bereits kontrovers diskutiert. Tw wurde vertreten, eine Diskriminierung setze ganz generell menschliches Handeln voraus, oder wurde zwischen „bloßen“ Algorithmen und selbständig lernender künstlicher Intelligenz unterschieden, nur durch letztere könne es zu einer Diskriminierung kommen. Überzeugender ist es allerdings, mit Thüsing davon auszugehen, dass der Einsatz sowohl von Algorithmen als auch von künstlicher Intelligenz zu einer mittelbaren Diskriminierung führen kann.28 Die Frage nach einem Verschulden des AG – welches bei Algorithmeneinsatz schwer zu begründen ist, die Zurechnung von fremdem Verschulden wie bei einem Gehilfen scheidet wohl insofern aus, als eine Maschine keinen eigenen Willen bilden und insofern nicht schuldhaft handeln kann – spielt wohl insofern keine Rolle, als Ansprüche wegen Diskriminierung (auch Schadenersatzansprüche) verschuldensunabhängig sind (Rz 6). Das Zurechnungsproblem ist außerdem insofern „entschärft“, als Art 22 DSG-VO ein Verbot 26 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 156. 27 Freyler, NZA 2020, 284. 28 Thüsing in MüKo AGG § 3 Rz 34.
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automatisierter Entscheidungen im Einzelfall vorsieht, welche auch Online-Einstellungsverfahren ohne jegliches menschliche Eingreifen erfasst,29 sodass am Ende die Entscheidung eines Menschen stehen muss. 14 § 3 gilt für alle Fragen „im Zusammenhang“ mit einem Arbeitsverhältnis. Fraglich ist, ob es dann sinnvoll oder erforderlich ist, jede einzelne Rechtsfrage klar einer der Ziffern des § 3 zuzuordnen. Dies ist wohl zu bejahen, weil § 12 die Rechtsfolgen differenziert regelt (Rz 2) und daher erkennen lässt, dass nach Möglichkeit stets klar sein soll, welche Rechtsfolge eingreift. Nicht konsequent diesbezüglich waren Smutny/ Mayr, die zum alten GlBG einerseits meinen, die Ziffer betreffend „sonstige Arbeitsbedingungen“ sei eine zweite Generalklausel,30 und anderseits meinten, dass auch Diskriminierungsfälle auftreten können, denen das Gesetz keine bestimmte Rechtsfolge beigibt.31 15 Bei Unternehmen mit mehreren Betrieben kann es bei der mittelbaren Diskriminierung darauf ankommen, auf welcher Ebene – Betrieb, mehrere Betriebe, Gesamtunternehmen – die Beurteilung vorzunehmen ist, ob eine vermutete Benachteiligung vorliegt. Die Verlagerung der Beurteilung auf eine höhere Ebene kann theoretisch zu einer vermuteten Benachteiligung führen wie auch diese vermeiden, mag auch in der Praxis das erste häufiger zutreffen. In einer sehr alten E hat der EuGH eher die Betriebsebene bevorzugt.32 Eine weitgehende Klärung hat dann erst die E Lawrence gebracht: Das Diskriminierungsverbot des Art 157 AEUV gilt nicht nur für Arbeit in demselben Betrieb, sondern potentiell stets dann, wenn sich Entgeltbedingungen „auf ein und dieselbe Quelle“ zurückführen lassen.33 Dies ist also der weitest mögliche Vergleichsrahmen, der insb durch einen KollV bestimmt werden kann. Die äußere Grenze, die der EuGH zum Vergleich der Entgeltbedingungen gezogen hat, wird auch für die anderen Arbeitsbedingungen gelten. Maßgebend muss also sein, ob die AN mehrerer Betriebe in einer vergleichbaren Situation (Rz 8) sind; dies trifft jedenfalls zu, falls das Un29 Franzen in Franzen/Gallner/Oetker, DSG-VO Art 22 Rz 1. 30 Smutny/Mayr 269. 31 Smutny/Mayr 293. 32 EuGH 27.3.1980, 129/79, Macarthys, Rz 15. 33 EuGH 17.9.2002, C-320/00, Lawrence, Rz 17 und 18; bestätigt durch 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 46–49 und 3.6.2021, C‑624/19, Tesco Stores, Rz 36.
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ternehmen eine einheitliche Personal- und Entgeltpolitik hat. Im Zweifel wird man wohl auf die Unternehmensebene abstellen; regionale Unterschiede können bei der Rechtfertigung berücksichtigt werden. Auch eine Beurteilung unter Einbeziehung anderer Unternehmen eines Konzerns kann nach der neuen Judikatur nicht ausgeschlossen werden.34 Die einzelnen Unternehmen sind zwar rechtlich selbständig und kein einheitlicher AG. Allerdings kann auch eine einheitliche – diskriminierende – Personalpraxis (zB zum Entgelt) vom Konzern und damit von „einer Quelle“ her bestimmt sein. Einschlägig wird auch sein, falls die Konzernstruktur missbräuchlich (zB durch Unternehmen mit deutlich höherem Frauenanteil für vergleichbare Arbeit) eingesetzt wird, um das Gleichbehandlungsgebot zu umgehen. Die rechtliche Trennung der Unternehmen und ein Agieren auf verschiedenen Märkten sind aber dann jedenfalls bei der Rechtfertigung zu berücksichtigen. Probleme bereitet die Anwendung des § 3, wenn die Betriebsverein- 16 barung von der Schlichtungsstelle erlassen wurde und der AG gegen den fraglichen Inhalt war. Die Diskriminierung ist dann nicht vom AG veranlasst, sondern vom Staat. Und der AG hat auch nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren; der Spruch der Schlichtungsstelle gilt als Verordnung iSd B-VG, und der AG kann sich dagegen nur – eingeschränkt – beim VfGH wehren. Man könnte dies bei den Rechtsfolgen berücksichtigen, indem die Rückwirkung eingeschränkt wird. Der EuGH lässt den AG auch für Diskriminierungen in einem KollV in weitem Umfang haften (Rz 21 f); es ist aber fraglich ob dies auf den Spruch der Schlichtungsstelle übertragen werden kann. Vorzuziehen ist, insb bei einem dem AG aufgedrängten Sozialplan, eine Lösung, die von dem von der Schlichtungsstelle (implizit) festgelegten Volumen des Sozialplanes ausgeht, weil darin die eigentliche Entscheidung liegt. Dieses ist dann diskriminierungsfrei zu verteilen, was dann auch zu geringeren Leistungen als im Sozialplan vorgesehen führen kann. Für die Zukunft ist die Verordnung bzw Betriebsvereinbarung, soweit sie Art 157 AEUV verletzt, auch ohne Aufhebung durch den VfGH unwirksam und nicht anwendbar; dies können auch die Arbeitsgerichte feststellen, auch auf Feststellungsklage des AG.
34 Ebenso dazu Thüsing in MüKo AGG § 3 Rz 35.
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b. Andere Arbeitnehmer 17 Andere AN (ArbeitskollegInnen) unterliegen den Bestimmungen des I. (und II.) Teiles nur partiell. Verbindlich sind auch für sie die Normen über die Belästigung (§ 6 Abs 1 Z 3 und § 7 Abs 1 Z 3; § 21 Abs 1 Z 3). Verbindlich ist ferner § 3, falls das Verhalten des AN dem AG zuzurechnen ist (Rz 12). Im zweiten Fall sind sie jedenfalls aufgrund ihres Arbeitsvertrages dem AG gegenüber zur Beachtung des GlBG verpflichtet; im ersten Fall (Belästigung) sind sie überdies Adressaten der Pflichten aus dem GlBG. Darüber hinaus ist es AN aber grds nicht verboten, andere AN (Arbeitskolleginnen und -kollegen) aufgrund des Geschlechtes unterschiedlich zu behandeln; die Grenze wird erst bei der geschlechtsbezogenen Belästigung iSd § 7 erreicht sein (vgl §§ 6, 7 Rz 20). § 7 Abs 1 Z 3 verbietet – auch den anderen AN – jede geschlechtsbezogene Belästigung. Auch bei einem weiten Verständnis wird es aber auch diese Bestimmung nicht verbieten, generell nur zu Arbeitskolleginnen/Arbeitskollegen freundlicher und hilfsbereiter zu sein, oder den nicht rein dienstlichen Kontakt auf bestimmte Personen zu beschränken, falls und weil das Unterscheidungsmerkmal das Geschlecht ist (vgl §§ 6, 7 Rz 20 ff). In dem genannten Verhalten liegt wohl noch gar keine ausreichend intensive Belästigung. AN sind daher nicht verpflichtet, in ihrem Verhalten andere AN unabhängig von deren Geschlecht gleich zu behandeln; anderes folgt auch nicht aus den Worten „im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis“. Freilich werden die Übergänge zur Belästigung fließend sein. c. Dritte 18 Der AG kann dem AN auch für das Verhalten eines Dritten nach GlBG verantwortlich sein, wenn er dieses Verhalten zurechenbar veranlasst hat, wie etwa eine Diskriminierung durch das von ihm eingesetzte Personalberatungsunternehmen bei der Einstellung (Rz 16). Fraglich ist, ob das Personalberatungsunternehmen neben dem AG auch selbst dem AN nach §§ 3 und 12 GlBG verantwortlich ist. Der OGH hat diese Frage offen gelassen.35 Körber-Risak bejaht eine „Solidarhaftung“ des Personalberaters mit dem AG, weil die RL sowie die §§ 1 und 16 GlBG die Normadressaten nicht auf den AG einschränken und andernfalls eine Umgehung der Verbote leicht möglich wäre;36 auch der Personal35 OGH 12.1.2000, 9 ObA 318/99a. 36 Rz 103.
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berater müsste danach also Entschädigung zahlen. Allerdings spricht der derzeitige Text des GlBG eindeutig gegen eine Haftung von Dritten nach §§ 3 und 12, weil das Gesetz einer Verantwortung von Dritten nur in bestimmten Fällen normiert (§ 12 Abs 11, § 9) und daher ein Gegenschluss sehr nahe liegt.37 Dafür sprechen würde höchstens, dass nach § 10 Abs 1 nunmehr auch ein Arbeitsvermittler Adressat der Verwaltungstrafe für eine diskriminierende Ausschreibung sein kann, auch dies ist aber eine punktuelle Regelung und unterstützt den Gegenschluss eher. Auch die RL verlangen eine Verantwortlichkeit des Dritten nicht zwingend. Verweigert ein Personalberatungsunternehmen, das ein diskriminierendes Inserat in Auftrag gegeben hat, den AG zu nennen, so würde es der RL auch genügen, wenn der Personalberater verpflichtet ist, den Namen zu nennen, und bei Verweigerung aufgrund § 9 iVm § 1311 ABGB (Schutzgesetz) auf Schadenersatz aus Pflichtverletzung haftet. Diese Rechtsfolge wird man schon derzeit bejahen können (vgl auch § 12 Rz 64, wo dasselbe Ergebnis aus culpa in contrahendo abgeleitet wird). Fraglich könnte sein, inwieweit auch das Verhalten von Kunden oder 19 von Lieferanten eine Diskriminierung iSd §§ 3 und 12 begründen kann. Es geht dabei insb um Wünsche von Kunden (zB bei Friseur) nach Bedienung durch AN eines bestimmten Geschlechts. In Deutschland sah der Entwurf der Regierungsparteien (Einl Rz 22) vor, dass dem AG auch das Verhalten von Kunden und Lieferanten zugerechnet wird, später wurde dies abgeschwächt. Das GlBG enthält keine ausdrückliche Vorschrift, die die Verbote des GlBG auf Kunden oder Lieferanten erstrecken würde. Gleichwohl stellt sich das Problem auch in Österreich. Entscheidend ist allerdings primär die präzise Formulierung der Probleme. Auszugehen ist davon, dass die Kunden selbst nicht nach dem GlBG verantwortlich werden können; sie sind nicht durch das GlBG verpflichtet. In Deutschland wird von manchen aber vertreten, dass der AG schon den Wunsch von Kunden, dessen Befolgung durch den AG eine Diskriminierung darstellen würde (Großkunde sagt: ich wünsche als Ansprechperson nur einen Mann), als Diskriminierung zu verantworten habe. Diese Auffassung ist unvertretbar, und es gibt auch keinen Ansatzpunkt für eine entsprechende Auslegung. In Österreich ist es daher keine Diskriminierung, wenn Kunden die Bedienung durch bestimmte AN wünschen und dabei nach dem Geschlecht unter37 Ähnlich Rauch, ecolex 2000, 441.
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scheiden, auch wenn die Kundenwünsche – wie meist – nicht zu einer unverzichtbaren Voraussetzung führen (Rz 83). Eine ganz andere Frage ist, inwieweit der AG seine eigenen Entscheidungen, die an sich diskriminieren, mit den Wünschen der Kunden rechtfertigen kann – oder inwieweit das Recht vom AG verlangt, den Wünschen der Kunden zu widerstehen, wenn und weil sie zu Diskriminierungen führen (vgl § 2 Rz 14 ff). Soweit der Wunsch des Kunden direkt zu einer Diskriminierung zB bei der Beförderung führen würde, kann der AG sich nicht auf den Wunsch berufen. Schwieriger ist die Lage, wenn die Diskriminierung bei vernünftiger Betrachtung nicht schon aus dem einzelnen Wunsch folgen würde, sondern erst aus einer Vielzahl gleichgerichteter Wünsche verschiedener Kunden (zB bei einem Friseur). Das GlBG wird den AG schon verpflichten, darauf hinzuwirken, dass bei jenen Tätigkeiten, bei denen das Geschlecht nicht unverzichtbare Voraussetzung sein kann, aus den Einzelwünschen der vielen Kunden nicht eine eindeutige Auswahlentscheidung aller Kunden aufgrund des Geschlechtes wird, weil dann ein bestimmtes Geschlecht für manche Arbeitsplätze doch zur Voraussetzung wird, obwohl es das nach dem Gesetz nicht sein dürfte. Das Diskriminierungsverbot verlangt vom Unternehmer eben, dass er sich in gewissem Umfang nicht an den Kunden und damit am Markt orientiert. Von dieser Frage ist zu unterschieden, inwiefern die Verbote von Belästigung und sexueller Belästigung auch Dritte wie zB Kunden verpflichten. Das ist zu bejahen (§§ 6, 7 Rz 43 ff). d. Kollektivverträge 20 § 3 gilt ferner für Kollektivverträge. Für den Bereich des Entgelts wird dies in § 11 gesondert gesagt (Normen der kollektiven Rechtsgestaltung), und dies entspricht auch der Vorgabe des Art 157 AEUV.38 Es gilt aber auch für die anderen in § 3 genannten Rechtsfragen. Auch Art 23 lit b) RL 2006/54/EG verlangt ausdrücklich die Kontrolle der KollV am Gleichbehandlungsgebot.39 Die Auffassung des OGH aus dem Jahre 1995, dass sich das Gleichbehandlungsgebot des § 2 des früheren GlBG nicht an die Kollektivvertragsparteien richte, ist daher längst überholt.40 Auch die Auslegung eines KollV durch die Gerichte muss § 3 genügen. Eine Diskriminierung durch den KollV kommt am 38 EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rz 11; 21.10.1999, C-333/97, Lewen, Rz 26. 39 EuGH 2.10.1997, C-1/95, Gerster Rz 18; 18.11.2004, C-284/02, Sass Rz 25. 40 OGH 11.1.1995, 9 ObA 802/94.
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ehesten beim Entgelt (Gruppenbildung, Voraussetzungen für Aufstieg) und bei den sonstigen Arbeitsbedingungen vor. Für die Frage, ob eine unmittelbare Diskriminierung oder eine vermutete Benachteiligung vorliegt, gelten grds die allg Regeln (§ 5 Rz 3 ff); immerhin unterliegen ja auch Gesetze der Kontrolle anhand der RL. Über Diskriminierungen in Zusammenhang mit einem KollV oder des- 21 sen Anwendung kann in verschiedenen Zusammenhängen gestritten werden. IdR wird es um einen Rechtsstreit zwischen AN und deren AG gehen, bei denen dann nicht primär der KollV, sondern die Behandlung der AN durch den AG im Zentrum steht. Andere Möglichkeiten sind Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG oder vor der Gleichbehandlungskommission, in denen es allein um die Beurteilung des KollV geht; vgl § 5 Rz 43. Wendet der AG nur einen KollV an oder geht es um eine Diskriminierung innerhalb des Anwendungsbereiches eines bestimmten KollV, so kann der AG ein Verhalten, das objektiv eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung darstellt, nicht damit rechtfertigen, dass er nur einen KollV angewendet bzw befolgt hat.41 Anderes gilt nur, wenn die Verschiedenbehandlung nicht aus „derselben Quelle“ stammt (Rz 15). Dies trifft insb zu, wenn der AG zwei unterschiedliche KollV verschiedener Kollektivvertragsparteien anwendet und dies zu Benachteiligungen führt (vgl auch Rz 125 zum Entgelt). Ergibt sich die Diskriminierung bereits aus dem Inhalt des vom AG nur 22 angewendeten KollV, so ist fraglich, inwieweit der AG dem AN dafür einzustehen hat, insb für die Vergangenheit. Auszugehen ist davon, dass auch in Verfahren zwischen AN und AG über die Vereinbarkeit eines KollV mit dem GlBG abzusprechen ist, auch wenn die Kollektivvertragsparteien an diesem Verfahren gar nicht beteiligt sind. Allerdings ist das Urteil auch nur zwischen den Verfahrensparteien rechtlich verbindlich, nicht für andere AG oder die Parteien des KollV. Nach der Judikatur des EuGH sind die nationalen Gerichte nun bei KollV berechtigt und verpflichtet, die Rechtslage dem unmittelbar anwendbaren Art 157 Abs 1 AEUV entsprechend zu gestalten; sie können eine Kollektivvertragsbestimmung, die Art 157 AEUV verletzt, für unwirksam erklären.42 Das Unionsrecht verlangt dieselbe Rechtsfolge wohl auch 41 EuGH 27.6.1990, C-33/89, Kowalska, Rz 19; 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 20-23; 1.7.1986, 237/85, Rummler; vielmehr ist der KollV idR nichtig, Rz 29. 42 EuGH 27.6.1990, C-33/89, Kowalska, Rz 18.
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bei einem Verstoß gegen die RL 2006/54/EG.43 Dies gilt jedenfalls für die Zukunft. Problematisch ist die Lage, soweit es um Rechtswirkungen für die Vergangenheit und die Pflicht des AG zu Nachzahlungen geht. Aus der Sicht des Unionsrechts hat die Folgen einer Diskriminierung durch KollV grds der zur Zahlung sonst Verpflichtete, also idR der AG, zu tragen, indem er zu zahlen hat.44 Der AG muss danach gegenüber dem AN grds auch für Diskriminierungen einstehen, welche nur erfolg(t)en, weil er einen KollV anwendet(e)! Dasselbe gilt sogar bei Anwendung von Gesetzen (Rz 25 ff). Der EuGH verlangt, dass die nationalen Gerichte die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insb dadurch ausschließen, dass sie diese Vorschriften zugunsten der benachteiligten Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Kollektivvertragsparteien oder in anderer Weise zu beantragen oder abzuwarten.45 Man wird daraus schließen müssen, dass der EuGH auch im Verhältnis zwischen Privaten die Ausnutzung aller Möglichkeiten des nationalen Rechts verlangt, um einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung zu begegnen. Die Verantwortung des einzelnen AG für „Fehler“ des KollV ist zwar problematisch, aber kaum zu ändern (vgl auch Rz 32). 23 Das GlBG regelt die Rechtsfolgen einer Diskriminierung, die schon im KollV angelegt war, nicht ausdrücklich. § 12 regelt insb auch die Folgen einer Verletzung des § 11 nicht gesondert, was darauf hinweist, dass § 11 zu § 3 gehört. Allerdings führen die allg Vorschriften weiter: Zum Entgelt sieht § 12 Abs 2 Ansprüche gegen den AG vor, (nur) wenn der AG das Gleichbehandlungsgebot verletzt hat. Und bei den sonstigen Arbeitsbedingungen lässt § 12 Abs 6 den Verpflichteten offen, sodass Ansprüche gegen den AG auch bei Anwendung des KollV in Betracht kommen. Der OGH hat 1995 allerdings gesagt, dass die Rechtsfolgen des § 2a des alten GlBG nur „bei einer vom AG zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes eintreten“.46 Diese Auffassung 43 Art 23 lit b; EuGH 20.3.2003, C-187/00, Kutz-Bauer, Rz 74, allerdings war die RL dort unmittelbar anwendbar. 44 Vgl EuGH 27.6.1990, C-33/89, Kowalska, Rz 19; 28.9.1994, C-28/93, van den Akker, Rz 14; ebenso bei staatlichen Reglungen, zB EuGH 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 80 ff. 45 EuGH 11.9.2003, C-77/02, Steinicke, Rz 72, wo es zwar auch um das Rechtsverhältnis zum Staat ging, der EuGH die Hinweise auf die unmittelbare Anwendbarkeit aber nicht wiederholte. 46 OGH 11.1.1995, 9 ObA 802/94.
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wurde zwar in einem Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG geäußert, kann aber auch hier in Anbetracht der Auffassung des EuGH nicht überzeugen. Überdies hat der AG jede Anwendung des KollV „zu vertreten“. Aus der Sicht der Kollektivvertragsparteien scheint die Geltung des § 3 eine lex imperfecta zu sein, weil die Folgen einer Verletzung der einzelne AG zu tragen hat und sie selbst keine rechtlichen Konsequenzen für Diskriminierungen treffen. Schadenersatzansprüche der AG gegen die Kollektivvertragsparteien kommen wohl nicht in Betracht. Spezifische Probleme bereitet die Feststellung einer vermuteten Be- 24 nachteiligung (§ 5 Abs 2) im Fall eines KollV. Fraglich ist nämlich, ob es für den Vergleich auf den gesamten Geltungsbereich des KollV oder nur auf die Verhältnisse beim AG (Unternehmen) ankommt. Die jetzt maßgebenden Definitionen der Diskriminierung führen wohl dazu, dass eine Diskriminierung bereits vorliegt, wenn die Regelung des KollV aus der Sicht des gesamten Anwendungsbereiches diskriminiert. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt für die KollV also gleichsam unmittelbar, ohne Bindung an einen AG (vgl näher § 5 Rz 43 ff). Darüber hinaus kann aber auch das Verhalten des konkreten AG allein zu einer Diskriminierung führen, etwa wenn er Personen, die nicht vom KollV erfasst sind, anders behandelt und darin eine mittelbare Benachteiligung liegt. e. Anwendung von Gesetzen Fraglich ist, inwieweit auch die Anwendung von Gesetzen durch den 25 AG am GlBG zu messen ist. Die Normen des Unionsrechts gegen Diskriminierung – insb Art 157 AEUV und RL 2006/54/EG – gelten auch für staatliche Regelungen und verbieten zB Diskriminierungen bei Gesetzen zu Entgeltfortzahlung oder Kündigungsschutz. Die Maßstäbe des GlBG spielen bei dieser Prüfung naturgemäß keine Rolle. Dementsprechend wird in diesem Kommentar auch nicht darauf eingegangen, inwieweit andere österr Gesetze als das GlBG dem Unionsrecht entsprechen; und auch Judikatur des EuGH, die zur Prüfung von Gesetzen spezifisch ist, wird nicht als solche verarbeitet. Fraglich ist, ob diskriminierte AN Ansprüche wegen einer Diskrimi- 26 nierung, die schon im Gesetz vorgezeichnet ist, gegen ihren AG richten können, auch wenn dieser nur das nationale Gesetz vollzogen hat. Der Anspruch wird von der Lehre im Entgeltbereich, also bei Verletzung eines unmittelbar anwendbaren Verbotes, grds bejaht. Das ist zwar 121
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konsequent, aber dennoch zum Teil problematisch. Die Pflicht des AG, sich am Unionsrecht und nicht am nationalen Gesetz zu orientieren, ist jedenfalls für die Zukunft – also nach einer einschlägigen Entscheidung – auch aus der Sicht der AG unproblematisch. Problematisch ist es hingegen, wenn die Meinung des EuGH (oder eines nationalen Gerichts zum Unionsrecht) auch für die Vergangenheit so maßgebend ist, dass ein Verhalten, das sich am nationalen Gesetz orientierte, gleichwohl als rechtswidrig qualifiziert wird. Es gibt dazu kaum Rsp des EuGH zu Art 141 EGV oder 157 AEUV. Brauchbar sind dazu nur Entscheidungen, bei denen der Beklagte im nationalen Rechtsstreit ein privater AG ist, weil ansonsten die Verantwortung des Staates als AG schon aus anderen Gründen nahe liegt. Nur in einer Minderheit der Fälle trifft dies aber zu (in der Mehrzahl der Entscheidungsfälle ist eine Gebietskörperschaft oder eine staatsnahe Organisation beklagt). Bei den Entscheidungen mit privatem AG als Beklagten ging es selten um die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Unionsrecht, und wenn es darum geht, dann wurde oft die Vereinbarkeit bejaht. Wirklich einschlägig sind soweit zu sehen nur zwei Entscheidungen; in beiden hat der EuGH keine Einschränkungen zur Verantwortlichkeit des AG gemacht, der nur ein nationales Gesetz ausführt.47 Mit der Verantwortlichkeit des AG würde allerdings die Funktion des – nationalen – Rechts, Maßstab des Verhaltens zu sein, letztlich ignoriert. Der AG hat auf das Gesetz vertraut und seine Kalkulation daran ausgerichtet, was nachträglich nicht mehr zu korrigieren ist. Die Zurechnung einer Diskriminierung, die schon im nationalen Gesetz angelegt ist, zum einzelnen AG lässt sich aber noch vertreten, wenn der AG die Diskriminierung auch selbst hätte beseitigen können, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen (indem er den Benachteiligten einfach mehr zahlt oder sonst leistet), falls die Diskriminierung offenkundig war oder der AG sie doch zumindest leicht hätte erkennen können. Für die Rechtsfolgen gilt dann § 12. Der AG muss also neben den anderen Regelungen stets auch das GlBG beachten, und darf sich nicht auf die andere nationale Regelung verlassen. War die Diskriminierung hingegen nicht offenkundig oder leicht erkennbar, dann möchte man dem AG schwerlich die Verantwortung für eine kohärente Gesetzgebung anlasten. Tut man es dennoch, so muss man ihm einen Ersatzanspruch gegen den Staat zugestehen. Verneint man hingegen die Verantwortung des AG, so kommt ein Ersatzanspruch des 47 EuGH 19.11.1998, C-66/96, Pedersen, Rz 37 ff; 13.7.1989, 171/88, RinnerKühn, Rz 16; beide betreffen Entgeltfragen.
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AN gegen den Staat in Betracht. Anders wäre die Lage, wenn der AG sich am nationalen Gesetz orientiert hat, und dieses (nur) gegen eine nicht unmittelbar anwendbare RL verstößt. Hier gibt es keine Verantwortlichkeit des AG, der sich an das nationale Recht gehalten hat. Der OGH hat allerdings das Argument des AG, er wolle die Frau nicht einstellen, weil sie in der Nacht nicht arbeiten darf, als Rechtfertigung anscheinend nur zugelassen, solange das Nachtarbeitsverbot gerade in Österreich nicht der RL widersprach.48 Bedenkt man, dass die RL 2006/54/EG zwischen Privaten nicht unmittelbar anwendbar ist, müsste sich der AG in anderen vergleichbaren Fällen aber wohl stets mit dem nationalen Recht rechtfertigen können. Die diskriminierte Person hätte dann (nur) einen Ersatzanspruch gegen den Staat. Heute ist fraglich, inwiefern diese Konstellation noch einschlägig sein kann. Hinsichtlich des Verbots der Altersdiskriminierung und der Diskriminierung nach der Religion hat der EuGH in einer Reihe von Urteilen49 ausgesprochen, dass im Unionsrecht die Diskriminierungsverbote als allgemeine Rechtsgrundsätze bzw als spezielle Ausformung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes, somit als unmittelbar anwendbares Primärrecht, gelten und eine ihnen entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet zu bleiben hat, auch wenn es sich um einen Rechtsstreit zwischen Privaten handelt.50 In späteren E wurde zusätzlich mit Art 21 GRC argumentiert, dem ebenfalls unmittelbare Wirkung zukommt.51 Damit hat der EuGH eine horizontale Drittwirkung entgegen seiner Judikatur zur unmittelbaren Anwendbarkeit von RL geschaffen.52 Im Urteil Dansk Industri hat er zudem den Einwand, dies sei für den AG mit großer Rechtsunsicherheit verbunden, verworfen.53 Zwar wurde diese Begründung bisher noch nicht auf die Gleichbehandlung nach dem Geschlecht angewendet, Gründe für eine abweichende Beurteilung sind allerdings keine ersichtlich.54 Damit ist letztlich davon auszugehen, dass die Unterschei48 OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h. 49 EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold; 19.1.2010, C-55/07, Kücükdeveci; 19.4.2016, C-441/14, Dansk Industri; 22.1.2019, C-193/17, Cresco Investigation. 50 Vgl dazu Thüsing in MüKo AGG § 2 Rz 19; krit Pačić, ZAS 2012/4. 51 EuGH Cresco Investigation Rz 76 ff. 52 EuGH 5.10.2004, C-397/01, C-401/01, Pfeiffer, Rz 109; vgl auch Öhlinger/ Potacs, EU-Recht7 79. 53 EuGH Dansk Industri Rz 38 f. 54 Ebenso Rebhahn, RdW 2012, 481; vgl zur Religion als Kriterium EuGH 17.4.2018, C-414/16, Egenberger, Rz 76.
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dung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor für das europäische Gleichbehandlungsrecht an Bedeutung verliert und eine weiter als bisher angenommen reichende Verantwortung von AG auch für im Gesetz angelegte Diskriminierungen besteht. 27 In einigen wenigen Fällen kann der AG die Diskriminierung nicht selbst korrigieren. So wäre es, wenn das Gesetz eine unzulässige Vorrangregel vorschreibt (§ 8 Rz 14 ff) oder wenn die gesetzlichen Auswahlkriterien zur Sozialauswahl diskriminierend sein sollten (Rz 166). Wird nur eine nicht unmittelbar anwendbare RL verletzt, so können die AN allenfalls Anspruch auf Schadenersatz gegen den Staat haben, jedoch keine Ansprüche gegen den AG. Verletzt das nationale Gesetz hingegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht (was angesichts der Rsp des EuGH zur GRC freilich zunehmend der Fall sein wird, vgl Rz 26), so hat dieses Vorrang: Der AG hat diskriminiert. Fraglich ist, ob auch in diesem Fall § 12 eingreift, der AG danach Ersatz zu leisten hat. Der Wortlaut des § 12 erfasst diesen Fall wohl nicht, weil ein österr Gesetz nicht Sanktionen für ein Verhalten vorsehen wird, das ein anderes österr Gesetz gebietet. Die Rechtsfolgen richten sich dann unmittelbar nach dem Unionsrecht. Dieses verlangt idR nicht nur eine Korrektur für die Zukunft, sondern auch eine für die Vergangenheit. Jene für die Zukunft muss der Gesetzgeber leisten. Die Korrektur für die Vergangenheit besteht hingegen auch nach Auffassung des EuGH grds in einer Angleichung nach oben an die Lage der besser gestellten AN, und damit idR in Nachzahlungen des einzelnen AG an den AN.55 Und die Verantwortung des AG hat, wenn das nationale Recht sie privatrechtlich ausgestaltet, verschuldensunabhängig zu sein.56 Fraglich ist, ob man dann die Fehlleistung des nationalen Gesetzes dem AG anlasten darf. UE ist bzw wäre die Zurechnung einer Diskriminierung zum AG selbst dann, wenn das nationale Gesetz das unionsrechtswidrige Verhalten selbst eindeutig verlangt und davon abweichendes Verhalten mit Sanktionen belegt, kaum zu vertreten. Der AG darf dann ja nicht anders handeln, selbst wenn er sich der Diskriminierung bewusst ist. In Betracht kommt dann nur eine Haftung des Staates gegenüber dem AN. Bejahte man hingegen (wie durch die neuere Rsp zu den allgemei55 Vgl EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rz 18 ff; 28.9.1994, C-28/93, van den Akker, Rz 18, aber zu KollV und Regelungen des ArbG; vgl dazu Rebhahn, RdW 2012, 481; zum Konflikt zwischen nationalem Gesetz und Unionsrecht vgl nunmehr EuGH 22.1.2019, C-193/17, Cresco Investigation, Rz 80 ff. 56 EuGH 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 22 ff.
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nen Rechtsgrundsätzen und der GRC wohl geboten) die Verantwortung des AG, dann wären wohl die Bestimmungen der §§ 12 und 26 GlBG für den Inhalt der Ansprüche relevant, insb deren Abs 2 und 6. Allerdings wird dem AN keine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung zustehen, weil der AG durch das Befolgen des Gesetzes kaum die Persönlichkeit bestimmter einzelner AN verletzen kann. Der AG kann dann versuchen, seinen Schaden – in Höhe der Nachzahlungen – vom Staat auf der Basis der Staatshaftung ersetzt zu erlangen, weil das unionsrechtswidrige Gesetz ihn zur Diskriminierung veranlasst hat.
4. Zu den Rechtsfolgen Die Vorschriften des GlBG sind zwingend (§ 1 Rz 48). Für die Rechts- 28 folgen einer Diskriminierung durch den AG57 ist primär § 12 maßgebend. Allerdings lässt das Gesetz hier wichtige Fragen offen. So wird insb nicht ausdrücklich angeordnet, dass diskriminierende Bestimmungen eines Rechtsgeschäfts nichtig sind. Das Unionsrecht verlangt aber, dass eine gegen Art 157 AEUV verstoßende Klausel (selbst in einer staatlichen Regelung) wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden darf.58 Dies wird für alle in den Rz 11 ff genannten Rechtsgeschäfte gelten. Es muss sich dabei um jene Nichtigkeit handeln, die jederzeit und von allen ohne Beschränkung durch eine Frist geltend gemacht werden kann. Zum Entgelt diskriminierende Bestimmungen eines Rechtsgeschäfts – Arbeitsvertrag, KollV, Betriebsvereinbarung, Weisung – sind daher (absolut) nichtig. Auch in Deutschland tritt nach dem AGG Nichtigkeit ein.59 IdR wird es nur zu einer Teilnichtigkeit kommen. In der Praxis steht allerdings die Nichtigkeit in vielen Fällen nicht im Vordergrund, weil es zur Anpassung des Entgelts oder der anderen Arbeitsbedingung zum Vorteil des Diskriminierten kommt; jedenfalls für die Vergangenheit (Rz 31). Es kommt also zur Korrektur des Vertrages (§ 12 Rz 58).
57 Vgl zu den potentiellen Rechtsfolgen Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 77 ff. 58 EuGH 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 77; unter Hinweis auf EuGH 9.3.1978, 106/77, Simmenthal, Rz 24. 59 Thüsing in Müko AGG § 7 Rz 11 ff; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 7 Rz 33 ff.
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29 Bei Rechtsgeschäften, welche bei sonstigen Arbeitsbedingungen iSd RL 2006/54/EG diskriminieren, kann nicht der Vorrang von Art 157, sondern allenfalls jener allgemeiner Rechtsgrundsätze und der GRC zur Nichtigkeit führen. Und § 12 Abs 6 gibt ausdrücklich (bloß) den Anspruch auf Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen oder auf Ersatz des Vermögensschadens. Bei Weisungen würde das Erste wohl ein Recht auf die Rücknahme der Weisung bedeuten (zB der Versetzung). Nach der allg Regel sind gesetzwidrige Weisungen aber stets unwirksam, weil die Gestaltungsbefugnis des AG nur innerhalb der Schranken des Gesetzes besteht. Dies kann und muss auch für Weisungen gelten, die § 3 verletzen; dafür spricht auch Art 23 lit b) RL 2006/54/ EG, weil die Unwirksamkeit eben die im nationalen Recht für rechtswidrige Weisungen normalerweise vorgesehene Rechtsfolge ist. Allerdings handelt der AN, wenn er eine Weisung nicht befolgt, partiell auf eigenes Risiko. Hält das Gericht die Weisung später für nicht diskriminierend und wirksam, so hat der AN seine Dienstpflichten verletzt; dies kann zur Kündigung oder bei Verschulden zur Entlassung führen; bei begründetem Verdacht einer Diskriminierung wird es aber am Verschulden fehlen (entschuldbarer Rechtsirrtum). Auch für Bestimmungen eines Arbeitsvertrages, welche bei den sonstigen Arbeitsbedingungen diskriminieren, enthält § 12 keine Regelung. Die besseren Argumente sprechen auch hier (wie bei Verstoß gegen Art 157 AEUV; Rz 28) für Nichtigkeit gem § 879 Abs 1 ABGB; der Zweck des GlBG verlangt, dass es keine aufrechten Vertragspflichten geben kann, welche zu einer verbotenen Diskriminierung führen. Es kommt zur Teilnichtigkeit, uzw ohne geltungserhaltende Reduktion. Auch diskriminierende Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung sind nichtig. § 11 enthält zwar eine spezielle Regelung für diese Normen, die jedoch nur einen Teil der Probleme anspricht, und überdies auch für diesen Teil keine Aussage zu den Rechtsfolgen trifft. Es entspricht allg Regeln, dass Betriebsvereinbarungen – als Verträge des Privatrechts – bei Gesetzesverstoß (teil)nichtig sind, sofern der Normzweck dies verlangt (zu erzwungenen Betriebsvereinbarungen vgl Rz 16). Dasselbe wird auch für KollV gelten. Auch in Deutschland ist es ganz hM, dass Vereinbarungen und Maßnahmen, welche gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, teilnichtig sind.60 In Bezug auf Schadenersatz wird § 12 hingegen eine abschließende Regelung enthalten; § 3 ist daher nicht Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB. Auch für Kündigungen ist § 12 eine abschlie60 Schlachter in ErfK AGG § 7 Rz 6.
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ßende Regelung, was der Annahme von Unwirksamkeit infolge Sittenwidrig entgegensteht, vgl Rz 154. Keine Regelung enthält das Gesetz zur Frage, inwieweit dem AN bei Verletzung des Diskriminierungsverbotes ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht. Es gelten daher die allg Regeln. Danach ist die Zurückbehaltung bei Verletzung der Entgeltpflicht (zu der auch eine Verletzung des Art 157 AEUV zählen wird) eher möglich als bei Verletzung einer Nebenpflicht; hier soll sie nur bei schwerwiegender Verletzung zulässig sein. In jedem Fall trägt der AN das Risiko, sich über die Voraussetzung des Zurückbehaltungsrechts zu irren. § 13 greift hier nicht, wohl aber § 105 Abs 3 lit i ArbVG. Das GlBG enthält nur ein Verbot der Diskriminierung: Aufgrund des 30 Geschlechtes oder eines nach § 17 missbilligten Merkmals darf kein AN in vergleichbarer Lage (Rz 8) benachteiligt werden. Das GlBG verpflichtet jedoch nicht, bei unterschiedlichen Lagen die AN – nur aber auch – entsprechend der Eigenart der Unterschiede verschieden zu behandeln (keine Differenzierungspflicht). Sind zwei Tätigkeiten also weder gleich noch gleichwertig iSd Art 157 Abs 1 AEUV, so enthält Art 157 AEUV keine Vorgabe für die Differenz, die in der Bezahlung der beiden Tätigkeiten bestehen muss oder darf, es ist damit auch zulässig, ungleiche Sachverhalte trotzdem gleich zu behandeln. Die Diskriminierungsverbote bleiben insoweit hinter dem möglichen Inhalt des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes zurück. Bei Verletzung eines Gleichheitsgebotes, insb in Bezug auf eine Leis- 31 tungspflicht (zB Entgelt), ist im Allgemeinen eine Korrektur nicht nur durch Besserstellung der Benachteiligten, sondern auch durch Beseitigung der Besserstellung, oder aber durch eine Mittellösung möglich. Gleichheitsgebote verlangen idR als solche keine bestimmte Regelung. Eine Korrektur durch Beseitigung der Besserstellung kann aber versperrt sein, wenn die bisher Begünstigten einen Anspruch auf die Begünstigung haben, entweder für die Vergangenheit oder auch für eine bestimmte Zeitspanne in der Zukunft. Im nationalen Recht ist dann allenfalls zu prüfen, ob die Einsicht, die bisherige Regelung sei gleichheitswidrig, die Geschäftsgrundlage ändert. Zum Unionsrecht hat der EuGH hingegen besondere Regeln für die Korrektur von Diskriminierungen entwickelt, va zu Betriebspensionen (Rz 183 ff). Primär ist dann zwischen den Rechtsfolgen für die Zukunft und für die Vergangenheit zu unterscheiden. Wichtig ist, dass diese Regelungen – auch bei KollV oder BV – anders als sonst, häufig bei Nichtigkeit nicht danach fragen, welche nicht diskriminierende Regelung die Vertragsparteien redlicher127
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weise getroffen hätten, sondern jedenfalls für die Vergangenheit zu einer Lückenfüllung durch das Gericht führen! Die dafür ins Treffen geführte Rechtfertigung damit, dass die Kollektivvertragsparteien das Risiko der Diskriminierung nicht hätten eingehen dürfen,61 überzeugt nicht, weil die Rechtsfolgen ja der AG zu tragen hat. 32 Der EuGH lässt jedenfalls für die Vergangenheit nur eine Angleichung nach oben zu, also zB bei Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten von der Betriebspension einen Anspruch der Ausgeschlossenen auf Gleichbehandlung und damit auf Begründung von Anwartschaften für die Vergangenheit. Denn bis zu einer Korrektur der Regelung ist die bestehende Regelung das einzig zulässige Bezugssystem.62 Dies gilt offenbar sogar, wenn die Besserstellung der anderen und damit die Diskriminierung auch rückwirkend beseitigt werden könnte, und folgt insoweit nicht aus dem Inhalt eines Gleichbehandlungsgebotes. Wenn ein KollV Frauen durch eine Entgeltregelung mittelbar diskriminiert, so müssen die Gerichte die begünstigende Bestimmung daher auch auf die bisher Benachteiligten anwenden, aus der Sicht des Unionsrechts jedenfalls soweit dieses unmittelbar anwendbar ist.63 Dementsprechend muss der AG die Diskriminierung für die Vergangenheit auf seine Kosten beseitigen. Nach dem GlBG treten diese Zurechung und die genannten Rechtsfolgen auch bei einer Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen stets ein. Die Pflicht zur Angleichung nach oben gilt selbst dann, wenn diese den AG in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten bringt.64 Wichtig ist auch, dass das Beseitigen einer mittelbaren Diskriminierung durch Besserstellung nur der benachteiligten Frauen (zB der Teilzeitbeschäftigten) zu einer unmittelbaren Benachteiligung der bis dahin in gleicher Weise benachteiligten Männer (zB teilzeitbeschäftigte Männer) führen würde. Dies wird idR wiederum das Diskriminierungsverbot verletzen, so dass die Benachteiligung auch für die Angehörigen des bisher nicht benachteiligten Geschlechtes beseitigt werden muss.65 Der EuGH leitet das Gebot der Verschlechterung für die Vergangenheit aus dem Gebot zur Angleichung der Arbeitsbedin61 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 86. 62 ZB EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rz 18–20; 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 32 f; 28.9.1994, C-408/92, Smith, Rz 14 ff; 28.9.1994, C-28/93, van den Akker, Rz 16–18. 63 So zB EuGH 20.3.2003, C-187/00, Kutz-Bauer, Rz 64 ff mwN. 64 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 43. 65 Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 65.
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gungen „nach oben“ in Art 119 aF (nun Art 157 AEUV) ab. Diese Begründung, die sich schon in der E Defrenne II findet, ist verfehlt. Die Pflicht zur Beseitigung der Diskriminierung für die Vergangenheit ist bei Diskriminierung durch Gesetz am problematischsten (dazu Rz 26), und bei jener durch KollV problematischer, als wenn der AG die Diskriminierung selbst veranlasst hat. Für die Zurechnung des KollV zum AG auch für die Vergangenheit mag in der Sache angeführt werden, dass der AG – in vielen Fällen – durch den KollV nicht zur Diskriminierung verpflichtet wurde; er hätte auch mehr zahlen bzw leisten können als der KollV vorsah. Bei einem Verbandskollektivvertrag kann in allen anderen Mitgliedstaaten überdies angeführt werden, dass der AG dem Verband freiwillig angehört hat und daher für dessen Verhalten mitverantwortlich ist. In Österreich werden aber die KollV von Verbänden mit Zwangsmitgliedschaft abgeschlossen. Ist dem AG Diskriminierung nur vorzuwerfen, weil er einen KollV befolgt hat, so bestehen idR Bedenken gegen eine Entschädigung für persönliche Beeinträchtigung. Sie kann wohl nur zustehen, wenn dem AG zumindest der Vorwurf gemacht werden kann, er selbst habe – wenn auch unverschuldet – diskriminiert. Bei der Anwendung eines KollV, dem ja die Gewerkschaft zugestimmt hat, kann man selbst dies kaum sagen. Für die Zukunft kann die Diskriminierung, insb aus der Sicht des 33 Art 157 AEUV, grds sowohl durch eine Angleichung nach oben wie nach unten oder durch eine Mittellösung erfolgen.66 Allerdings ist dafür eine Reform der Gesamtregelung – etwa des KollV oder dessen Anwendung durch den AG – erforderlich. Solange die bestehende, bisher diskriminierende Regelung das einzige Bezugssystem bleibt, also keine Anpassungsmaßnahmen getroffen werden, ist weiterhin nur die Angleichung nach oben zulässig.67 Auch wenn ein Abbau der Begünstigung aus rechtlichen Gründen, insb wegen eines unentziehbaren Anspruches der Begünstigten, ausscheidet, kommt nur das Angleichen nach oben in Betracht. Soweit der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot allerdings zu einer Teilnichtigkeit führt, ist insb bei kollektiven Abreden zu prüfen, ob nicht ergänzende Vertragsauslegung oder die Lehre von der Geschäftsgrundlage zu einer Änderung der Gesamtregelung (also auch der Begünstigung) pro futuro führen, wenn und weil 66 EuGH 28.9.1994, C-408/92, Smith, Rz 21–22; 28.9.1994, C-28/93, van den Akker, Rz 19; 20.6.2011, C-399/09, Landtova, Rz 53. 67 Rebhahn, RdW 2012, 481.
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deutlich erkennbar ist, dass der verpflichtete AG die Regelung bei Kenntnis der Verbotswidrigkeit (und allfälliger zusätzlicher Lasten) nicht geschlossen hätte.68 34 Die subjektiven Rechte wegen einer Diskriminierung können durch nationale Vorschriften zu Verjährung oder Verfall beschränkt sein. Für die in § 12 genannten Ansprüche ist dies in § 15 geregelt; für die Ansprüche auf Nachzahlung von Entgelt und auch für jene auf Schadenersatz gelten daher grds nicht die Verjährungsfristen der § 1486 Z 5 und § 1489 ABGB. Das EU-Recht schränkt bei Ansprüchen wegen Diskriminierung die Zulässigkeit nationaler Verjährungs- und Verfallsnormen allerdings durch die Grundsätze der Gleichwertigkeit und Effektivität ein.69 Vom Unionsrecht vorgeschriebene Ansprüche dürfen danach nicht eher und leichter verjähren als vergleichbare rein nationale Ansprüche; § 15 dürfte dies nicht bei allen Ansprüchen beachten. Überdies muss eine effektive Durchsetzung möglich sein. Die kurze Frist des § 15 Abs 1 für eine Kündigungsanfechtung könnte dagegen ebenso verstoßen wie die Möglichkeit, die Verjährung durch KollV stark abzukürzen. Der Beginn des Fristenlaufs ist für die Abs 1 und 5 mit der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung festgesetzt. Die Frist für die Kündigungs- oder Entlassungsanfechtung beginnt mit Zugang der Beendigungserklärung zu laufen. Problematisch ist dabei, dass der AN in dieser kurzen Zeit nicht immer so rasch die Möglichkeit haben wird, das dabei vorhandene diskriminierende Element zu erkennen. Für alle anderen Ansprüche bis auf die Belästigungstatbestände wird auf § 1486 ABGB verwiesen. Der Fristenlauf beginnt danach mit dem Zeitpunkt, in dem das Recht zuerst hätte ausgeübt werden können. Dies ist der Moment, in dem der Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis entgegensteht und damit die objektive Möglichkeit zu klagen gegeben ist.70 Durch die ausdrückliche Bezugnahme des Gesetzgebers auf § 1486 ABGB ist daher der Beginn des Fristenlaufs ab dem Zeitpunkt, in dem die Diskriminierung bekannt geworden ist, iSd § 1489 ABGB nicht möglich. Lediglich hinsichtlich der (sexuellen) Belästigung könnte auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Diskriminierung abgestellt werden, weil hier das Gesetz den Beginn des Fristenlaufs of68 In diese Richtung auch Thüsing in Müko AGG § 7 Rz 13 bei grds vergleichbarer Rechtslage zum Vertragsrecht. 69 EuGH 1.12.1998, C-326/96, Levez, Rz 18 ff, 31. 70 Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 1478 Rz 3.
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fen lässt.71 Bei Schadenersatzansprüchen erscheint eine kollektivvertragliche Abkürzung der Verjährung durch eine kurze Verfallsfrist, die sofort beginnt, unionsrechtlich besonders bedenklich, weil dann die Ansprüche bei Diskriminierung mehr beschränkt sind als das nationale Recht Schadenersatzansprüche normalerweise begrenzt.
II. „Geschlecht“ als Unterscheidungsmerkmal 1. Allgemeines § 3 verbietet die unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf- 35 grund des Geschlechtes. § 5 definiert die beiden Arten der Diskriminierung. Die beiden Definitionen helfen aber nur zur Frage weiter, wann „auf Grund“ des Geschlechtes unzulässig unterschieden wird, also bei der erforderlichen und ausreichenden (Kausal-)Beziehung zwischen Geschlecht und Maßnahme. Sie sagen nicht näher, was unter „Geschlecht“ zu verstehen ist. Auszugehen ist zunächst vom biologischen Geschlecht (sex), das allerdings nicht binär verstanden werden darf.72 Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt auch vor, wenn ein AN ein Geschlecht iS eines alternativen Geschlechts angibt,73 so etwa bei Intersexualität, also Fallkonstellationen, bei denen geschlechtsdifferenzierende Merkmale eine eindeutige Einordnung als männlich oder weiblich nicht zulassen,74 oder bei Transsexualität, also Personen, die sich trotz eindeutiger genetischer und/oder anatomischer Merkmale einem anderen Geschlecht oder auch gar keinem Geschlecht zugeordnet fühlen;75 dabei ist nach der aktuellen Rechtslage auch keine geschlechtsanpassende Operation mehr erforderlich.76 Dieses Thema wird allerdings erst seit kurzem umfassender in der Lit zum GlBG behandelt. Das Diskriminierungsverbot erfasste nach der Judikatur (was auch bereits in der Vorauflage angesprochen wurde, vgl dort § 3 Rz 36)77 auch bisher schon Benachteiligungen auf Grund der geschlechtlichen Identität (insb Transsexualität) im Zuge einer Ge71 Smutny/Mayr 523; § 15 Rz 9. 72 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 5/2. 73 Vgl VfGH 15.6.2018, G 77/2018. 74 Siehe dazu auch Petricevic, Rechtsfragen der Intergeschlechtlichkeit. 75 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 5/4. 76 VwGH 27.2.2009, 2008/17/0054; VwGH 15.9.2009, 2008/06/0032; VfGH 3.12.2009, B 1973/08-13. 77 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 3 Rz 5.
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schlechtsumwandlung.78 So sah der EuGH in der Regelung, die eine Hinterbliebenenpension für Personen nach einer Geschlechtsumwandlung faktisch ausschloss, weil diese nach englischem Recht nicht heiraten konnten, eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.79 Der EuGH bejahte die Diskriminierung, weil das Heiratshindernis der EMRK widerspricht.80 Im Vordergrund stand allerdings der Wechsel von einem binären Geschlecht ins andere, das Thema nicht-binärer Geschlechter scheint demgegenüber bislang kaum bis gar nicht behandelt worden zu sein. Auch die Vorauflage ging stillschweigend von einem binären Verständnis aus. Allerdings wurden in der Lit stellenweise bereits Fragen der Geschlechtsidentität auch von Intersexuellen (nach damaliger Bezeichnung „Hermaphroditen“) behandelt und unter dem Aspekt der Geschlechterdiskriminierung betrachtet.81 Diesen Stimmen ist letztlich dahin zu folgen, dass das GlBG auch nicht-binäre Geschlechter jeder Art umfasst und dies auch schon immer getan hat.82 Zwar sind weder das GlBG noch die RL 2006/54 sprachlich auf die Existenz nicht-binärer Geschlechter abgestimmt, wie bereits an einigen Überschriften erkennbar ist (so heißt der erste Teil des GlBG weiterhin „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt“) und wie sich auch in einigen inhaltlichen Normen fortsetzt – die Definition der mittelbaren Diskriminierung (dazu § 5 Rz 24) spricht von einer Benachteiligung in besonderer Weise gegenüber Personen „des anderen Geschlechtes“ und die Bestimmungen der § 8 und 9 sprechen nur von Männern und Frauen (zu den dadurch verursachten Problemen § 8 Rz 9; § 9 Rz 12). Die zentrale Bestimmung des Gleichbehandlungsgebotes in § 3 ist jedoch neutral formuliert – „aufgrund des Geschlechts“ – und impliziert damit gerade keine Einschränkung auf ein binäres Geschlechterverständnis. Ähnlich ambivalent sind die Vorschriften des LAG 2021, wo etwa in den §§ 134, 135 und 139 von Geschlecht die Rede ist und in den §§ 141 und 142 von Mann und Frau. 78 EuGH 30.4.1996, C-13/94, P. vs. S; 27.4.2006, C-423/04, Richards. 79 EuGH 7.1.2004, C-117/01, K.B. 80 Vgl im Detail, auch zu Fragen des Vergleichsmaßstabes, Lee, Ungleichbehandlung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen 251 ff. 81 Windisch-Graetz, ZAS 2004, 58 (59). Karl in Tomandl/Schrammel, Diskriminierungsverbote 43 (45) überlegt, Transsexuelle und „Hermaphroditen“ dem Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung zu unterstellen, schließt sich aber der Beurteilung von Windisch-Graetz an. 82 Zur Abgrenzung der Geschlechtsidentität von der sexuellen Orientierung vgl § 17 Rz 35 sowie Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 65.
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Eine Pflicht zur Einbeziehung nicht-binärer Geschlechter ergibt sich außerdem schon aus der aktuellen grund- und menschenrechtlichen Rsp des VfGH. Der VfGH hat nämlich 2018 in einer richtungsweisenden E betreffend 35a eine als zwischengeschlechtlich lebende Person eine Auslegung von § 2 Abs 2 Z 3 Personenstandsgesetz (nach dem ebenfalls das „Geschlecht“ einzutragen ist), wonach diese Bestimmung dazu zwingt, bei Eintragungen im Zentralen Personenstandsregister zur Bezeichnung des Geschlechts die Begriffe männlich oder weiblich zu verwenden, unter Verweis auf Art 8 EMRK als denkunmöglich und verfassungswidrig bezeichnet und die Bestimmung stattdessen verfassungskonform so interpretiert, dass angesichts der allgemeinen Formulierung eine alternative Geschlechtsidentität – und damit ein Abweichen von den traditionellen Geschlechtskategorien männlich oder weiblich – personenstandsrechtlich zum Ausdruck gebracht werden kann.83 Eine ähnliche E ist in Deutschland ergangen, wobei das dortige Personenstandsrecht ausdrücklich nur die Eintragungen männlich und weiblich erlaubte und insofern eine Aufhebung erfolgte.84 Es wäre nun systematisch und grundrechtlich kaum haltbar, wenn Personen, die sich personenstandsrechtlich zulässig als einem nichtbinären Geschlecht angehörig bezeichnen, sich arbeitsrechtlich trotz im Kern gleicher Formulierung der Gesetzestexte (nur Bezug auf das Geschlecht) für ein binäres Geschlecht entscheiden müssten.85 Auch der EuGH hat in einer E zur Transsexualität bereits zur RL 76/207/EWG klargestellt, der Grundsatz der Gleichbehandlung „von Männern und Frauen“ bedeute, es dürfe keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgen und die RL gelte auch für Diskriminierungen, die ihre Ursache in einer Geschlechtsumwandlung haben.86 Dabei sollte entgegen der Tendenz des VwGH87 und in der Folge des BMI, welche mglw mit der VfGH-Entscheidung im Widerspruch steht,88 jedenfalls für das GlBG auch nicht 83 VfGH 15.6.2018, G77/2018; im Detail vgl Dengg/Schranz, RdM 2018, 272; gegen die Bezeichnung als „drittes Geschlecht“ Neumayr, ÖZPR 2018, 126. 84 BVerfG 10.10.2017, 1 BvR 2019/16. 85 Auch zum deutschen AGG wird bereits vertreten, dass es auch Intersexualität als Geschlecht umfasst, vgl Schlachter in Erfk AGG § 1 Rz 6; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 104. 86 E P. vs. S., Rz 17 ff, 20. 87 VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0015. 88 Petričević, juridikum 2019, 165 (168).
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auf biologische/körperliche Merkmale89 abgestellt werden. Bereits die EuGH-Rsp zu Transsexualität spricht von der „Geschlechtsidentität“. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum es für den Diskriminierungsschutz des GlBG auf körperliche Merkmale ankommen sollte und insofern ein AN aufgrund eines „bloßen“ Zugehörigkeitsgefühls zu einem Geschlecht diskriminiert werden dürfte. 35b Unklar bleibt wohl, ob auch das Unionsrecht nicht-binäre Geschlechtsidentitäten berücksichtigt, da bisherige Entscheidungen lediglich zur Geschlechtsumwandlung ergingen und nicht zu Fällen, in denen eine Person überhaupt keinem binären Geschlecht zugeordnet werden kann oder möchte. Auch der Erwägungsgrund 3 der RL 2006/54/EG nimmt nur auf Geschlechtsumwandlungen Bezug. Dies ist bereits etwas undifferenziert so verstanden worden, dass die Richtlinie „kein drittes Geschlecht kennt“.90 Sollte diese Auslegung zutreffen, wäre die ö Rechtslage, bedingt durch die EMRK, ein „leveling up“ gegenüber der Gleichbehandlungsrichtlinie, was aber – da schon Art 27 der RL 2006/54/EG eine bloße Mindestharmonisierung vorsieht – unproblematisch sein dürfte. UE ist allerdings auch von den unionsrechtlichen Grundlagen nicht nur die Diskriminierung von Mann und Frau, sondern auch eine Diskriminierung aufgrund nicht-binärer Geschlechter umfasst, selbst wenn solche (letztlich mangels eines Anlassfalles beim EuGH) noch nicht explizit behandelt worden sind.91 Eine diffizile Aufgabe für den nationalen wie unionsrechtlichen Gesetzgeber wird allerdings sein, die Formulierungen der Richtlinien und des GlBG an nicht-binäre Geschlechter anzupassen. UE wäre es schon aufgrund des edukativen Effekts dieser Rechtsgrundlagen und um Unklarheiten zu beseitigen sinnvoll, wenn der Gesetzgeber Ausformungen anderer Geschlechter auch ausdrücklich in dieses Gesetz aufnimmt. Dabei darf allerdings nicht erneut der Eindruck einer taxativen Aufzählung von Geschlechtern erweckt werden. 36 Da nur eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verboten wird, erfasst das Verbot grds nicht auch Benachteiligungen im Verhältnis zu AN desselben Geschlechts.92 Davon gibt es jedoch eine wichtige Ausnahme bei Schwangerschaft (Rz 40). Zu überlegen ist darüber hinaus, 89 ISd chromosomalen, anatomischen und/oder hormonellen Entwicklung. 90 Körlings, NZA 2018, 282. 91 Dafür sprechen etwa bereits die Schlussanträge von GA Tesauro zu C-13/94, P. – S., Rz 17, wonach es überholt sei, jenem den Schutz zu versagen, der außerhalb der traditionellen Einteilung Mann/Frau steht. 92 EuGH 9.9.1999, C-281/97, Krüger, Rz 19.
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inwieweit nicht das differenzierende Anknüpfen an der sozial und kulturell bestimmten Geschlechterrolle (gender), die ja wesentliche Ursache für die Geschlechterdiskriminierung ist, unter das Diskriminierungsverbot fällt.93 Dies ist fraglos der Fall, wenn das biologische und das soziokulturelle Geschlecht zusammenfallen. Im Tatbestand der geschlechtsbezogenen Belästigung wird das Anknüpfen des Gesetzgebers an die Geschlechterrolle besonders deutlich sichtbar: Belästigungen erfolgen idR immer auf Grund von Vorurteilen über die Geschlechterrolle (stereotype Zuschreibungen wie „Frauen können nur Kaffeekochen“ uÄ). Darf aber nicht an der Geschlechterrolle differenzierend angeknüpft werden, dann muss auch bei Auseinanderfallen des biologischen und des soziokulturell bestimmten Geschlechts das GlBG anwendbar sein; in diese Richtung geht auch der EuGH.94 Somit hat zB ein Mann, der iSd „neuen Männer, Väter“ etc Väterkarenz in Anspruch nimmt, und deswegen von seinem AG benachteiligt oder von diesem oder von Arbeitskollegen auf Grund seiner Geschlechterrolle belästigt wird, Ansprüche gem GlBG.95 Als verdeckte Diskriminierung wird oft eine Benachteiligung bezeich- 37 net, die auf ein vordergründig neutrales Merkmal abstellt, jedoch zwangsläufig geschlechtsspezifisch unterscheidet. Das wichtigste Beispiel ist die Schwangerschaft, die von der hM als unmittelbare Diskriminierung eingeordnet wird (so auch Art 2 Abs 2 lit c) RL 2006/54/ EG). In anderen Fällen ist die Einordnung als unmittelbare oder mittelbare fraglich.96 Bei Männern stellt sich diese Frage etwa im Zusammenhang mit dem geleisteten oder noch nicht geleisteten Wehr- bzw Zivildienst.97 Bessere Gründe sprechen dafür, entgegen der Vorauflage das Abstellen auf den abgeleisteten Präsenzdienst als unmittelbare Diskriminierung anzusehen, da es ein Merkmal betrifft, nämlich die Erfüllung der Wehrpflicht, das bei Frauen aus rechtlichen Gründen nicht vorhanden sein kann, somit ein geschlechtsspezifisches Merkmal.98 Folgt man 93 In diese Richtung bereits Bei/Novak in Aichhorn, Frau & Recht 83 (95). 94 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 94. 95 So auch OGH 25.10.2011, 9 ObA 78/11b; GBK 30.5.2017, I/616/15; 9.8.2017, I/618/15. 96 Vgl zB EuGH 7.12.2000, C-79/99, Schnorbus; § 5 Rz 3. 97 Zankel, DRdA 2006, 408. 98 Dafür auch Thüsing in MüKo AGG § 8 Rz 27; Ausnahmen könnten da bestehen, wo die Kenntnis der Institution Heer entscheidende Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit ist.
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dieser Argumentation so wie der EuGH nicht,99 wird man zumindest eine mittelbare Diskriminierung annehmen müssen. Eine weitere Unterscheidung bei Männern danach, ob sie Wehrdienst oder Zivildienst geleistet haben, vor dem Hintergrund der Geschlechterrolle (Wehrdienst als besonders „männlicher“ Dienst) scheint jedoch zu weit hergeholt; einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass Zivildienst „weiblich“ konnotiert ist, gibt es wohl nicht. Fraglich ist, ob eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch vorliegt, wenn der AG mit Hilfe eines zusätzlichen Merkmals nur eine Untergruppe jener Personen benachteiligt, deren Benachteiligung missbilligt ist („sex plus ground“). Soweit die Untergruppe mit Hilfe eines anderen missbilligten Merkmals (§ 17; zB Frauen aus Afrika) gebildet wird, ist auch die Unterscheidung nach diesem Merkmal nach der hier vertretenen Auffassung unzulässig (Rz 53). Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt etwa vor, wenn nur verheiratete Männer im Vergleich zu verheirateten Frauen benachteiligt werden.100 Wird die Untergruppe hingegen mittels eines an sich nicht missbilligten Merkmals gebildet (zB Körpergröße – Frauen unter 1,70m), so ist die Benachteiligung dieser Untergruppe wohl nur dann unzulässig, wenn das zusätzliche Merkmal bei jenen Personen, die schon nicht der Hauptgruppe angehören (hier: den Männern) allg oder beim AG kaum verwirklicht ist. Ansonsten dürfte die Benachteiligung der Untergruppe zulässig sein.101 Lange war fraglich, ob die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz unter Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes fällt. Die RL 2006/54/EG legt nun in Art 2 Abs 2 lit a fest, dass die sexuelle wie die geschlechtsbezogene Belästigung als Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes gelten. Das GlBG regelt die Belästigung gesondert in § 7. § 3 ist daher auf Belästigung nicht anzuwenden. Offen war zudem lange, ob Unterscheidungen aufgrund der sexuellen Orientierung unter Art 157 AEUV fallen.102 Die Sonderbestimmungen in der RL 2000/78/EG und in § 17 sprechen heute eindeutig dagegen. 38 Eine Maßnahme des AG erfolgt wohl auch dann aufgrund des Geschlechts, wenn die Geschlechtlichkeit eine bedeutende Rolle dafür spielt, etwa wenn eine Frau gekündigt wird, weil sie „als Frau“ Unruhe 99 EuGH 7.12.2000, Schnorbus, Rz 30 f. 100 EuGH 28.9.1994, C-7/93, Beune, Rz 49–54. 101 Vgl auch Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 43. 102 Abl EuGH 17.2.1998, C-249/96, Grant.
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in den Betrieb bringe.103 Die Lage ist hier parallel zu § 17. Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt daher an sich auch vor, falls ein/e AN (sexuell oder geschlechtlich) belästigt wird (§§ 6 f) und wegen der Beschwerde dagegen benachteiligt wird; diese Konstellation wird von § 13 erfasst, aber wohl nicht abschließend. Fraglich ist, ob darüber hinaus auch die Benachteiligung wegen einer Aktivität, welche die Angehörigen eines Geschlechtes (oder einer von § 17 erfassten Gruppe) gezielt unterstützt, also aufgrund einer „geschlechtspolitischen Aktivität“, eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes ist. Zu denken ist an Forderungen nach mehr Gleichbehandlung oder Gleichstellung im Unternehmen oder auch in der Gesellschaft. Ein Teil der Lehre bejaht hier eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts auch bei außerbetrieblichen Aktivitäten.104 Es ist aber zweifelhaft, ob hier eine unmittelbare Diskriminierung vorliegt, weil nicht direkt an das Geschlecht angeknüpft wird. Eine unmittelbare Diskriminierung dürfte insb zu verneinen sein, wenn der Anteil der Frauen unter den Beförderten groß ist, und nur eine Frau wegen ihrer frauenpolitischen Aktivitäten nicht befördert wird. Überdies können politische Engagements – wenn auch mit verschiedenen Inhalten – von allen AN gesetzt werden und es könnten daher auch alle von einer Kündigung betroffen sein; in Betracht kommen könnte allenfalls eine mittelbare Diskriminierung, wenn der AG gezielt nur das frauenpolitische Engagement benachteiligt, oder eine (unmittelbare) Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung nach § 17.
2. Schwangerschaft Als Differenzierung aufgrund des Geschlechtes sieht der EuGH auch 39 das Anknüpfen an eine Tatsache, die nur Angehörige eines Geschlechtes erfüllen können: Schwangerschaft und Geburt.105 Heute bestimmt Art 2 Abs 2 lit c RL 2006/54/EG: „Im Sinne dieser Richtlinie gelten als Diskriminierung […] jegliche ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub im Sinne der RL 92/85/EWG.“ In der Lehre wurde eingewendet, dass man Schwangerschaft nicht sinnvoll mit der Lage der Männer vergleichen 103 Trost, ZAS 1996, 14. 104 Trost, ZAS 1996, 14 f; Smutny/Mayr 297. 105 Beginnend mit EuGH 8.11.1990, 177/88, Dekker, Rz 12; 8.11.1990, 179/88, Hertz, Rz 13; 5.5.1994, C-421/92, Habermann-Beltermann, Rz 15; 14.7.1994, C-32/93, Webb, Rz 19.
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könne.106 Dies überzeugt nicht, schon weil jedenfalls eine Unterscheidung aufgrund der Geschlechterrolle vorliegt. Allerdings wird zwischen Benachteiligung und Bevorzugung unterschieden. Begünstigungen für Schwangere und junge Mütter im Zusammenhang mit der Geburt können grds gerechtfertigt werden. Grundlage sind Art 28 Abs 1 RL 2006/54/EG und § 8 GlBG; vgl näher § 5 Rz 16 ff. 40 Eine Benachteiligung Schwangerer ist hingegen verboten. Verboten ist die Diskriminierung insb bei der Einstellung,107 beim beruflichen Aufstieg und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl Rz 67 ff, 140, 157). Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn sich nur Frauen beworben haben und wegen der Schwangerschaft entschieden wird. Verboten ist also auch die Benachteiligung im Verhältnis zu anderen nichtschwangeren Frauen. Diese Auffassung ist wenig überzeugend, weil sie eher mechanisch allein auf das Motiv abstellt und nicht sieht, dass die Benachteiligung aufgrund der Schwangerschaft nicht per se verboten ist, sondern weil sie als Argument zur Benachteiligung gegenüber Männern dient; die Sichtweise des EuGH ist aber häufig so verkürzt wie in dieser Frage. Das Unionsrecht verbietet jedoch nicht jede für die AN nachteilige Maßnahme des AG, für welche die Schwangerschaft bloß kausal ist, etwa einen Entfall des Entgeltanspruchs während der Schwangerschaft108 oder während einer Freistellung aus Anlass der Geburt.109 Der EuGH nimmt diese Rechtsfolgen ohne weiteres hin, obwohl die Benachteiligung offenkundig auf der Schwangerschaft beruht, er verweist beim Entgelt auf die besondere Situation von Frauen im Mutterschaftsurlaub und die insofern fehlende Vergleichbarkeit sowohl zu Männern als auch zu arbeitenden Frauen. Auch die RL zum Mutterschutz 92/85/EWG verlangt keine vollständige Entgeltfortzahlung bzw eine das volle Entgelt ersetzende Sozialleistung.110 Akzeptiert hat der EuGH auch, dass auf die österr Abfertigung zwar Zeiten des Präsenzdienstes (sogar der freiwilligen Verlängerung) angerechnet werden, nicht aber Zeiten des, wie der EuGH meinte, von Anfang an auf eigenem Wunsch beruhenden Karenzurlaubs.111 Dies 106 Davies, European Court 124 ff. 107 EuGH 8.11.1990, 177/88, Dekker, Rz 14. 108 EuGH 1.7.2010, C-194/08, Gassmayr; 1.7.2010, C-471/08, Parviainen. 109 EuGH 13.2.1996, C-342/93, Gillespie, Rz 30; ebenso EuGH 14.7.2016, C-335/15, Ornano, Rz 37. 110 Gruber-Risak in Franzen/Gallner/Oetker, RL 92/85/EWG Art 11 Rz 9. 111 EuGH 8.6.2004, C-220/02, ÖGB.
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wird auch für ähnliche Maßnahmen des AG oder eines KollV gelten. Eine allg Grenzlinie ist schwer zu ziehen und nicht in Sicht; die Frage betrifft wohl weiterhin primär den Gesetzgeber. Probleme im Zusammenhang mit dem Begriff der Schwangerschaft be- 40a reiten die Möglichkeiten der modernen Medizin. Wird eine Frau gekündigt, weil sie sich in einem vorgerückten Behandlungsstadium einer In-vitro-Fertilisation befindet, nämlich zwischen der Follikelpunktion und der Einsetzung der in vitro befruchteten Eizellen in ihre Gebärmutter, liegt eine Kündigung wegen Schwangerschaft vor. Auch wenn in diesem Fall nicht von Schwangerschaft iSd MutterschutzRL gesprochen werden kann, liegt ein Verstoß gegen das GlBG vor, wenn eine Kündigung wegen Maßnahmen erfolgt, die zu einer Schwangerschaft führen sollen.112 Nach dem EuGH113 stellt es hingegen keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar, wenn einer Bestellmutter, die im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung ein Kind austragen lässt, der Mutterschaftsurlaub verweigert wird, auch dann, wenn sie das Kind stillt. Der EuGH hat dabei auf das Urteil Mayr, die gleiche Situation des genetischen Vaters sowie auf Art 16 der RL 2006/54/EG verwiesen, der das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lässt, eigene Rechte auf Vaterschaftsurlaub und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen.114
3. „Familienstand“ a. Allgemeines In Umsetzung des Art 2 Abs 1 GleichbehandlungsRL 2002/73/EG 41 wurde durch die Nov 2004 zum GlBG die Geschlechterdiskriminierung „insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand“ verankert. § 3 übernahm diese Formulierung. Die aktuelle RL 2006/54/EG verwendet diese Formulierung allerdings nicht mehr und rekurriert ausschließlich auf Diskriminierungen aufgrund des „Geschlechts“.115 Die RL 2006/54/EG sagt nicht, warum diese Beifügung gestrichen worden ist. Da aber RL idR ihr Regelungsniveau nicht – und wenn, dann nicht unkommentiert – absenken, ist anzunehmen, dass man diese Beifügung als bloß beispielsweise Aufzählung von diskriminierenden Kriterien verstanden und daher aus legistischen Grün112 EuGH 26.2.2008, C-506/06, Mayr. 113 EuGH 18.3.2014, C-363/12, Z vs A und C-167/12, C.D. vs S.T. 114 Krit Baumgärtner in BeckOGK AGG § 1 Rz 101. 115 Vgl Art 4, 5, 14 RL 2006/54/EG.
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den gestrichen hat. Durch die Novelle 2013 wurde der Begriff des „Ehestandes“ beseitigt, da dieser nach dem PStG 2013 ohnehin von jenem des Familienstandes umfasst ist. Zugleich wurde, da der Begriff des Familienstandes nach dem PStG nicht den Umstand, ob jemand Kinder hat, erfasst, dies ausdrücklich verankert. Dies soll nach Auffassung des Gesetzgebers keine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes darstellen, sondern die bisherige Rechtslage festschreiben.116 Das AGG enthält den Begriff des Ehe- oder Familienstandes nicht. Unklarheiten gibt es bei der Auslegung der Beifügung „insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand“. Rebhahn ging in der Vorauflage davon aus, dass der Ehe- und Familienstand sowie der Umstand, ob jemand Kinder hatte oder nicht, als gleichwertiger Diskriminierungsgrund neben dem Geschlecht normiert wurde. Die Mat formulieren unklar: Das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe bzw der Umstand, ob man Kinder hat, dürfen bei Maßnahmen im Anwendungsbereich des Gesetzes nicht zum Anlass für eine Benachteiligung genommen werden.117 Die Bezugnahme auf den „Anwendungsbereich“ des Gesetzes lässt einen Interpretationsspielraum. Der Gesetzgeber kann durchaus so verstanden werden, dass er die Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, dass jemand Kinder hat, nur dann als rechtswidriges Kriterium wertet, wenn es in Verbindung mit einer Geschlechterdiskriminierung steht, dh wenn seine Anwendung zumindest mittelbar zu einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts führt. Der Wortlaut des § 3 stützt uE eine solche Auslegung: Der maßgebliche Diskriminierungsgrund ist weiterhin das Geschlecht. Die Beifügung nennt lediglich beispielsweise, als Hervorhebung bestimmter Fälle,118 zwei besondere Kriterien, die im Zusammenhang mit Geschlechterdiskriminierungen zu berücksichtigen sind, nämlich eine Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand bzw den Umstand, ob jemand Kinder hat oder nicht. Eine richtlinienkonforme Interpretation führt ebenfalls lediglich zum Ergebnis, dass das Vorliegen einer Geschlechterdiskriminierung unabdingbar ist, um den Tatbestand des § 3 zu erfüllen. Dafür, dass der Gesetzegeber über das von der RL 2006/54/ EG Geforderte hinaus gehen wollte (goldplating), gibt es keine Anhaltspunkte. 116 ErläutRV 2300 BlgNR 24. GP 2. 117 ErläutRV 307 BlgNR 22. GP 10. 118 So auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 4, nicht eindeutig hingegen die Formulierung in Rz 3.
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In der Rsp des EuGH tauchte diese Wendung bislang nur selten auf. In 42 der Rs Drake119 hatte der EuGH zum ähnlich formulierten Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts gem Art 4 RL 79/7/EWG bei Leistungen der Sozialen Sicherheit zu entscheiden. Art 4 RL 79/7/ EWG untersagt im Bereich der sozialen Sicherheit jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen. In der E Teuling hält der EuGH fest, dass sich schon aus dem Wortlaut von Art 4 RL 79/7/ EWG ergibt, dass solche Zuschläge nicht gewährt werden dürfen, wenn sie unmittelbar oder mittelbar an das Geschlecht des Anspruchsberechtigten anknüpfen.120 Er weist darauf hin, daß ein System von Leistungen, nach dem Zuschläge vorgesehen sind, die nicht unmittelbar an das Geschlecht der Anspruchsberechtigten anknüpfen, sondern ihren Ehe- und Familienstand berücksichtigen, und nach dem wesentlich weniger Frauen als Männer Anspruch auf diese Zuschläge haben, Art 4 Abs 1 RL 79/7 zuwiderliefe, wenn es sich nicht aus Gründen rechtfertigen läßt, die eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ausschließen. Auch die E des EuGH zu Kinderzulagen bei Teilzeitbeschäftigten spricht wohl für eine zurückhaltende Ansicht, da andernfalls die Kinderzulage (als unmittelbar am Umstand, ob jemand Kinder hat, anknüpfende Leistung) wohl in ihrer Gesamtheit unzulässig wäre.121 Die Rsp des EuGH verknüpft den Diskriminierungsgrund des Geschlechts mit den weiteren Kriterien somit derart, dass ein bloßes Bezugnehmen auf den Familienstand oder den Umstand, dass jemand Kinder hat, noch nicht zu einer unmittelbaren Diskriminierung der betroffenen Person führt. Maßnahmen, die auf den Familienstand oder auf Elternschaft Bezug nehmen, sind nur dann relevant, wenn sich dahinter eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts verbirgt. Es ist daher jeweils zu prüfen, ob sich dieses Anknüpfen besonders auf das eine oder das andere Geschlecht auswirkt. Wird daher bei Versetzungen oder im Rahmen einer Sozialauswahl des AG anlässlich von Kündigungen berücksichtigt, ob die betreffende Person Familie oder Unterhaltspflich119 EuGH 20.9.1994, C-12/93, Drake. 120 EuGH 11.6.1987, 30/85, Teuling. 121 EuGH 5.11.2014, C-476/12, ÖGB.
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ten hat bzw einem Partner gegenüber unterhaltsberechtigt ist, ist das GlBG nicht anzuwenden, wenn sich die Maßnahme nicht auf ein Geschlecht benachteiligend auswirkt (zur Kündigung vgl insb § 3 Rz 163 ff). IdS könnte die Anknüpfung an die Unterhaltspflicht für die Gewährung von Zuschlägen zu einer mittelbaren Diskriminierung führen, wenn wesentlich mehr Männer als Frauen verheiratet und daher unterhaltspflichtig sind, sofern sich keine Rechtfertigungsgründe wie etwa die Sicherung eines Existenzminimums finden.122 IdR werden Maßnahmen, die an Unterhalts- oder Obsorgepflichten anknüpfen, jedoch überwiegend Frauen benachteiligen, und dürfen insofern keine negativen Auswirkungen haben.123 43 Unzulässig sind etwa – wie Anfang des 20. Jh in Arbeitsverträgen mit Frauen durchaus üblich – Zölibatsklauseln in Arbeitsverträgen oder die Ablehnung der Bewerbung einer verheirateten jungen Frau, weil der AG annimmt, sie könnte bald schwanger werden. Das Verbot von Zölibatsklauseln ergibt sich allerdings unabhängig davon, ob sie geschlechtsneutral sind, bereits aus § 879 ABGB und der mittelbaren Wirkung der Grundrechte; ähnliches wird auch für die quasi „sanftere“ Version in Form etwa von Boni für Nichtverehelichung oder Kinderlosigkeit gelten.124 Ebenso ist die Bedachtnahme auf Kinder einer ANin diskriminierend, wenn befürchtet wird, die ANin könnte wegen Pflegebedürftigkeit der Kinder häufiger Freistellungsansprüche geltend machen. Das diskriminierende Element liegt insb darin, dass eine mögliche oder bestehende Vaterschaft eines AN idR nicht zur Befürchtung führt, der AN würde wegen der Übernahme von Familienpflichten Freistellungsansprüche geltend machen. Somit werden auch Fragen etwa nach der Schwangerschaft oder nach bestehenden Unterhaltspflichten regelmäßig unzulässig sein.125 b. Kinder Ein Anknüpfen daran, ob jemand Kinder hat oder nicht, führt entspre- 44 chend den obigen Ausführungen (Rz 41 ff), noch nicht per se zu einer 122 EuGH 11.6.1987, C-30/85, Teuling; vgl dazu auch VfGH A 5/04, der den Verlust der Notstandshilfe durch Anrechnung des Partnereinkommens nicht als unionsrechtswidrig erachtet; dazu auch K. Mayr, DRdA 2003, 199; ders, RdW 2002, 607. 123 Smutny/Mayr 216 f. 124 Karl in Tomandl/Schrammel, Diskriminierungsverbote 43. 125 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 4 u 7.
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Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis
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Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Es darf daher nach wie vor bei einer Versetzung oder bei Änderungen der Arbeitszeit Rücksicht darauf genommen werden, ob ein AN Kinder hat oder nicht stehen. Das Abstellen auf diesen Umstand ist nur gesetzwidrig, wenn es zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts führt und diese nicht gerechtfertigt werden kann. Zu prüfen wäre auch, ob ein Abstellen auf Kinder zugunsten von Frauen als positive Maßnahme iSd § 8 verstanden werden kann (vgl § 8). Die Rz 45–47 bleiben unbesetzt.
45–47
III. B enachteiligungsverbot und Mehrfach diskriminierung Literatur: Trost, ZAS 1996/1, 15; Bei, Art 6 GleichbRL – effektiver Rechtsschutz gegen Folgediskriminierung, DRdA 1999, 162; Schiek, Gleichbehandlungsrichtlinien der EU, NZA 2004, 873; Windisch-Graetz, Probleme der Mehrfachdiskriminierung in der Arbeitswelt, DRdA 2005/3; Bauer, Mehrfachdiskriminierung, juridikum 2008, 50; Ludwig, Schadenersatz bei intersektioneller Diskriminierung, DRdA 2009, 276; Vanco Apostolovski/Veronika Apostolovski, Schadenersatzrechtliche Aspekte der Mehrfachdiskriminierung, DRdA 2012, 472.
1. Maßregelung und Folgediskriminierung Auf eine Beschwerde oder Klage wegen Diskriminierung reagieren AG 48 zuweilen mit für den AN negativen Maßnahmen. Art 24 RL 2006/54/ EG verpflichtet dazu, auch gegen solche Maßregelungen effektiven Rechtschutz zu gewähren: „Die Mitgliedstaaten treffen […] die erforderlichen Maßnahmen, um die Arbeitnehmer […] vor Entlassung oder anderen Benachteiligungen durch den AG zu schützen, die als Reak tion auf eine Beschwerde innerhalb des betreffenden Unternehmens oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen.“ Der österr Gesetzgeber hat zur Ausführung zwei Bestimmungen vorgesehen: § 12 Abs 7, wenn die Maßregelung in einer Kündigung oder Entlassung besteht, sowie § 13 als allg „Benachteiligungsverbot“. Das sonstige österr Arbeitsrecht enthält hingegen kein allg Verbot von Maßregelungen im Arbeitsverhältnis (sondern nur spezielle zu Kündigungen, in Form der Anfechtung wegen verpönten Motivs). 143
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49 Nach § 12 Abs 7 kann eine Kündigung oder Entlassung angefochten werden, falls der AG wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach dem GlBG gekündigt oder entlassen hat. Überdies kann die Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG angefochten werden. Auch für die Anfechtung nach § 12 Abs 7 gilt die Beweiserleichterung des § 12 Abs 12. Art 24 RL 2006/54/EG verlangt den Schutz aber auch in allen anderen Fragen.126 Der Rechtsschutz muss bereits dann gewährt werden, wenn die Maßnahme des AG eine „Reaktion“ auf die Beschwerde war. Es ist nicht erforderlich, dass die Beschwerde die wesentliche oder gar die einzige Ursache der Maßnahme war. Und die Pflicht zur Gewährung von Rechtsschutz entfällt nach der RL auch nicht, falls der AG bei Beschwerden aus anderen Gründen in gleicher Weise zu reagieren pflegt (er Beschwerden wegen Diskriminierung also nicht diskriminiert). § 13 sieht nun nur vor, dass ein AN „als Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des Unternehmens oder auf Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes“ (so die Formulierung in Art 24 RL 2006/54/EG, den verständlich abzuschreiben dem GlBG nicht gelungen ist) „nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden“ darf. § 13 stellt seit der Novelle BGBL I 2008/98 auch die Rechtsfolgen des Benachteiligungsverbotes klar, indem er § 12 sinngemäß anwendet. Dies wurde in der Lit auch zuvor schon vertreten.127 Es sind somit die mit der jeweiligen Art der Benachteiligung zusammenhängenden Rechtsfolgen anzuwenden, beim beruflichen Aufstieg also etwa eine Entschädigung, bei Kündigung oder Entlassung die Anfechtung oder alternativ Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.128 Das Benachteiligungsverbot gilt nicht nur für den betroffenen AN selbst, sondern auch für andere AN, die als Zeugen oder Auskunftspersonen in Verfahren auftreten oder eine Beschwerde unterstützen. Die Formulierung scheint damit dem Wortlaut nach weiter als in Art 24 RL 2006/54/EG, allerdings hat der EuGH in einer E zu einer Filialleiterin, die eine wegen Schwangerschaft abgelehnte Bewerberin unterstützt hatte, diese Bestimmung weit ausgelegt.129 Insofern dürfte zwischen den Bestimmungen kein Unterschied bestehen. 126 EuGH 22.9.1998, C-185/97, Coote zur Weigerung des AG, ein Zeugnis auszustellen. 127 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 13 Rz 34 mwN. 128 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 13 Rz 36. 129 EuGH 20.6.2019, C-404/18, Hakelbracht, Rz 32 ff.
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Fraglich ist, ob die genannte Maßregelung selbst wieder notwendig eine 50 Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes darstellt. Dies wurde in der Lehre insb für die Kündigung zum Teil bejaht („Folgediskriminierung“).130 Auch die EB zur RV131 sagen zum Vorläufer des § 13 (§ 21 des Entwurfes), dass bei Benachteiligung im Sinne dieser Bestimmung die Rechtsfolgen des heutigen § 12 zur Anwendung kommen, was prima facie für eine solche Ansicht sprechen könnte. Gegen diese Sicht bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Die RL 2006/54/EG regelt die Benachteiligung aufgrund einer Beschwerde als eigenen Tatbestand, obwohl sie auch hätte anordnen können, dass diese Fälle als Diskriminierung gelten. Und in der Sache erfüllt das fragliche Verhalten nicht oder doch nicht notwendig den Tatbestand einer Diskriminierung iSd § 3.132 Es handelt sich nämlich wohl nicht um eine unmittelbare Diskriminierung (ähnlich § 13 Rz 4). Und in Bezug auf eine vermutete Benachteiligung ist fraglich, ob sie auch vorliegt, falls der AG häufig auch in anderen Fällen auf Klagen der AN mit ähnlichen Maßregelungen reagieren sollte. Die Anordnung, dass § 12 „sinngemäß“ und insofern gerade nicht unmittelbar gilt, unterstützt diese Ansicht. Nur soweit der nationale Gesetzgeber Art 24 RL 2006/54/EG nicht ordnungsgemäß umsetzen sollte, ist zu erwägen, in der Maßregelung doch eine Diskriminierung zu sehen, uzw bei den „sonstigen Arbeitsbedingungen“.
2. Mehrfachdiskriminierung Eine Person kann auch nicht nur aus einem missbilligten Motiv benach- 51 teiligt werden, sondern gleich aus mehreren (etwa wegen Geschlecht und Alter, Geschlecht und ethnischer Herkunft; ethnischer Herkunft und Religion). Das GlBG nimmt darauf nicht Bedacht, wohl aber § 1 Abs 3 GBK/GAW-G. Phänomenologisch muss man dann zunächst unterscheiden, ob es sich um verschiedene Sachverhalte handelt (zB Diskriminierung bei der Beförderung wegen ethnischer Herkunft und beim Entgelt wegen des Geschlechtes) oder ob bei einem Sachverhalt (zB Beförderung) mehrere missbilligte Motive zusammenwirken. Für die erste Konstellation gelten die allg Regeln. Die zweite Konstellation erfordert einige zusätzliche Überlegungen. Man muss hier phänomenologisch unterscheiden, ob bei der Mehrfachdiskriminierung die missbil130 Trost, ZAS 1996/1, 1; Bei, DRdA 1999, 165 f; unklar Smutny/Mayr 305; vgl auch § 13 Rz 3 f; wohl ablehnend Eichinger EAS B 4200 Rz 150 ff. 131 307 BlgNR 22. GP. 132 Grds zustimmend Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 13 Rz 40 ff.
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ligten Merkmale notwendig oder nur wegen einer Entscheidung des AG miteinander verbunden sind. Im ersten Fall spricht man auch von intersektioneller Diskriminierung. Als Beispiel genannt wird die Benachteiligung auf Grund eines islamischen Kopftuchs, bei dem gleichzeitig an Religion, Geschlecht und idR auch Herkunft angeknüpft werden soll (§ 19 Rz 99 ff). 52 Wird eine Person gleichzeitig wegen mehrerer im GlBG in den §§ 3 und 17 genannter Gründe (Motive) unterschiedlich von anderen behandelt, so muss die Zulässigkeit dieser Behandlung für jedes missbilligte Motiv getrennt beurteilt werden. Dies gilt sowohl für den Diskriminierungstatbestand (und dessen Verjährung) wie für die Rechtfertigung. Insb sind die Rechtfertigungsgründe jeweils eigenständig zu beurteilen. Gründe, welche die Benachteiligung aus dem einen Grund rechtfertigen können, rechtfertigen für sich allein nicht die unterschiedliche Behandlung aus einem anderen missbilligten Grund. Bei der Beweislast gelten für Mehrfachdiskriminierung einschließlich der intersektionellen jedenfalls die allg Regeln, eine zusätzliche Abweichung zugunsten der Kläger erscheint nicht erforderlich. Bei den Rechtsfolgen wird in der Literatur zum Teil eine stärkere Sanktion als bei bloßer „einfacher“ Diskriminierung gefordert.133 Soweit der Vermögensschaden zu ersetzen ist, besteht dafür weder Möglichkeit noch Bedarf; der Schaden wird durch ein doppelt missbilligtes Motiv ja nicht notwendig größer, und wenn er größer sein sollte, dann ist er ohnehin nach der allg Regel zu ersetzen. Eine stärkere Sanktion kommt aber bei der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung in Betracht, was § 12 Abs 13 nun auch ausdrücklich klarstellt (vgl dazu § 12 Rz 61). Die Mindestbeträge für den Ersatz bei Belästigungen und die Höchstbeträge des Ersatzes bei Bewerbungen sind jedenfalls nicht zu vervielfachen.134 53 Im Zusammenhang mit der Mehrfachdiskriminierung werden auch Fälle diskutiert, deren Zuordnung zweifelhaft ist. Es geht um Fälle, in denen erst die Kombination von zwei missbilligten Unterscheidungskriterien zu einer (statistischen) Benachteiligung führt. So könnten in einem Unternehmen Frauen und Männer gleich hohe Beförderungschancen haben, und auch alle Personen mit angeblich südländischer Herkunft keine schlechteren Beförderungschancen haben, während die Beförderungschancen der Frauen, denen eine südländische 133 Schiek, NZA 2004, 879. 134 Windisch-Graetz, DRdA 2005/3; OGH 22.9.2010, 8 ObA 63/09m.
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Herkunft zugeschrieben wird, auffällig schlechter sind als die der übrigen Beschäftigten. Fraglich ist dann, ob auch die Kombination von zwei missbilligten Unterscheidungskriterien zu einem neuen missbilligten Unterscheidungsmerkmal führt.135 Jedenfalls bei der unmittelbaren Diskriminierung ist die Frage zu bejahen, weil hier die Kumulation der missbilligten Kriterien den AG nicht entlasten kann. Dies gilt auch, wenn die beiden Merkmalsausprägungen nicht notwendig verbunden sind (also zB nur Frauen einer bestimmten Religion benachteiligt werden; vgl aber auch § 19 Rz 102 ff). Fraglich ist die Antwort hingegen bei der mittelbaren Diskriminierung. Denkt man die Wertungen des Gesetzes fort, so muss man die Frage wohl bejahen, weil jene Personen, bei denen mehrere missbilligte Unterscheidungskriterien zutreffen, besonders gefährdet sind, aufgrund dieser Merkmale benachteiligt zu werden. Dafür spricht auch die Lage bei der unmittelbaren Diskriminierung. Allerdings wird hier besonders darauf zu achten sein, dass das statistische Ergebnis nicht zufällig ist; die für die Annahme einer vermuteten Benachteiligung erforderliche statistische Differenz (§ 5 Rz 37) wird daher eher größer sein müssen als sonst. Die Rz 54–59 bleiben unbesetzt.
54–59
IV. Begründung des Arbeitsverhältnisses Literatur: Berger, Die Benachteiligung von Arbeitnehmern beim beruflichen Aufstieg, RdW 1985, 182; Mazal, Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung, ecolex 1992, 573; Rebhahn, Gleichbehandlung, Qualifikation und Leistung, JBl 1993, 681 ff; Ehrich, Die Entschädigung nach § 611a Abs 2 BGB - ein neuer „Nebenverdienst“? BB 1996, 1007; Hermann, Die Abschlussfreiheit, ZfA 1996, 19; Mosler, Geschlechterdiskriminierung bei der Einstellung von Arbeitnehmer/innen (Draehmpaehl), WBl 1997, 365; Eichinger, Grundsatz der Gleichbehandlung, in Oetker/Preis (Hrsg) EAS B 4200 (Stand 1999) Rz 104 ff; Gerlach, Gleichbehandlung bei der Begründung des Dienstverhältnisses, RdW 2000, 598; Smutny, Geschlechtsbezogene Diskriminierung bei der Einstellung von ArbeitnehmerInnen, DRdA 2000, 122; Kister, Entschädigung und geschlechtsbedingte Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses (2000); Smutny/ Mayr, Gleichbehandlungsgesetz 201 ff; Thüsing, Zulässige Ungleichbehandlung – Zur Unverzichtbarkeit iSd § 611a BGB, RdA 2001, 319; Hopf/Smutny, Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses – Schadenersatz trotz fehlender „Bestqualifikation“, DRdA 2002, 99; Hoppe, Europäischer Schutz vor sexueller Diskriminierung beim Zugang zur Arbeit, ZEuP 2002, 78 ff; Diller, „AGG-Hopping“ – und was man dagegen tun kann, BB 2006, 1969; ders, AGG-Hopping durch Schwerbehinderte, NZA 2007, 135 Allg bejahend Schiek, NZA 2004, 876.
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1321; Potz, GlBG-Hopping? Schadenersatzjäger und das GlBG, RdW 2008, 730; dies, Öffentliche Äußerungen eines Unternehmers im Lichte des europäischen Gleichbehandlungsrechts, ZESAR 2008, 495; Resch, Altersdiskriminierung bei Begründung und Gestaltung des Arbeitsvertrags, RdW 2010, 683; Haberer, Gleichbehandlung im Betrieb (2013); Sabara, Heikle Fragen im Bewerbungsgespräch: Antwortpflicht des Arbeitnehmers? ARD 6400/5/2014; Lingemann/ Steinhauser/Lutz, Kein Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbungen, ArbRAktuell 2016, 515; Rolfs, AGG-Hopping, NZA 2016, 586; Wank, Objektive Eignung und Scheinbewerber, RdA 2017, 259; Benecke, Die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu „Scheinbewerbern“ und die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs, EuZA 2018, 403; Dengg/Schranz, Das dritte Geschlecht, RdM 2018/140; Pieper, Altersdiskriminierung in Stellenausschreibungen, RdA 2018, 337.
1. Allgemeines 60 § 3 Z 1 verbietet die unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“, was auch für die Rechtsverhältnisse nach § 1 Abs 3 gilt. Die RL 2006/54/EG (Art 14) spricht von „Zugang zur Beschäftigung“. Das Diskriminierungsverbot steht auch einer Benachteiligung bei der Begründung von unbefristeten Arbeitsverhältnissen (zB erhalten nur Frauen überwiegend befristete Verträge; Rz 67, 144, 149) oder bei der Vereinbarung von Probezeiten (zB ist der Anteil bei Männern wesentlich höher) entgegen, und es gilt auch für Lehrverhältnisse und andere Ausbildungsverhältnisse, die unter § 1 fallen (§ 1 Rz 26). Das Verbot gilt nicht nur, wenn eine Stelle ausgeschrieben wird, sondern natürlich auch ohne Ausschreibung in Bezug auf Spontanbewerbungen. Wenn der AG dann in zeitlicher Nähe zur Bewerbung eine Stelle besetzt, für welche die Bewerberin an sich geeignet ist, so greift das Diskriminierungsverbot ein (und der Diskriminierungstatbestand wird auch leicht glaubhaft zu machen sein, falls der AG zB ohne erkennbaren Grund nur Männer oder nur Frauen für eine bestimmte Arbeit beschäftigt und weiter einstellt). Die RL verlangt bei Diskriminierung bei der Einstellung allerdings keinen Kontrahie rungszwang,136 und das GlBG sieht diesen auch nicht vor; zu den Rechtsfolgen vgl § 12 Abs 1. Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses stehen Privatautonomie und Antidiskriminierungsrecht in besonders starkem Spannungsverhältnis, weil die Entscheidungen des AG über die Zusammensetzung der Belegschaft objektiv und aus der Sicht der AG ein ganz zentrales Element der unternehmerischen Gestal136 EuGH 10.4.1984, 14/83, Colson, Rz 19.
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tungsmöglichkeit sind).137 Fraglich ist, wie weit der Anspruch auf Entschädigung jener Person, welche die Stelle ohne Diskriminierung erhalten hätte, in der Sache einer Einstellung nahe kommt. Dies hängt von dem Zeitraum ab, für den das entgehende Entgelt zu zahlen ist (§ 12 Rz 26). Nicht zulässig ist es aber wohl zu sagen, der AG hätte mit der diskriminierten Person ja ein Probearbeitsverhältnis schließen können und dieses alsbald ohne Angabe von Gründen beenden können. Selbst wenn der AG tatsächlich ein Probearbeitsverhältnis geschlossen hätte (was nicht vorgebracht werden kann, wenn er es mit der tatsächlich eingestellten Person nicht vereinbart hat), würde das Diskriminierungsverbot auch für dessen Auflösung gegolten haben und bei Diskriminierung bei der Einstellung ist es überaus wahrscheinlich, dass der AG auch das Probeverhältnis aus dem missbilligten Grund gelöst hätte. Eine Diskriminierung „bei“ der Einstellung kann nicht nur bei der Entscheidung, sondern auch schon vorher im Verfahren erfolgen, etwa bei der Ausschreibung oder der Einladung zu einem Hearing oder den verwendeten Testverfahren. Der EuGH hat in der Rs Feryn138 außerdem festgehalten, dass die öffentliche Äußerung eines AG, er werde keine AN einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse einstellen, eine unmittelbare Diskriminierung bei der Einstellung begründet, da solche Äußerungen bestimmte Bewerber ernsthaft davon abhalten können, ihre Bewerbungen einzureichen, und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindern. Öffentliche Äußerungen, durch die ein AG kundtut, dass er im Rahmen seiner Einstellungspolitik keine AN einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse beschäftigen werde, reichen aus, um eine Vermutung für das Vorliegen einer unmittelbar diskriminierenden Einstellungspolitik zu begründen. Diese Auffassung hat er in Folgeentscheidungen bestätigt, jüngst etwa in der Rs Rete Lenford, wonach die Äußerung eines Rechtsanwaltes in einer Radiosendung, wonach er niemals homosexuelle Personen einstellen noch in seinem Unternehmen beschäftigen würde, unter den Begriff der Bedingungen für den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit iSd Art 3 Abs 1 lit a RL 2000/78/EG falle.139 Durch solche öffentlichen Außerungen gelingt dem Bewerber die Glaubhaftmachung der Diskriminierung, dem AG 137 § 2 Rz 13; Benecke in MünchArbR § 32; Hermann, ZfA 1996, 19 ff. 138 EuGH 10.7.2008, C-54/07. 139 EuGH 23.4.2020, C-507/18, NH gegen Associazone Avvocatura per diritti LGBTI - Rete Lenford. Zur Diskriminierung nach der sexuellen Orientierung vgl ebenfalls EuGH 25.4.2013, C-81/12, Asociaţia Accept.
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steht es jedoch frei, zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes stattgefunden hat. Er kann dies dadurch tun, dass er nachweist, dass die tatsächliche Einstellungspraxis des Unternehmens diesen Äußerungen nicht entspricht.140 Diese Urteile sind (mögen sie auch zu einem etwas anderen Sachverhalt ergangen sein, da es in keinem der beiden Urteile ein identifizierbares Opfer gab und vielmehr Vereinigungen zur Bekämpfung von Diskriminierungen nach nationalen Vorschriften geklagt hatten, die in Ö keine Entsprechung haben) von richtungsweisender Bedeutung für das Beweisverfahren bei der Einstellungsdiskriminierung, und auch auf Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts anzuwenden. Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwiefern die öffentliche Äußerung zu einer diskriminierenden Einstellungspolitik als Stellenausschreibung anzusehen ist, welche uU mit Verwaltungsstrafe sanktioniert werden kann (vgl hierzu § 9 Rz 9). Dasselbe wird auch bei Äußerungen bezüglich des Geschlechts gelten; so ist die Äußerung, dass sich Frauen gar nicht erst um eine bestimmte Lehrstelle bewerben sollten, ein klarer und massiver Verstoß gegen das Gebot des diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahrens.141 61 Nach Auffassung von OGH und ursprünglich auch BAG kann bei Einstellung (und Beförderung) nur eine Person diskriminiert werden, die objektiv die für die Stelle erforderliche Eignung besitzt, etwa schwere körperliche Arbeit verrichten kann.142 Das ist mit dem Unionsrecht vereinbar, weil bei fehlender Eignung eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes gar nicht in Betracht kommen kann; es fehlt an der Kausalität des missbilligten Merkmals und überdies an der Vergleichbarkeit der Lage (Rz 8; § 5 Rz 7).143 AA ist inzwischen die deutsche Rsp, welche die objektive Eignung des Bewerbers nicht mehr als Kriterium der „vergleichbaren Situation“ sieht.144 Bereits davor aufgegeben wurde die Auffassung, bei der objektiven Eignung handle es sich um ein Tatbestandsmerkmal des Begriffes „Bewerber“.145 Damit erfolgt die Berücksichtigung der Qualifikation dort (nur) mehr über das Krite140 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 19. 141 OGH 23.4.2009, 8 ObA 11/09i. 142 OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h; BAG 12.11.1998, 8 AZR 365/97 = NZA 1999, 371; zustimmend Körber-Risak Rz 104; Smutny/Mayr 205; ebenso Kletečka/Köck § 12 Rz 37. 143 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 30 mwN. 144 BAG 19.5.2016, 8 AZR 470/14. 145 BAG 18.3.2010, 8 AZR 77/09.
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rium der Kausalität. Allgemein darf man die Anforderungen an die Eignung in diesem Zusammenhang (!) nicht zu hoch ansetzen; bei Posten für Akademiker wird daher grds diese Ausbildung ausreichen, also das Erfüllen der formellen Grundvoraussetzungen. Bei der Auswahl selbst darf der AG aber auch zusätzliche Fähigkeiten berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist der AG bei der Festlegung der Anforderungen aber grds frei.146 Jedoch kann eine bestimmte Anforderung mittelbar diskriminieren, falls sie für die Arbeitsaufgabe gar nicht erforderlich ist. Eine Diskriminierung wurde und wird auch verneint, wenn die Bewerbung nicht ernsthaft war.147 In Deutschland ist es vor allem im Zusammenhang mit der Einführung des AGG 2006 tw zu einem Phänomen gekommen, welches als „AGG-Hopping“ bezeichnet wird.148 Dabei handelt es sich um eine bewusste Bewerbung von Personen, ohne die Position tatsächlich anzustreben, unter ausdrücklicher Angabe eines Diskriminierungsmerkmals und/oder gezielt auf nicht geschlechtsneutral, etwa nur für Frauen, ausgeschriebene Stellen, zum Zweck der Geltendmachung einer Entschädigung. In Österreich hat dieses Phänomen (sinngemäß ein „GlBG-Hopping“) trotz im Wesentlichen identer Rechtslage soweit überblickbar praktisch, aber auch in der juristischen Lehre, keine besondere Bedeutung erlangt. Gründe dafür könnte man in einer allgemein anderen Klagsmentalität oder verbreiteten außergerichtlichen Lösungen sehen, ebenso in der zentralisierten Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte, durch welche eine Häufung von Diskriminierungsklagen dem entscheidenden Gericht auffallen müsste.149 Ermöglicht wird ein „Hopping“ dadurch, dass nach der mittlerweile geltenden Rechtslage und hA auch ein Bewerber, der nicht Bestqualifizierter ist und insofern nicht „zum Zug“ gekommen wäre, Ansprüche wegen Diskriminierung haben kann (Rz 65) sowie durch das herabgesetzte Beweismaß. Für erhebliche Unklarheiten sorgt jedoch die in Ö spärlich aufgearbeitete und in Deutschland wechselhafte dogmatische Einordnung des Kriteriums der „Ernsthaftigkeit“. Der EuGH hatte in der Entscheidung Kratzer den Fall zu entscheiden, 61a dass ein Rechtsanwalt und ehemaliger leitender Angestellter einer Ver146 Oetker in MünchArbR § 16 Rz 99. 147 Grundlegend BAG NZA 1999, 371; ebenso Körber-Risak Rz 104. 148 Geprägt haben dürfte den Begriff ein Urteil des ArbG Potsdam, 13.7.2005, Az. 8 Ca 1150/05. 149 Potz, RdW 2008, 730; Haberer, Gleichbehandlung im Betrieb 3.9.
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sicherungsgesellschaft sich um eine Trainee-Stelle beworben und nach seiner Ablehnung Schadenersatz wegen Alters- sowie Geschlechtsdiskriminierung gefordert hatte.150 Nach Ansicht des EuGH fällt eine Situation, in der eine Person mit ihrer Stellenbewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur den formalen Status als Bewerber erlangen möchte, und zwar mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen, nicht unter den Begriff „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ im Sinne der RL 2000/78/EG und 2006/54/EG. Eine solche Person kann sich nicht auf den Schutz dieser RL berufen. Liegen die nach Unionsrecht erforderlichen Tatbestandsmerkmale vor, kann ein solches Verhalten als Rechtsmissbrauch bewertet werden. Nicht eindeutig bleibt somit, ob in „Hopping“-Fällen bereits die Tatbestandsmäßigkeit zu verneinen ist oder ein Rückgriff auf den womöglich strengeren Einwand des Rechtsmissbrauchs erfolgt.151 In Deutschland hatten die Gerichte entgegen Ehrich152 das Problem Scheinbewerbungen zunächst über den Bewerberbegriff gelöst.153 2011 hat die deutsche Rsp jedoch eine Wende zur Lösung über Rechtsmissbrauch vollzogen.154 Die Antwort des EuGH scheint widersprüchlicherweise beides anzunehmen.155 Tw wird die Entscheidung als Angebot zweier unterschiedlicher Lösungswege für die nationale Umsetzung verstanden. UE überzeugend ist entgegen der aktuellen deutschen Rsp, welche von der Entscheidung Kratzer abweichen und die RL übererfüllen dürfte,156 die im Ergebnis auch schon 150 EuGH 28.7.2016, C-423/15. 151 Vgl Kletečka/Köck, § 12 Rz 36, die eine Lösung über Schaden und Kausalität als Tatbestandsmerkmale eines Schadenersatzanspruches bevorzugen; zustimmend Potz, RdW 2008, 730, vgl BVerwG 3.3.2011, 5 C 16/10; BAG 13.10.2011, 8 AZR 608/10; BAG 16.2.2012, 8 AZR 697/10; BAG 19.5.2016, 8 AZR 470/14 und 26.1.2017, 8 AZR 848/13. 152 BB 1996, 1007. 153 So auch die Grundsatzentscheidung BAG NZA 1999, 371. 154 Vgl BVerwG 3.3.2011, 5 C 16/10; BAG 13.10.2011, 8 AZR 608/10; ebenso BAG 16.2.2012, 8 AZR 697/10, bestätigt in BAG 19.5.2016, 8 AZR 470/14 und 26.1.2017, 8 AZR 848/13. 155 Zur methodischen Unschärfe von Vorlagefrage und EuGH-Urteil auch Horcher, NZA 2015, 1047; Lingemann/Steinhauser/Lutz, ArbRAktuell 2016, 515; Wank, RdA 2017, 259. 156 Zur Entwicklung der deutschen Rsp nach Kratzer siehe Benecke, EuZA 2018, 403, welche sich ebenfalls für eine Lösung über Rechtsmissbrauch ausspricht.
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bisher in der spärlichen ö Lit vertretene Ausnahme auf Tatbestandsebene bereits beim Bewerberbegriff.157 Wenngleich das GlBG den Begriff des Zugangs zur Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit nicht wörtlich aus der RL übernimmt, so wird man die „Begründung des Arbeitsverhältnisses“ nach § 3 Z 1 sowie den Stellenbewerber nch § 12 Abs 1 GlBG genauso auslegen müssen, wie dies der EuGH mit den RL getan hat. Unklar ist weiters das Verhältnis der fehlenden Ernsthaftigkeit zur 61b Rechtfertigung bei der mittelbaren Diskriminierung (Rz 45 ff) bzw zur unverzichtbaren Voraussetzung (§ 9 Abs 1 GlBG), den wesentlichen und entscheidenden beruflichen Anforderungen (Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG), ebenso zum Tendenzschutz (§ 20 Abs 2 GlBG) und den Rechtfertigungsmöglichkeiten bei Altersdiskriminierung (§ 20 Abs 5 GlBG). So manche Sachverhaltskonstellation, in der eine Einordnung als unernste Bewerbung naheliegt, etwa die Bewerbung eines Mannes als Model für Damenunterwäsche, könnten auch mit den vorgenannten Instrumenten gelöst werden, etwa durch das Geschlecht als unverzichtbares Merkmal. Ebenso ist zu bedenken, dass eine unmittelbar diskriminierende Entscheidung immer „auf Grund“ des geschützten Merkmals erfolgen muss (Rz 62 f, § 5 Rz 2 ff), eine Entscheidung aus anderen Gründen (wie zB fehlende Qualifikation oder erkennbar mangelhafte Bewerbungsunterlagen) daher nicht diskriminierend ist.158 Auch in der Entscheidung Kratzer wäre es uE möglich gewesen, die dort vorliegende, bloß mittelbare Diskriminierung nach dem Alter mit Gründen wie der Förderung von Berufseinsteigern zu rechtfertigen,159 ebenso über die Kausalität durch andere, nichtdiskriminierende Gründe als Motiv wie fehlende Sorgfalt bei der Erstellung des Bewerbungsschreibens als Indiz für eine wenig gründliche Arbeitsweise oder die erkennbare Überqualifizierung – auch diese kann uE ein Kriterium sein; Führungserfahrung ist für einen Trainee weder hilfreich noch erwünscht. Zuletzt kann eine Diskriminierung auch nur in vergleichbaren Sachverhalten erfolgen, wobei die Eignung und damit Qualifikation für eine Stelle 157 Ebenso Potz, RdW 2008, 730; Körber-Risak Rz 104; ähnlich Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 28, welche auf die Anforderungen für die Ernstlichkeit von Willenserklärungen nach § 869 ABGB verweisen. 158 Umfassend zur Kausalität bei Scheinbewerbungen Pieper, RdA 2018, 337; Wank, RdA 2017, 259 (263). 159 Dies prüft auch das BAG in seiner Folgeentscheidung, verneint es aber letztlich, 26.1.2017, 8 AZR 848/13.
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zumindest in Ö noch als Unterfall der Vergleichbarkeit gesehen wird.160 Eine eigenständige Bedeutung erlangt das Kriterium der Ernsthaftigkeit insofern nur in dem Fall, dass ein Bewerber mit einer objektiven Mindestqualifikation für die konkrete Stelle, bei dem auch keine Rechtsfertigungsgründe vorliegen, der jedoch subjektiv kein Interesse an der Stelle hat, aufgrund eines diskriminierenden Kriteriums ausgeschieden wird – auch dies nur, wenn man die Bereitschaft, eine zugesagte Arbeitsleistung auch zu erbringen, eben nicht als Teil der objektiven Eignung/Vergleichbarkeit, sondern wie die deutsche hA und offenbar auch der EuGH als davon verschiedenes, subjektives Kriterium betrachtet.161 Dogmatisch scheint die Ernsthaftigkeit einer Bewerbung vor all den genannten Kriterien angesiedelt, wie der knappen Erledigung der Rs Kratzer zu entnehmen ist, in welcher der EuGH Qualifikationserfordernisse, Rechtfertigungsgründe etc gar nicht prüft. Prozessual bietet die mangelnde Ernsthaftigkeit als am Anfang der Prüfung stehendes Tatbestandsmerkmal insofern mglw einen Vorteil, als sie dem AG die Beweisführung erspart, dass andere Motive wie zB Qualifikation kausal waren oder Rechtfertigungsgründe vorlagen, damit auch zB Erhebungen über die Anforderungen des betroffenen Arbeitsplatzes oder die Vorlage von Bewerbungsunterlagen anderer Bewerber. Die fehlende Ernsthaftigkeit würde damit eine Verfahrensbeschleunigung durch ein frühzeitiges „Aussortieren“ von als querulatorisch anzusehenden Klagen bewirken. Hierin läge wohl ein Unterschied zur deutschen Lösung über Rechtsmissbrauch sowie zur Lösung über Schaden und Kausalität, die beide erst nach Bejahung einer Diskriminierung greifen könnten. In Deutschland wurden zuletzt sehr strenge Kriterien an den Rechtsmissbrauch angelegt, auch in der Folgeentscheidung zu Kratzer hat das BAG den Einwand des Rechtsmissbrauchs letztlich verneint.162 61c Resch hält es für das ö Recht bei fehlender Qualifikation und wohl auch fehlender Ernsthaftigkeit (das von ihm benutzte Beispiel ist ein 70-Jähriger, der sich als Profitorwart bewirbt) dennoch grds für notwendig, dass eine Ablehnung nicht aus diskrimierenden Gründen ausgespro160 Dieses Kriterium hat der EuGH in der Entscheidung Kratzer nicht angesprochen; vgl dazu Rolfs, NZA 2016, 586 (589). 161 Benecke, EuZA 2018, 403 (413); Rolfs, NZA 2016, 586. 162 BAG 26.1.2017, 8 AZR 848/13; zur restriktiven Handhabung auch Baumgärtner in BeckOGK AGG § 2 Rz 29.
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chen wird.163 Dies ist jedoch abzulehnen, da andernfalls die mangelnde Ernsthaftigkeit kaum mehr einen Anwendungsbereich hätte. Der EuGH nimmt die Bewerbung bereits aus dem Geltungsbereich der RL aus und außerhalb der RL sind auch diskriminierende Entscheidungen nicht verboten. Die fehlende Ernsthaftigkeit muss für den AG auch nicht erkennbar sein.164 Praktisch dürften diese Überlegungen am ehesten bei der Altersdiskriminierung relevant werden; es erscheint zB unwahrscheinlich, dass ein AG die Bewerbung einer „Schadenersatzjägerin“ nicht mit dem unverfänglichen Hinweis auf die fehlende Qualifikation, sondern weil sie eine Frau ist ablehnt. Ein mögliches Beispiel aus dem Bereich der Diskriminierung nach dem Geschlecht wäre eine Stelle, welche unter Verletzung der vom EuGH zu Frauenquoten aufgestellten Kriterien nur für Frauen ausgeschrieben ist und auf die sich ein Mann bewirbt, dem es aber nur um die Entschädigung geht.165 Die Beweislast für die fehlende Ernsthaftigkeit einer Bewerbung ob- 61d liegt (auch wenn man die Ernsthaftigkeit als Tatbestandsmerkmal einordnet) dem AG.166 Indizien für eine fehlende Ernsthaftigkeit können sein: offenkundige, starke Abweichung von den für die Stelle geforderten Qualifikationen (uE sowohl Über- als auch Unterqualifikation), eine besonders allgemeine, lieblose oder unprofessionelle Gestaltung von Bewerbungsunterlagen, die besondere Hervorhebung eines verpönten Anknüpfungsmerkmales (zB Herkunft, Transsexualität),167 eine Bewerbung aus einer nicht gekündigten und erheblich besser bezahlten Position heraus, nach der deutschen Rsp jedoch nicht Umstände, die erst nach der erteilten Absage auftraten wie die Ablehnung einer nachträglichen Einladung zu einem Bewerbungsgespräch168 oder eine Vielzahl an bereits geführten Schadenersatzprozessen.169 UE ist die 163 Resch, RdW 2010, 683; aA Haberer, Gleichbehandlung im Betrieb 3.9. 164 Überzeugend Kletečka/Köck § 12 Rz 36. 165 So oder so ähnlich dürfte der Sachverhalt von ArbG Köln 13.6.1996, 14 C a 7394/95 gelagert gewesen sein. 166 Überzeugend Potz, RdW 2008, 730 unter Verweis auf Diller, BB 2006, 1969; ebenso zum Rechtsmissbrauch Schlachter in Erfk AGG § 15 Rz 13. AA Pieper, RdA 2018, 343. 167 Vgl zu Letzterer LAG Berlin 14.7.2004, 15 S a 417/04. 168 BAG 26.1.2017, 8 AZR 848/13. 169 So die hA in Deutschland, vgl BAG 18.6.2015, 8 AZR 848/13, wonach fehlende Ernsthaftigkeit nicht bereits daraus geschlossen werden kann, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere
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deutsche Rsp zu streng.170 Nicht einmal ein Indiz für fehlende Ernsthaftigkeit ist jedoch die Bewerbung auf einen Beruf, der „typischerweise“ mit dem anderen Geschlecht assoziert wird. Besondere Vorsicht ist auch bei nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen geboten. Dort darf der Umstand, dass ein Bewerber auf die nicht geschlechtsneutrale Ausschreibung hinweist, nicht zu einer Vermutung umgedeutet werden, dass die Bewerbung nicht ernsthaft ist. Dies würde den Zweck der Bestimmung konterkarieren, deren Verletzung als Indiz für die Diskriminierung gesehen wird, durch welches oft bereits die Diskriminierung glaubhaft gemacht werden kann (§ 9 Rz 15). Insofern besteht dort weiterhin eine Vermutung zugunsten des Bewerbers und nicht zu seinen Lasten.
2. Unmittelbare Diskriminierung a. Allgemeines 62 Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn die Einstellung für eine bestimmte Arbeitsaufgabe am Geschlecht scheitert, also daran dass die Person Mann oder Frau ist, bzw an die geschlechtliche Identität einer Person angeknüpft wird. Dabei ist jede einzelne Einstellung gesondert zu betrachten. Die unmittelbare Diskriminierung entfällt nicht, falls gezielt ein Mann eingestellt werden soll, weil in der Abteilung sonst nur Frauen beschäftigt wären (zur Zulässigkeit als spezifische Maßnahme vgl § 8 Rz 24). Die unmittelbare Diskriminierung kann durch entsprechend formulierte Ausschreibung oder durch Äußerungen des AG oder ihm zugerechneter Personen (Rz 13) direkt (voll) bewiesen werden. Der AN braucht den Diskriminierungstatbestand aber nur glaubhaft zu machen. Glaubhaft machen kann man sie insb durch eine statistisch unwahrscheinliche Personalstruktur in Bezug auf das Geschlecht (§ 5 Rz 42). 63 Eine unmittelbare Diskriminierung kann wohl nur vorliegen, wenn eine der entscheidenden Personen auf der Seite des AG vom Vorliegen eines potentiellen Diskriminierungsgrundes vor der Entscheidung Kenntnis hat,171 weil bei fehlender Kenntnis das missbilligte Motiv ja gar keine Rolle gespielt haben kann (bei der mittelbaren DiskriminieEntschädigungsprozesse geführt hat, ebenso Schlachter in ErfK AGG § 15 Rz 13. 170 Ebenso Benecke, EuZA 2018, 403 (409) mwN. 171 Körber-Risak Rz 104.
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rung stellt sich diese Frage nicht). Dies ist mit der Aussage, dass es für die Diskriminierung nicht auf eine entsprechende Absicht ankommt (Rz 7), durchaus vereinbar, weil damit ja nur verhindert werden soll, dass Diskriminierung bei sorgfältigem Bemühen des AG in Kenntnis des potentiellen Diskriminierungsgrundes entfällt. Aus dem Diskriminierungsverbot folgt allerdings kein Verbot für den AG, vor der Entscheidung auch von jenen Umständen Kenntnis zu nehmen, die nicht als Entscheidungskriterium herangezogen werden dürfen. Der AG muss also nicht etwa allein aufgrund schriftlicher Unterlagen, die weder Geschlecht noch Alter erkennen lassen, entscheiden. Auch unter Anwendbarkeit der Diskriminierungsverbote ist es zulässig, dass der AG bei großer Bewerberzahl eine Vorauswahl anhand von Merkmalen trifft, die einfach und rasch zu beurteilen sind (zB Ausbildung, Noten, einschlägige Vorpraxis); er darf eben nur kein missbilligtes Merkmal heranziehen oder ein Merkmal, das zu einer mittelbaren Diskriminierung führt. Eine unmittelbare Diskriminierung kann nicht damit gerechtfertigt 64 werden, dass das Beschäftigen einer Frau mehr kostet als das eines Mannes, insb weil sich allg Regelungen (zB zur Entgeltfortzahlung) unterschiedlich auswirkten.172 Solche Kostenargumente sind unzulässig, insb zulasten von Schwangeren (Rz 67). Sie wären aber auch zulasten von Männern unzulässig. Eine unmittelbare Diskriminierung kann aber nach § 9 (dazu § 3 Rz 73 ff) gerechtfertigt werden. Zweifelhaft ist die Möglichkeit einer Rechtfertigung von Maßnahmen nach § 8 (zB Programm des AG zur Erhöhung des Anteils des in einer sachlich abgegrenzten Einheit unterrepräsentierten Geschlechtes), vgl § 8 Rz 24. Zu ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen vgl § 5 Rz 21. Fraglich ist, ob der AG den ausreichend dargetanen Vorwurf einer Dis- 65 kriminierung schon durch den Nachweis entkräften kann, der Bewerber hätte die Stelle auch ohne Diskriminierung nicht erhalten (etwa weil er zwar ausreichend geeignet, die ausgewählte Person aber geeigneter ist, siehe dazu auch § 5 Rz 7). Zur früheren Rechtslage hat es der OGH dahingestellt sein lassen, ob das Unionsrecht dies verlangt, weil der Text des alten GlBG – Schadenersatz nur unter der Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis „wegen einer vom AG zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 2 Abs 1 Z 1 nicht begründet“ wurde
172 ZB EuGH 8.11.1990, 177/88, Dekker, Rz 12; Rz 15.
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– die Frage abschließend negativ geregelt habe.173 Auf das geltende GlBG kann diese Argumentation nicht übertragen werden, weil § 12 Abs 1 jetzt auf § 3 verweist, und es danach nur darauf ankommt, ob „auf Grund des Geschlechts“ diskriminiert wurde. Dieser Wortlaut erfasst offenkundig aber auch den Fall, dass der AN wegen des Geschlechts abgelehnt wurde, auch wenn er auch aus einem anderen Grund hätte abgelehnt werden können. Auch die differenzierte Ersatzregelung des § 12 Abs 1 ist ein sehr starkes Indiz dafür, dass allein die Ablehnung aufgrund des Geschlechts die Diskriminierung begründet. Vor allem aber folgt aus der Judikatur des EuGH, dass der Einwand, die Bewerbung wäre auch ohne missbilligtes Motiv erfolglos geblieben, die Diskriminierung nicht beseitigt.174 Der OGH spricht von einem Rechtsgut, sich am Arbeitsmarkt diskriminierungsfrei zu bewerben.175 66 Die Klage braucht nach § 12 Abs 12 S 1 nur glaubhaft zu machen, dass die Einstellung aufgrund des Geschlechts nicht erfolgte. Der AG kann dann den Entlastungsbeweis führen, den § 12 Abs 12 S 2 erleichtert (§ 12 Rz 56 f). Insb obliegt es dem AG darzutun, dass er aus einem anderen Motiv als dem missbilligten die Klägerin nicht berücksichtigt oder nicht eingestellt hat.176 Das glaubhaft gemachte Argument, die nicht berücksichtigte Person sei schlechter qualifiziert als die eingestellte Person, kann zur Entlastung vom Vorwurf der Diskriminierung führen, muss dies aber nicht tun, weil es auf die Entscheidungsmotivation des AG ankommt. b. Schwangerschaft 67 Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn die Einstellung auf Grund von Schwangerschaft verweigert wird (vgl oben Rz 40).177 Das Ablehnen kann nicht mit finanziellen Belastungen für den AG durch die Beschäftigung einer Schwangeren gerechtfertigt werden,178 und auch nicht mit Störungen im Leistungsaustausch. Der AG darf die Einstellung nämlich auch nicht mit dem Argument ablehnen, die Schwangere 173 OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h; kritisch Smutny, DRdA 2000, 122. 174 EuGH 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 31 ff. 175 OGH 23.4.2009, 8 ObA 11/09i. 176 Vgl auch OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h. 177 EuGH 8.11.1990, 177/88, Dekker, Rz 12; 3.2.2000, C-207/98, Mahlburg, Rz 27. 178 EuGH Dekker, Rz 12; 30.4.1998, C-136/95, Thibault, Rz 26; E Mahlburg, Rz 29.
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dürfe und könne wegen der Schwangerschaft nicht von Anfang an wie geplant oder gar nicht beschäftigt werden, selbst wenn der AG sie (zB als Röntgenassistentin) gar nicht beschäftigen darf. Dies wurde zuerst für einen unbefristeten Vertrag entschieden.179 In der Folge wurde es auch für einen befristeten Vertrag entschieden,180 selbst wenn die ANin wegen der Schwangerschaft einen wesentlichen Teil des befristeten Beschäftigungszeitraumes nicht arbeiten kann. Das gilt auch, wenn ein befristeter Vertrag wegen der Schwangerschaft nicht erneuert wird.181 Dieser Fall ist § 3 Z 7 zuzuordnen mit der Folge, dass der Arbeitsvertrag als verlängert gilt und auf Feststellung geklagt werden kann (§ 12 Rz 49c). Die Annahme einer Diskriminierung ist konsequent, falls die abgelehn- 68 te Bewerberin die für die Stelle erforderliche Eignung hat. Hat sie diese hingegen nicht, liegt wohl auch dann keine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn der AG die Ablehnung mit der Schwangerschaft begründet. Dafür spricht, dass dies allgemein gilt (Rz 61), nicht jedoch, dass die Ablehnung aufgrund der Schwangerschaft nicht unmittelbar an das Geschlecht anknüpfe, da die unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Zusammenhang des Arbeitsverhältnisses vom EuGH auch auf die Fälle der Benachteiligung wegen Schwangerschaft und Mutterschaft ausgedehnt wurde.182 Aus dem Verbot einer Diskriminierung leitet der EuGH ab, dass die 69 Schwangere nicht verpflichtet sein darf, ihre Schwangerschaft selbst mitzuteilen, weil der AG bei der Anwendung der Arbeitsbedingungen ihre Schwangerschaft nicht berücksichtigen darf.183 Auch der OGH verneint die Möglichkeit zur Entlassung (und implizit zur Anfechtung) wegen Täuschung auch nach bewusst falscher Antwort, weil er Fragen nach der Schwangerschaft für unzulässig hält.184 Dies stimmt im Ergebnis mit den Anforderungen des EuGH überein. Der EuGH hält eine Beendigung durch den AG auf Grund der Schwangerschaft generell für eine Diskriminierung. Dies gilt auch für die Anfechtung wegen eines Willensmangels (Täuschung), weil die Schwangere die Frage nach der 179 EuGH Mahlburg, Rz 27. 180 EuGH 4.10.2001, C-109/00, Tele Danmark, Rz 30 ff. 181 EuGH 4.10.2001, C-438/99, Jiménez Melgar. 182 Siehe Schlachter in ErfK AGG § 3 Rz 6. 183 EuGH 27.2.2003, C-320/01, Busch, Rz 40. 184 OGH SZ 41/144 = JBl 1969, 285 mA Spielbüchler = DRdA 1970, 37 mA Kuderna = ZAS 1970/16 S 140 mA Migsch.
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Schwangerschaft falsch beantwortet hat. Wenn der AG nämlich den Abschluss oder die Verlängerung des Arbeitsvertrages nicht wegen der Schwangerschaft verweigern darf, dann „liegt es auf der Hand“ dass er auch seine Zustimmung nicht wegen eines Willensmangels anfechten darf.185 Dies gilt nicht nur bei unbefristetem Arbeitsverhältnis,186 sondern auch bei befristetem Arbeitsvertrag und nun wohl auch, wenn die AN auf Grund der Schwangerschaft im befristeten Arbeitsverhältnis kaum oder gar nicht zur Arbeit kommt.187 Damit hat der EuGH die direkten Möglichkeiten des AG, eine bewusst falsche Antwort zu sanktionieren, faktisch beseitigt. Der EuGH übertreibt es aber wohl, wenn er diese Grundsätze auch auf den Fall anwendet, dass eine Frau den AG um Zustimmung zur vorzeitigen Beendigung des Erziehungsurlaubes bittet, dieser sie erteilt, und die Frau dann sogleich von der neuerlichen Schwangerschaft mitteilt; sie konnte in der Folge bis zur neuerlichen Schutzfrist nur eingeschränkt arbeiten. Das Motiv war, so höhere Zahlungen zu erhalten; auf das Motiv kommt es aber laut EuGH nicht an.188 70 Fraglich ist, ob allein schon die (wie ausgeführt unzulässige) Frage nach der Schwangerschaft eine Diskriminierung darstellt. Eichinger hat dies bejaht, weil die Begründung des EuGH in anderen Fällen, die Maßnahme komme nur gegenüber Frauen in Betracht, auch hier zutreffe.189 Allerdings kann eine Frage nicht notwendig dem Nichteinstellen gleichgehalten werden. Die unzulässige Frage allein wird uE noch nicht die spezifischen Rechtsfolgen einer Diskriminierung auslösen. Schon die Frage nach der Schwangerschaft ist aber – bei Ablehnung der Bewerberin – ein starkes Indiz für eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes. Auch das Verlangen eines ärztlichen Tests vor der Einstellung, aus dessen Ergebnissen der AG (oder eine ihm zuzurechnende Person) Rückschlüsse auf die Schwangerschaft ziehen kann, ist jedenfalls ein solches Indiz, und wegen der Verlagerung der Antwort auf objektive Dritte wohl schon selbst eine Diskriminierung. 71
§ 2b Abs 2 MSchG gibt dem AG das Recht, die schwangere AN auf einem anderen Arbeitsplatz zu beschäftigen, falls eine Weiterbeschäfti185 EuGH Busch, Rz 49. 186 EuGH 5.5.1994, C-421/92, Habermann-Beltermann; 3.2.2000, C-207/98, Mahlburg. 187 EuGH Busch, Rz 42 f. 188 EuGH Busch, Rz 46. 189 Eichinger EAS B 4200 Rz 47.
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gung am bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich oder zumutbar ist. Das Verbot, aufgrund der Schwangerschaft zu benachteiligen und wegen Täuschung aufzulösen (insb Rz 69), schließt auch ein Recht des AG, eine Vertragsanpassung zu verlangen, falls die Schwangere zwar nicht die vereinbarte, wohl aber eine andere Arbeit verrichten kann, nicht notwendig aus. Man wird dieses Recht in diesen Fällen wohl bejahen, zumal es die im Vergleich zur Auflösung weniger schwere Rechtsfolge ist; auch § 2b Abs 2 MSchG wird die Anpassung des Vertrages bei Täuschung nicht ausschließen. Fraglich ist, ob der AG von einer AN, die wegen der Schwangerschaft sogleich oder alsbald nach Vertragsschluss nicht arbeiten darf, Schadenersatz verlangen kann. Der EuGH hat dazu noch nicht Stellung genommen. In Österreich käme schon nach allg Regeln wohl nur Ersatz des Vertrauensschadens aus culpa in con trahendo in Betracht. Gegen die Ersatzpflicht spricht allerdings, dass die wahrheitswidrige Antwort nicht rechtswidrig ist. Überdies würde auch diese Ersatzpflicht gerade aufgrund der Schwangerschaft bestehen. Denkbar wäre allenfalls eine Ersatzpflicht wegen sittenwidriger Schädigung (§ 1295 Abs 2 ABGB), aber auch diese könnte am Unionsrecht scheitern. c. Familienstand Als Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes gilt auch jene nach 72 dem Familienstand, sofern dieses Argument zu einer geschlechterdiskriminierenden Entscheidung führt (Rz 41 ff). Unzulässig ist daher eine Benachteiligung bei Einstellung oder Beförderung mit dem Argument, die/der Partner verdiene gut, wenn bzw weil dieses Argument eher Frauen trifft. Überträgt man die Auffassungen zur Schwangerschaft (Rz 69) auf diesen Aspekt, so sind auch Sanktionen unzulässig, falls die Frage nach dem Familienstand bewusst falsch beantwortet wurde. Darunter fallen jedenfalls Fragen nach dem persönlichen Status (verheirat, geschieden, ledig, Lebenspartnerschaft usw). Fraglich ist ob darunter auch die Frage nach unterhalts- oder sorgebedürftigen Kindern fällt. Dies wird in der Lehre wiederholt bejaht.190 Folgte man dieser Lehre, dann darf der AG jedenfalls bei Einstellung und Beförderung nicht nach sozialen Gesichtspunkten auswählen – konsequenterweise auch die allein erziehende Mutter nicht deswegen dem Singlemann vorziehen. Der AG darf aber jedenfalls nach der zeitlichen Flexibilität fragen, 190 Eichinger EAS B 4200 Rz 39; Smutny/Mayr 216; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 4.
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soweit danach differenziert werden darf (Rz 85); und bei bewusst falscher Antwort auf die zulässige Frage auch dann Sanktionen ergreifen, falls die Antwort wegen der Pflicht zur Kinderbetreuung falsch war. d. Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung 73 Nach § 9 Abs 1 ist eine Beschränkung der Ausschreibung auf Angehörige eines Geschlechtes – und damit eine unmittelbare Diskriminierung bei der Einstellung – zulässig, wenn ein bestimmtes Geschlecht eine unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ist. Ein Verhalten, das prima facie eine unmittelbare Diskriminierung wäre, ist dann zulässig (wobei dies entweder als Tatbestands einschränkung oder als Rechtfertigungsgrund konstruiert sein kann; § 5 Rz 14); dies wird von Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG grds zugelassen. 74 In der Vorauflage wurde vertreten, das GlBG enthalte derzeit keine Bestimmung, die von der Ermächtigung des Art 2 Abs 6 RL 76/207/EWG (jetzt Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG) in zulässiger Weise Gebrauch mache. Für eine Ausnahme iSd Art 14 Abs 2 sei nämlich eine entsprechende Regelung des Mitgliedstaates erforderlich. Der EuGH hat dafür ein Transparenzerfordernis aufgestellt: Die Ausnahmen dürfen nur spezifische Tätigkeiten betreffen, und die Ausnahmeregelungen müssen auch hinreichend durchschaubar sein, um es den Gerichten wie den Betroffen möglich zu machen, die Einhaltung der Ausnahmen zu überprüfen.191 Überdies muss die nationale Regelung in nachprüfbarer Form jene Berufe und Tätigkeiten nennen, die von der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgenommen sind bzw werden sollen, und diese Liste muss der EU-Kommission übermittelt werden.192 In der Literatur wurde das Verlangen einer Liste als unerfüllbar angesehen, weil es auf den Inhalt der jeweiligen Arbeitsverträge ankomme.193 Sehr wohl wäre aber eine generische Umschreibung der auszunehmenden Tätigkeiten möglich. In Deutschland hat die Regierung der EUKommission eine Liste übermittelt, welche einschlägige Tätigkeiten zumindest abstrakt umschreibt;194 sie nennt als Gründe für Unverzichtbarkeit insb die Authentizität einer Darstellung und den Schutz 191 EuGH 30.6.1988, 318/86, Komm/Frankreich, Rz 25; Eichinger EAS B 4200 Rz 60. 192 EuGH 21.5.1985, 248/83, Komm/Deutschland, Rz 38. 193 Müller-Glöge in MüKo4 BGB § 611a Rz 38. 194 Bundesarbeitsblatt 11/1987, 40 ff.
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der Persönlichkeitsrechte von Patienten oder Betreuten.195 Art 31 Abs 3 der RL 2006/54/EG sieht nun vor, dass die Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen die in Artikel 14 Absatz 2 genannten beruflichen Tätigkeiten prüfen, um unter Berücksichtigung der sozialen Entwicklung festzustellen, ob es gerechtfertigt ist, die betreffenden Ausnahmen aufrechtzuerhalten. Sie haben der Kommission das Ergebnis dieser Prüfung regelmäßig zu übermitteln, zumindest aber alle acht Jahre. In neuerer deutscher Lit wird das Erfordernis der Transparenz soweit ersichtlich nicht mehr angesprochen.196 Auch das AGG wiederholt in § 8 nur die Formulierung von Art 14 Abs 2 der RL 2006/54/EG. Die nach der RL laut EuGH für eine Ausnahme vom Diskriminie- 75 rungsverbot erforderliche Aufzählung der Tätigkeiten (Rz 74) fehlt in Österreich. Soweit es um das Erfordernis des Geschlechtes als unverzichtbare Voraussetzung geht, ist daher angezweifelt worden, ob § 9 angewendet werden darf (ebenso § 5 Rz 15). Aber auch wenn man § 9 gegen die RL für anwendbar hält, ergibt sich eine weitere Einschränkung bei seiner Anwendbarkeit. § 9 regelt nämlich nur die Lage bei Ausschreibungen und wäre daher nur anwendbar, wenn eine Ausschreibung der Stelle erfolgt. Für Entscheidungen, die ohne Ausschreibung erfolgen, gibt es in Österreich keine ausdrückliche Ausnahme zu § 3 oder eine Ausführung von Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG, wenngleich die RL dies offensichtlich zulassen würde. Entscheidungen ohne Bezug auf eine Ausschreibung sind lediglich auf der Ebene der Beweislast in § 12 Abs 12 genannt, was aus systematischer Sicht fragwürdig erscheint.197 Eine gezielte Auswahl aufgrund des Geschlechtes könnte also zusätzlich nur nach Ausschreibung mit der „unverzichtbaren Voraussetzung“ begründet werden. Relevant ist dies zB für eine innerbetriebliche Beförderung ohne Ausschreibung; der AG könnte das Bevorzugen wegen des Geschlechtes dann nicht damit rechtfertigen, dass für die Stelle ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung sei. Beide Bedenken gegen die Anwendbarkeit von § 9 (die fehlende Konkretisierung und die Beschränkung auf Ausschreibungen) sind in späterer österreichischer Lit nicht aufgegriffen worden;198 sie können 195 Vgl Eichinger EAS B 4200 Rz 67. 196 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 8 Rz 4; Thüsing in MüKo AGG § 8 Rz 5 ff. 197 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 46. 198 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 46 ff; § 9 Rz 15 ff; WindischGraetz in ZellKomm3 GlBG § 9 Rz 6; Haberer, Gleichbehandlung im Be-
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insofern als verworfen angesehen werden. Gegen weitergehende Konkretisierungserfordernisse spricht, dass eine abschließende Aufzählung kaum tunlich sein wird;199 gegen die Beschränkung auf Ausschreibungen spricht neben teleologischen Erwägungen auch § 12 Abs 12, der offenbar von der Möglichkeit einer Rechtfertigung jeder Einstellungsentscheidung durch unverzichtbare Voraussetzungen ausgeht, genau genommen gar nicht auf die Einstellung beschränkt ist, sondern nur von der „Ausübung“ spricht. 76 Die Formulierung des § 9 entspricht grob dem Text des Art 2 Abs 2 RL 76/207/EWG („unabdingbare Voraussetzung“) sowie dem § 2a des alten GlBG. Die Novelle durch die RL 2002/73/EG formulierte: Ein geschlechtsbezogenes Merkmal ist beim Zugang zu einem Beruf nur zulässig, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Diese Formulierung enthält nun auch Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG. Das GlBG verwendet die geänderte Formulierung zwar in § 20 Abs 1, erstaunlicherweise aber nach wie vor nicht in § 9. Die neue Formulierung des Unionsrechts ist zum einen vielleicht weniger streng als die alte, weil nicht mehr von „unabdingbar“ die Rede ist. Allerdings war bzw ist diese Wortwahl des § 9 wenig geglückt, weil die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht kaum jemals wirklich „unabdingbar“ bzw „unverzichtbar“ ist, außer bei einer Amme. Auf der anderen Seite könnte die neue Formulierung der RL insofern strenger als die alte sein, als sie eine Prüfung der „Legitimität“ der Anforderungen verlangt. Ähnlich hat allerdings der EuGH schon früher geurteilt (vgl nächste Rz), sodass § 9 in diesem Sinn zu verstehen sein wird und die Neufassung wohl nur eine exaktere sprachliche Fassung der bisherigen EuGH-Rsp ist.200 Unklar bleibt das Verhältnis zu § 20 Abs 1, der zumindest dem Wortlaut nach weniger streng ist.201
trieb 3.5; Körber-Risak Rz 180. 199 Für die Zulässigkeit weiter Formulierungen auch Franzen in Franzen/Gallner/Oetker, AEUV Art 157 Rz 69. 200 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 48; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 8 Rz 4. 201 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 3 f.
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Das Erfordernis eines bestimmten Geschlechtes darf nur eine spezifi- 77 sche Tätigkeit betreffen, und es muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen: Die Beschränkung muss zur Verwirklichung der unabdingbaren Voraussetzung geeignet, angemessen und erforderlich sein und darf das objektiv notwendige Ausmaß nicht überschreiten.202 Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG enthält nur eine enge Ausnahme.203 Die RL verlangt für jeden Fall, dass es sich um eine „wesentliche und entscheidende Anforderung handelt“, und dass die Verhältnismäßigkeit geprüft wird. Die Anforderungen an den Verhältnismäßigkeits-Test sind eher hoch.204 Dieser Gehalt der RL kann und muss über richtlinienkonforme Auslegung berücksichtigt werden. Die Voraussetzung eines bestimmten Geschlechts ist nur zulässig, wenn 78 dies durch die Art der Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung gerechtfertigt werden kann (Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG). Unverzichtbar ist ein bestimmtes Geschlecht va, wenn im anderen Fall die vertragsgemäße Leistung nicht erbracht werden könnte, vorausgesetzt die Gründe für dieses Unvermögen genügen den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Der OGH hat für die Ausnahme früher ausreichen lassen, dass die Beschränkung auf ein Geschlecht „eine sachliche Rechtfertigung“ hat, weil andernfalls nach dem Wortlaut des früheren § 2 GlBG keine Diskriminierung vorlag;205 die Formulierung des 1990206 eingeführten § 2a Abs 9 GlBG, welcher bereits von Unverzichtbarkeit sprach, hat für ihn dabei keinen Unterschied gemacht. Diese Auffassung hat schon zum alten GlBG den Charakter der Norm zur Stellenausschreibung als Spezialnorm und die Anforderungen der RL 76/207/EWG zu wenig berücksichtigt. Heute bedeutet „unverzichtbar“ sicher nicht (mehr) dasselbe wie „sachlich“,207 vielmehr sind die Anforderungen an „unverzichtbar“ bedeutend höher. Ältere E wie insbesondere die Herrenmode-E können insofern nur mehr sehr bedingt oder gar nicht mehr herangezogen werden.208 Die Unverzichtbarkeit kann nur aus Anforderungen der Tätigkeit folgen, und nicht aus bloßen 202 EuGH 15.5.1986, 222/84, Johnston, Rz 36–38; 26.10.1999, C-273/97, Sirdar, Rz 28. 203 EuGH, 6.3.2014, C-595/12, Napoli, Rz 41. 204 Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (106). 205 OGH 12.1.2000, 9 ObA 318/99a, Herrenmode. 206 BGBl 1990/410. 207 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 17. 208 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 9 Rz 8.
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Begleitumständen wie dem Fehlen von Umkleideräumen oder Sanitäreinrichtungen.209 Jedenfalls nicht unter die Ausnahme fallen generelle Aussagen über die Angehörigen eines Geschlechts, wie die fehlende Eignung von Frauen für schwere körperliche Arbeiten; die Eignung für einen Arbeitsplatz ist vielmehr stets individuell festzustellen.210 § 9 kann nur Unterscheidungen in Bezug auf die AN, nicht aber bei der Gegenleistung des AG rechtfertigen. Mit § 9 selbst kann nur eine unmittelbare, nicht aber eine mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt werden (Rz 85). Und der AG muss die Geschlechtszugehörigkeit bewusst und offen zur Voraussetzung erheben, falls er den Arbeitsplatz vorher ausschreibt. Zuweilen wird gesagt, dass Unverzichtbarkeit nur vorliegt, wenn ein Ausüben der Tätigkeit durch Angehörige des anderen Geschlechtes praktisch oder rechtlich ausgeschlossen ist.211 Beide Ansätze führen nicht wirklich weiter. In den fraglichen Fällen behauptet meist der AG, dass die Arbeitsaufgabe ein bestimmtes Geschlecht erfordere. Wirklich ausgeschlossen (iSv faktisch unmöglich) sind Angehörige des anderen Geschlechts aber kaum jemals (etwa bei Ammen, Sänger). Besser ist es, für das Erfordernis auf inhaltliche Kategorien abzustellen (insb kulturelle Authentizität und Privatsphäre), und dann eine wertende Entscheidung vorzunehmen, die fragt, ob die Wünsche des AG einem wirklich dringenden Bedürfnis des Unternehmens entsprechen. Der EuGH hat va zu den Berufssoldaten erkennen lassen, dass er einen sehr strengen Maßstab anlegt, der sich sowohl von naturalistischen Betrachtungsweisen wie von traditionellen Rollenbildern nicht beeinflussen lässt. Danach ist es nicht zulässig, Frauen vollständig von der Erwerbstätigkeit im Heer mit der Waffe auszuschließen.212 Ähnlich streng wird der Maßstab auch bei privaten AG sein müssen. 79 Traditionelle Berufszuschreibungen haben vor § 3 kaum Bestand.213 Bei den meisten Tätigkeiten, die heute noch überwiegend von Angehörigen eines Geschlechts ausgeübt werden, greift die Ausnahme nicht 209 Körber-Risak Rz 180; OGH 7.7.2004, 9 ObA 46/04m. 210 OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h. 211 ZB UVS Wien im Verfahren VwGH 30.6.1998, 96/08/0375; GBK im Gutachten vom 28.4.2000. 212 EuGH 11.1.2000, C-285/98, Kreil, Rz 27 f; zulässig ist nur der Ausschluss von speziellen Einheiten, EuGH 26.10.1999, C-273/97, Sirdar, Rz 29 ff, sowie von der Wehrpflicht, EuGH 11.3.2003, C-186/01, Dory, allerdings aus kompetenzrechtlichen Gründen. 213 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 17.
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(zB Kfz-Mechaniker; Kosmetikberaterin; Busfahrer – im August 2004 war die Tatsache, dass ein Bus der Klagenfurter Stadtwerke erstmals von einer Frau gelenkt wird, dem ORF noch einen längeren Bericht wert). Der Gesetzgeber hat den Beruf der Hebamme für Männer geöffnet. Ist für einen Arbeitsplatz große körperliche Kraft oder sehr große Geschicklichkeit erforderlich, so darf die Auswahl dennoch nicht von vornherein auf Angehörige eines Geschlechtes beschränkt werden, weil diese typischen Voraussetzungen nicht nur bei Personen eines bestimmten Geschlechts vorliegen.214 Der AG darf in der Ausschreibung allerdings auf diese Anforderungen hinweisen; die Auswahl darf aber in der Folge nicht aufgrund des Geschlechts erfolgen, vielmehr darf zB eine Frau wegen zu geringer Körperkraft nur ausgeschlossen werden, wenn dies auch individuell zutrifft. Der AG wird eine bestimmte Auswahl nicht selten mit den Wünschen 80 von Geschäftspartnern bzw Kunden des AG rechtfertigen wollen. Es geht auch hier um die Frage, inwieweit das Interesse an Gleichbehandlung gegen die Erwartungen der Kunden und damit des Marktes durchgesetzt werden soll (§ 2 Rz 14 ff). Man muss primär danach unterscheiden, ob die Arbeit innerhalb der EU erfolgt. Trifft dies zu, so berechtigen Erwartungen und Wünsche von Kunden des AG idR nicht zur Benachteiligung aufgrund des Geschlechts (oder aus einem anderen missbilligten Merkmal). Eine wichtige Überlegung zur Entscheidung ist uE, ob die Kunden bei Erbringung der Leistung durch Personen mit anderer Merkmalsausprägung als der von ihnen gewünschten typischerweise eher auf die Leistung verzichten werden oder sie doch in Anspruch nehmen.215 In den meisten Fällen wird die Nachfrage nicht beeinflusst werden – und zwar auch dann, wenn man von den realen Kunden mit ihren Vorurteilen ausgeht (also nicht rationales Verhalten unterstellt). Leute werden auch dann fliegen, wenn in den Kabinen Flugbegleiter und nicht Flugbegleiterinnen arbeiten; sie werden auch dann im Lokal bestellen, wenn ein Kellner statt der erhofften Kellnerin bedient; sie werden auch dann Waffen oder Autos kaufen, wenn sie nicht von einem Verkäufer, sondern von einer Verkäuferin beraten werden; und sie werden auch dann eine Busreise machen, wenn der Bus von einer Frau gelenkt wird. Ebenso werden kleine Bauherren ihr Haus auch dann von einer Firma bauen lassen, wenn diese Zuwanderer statt 214 Vgl OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h. 215 Zu Customer Preferences vgl auch Haberer, Gleichbehandlung im Betrieb 3.5.
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der bevorzugten Einheimischen beschäftigt, und nicht das Haus selber bauen. Nur in wenigen Fällen wird die Nachfrage tatsächlich abnehmen oder wegbrechen. So werden Kunden ein Animierlokal meiden, in dem das Personal nicht das gewünschte Geschlecht hat (während ansonsten gehegte ethnische Vorurteile dort meist keine Rolle spielen). Bei Arbeit in der EU können die Wünsche von Kunden und Geschäftspartnern idR keine Diskriminierung rechtfertigen, sondern nur ganz ausnahmsweise zur Zulässigkeit einer Diskriminierung führen.216 In der Folge kann auch ein bestimmtes Unternehmenskonzept in vielen Fällen keine unverzichtbare Voraussetzung darstellen, weil das Gleichbehandlungsgebot gerade solche Konzepte zurückdrängen will.217 Ein bestimmtes Geschlecht ist hier weder von der Art der Tätigkeit noch von den Kundenwünschen gefordert. Es ist daher unzulässig, wenn ein Finanzdienstleister zur Beratung weiblicher Kunden auf einem frauenspezifischen Tätigkeitsfeld nur Frauen einstellen möchte. In manchen Fällen ist die Abgrenzung schwierig, zB einem Fitnessstudio oder Schwimmbad für islamische Frauen, in welchem dann keine Männer arbeiten dürften.218 Größere Bedeutung können die Kundenwünsche bei AN haben, die in Drittstaaten beschäftigt werden, falls Arbeitsverbote bestehen oder falls kulturelle Vorgaben des Einsatzortes den Einsatz von Angehörigen eines bestimmten Geschlechtes zur Wahrung der Geschäftschancen wirklich nötig machen.219 Das Gleichbehandlungsrecht der EU kann nicht die Auffassungen der Bewohner anderer Länder reformieren – jedenfalls wenn dies die Umsätze europäischer Unternehmen gefährdet. Allerdings kann der zweitgenannte Rechtfertigungsgrund (kulturelle Vorgaben) nur in ernsten Fällen anerkannt werden, in denen das Geschäft ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet wäre (in den USA wird diese Rechtfertigung hingegen nicht akzeptiert). Und die genannten Rechtfertigungsgründe können auch nur für AN gelten, deren regelmäßiger Einsatz im Drittstaat erforderlich ist (und nicht für alle, die im Drittstaat gelegentlich eingesetzt werden könnten). Außerdem verbleibt ein gewisser Bereich, 216 Ähnlich Gerlach, RdW 2000, 600; Thüsing in Müko AGG § 8 Rz 9 ff; Thüsing, RdA 2001, 318 ff. 217 Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 9 Rz 8; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 17. 218 Beispiele bei Baumgärtner in BeckOGK AGG § 8 Rz 7 ff; Thüsing, RdA 2001, 319 ff und Gerlach, RdW 2000, 610, auch aus dem Ausland. 219 Körber-Risak Rz 181; Thüsing in Müko AGG § 8 Rz 17.
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in dem die Berücksichtigung von „Kundenwünschen“ einem iSd Gleichbehandlungsvorschriften legitimen Zweck dient und damit zulässig ist, etwa hinsichtlich Gesundheitsschutz und Schutz der persönlichen Integrität (§ 20 Rz 19), beim Geschlecht der Intimsphäre (Rz 82). Die Übergänge zwischen Kundenwunsch/ Unternehmenskonzept und anderen berücksichtigungswürdigen Gründen wie der Intimsphäre (zB Verkäuferin von Damenoberbekleidung)220 sind insofern fließend. Das Argument der Unverzichtbarkeit liegt va bei Tätigkeiten nahe, bei 81 denen die kulturelle Authentizität der Aufgabenerfüllung in Frage steht (Sänger, Tänzer, Schauspieler, Model/Dressman). Bejaht werden kann die Ausnahme insofern auch bei der Präsentation von Damenoder Herrenmode.221 Fraglich ist ob dies noch gilt, wenn die Person die Mode nur oder primär verkaufen soll. Der OGH hat die Diskriminierung der Frau hier zugelassen, weil die Verkaufsperson für Herrenmode diese angeblich auch noch selbst tragen sollte.222 Die E verkannte wohl damals schon die Anforderungen an eine Rechtfertigung (Rz 78). Darüber hinaus handelt es sich eher um eine Schutzbehauptung des AG, weil das Tragen eines Modells für die Beurteilung der Kollektion bei bloßer Vertretertätigkeit kaum erforderlich sein kann, auch nicht im Ausland.223 Nach dem jetzt geltenden Recht müsste die E anders ausfallen, weil ein bestimmtes Konzept des Unternehmens allein nicht rechtfertigen kann. Ansonsten müsste es auch zulässig sein, wenn ein Autohändler erklärt, nur junge Frauen mit blonden Haaren einzustellen, weil dies den Verkauf fördere. Anders wäre der Fall aber wohl zu beurteilen, falls es sich um die leitende Position einer exklusiven Herrenboutique in einem Nicht-Mitgliedstaat handeln sollte (so soll der Sachverhalt gelagert gewesen sein, was aber aus der E selbst nicht hervorgeht). Dann hat die Eigenschaft als Mann – anders als beim Verkauf – sachlich mglw eine größere Bedeutung, und diese könnte jedenfalls wegen der Erwartungen im Nicht-EU-Ausland auch rechtlich relevant sein (vgl auch Rz 80). Ausnahmen können auch im Interesse der Intimsphäre („Sittlichkeit“) 82 Dritter begründet sein, so beim Aufsichtspersonal für Häftlinge.224 220 Gerlach, RdW 2000, 610; LAG Köln, ArbuR 1996, 504. 221 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 17; Thüsing in Müko AGG § 8 Rz 9. 222 OGH 12.1.2000, 9 ObA 318/99a. 223 Kritisch bereits Gerlach, RdW 2000, 598. 224 EuGH 30.6.1988, 318/86, Komm/Frankreich, Rz 11 ff.
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Ähnliches gilt uE auch bei Frauenberatungsstellen (insb für Notfälle) und Frauenhäuser.225 Die Tätigkeit als Frauenbeauftragte oder Männerbeauftragter kann bei entsprechendem Aufgabengebiet (überwiegend persönlicher Kontakt) wohl unter § 9 fallen, weil die Gesprächspartner sich „wiederfinden“ sollen.226 Die Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftrage(r) wird hingegen nicht unter die Ausnahme fallen,227 weil es sich dabei um ein gemeinsames Thema handelt. Maßgeblich dürfte aber der Tätigkeitsumfang im Einzelfall sein. Auch beim Pflegepersonal oder bei bestimmten Ärzten, zB für Gynäkologie, oder Psychotherapeuten kann ein bestimmtes Geschlecht unabdingbare Voraussetzung sein.228 Auch nach dem VfGH ist das Erfordernis des weiblichen Geschlechts des Arztes zur Sicherstellung einer angemessenen Versorgung sozialversicherter Patientinnen auf dem Fachgebiet der Frauenheilkunde im Rahmen des bestehenden Versorgungsbedarfs für die auf diesem Gebiet tätigen weiblichen Fachärzte eine objektiv vorliegende berufliche Anforderung, wobei er (neben § 8 GlBG) ausdrücklich auf § 9 GlBG verweist. Aus diesem Grund verstoßen die Vorschriften einer Reihungskriterien-Verordnung für Vertragsärzte im Bereich der Frauenheilkunde, welche die durch das weibliche Geschlecht vermittelbare besondere Vertrauenswürdigkeit zusätzlich berücksichtigen, nicht gegen das GlBG.229 Auch Orden, also geistliche Organisationen, die nur aus Angehörigen eines Geschlechtes bestehen, können das Geschlecht für Mitarbeiter mit Tätigkeiten im persönlichen Nahebereich zur Einstellungsvoraussetzung machen. Ebenso ist der Schutz der Intimsphäre von Kundinnen in diesem Zusammenhang genannt worden, etwa beim Verkauf von Damenoberbekleidung und Damenbadebekleidung.230 Das BAG hat hingegen in einer jüngeren Entscheidung beim Sportunterricht für Schülerinnen das weibliche Geschlecht nicht als unverzichtbare Voraussetzung gesehen und dabei auf entsprechende Aus- und Fortbildungen für das Lehrpersonal sowie entsprechende organisatorische Maßnahmen verwiesen.231 225 Ebenso Gerlach, RdW 2000, 610. 226 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 17. 227 BAG 12.11.1998, 8 AZR 365/97 = NZA 1999, 371; zulässig hingegen nach BAG 18.3.2010, 8 AZR 77/09; kritisch zum seiner Ansicht nach zu großzügigen Maßstab Thüsing in MüKo AGG § 8 Rz 25. 228 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 9 Rz 8; Thüsing in MüKo AGG § 8 Rz 24. 229 VfGH 9.12.2014, V 54/2014. 230 LAG Köln, ArbuR 1996, 504. 231 BAG 19.12.2019, 8 AZR 2/19.
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Erwägungen zur Sicherheit werden die Beschränkung auf ein Ge- 83 schlecht kaum je tragen können. Dies gilt sowohl für die Begründung mit der Sicherheit der als AN tätigen Frauen wie mit jener Dritter. Der EuGH232 hat es 1986 zwar für zulässig erachtet, dass Polizeiaufgaben mit Schusswaffengebrauch Männern vorbehalten werden, diese E betraf aber Nordirland und damit eine Region mit häufigen Anschlägen, und kann schon deshalb nicht verallgemeinert werden. Überdies ist fraglich, ob sie heute noch Bestand hat. Inzwischen hat er sowohl gesagt, dass das Nachtarbeitsverbot für Frauen nicht mit dem Schutz der Frauen gerechtfertigt werden kann (§ 5 Rz 23), wie auch entschieden, dass Frauen nicht generell vom Dienst mit der Waffe ausgeschlossen werden dürfen (Rz 78). Auch private Sicherheitsdienste werden daher für Bewachungsaufgaben Frauen nicht generell ausschließen dürfen, sondern auf ein ausgewogenes Verhältnis achten müssen, aber auch auf Kundenwünsche Rücksicht nehmen dürfen, soweit die Bewachung einen ständigen nahen Kontakt einschließt. Es wird auch nicht zulässig sein, Frauen von der Beschäftigung in gefährlichen Auslandsgebieten mit dem Argument auszuschließen, das sei für Frauen zu gefährlich; der AG kann allenfalls auf Kenntnisse in der Selbstverteidigung abstellen, dies aber geschlechtsneutral. Nicht zulässig dürfte es daher auch sein, die Leitung eines Detailverkaufsgeschäftes in Moskau einem Mann vorzubehalten, weil die Arbeit für eine Frau dort zu gefährlich sei. Ein Gesetz, das die Beschäftigung der Angehörigen eines Geschlechtes 84 für eine bestimmte Tätigkeit verbietet oder erschwert, kann grds zu einer unverzichtbaren Voraussetzung führen (dies geht aus der Rspr des EuGH zu Schwangerschaftsfällen implizit hervor).233 Allerdings könnte das Gesetz (zB Verbot des Hebens schwerer Lasten für Frauen – nur – in bestimmten Berufen) selbst diskriminieren und unionsrechtswidrig sein. Die Kommission hat Österreich denn auch wegen bestimmter Beschäftigungsverbote für Frauen (zB im Bergbau, bei Taucherarbeiten, in Druckluft) geklagt und partiell Recht erhalten.234 Es ist allg eine Tendenz zum Abgehen von auf generellen Aussagen beruhenden Frauenschutzbestimungen und hin zu geschlechtsneutralen, die individuellen Eigenschaften beachtenden Bestimmungen zu beobachten.235 Fraglich 232 15.5.1986, 222/84, Johnston. 233 Vgl zB EuGH 3.2.2000, C-207/98, Mahlburg Rz 21 ff; Körber-Risak Rz 181. 234 EuGH 16.12.2004, C-358/03, Komm/Österreich. 235 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 62; § 5 Rz 63 ff.
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ist, ob dem AG, der sich an das diskriminierende Gesetz hält, Diskriminierung vorgeworfen werden kann. Mehr spricht gegen eine Verantwortung des AG, weil er hier auch dann nicht anders handeln darf, wenn er sich der Diskriminierung bewusst ist; vgl Rz 27. Anderes könnte sich aus der neueren Rsp zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen und der GRC ergeben, wonach wohl solche diskriminierenden Gesetze unangewendet bleiben müssten. In Betracht kommen Ansprüche aus Staatshaftung, entweder der Benachteiligten oder des AG.
3. Mittelbare Diskriminierung 85 Eine vermutete Benachteiligung kann bei einer Einstellung zum einen aus einer generellen Regelung des AG (Einstellungsrichtlinie) folgen, sie kann aber auch bei einer Entscheidung vorliegen, die der AG ohne erkennbare Orientierung an generellen Regelungen trifft (Einzelmaßnahme; vgl § 5 Rz 28, 42). Kriterien, aus denen eine mittelbare Benachteiligung folgen kann, sind etwa:236 Anforderungen an Flexibilität und Mobilität, das Abstellen auf eine möglichst lange und/oder ununterbrochene Vorbeschäftigung (Erfahrung), der Wunsch nach bisheriger Vollbeschäftigung, aber auch bestimmte körperliche Anforderungen, die von einem Geschlecht leichter zu erfüllen sind wie eine vom Geschlecht unabhängige Mindestgröße.237 Eine vermutete Benachteiligung liegt auch vor, wenn der AG darauf abstellt, ob die Bewerberin/ Bewerber betreuungsbedürftige Kinder hat, weil typischerweise die Mütter diese Aufgabe übernehmen bzw organisieren. Auch das Abstellen auf möglichst kontinuierliche berufliche Weiterbildung kann eine vermutete Benachteiligung begründen. Die genannten Kriterien können eine vermutete Benachteiligung vor allem begründen, wenn und weil Männer die darin enthaltenen Anforderungen idR leichter erfüllen als Frauen; bei diesen führen Schwangerschaft und Kinderbetreuung zu Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbstätigkeit und zur Einschränkung von Mobilität und Flexibilität. Darüber hinaus können die genannten Kriterien heute aber oft auch unabhängig von einem statistischen Nachweis eine vermutete Benachteiligung begründen (§ 5 Rz 40). Das Erfordernis einer bestimmten Ausbildung ist heute idR kein Kriterium mehr, das Personen eines Geschlechts in besonderer Weise benachteiligen kann, weil Frauen heute zumindest in demselben 236 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 67. 237 EuGH 18.10.2017, C-409/16, Kalliri, Rz 32 f.
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Ausmaß mittlere und höhere Bildung erreichen. Auf eine vermutete Benachteiligung kann es hindeuten, wenn der AG fragt, welche Leistungsverhinderungen zu erwarten sind. Eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wird auch naheliegen, falls die Zusammensetzung des Personals des AG in Bezug auf das Geschlecht deutlich „unausgewogen“ ist, und die Bewerbung von Angehörigen des unterrepräsentierten Geschlechts abgelehnt wird. Es liegt dann die Annahme nahe, dass der AG bei der Entscheidung über die Einstellung Kriterien anwendet, welche die Angehörigen des einen Geschlechts spezifisch benachteiligen. Entscheidend ist allerdings meist, wann von einer „unausgewogenen“ Zusammensetzung die Rede sein kann; es kommt dabei primär auf die Abgrenzung der Grundgesamtheit an, für welche die Zusammensetzung zu beurteilen ist (§ 2 Rz 10). Eine vermutete Benachteiligung kann – nur – nach § 5 Abs 2 gerecht- 86 fertigt werden. Eine Rechtfertigung nach § 8 oder § 9 scheidet aus, weil positive Maßnahmen ebenso wie der Verweis auf eine unverzichtbare Voraussetzung erfordern, dass diese Begründungen offengelegt werden. Soweit aber doch einmal eine vermutete Benachteiligung vorliegt, kann zB ein Ausbildungserfordernis gerechtfertigt werden, soweit die Ausbildung für die in Aussicht genommene Tätigkeit tatsächlich erforderlich ist. Das Abstellen auf ein bestimmtes Maß an Flexibilität und Mobilität sowie auf eine bestimmte Erfahrung kann durch ein dringendes wirtschaftliches Bedürfnis des Unternehmens gerechtfertigt werden, vorausgesetzt die Anforderungen sind für die konkrete Tätigkeit wirklich erforderlich (§ 5 Rz 59). Auch das Erfordernis einer beruflichen Erfahrung von bestimmter Dauer kann im Hinblick auf § 3 (vgl auch zur Diskriminierung aufgrund des Alters – § 17 Rz 44 u § 20 Rz 64 ff) nur soweit gerechtfertigt sein, als eine längere Tätigkeit tatsächlich eine zusätzliche Erfahrung bringt oder Bewährung belegt, und diese Erfahrung oder Bewährung für die geplante Tätigkeit erforderlich ist. Dasselbe gilt für das Erfordernis beruflicher Weiterbildung (zB Kursbesuche). Bei beiden Anforderungen ist eine strenge Prüfung erforderlich. Noch problematischer ist es, eine Vollzeitbeschäftigung während gewisser Dauer zu fordern und damit Teilzeitbeschäftigte zu benachteiligen (Rz 126; § 5 Rz 60); dafür wird es kaum eine Rechtfertigung geben. Der EuGH hat das im Gesetz vorgesehene Vorreihen auf der Warteliste von – männlichen – Wehr- oder Ersatzdienstleistenden in den deutschen juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen, weil es die durch die Dienstpflicht verursachte Verzögerung der Ausbildung aus173
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gleicht.238 Das könnte auch für die Einstellungspraxis privater AG relevant sein, falls es um eine ähnlich formalisierte und lange Ausbildung geht (zB für die Turnusausbildung der Ärzte). Fraglich ist, ob die Rechtfertigung eine gesetzliche Regelung voraussetzt. 87 Auch bei standardisierten Testverfahren oder Assessment-Centern zur Personenbeurteilung kommt eine vermutete Benachteiligung in Betracht, falls die verwendeten Tests und Beurteilungskriterien sich typischerweise zum Nachteil der Angehörigen eines Geschlechts auswirken. Die neue Formulierung (der RL) greift hier weiter als die alte Formel, die bloß auf den statistischen Vergleich Bezug nahm. Voraussetzung für ein Erkennen der Benachteiligung ist allerdings, dass die Kriterien den Bewerber zugänglich sind. Gerade Assessment-Center werden als Gelegenheit gesehen, um den Vorschriften gegen Diskriminierung auszuweichen. Auch stereotype Kriterien können gerechtfertigt sein, wenn die dadurch bevorzugten Eigenschaften für die betreffende Stelle erforderlich und angemessen sind. 88 Eine Diskriminierung – entweder bei der Einstellung oder bei den Arbeitsbedingungen – könnte auch vorliegen, wenn bei einem AG (in einem sachlich abgegrenzten Personalbereich) der Anteil der Personen eines Geschlechts bei jenen mit unbefristeten Arbeitsverträgen deutlich geringer als bei jenen mit befristeten Arbeitsverhältnissen, oder bei Vollzeitbeschäftigten deutlich geringer ist als bei Teilzeitbeschäftigten, oder bei Arbeitsverträgen deutlich geringer als bei freien Dienstverträgen. Die rechtliche Behandlung solcher Fälle ist schwierig. Wenn der AG offen nach dem Geschlecht bei den angesprochenen Entscheidungen (befristet/unbefristet usw) unterscheidet, so liegt ohne Zweifel eine Diskriminierung vor. Allein die statistische Differenz erlaubt es zumindest bei der Befristung, einen Diskriminierungstatbestand glaubhaft zu machen, wenn einer Person des bei diesem AG diesbezüglich benachteiligten Geschlechtes ein unbefristetes Arbeitsverhältnis verwehrt wird. Bei Teilzeitbeschäftigung wird hingegen wohl zusätzlich glaubhaft gemacht werden müssen, dass in dieser Branche und Region viele teilzeitbeschäftigte Frauen eine Vollzeitbeschäftigung vorziehen würden, weil die Teilzeitbeschäftigung bei Frauen weit häufiger dem eigenen Wunsch entspricht als bei Männern. Bei der Teilzeitbeschäftigung könnte der AG schon die Glaubhaftmachung mit dem Nachweis ent238 EuGH 7.12.2000, C-79/99, Schnorbus; allerdings gab es daneben andere Gründe für ein Vorreihen, die auch Frauen zugutekommen konnten.
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kräften, dass ein höherer Anteil der bei ihm beschäftigten Frauen eher Teilzeit als Vollzeit arbeiten will. Man kann die Benachteiligung in den genannten Fällen auch nicht mit jener These verneinen, die der EuGH verwendet hat, um einen Vergleich von Arbeit auf Abruf und Vollzeitbeschäftigung zu vermeiden, nämlich dem Fehlen der Arbeitspflicht.239 Befristetes und unbefristetes Arbeitsverhältnis sowie Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung unterscheiden sich nicht im Inhalt der Arbeitspflichten und -leistungen, sondern nur in der Dauer der Arbeitspflicht oder gar nur in der Bindung; die Unterschiede sind hier deutlich geringer als bei Arbeit auf Abruf und voller Arbeitspflicht. Bei Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechtes in Bezug auf die Befristung ist eine Rechtfertigung kaum denkbar. Dasselbe gilt in Bezug auf die Alternative Arbeitsvertrag oder freies Dienstverhältnis: Bietet der AG nur (oder deutlich mehr) Männern ein Arbeitsverhältnis und den Frauen nur freie Dienstverträge an, dann diskriminiert er beim Zugang zur unselbständigen Erwerbstätigkeit. Verweigert der Unternehmer aber Frauen wie Männern in gleicher Weise den Arbeitsvertrag und bietet nur freie Dienstverträge, so ist dies aus der Sicht des GlBG nicht zu beanstanden. Schwierig ist hier aber die Abgrenzung zur Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen sowie bei der Beendigung, zumindest dann, wenn ein Vertragsverhältnis (aber eben zB ein befristetes, ein freier Dienstvertrag) zustandegekommen ist, vgl dazu Rz 149.
V. Entgelt und freiwillige Sozialleistungen Literatur: Saunders, Gleiches Entgelt für Teilzeitarbeit (1996); Schlachter, Grundsatz des gleichen Entgelts, in Oetker/Preis (Hrsg), EAS B 4100; Mayr, Entgeltanspruch für schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten, ELR 1998, 581; Winter, Gleiches Entgelt für gleichwertige Leistung – Ein Prinzip ohne Praxis (1998); Eichinger, Beseitigung geschlechtsbezogener Lohnunterschiede bei gleichwertiger Arbeit. Lohnangleichung nach divergierenden Gehaltsforderungen, RdW 1998, 689; Feldhoff, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit (1998); Albrecht, Der Begriff der gleichwertigen Arbeit im Sinne des Lohngleichheitssatzes (1998); Wissmann, Die tarifliche Bewertung unterschiedlicher Tätigkeiten und das Verbot der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung, in FS Schaub (1998) 793; Mayr, Anrechnung des Karenzurlaubes bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen? ecolex 1998, 934; Colneric, Der Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, in FS Dieterich (1999) 46 ff; Thüsing, Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, NZA 2000, 570 ff; Eichinger, Berücksichtigung individuel239 EuGH 12.10.2004, C-313/02, Wippel.
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ler Leistungsunterschiede bei der Entgeltfestsetzung? (Rs Brunnhofer), RdW 2001, 626; Winter, Mittelbare Diskriminierung bei gleichwertiger Arbeit, ZTR 2001, 7 ff; Windisch-Graetz, Gleichbehandlungsrechtliche Aspekte des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes, ecolex 2002, 491 ff; Ranftl ua, Diskriminierungsfreie Arbeitsbewertung, bmgf, 2003; Ranftl, Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit - Leitfaden zu Bestimmungen der Entgeltgleichheit und nicht diskriminierender Arbeitsbewertung (2006); Dorninger/Gleißner, Keine Diskriminierung durch nur teilweise Anrechnung von Elternkarenzzeiten, ecolex 2011, 733; Mazal, Dienstalter, Elternkarenz und geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung, ecolex 2011, 250; Schrammel, Die verordnete Gleichheit – Bemerkungen zur Judikatur des EuGH, in FS Mayer (2011) 673; Ludwig, Nachvollziehbare Gehaltsfindung zur Förderung der Gleichstellung, DRdA 2012, 66; Langenfeld, Art 157 AEUV, in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg), Das Recht der EU (55. Ergl, 2015); Rust, Art 157 AEUV, in Von der Groeben/ Schwarze/Hatje (Hrsg), Europäisches Unionsrecht7 (2015); Windisch-Graetz, GlBG, in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm3 (2018).
1. Allgemeines 89 Z 2 verbietet die Diskriminierung „bei der Festsetzung des Entgelts“ und Z 3 jene „bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen“. Jede Diskriminierung bei einer Leistung des AG aufgrund des Arbeitsverhältnisses fällt damit unter § 3. Die Abgrenzung der beiden Ziffern 2 und 3 voneinander ist nicht leicht, scheint aber zumindest augenscheinlich wegen der unterschiedlichen Regelung der Rechtsfolgen in § 12 erforderlich (dazu Rz 91). Neben dem GlBG ist zum Entgelt aber Art 157 Abs 1 AEUV unmittelbar anwendbar (§ 1 Rz 15). Die für die Rechtsanwendung interessante Grenzlinie verläuft also nicht zwischen den verschiedenen Ziffern des § 3, sondern zwischen dem Entgeltbegriff des Art 157 Abs 1 AEUV und den Arbeitsund Beschäftigungsbedingungen, die in der RL 2006/54/EG geregelt sind. Daher ist es für die Kommentierung des § 3 Z 2 und 3 sinnvoll, von Art 157 AEUV auszugehen, der „gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ vorschreibt und gewährt. 90 Art 157 AEUV verbietet – kurz gesagt – bei gleicher und gleichwertiger Arbeit nach dem Geschlecht zu unterscheiden. Art 157 verbietet nur ein aufgrund des Geschlechts ungleiches Entgelt, schreibt aber keine bestimmte Höhe vor. Ebenso wenig verlangt Art 157 AEUV oder § 3 allgemein „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ oder gar ein gerechtes oder angemessenes Entgelt. Die Zielrichtung ist weit spezifischer, hängt allerdings entscheidend davon ab, welche Arbeiten als „gleichwertig“ anzusehen sind. Ein weites Verständnis von „gleichwertig“ würde die 176
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Bedeutung des Art 157 AEUV entscheidend erhöhen, ist aber abzulehnen (Rz 111). Näher verbietet Art 157 Abs 1 nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Diskriminierung, auch wenn dies im Wortlaut – noch immer – nicht zum Ausdruck kommt.240 Die RL 2006/54/EG (§ 1 Rz 9) sieht aber nun als Art 4 vor: „Bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, wird mittelbare und unmittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes in Bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen beseitigt.“ AG iSd des Art 157 AEUV ist jeder, der auf dem Gebiet der EU AN beschäftigt; zur erforderlichen Nahebeziehung § 1 Rz 30 ff. Dem AG sind alle Leistungen zuzurechnen, die aufgrund des Arbeitsvertrages erbracht werden, und damit auch Leistungen von Treuhändern und von Pensionskassen (Rz 172).241 Die Frage der Diskriminierung ist nicht für die Gesamtheit der Leistungen, sondern gesondert für die einzelnen Entgeltbestandteile zu beurteilen.242 Nur so ist die Entgeltregelung durchschaubar und eine Kontrolle möglich. Die Umschreibung des Tatbestandes in § 3 ist wenig geglückt. Zu eng ist 91 in Z 2 schon „bei der Festsetzung des Entgelts“. Nimmt man „Festsetzung“ ernst und verlangt eine deutliche Erklärung, so ist die Beschränkung kaum sinnvoll, weil ja wohl alles erfasst werden soll, was als Entgelt tatsächlich geleistet wird. Darüber hinaus wäre eine solche Einschränkung nicht mit Art 157 AEUV und Art 4 der RL 2006/54/EG vereinbar. Man muss daher in jeder Leistung eine schlüssige Festsetzung sehen. Auch eine genaue Abgrenzung der Z 2 von der Z 3 ist nicht erforderlich, die beiden können gemeinsam behandelt werden. Die „freiwilligen Sozialleistungen“ fallen nämlich jedenfalls idR und wohl stets unter „Entgelt“ in Art 157 Abs 1 AEUV, die gesonderte Regelung in Z 3 erscheint entbehrlich.243 Das Diskriminierungsverbot gilt ja nicht nur für Leistungen, auf die ein Anspruch der Einzelnen bestehen kann, sondern auch für Leistungen, auf die ein individueller Anspruch üblicherweise nicht besteht (zB Kantine). Und es gilt sowohl für Leistungen, auf die noch im240 Ganz hM; zB EuGH 30.3.2000, C-236/98, JämO, Rz 36; 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 27 f; 27.5.2004, C-285/02, Elsner; 6.12.2007, C-300/06, Voß; 28.2.2013, C-427/11, Kenny. 241 EuGH 28.9.1994, C-128/93, Fisscher, Rz 31; 24.10.1996, C-435/93, Dietz, Rz 32. 242 EuGH 17.5.1990, 262/88, Barber, Rz 34 f; E JämO, Rz 43; E Brunnhofer, Rz 35 f; E Elsner, Rz 15. 243 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 84.
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mer kein Anspruch besteht, wie für Leistungen, zu denen der AG zwar nicht durch eine höherrangige Norm verpflichtet ist, zu denen er aber auf einzelvertraglicher Ebene (etwa aufgrund betrieblicher Übung) inzwischen verpflichtet ist. Für die gemeinsame Behandlung von § 3 Z 2 und Z 3 spricht auch, dass die Rechtsfolgen zwar formell unterschiedlich sind, letztlich aber wohl übereinstimmen. § 12 räumt zwar nur bei Z 3 neben dem Erfüllungsanspruch den Ersatz des Vermögensschadens ein. Aber dieser Ersatz wird wohl auch bei Z 2 zustehen (schon wegen Art 157 AEUV), falls der Erfüllungsanspruch ausnahmsweise einmal nicht möglich sein sollte. Zu demselben Ergebnis führt es, wenn man mit Kletečka/Köck (§ 12 Rz 42) bei § 12 Abs 2 den Anspruch auf „Differenz“ primär als Anspruch auf Vertragsanspassung sieht. Schließlich fällt jede Leistung des AG, die nicht unter Z 2 oder 3 fällt, zumindest unter den Auffangtatbestand der Z 6 („sonstige Arbeitsbedingungen“), für den die Rechtsfolgen wieder mit Z 3 übereinstimmen. 92 Aus den Statistiken folgt, dass das Durchschnittseinkommen von erwerbstätigen Frauen in der Privatwirtschaft auch dann, wenn man nur die Vollbeschäftigten vergleicht, nach wie vor geringer ist als jenes der Männer. Diese geschlechtsbezogenen Unterschiede sind nur in wenigen anderen alten Mitgliedstaaten größer als in Österreich. Als Ursachen kommen va folgende Umstände in Betracht: (1) Frauen arbeiten überproportional in Berufen, die – auch ohne Benachteiligung von Frauen – am Arbeitsmarkt geringer bewertet und damit entlohnt werden, wobei die Ursachen dafür wieder verschieden sein können (Ausbildung, Produktivität, Tradition, Marktmacht des AG oder der AN); (2) Frauen arbeiten überproportional in Berufen, die wegen des hohen Frauenanteils geringer bewertet und entlohnt werden; (3) die AG nehmen an, dass die Nebenkosten bei der Beschäftigung einer Frau (insb von jüngeren Frauen) höher sind als bei Männern und ziehen diese Mehrkosten vom fiktiven Bruttoentgelt ab; (4) die Entgeltfindungsregeln benachteiligen typischerweise Frauen, weil sie zB längere Vordienstzeiten honorieren (auch dort wo sie kaum zusätzliche Qualifikation bringen); (5) Frauen verhandeln dort, wo das Entgelt verhandelt wird, schlechter als Männer; (6) Frauen sind in den deutlich besser bezahlten leitenden Positionen weit unterdurchschnittlich vertreten, insb weil es für den Aufstieg unsichtbare Hindernisse („gläserne Decke“) gibt. Das Diskriminierungsverbot kann jedenfalls gegen einige dieser Ursachen ins Treffen geführt werden, und zwar gegen die Umstände 3, 4 (beachte dort aber die eher einschränkende Rsp des EuGH, Rz 128) und 6 sowie 178
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5 (dazu Rz 127). Eine Kontrolle der Umstände 1 und 2 durch das Diskriminierungsverbot wäre hingegen nur möglich, wenn man den Begriff der gleichwertigen Arbeit (sehr) weit fasst, weil nur dann die traditionellen Grenzen der Lohnfindung überschritten werden können.
2. Entgelt iSd Art 157 AEUV Der Begriff des Entgelts wird in Art 157 Abs 2 AEUV umschrieben. 93 Da dessen Text seit 1958 unverändert geblieben ist, gibt er das heute Geltende nur annähernd wieder. Zum Arbeitsentgelt zählen alle Arten der Vergütung (geldwerte Leistung), die der (Vertrags-)Partner des AN (AG) dem AN aufgrund des Arbeitsverhältnisses unmittelbar oder mittelbar – also selbst oder durch einen anderen – zahlt (erbringt) oder zahlen wird, unabhängig davon, ob die Leistung aufgrund des ArbV, einer Rechtsvorschrift oder freiwillig erbracht wird,244 auch wenn sie erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses geleistet wird.245 Die konsolidierte RL 2006/54/EG (§ 1 Rz 9) definiert nunmehr in Art 2 Abs 1 lit e das Entgelt als „die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen, die der AG aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer mittelbar oder unmittelbar als Geld- oder Sachleistung zahlt.“ Das Entgelt kann in Geld oder in Sachleistungen bestehen. Nicht relevant ist die Rechtsgrundlage der Leistung, es kommen alle Grundlagen in Betracht, wie nationales Gesetz,246 (privatrechtlicher) Vertrag,247 KollV248 und Betriebsvereinbarung oder Sozialplan.249 Der Entgeltbegriff des Art 157 AEUV kann weit über einen nationalen Entgeltbegriff hinausgehen, der etwa zum Entgelt nur im Synallagma stehende Leistungen zählt, und nicht auch andere Formen der Entgeltlichkeit. Für den Entgeltbegriff des Art 157 AEUV ist hingegen entscheidend wie ausreichend, dass die Leistung „aufgrund des Dienstverhältnisses“ erbracht wird, also auf den arbeitsvertragli244 ZB EuGH 9.2.1982, 12/81, Garland Rz 10; 30.3.2000, C-236/98, JämO, Rz 39; 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 33. 245 EuGH 17.5.1990, 262/88, Barber, Rz 12 zu Betriebspension; vgl Rust in GSH, AEUV Art 157 Rz 172 ff. 246 EuGH 17.2.1993, 173/91, Komm/Belgien, Rz 13 ff zu Entlassungsentschädigung. 247 Insb zwischen AG und AN; EuGH 15.12.1994, C-399/92, Helmig/Lengerich, Rz 18. 248 EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 22. 249 EuGH 9.12.2004, C-19/02, Hlozek, Rz 39.
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chen Beziehungen beruht. Dazu zählen alle Leistungen, die das konkrete Arbeitsverhältnis voraussetzen und in der Ausgestaltung auf die Beziehung AG – AN abstellen250 und daher dem AG zurechenbar sind (vgl auch zur Betriebspension Rz 170). 94 Die Kontrolle des Art 157 AEUV bzw des § 3 erfasst alle Teile der Regelung zum Entgelt, insb auch den Zugang zum Entgelt (zB höheres Entgelt erst nach längerer Betriebszugehörigkeit). Zum Unionsrecht ist oft fraglich, ob Bestimmungen, die nicht direkt das Entgelt betreffen, sondern sich finanziell nur auswirken, unter Art 157 Abs 1 AEUV oder die RL 2006/54/EG fallen. Die Tatsache der finanziellen Auswirkung allein reicht für die Anwendbarkeit des Art 157 Abs 1 AEUV nicht aus, „der auf dem engen Zusammenhang zwischen der Art der Arbeitsleistung und der Höhe des Arbeitsentgelts beruht“.251 Das Bereitstellen von Kindergartenplätzen an AN fällt daher nicht unter Entgelt. Allerdings versteht der EuGH den „engen“ Zusammenhang tatsächlich eher weit und subsumiert unter Art 157 AEUV auch das Ansteigen des Gehalts mit steigender Dienstzeit, oder bei Betriebspensionen den Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten oder das Anfallsalter.252 Finanzielle Folgen einer Benachteiligung bei Einstellung, Beförderung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses (zB Kriterien für Sozialauswahl) fallen hingegen nicht unter Art 157 AEUV, sondern unter die RL 2006/54/EG. Aus der Sicht des GlBG sind diese Abgrenzungen nur insoweit relevant, als § 12 unterschiedliche Rechtsfolgen vorsieht. § 12 gibt den Erfüllungsanspruch nur beim Entgelt, nicht aber bei Einstellung oder Beförderung. Soweit Art 157 AEUV eingreift, besteht der Erfüllungsanspruch ohne Zweifel. 95 „Entgelt“ iSd Art 157 AEUV umfasst zumindest jede geldwerte Leistung, die eine Gegenleistung für die vom AN erbrachte Leistung ist. Dazu zählen primär Leistungen, die im Synallagma stehen, wie insb die auch von der RL 2006/54/EG genannten „Grund- und Mindestlöhne“, also der gesamte Zeitlohn (Gehalt und Lohn), aber auch jedes leistungsabhängige Entgelt (Art 157 Abs 2 AEUV nennt stellvertretend den Akkordlohn) sowie Überstundenvergütungen (auch Pauschale) oder Leis250 Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 51; Rebhahn in Schwarze, AEUV 157 Rz 11 ff. 251 EuGH 19.3.2002, C-476/99, Lommers, Rz 28; 3.3.2000, C-236/98, JämO, Rz 59. 252 EuGH 13.5.1986, 175/84, Bilka Rz 27; 17.5.1990, 262/88, Barber, Rz 32; 2.10.1997, C-1/95, Gerster, Rz 23 ff.
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tungsprämien, aber auch Sonderzahlungen in größeren Abständen (Bilanzgelder, Weihnachtsgeld),253 Zulagen für erschwerte Arbeit (zB für ungünstige Arbeitszeiten,254 für Nachtarbeit oder Hitze) und eine Kinderzulage.255 Unter § 3 Z 2 fällt insb auch die Einstufung in ein – kollektivvertragliches oder betriebliches – Entlohnungssystem, uzw primär die Einstufung in eine der tätigkeitsbezogenen Verwendungsgruppen, dann aber auch die Einstufung innerhalb der Verwendungsgruppe etwa nach der Dienstzeit. § 3 erfasst daher auch das automatische Vorrücken in der Gehaltstabelle dieses Systems und dessen Voraussetzungen.256 Zum Entgelt zählen aber auch andere Leistungen mit konditionaler und kausaler Verknüpfung zur Arbeitsleistung (Entgeltlichkeit) wie etwa Belohnungen, die ohne vorangehende Verpflichtung gezahlt werden. Eine genaue Abgrenzung ist nicht erforderlich. Der EuGH bejaht den Entgeltcharakter überdies nicht nur bei kausaler Entlohnung bereits erbrachter Leistung, sondern auch, wenn die freiwillige Leistung (zB eine Weihnachtsgratifikation) nur als Anreiz für künftige Betriebstreue oder künftige Dienstleistung erbracht wird. Für Art 157 AEUV ist es nämlich unerheblich, aus welchem Grund der AG die Leistung gewährt, sofern er diese im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis erbringt.257 Zum Entgelt zählen ferner auch „alle sonstigen Vergütungen“ (Art 157 Abs 2 AEUV), auch wenn sie nicht speziell als Entgelt im zivilrechtsdogmatischen Sinn ausgestaltet oder angesehen sind. Entgelt sind also auch andere geldwerte Sozialleistungen iwS wie Entgeltfortzahlung bei Erholungsurlaub, Mutterschaftsurlaub258 und Bildungsurlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit,259 auch wenn die Leistung gesetzlich vorgeschrieben ist, Zulagen für Kinder(ausbildung) und vom AG bezahlte Versicherungen (zB für Krankheit). Zum Entgelt zählen weiters Leistungen aus Anlass der Beendigung des 96 Arbeitsverhältnisses,260 wie Abfertigungen,261 Abfindungen und Über253 EuGH 21.10.1999, C-333/97, Lewen, Rz 20 f. 254 EuGH 30.3.2000, C-236/98, JämO, Rz 41 f. 255 EuGH 5.11.2014, C-476/12, ÖGB, Rz 17. 256 EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rz 9. 257 EuGH 21.10.1999, C-333/97, Lewen, Rz 20 f. 258 EuGH 27.10.1998, C-411/96, Boyle, Rz 38. 259 EuGH 13.7.1989, 171/88, Rinner-Kühn, Rz 7. 260 ZB EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Rz 24 ff; 9.12.2004, C-19/02, Hlozek, Rz 37. 261 EuGH 14.9.1999, C-249/97, Gruber; 27.6.1990, C-33/89, Kowalska.
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gangsgelder aus einem Sozialplan,262 und auch die österr Kündigungsentschädigung.263 Leistungen nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses sind Entgelt, wenn sie aufgrund des Arbeitsverhältnisses erbracht werden, wie Betriebspensionen, Zusatzleistungen bei Arbeitslosigkeit, oder Vergünstigungen beim Angebot des ehemaligen AG (zB Reiseleistungen).264 Bei Pensionssystemen unterfallen betriebliche, also Betriebspensionen, dem Art 157 AEUV, nicht aber staatliche.265 Näheres siehe Rz 168 ff. 97 Zum Entgelt nach Art 157 AEUV zählen auch Sozialleistungen ieS wie Betriebsküche oder -kindergarten, Personalrabatt oder vergünstigte Nutzung von Betriebseinrichtungen sowie Fahrvergünstigungen,266 und damit auch Wohlfahrtseinrichtungen iSd ArbVG.267 Unter § 3 fallen aber auch Leistungen, die bloß einen Aufwand ersetzen sollen, den der AN aufgrund des Arbeitsverhältnisses getätigt hat. Andernfalls könnte der AG (zwar auch nicht mehr als den Aufwand ersetzen, wohl aber) bei der Höhe des zulässigen Aufwandes aufgrund des Geschlechts differenzieren; es macht keinen Unterschied, ob man dies unter Z 2, 3 oder 6 subsumiert. Leistungen sind also auch dann Entgelt, wenn der AG oder der Gesetzgeber damit besondere sozialpolitische Zwecke verfolgt. Fraglich ist, inwieweit auch geldwerte Leistungen des AG, die allein aus gegenleistungsfernen Motiven (zB Förderung der Gesundheit der AN, Verbesserung des Arbeitsklimas) erfolgen (was kaum jemals der Fall sein dürfte), Entgelt darstellen; in jedem Fall sind sie unter § 3 GlBG zu subsumieren. Art 157 AEUV verbietet nicht nur eine Diskriminierung bei den Aufwendungen des AG für die AN, er verbietet grds auch Diskriminierung bei den Abzügen vom Bruttoentgelt, auch wenn diese durch Kollektivvertrag angeordnet sind. Nicht anzuwenden ist Art 157 AEUV aber bei Abzügen, die auf Entscheidungen des Gesetzgebers zu AG-Beiträgen zu allg Systemen der Alterssicherung und bei Steuern beruhen. 98 Bei Leistungen, die schon von einem Gesetz vorgesehen (vorgeschrieben) sind, ist entscheidend, ob das Arbeitsverhältnis bei einem be262 EuGH 9.12.2004, C-19/02, Hlozek. 263 EuGH 8.5.2019, C-486/18, Praxair MRC, Rz 72. 264 EuGH 9.2.1982, 12/81, Garland, Rz 9. 265 EuGH 17.5.1990, 262/88, Barber. 266 EuGH 13.2.1996, C-342/93, Gillespie, Rz 24; 17.2.1998, C-249/96, Grant, Rz 13 f. 267 Körber-Risak Rz 117.
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stimmten AG die Voraussetzung für die Gewährung der Leistung durch diesen AG ist.268 Die Voraussetzung ist bei arbeitsrechtlichen Ansprüchen stets erfüllt (wichtig und schwierig wird die Abgrenzung va bei Leistungen der Altersvorsorge; vgl Rz 170). Ist die Diskriminierung schon im Gesetz enthalten, so muss dennoch der AG dafür einstehen und die Differenz (nach)zahlen (Rz 26 f). Für „Entgelt“ reicht es aus, dass die Leistung ihren Grund im Arbeits- 99 verhältnis hat. Daher können auch Leistungen an andere Personen als den AN Entgelt sein, wenn sie aufgrund des Arbeitsverhältnisses erbracht werden, und daher mittelbar an den AN erfolgen, wie Fahrkostenzuschüsse an Verwandte269 oder Betriebsrenten an Hinterbliebene.270 Ebenso können auch Leistungen eines Dritten an den AN oder an dessen Hinterbliebene (oder an andere Personen) Entgelt sein, wenn sie ihren Grund im Arbeitsverhältnis haben,271 jedenfalls wenn der AG sich des Dritten nur als Verwalter bedient. Wichtig ist dies insb für Pensionskassen. Diese unterliegen dem GlBG, auch wenn sie Hinterbliebenenpensionen auszahlen (Rz 172).
3. Gleiche und gleichwertige Arbeit a. Allgemeines Das Diskriminierungsverbot (bzw das Gebot gleichen Entgelts) gilt – 100 wie aus Art 157 AEUV folgt – nicht nur in Bezug auf gleiche Arbeit, sondern auch auf gleichwertige Arbeit. Das Verbot wurde erst durch den Vertrag von Amsterdam ausdrücklich auf „gleichwertige Arbeit“ ausgedehnt, die Erweiterung war aber schon vorher durch die RL 75/177 vorgesehen.272 Die entscheidende Grenze scheint also nicht zwischen gleicher und gleichwertiger, sondern zwischen gleichwertiger und nicht gleichwertiger Arbeit zu liegen, weil die Rechtsfolgen bei gleichwertiger und gleicher Arbeit dieselben sind. Nähere Überlegung zeigt aber, dass auch die Abgrenzung von gleicher und gleichwertiger Arbeit wichtig ist, weil nur bei einer zutreffenden Umschreibung von 268 Vgl EuGH 25.5.1971, 80/70, Defrenne I, Rz 7 f; 6.10.1993, C-109/91, Ten Oever, Rz 9. 269 EuGH 9.2.1982, 12/81, Garland, Rz 9; 17.2.1998, C-249/96, Grant, Rz 14. 270 EuGH 6.10.1993, C-109/91, Ten Oever, Rz 13. 271 EuGH 28.9.1994, C-128/93, Fisscher Rz 31; 9.10.2001, C-379/99, Pensionskasse. 272 EuGH 6.7.1982, 61/81, Komm/Großbritannien, Rz 8.
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„gleichwertig“ ein Übergreifen des Art 157 AEUV in den legitimen Marktprozess unterbleibt (Rz 107 ff). Auf Art 157 AEUV kann sich auch berufen, wer höherwertige Arbeit leistet, aber nur das gleiche Entgelt bekommt.273 Allerdings verpflichtet Art 157 AEUV nicht dazu, die höherwertige Arbeit auch deshalb entsprechend höher zu entlohnen, weil Art 157 AEUV nicht auch das Gebot enthält, Verschiedenes den Unterschieden entsprechend verschieden zu behandeln (Rz 30). 100a Immer wieder hat es Bestrebungen der Kommission gegeben, die Begriffe der gleichen und gleichwertigen Arbeit zu konkretisieren, siehe etwa das Memorandum über gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit,274 dessen Ergänzung durch den Leitfaden zur Anwendung des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit,275 den Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2006/54/EG,276 die Empfehlung der Kommission zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer durch Transparenz277 und der Bericht über die Umsetzung dieser Empfehlung.278 101 Im GlBG kommt die vom Unionsrecht vorgegebene Rechtslage nach wie vor nur sehr unvollkommen zum Ausdruck. Das GlBG enthält in § 11 eine Sonderbestimmung zur Diskriminierung beim Entgelt, die systematisch zu §§ 3 und 5 gehört (also in § 11 falsch platziert ist), und daher hier kommentiert wird. Der Inhalt des § 11 war zwar im alten GlBG (§ 12 Abs 2) enthalten, nicht aber in der RV; dort fehlte auch jede Aussage zur gleichwertigen Arbeit. § 11 erweckt den Eindruck, dass das Gebot gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit nur für betriebliche Einstufungsregelungen und die kollektive Rechtsgestaltung gilt. Dies wäre aber verfehlt, weil Art 157 AEUV das Gebot der Entgeltgleichheit für gleiche und für gleichwertige Arbeit umfassend formuliert, es also für alle Maßnahmen und Regelungen gilt, die von Art 157 AEUV erfasst sind. Anstelle von § 11 hätte der Gesetzgeber besser in § 5 folgenden Absatz eingefügt: „Das Verbot der Diskriminierung beim Entgelt gilt sowohl bei gleicher wie bei gleichwertiger Arbeit.“ § 11 enthält anders als die Rechtsordnungen mancher anderer Mitgliedstaaten 273 EuGH 4.2.1988, 157/86, Murphy, Rz 9 f. 274 KOM(94) 6 endg. 275 KOM(96) 336. 276 KOM(2013) 861. 277 KOM(2014) 124. 278 KOM(2017) 671.
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keine über das Unionsrecht hinausgehenden, konkreteren Vorgaben dazu, was unter gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu verstehen ist.279 Es besteht allerdings ein Leitfaden aus 2006,280 der unter anderem die Begriffe gleiche und gleichwertige Arbeit definiert und Darstellungen von diskriminierungsfrei ausgestalteten analytischen Arbeitsbewertungssystemen enthält281 (vgl zur Arbeitsbewertung auch Rz 113). Die Kommission hat 2014 in ihrer Empfehlung zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts den Mitgliedstaaten empfohlen, das Kriterium gleichwertiger Arbeit zu präzisieren,282 was in Österreich bislang nicht erfolgt ist.283 Der EuGH hat bisher meist nur allg Aussagen zur Frage der Gleichheit 102 und Gleichwertigkeit getroffen, die das Problem in der Praxis weder angehen noch lösen. Die Feststellung von Gleichheit oder Gleichwertigkeit darf danach nicht von einer Arbeitsplatzbewertung durch den AG abhängen, sondern muss stets dem Gericht möglich sein.284 Die Begriffe „gleiche Arbeit“, „gleicher Arbeitsplatz“ und „gleichwertige Arbeit“ in Art 157 AEUV und der RL 2006/54/EG haben eine rein qualitative Bedeutung, weil sie ausschließlich mit der Art der von den betroffenen AN verrichteten Arbeit zusammenhängt.285 Maßgebend ist die tatsächlich geleistete Arbeit, nicht die vertragliche Vereinbarung oder die kollektivvertragliche Einstufung. Zur Feststellung von Gleichheit und Gleichwertigkeit sind objektive Faktoren wie insb Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen zu prüfen,286 wobei die E Royal Copenhagen konkret auf Arbeit an Maschinen oder Handarbeit und die Freiheit der individuellen Arbeitsorganisation hingewiesen hat. Die subjektive Einschätzung durch die AN (oder auch Wertschätzung durch den AG) ist nicht maßgebend.287 279 Ein Vergleich der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten findet sich in KOM(2013) 861, 8 f. 280 Ranftl, Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. 281 Ranftl, Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit 13 f. 282 KOM(2014) 124, 10 f. 283 KOM(2017) 671, 9. 284 Vgl EuGH 6.7.1982, 61/81, Komm/UK, Rz 9, 13. 285 EuGH 27.3.1980, 129/79, Macarthys, Rz 11; 1.7.1986, 237/85, Rummler, Rz 13 und 23; EuGH 3.6.2021, C‑624/19, Tesco Stores, Rz 28. 286 EuGH 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen, Rz 32 f; 11.5.1999, C-309/97, Angestelltenbetriebsrat, Rz 17 ff; 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 42 f; 28.2.2013, C-427/11, Kenny. 287 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11 Rz 4.
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103 Fraglich ist, inwieweit das Diskriminierungsverbot auch für verschiedene AG gilt. Manche Urteile des EuGH haben den Eindruck erweckt, dass Art 157 AEUV nur gilt, wenn die Arbeit „in demselben privaten oder öffentlichen Betrieb oder Dienst verrichtet wird“.288 Der Gerichtshof hat aber schon früher gesagt, dass Art 157 AEUV auch gilt, wenn die Diskriminierung ihren Ursprung unmittelbar in Rechtsvorschriften oder in KollV hat.289 Schließlich hat der EuGH dies dahingehend verallgemeinert, „dass nichts im Wortlaut des Artikels 141 Absatz 1 EG darauf hindeutet, dass die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Fälle beschränkt wäre, in denen Männer und Frauen ihre Arbeit für ein und denselben Arbeitgeber verrichten.“ Allerdings hat er dies sofort wieder – treffend – eingeschränkt: „Lassen sich jedoch […] die bei den Entgeltbedingungen für Arbeitnehmer, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, festgestellten Unterschiede nicht auf ein und dieselbe Quelle zurückführen, so fehlt eine Einheit, die für die Ungleichbehandlung verantwortlich ist und die die Gleichbehandlung wiederherstellen könnte. Eine solche Situation fällt nicht unter Art 141 Abs 1 EG.“290 Das Ergebnis überzeugt. Die Ableitung überzeugt weniger, weil schon die Idee, dass AG, die weder wirtschaftlich verbunden sind noch einer einheitlichen Regelung zum Entgelt unterliegen, sich bei der Entgeltbemessung abstimmen müssten, in einer Marktwirtschaft – die der EuGH sonst so hochhält – abstrus wäre. 104 Das Diskriminierungsverbot zum Entgelt gilt also erstens innerhalb desselben Betriebs. Aus der neueren Judikatur folgt aber, dass es auch für unterschiedliche Betriebe desselben Unternehmens gilt. In der E Tesco Stores hat der EuGH eine Supermarktkette, die sowohl Ladengeschäfte als auch Vertriebszentren betrieb, als einheitliche Quelle erachtet.291 Verschiedene AG sind durch das Gebot hingegen nur gebunden, wenn die Regelung des Entgelts aus derselben überbetrieblichen Quelle stammt. Dies kann insb ein KollV sein, aber auch eine einheitliche Vorgabe eines Konzerns. Das Konzernunternehmen kann zwar, anders als beim KollV, nicht einfach überzahlen, es ist aber doch für die Diskriminierung mitverantwortlich, eben weil es sich an die Konzern288 EuGH 27.3.1980, 129/79, Macarthys, Rz 15. 289 ZB EuGH 8.4.1976, 43/75, Defrenne II, Rz 40; 31.3.1981, 96/80, Jenkins, Rz 17. 290 EuGH 17.9.2002, C-320/00, Lawrence, Rz 17 f; bestätigt durch 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 46–49; 3.6.2021, C‑624/19, Tesco Stores, Rz 36. 291 EuGH 3.6.2021, C‑624/19, Tesco Stores, Rz 38.
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vorgabe hält. Das eben Gesagte wird wohl nicht nur für Art 157 AEUV, sondern auch für die RL 2006/54 gelten, weil keine Gründe für eine andere Abgrenzung des maßgeblichen Vergleichsrahmens erkennbar sind. Die Abgrenzung derselben Quelle kann schwierig sein. In der E Allonby292 hat der EuGH sie in einem Fall verneint, in dem der frühere AG fast alle Teilzeitbeschäftigten zwar nicht mehr verlängert, auf deren Dienste dann aber weiter über eine Personalagentur zurückgegriffen hat, sodass das Entgelt weitgehend nur von der Vereinbarung zwischen früherem AG und Personalagentur abhing. Das ist eine sehr formalistische Betrachtungsweise, die dem Missbrauch Tür und Tor öffnet; der EuGH bevorzugt aber diese formalistische Sicht, die sich in anderen Fällen auch zum Vorteil der AN auswirken kann, insgesamt aber zu einem Qualitätsverlust des Rechts beiträgt, weil man nur mehr an der Oberfläche denkt. b. Gleiche Arbeit „Gleiche“ Arbeit liegt vor, wenn AN – bezogen auf die Tätigkeit – sich 105 in einer vergleichbaren Situation befinden, wobei es auf objektive Faktoren (insb Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen) ankommt (Rz 102). Nach einer Umschreibung der Lehre liegt gleiche Arbeit vor, wenn der Inhalt der Tätigkeit derselbe ist, oder die Tätigkeiten einander so ähnlich sind, dass die damit Beschäftigten einander ersetzen können, wobei auf Art, Vorgang und Umgebung der Arbeit abzustellen ist.293 Orientiert man sich an den Elementen, die zur Frage der Gleichwertigkeit (Rz 113) genannt werden, so kann es auf Folgendes ankommen: Anforderungen der Tätigkeit an Vorkenntnisse und Ausbildung; persönliche Fähigkeiten wie Berufsausbildung, Körperkraft oder Geschicklichkeit, Genauigkeit, Fähigkeit zur Arbeit an Maschinen, Kommunikation und soziale Kompetenz; die Belastungen (Anstrengungen) insb in Bezug auf Körpereinsatz, Konzentration, Stress usw; die Belastungen durch die äußeren Arbeitsbedingungen (zB Lärm, Hitze, Kälte, Licht, Schmutz, Gefährdung); das Ausmaß an Verantwortung (für Sicherheit, Folgen von Schlechtleistung); sowie das Ausmaß an eigener Disposition bei der Arbeitseinteilung. Teilzeitarbeit stellt nach Art 157 Abs 2 AEUV vom Ansatz her grds die gleiche Arbeit(sleistung) dar wie vergleichbare Vollzeitarbeit.294 292 13.1.2004, C-256/01. 293 Smutny/Mayr 242. 294 EuGH 31.3.1981, 96/80, Jenkins, Rz 9 f.
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106 Die Gleichheit von Arbeit soll durch einen Gesamtvergleich zu bestimmen sein. Je mehr Elemente man dabei berücksichtigt und je genauer dies erfolgt, desto geringer wird allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Tätigkeiten gleich (oder auch nur gleichwertig) sind. Gleiche Arbeit soll nach dem BAG nur vorliegen, wenn die überwiegenden Arbeitsvorgänge übereinstimmen;295 in der Literatur wurde auch gefordert, dass die AN sich ohne weiteres wechselseitig ersetzen können.296 Die Arbeit ist nach Auffassung des EuGH297 auch dann nicht (notwendig) „gleich“, wenn eine prima facie gleiche Tätigkeit (Psychotherapie) von AN mit unterschiedlicher Ausbildung (Psychologen, Ärzte) ausgeübt wird, wobei die unterschiedliche Ausbildung hier auch zu unterschiedlicher Berufsberechtigung führt. Der EuGH deutet auch nicht an, dass gleichwertige Arbeit vorliegt (das vorlegende Gericht hat schlüssig auch danach gefragt) – was zur Folge hat, dass die Tätigkeiten unterschiedlich entlohnt werden dürfen. Diese Entscheidung hat eine wichtige Konkretisierung gebracht. Unterschiedliche Fähigkeiten der AN können also gegen Gleichheit und Gleichwertigkeit sprechen. Überzeugend ist dies aber nur, wenn sich die unterschiedlichen Berufsberechtigungen und Ausbildungen bei den Arbeitsaufträgen auch tatsächlich auswirken.298 Insgesamt wird man wohl sagen können, dass gleiche Arbeit – nur – vorliegt, wenn die AN ohne größere Schwierigkeiten austauschbar sind, wobei eben auch auf die Fähigkeiten Bedacht zu nehmen ist. Die Eingruppierung in dieselbe Entgeltgruppe im KollV allein belegt nicht, dass die AN gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten,299 die Eingruppierung wird aber ein Indiz sein. Vergleichsmaßstab kann auch die Arbeitsleistung des AN sein, der dieselbe Arbeit früher ausgeführt hat.300 Allerdings wird der AG das Entgelt ändern dürfen, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert haben, zB das Ausmaß des überkollektivvertraglichen Entgelts oder die Nachfrage nach Arbeitskräften gesunken ist (Rz 7).301 295 23.8.1995, 5 AZR 942/93 = NZA 1996, 579; partielle Übereinstimmung reicht nicht. 296 Franzen in Franzen/Gallner/Oetker, AEUV Art 157 Rz 30; Smutny/Mayr 242. 297 11.5.1999, C-309/97, Angestelltenbetriebsrat, Rz 20 f. 298 Treffend Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht 320, Smutny/Mayr 245; in diese Richtung auch EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 23. 299 EuGH 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 44; OGH 8.5.2002, 9 ObA 108/02a. 300 EuGH 27.3.1980, 129/79, Macarthys, Rz 11 f. 301 EuGH Macarthys, Rz 12.
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c. Gleichwertige Arbeit Zur Kategorie der „gleichwertigen“ Arbeit gibt es nur wenig aussage- 107 kräftige Judikatur des EuGH. Klar ist allerdings der Ausgangspunkt: „Die Durchführung der RL macht es erforderlich, dass die Prüfung der Frage, ob eine Arbeit als gleichwertig anerkannt werden muss, gegen den Willen des AG nötigenfalls im Rahmen eines streitigen Verfahrens stattfinden kann; dem Mitgliedstaat obliegt es, eine Behörde mit der erforderlichen Zuständigkeit dafür auszustatten.“302 Zumindest irreführend ist daher die Formulierung in § 11, der Grundsatz des gleichen Entgelts gilt für eine Arbeit, die als gleichwertig „anerkannt“ wird. Dies erweckt den Eindruck, als käme es auf eine besondere Anerkennung an, ohne aber zu sagen, durch wen diese erfolgen soll. Wie sich aus der zitierten E des EuGH ergibt, ist der Begriff der gleichwertigen Arbeit ein Rechtsbegriff, den das zuständige nationale Organ nur anzuwenden hat. In Österreich gibt es keine besondere Behörde für Ansprüche aus gleichwertiger Arbeit. Daher haben die Gerichte diesen Begriff anzuwenden, ohne dass ihnen – oder einem Dritten – dabei ein Ermessensspielraum zukommt. Die Frage, wann gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt, und va das 108 Einbeziehen gleichwertiger Arbeit in das Diskriminierungsverbot könnte beträchtliche Auswirkungen haben, wenn man die Gleichwertigkeit weit versteht. Man frage etwa danach, ob die Tätigkeiten als Koch und als Kranführer gleichwertig sind und wenn nein warum nicht (ein englisches Gericht soll diese Tätigkeiten als gleichwertig eingestuft haben). Bejahte man die Gleichwertigkeit, so haben die Köchinnen Anspruch auf dasselbe Entgelt wie Kranführer. Bliebe in der Folge das Entgelt der Köche unverändert, so werden diese unmittelbar aufgrund des Geschlechtes diskriminiert; der AG müsste also auch ihr Entgelt auf das der Kranführer anheben. Ein weites Konzept von gleichwertiger Tätigkeit kann also dazu führen, dass Unterschiede im Lohngefüge eingeebnet werden – auf Dauer allerdings kaum nach oben (vielmehr würden im Beispiel die Entgelte für Kranführer und damit auch für Köchinnen absinken, vielleicht – aber nicht sicher – auf ein Niveau zwischen den beiden Ausgangsentgelten). Allerdings ist die Frage der Gleichwertigkeit für § 3 und Art 157 AEUV (nur) soweit relevant, als der Anteil der Frauen/Männer bei den AN mit einer Tätigkeit deutlich höher ist als der Anteil der Frauen/Männer bei den AN mit einer deut302 EuGH 6.7.1982, 61/81, Komm/UK, Rz 13.
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lich besser entlohnten Tätigkeit. Lohnunterschiede zwischen Köchinnen und Kranführern wären also nicht allein relevant, weil die beiden Tätigkeiten (unterstellt) gleichwertig sind, sondern nur und allein wegen der Benachteiligung von Frauen, wenn diese bei den Köchinnen und Köchen stärker vertreten sind. 109 Fraglich ist also, wie weit „gleichwertig“ zu verstehen ist. Die Weite des Begriffs hängt entscheidend von der Abstraktionsebene des Vergleichs sowie davon ab, wie die verschiedenen Kriterien zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst werden (können). In Bezug auf die Abstraktionsebene kommt es darauf an, ob man etwa nur auf die Höhe und Dauer der Ausbildung (zB drei Jahre Fachhochschule) und den Anteil an manueller Tätigkeit abstellt, oder konkreter auf die Anforderungen und Belastungen der beiden Tätigkeiten. Arbeiten sind umso eher gleichwertig, je abstrakter die Kriterien für den Vergleich sind (zB Dauer der erforderlichen Ausbildung statt deren Inhalt; Intensität der Belastung statt deren Art). Je mehr man hingegen auf die konkrete Tätigkeit und die dafür charakteristische Qualifikation und Spezialisierung abstellt, desto enger ist der Kreis der gleichwertigen Arbeit. Man wird allerdings Gleichwertigkeit nicht allein dann bejahen können, wenn die Arbeitskräfte ohne Schwierigkeiten austauschbar sind (Köche und Kranführer sind dies zB nicht, auch wenn Ausbildungszeit und Intensität der Belastungen vergleichbar sein sollten), weil dies schon das Kriterium der gleichen Arbeit ist. Hat man einmal die treffende Abstraktionsebene bestimmt, so ist fraglich, wie die verschiedenen Faktoren – zB manuell/nicht manuell, körperliche Belastung, Ausbildung, Verantwortung – zueinander zu gewichten sind. Gleichwertigkeit könnte in vielen Fällen erst bejaht werden, wenn man die Faktoren auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann. 110 In anderen Mitgliedstaaten und den USA gab und gibt es verstärkte Bemühungen um eine Konkretisierung von gleichwertiger Arbeit, die gesetzlichen Definitionen weichen aber durchaus voneinander ab.303 Nach der deutschen Rechtsprechung ist ein Gesamtvergleich maßgebend.304 Gleichwertigkeit liege nur vor, wenn die Arbeitsleistungen nach objektiven Maßstäben denselben Arbeitswert haben, wobei es allerdings kaum objektive Maßstäbe gebe. Tendenziell wird Gleichwer303 Vgl Thüsing, NZA 2000, 573 f mwN; Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 64 f; KOM(2013) 861, 8. 304 Benecke in BeckOGK AGG § 8 Rz 63 mwN.
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tigkeit umso eher abgelehnt, je höhere Anforderungen (zB in Bezug auf die Ausbildung) bei den Einzeltätigkeiten gestellt werden. Insgesamt wird Gleichwertigkeit eher eng interpretiert, weil der Tatbestand nur verhindern soll, dass unwichtige Unterschiede der Arbeitsleistung die Entgeltgleichheit verhindern.305 Es ist daher nicht nur erforderlich, dass die Tätigkeiten unter einen gemeinsamen Oberbegriff gebracht werden können, der sich insb an den erforderlichen Fähigkeiten orientieren wird, sondern dass darüber hinaus die Tätigkeiten nach Art und Weise sowie nach Ausbildung und Erfahrung eng verwandt sind.306 In Großbritannien erlaubt das Gesetz den Vergleich nicht nur von „like work“ und „work rated as equivalent“, sondern seit 1984 auch von „work of equal value“. In der Praxis hat sich die Erweiterung aber nur wenig ausgewirkt, weil sie eher restriktiv interpretiert wird; insb gilt sie nur innerhalb eines Betriebes und der AG kann den Vergleich mit einem Evaluationssystem abblocken.307 Überdies geht diese Erweiterung über die Anforderungen des Art 157 AEUV wohl hinaus. Die entscheidende Frage ist, ob „gleichwertige Arbeit“ ein zweites Tat- 111 bestandsmerkmal ist, das eigenständig und ebenbürtig (also gleichwertig) neben dem Merkmal „gleiche Arbeit“ im Diskriminierungstatbestand steht – oder ob es sich nur um einen Ergänzungstatbestandsmerkmal zu „gleiche Arbeit“ handelt, welches dieses Merkmal bloß abrunden und ein allzu leichtes Ausweichen verhindern soll. Für die erste Variante scheint zu sprechen, dass die Gleichwertigkeit erst nachträglich (im Vertrag von Amsterdam) und damit bewusst in den damaligen Art 141 EGV aufgenommen wurde. Allerdings wurde damit nur der Wortlaut der Entgelt-RL 75/117/EWG nachvollzogen, sodass daraus keine allzu weitgehenden Schlüsse gezogen werden sollten. Vorher wie nachher hat der EuGH vielmehr dem Element der Gleichwertigkeit neben dem der Gleichheit noch keine tragende Rolle zugemessen. Und es gibt bisher auch keine Ansätze in der Judikatur des EuGH, die für eine eher abstrakte Betrachtung sprechen, und die es gebieten und erlauben würden, die unterschiedlichen Bewertungsfaktoren – manuell/ nicht manuell, körperliche Belastung, Ausbildung, Verantwortung – abstrakt zu betrachten und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen (vgl Rz 109). Gerade die Entscheidung zu den Psychotherapeuten der 305 Vgl BAG 23.8.1995, 5 AZR 942/93 = NZA 1996, 579; Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 16; Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 55. 306 Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 67 ff. 307 McColgan, Discrimination Law 548 ff.
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Gebietskrankenkasse zeigt, dass nicht einmal eine sehr ähnliche Tätigkeit als gleichwertig anzusehen ist, wenn Unterschiede in der Ausbildung und Befähigung bestehen;308 wobei man diese Entscheidung infolge eines wohl zu starken Abstellens auf den formalen Ausbildungsgrad auch kritisch sehen kann. Man kann daher wohl sagen, dass die Judikatur des EuGH zur Frage der Gleichwertigkeit – jedenfalls implizit – durchaus restriktiv ist.309 Dahinter steht wohl die Einsicht, dass der gesellschaftliche Wert von Arbeit (auch) in einer Marktwirtschaft kaum „objektiv“ bestimmt werden kann. Die Preise werden vom Markt und damit von Angebot und Nachfrage nach der Arbeitsleistung und der Leistungsfähigkeit des Unternehmens bestimmt; es gibt in diesem System offenbar keinen „gerechten“ Preis.310 Insgesamt ist daher ein enges Verständnis von Gleichwertigkeit vorzuziehen.311 Dafür lässt sich auch ins Treffen führen, dass es nicht unmittelbar einsehbar wäre, wenn Tätigkeiten mit abstrakt betrachtet ähnlichen Anforderungen an sich ganz unterschiedlich entlohnt werden dürfen, solange Männer und Frauen gleichermaßen schlecht bzw gut bezahlt werden, diese Unterschiede aber verboten sind, wenn es um eine mittelbare Diskriminierung geht. Die Bestimmungsgründe für die primäre Einkommensverteilung ist eine so fundamentale Frage für eine Gesellschaft, dass ihre rechtliche Beurteilung wohl nicht allein davon abhängen kann, ob sich die Kriterien in manchen (!) Fällen mehr zulasten eines Geschlechtes auswirken. Die Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes gegen den Markt (§ 2 Rz 14 ff) stößt hier an eine immanente Grenze. Man wird Gleichwertigkeit daher nur bejahen, wenn zwar die AN nicht austauschbar sind, aber die Tätigkeiten nach den vom Markt erkennbar zugrunde gelegten Bewertungskriterien als gleichwertig anzusehen wären. Dies ist jedenfalls (aber wohl auch: nur) der Fall, wenn das vom AG oder KollV zugrunde gelegte Bewertungssystem bei konsequenter Anwendung zur Bejahung der Gleichwertigkeit führt, die unterschiedliche Entlohnung also auf einer gleichheitswidrigen Anwendung der selbst gesetzten Regel beruht. Es kommt also auf die vom Markt selbst gesetzte Bewertungsregel – und nicht auf eine unabhängig davon „objektive“ Bewertungsregel an. 308 EuGH 11.5.1999, C-309/97, Angestelltenbetriebsrat. 309 Vgl auch EuGH 28.2.2013, C-427/11, Kenny. 310 In diese Richtung zB auch Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 66 f; Thüsing, NZA 2000, 574. 311 Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 16.
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Das Gebot gleichen Entgelts bei (nicht gleicher, sondern nur) gleich- 112 wertiger Arbeit ist ebenso unmittelbar anwendbar,312 allerdings nur in dem eben dargelegten engen Rahmen.313 Der EuGH hat die unmittelbare Anwendbarkeit jüngst erneut bestätigt.314 Das Gebot, gleichwertige Arbeit gleich zu entlohnen, gilt nicht nur für den einzelnen AG und dessen betriebsinterne Regelungen. Es gilt auch für überbetriebliche Regelungen und daher für die KollV, die eine einheitliche Quelle darstellen (Rz 15, 104). Die Einreihung zweier Tätigkeiten in verschiedene Entlohnungsgruppen eines KollV stellt also kein durchschlagendes Argument gegen die Gleichwertigkeit der Tätigkeiten dar.315 Dasselbe gilt auch für verschiedene KollV derselben Kollektivvertragsparteien;316 vgl Rz 21. Auch die Kollektivvertragsparteien müssen den Grundsatz der Entgeltgleichheit beachten, und die Entlohnungsgruppen dementsprechend bilden; dies fordert auch § 11. Zu überprüfen sind insb die Systeme zur Einstufung in eine Entgelt- 113 regelung.317 Die EU-Kommission hatte ein Klassifikationsschema entwickelt, um die Gleichwertigkeit von Arbeitsleistungen festzustellen.318 Es wurde allerdings nicht fortgeführt.319 Und es gibt erprobte „objektive“ Verfahren der Arbeitsbewertung, die va die Anforderungen einer Tätigkeit an Ausbildung, Körperkraft, Geschicklichkeit, Fähigkeit zur Arbeit an Maschinen, Kommunikationsfähigkeit usw, die Belastungen in Bezug auf Körpereinsatz, Konzentration, Stress usw, sowie das Ausmaß an Verantwortung für verschiedene Tätigkeiten mehr oder weniger genau bestimmen.320 Diese Unterschiede können auch Unterschiede beim Entgelt rechtfertigen.321 Auf nationaler ö Ebene besteht seit 2006 ein vom BKA herausgegebener Leitfaden zu Ent312 Zur Leitentscheidung Defrenne II vgl Rust in GSH, AEUV Art 157 Rz 189 ff, Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 49. 313 Weiterhin krit zur unmittelbaren Anwendbarkeit Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 6. 314 EuGH 3.6.2021, C‑624/19, Tesco Stores. 315 EuGH 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen, Rz 45 f. 316 EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 22. 317 Vgl Art 4 Satz 2 RL 2006/54/EG/54. 318 KOM (94) 6 sowie KOM (96) 336. 319 Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 16. 320 Vgl dazu auch Ranftl ua, bmgf, 2003; Ranftl, Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit 13 ff. 321 EuGH 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen, Rz 43.
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geltgleichheit und nichtdiskrminierender Arbeitsbewertung.322 Die Kommission hat 2013 im Rahmen der Arbeitsunterlage zum Bericht über die Anwendung der RL 2006/54/EG als Anhang 1 ebenfalls Vorgaben für die analytische Arbeitsplatzbewertung gemacht, welche auf vier Hauptfaktoren aufbauen: Qualifikation und Kenntnisse, Verantwortung, Belastungen und Arbeitsbedingungen.323 Dabei fordern Art 157 AEUV und § 11 jedenfalls, dass die Kriterien für die Beurteilung und Entlohnung nicht schon selbst systematisch die Angehörigen eines Geschlechtes benachteiligen.324 Sie dürfen daher nicht nur jene Fähigkeiten und Anforderungen höher bewerten und entlohnen, welche typischerweise dem einen Geschlecht eigen sind, und jene derselben Art von Kriterien zuzuzählenden Fähigkeiten und Anforderungen vernachlässigen, welche typischerweise dem anderen Geschlecht zugute kommen würden. Es darf also nicht nur die Körperkraft honoriert werden, während die Geschicklichkeit unberücksichtigt bleibt.325 Bei Qualifikationen und Kenntnissen sind sowohl formale Abschlüsse als auch anderweitig erworbenes Fachwissen zu beachten und zählen nur für die konkrete Tätigkeit erforderliche Kenntnisse.326 Bei der Feststellung, inwieweit eine Arbeit beanspruchend oder belastend oder schwer ist, darf nicht von Werten ausgegangen werden, die der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit der AN nur des einen Geschlechtes entsprechen. Unzulässig ist auch ein KollV, der bei Hilfsarbeiten zwei Entlohnungsgruppen nur danach unterscheidet, ob mehr Kraft zu entfalten ist, und andere Belastungen wie Nässe oder Dampf nicht berücksichtigt, weil dies systematisch Frauen benachteiligt; es wird eine „indirekte Frauenlohngruppe“ geschaffen.327 114 Entlohnungsgruppen sind daher nur diskriminierungsfrei, wenn folgendes erfüllt ist: Die Differenzierungskriterien müssen durchschaubar sein; sie müssen die Art der zu verrichtenden Arbeiten vollständig und richtig wiedergeben, also auf Tatsachen basieren; und sie müssen diskriminierungsfrei gewichten, also ausgewogen und
322 Ranftl, Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. 323 SWD(2013) 512 final; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11 Rz 9. 324 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11 Rz 7. 325 EuGH 1.7.1986, 237/85, Rummler, Rz 15. 326 SWD(2013) 512 final; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11 Rz 10. 327 OGH 14.9.1994, 9 ObA 801/94, ZAS 1996/11 (Gahleitner) = DRdA 1995/21 (Kirschbaum).
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verhältnismäßig sein, und überdies gleichmäßig angewendet werden.328 Gibt es zwei Lohngruppen für gleichwertige Tätigkeiten, von denen in der einen überwiegend Frauen und in der anderen überwiegend Männer arbeiten, so liegt in der gesonderten Lohngruppe für einen Frauenberuf eine vermutete Benachteiligung.329 Besonders wichtig ist, dass in einem bestimmten Gestaltungsbereich (Betrieb, KollV) die verwendeten Kriterien und Bewertungsmaßstäbe konsequent angewendet werden.
4. Unmittelbare Diskriminierung Eine unmittelbare Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Ge- 115 schlechts kann wohl in keinem Fall gerechtfertigt werden, insb auch nicht damit, dass die Lohnnebenkosten bei den Angehörigen des einen Geschlechts höher sind als bei den anderen. Der EuGH hat Ähnliches insb zur Benachteiligung aufgrund Schwangerschaft gesagt (Rz 67; § 5 Rz 52). Unmittelbare Diskriminierung ist beim Entgelt heute eher selten, was nicht bedeutet, dass sie nicht vorliegen kann. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt insb vor, falls eine Frau weniger Entgelt erhält als der Mann, dessen Stelle sie übernimmt, es sei denn die Rahmenbedingungen haben sich geändert (Rz 7). Praktisch relevant waren und sind im Wesentlichen zwei Fallgruppen: Schwangerschaft und Anfalls alter für Betriebspensionen (Rz 176); ein weites Verständnis von gleichwertiger Arbeit könnte zu neuen Fällen führen. Art 11 RL 92/86/EG über den Mutterschutz sieht vor, dass Schwange- 116 re in mehreren Fällen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder auf eine angemessene Sozialleistung haben.330 Daneben ist auch Art 157 AEUV relevant. Die Kontrolle ist hier während der Schwangerschaft und des Mutterschaftsurlaubs iSd RL 92/86/EG strenger als danach. So ist es eine – nicht zu rechtfertigende – Benachteiligung, wenn auf Grund einer Krankheit arbeitsunfähige Schwangere bei der Fortzahlung des Entgelts schlechter gestellt sind als andere arbeitsunfähige AN; dasselbe gilt wenn der AG eine arbeitsfähige Schwangere leichter von Arbeit und Entgelt suspendieren kann als andere nicht ar328 Vgl auch Winter, Gleiches Entgelt; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11 Rz 10; EuGH 3.10.2006, C-17/05, Cadman, Rz 33 ff. 329 EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 22 f. 330 Zur Anspruchshöhe vgl Risak in Franzen/Gallner/Oetker, RL 92/85/EWG Art 11 Rz 9.
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beitsunfähige AN.331 Hingegen ist der Entfall des Entgelts zulässig, falls die Schwangere ohne Arbeitsunfähigkeit aus Gründen der Schwangerschaft der Arbeit fernbleibt.332 Ebenso zulässig ist eine Regelung im Krankheitsurlaub, die für weibliche AN, die von einem Mutterschaftsurlaub wegen einer mit ihrer Schwangerschaft zusammenhängenden Krankheit fehlen, ebenso wie für männliche AN, die infolge irgendeiner anderen Krankheit fehlen, eine Kürzung der Vergütung vorsieht, wenn die Fehlzeit eine bestimmte Dauer überschreitet.333 Hängt das Mutterschaftsgeld von der Höhe des vorher bezogenen Lohnes ab, so sind Lohnerhöhungen während des Mutterschaftsurlaubes zu berücksichtigen.334 Die Unterbrechung der Beschäftigung durch den Mutterschaftsurlaub iSd RL 92/85/EG darf nicht zum Anlass für eine Benachteiligung genommen werden, vielmehr ist dieser Mutterschaftsurlaub wie aktive Dienstzeit zu bewerten, auch für die Anwartschaft auf eine Betriebspension.335 Nicht erforderlich ist es aber, im Mutterschaftsurlaub das volle Entgelt weiterzuzahlen, sodass auch der Entfall einer besonderen Belastungszulage für Richterinnen im Mutterschaftsurlaub zulässig war.336 Zeiten eines über den Mutterschaftsurlaub hinausgehenden Elternurlaubes muss der AG nicht als Anwartschaftszeit anrechnen (vgl Rz 147, 178). Wird eine Weihnachtsgratifikation nicht gewährt, weil die Mutter im (dreijährigen) Erziehungsurlaub ist, so soll es auf den Zweck der Gratifikation ankommen. Soll sie bereits geleistete Arbeit vergüten, so ist es eine vermutete Benachteiligung, wenn im Jahr der Gratifikation geleistete Arbeit nicht berücksichtigt würde;337 eine Rechtfertigung ist kaum möglich. Soll die Sonderleistung hingegen nur davon abhängen, dass im Zeitpunkt der Leistung ein aktives Arbeitsverhältnis besteht, so soll keine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vorliegen.338 117 Zu erwähnen ist ferner § 14 Abs 4 Z 2 BMSVG. Danach haben die AN Anspruch auf die Auszahlung der „Abfertigung neu“ jedenfalls nach 331 EuGH 19.11.1998, C-66/96, Pedersen, Rz 53. 332 EuGH Pedersen Rz 50; vgl dazu auch Mayr, ELR 1998, 581. 333 EuGH 8.9.2005, C-191/03, McKenna. 334 EuGH 30.3.2004, C-147/02, Alabaster. 335 EuGH 27.10.1998, C-411/96, Boyle Rz 81 ff. 336 EuGH 14.7.2016, C-335/15, Ornano; Risak in Franzen/Gallner/Oetker, RL 92/85/EWG Art 11 Rz 9. 337 EuGH 21.10.1999, C-333/97, Lewen Rz 39 f. 338 E Lewen Rz 38.
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Vollendung des Anfallsalters für die vorzeitige Alterspension. Solange diese Differenz nach ASVG besteht, liegt darin eine Diskriminierung,339 die uE sogar eine unmittelbare ist, weil das ASVG stets und damit notwendig differenziert (vgl § 5 Rz 3), und die hierin liegende Diskriminierung auch nicht gerechtfertigt werden kann. Die Diskriminierung ist durch das Gesetz angeordnet und für den AG wie die Mitarbeiterversorgungskasse unvermeidbar (freiwillige höhere Beiträge des AG sieht das BMSVG – erstaunlicherweise – nicht vor). Es bestehen aber auch keine entscheidenden Bedenken gegen eine Verantwortlichkeit der Kasse für diese Diskriminierung, weil die Kasse dann nur verpflichtet wäre, den Männern schon zum Anfallsalter der Frauen auszubezahlen, was die Kasse finanziell nicht zusätzlich belasteten würde.
5. Mittelbare Diskriminierung a. Benachteiligung Vermutete Benachteiligungen und mittelbare Diskriminierungen gab 118 und gibt es gerade beim Entgelt viele, und sie haben die Gerichte sehr häufig beschäftigt. Verwendet der AG für die Bemessung des überkollektivvertraglichen Entgelts Kriterien, die im KollV nicht vorkommen, liegt darin noch keine Diskriminierung.340 An sich neutrale Kriterien, die insb bei entsprechender statistischer Differenz (§ 5 Rz 37) zu einer mittelbaren Benachteiligung führen können, sind: Mobilität und Flexibilität bei der Einteilung der Arbeitszeit, weil Frauen viel häufiger durch familiäre Pflichten örtlich und zeitlich gebunden sind;341 Ausmaß der Arbeitszeit; Bevorzugung von kontinuierlicher Beschäftigung und längerer Betriebszugehörigkeit, weil Frauen aufgrund von Schwangerschaft und Mutterschaft viel häufiger die Arbeit unterbrechen;342 Bevorzugung von formalisierter Fortbildung, weil Frauen aufgrund von Schwangerschaft und Mutterschaft und häuslicher Arbeit dazu deutlich weniger Zeit haben, und uU auch von Berufsausbildung;343 ferner uU auch Benachteiligung von Heim- und Telearbeit; und man339 Windisch-Graetz, ecolex 2002, 491. 340 EuGH 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 68. 341 Vgl EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 17 ff. 342 Vgl EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rz 15; zur Nichtanrechnung von Zeiten des Elternurlaubes für Sozialplanabfindung oder Betriebspension vgl Rz 147. 343 EuGH Danfoss Rz 23.
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che Maßstäbe beim Leistungsentgelt, die sich geschlechtsspezifisch auswirken. 119 Für leistungsbezogene Entlohnung (zB Akkordarbeit) schreibt bereits Art 157 Abs 2 AEUV vor, dass die Maßeinheit (Berechnungsmethode) für beide Geschlechter gleich und nicht-diskriminierend sein muss. Ist dies der Fall, so liegt keine Diskriminierung vor, auch wenn die Maßeinheit aufgrund unterschiedlicher Arbeitsleistung zu unterschiedlichen Durchschnittslöhnen führt.344 Ein fester Entgeltbestandteil muss auch bei Stücklohn diskriminierungsfrei sein. Ebenso muss der Geldfaktor für Frauen und Männer gleich bemessen sein. Zeitlohn muss für gleiche und für gleichwertige Arbeit gleich hoch sein. Zeitlohn darf individuellen Leistungsunterschieden (Leistungsfähigkeit, Qualität der Leistung) durchaus Rechnung tragen. Ein Unterschied in der formalen Qualifikation kann ein höheres Entgelt jedenfalls rechtfertigen, falls die zusätzliche oder unterschiedliche Qualifikation auch für die Ausübung der Tätigkeit zumindest partiell relevant ist (ein Spitalsfacharzt, der zusätzlich noch Notfallmediziner ist, kann höher entlohnt werden, auch wenn diese Fähigkeit nur selten in Anspruch genommen wird). Kriterien, die erst nach Beginn des Arbeitsverhältnisses verlässlich beurteilt werden können, dürfen nicht herangezogen werden, um eine schon bei Vertragsschluss vorgesehene Differenzierung zu rechtfertigen.345 Schon bei der Einstellung darf aus Leistungsunterschieden also nur ein unterschiedliches Entgelt folgen, wenn die Unterschiede schon in diesem Zeitpunkt erkennbar sind, etwa weil sie aus Ausbildung oder bisheriger Verwendung folgen. Unterschiede, die erst später erkennbar sind, dürfen erst später honoriert werden. 120 Das Diskriminierungsverbot gilt für die einzelnen Entgeltbestandteile, sodass eine Diskriminierung nicht entfällt, weil Nachteile bei einem Teil durch andere Bestandteile ausgeglichen werden können (Rz 90). Uneingeschränkt kann dies allerdings nur gelten, wenn die Bestandteile deutlich trennbar sind. Die Trennung muss auch bei einem Entlohnungssystem durchgeführt werden. Eine andere Frage ist die Vorgangsweise, wenn zur Bemessung eines einzelnen Entgeltbestandteils mehrere Faktoren berücksichtigt und kombiniert werden. Muss dann die Gleichheit in Bezug auf jeden einzelnen Faktor oder nur in Bezug auf die Gesamtsumme erfüllt sein? Die Rsp scheint uneinheitlich. Teils 344 EuGH 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen, Rz 21. 345 EuGH 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 76–78.
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wird auf die Gesamtheit der Faktoren,346 teils auf die einzelnen Faktoren abgestellt.347 UE kann sich das Vorliegen einer Benachteiligung sowohl aus dem Ergebnis als auch aus einzelnen Faktoren ergeben. Eine vermutete Benachteiligung durch das Bemessungssystem kann der AG nur rechtfertigen, indem er das gesamte System rechtfertigt, wobei die benachteiligende Wirkung eines Faktors durch andere aufgehoben werden kann. IdS wurde entschieden: Werden zur Entgeltbemessung Kriterien verwendet, die typischerweise Männern zugute kommen (wie Muskelkraft), müssen Kriterien, die typischerweise Frauen zugute kommen (wie Geschicklichkeit), ebenfalls angemessen berücksichtigt werden.348 Wird nur ein Faktor angegriffen, so kann der AG diesen entweder isoliert oder als Teil des Systems zu rechtfertigen versuchen. Nach Maßgabe des eben Dargelegten kann der AG nach unterschiedlichen Fähigkeiten differenzieren. Zuweilen ist entscheidend, ob eine Benachteiligung schon darin liegen 121 kann, dass der AG sich bei der Festsetzung des Entgelts für eine bestimmte Tätigkeit an Angebot und Nachfrage orientiert. Der EuGH hatte sich mit dieser Frage in der E Enderby zu befassen. Es ging um – voraussetzungsgemäß – gleichwertige Tätigkeiten, von denen die höher entlohnte überwiegend von Männern, die geringer entlohnte überwiegend von Frauen ausgeübt wurde. Der AG erklärte dies damit, dass die höhere Bezahlung erforderlich war, um überhaupt genügend Interessenten für diese Tätigkeit zu finden. Der EuGH hat in diesem Argument, soweit es beweisbar ist, eine ausreichende Rechtfertigung gesehen.349 Man kann allerdings schon an der Voraussetzung zweifeln. Ist die Attraktivität der Tätigkeiten am Arbeitsmarkt nämlich stark unterschiedlich, dann könnte dies gegen die Gleichwertigkeit sprechen, sodass sich die Frage einer Rechtfertigung nicht mehr stellt. In jedem Fall berücksichtigt der EuGH hier Auswirkungen von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt; dies entspricht der hier vertretenen Auffassung zur Bedeutung von Gleichwertigkeit (Rz 111); vgl auch Rz 127 und § 2 Rz 14 ff.
346 EuGH 1.7.1986, 237/85, Rummler, Rz 15. 347 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 17 f; 17.5.1990, 262/88, Barber, Rz 34. 348 EuGH Rummler, Rz 15; OGH 14.9.1994, 9 ObA 801/94 = ZAS 1996/11 mA Gahleitner = DRdA 1995/21 mA Kirschbaum. 349 EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 26–28.
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122 Eine vermutete Benachteiligung kann insb aus dem Einstufungssystem einer Entlohnungsregelung (zB Entlohnungsgruppen) folgen, wenn und weil dessen Kriterien sich besonders zum Nachteil der Angehörigen eines Geschlechtes auswirken können; vgl Rz 113 f. Die Einstufungskriterien müssen die gleiche Entlohnung für eine (gleich)wertige Tätigkeit sicherstellen, gleichgültig ob ein Mann oder eine Frau arbeitet.350 Führt ein Entlohnungssystem im Durchschnitt zu einer deutlich geringeren Entlohnung der mit gleichwertigen Tätigkeiten beschäftigten Gruppe, ist es aber so undurchschaubar ausgestaltet, dass das dafür verantwortliche Merkmal nicht heraus gearbeitet werden kann, so liegt schon darin eine vermutete Benachteiligung.351 Ähnlich ist es, wenn feste und variable Entlohnungsbestandteile in nicht nachvollziehbarer Weise kombiniert werden.352 Dann muss der AG die maßgeblichen Kriterien aufdecken und deren Verwendung rechtfertigen. 123 Viele Jahre lang standen Benachteiligungen von Teilzeitbeschäftigten bei allen Formen des Entgelts im Zentrum; heute hilft die Teilzeit-RL und deren Ausführung (§ 19d Abs 6 AZG) wohl ebensoviel wie Art 157 AEUV und § 3 GlBG. § 19d AZG und § 3 GlBG können nebeneinander angewendet werden. Das Kriterium der Teilzeitbeschäftigung ist „in besonderer Weise geeignet“, Frauen zu benachteiligen (§ 5 Rz 40). Daher stellt jede Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten eine vermutete Benachteiligung aufgrund des Geschlechts dar. Aus einer statistischen Differenz kann die Benachteiligung hingegen nicht ohne weiteres abgeleitet werden. Studien zur Lage in den verschiedenen Mitgliedsstaaten zeigen zwar, dass Teilzeitbeschäftigte im Durchschnitt weniger pro Stunde verdienen als Vollzeitbeschäftigte, die Differenz lässt sich aber zu einem beträchtlichen Teil mit geringeren Anforderungen der Teilzeitstellen (die daher auch bei Vollzeit schlechter bezahlt sind als der Durchschnitt der Vollzeitbeschäftigungen) und/oder mit persönlichen Eigenschaften (zB geringere Qualifikation) erklären. Im Übrigen kommt es auf den Bezugsrahmen an; bei einer erst auf Unternehmensebene vorgesehenen Leistung kommt es darauf an, ob der Frauenanteil an den Teilzeitbeschäftigten im von der Regelung betroffenen Unternehmensbereich erheblich höher ist als unter den Vollzeitbeschäftigten (§ 5 Rz 37). Schwierig ist, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt, falls 350 EuGH 1.7.1986, 237/85, Rummler, Rz 13 f. 351 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 15; BAG 23.9.1992, 4 AZR 30/92 = NZA 1993, 3091. 352 EuGH 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen, Rz 26.
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Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf einen Überstundenzuschlag erst ab jener Arbeitszeit haben, ab der auch Vollzeitbeschäftigte den Zuschlag erhalten, also idR erst ab Erreichen der Vollarbeitszeit. Der EuGH hat darin keine Diskriminierung gesehen, weil die Arbeit beider Gruppen dann gleich entlohnt wird,353 und daher schon die Ungleichbehandlung verneint. Der Zuschlag gilt dann nur die absolute Mehrbelastung ab, und nicht die Dispositionsbeschränkung; und Teilzeitbeschäftigte erhalten für Arbeit über das vertraglich Geschuldete hinaus weniger Entgelt.354 Zulässig ist insofern auch, dass nach § 19d Abs 3 AZG Mehrstunden nur mit einem 25% Zuschlag abgegolten werden. Anders beurteilt der EuGH eine Regelung, die den Anspruch auf eine Mehrarbeitsvergütung erst gibt, wenn eine bestimmte Zahl von zusätzlichen Arbeitsstunden geleistet wird, und diese Zahl für Voll- und Teilzeitbeschäftigte unterschiedlich festgelegt wird. Darin sieht der Gerichtshof treffend eine vermutete Benachteiligung, weil Vollzeitbeschäftigte schon bei Überschreiten eines geringeren Prozentsatzes der bezahlten Arbeitszeit die Mehrarbeitsvergütung erhalten.355 Keine mittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht, aufgrund der höheren Zahl von Männern als Vollzeitbeschäftigten, ist es, wenn eine nach der RL 97/81/ EG zulässige Aliquotierung für Teilzeitbeschäftigte nicht vorgenommen wird, da sich daraus keine Benachteiligung Vollzeitbeschäftigter ergibt.356 Das Gleichbehandlungsrecht begründet daher keine Aliquotierungspflicht. b. Reichweite des Vergleichs Art 157 Abs 1 AEUV und § 3 verpflichten dem Wortlaut nach nur den 124 jeweiligen AG. Der EuGH hat allerdings (erstmals 2002) gesagt, dass nichts im Wortlaut des Art 157 Abs 1 AEUV darauf hindeutet, dass die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Fälle beschränkt wäre, in denen Männer und Frauen ihre Arbeit für ein und denselben AG verrichten. Das ist nicht überzeugend, der EuGH schränkt es aber ohnehin wieder ein.357 Das Gebot der Entgeltgleichheit gilt jedenfalls in Bezug auf AN, die in demselben Betrieb des AG tätig sind. Der AG muss gleiche oder 353 EuGH 15.12.1994, C-399/92, Helmig/Lengerich, Rz 26–31. 354 Kritisch zB Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 44. 355 EuGH 27.5.2004, C-285/02, Elstner. 356 OGH 24.8.2017, 8 ObA 39/17v. 357 Vgl Rz 103; EuGH 17.9.2002, C-320/00, Lawrence, Rz 17 f; bestätigt durch 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 46–49.
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gleichwertige Arbeit auch dann gleich entlohnen, wenn das unterschiedliche Entgelt in einem KollV (oder Gesetz) begründet ist: Der AG hat Diskriminierungen im KollV zu vertreten (Rz 22 f), und die Kollektivvertragsautonomie rechtfertigt nicht ein Abweichen von der Entgeltgleichheit (§ 5 Rz 53). Entgegen einer älteren E ist der Vergleich aber nicht nur zwischen Personen in demselben Betrieb erforderlich,358 das Gebot gilt vielmehr auch für verschiedene Betriebe desselben AG. Dies folgt nun auch aus der Judikatur des EuGH, wonach Art 157 AEUV für alle Unterschiede in den Entgeltbedingungen eingreift, welche „auf ein und dieselbe Quelle“ zurückzuführen sind.359 Unterschiede in einem Unternehmen sind aber grds demselben AG und damit derselben Regelungsquelle zuzurechnen. Im Konzern ist entscheidend, ob es Vorgaben der Zentrale für das Entgelt gibt, die auch befolgt werden; wenn ja dann sind diese an Art 157 AEUV zu messen (Rz 15). Allerdings sind im Unternehmen und Konzern regional unterschiedliche Entgelte gerechtfertigt, wenn der AG erkennbar nach Regionen mit unterschiedlichen allg Lohnniveaus unterscheidet, weil dann die Differenzierung aufgrund des Arbeitsmarktes und nicht aufgrund des Geschlechtes erfolgt.360 An Art 157 AEUV zu messen sind aber Unterschiede in zwei Betrieben, für welche dieselben regionalen Rahmenbedingungen bestehen, wenn in dem einen überwiegend Frauen und in dem anderen überwiegend Männer beschäftigt sind. 125 Fraglich ist, ob unterschiedliche Entgelte in einem Betrieb oder Unternehmen mit unterschiedlichen(m) Wünschen und Druck des/der Verhandlungspartner bei kollektiven Regelungen gerechtfertigt werden können (insb KollV, aber auch Abrede mit betrieblicher AN-Vertretung).361 Vereinbaren dieselben Parteien (zB eines KollV) zwei Lohngruppen für gleichwertige Tätigkeiten, darunter eine Lohngruppe für einen Frauenberuf, so kann dies nicht durch die Kollektivvertragsverhandlungen gerechtfertigt werden;362 hier liegt auch dann „dieselbe Quelle“ der Regelung vor, wenn zwei getrennte KollV abgeschlossen wurden. Werden die unterschiedlichen Entgelte hingegen von einem 358 EuGH 27.3.1980, 129/79, Macarthys, Rz 15. 359 EuGH Lawrence, Rz 15, 103. 360 Vgl auch OGH 18.9.2003, 8 ObA 37/03d, wo der OGH dieses Argument wohl billigt; gegen einen Vergleich über eine Region hinaus wohl Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 72. 361 Unklar EuGH 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen, Rz 46. 362 Vgl EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 22.
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AG aufgrund verschiedener Kollektivverträge gezahlt, die von verschiedenen Kollektivvertragsparteien ausgehandelt wurden, so könnte das Gebot der Entgeltgleichheit nicht eingreifen; hier agieren verschiedene Normsetzer, und Art 152 AEUV gebietet– auf derselben Normstufe wie Art 157 AEUV – die Achtung der Sozialpartner. Allerdings steigen die Möglichkeiten für Differenzierungen dann allein deshalb, weil es viele kleinere Gewerkschaften gibt (Berufsverbände). Das Entgeltgleichheitsgebot gilt aber jedenfalls innerhalb eines KollV. Davon abgesehen verlangen Art 157 AEUV und § 3 jedoch keinen Vergleich über die Unternehmen oder gar die Branchen hinaus, selbst wenn die – oft sehr großen – Lohnunterschiede zwischen den Branchen oft wenig mit den Leistungen der AN zu tun haben. Art 157 AEUV kann daher auch wenig dazu beitragen, die Entgeltunterschiede zwischen typischen Frauen- und Männerberufen und damit eine geschlechtsspezifische Aufteilung des Arbeitsmarktes abzubauen (Rz 92), soweit und weil die unterschiedlichen Entgelte in unterschiedlichen Branchenkollektivverträgen geregelt sind. Bei gesetzlichen Vorschriften indes, welche ein diskriminierendes Vergütungssystem vorsehen, reicht der Gleichbehandlungsgrundsatz so weit wie der Geltungsbereich der Vorschrift.363 c. Rechtfertigung Viele Entscheidungen zum Entgelt haben Teilzeitbeschäftigte betrof- 126 fen. Die vermutete Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten kann idR nicht gerechtfertigt werden. Untaugliche Rechtfertigungsversuche sind etwa: Die Teilzeitbeschäftigten würden Fähigkeiten nur langsamer erwerben, hätten ein geringeres Erfahrungswissen oder seien mit dem Betrieb geringer verbunden.364 Benachteiligt der KollV Teilzeitbeschäftigte beim Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, so ist eine Rechtfertigung zwar nicht ausgeschlossen,365 aber schwer vorstellbar. Dasselbe wird bei der Gewährung von im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten niedrigeren Zuschlägen für Überstunden/Mehrarbeit gelten,366 soweit die Zuschläge nur die Flexibilität, nicht aber auch die 363 EuGH EuGH 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 46; Franzen in Franzen/ Gallner/Oetker, AEUV Art 157 Rz 16. 364 EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rz 14; 2.10.1997, C-100/95, Kording Rz 27; zu einem Gesetz EuGH 13.7.1989, 171/88, Rinner-Kühn, Rz 13 f. 365 EuGH Rinner-Kühn Rz 11. 366 EuGH 6.12.2007, C-300/06, Voß.
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gesundheitliche Belastung abgelten sollen.367 Auch die Begründung einer Differenzierung mit (höherer) Berufserfahrung ist bei Teilzeitbeschäftigten nur eingeschränkt möglich. So scheint es unzulässig, Teilzeitbeschäftigte generell erst (viel) später (automatisch) vorrücken zu lassen als Vollzeitbeschäftigte, und zwar auch dann, wenn die Verlängerung der Wartezeit zur Verringerung der Arbeitszeit proportional ist.368 Der EuGH hat auch Bedenken, wenn bisher Halbzeitbeschäftigte nach dem Wechsel zur Vollzeitarbeit im Entgeltschema zurückfallen, und daher nicht das Doppelte des Bisherigen verdienen.369 Eine geringere Erfahrung von Teilzeitbeschäftigten darf nur berücksichtigt werden, wenn und soweit geringere Erfahrung tatsächlich zu einer qualitativ oder quantitativ schlechteren Erfüllung der konkreten Aufgaben führt, dies auch bei Vollzeitbeschäftigten berücksichtigt wird, und Teilzeitbeschäftigte tatsächlich deshalb eine geringere Erfahrung haben, weil es nicht nur auf die Länge, sondern auch den Umfang einer Tätigkeit ankommt, wenn also die unterschiedlichen Erfahrungen auch zur Erfüllung nach Qualität und Quantität unterschiedlicher Aufgaben führen.370 Auch das Ziel, geringfügige Beschäftigung zu fördern, kann den Ausschluss geringfügig Beschäftigter von einer Sonderzuwendung durch den KollV nicht rechtfertigen,371 während dieses Ziel die Herausnahme aus der Sozialversicherungspflicht rechtfertigen kann.372 Die Strategie eines Unternehmens, weniger Teilzeitbeschäftigte zu beschäftigen, hat der EuGH als potentiellen Rechtfertigungsgrund gesehen,373 allerdings wird der Ausschluss von der Betriebspension uE nicht den allg Anforderungen entsprechen, also insb nicht erforderlich sein, um dieses Ziel zu erreichen. Der EuGH hat jüngst auch das Interesse an „guten Arbeitsbeziehungen“ als Kriterium bezeichnet, das neben anderen Umständen berücksichtigt werden kann.374
367 EuGH 15.9.1994, verbundene Rs C-399/92, C-409/92, C-425/92, C-34/93, C-50/93 und C-78/93, Helmig, vgl Rz 38 der Schlussanträge. 368 EuGH Nimz Rz 15; 2.10.1997, C-1/95, Gerster, Rz 40–42. 369 EuGH 17.6.1998, C-243/95, Hill/Stapleton, Rz 32 ff. 370 EuGH Hill/Stapleton Rz 32 ff; E Nimz Rz 14; auch VfGH 11.12.1998, G 57/98, VfSlg 15.368. 371 EuGH 9.9.1999, C-281/97, Krüger, Rz 25 f. 372 EuGH 14.12.1995, 317/93, Nolte, Rz 31. 373 EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 36 f. 374 EuGH 28.2.2013, C-427/11, Kenny.
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Fraglich ist, ob niedrigere Gehaltsvorstellungen der Einzelnen, die 127 hinter dem am Markt Erzielbaren zurückbleiben, bei der Einstellung eine Differenzierung beim Entgelt rechtfertigen. Da auf das Auftreten am Markt abgestellt wird, handelt es sich um ein dem Anschein nach neutrales Kriterium, sodass nur eine mittelbare Diskriminierung zu prüfen ist. Der OGH hat diese bejaht, wenn die Person, die niedrigere Forderungen stellte, dann die gleichen „oder annähernd gleichwertigen“ Tätigkeiten verrichtet wie eine Person des anderen Geschlechts.375 Die Literatur teilt diese Auffassung jedenfalls zum Teil, auch mit dem Hinweis, Frauen würden typischerweise nur ein geringeres Entgelt fordern.376 Die Auffassung des OGH ist wohl zutreffend. Zwar erscheint die Auffassung des OGH paternalistisch, weil sie unterstellt, dass Frauen nicht in der Lage sind, marktkonforme Entgeltvorstellungen zu äußern: In der Preisforderung komme primär die Einschätzung des Wertes der Leistung durch die Person, die den Preis fordert, zum Ausdruck. Und es sei jedem Marktteilnehmer, auch den Arbeitssuchenden, zumutbar, sich über die „üblichen“ Preise zu informieren. Dem kann man allerdings entgegenhalten, dass die Vorstellungen über das, was marktangemessen ist, wesentlich vom Lohnniveau und vom früheren Entgelt abhängen, und sich hier das niedrigere Durchschnittsentgelt der Frauen auswirkt. Ferner könnte gegen die Auffassung des OGH eingewendet werden, dass sich Marktpreise grds nur aus der Entwicklung der in den einzelnen Verträgen ausgehandelten Einzelpreisen ergeben (daher wird der Irrtum über den Marktpreis auch nicht als Geschäftsirrtum angesehen); dies gilt grds auch für den Arbeitsmarkt, soweit das Entgelt nicht durch kollektive Abreden vorherbestimmt ist. Man könne daher nicht die einzelnen „Bausteine“ der Marktpreise überprüfen. Gerade der eben dargelegte Zusammenhang spricht aber wohl gegen die Möglichkeit, ein aufgrund des Geschlechts geringeres Entgelt mit den geringeren Entgeltforderungen rechtfertigen zu können. Das Verbot einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim Entgelt kann bei individuell ausgehandelten Entgelten ja nur am einzelnen Vertrag ansetzen. Der AG zahlt oft für gleiche oder ähnliche Tätigkeiten unterschiedli- 128 ches Entgelt, weil zur Entgeltbemessung noch andere Kriterien wie Dienstalter bzw Vordienstzeiten, formale Ausbildung bzw Fortbildung oder Bereitschaft zu Flexibilität honoriert werden. Viele dieser 375 OGH 20.5.1998, 9 ObA 350/97d = DRdA 1999/38 mA Eichinger. 376 Smutny/Mayr 244; Körber-Risak Rz 114; Thüsing, RdA 2000, 574.
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zusätzlichen Kriterien können zu einer mittelbaren Benachteiligung aufgrund des Geschlechts führen, wenn und weil sie sich spezifisch zum Nachteil der Angehörigen eines Geschlechts – idR der Frauen – auswirken. Aus der Sicht der Geschlechtergleichbehandlung ist es problematisch, beim Entgelt auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit (Anciennität)377 und die Berufserfahrung abzustellen, weil Frauen aufgrund der Kinderbetreuung die Erwerbstätigkeit typischerweise viel häufiger unterbrechen als Männer (zur Elternkarenz siehe auch Rz 140 u 147). Der EuGH hielt diese Vorgangsweise aber grds für zulässig, weil eine längere Berufserfahrung typischerweise eine bessere Arbeitsleistung zur Folge habe.378 Diese Auffassung ist heute durchaus zweifelhaft.379 Auch aus der Sicht des § 3 (vgl auch § 19 Rz 73 f) kann die Abhängigkeit des Entgelts von der Vordienstzeit nur insoweit gerechtfertigt werden, als die zusätzliche Vordienstzeit tatsächlich eine relevante und für das Unternehmen nützliche zusätzliche Erfahrung bringt. Nach der E Cadman380 hat der AG jedoch nicht besonders darzulegen, dass der Rückgriff auf dieses Kriterium zur Erreichung des genannten Zieles in Bezug auf einen bestimmten Arbeitsplatz geeignet ist, es sei denn, der AN liefert Anhaltspunkte, die geeignet sind, ernstliche Zweifel in dieser Hinsicht aufkommen zu lassen.381 Damit obliegt es dem AN, im Einzelfall Gründe aufzuzeigen, warum das Dienstalter als Kriterium nicht zulässig sein sollte. Das Dienstalter ist jedoch kein gänzlich unverfängliches Kriterium (mehr). Der OGH hat in einer E zur Karenzanrechnung Fragen der Beförderung und der Arbeitsbedingungen behandelt, nicht des Entgelts, und dort eine Anrechnung verneint; er dürfte Fragen des Entgelts jedoch ähnlich sehen.382 Die Berücksichtigung von Flexibilität oder Mobilität durch ein höheres Entgelt (Grundgehalt, Zuschläge) kann – nur – gerechtfertigt sein, falls es um die Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Arbeitszeiten und Arbeitsorte geht, und der jeweils honorierte Umstand für die Ausführung der spezifischen Aufgaben des einzelnen AN wirklich von Be377 Zu deren Einordnung als mittelbare Benachteiligung nach dem Alter Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 20 GlBG Rz 15 ff mwN. 378 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 24. 379 IdS bereits EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz. 380 EuGH 3.10.2006, C-17/05, Cadman; vgl dazu auch Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 33 und Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 122. 381 EuGH Cadman Rz 40. 382 OGH 29.3.2012, 9 ObA 58/11m, EvBl 2012/117 (zustimmend Rebhahn).
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deutung ist;383 das Kriterium darf aber nicht die Arbeitsqualität erfassen und honorieren. Eine bestimmte Berufsausbildung darf honoriert werden, falls sie für die Ausführung der spezifischen Aufgaben dieses AN von Bedeutung ist.384 Ein gegenüber anderen – vergleichbaren – Berufsgruppen höherer Stundenlohn im Grundgehalt kann gerechtfertigt sein, wenn bei den Begünstigten die Arbeitszeit verkürzt ist, um ungünstige Arbeitszeiten (Schichtdienst) auszugleichen.385
VI. Bildung, Umschulung und Aufstieg Literatur: Rebhahn, JBl 1993, 681 ff; Hennersdorf, Aufstiegsdiskriminierung von Frauen durch Mitarbeiterbeurteilung, DUV 1998, 80; Mayr, Anrechnung des Karenzurlaubes bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen? ecolex 1998, 934; Mosler, Arbeitsrechtliche Probleme der Teilzeitbeschäftigung, DRdA 1999, 338; Eichinger, Grundsatz der Gleichbehandlung, in Oetker/Preis (Hrsg) EAS B 4200 (Stand 1999) Rz 119 ff; Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz 254 ff; Traupe, Mittelbare Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Betriebsratsmitglieder (2002); Radlingmayr, Nichtanrechnung der Karenzzeit bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen widerspricht Gemeinschaftsrecht, ecolex 2008, 345; Mazal, Dienstalter, Elternkarenz und geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung, ecolex 2011, 250; Gerhartl, Förderung durch positive Diskriminierung, ecolex 2018, 355; Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018); Sagmeister, Elternschutzrechte im Lichte von Gleichheit und Autonomie (2019); Körber-Risak, Die Gleichbehandlungspflichten im Arbeitsrecht, in Gruber-Risak/Mazal (Hrsg), Das Arbeitsrecht (37. Lfg 2021) Rz 120.
1. Weiterbildung, Ausbildung, Umschulung (§ 3 Z 4) Der berufliche Aufstieg und der Zugang zur Berufsbildung werden in 129 der RL 2006/54/EG in Art 1 lit a gesondert genannt; dies unterstreicht die Bedeutung für die Gleichbehandlung. Der Zugang zur Berufsbildung ist sowohl für den Aufstieg wie für das Behalten des Arbeitsplatzes relevant. § 3 enthält nur ein Diskriminierungsverbot. Die Förderung von Angehörigen eines Geschlechts, das in einem bestimmten Bereich unterrepräsentiert ist, geht darüber hinaus. Solche Fördermaßnahmen sind nur nach Maßgabe des § 8 zulässig. Ein Zurückdrängen von Diskriminierungen bei Aufstieg und Schulungsmaßnahmen könnte aufgrund der Auswirkungen in der Folge vielleicht das Bedürfnis 383 EuGH Danfoss Rz 18–25. 384 EuGH Danfoss Rz 23. 385 EuGH 30.3.2000, C-236/98, JämO, Rz 61 f.
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nach Vorrangregeln, Quotenregeln und anderen „positiven“ Maßnahmen deutlich verringern. 130 Die Ausbildung ist ein zentraler Faktor bei den Anforderungen an die AN für einen Arbeitsplatz und damit auch für die Höhe des Entgelts. Seit dem vorletzten Jahrzehnt sind Frauen jedenfalls bei der Ausbildung in Schulen und Hochschulen nicht mehr unterrepräsentiert; an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Wien stellten sie 2016/17 etwa 58% der Diplomstudierenden.386 Relevant sind aber auch Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung nach Eintritt in das Berufsleben. Die Teilnahme daran ist oft ein wichtiges Kriterium für das Bewältigen der Anforderungen am Arbeitsplatz, aber auch für den beruflichen Aufstieg oder die Auswahl bei Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen. In manchen Staaten ist der AG daher verpflichtet, sich um die Weiterbildung zu kümmern (so etwa in Frankreich); in Österreich gibt es keine solche Pflicht. Bedeutsam ist dann zumindest die Frage, wen der AG für die Teilnahme an Weiter- oder Ausbildung auswählt oder zulässt: Anzustreben ist eine faire Auswahl. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz schränkt den AG hier kaum bis nicht ein. 131 Die Entscheidungen des AG über die Auswahl zur Teilnahme an Maßnahmen der Weiterbildung, Ausbildung oder Umschulung (im Folgenden: Schulungsmaßnahmen) unterliegen der Kontrolle nach § 3. Die Begriffe der Weiterbildung, Ausbildung und Umschulung sind dem Zweck der RL entsprechend weit zu verstehen. Der Tatbestand umfasst alle Maßnahmen des Unternehmens, die dazu dienen, zusätzliche Kenntnisse oder Fertigkeiten zu vermitteln. Der im alten § 2 GlBG enthaltene Zusatz „auf betrieblicher Ebene“ ist ersatzlos entfallen. Entscheidend ist somit allein der nach § 3 erforderliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Dieser liegt jedenfalls vor, wenn der AG die Maßnahme organisiert, aber auch wenn er die Teilnahme an einer externen Veranstaltung (zB WIFI, VHS) ganz oder teilweise finanziert. Da der AG auch bei der Weiter- und Ausbildung Kosten minimieren will, wird er jene AN auswählen, bei denen eher wahrscheinlich ist, dass das Unternehmen die erworbenen Kenntnisse länger nutzen kann. Diese Erwägung kann jüngere Frauen benachteiligen, wenn der AG mit Unterbrechungen wegen Mutterschaft rechnet. Entsprechend dem Gesetzeszweck werden auch unbezahlte Freistellungen zum Zweck der Aus- oder Weiterbildung unter § 3 fallen, wenn der AG also nur Gele386 Bericht „Gender im Fokus, Frauen und Männer an der Universität Wien“, 2018.
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genheit zur Schulung gibt. Bei Diskriminierung hat die benachteiligte Person insb die Leistungsklage auf Erfüllung, dh auf Teilnahme entsprechend den begünstigten AN gewährten Bedingungen (volle Bezahlung/nur Entgeltfortzahlung/Freistellung ohne Entgeltfortzahlung), oder auf Ersatz des Vermögensschadens (§ 12 Abs 4). Hat die Benachteiligung bei der Schulungsmaßnahme zu Einbußen beim Aufstieg geführt, so muss der AN es sich als (starkes) Mitverschulden anrechnen lassen, dass er nicht den Erfüllungsanspruch geltend gemacht hat. Auch dann bereitet die Begrenzung des Ersatzanspruches durch Kausalität und Schutzzweck aber noch Probleme. Gibt es im Unternehmen ausformulierte Regelungen über die Zulas- 132 sung (Auswahl) zu Schulungsmaßnahmen, so kann die Prüfung daran ansetzen. Eine unmittelbare Diskriminierung wird heute kaum vorkommen; sie läge vor, wenn jüngere oder ältere Frauen von bestimmten (zB teuren) Kursen ausgeschlossen wären. Weit eher kommt eine vermutete Benachteiligung in Betracht. Kommen für Schulungsmaßnahmen nur AN in Betracht, welche bis zur voraussichtlichen Pensionierung noch mindestens x Jahre vor sich haben, so könnte darin eine vermutete Benachteiligung liegen, weil die Schulung von Frauen damit derzeit um 5 Jahre früher aufhört. Allerdings wird eine Benachteiligung in Bezug auf § 3 durch das Anknüpfen an den Unterschied beim Antrittsalter der ASVG-Alterspension gerechtfertigt werden können (zur Lage in Bezug auf die Altersdiskriminierung vgl § 20 Rz 80 ff). Schwieriger fällt die Beurteilung, wenn es keine ausformulierten Rege- 133 lungen zu Schulungsmaßnahmen gibt, sondern nur Verhaltensmuster oder Einzelmaßnahmen. Wird die Teilnahme verwehrt, so kann darin eine unmittelbare Diskriminierung liegen, allerdings nur wenn ausreichende Indizien dafür vorliegen. Ein starkes Indiz wird sein, wenn Angehörige des einen Geschlechtes bei Schulungsmaßnahmen unter vergleichbaren AN quantitativ wesentlich unterrepräsentiert sind.387 Der Vergleichsrahmen wird durch AN mit vergleichbarer Arbeit und Schulungsmaßnahmen derselben Qualitätsstufe abgesteckt und darf nicht zu eng gezogen werden. Dem kommt die Verflachung der unternehmensinternen Hierarchien entgegen. In einer stark formalen Hierarchie gilt hingegen: Kommen für den Aufstieg zum Abteilungsleiter neben Unterabteilungsleitern auch Referenten in Betracht, so erstreckt sich der Vergleichsrahmen auch auf Referenten. Erklärt der AG den Unter387 Ähnlich Körber-Risak Rz 121.
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schied bei der Zulassung mit einem neutralen Kriterium, so wäre eine mittelbare Diskriminierung in Betracht zu ziehen. Dafür gelten grds die allg Regeln, insb in Bezug auf die Kriterien Dienstalter, kontinuierliche Beschäftigung, Fortbildung und Flexibilität: Die Verwendung dieser Kriterien ist auch hier nur zulässig, falls und soweit die jeweilige Anforderung für die konkrete Tätigkeit (nach der Ausbildung) wirklich erforderlich ist (§ 5 Rz 40, 59 f). Eine Auswahl anhand der genannten personenbezogenen Anforderungen kommt daher umso eher in Betracht, je spezieller die Schulung ist. Bei allg Kursen wird eine Auswahl anhand der genannten Kriterien (zB Mobilität) daher häufig unzulässig sein. Stellt man wie hier auf die Einbeziehung in die Summe der Schulungsmaßnahmen ab, dann kann aus der Nichtzulassung zu einer bestimmten Maßnahme nicht auf eine Diskriminierung geschlossen werden. Fraglich ist, ob eine vermutete Benachteiligung bei Schulungsmaßnahmen auch vorliegt, wenn der Anteil der Angehörigen eines Geschlechtes an Schulungsmaßnahmen durchaus deren Anteil an der Gesamtheit jener AN entspricht, die für eine bestimmte Schulungsmaßnahme in Betracht kommen, aber schon der Anteil an dieser Grundgesamtheit deutlich geringer ist. Man wird dies verneinen müssen, weil der Ausgangspunkt die Einstellung bzw Beförderung in die Grundgesamtheit ist; eine Förderung der Angehörigen des unterrepräsentierten Geschlechtes bei den Schulungsmaßnahmen darüber hinaus stellt eine Fördermaßnahme iSd § 8 dar, die das Unionsrecht zwar erlaubt (§ 8 Rz 23), die aber weder das Unionsrecht noch das GlBG gebieten. 134 Eine vermutete Benachteiligung liegt nach wohl hM vor, wenn Teilzeitbeschäftigte bei Schulungsmaßnahmen benachteiligt werden, wenn und weil Teilzeitbeschäftigte überwiegend Frauen sind. Zur Frage, inwieweit für das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung auf die Umstände im konkreten Unternehmen abzustellen ist, vgl § 5 Rz 33 ff, 41, 43 ff. Besteht die Benachteiligung bei der Auswahl für die Schulungsmaßnahme, so ist eine Rechtfertigung wohl kaum möglich, außer die Maßnahme ist für eine bestimmte Stelle ausgerichtet, die – ohne Diskriminierung – nur in Vollbeschäftigung ausgeübt werden soll. Erfolgt die Schulungsmaßnahme bei Vollzeitbeschäftigten zur Gänze in der Arbeitszeit, so ist fraglich, ob der AG dies auch Teilzeitbeschäftigten ermöglichen muss. Der EuGH hat dies in Bezug auf die Betriebsratsmitglieder in Deutschland bejaht.388 Müssen Teilzeitbeschäftigte für 388 EuGH 6.2.1996, C-457/93, Lewark, Rz 21–28.
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eine betriebliche Schulungsmaßnahme mehr Freizeit aufwenden als Vollzeitbeschäftigte, so wäre ihr Stundenlohn geringer. Folgt man dem auch für andere AN, so müsste der AG entweder Zeitausgleich gewähren oder „Mehrarbeit“ bezahlen, falls die Schulung die vorgesehene Arbeitszeit überschreitet. Eine Alternative wäre die These, dass der AG den Teilzeitbeschäftigten nur jenen Prozentsatz der bezahlten Arbeitszeit als Schulungsmaßnahme finanzieren muss, den er auch Vollzeitbeschäftigten finanziert (und damit bei Halbzeitbeschäftigung zB nur die Hälfte der Schulungsmaßnahmen). Dies kann zwar zu einer Verminderung der Chancen der Teilzeitbeschäftigten führen, allerdings hat diese Verminderung ihre Ursache im unterschiedlichen Ausmaß der Arbeitspflichten; die Lage der Voll- und Teilzeitbeschäftigten ist insoweit ebenso wenig vergleichbar wie beim Entgelt (die E des EuGH ist daher uE unabhängig davon zweifelhaft, ob es sich um Betriebsräte handelt). Müssen AN, falls sie das Arbeitsverhältnis nach Schulung vor Ablauf eines bestimmten Zeitraumes beenden, die vom AG bezahlten Schulungskosten teilweise zurückzahlen, so dürfen die maßgeblichen Zeiträume für Teilzeitbeschäftigte wohl nicht länger sein, obwohl sich die Investition des AG bei Teilzeitbeschäftigten erst später amortisiert. In den unterschiedlichen Fristen liegt eine vermutete Benachteiligung, und der Wunsch des AG nach „gleicher Amortisation“ ist kein dringendes betriebliches Bedürfnis, schon weil das geringere Beschäftigungsausmaß ebenso oft ein Wunsch des AG wie der AN ist. Eine vermutete Benachteiligung wegen der Schwangerschaft könnte in 135 folgenden Fällen vorliegen: Für eine Weiterbildung kommen nur „aktive“ AN in Betracht, weil dies va Frauen in der Mutterschaftskarenz trifft und ausschließt. Eine Diskriminierung liegt nach dem EuGH etwa dann vor, wenn einer Beschäftigten eine für den beruflichen Aufstieg unbedingt notwendige Schulung verweigert wird, wenn dies auf Grund der Inanspruchnahme eines Mutterschaftsurlaubs geschieht.389 AN müssen zu Beginn ihrer Karriere an einer aufwendigen Grundausbildung teilnehmen und deren Kosten partiell zurückzahlen, wenn sie das Unternehmen bald verlassen – auch diese Rückzahlungspflicht wird bei jungen Frauen häufiger zum Tragen kommen als bei jungen Männern. In beiden Fällen kann das Unternehmen allerdings eine Ausgestaltung finden, welche wohl schon die vermutete Benachteiligung vermeidet. Für den ersten Fall ist aufgrund der E Napoli fraglich, ob es 389 EuGH 6.3.2014, C-595/12, Napoli.
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ausreichend wäre, vorzusorgen, dass die Weiterbildung am Ende der Beurlaubung (sofern die Mutter den Willen zur Weiterarbeit erklärt hat), spätestens nach Wiederbeginn der Arbeit nachgeholt werden kann.390 Im zweiten Fall wären die Karenzzeiten als gleichsam neutrale Zeiten bei der Frage, ob die AN die erforderliche Zeit weiter gearbeitet hat, auszublenden. Wählt das Unternehmen hingegen die ursprünglich genannte Ausgestaltung (Rückzahlungspflicht ohne Berücksichtigung neutraler Zeiten), so liegt wohl eine mittelbare Diskriminierung vor.
2. Beruflicher Aufstieg (§ 3 Z 5) 136 Z 5 nennt neben dem beruflichen Aufstieg auch die Beförderung; sie ist aber nur ein Unterfall des Aufstieges, eine genaue Abgrenzung ist nicht erforderlich.391 Hingegen ist eine genaue Abgrenzung zu anderen Tatbeständen, insb zu Z 6 („sonstige Arbeitsbedingungen“), erforderlich, weil die Rechtsfolgen differieren. Wurde der Aufstieg aufgrund des Geschlechtes und damit diskriminierend verwehrt, so gibt § 12 Abs 5 – so wie bei der Einstellung – nämlich keinen Anspruch auf die bessere Position (kein Kontrahierungszwang), sondern nur einen Ersatzanspruch. Bei Z 5 ist überdies der Ersatzanspruch in manchen Fällen betragsmäßig begrenzt (vgl Rz 2 und § 12 Rz 48), während für Z 6 ein Erfüllungsanspruch besteht und der Ersatzanspruch unbegrenzt ist; die Zuordnung zu Z 6 wäre für die AN also günstiger. Die Beschränkung der Rechtsfolgen ist mit der RL 2006/54/EG wohl vereinbar. Der Entschädigungsanspruch besteht auch, wenn der AG von der Beförderungsmaßnahme nach Aufdeckung der Diskriminierung überhaupt Abstand nimmt.392 Die Abgrenzung von Z 5 und Z 1 ist unproblematisch. Z 1 greift nur bei der erstmaligen Begründung des Arbeitsverhältnisses ein; jede Änderung des Vertrages im aufrechten Arbeitsverhältnis fällt unter Z 5. Dies gilt wohl auch bei Veränderungen zwischen Konzernunternehmen. 137 Das Verbot der Diskriminierung bei Aufstieg und Beförderung gilt auch, wenn der AG keine Ausschreibung durchgeführt hat, und grds auch unabhängig von einer Bewerbung. Hat der AG eine Stelle ausgeschrieben, so wird das Unterlassen der Bewerbung idR eine Diskrimi390 Dies wird insbesondere dann nicht ausreichen, wenn der nächste Termin dieser Weiterbildung ungewiss ist, vgl EuGH Napoli Rz 32 f. 391 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 97 u 103. 392 Zustimend Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 119.
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nierung ausschließen, weil Bewerber und Nichtbewerber sich nicht mehr in einer vergleichbaren Lage befinden; allerdings kann die Diskriminierung bereits in den Rahmenbedingungen liegen, die von der Bewerbung abgehalten haben. Der Ausschluss des Erfüllungsanspruches wird nicht gelten, wenn sich aus einer anderen Grundlage (zB KollV) ein Anspruch auf Beförderung ergibt, und dieser Anspruch im Einzelfall diskriminierend nicht erfüllt oder durch eine diskriminierende Auswahlentscheidung vereitelt wurde. In diesem Fall muss die AN den zugrunde liegenden Anspruch durchsetzen (oder vollen Ersatz erlangen) können, weil der AG seine Möglichkeiten über den Aufstieg zu disponieren schon durch die generelle Regelung weitgehend aus der Hand gegeben hat. Aus dem Diskriminierungsverbot selbst wurde in Deutschland überdies ein Anspruch auf Beförderung abgeleitet, wenn der AG jemand befördern will, aber niemand anderen befördern kann, ohne gleichzeitig zu diskriminieren.393 Soweit ersichtlich wurde dies in Österreich noch nicht aufgegriffen. Zum „beruflichen Aufstieg“ zählt jede – angestrebte – Veränderung des 138 Tätigkeits- oder Verantwortungsbereiches (Versetzung, Beförderung), die eine Verbesserung für jene Person mit sich bringt, die sie anstrebt. Verschlechternde Veränderungen (zB verschlechternde Versetzung) fallen hingegen nicht unter Z 6,394 weil man dann nicht von Aufstieg sprechen kann, und auch weil die Rechtsfolgen unpassend sind. Diskriminierungen bei verschlechternden Veränderungen fallen vielmehr unter Z 6 (mit der Folge, dass sie rückgängig zu machen sind). Bei den verbessernden Veränderungen ist insb an Verbesserungen im Arbeitsinhalt, in der Struktur oder Hierarchie, bei den Arbeitsbedingungen, aber auch beim Arbeitsort zu denken, wenn damit bessere Chancen verbunden sind. Letztlich kommt es für die Wertigkeit der einzelnen Arbeitsplätze wesentlich auf die Gebräuche im Unternehmen und in der Branche an. Fraglich ist, ob schon die (Nicht)Zuweisung von Aufgaben, die typischerweise die Karriere fördern, unter Z 5 fällt. Hier fällt die Abgrenzung von Z 6 besonders schwer.395 Die Abgrenzung wird wohl danach zu ziehen sein, ob es sich um eine im Unternehmen deutlich 393 Müller-Glöge in Müko4 BGB § 611a Rz 57; offenbar aA nunmehr Thüsing in Müko AGG § 15 Rz 42. 394 AA Smutny/Mayr 207 zum alten GlBG sowie Körber-Risak Rz 124; die Frage offen lassend Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 110. 395 Gegen eine Einordnung unter Z 6 Körber-Risak Rz 124 ff; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 106.
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umschriebene und als gesondert angesehene Stelle handelt – dann ist Z 5 einschlägig – oder nicht (dann Z 6). Gibt es etwa in einer Abteilung mehrere Referentenstellen, die an sich gleich eingestuft sind, und werden die interessanteren und karrierefördernden Aufgaben erkennbar nach dem Geschlecht zugewiesen, so ist Z 6 anzuwenden. Der AN hat hier einen Erfüllungsanspruch; das GlBG will den Erfüllungsanspruch nämlich erkennbar nur dann verwehren, wenn es um die Auswahl für eine bestimmte „bessere“ Stelle geht. Die Einreihung in eine höhere Entlohnungsgruppe trotz gleicher Tätigkeit fällt dann, wenn die Einreihung von einer bestimmten Dienstzeit („Bewährung“) abhängt, nicht unter Entgelt iSd Z 2, sondern unter die RL 2006/54/EG und ist laut EuGH eine Frage des beruflichen Aufstiegs.396 Auch die Einreihung in eine höhere Entlohnungsgruppe bei gleicher Tätigkeit zählt dann nicht zu den Entgeltfragen.397 Den Fall einer gleichsam automatischen Höherreihung im einschlägigen Entlohngsschema nach Zurücklegung der Bewährungszeit hat der EuGH demgegeüber nach dem Grundsatz der Lohngleichheit beurteilt, vgl auch Rz 95.398 Die Zuordnung zur Frage des Aufstiegs durch den EuGH muss aber für die Einordnung in § 3 nicht bindend sein. UE ist die Zuordnung zu den Arbeitsbedingungen nach Z 6 vorzuziehen; diese Zuordnung führt im GlBG nämlich eindeutiger zu der vom EuGH offenkundig unterstellten Rechtsfolge, nämlich der besseren Einstufung. 139 Der EuGH hat – im Zusammenhang mit einer Vorrangregel (§ 8 Rz 19) – gemeint, dass Frauen und Männer bei gleicher Qualifikation in der Arbeitswelt noch nicht notwendig auch gleiche Chancen haben; „dies hängt va mit einer Reihe von Vorurteilen und stereotypen Vorstellungen über die Rolle und die Fähigkeiten der Frau im Erwerbsleben“ zusammen.399 Das Diskriminierungsverbot kann aber diese Benachteiligung zum Teil zurückdrängen, indem es manchen Ansatzpunkt der stereotypen Vorstellungen zurückdrängt. In Bezug auf viele Fragen gilt zur Diskriminierung beim Aufstieg dasselbe oder doch ganz Ähnliches wie bei der Einstellung (vgl Rz 60 ff), insb zum Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung, zur (nicht möglichen) Rechtfertigung einer Benachteiligung mit Wünschen der Geschäftspartner (Rz 83), zu Test396 EuGH 18.11.2004, C-284/02, Sass, Rz 30 f; 2.10.1997, C-1/95, Gerster. 397 AA Smutny/Mayr 206. 398 EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 112. 399 EuGH 11.11.1997, C-409/95, Marschall, Rz 29 f.
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verfahren, die vor Entscheidungen über einen Aufstieg eingesetzt werden, zur Benachteiligung auf Grund einer bevorstehenden oder möglichen Schwangerschaft (Rz 67). Wird eine Beförderung nach Bewerbung aus dem Mutterschaftskarenzurlaub heraus abgelehnt, weil die ANin derzeit nicht aktiv tätig ist, so liegt wohl nur eine vermutete Benachteiligung vor (und nicht eine unmittelbare Diskriminierung). Sie kann aber gerechtfertigt werden, falls die offene Stelle vor Ende des Karenzurlaubes tatsächlich besetzt sein muss. Eine unzulässige Diskriminierung liegt auch vor, wenn der AG eine berufliche Beurteilung auf Grund schwangerschaftsbedingter Fehlzeiten verweigert, und diese Beurteilung Voraussetzung für den beruflichen Aufstieg ist.400 Fraglich ist, inwieweit eine Aufstiegsentscheidung nach der Dauer der 140 Vordienstzeit getroffen werden darf. Dieses Kriterium benachteiligt oft Frauen, weil sie wegen der Schwangerschaft die Beschäftigung unterbrechen oder auch den AG wechseln. Man muss hier zwischen dem Mutterschaftsurlaub und anderen Unterbrechungen unterscheiden.401 In Bezug auf den Mutterschaftsurlaub ist der EuGH sehr streng: „Jede Arbeitnehmerin ist in ihrem Arbeitsverhältnis vor jeder Benachteiligung geschützt, die auf der Tatsache beruht, dass sie im Mutterschaftsurlaub ist oder war. Eine Frau, die aufgrund ihrer durch den Mutterschaftsurlaub bedingten Abwesenheit benachteiligt wird, wird nämlich wegen ihrer Schwangerschaft und wegen dieses Urlaubs diskriminiert. Ein solches Verhalten stellt aber eine unmittelbar auf dem Geschlecht beruhende Diskriminierung im Sinne der RL 76/207 dar.“402 Zeiten des Mutterschaftsurlaubes sind daher wie aktive Dienstzeiten zu bewerten, soweit es um Vorteile aufgrund einer längeren Vordienstzeit geht. Auch darf der Beschäftigungsbeginn einer im Mutterschaftsurlaub eingestellten AN nicht auf das Ende des Mutterschaftsurlaubs verlegt werden.403 Allerdings können und werden diese strengen Regeln nicht für jede durch die Schwangerschaft veranlasste Unterbrechung gelten. Der EuGH hat den Sachverhalt, für den die strenge Regel gilt, wie folgt und damit sehr eng umschrieben: ein „vom nationalen Recht zum Schutz 400 EuGH 30.4.1998, C-136/95, Thibault, Rz 29 ff. 401 Zur Unterscheidung von Mutterschaftsurlaub und Elternurlaub vgl Sagmeister, Elternschutzrechte 47 ff; ebenso EuGH 19.9.2013, C-5/12, Montull. 402 EuGH 18.11.2004, C-284/02, Sass, Rz 35 f; ferner 13.2.1996, C-342/93, Gillespie, Rz 22; E Thibault, Rz 29, 32; 30.3.2004, C-147/02, Alabaster, Rz 47; vgl auch Art 2 Abs 2 lit c RL 2006/54/EG. 403 EuGH 16.2.2006, C-294/04, Herrero.
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der körperlichen Verfassung der Frau und der besonderen Beziehungen zu ihrem Kind in der Zeit nach der Schwangerschaft und der Entbindung vorgesehener Mutterschaftsurlaub“.404 Die Zeit des Schutzes wegen der „besonderen Beziehungen“ kann nun wohl längere Zeit dauern, aber uE kaum über Jahre hinweg. In der Vorauflage wurde noch vertreten, für Österreich dürfte der Karenzurlaub einer Frau iSd § 15 MSchG zur Gänze unter „Mutterschaftsurlaub“ fallen, womit der Mutterschaftsurlaub bei Beförderung weiter zu verstehen wäre als in anderen Fragen (vgl dazu im Detail Rz 147). Dies kann wohl vor dem Hintergrund der OGH-Rsp, welche den Karenzurlaub zur Gänze und auch für Fragen der Beförderung als Elternurlaub geprüft hat, nicht aufrechterhalten werden.405 Die aufgeschobene Karenz nach § 15b MSchG (oder längere mehrjährige Fristen aufgrund eines KollV oder eine Reduktion der Arbeitszeit nach dem Abschnitt 6 des MSchG) fallen ebenso nicht unter „Mutterschaftsurlaub“ im Sinne dieser Judikatur des EuGH. Auch die Elternurlaubs-RL 2010/18/EU und ihre Nachfolgerin, die Work-Life-Balance-RL 2019/1158/EU verlangen wohl keine Gleichstellung dieses Urlaubes mit Arbeitszeit (vgl Rz 147).406 Daher besteht auch keine Pflicht, die Karenz eines Vaters mit Arbeitszeit gleichzustellen, weil der besondere Schutz an die eigene Schwangerschaft anknüpft. 141 Im Übrigen – also soweit es nicht um den Mutterschaftsurlaub geht – ist die Beurteilung der Abhängigkeit eines beruflichen Aufstiegs von Vordienstzeiten großzügiger. Darin liegt meist eine vermutete Benachteiligung von Frauen, wenn sie die Arbeit zur Betreuung der Kinder unterbrochen haben.407 Der EuGH hat das Anknüpfen an die Vordienstzeit vor einiger Zeit großzügig beurteilt.408 Es ist fraglich, ob diese Beurteilung heute noch maßgeblich sein kann, wenngleich sie zumindest hinsichtlich Vordienstzeiten bei der Entgeltbemessung in der Entscheidung Cadman mit einigen Modifikationen übernommen wurde (Rz 128). UE kann sie weiterhin nicht einfach vom Entgelt auf Fragen des Aufstiegs übertragen werden. Der EuGH hat vor allem zum Aufstieg von Teilzeitbeschäftigten (Rz 142) deutlich gemacht, dass geringere Vordienstzeiten nur dann nachteilig gewertet werden dürfen, 404 EuGH Sass, Rz 48; vgl auch Dorninger/Gleißner, ecolex 2011, 733. 405 OGH 29.3.2012, 9 ObA 58/11m, EvBl 2012/117 (zustimmend Rebhahn). 406 Gruber-Risak in Franzen/Gallner/Oetker, RL 2010/18/EU § 5 Rz 9. 407 EuGH 21.10.1999, C-333/97, Lewen. 408 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 24.
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wenn darin wirklich ein Weniger an relevanter Erfahrung zum Ausdruck kommt.409 Eine höhere Vordienstzeit kann eine Auswahl daher nur rechtfertigen, falls sie zu einer größeren Erfahrung führt und diese größere Erfahrung für die neue Stelle auch konkret erforderlich (nicht bloß: allg nützlich) ist.410 Häufig lassen sich aber nach einigen Jahren der Stock an Kenntnissen und Fähigkeiten nicht mehr steigern, auch weil vor Jahren erworbene Erfahrungen an Wert verlieren; und in vielen Fällen spielen geringe Unterschiede in den Vordienstzeiten (22 oder 20 Jahre) in Bezug auf den Erfahrungsstock überhaupt keine Rolle. Die Entscheidung muss bei gleichem Ausmaß an Erfahrung, die berücksichtigt werden kann, dann anhand anderer Kriterien getroffen werden. Anderes könnte man aus der E des OGH zum Senioritätsdatum bei Flugbegleitern entnehmen, in der es (unter anderem) auch um den beruflichen Aufstieg ging.411 Fraglich ist auch, ob eine Unternehmensorganisation, nach der bestimmte Arbeitsplätze in Bezug auf die Aufstiegschancen „Sackgassen“ sind, diskriminiert, wenn die betreffenden Arbeitsplätze überwiegend von Frauen/Männern besetzt sind. Konkret ging es um eine Frau, die in jungen Jahren Vorstandssekretärin wurde; sie wollte von dort aus an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, die für Sekretärinnen nicht vorgesehen waren (ob sie eine andere Laufbahn vorbereiten wollte, ist offen, das geplante Seminar war dazu jedenfalls kaum geeignet). Der OGH hat (noch zum GlBG 1979) in der Verweigerung der Teilnahme keine Diskriminierung gesehen;412 dies ist treffend, weil der AG nicht verpflichtet ist, einen weiteren Aufstieg in einem anderen Bereich durch besondere Maßnahmen zu fördern. Es besteht insofern eine Trennlinie zwischen der Weiterentwicklung innerhalb des bisherigen Tätigkeitsbereiches und dem Wechsel in einen inhaltlich verschiedenen Tätigkeitsbereich, wenngleich diese Rsp zum aktuellen GlBG noch nicht bestätigt wurde.413 Schwierige Fragen werfen Teilzeitbeschäftigte auf. Sieht der AG vor, 142 dass höhere (leitende) Stellen nur Vollzeitstellen sind, während es sonst viele Teilzeitbeschäftigte gibt, so kann – bei entsprechender Verteilung auf die Geschlechter – darin eine vermutete Benachteiligung liegen, die 409 EuGH 2.10.1997, C-1/95, Gerster; 2.10.1997, C-100/95, Kording. 410 Rebhahn, JBl 1993, 681; Smutny/Mayr 218. 411 OGH 29.3.2012, 9 ObA 58/11m. 412 OGH 30.6.1994, 8 ObA 271/94, ZAS 1996/1 mA Trost. 413 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 107.
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zur Entstehung der sog „gläsernen Decke“ führt.414 Sie kann gerechtfertigt sein, falls die höheren Stellen eine Vollzeitbeschäftigung wirklich erfordern. Kommt es für den Aufstieg auf Vordienstzeiten an, so dürfen Zeiten der Teilbeschäftigung – so wie auch in Entgeltfragen (Rz 126) – idR nicht schlechter gewertet werden als Zeiten der Vollbeschäftigung; der EuGH ist hier sehr restriktiv.415 Anders ist es nur, falls Teilzeitbeschäftigte in der Regel Eignung und Fähigkeiten für ihre Tätigkeiten weniger schnell erwerben als Vollzeitbeschäftigte und der AG nachweist, dass das Abstellen auf das Ausmaß der Erfahrung für ein berechtigtes Unternehmensziel erforderlich ist.416 Der AG wird (daher) eine geringere Erfahrung zulasten von Teilzeitbeschäftigten berücksichtigen dürfen, wenn ein bestimmtes Ausmaß an Erfahrung tatsächlich erforderlich ist (zB eine bestimmte Anzahl an Operationen oder bearbeiteten Fällen). Kommt es hingegen, wie bei der E Kording, eher darauf an, dass über einen längeren Zeitraum hinweg kontinuierlich zumindest halbtags gearbeitet wird, muss Halbtagsarbeit gleich zählen.
VII. Sonstige Arbeitsbedingungen Literatur: Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz 267 ff; Mayr, Anrechnung des Karenzurlaubes bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen? ecolex 1998, 934; M. Binder, Mobbing aus arbeitsrechtlicher Sicht (1999); Bei, Art 6 Gleichbehandlungsrichtlinie – effektiver Rechtsschutz wegen Folgediskriminierung, DRdA 1999, 159; Klein-Jahns, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, in Oetker/ Preis (Hrsg), EAS B 5100; Aubauer/Kaszanits, Keine mittelbare Diskriminierung durch Nichtanrechnung der Elternkarenz bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen, AsoK 2004, 250; Radlingmayr, Nichtanrechnung der Karenzzeit bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen widerspricht Gemeinschaftsrecht, ecolex 2008, 345; Dorninger/Gleißner, Keine Diskriminierung durch nur teilweise Anrechnung von Elternkarenzzeiten, ecolex 2011, 733; Sagmeister, Elternschutzrechte im Lichte von Gleichheit und Autonomie (2019).
1. Allgemeines 143 Z 6 ist ein Auffangtatbestand im Rahmen des § 3. Er erfasst alle Fragen, die unter § 3 fallen, aber keiner anderen Ziffer zuzuordnen sind. „Arbeitsbedingung“ ist hier jede Frage, die im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis steht. „Sonstige Arbeitsbedingungen“ in § 3 ist etwas enger als der gleichlautende Begriff in Art 1 lit b RL 2006/54/EG, weil 414 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 3 GlBG Rz 28. 415 EuGH 2.10.1997, C-1/95, Gerster; 2.10.1997, C-100/95, Kording. 416 EuGH Gerster Rz 40 – dort zu Beamten.
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nur § 3, nicht aber die RL die Beendigung gesondert nennt. Der EuGH versteht unter „Arbeitsbedingungen“ nicht nur vertragliche Vereinbarungen, sondern alle mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Um stände:417 Würde man den Begriff auf die Arbeitsbedingungen beschränken, die im Arbeitsvertrag enthalten sind oder vom AG im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses angewendet werden, so würden Situationen, die unmittelbar auf dem Arbeitsverhältnis beruhen, dem Anwendungsbereich der RL entzogen. Entsprechend weit ist auch Z 6 zu verstehen. Z 6 erfasst viele Probleme, die auch unter dem Aspekt der Diskriminierung wichtig sind, auch wenn die Zahl der Rechtsstreitigkeiten dazu bisher eher gering war. Unter Z 6 fallen insb folgende Fragen: Die sachliche Ausgestaltung des Arbeitsplatzes, also zB Ausstattung mit Geräten, Sicherheit, Licht- und Luftverhältnisse; die Rahmenbedingungen der Arbeit, wie Lärm oder Schmutz; konkrete Arbeitsaufgaben, insb wenn sie aus dem Rahmen der üblichen Tätigkeiten vergleichbarer AN fallen (zB Botendienste bei Sachbearbeitern); Einteilung der Arbeitszeit (zB Früh- oder Spätschicht); Einteilung des Arbeitsortes (zB Zuweisung zu einer von mehreren Filialen); Einteilung des Erholungsurlaubes sowie Gewährung von Sonderurlauben, auf die kein Anspruch besteht (zB Bildung für private Zwecke, aber auch zum kurzen Einkaufen); Intensität der Überwachung und Kontrolle sowie Tolerieren von Verletzungen der Arbeitspflichten (zB Zuspätkommen); (Folgen bei) Einhalten oder Ignorieren der in diesem Arbeitsumfeld üblichen Formen höflicher Kommunikation; Zustimmung des AG zum Vorhaben des Wechsels von Vollzeit- zu Teilzeitbeschäftigung oder umgekehrt; Beurteilung der Leistungen oder des Aussehens, insb von anderen AN; Einbindung in die interne Kommunikation (hier kann auch Z 5 relevant sein); Zuweisung von Arbeit nach Ende eines Sonderurlaubes (zB Mutterschaftskarenz). Anders formuliert geht es va um die Ausübung des Weisungsrechts, insb um Versetzungen. Zählte man Aufwandsentschädigungen nicht zum Entgelt, dann fielen sie unter Z 6. Eine unmittelbare Diskriminierung kann auch bei Einzelmaßnahmen vorliegen, etwa wenn der AG eine AN weit strenger kontrolliert. Glaubhaft wird eine unmittelbare Diskriminierung, außer bei entsprechenden Äußerungen des AG, nur sein, falls die Vergleichspersonen zumindest ganz überwiegend dem anderen Geschlecht angehören. Nach dem EuGH fallen unter „sonstige Arbeitsbedingungen“ auch Geldleistungen an AN mit Unterhaltspflichten, wenn und weil sie 417 EuGH 13.7.1995, C-116/94, Meyers.
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AN mit Kindern zur Arbeitsaufnahme motivieren sollen,418 in einer rezenteren Entscheidung zu einer Kinderzulage hat er demgegenüber Art 157 AEUV herangezogen.419 Das Nichtanbieten eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses im Anschluss an ein befristetes Arbeitsverhältnis fällt nicht unter den Tatbestand der „sonstigen Arbeitsbedingungen“, sondern je nach Fallgestaltung unter Beendigung oder Begründung des Arbeitsverhältnisses; werden überwiegend Frauen befristete statt unbefristete Verträge gewährt (ist also die Befristung als solche diskriminierend),420 wird dies hingegen zu den sonstigen Arbeitsbedingungen gezählt (vgl im Detail Rz 149). 144 Das Diskriminierungsverbot verpflichtet den AG allerdings nicht, die Arbeitsbedingungen für Frauen zu erleichtern, auch nicht für Frauen mit kleinen Kindern. § 3 verpflichtet die AG also weder dazu, Teilzeitbeschäftigungen anzubieten oder aufrechtzuerhalten noch flexible Arbeitszeiten zu möglichen oder eher einen Betriebskindergarten als eine Betriebssportanlage zu finanzieren. Auch § 8 verpflichtet die AG nicht dazu. Nur wenn der AG Teilzeitarbeit anbietet, darf er bei diesem Angebot nach § 3 nicht aufgrund des Geschlechts benachteiligen; allenfalls könnte er das Angebot primär an Arbeitssuchende richten, die Kinder zu betreuen haben. 145 Fraglich sind oft auch die Rechtsfolgen, insb ob eine diskriminierende Weisung sogleich nichtig oder vorerst wirksam und zu befolgen ist. § 12 Abs 6 gibt dem Diskriminierten den Anspruch auf Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen, was hier wohl die Rücknahme der Weisung bedeutet (zB der Versetzung). Nach der allg Regel sind gesetzwidrige Weisungen aber stets unwirksam. Dies kann und muss auch für Weisungen gelten, die § 3 verletzen; vgl Rz 29. Fraglich sind die Rechtsfolgen auch, wenn ein AN wegen Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen selbst kündigt, insb vorzeitig austritt.421 Jedenfalls eine unmittelbare Diskriminierung, die dem AG auch subjektiv vorwerfbar ist, kann bei entsprechendem Gewicht einen wichtigen Grund geben. Da dann die gleichen Arbeitsbedingungen nicht mehr hergestellt werden können, besteht (nur) Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens (§ 12 Abs 6). Allerdings ist höchst fraglich, wie dieser zu bemessen ist. 418 EuGH 13.7.1995, C-116/94, Meyers, Rz 21 f. 419 EuGH 5.11.2014, C-476/12, ÖGB, Rz 17. 420 OGH 25.10.2011, 9 ObA 78/11b; anders mglw 26.6.2014, 8 ObA 69/13z. 421 OGH 17.8.2016, 8 ObA 47/16v ist wohl nicht einschlägig, da dort der Austritt aufgrund einer sexuellen Belästigung erfolgte.
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Die Grenzen des § 12 Abs 1 und 5 werden hier wohl nicht (analog) herangezogen werden können, weil sie den AG ja nur davor schützen sollen, eine nicht vorgenommene Besserstellung finanziell voll abgelten zu müssen (zum Austritt vgl auch § 12 Rz 47 und 50c).
2. Anwendungsfälle Unmittelbare Diskriminierung bei der Zuweisung von Arbeitsaufga- 146 ben kann vorliegen, wenn die Verteilung von unangenehmen oder wenig angesehenen Zusatzaufgaben (zB Zubereitung von Kaffee oder Aufräumarbeiten) unter sonst vergleichbaren AN erkennbar nach dem Geschlecht erfolgt. Der AG diskriminiert, wenn er die für den Aufstieg bedeutsame jährliche Beurteilung jenen Frauen verwehrt, die im Mutterschaftsurlaub waren.422 Der wichtigste Fall der Z 6 ist wohl eine verschlechternde Veränderung der Arbeitsbedingungen: die Auswahl unter mehreren AN, die für eine verschlechternde Versetzung in Betracht kommen, wird aufgrund des Geschlechts getroffen, oder jemand wird aufgrund des Geschlechts verschlechternd versetzt. § 12 Abs 6 gibt dann den Anspruch auf Gleichbehandlung, und damit auf Rücknahme der Versetzung und uU neue diskriminierungsfreie Auswahl, oder auf Ersatz des Vermögensschadens. In der Lit ist die Einordnung von verschlechternden Versetzungen zwischen Z 5 und Z 6 allerdings weiterhin strittig.423 Die grds Gleichsetzung des Anknüpfens an den Familienstand mit der Unterscheidung aufgrund des Geschlechtes führt zu Problemen (vgl Rz 41 ff). UE ist es aber (dennoch) zulässig, bei der Änderung der Arbeitsbedingungen, die sich auf die Kinder deutlich auswirken (zB Versetzung an einen weit entfernten Ort, eine für Betreuung ungünstige Arbeitszeit), bei der Auswahl zwischen mehreren AN an das Vorhandensein dieser Kinder anzuknüpfen. Soweit darin eine vermutete Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes liegt (zB weil Frauen häufiger betreuen), kann diese mit zwei Erwägungen gerechtfertigt werden. Zum einen muss es dem AG schon aus betrieblichen Gründen erlaubt sein, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, um gute Arbeitskräfte zu halten oder die Motivation zu verbessern. Zum anderen darf hier auch der einzelne AG ein sozialpolitisches Ziel verfolgen, nämlich die Unterstützung von AN mit Partner/in und Kindern bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie iwS. 422 EuGH 30.4.1998, C-136/95, Thibault. 423 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 110.
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Primär wird der AG aber die Wünsche der AN ermitteln und bei sonst gleicher Lage berücksichtigen müssen. Eine vermutete Benachteiligung kann vorliegen, wenn Teilzeitbeschäftigte andere – unangenehmere oder weniger interessante – Arbeitsaufgaben zugewiesen bekommen als Vollzeitbeschäftigte, oder wenn bei ihnen Arbeit und Arbeitszeit deutlich strenger kontrolliert werden. Der AG darf bei der Zuteilung aber berücksichtigen, ob für eine Aufgabe eine längere Anwesenheit – etwa wegen der Zusammenhänge oder weil Kunden Wert darauf legen, nach Möglichkeit immer dieselbe Person ansprechen zu können – wirklich erforderlich ist; bloße Nützlichkeit wird nicht ausreichen. Müssen teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter im Verhältnis zu ihrem Beschäftigungsausmaß mehr Außendienststunden leisten als Vollzeitbeschäftigte, ist diese Benachteiligung sachlich nicht gerechtfertigt.424 147 Fraglich ist, wie ein – über den Mutterschaftsurlaub iSd RL 92/85/EG hinausgehender – Elternurlaub bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen – zB bei Einstufung in den KollV, Abfertigung alt, Anwartschaft für die Betriebspension oder für eine Sozialplanabfertigung – zu behandeln ist. Die RL 2010/18/EU verlangte keine Anrechnung. Die Nichtanrechnung ist auch keine unmittelbare Diskriminierung. Anders als noch bei der RL 2002/73/EG (Art 2 Abs 7) wird in der RL 2006/54/ EG kein Bezug mehr auf Elternurlaub genommen. Dieser findet sich jedoch in der Rahmenvereinbarung zur RL 2010/18/EU in Art 5 (vormals in der RL 96/34 als § 2 Abs 7), wonach die Rechte, die der AN zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben. Im Anschluss an den Elternurlaub finden diese Rechte mit den Änderungen Anwendung, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und/oder Gepflogenheiten ergeben. Eine fast inhaltsgleiche Formulierung findet sich nun auch in der neuen Work-Life-Balance-RL 2019/1158/EU zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben als Art 10 hinsichtlich Ansprüchen, die die AN „bereits erworben haben oder im Begriff sind zu erwerben“. Aus diesen Formulierungen folgt uE aber noch nicht die Pflicht des AG, die Zeiten des Elternurlaubes auch bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen zu berücksichtigen. Auch der OGH hat dies zur Rahmenvereinbarung zur RL 2010/18/EU so gesehen und ausgesprochen, aus dem Unionsrecht und somit auch aus der RL 2010/18/EU ergebe sich kein Anspruch auf die Anrechnung von Zeiten des Eltern424 OGH 27.9.2013, 9 ObA 58/13i.
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urlaubs (Karenzurlaubs) auf dienstzeitabhängige Ansprüche.425 Die genannten Bestimmungen wollen nur erreichen, dass in der Zwischenzeit eingetretene Verbesserungen der Arbeitsbedingungen auf die AN, welche Elternurlaub hatten, angewendet werden, wie eine Erhöhung des überkollektivvertraglichen Entgelts für diese Arbeitsplätze (in den meisten anderen Mitgliedstaaten gibt es keine Gleichbehandlungspflicht); der Wortlaut verlangt aber nicht, dass die Zeit des Elternurlaubes so behandelt wird, als wäre gearbeitet worden.426 Dies gilt insb für jene Fälle, in denen die Anrechnung selbst durch die Erhöhung des Multiplikators schon ein Entgelt darstellt, wie bei Betriebspensionen oder Abfindungen, weil die Anrechnung hier kein Vorteil ist, auf den die AN während der Abwesenheit Anspruch gehabt hätten. Ähnliches müsste wohl auch zur Frage gelten, ob schon die RL 2010/18/EU und 2019/1158/EU die Anrechung bei der Einstufung in das dienstzeitabhängige Gehaltsschema verlangen.427 Zu einem anderen Ergebnis könnte man gelangen, wenn man aus verschiedenen Erwägungsgründen der Work-Life-Balance-RL (Erwägungsgrund 12, 19, 38) eine im Vergleich zu den bisherigen Elternurlaub-RL unterschiedliche Zielsetzung auch des Elternurlaubs herauslesen will – anstatt „bloßer“ Kinderbetreuung auch eine Förderung der Berufstätigkeit von Frauen – und aus diesem Grund im Weg teleologischer Auslegung eine Anrechnung aus Art 10 ableiten will, was uE jedoch nicht geboten ist. Bei beiden Fallgruppen ist zudem fraglich, inwieweit ein Nichtanrechnen des Elternurlaubes eine mittelbare Diskriminierung ist, da überwiegend Frauen betroffen sind. Hier sind die in der E Cadman (Rz 128) aufgestellten Grundsätze maßgeblich. Eine mittelbare Benachteiligung wird wohl zu bejahen sein. Diese kann aber bei der Betriebspension ohne Zweifel gerechtfertigt werden, weil die Betriebspension ja nachbezahltes Entgelt ist, und daher auch nur für Zeiten mit Entgeltanspruch gebühren muss. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn andere vergleichbare Zeiten ohne Entgeltanspruch auf die Anwartschaft angerechnet werden. In der Rs ÖGB hat der EuGH betreffend der unterschiedlichen Behandlung von AN, die Elternkarenz nehmen und AN, 425 OGH 29.3.2012, 9 ObA 58/11m. AA noch Schindler, DRdA 2003, 532; Mayr, ecolex 1998, 934. 426 Gruber-Risak in Franzen/Gallner/Oetker, RL 2010/18/EU § 5 Rz 9 mwN; EuGH 16.7.2009, C-537/07, Gómez-Limón; 22.9.2009, C-116/08, Meerts. 427 So Schindler, DRdA 2003, 532 (536); für Unionsrechtskonformität der nur teilweisen Anrechnung Dorninger/Gleißner, ecolex 2011, 733 (735).
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die Heeresdienste leisten, entschieden, dass es zulässig ist, bei der Berechnung der Abfertigung die Dauer des Präsenz- oder Zivildienstes als Dienstzeit zu berücksichtigen, die Dauer der Elternkarenzzeit hingegen nicht.428 Ausschlaggebend war die Freiwilligkeit der Karenz im Gegensatz zum verpflichtenden Präsenz- oder Zivildienst und damit die fehlende Vergleichbarkeit der Situation (zur Vergleichbarkeit Rz 8). Auch beim Sozialplan kann die Nichtanrechnung wohl gerechtfertigt werden. In Bezug auf die Einstufung wird man die Tatsache, dass es sich um einen Elternurlaub – und nicht um eine andere Unterbrechung – handelt, jedenfalls bei der Frage der Rechtfertigung berücksichtigen können. Unter Berufung auf die E Danfoss und Cadman wird in der ö Lit jedoch auch dort die Anrechnung verneint.429 In Österreich dürften Fragen der Karenzanrechnung durch die Novellierung von § 15f MSchG im Jahr 2019430 einiges an Relevanz verloren haben und hauptsächlich für die Vergangenheit von Bedeutung sein. 148 Fraglich ist ferner, inwieweit der AG durch unternehmensinterne Schutzvorschriften Angehörige eines Geschlechts, insb Frauen, von bestimmten Arbeitsbedingungen fernhalten darf, die er oder viele als unangenehmer ansehen, etwa Nacht-, Schicht- oder Wechseldienst. Der Ausschluss der Frauen verringert dann oft deren Chancen auf Einstellung, uU auch auf Aufstieg. Der EuGH hat zum Problem in der E zum Nachtarbeitsverbot Stellung genommen und dieses als unzulässige Diskriminierung untersagt.431 Benachteiligungen bei den Arbeitsbedingungen sind nämlich nur soweit zulässig, als sie zum Schutz der Frau bei Schwangerschaft und Mutterschaft notwendig sind; das Nachtarbeitsverbot dient dem nicht. Nicht relevant ist dafür, dass Frauen die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen, weil die RL 2006/54/EG nicht die Aufgabenverteilung in der Familie zum Gegenstand hat. Die Erwägungen des EuGH sind auch für AG und KollV relevant. Sie zeigen, dass Schutzvorschriften zugunsten von Frauen letztlich nur zulässig sind, wenn sie Schwangere und Wöchnerinnen gegen spezifische Gefahren schützen (§ 5 Rz 16). Alles andere ist unzulässig.
428 EuGH 8.6.2004, C-220/02, ÖGB. 429 Dorninger/Gleißner, ecolex 2011, 733 (735); differenzierend Mazal, ecolex 2011, 250. 430 BGBl I 2019/68. 431 EuGH 25.7.1991, C-345/89, Stoeckel.
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Probleme bereitet die Zuordnung innerhalb des § 3, wenn der AG auf- 149 grund des Geschlechts schlechtere Arbeitsbedingungen bietet. Ein Anspruch auf Gewährung der besseren Arbeitsbedingungen besteht nach § 12 nämlich nur bei Z 6, nicht aber bei Z 1 und 5 (Rz 2). Bietet der AG aufgrund des Geschlechtes nur ein befristetes Arbeitsverhältnis an, und kommt es nicht zu einem Vertragsabschluss, so ist wohl § 3 Z 1 einschlägig – mit der Folge, dass der AG nur den Vermögensschaden ersetzen muss. Die Grenzen des § 12 Abs 1 2. Satz greifen, jedenfalls wenn das Angebot des AG abgelehnt wurde. Kommt es hingegen zum Abschluss des befristeten Vertrages, dann kann man dies Z 6 zuordnen, sofern ein AN durch die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Vergleich zu AN eines anderen Geschlechts benachteiligt wird, die Diskriminierung also in der Befristung als solcher liegt.432 Gem § 12 Abs 6 besteht dann Anspruch auf Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen und damit auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Befristung ist unwirksam. Dagegen ist eine diskriminierende Nichtverlängerung eines befristeteten Arbeitsverhältnisses als Diskriminierung bei der Beendigung eines Dienstverhältnisses einzuordnen.433 Dies ergibt sich aus einer systematischen Interpretation des § 3 Z 7 iZm § 12 Abs 7. Bei Nichtverlängerung kann dann auf Feststellung eines aufrechten unbefristeten Arbeitsvertrages geklagt werden. Dies gilt allerdings gem § 12 Abs 7 2. Satz nur, wenn die dort genannte Bedingung erfüllt ist, dass das befristete Arbeitsverhältnis auf Umwandlung in ein unbefristetes angelegt war. War dies nicht der Fall, ist der Nichtabschluss eines weiteren, unbefristeten Arbeitsvertrages nach § 3 Z 1 wegen diskriminierender Nichtbegründung eines weiteren Dienstverhältnisses zu prüfen.434 Der OGH hat in einer E, wo das Dienstverhältnis nicht auf Umwandlung in ein unbefristetes ausgerichtet war, Z 1 nicht behandelt, wohl auch deshalb, weil bereits die Glaubhaftmachung einer Diskriminierung in dem Verfahren nicht gelungen war.435 Parallel zum zuvor Gesagten dürfte auch eine diskriminierende auflösende Bedingung unter Z 7 fallen. Hingegen dürfte die Vereinbarung einer Probezeit nur für 432 OGH 25.10.2011, 9 ObA 78/11b; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 133. 433 Vgl zur Befristung auch EuGH 12.9.2013, C-614/11, Kuso; OGH 26.6.2014, 8 ObA 69/13z. 434 Die Einordnung zwischen Z 1 und Z 7 aufgrund der Verfristung der Ansprüche offenlassend OGH 25.10.2011, 9 ObA 78/11b. 435 OGH 26.5.2014, 8 ObA 52/13z.
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Frauen unter § 3 Z 6 fallen.436 Eine unmittelbare Diskriminierung wird vorliegen, wenn eindeutig erkennbar ist, dass der Anteil von Vereinbarungen einer Befristung und/oder einer Probezeit bei AN des einen Geschlechtes deutlich höher ist. Bei der Vergleichbarkeit kommt es primär auf die Arbeitsaufgaben, aber auch auf die Alterskohorte an. Die unmittelbare Diskriminierung kann nicht gerechtfertigt werden. 150 Regelungen in KollV oder AGB, die den Kündigungsschutz verstärken oder die ordentliche Kündigung ausschließen, fallen unter Z 6, weil es nicht um eine Entscheidung im Einzelfall geht. Die Verbesserung wird meist an eine bestimmte Vordienstzeit im Unternehmen geknüpft (Wartefrist). Dies kann eine vermutete Benachteiligung sein, wenn und weil erheblich mehr Angehörige eines Geschlechts diese Wartezeit erreichen. Die Wartefrist kann aber nicht nur beim gesetzlichen Kündigungsschutz,437 sondern wohl auch bei Regelungen durch KollV oder des AG an sich durch legitime sozialpolitische Ziele gerechtfertigt werden. Es kommt aber auf die Details an. Leicht zu rechtfertigen ist die Bindung der Unkündbarkeit an eine längere Frist. Der AG kann nämlich nicht alle AN unkündbar stellen, und es ist ein legitimes sozialpolitisches Ziel, nur jene AN unkündbar zu stellen, welche dem Unternehmen lange verbunden sind und auch deshalb größere Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt haben könnten. Auch hier sind aber Zeiten eines Mutterschaftsurlaubes ieS (Rz 147) als Dienstzeit anzurechnen (für Zeiten des darüberhinausgehenden Elternurlaubes besteht diese Pflicht nicht). Und eine längere Wartefrist für Teilzeitbeschäftigte, die Frauen benachteiligt, kann auch hier nicht gerechtfertigt werden. Werden andere, weniger weit gehende Verbesserungen des Kündigungsschutzes an eine Wartefrist geknüpft, so muss eine vermutete Benachteiligung durch ein legitimes unternehmerisches Ziel erfordert werden. Sie kann jedenfalls nicht ohne weiteres mit der Förderung der Einstellung von AN gerechtfertigt werden.438 Sieht der KollV geringere Rechte bei Beendigung für jene AN vor, die in Klein(st)unternehmen beschäftigt sind, so liegt darin eine vermutete Benachteiligung, falls der Anteil der weiblichen AN in diesen Unternehmen wesentlich größer ist als in den anderen Unternehmen des KollV. Auch beim KollV kann eine solche Regelung aber wohl durch objektive Faktoren gerechtfertigt werden, 436 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 133. 437 Dazu EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Rz 70 ff. 438 EuGH Seymour-Smith Rz 76.
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die die kleinen Unternehmen entlasten sollen.439 Haben die AN das Recht, Teilzeitarbeit nur vor dem Erreichen der Altersgrenze für die gesetzliche Rente in Anspruch zu nehmen, und liegt diese Altersgrenze bei Männern um 5 Jahre höher als bei Frauen, so sieht der EuGH darin eine Benachteiligung der Frauen, weil diese nach Erreichen des 60. Lebensjahres kein Recht auf Teilzeitarbeit mehr haben. Er prüft nur eine mittelbare Diskriminierung, hält aber die vorgebrachten Rechtfertigungsgründe nicht für ausreichend, auch nicht, dass die Frau schon Anspruch auf volle Rente hat.440 Ebenso ist es unzulässig, den Anspruch auf Altersteilzeit (die besondere Vorteile hat) davon abhängig zu machen, dass vorher mehrere Jahre Vollzeit gearbeitet wurde.441 Im Arbeitsleben wird häufig von Mobbing gesprochen. Will man den 151 Begriff nicht beliebig und inflationär für jede als unangenehm empfundene Arbeitssituation verwenden,442 so fällt unter Mobbing nur das Ensemble von systematischen und länger andauernden Handlungen, welche die Arbeitssituation einer Person verschlechtern sollen. Als typische Handlungen des Mobbings werden genannt: Beeinträchtigungen der Möglichkeiten zur Kommunikation und des Informationsempfanges, Angriffe auf die Arbeitsaufgaben, die sozialen Beziehungen oder das Ansehen, allg das Schaffen eines Unwohlbefindens am Arbeitsplatz. Das GlBG erfasst in den §§ 6 und 7 einen beträchtlichen Teil dessen, was als Mobbing gesehen wird. Das GlBG verbietet hier nicht nur die sexuelle Belästigung, sondern auch eine Belästigung durch andere geschlechtsbezogene Verhaltensweisen ausdrücklich, und dies auch bei Belästigung durch andere AN. Unter § 3 können daher nur jene Mobbingfälle fallen, die nicht bereits unter § 6 oder § 7 zu subsumieren sind. Praktisch relevant werden kann § 3 wohl nur, wenn mehrere Angehörige desselben Geschlechtes in gleichförmiger Weise gemobbt werden. Dann lassen sich Verhaltensmuster erkennen, die für ein Glaubhaftmachen nach § 12 Abs 12 ausreichen könnten. Der Anspruch aus § 12 Abs 6 geht auf Unterlassen des Mobbings oder auf Maßnahmen des AG zum Schutz vor Mobbing seitens anderer AN. Fühlt sich nur eine Person gemobbt, dann wird es kaum gelingen, auch nur glaubhaft zu machen, dass die Angriffe – die ja nicht geschlechtsbezogen iSd § 7 sind – 439 So EuGH 30.11.1993, C-189/91, Kirsammer-Hack zum Gesetz. 440 EuGH 20.4.2003, C-187/00, Kutz-Bauer, Rz 53 ff. 441 EuGH 11.9.2003, C-77/02, Steinicke. 442 Dagegen treffend OGH 18.9.1997, 8 ObA 285/97p.
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gerade aufgrund des Geschlechtes erfolgen.443 Ist der Umgangston in einem Bereich, in dem überwiegend Männer arbeiten, für Frauen störend (oder umgekehrt), dann ist dies eine Frage des § 7 (oder § 6), aber nicht des § 3.
VIII. Beendigung Literatur: Trost, Mittelbare Diskriminierung durch die Rechtsprechung zum allg Kündigungsschutz, in Floßmann/Trost (Hrsg), Aktuelle Themen der Frauenpolitik (1994) 133; Trost, Anmerkung in ZAS 1996/1; Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz 289 ff; Novak, Arbeitszeugnisse nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ELR 1998, 480; Novak, Entlassung aufgrund von Fehlzeiten während der Schwangerschaft, ELR 1998, 397; Schiek/Hortskötter, Kündigungsschutz via Diskriminierungsverbot, NZA 1998, 863; Eichinger, Grundsatz der Gleichbehandlung, in Oetker/Preis (Hrsg), EAS B 4200 (Stand 1999) Rz 134 ff; Mayr, Vergleich zwischen teil- und vollzeitbeschäftigten ArbeitnehmerInnen bei der sozialen Auswahl, ELR 2000, 358; Frauscher, Halbe Abfertigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen europarechtskonform! RdW 2000, 326; Mayr, Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes und Kündigung in Kleinbetrieben, RdW 2001, 44; Thüsing, Gleichbehandlung – Unzulässige Entlassung einer Schwangeren, DB 2001, 2451; Eichinger, Unterschiedliches Bezugsalter für Zahlungen aus einem Sozialplan – Diskriminierung von Männern? RdW 2002, 297; Eichinger, Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens beim Kündigungsschutz: Mittelbare Frauendiskriminierung? RdW 2002, 356; Schlachter, Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen, ZESAR 2003, 36; Windisch-Graetz, Kündigung von Frauen zum Regelpensionsalter - gleichheitswidrig? ecolex 2004, 431; Urlesberger, ZAS 2005, 124 ff; Kletečka, Durchsetzung der Differenzierungsverbote, in Tomandl/Schrammel (Hrsg), Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote (2005) 93; Reissner, Beendigung im Probemonat wegen Schwangerschaft als Diskriminierung anfechtbar, JAP 2005/2006, 25; Freudhofmeier, Beendigung des Dienstverhältnisses im Probemonat wegen Schwangerschaft - Anfechtung möglich, taxlex 2006, 137; Tinhofer, Der soziale Kündigungsschutz, ZAS 2008, 54; Thomas/Forizs, Versetzung in den Ruhestand bei Erreichen des Regelpensionsalters: Diskriminierung von Frauen? ecolex 2009, 462; Engelbrecht/Wieder, Personalabbau als Sanierungsmaßnahme, in Reissner/Herzeg (Hrsg), Arbeits- und sozialrechtliche Strategien zur Krisenbewältigung (2010) 145; Gerhartl, Diskriminierung durch Alterskündigungsklauseln, ASoK 2012, 262; Trost, § 105 ArbVG, in Strasser/Jabornegg/ Resch, ArbVG1 (2013); Jabornegg, Gesetz- und sittenwidrige Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse, JAS 2017, 1; Vinzenz, Schadenersatz und andere Sanktionen bei Diskriminierung, in Kietaibl/Resch (Hrsg), Diskriminierung – 443 AA Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 133 für den Fall eines „männer-monokulturellen“ Bereiches, in dem eine einzige Frau arbeitet und gemobbt wird.
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Schutz und Folgen im Arbeitsrecht (2018) 41; Gahleitner, Schadenersatz bei diskriminierender Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in GS für Robert Rebhahn (2019) 75; Brokes/Ettl, Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bei Erreichen eines bestimmten Lebens- bzw Penionsalters, DRdA-infas 2020, 188.
1. Anwendungsbereich der Z 7 und Rechtsfolgen Unter § 3 Z 7 fällt, wie § 12 Abs 7 zeigt, jedenfalls die einseitige Been- 152 digung, also jene durch Kündigung und die vorzeitige Beendigung aus wichtigem Grund (Entlassung). Auch die Beendigung des Probearbeitsverhältnisses fällt unter Z 7; dies wurde mit der Novelle 2008 ausdrücklich in den Gesetzestext von § 12 Abs 7 aufgenommen, davor galt es aufgrund eines Analogieschlusses.444 Der AG kann also das Diskriminierungsverbot bei der Einstellung, falls er eine Person aufgrund eines missbilligten Merkmals nicht einstellen will, nicht dadurch aushebeln, dass er mit ebendieser Person ein Probearbeitsverhältnis schließt, dieses alsbald ohne Begründung auflöst und dann jemanden anderen einstellt. Allerdings verpflichtet auch das Diskriminierungsverbot den AG nicht, eine einseitige Auflösung zu begründen. Fraglich ist, ob auch andere Formen der Beendigung unter Z 7 – und in der Folge unter § 12 Abs 7 – fallen, wie Ende durch Fristablauf oder Eintritt einer diskriminierenden auflösenden Bedingung. Der Wortlaut des § 3 Z 7 erfasst an sich jede Form der Beendigung. Mit der Novelle 2008 wurde § 12 Abs 7 dahingehend angepasst, dass er nun auch das diskriminierende Nichtverlängern eines auf Verlängerung angelegten befristeten Dienstverhältnisses umfasst. Diese waren nach Rsp und Lit allerdings bereits vorher und auch schon vom GlBG 1979 erfasst.445 Rechtsfolge ist, wie nun ausdrücklich angeordnet wird, die Möglichkeit zur Erhebung einer Feststellungsklage auf Bestand eines unbefristeten Dienstverhältnisses.446 Diese Rechtsfolge ist systemwidrig, da die Situation eher jener bei Einstellungen ähnelt und hier ein bei der Einstellung nicht bestehender Kontrahierungszwang geschaffen wird, vgl auch § 12 Rz 49c f. Dem Wortlaut nach sind jedoch nur auf Verlängerung angelegte befristete Dienstverhältnisse umfasst, wobei es irrelevant ist, ob diese Verlängerung bereits von Anfang an geplant war oder erst während des lau444 OGH 31.8.2005, 9 ObA 4/05m; 4.5.2006, 9 ObA 81/05k. 445 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 137 mwN. 446 Vgl zur Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse Jabornegg, JAS 2017, 1.
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fenden Dienstverhältnisses angesprochen wird. Bestand jedoch zu keiner Zeit die Absicht, im Anschluss an das befristete Arbeitsverhältnis ein unbefristetes abzuschließen, kann zB nicht allein aus dem Umstand, dass die AN schwanger ist, abgeleitet werden, dass dies das Motiv für die Nichtverlängerung war.447 Die Kündigung befristeter Arbeitsverhältnisse dürfte demgegenüber vom GlBG erfasst sein, unabhängig davon, ob das Verhältnis auf Dauer angelegt war oder nicht.448 Keine Regelung gefunden hat eine diskriminierende Bedingung. Eine Bedingung kann man aber schon vor der Beendigung beurteilen. Man wird sie daher nicht unter Z 7, sondern unter Z 6 subsumieren können. Hat eine Diskriminierung – etwa eine Belästigung – die AN zur Selbstkündigung veranlasst, so könnte man auf diese Auflösungserklärung § 12 Abs 7 analog anwenden, wenn und weil die Reaktion auf die Diskriminierung in engem Zusammenhang mit der Diskriminierung stand und daher noch dieser zuzurechnen ist (§ 12 Rz 49 f).449 Der OGH hat demgegenüber bei einem berechtigten Austritt des AN einen solchen Analogieschluss ausdrücklich verneint,450 bei Belästigung kommen Ansprüche nach § 12 Abs 11 in Betracht. Zu Altersgrenzen vgl Rz 160. Eher wenig aufgearbeitet ist, ob die einvernehmliche Auflösung unter Z 7 fällt (in der Vorauflage wurde dies verneint). Einzelfragen dazu können jedenfalls unter § 3 Z 6 fallen, wie Unterschiede in verschiedenen Aufhebungsverträgen für AN in vergleichbarer Lage (zB bei Abfindungsangeboten). In der Lit wurde vertreten, dass auch die einvernehmliche Auflösung insofern geschlechtsdiskriminierend gehandhabt werden kann, wenn sie zB nur Frauen angeboten oder aufgedrängt wird.451 Der OGH hat vor dem Hintergrund der E Kleist und der weiten Auslegung des Begriffes der Beendigung ausgesprochen, dass auch eine einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nicht schon als solche von der Anwendung des Gleichbehandlungsgebots ausgenommen ist;452 im Anlassfall sah er jedoch kein Anknüpfen am Geschlecht. Dabei hat der OGH sich auf die E Burton453 und Vergani454 447 OGH 26.5.2014, 8 ObA 52/13z, ASoK 2015, 40. 448 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 138. 449 AA Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 139 – Fehlen einer Rechtsfolge in § 12 Abs 7. 450 OGH 17.8.2016, 8 ObA 47/16v. 451 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 139. 452 OGH 29.8.2011, 9 ObA 63/11x. 453 EuGH 16.2.1982, 19/81, Burton. 454 EuGH 21.7.2005, C-207/04, Vergani,
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berufen, wobei in beiden Entscheidungen nicht die einvernehmliche Beendigung an sich, sondern damit verbundene Leistungen (Abfindung bei freiwilligem Ausscheiden, die an das unterschiedlich hohe Regelpensionsalter anküpfte und Steuervorteil beim Ausscheiden zu einem unterschiedlichen Frühpensionsalters) im Vordergrund standen. Regelungen, welche den Kündigungsschutz verstärken oder die ordentliche Kündigung ausschließen, fallen nicht unter Z 7, sondern Z 6 (Rz 150). Bei einer diskriminierenden Kündigung oder Entlassung ist in betriebs- 153 ratspflichtigen Betrieben neben § 12 Abs 7 auch § 105 ArbVG relevant. Der gekündigte AN kann also sowohl nach § 12 Abs 7 als auch nach § 105 ArbVG anfechten, uzw nebeneinander; der AN muss dafür die entsprechenden Anfechtungsgründe geltend machen. Die Anfechtung nach ArbVG ist praktisch bedeutsam, falls der AN die Diskriminierung nicht glaubhaft machen kann oder die Glaubhaftmachung widerlegt wird. Umgekehrt ist eine Anfechtung gem § 12 Abs 7 für jene Personen oder Sachverhalte von Bedeutung, die nicht in den Geltungsbereich des II. Teil des ArbVG fallen, insb leitende Angestelle gem § 36 ArbVG oder AN von Kleinstbetrieben unter 5 AN. § 12 Abs 7 sieht als Rechtsfolge die Anfechtung der Auflösungserklä- 154 rung vor, § 15 nennt dafür eine Frist von 14 Tagen ab Zugang der Erklärung. Das Gesetz schließt damit implizit aus, dass die diskriminierende Auflösungserklärung als nichtig gem § 879 Abs 1 ABGB anzusehen ist. Dies ist unionsrechtlich bedenklich, weil eine Auflösung aus einem verpönten Motiv in anderen Fällen (von den Sonderfällen des § 105 ArbVG abgesehen) bisher als sittenwidrig angesehen wurde, diese Bedenken sind allerdings soweit ersichtlich nicht aufgegriffen worden. Jedenfalls bedenklich ist die sehr kurze Frist, weil die schon vom Unionsrecht missbilligten Auflösungserklärungen damit schlechter behandelt werden als – wertungsmäßig gleichstehende – sittenwidrige Erklärungen. Überdies sind die Fristen bei Auflösungen so kurz, dass sie eine Rechtsverfolgung sehr erschweren, wenn nicht unmöglich machen; häufig wird nämlich nicht sofort erkennbar sein, dass bei der Auflösung diskriminiert wurde; vgl auch Rz 34. Der Ausschluss eines Anspruchs auf Entschädigung wegen persönlicher Beeinträchtigung für die Beendigung nach der früheren Rechtslage verletzte sowohl die RL 2006/54/ EG455 als auch Art 7 Abs 1 B-VG. Der Gesetzgeber hat daher mit der 455 Vgl Kletečka in Tomandl/Schrammel, Diskriminierungsverbote 93 (107).
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Novelle 2008 auf die Kritik der Lehre reagiert und ein Wahlrecht des AN geschaffen.456 Lässt der AN die Beendigung gegen sich gelten, ist ein Anspruch auf Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens gegeben. Systemwidrig ist allerdings, dass im Fall der Anfechtung kein immaterieller Schadensersatz vorgesehen ist, obwohl die Verletzung der Persönlichkeitsrechte im selben Ausmaß gegeben ist (vgl im Detail § 12 Rz 49a). Da einvernehmliche Auflösungen in § 12 Abs 7 nicht genannt, aber nach zutreffender Ansicht ebenso von § 3 Abs 7 umfasst werden, sind die Rechtsfolgen dort unklar. Der OGH hat diese Frage offen gelassen.457 UE könnte (da § 12 Abs 7 hier gerade nicht als lex specialis eingreifen kann) die allgemeine, im GlBG nicht geregelte Folge der Nichtigkeit eintreten mit der Folge, dass der aufrechte Bestand des Arbeitsvertrages festgestellt werden kann (vgl zur Nichtigkeit auch Rz 29). Daneben kommt zumindest als Wahlrecht des AN auch Schadenersatz in Betracht. 155 Fraglich ist, inwieweit bei Beendigung wegen deren finanzieller Auswirkungen neben dem GlBG Art 157 AEUV unmittelbar anwendbar ist. Laut EuGH fallen die Folgen einer Diskriminierung bei Beendigung nur teilweise unter die RL 2006/54/EG, weil auch Art 157 AEUV eingreifen kann. Der Schutz gegen Beendigung fällt, soweit es um ein Recht auf Fortsetzung oder Wiedereinstellung geht, unter die RL 2006/54/EG und damit nur unter § 3 Z 7 oder 6 GlBG. Soweit es (nur) um eine Entschädigung geht, fällt die Diskriminierung hingegen unter Art 157 AEUV.458 Das GlBG gibt bei diskriminierender Kündigung nunmehr einen gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung, obwohl sonst das österr Arbeitsrecht bei ungerechtfertigter Kündigung keinen solchen Anspruch, sondern nur ein Anfechtungsrecht gewährt (§ 105 ArbVG). Bei diskriminierender Kündigung können daher sowohl die RL 2006/54/EG als auch Art 157 AEUV anwendbar sein, aus dem GlBG einschlägig sind § 3 Z 7 sowie § 12 Abs 7. 156 Bei diskriminierender Entlassung gab das GlBG ebenfalls ursprünglich nur das Anfechtungsrecht, obwohl das österreichische Recht in diesen Fällen primär eine Kündigungsentschädigung gewähren würde. Bereits in der Vorauflage wurde vertreten, dass AN bei diskriminierender Entlassung daher die Möglichkeit haben, zwischen der Kündi456 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 12 GlBG Rz 11. 457 29.8.2011, 9 ObA 63/11x; ähnlich OGH 25.10.2011, 9 ObA 113/11z. 458 EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Rz 36 f.
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gungsentschädigung und der Anfechtung nach § 12 Abs 7 zu wählen (Wahlrecht). Inzwischen ist das im GlBG durch die Novelle 2008 ausdrücklich nachvollzogen worden.
2. Unmittelbare Diskriminierung Bei Einzelentscheidungen kommt eine unmittelbare Diskriminierung 157 insb bei Beendigung auf Grund der Schwangerschaft in Betracht. Eine Kündigung auf Grund der Schwangerschaft oder aus einem im Wesentlichen auf der Schwangerschaft beruhenden Grund ist nach der RL 2006/54/EG unzulässig;459 auch die Arbeitsschutz-RL 92/35/ EWG verbietet dies. Das Verbot gilt auch bei Täuschung über die Schwangerschaft bei Vertragsschluss durch die AN, selbst wenn die AN dann während des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht tätig werden darf (Rz 69). Und es gilt auch, wenn die nun schwanger gewordene AN zur Vertretung einer Schwangeren eingestellt worden ist.460 Diese Verbote gehen aber nicht über die Verbote des MSchG hinaus. Überdies ist es unzulässig, schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten während der Schwangerschaft oder eines Mutterschaftsurlaubes zur Begründung einer Kündigung wegen Krankheit heranzuziehen.461 Dies kann in Bezug auf die Kündigungen nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubes auch in Österreich relevant sein. Als Mutterschaftsurlaub wird dabei nur jener nach der RL 92/85/EG zu verstehen sein, und nicht auch ein Elternurlaub (Karenz; vgl Rz 147). Das bedeutet nicht, dass ein Anknüpfen am Elternurlaub unproblematisch ist, denn da (wohl nach wie vor) überwiegend Frauen ihn in Anspruch nehmen, hat der EuGH dort eine mittelbare Diskriminierung angenommen.462 Der OGH hat auch eine Kündigung wegen eines Ansuchens um Elternteilzeit aufgrund von § 12 Abs 7 GlBG geprüft und als diskriminierend beurteilt, ohne allerdings zur Art der Diskriminierung Stellung zu nehmen.463 Es ist aber zulässig, krankheitsbedingte Fehlzeiten nach Ende des Mutterschaftsurlaubes auch dann zur Begründung der 459 Vgl zu ihren Vorgängern EuGH 5.5.1994, C-421/92, Habermann-Beltermann, Rz 13–15; 14.7.1994, C-32/93, Webb, Rz 18 f; 4.10.2001, C-109/00, Tele Danmark; EuGH 11.10.2007, C-460/06, Paquay, Rz 29. 460 EuGH Webb. 461 EuGH 30.6.1998, C-394/96, Brown, Rz 26; anders noch 29.5.1997, C-400/95, Larsson, Rz 23. 462 EuGH 20.6.2013, C‑7/12, Riežniece, Rz 40 ff. 463 OGH 25.10.2016, 8 ObA 63/16x.
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Kündigung heranzuziehen, falls die Krankheit durch Schwangerschaft oder Entbindung verursacht oder ausgelöst wurde.464 Verboten sind nach der RL auch Diskriminierungen aufgrund des Geschlechtes, insb Schwangerer, nach der erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie beim Dienstzeugnis.465 158 Unmittelbare Diskriminierung ist auch in anderen Fällen unzulässig. Schwierig kann dann – wie bei vielen Einzelentscheidungen – allerdings der Nachweis der Diskriminierung sein. Zur Auflösung auf Grund „geschlechtspolitischer“ Aktivitäten vgl Rz 38. Wird eine unverheiratete Frau wegen der Schwangerschaft gekündigt, so ist dies an sich auch dann eine Diskriminierung, wenn der AG eine religiös ausgerichtete Institution ist, die ledige Schwangerschaften streng missbilligt. Fraglich ist, ob § 3 hier durch § 17 mit seinen besonderen Rechtfertigungsmöglichkeiten verdrängt wird. Dies ist abzulehnen, weil die Frau hier nicht aufgrund ihrer religiösen Überzeugung, sondern aufgrund der Schwangerschaft und damit des Geschlechtes benachteiligt wird, und es zu § 3 keinen Tendenzschutz des AG gibt (vgl auch § 17 Rz 30 ff, § 20 Rz 50 ff). Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt auch vor, wenn der AG wegen der Durchführung einer künstlichen Befruchtung, und damit im Hinblick auf eine geplante oder bald bevorstehende Schwangerschaft, kündigt.466 159 Der AG darf, wenn er mehrere AN kündigt, nicht nach dem Geschlecht auswählen. Das Unionsrecht würde eine Ausnahme erlauben, wenn das Geschlecht wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung ist, beim GlBG ist fraglich, ob es von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht hat (Rz 75; § 5 Rz 15). 160 Altersgrenzen für die Beendigung des Dienstverhältnisses (in KollV, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag) fallen unter die RL 2006/54/ EG (vgl deren Art 23 lit b). Innerhalb des § 3 sind sie wohl Z 6 zuzuordnen, weil die Rechtswidrigkeit unabhängig von einer Erklärung des AG erkennbar ist und allein die Rechtsfolge der Z 6 adäquat ist: eine diskriminierende Altersgrenze ist teilnichtig. Unmittelbare Diskriminierung liegt bei geschlechtsspezifischen Altersgrenzen für die Beendigung vor, falls bei deren Erreichen das Arbeitsverhältnis automatisch endet. Sie 464 EuGH 8.11.1990, 179/88, Hertz, Rz 16 f. 465 EuGH 22.9.1998, C-185/97, Coote, Rz 27 f. 466 EuGH 26.2.2008, C-506/06, Mayr; OGH 27.2.2014, 8 ObA 81/13i.
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sind idR unzulässig, auch dann, wenn die Altersgrenze an das gesetzliche Renten- bzw Pensionsalter anknüpft.467 Die in einem KollV geregelte Anknüpfung des Kündigungsalters für Männer und Frauen an das unterschiedliche gesetzliche Pensionsalter verstößt nach der Rsp des EuGH in der Rs Kleist gegen das Diskriminierungsverbot auf Grund des Geschlechts;468 ebenso wie eine Regelung, die vorsieht, dass das Dienstverhältnis mit Erreichen des Pensionsalters von selbst endet.469 Konsequenterweise ist dieselbe Altersgrenze für Frauen und Männer zulässig, auch wenn sie keine Rücksicht auf das gesetzliche Pensionsalter nimmt.470 Auch unterschiedliche Altersgrenzen für ein mit bestimmten Vorteilen verbundenes freiwilliges Ausscheiden sind unzulässig.471 Führt die Altersgrenze allerdings direkt zum Anfall einer Betriebsrente, so ist bei beiden Konstellationen Art 157 AEUV einschlägig.472
3. Mittelbare Diskriminierung Eine vermutete Benachteiligung aufgrund des Geschlechts bei der Be- 161 endigung kann in verschiedenen Formen auftreten. Zu denken ist daran, dass der AG bei verhaltens- oder personenbedingter Beendigung bei den Angehörigen des einen Geschlechtes einen strengeren Maßstab anlegt (zB bei der Feststellung und Ahndung von Fehlzeiten); dies wird sich schwer nachweisen lassen. Führt der vorhandene wichtige Grund nur bei einer Person – aufgrund des Geschlechtes – zur Entlassung, kann die Entlassung nach § 12 Abs 7 angefochten werden oder Schadenersatz verlangt werden. Die Diskriminierung entzieht nämlich dem wichtigen Grund den Boden, weil der AG die Verfehlung bei anderen nicht so schwer wertet, sodass ein Recht auf Gleichheit im Unrecht hinzunehmen ist. Allerdings wird es schwierig sein, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes darzutun, dass das Geschlecht das überwiegende Motiv war. Auch Kriterien der Auswahl bei betriebsbedingter Kündigung können 162 benachteiligen. Es geht dabei primär um jene Fälle, in denen der AG 467 EuGH 26.2.1986, 262/84, Beets-Proper, Rz 40; 26.2.1986, 152/84, Marshall, Rz 34 ff. 468 EuGH 18.11.2010, C-356/09, Kleist. 469 EuGH 12.9.2013, C-614/11, Kuso; OGH 26.6.2014, 8 ObA 69/13z. 470 EuGH 26.2.1986, 151/84, Roberts, Rz 25 f. 471 EuGH 16.2.1982, 19/81, Burton; vgl dazu Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 62 mwN. 472 EuGH 17.5.1990, 262/88, Barber, Rz 13, 31.
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ohne gesetzliche Vorgaben (§ 105 Abs 3 ArbVG) auswählen kann, weil die Auswahlentscheidung oder die Kündigung nicht nach § 105 ArbVG anfechtbar ist. Dies ist insb der Fall, wenn der Betriebsrat nicht ausdrücklich widersprochen hat (dann entfällt die Pflicht zur Sozialauswahl) oder wenn er zugestimmt hat. Nach allg Arbeitsrecht ist der AG dann zwar nicht verpflichtet, seine Auswahlentscheidung zu begründen. Das befreit aber nicht von der Unterwerfung unter das GlBG, und damit von der Kontrolle seiner Auswahlentscheidung anhand des GlBG. Unzweifelhaft ist dies, wenn der AG unmittelbar aufgrund des Geschlechts entscheidet. In gleicher Weise sind aber auch anscheinend neutrale Kriterien darauf zu prüfen, ob sie zu einer mittelbaren Diskriminierung führen. Damit kann aber eine Auswahlentscheidung mit der Behauptung vor Gericht gebracht werden, der AG habe mittelbar diskriminierende Auswahlkriterien verwendet. Nach dem GlBG weitgehend unangreifbar ist es, wenn der AG allein nach der Leistung und dem Beitrag zum Betriebsergebnis auswählt, es sei denn, die geringere Leistung hat einen geschlechtsspezifischen Grund, der nach dem Gesetz nicht zum Nachteil berücksichtigt werden darf. Mutterschaftsbedingte Abwesenheiten dürfen daher nicht zum Nachteil verwertet werden (Rz 140). Im Übrigen kann der AG auch sozialpolitische Erwägungen anstellen, soweit diese mit dem GlBG vereinbar sind. Das Lebensalter als Kriterium ist aus der Sicht der Geschlechterdiskriminierung unproblematisch (vgl aber § 17 Rz 44 ff). Die Dauer der Betriebszugehörigkeit bewirkt hingegen eine vermutete Benachteiligung der Frauen (Rz 141). Sie erscheint hier schwerer zu rechtfertigen, uE könnte wie bei der Entgeltbemessung (Rz 128) sowie dem Zugang zu Bildung, Umschulung und Aufstieg (Rz 141) an der durch die längere Betriebszugehörigkeit erlangten Erfahrung angeknüpft werden, wenn zB jene AN nicht gekündigt werden sollen, die aufgrund der längeren Dienstzeit über ein konkretes Mehr an für den Betrieb relevanter Berufserfahrung oder auch konkret auf das Unternehmen bezogener Organisationserfahrung473 verfügen. Wie in der E Cadman474 wird es auch hier dem AN obliegen, Anhaltspunkte zu liefern, die geeignet sind, ernstliche Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass das Dienstalter mit der Berufserfahrung einhergeht. Dagegensprechen könnte die E Riezniece bzgl einer Beamtin, die nach ihrem Elternurlaub auf eine Planstelle versetzt worden war, die bald gestrichen wurde. Dort hat der 473 Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 20 Rz 18f. 474 EuGH 3.10.2006, C-17/05, Cadman.
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EuGH ausgesprochen, sie dürfe nicht ungünstiger behandelt werden als AN, die keinen Elternurlaub genommen hatten und die Kriterien für die Streichung dürften nicht “die physische Anwesenheit der im Elternurlaub befindlichen Arbeitnehmer voraussetzen”.475 Auch dort hatte der EuGH aber ausgesprochen, die bloße Möglichkeit, dass die im aktiven Dienst verbliebenen AN dadurch die Möglichkeit haben, ihr Qualifikationsniveau anzuheben, sei noch keine Diskriminierung und müsse nicht ausgeblendet werden.476 Problematisch könnte auch das Kriterium der Unterhaltslasten sein. 163 Gesetzliche Unterhaltspflichten sind eng mit dem „Familienstand“ bzw mit dem „Umstand, ob jemand Kinder hat“ verknüpft. Maßnahmen, die auf den Familienstand bzw auf Elternschaft Bezug nehmen, sind aber nur dann relevant, wenn sich dahinter eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts verbirgt. Es ist daher zu prüfen, ob sich dieses Anknüpfen besonders auf das eine oder das andere Geschlecht auswirkt (vgl dazu im Detail Rz 41 f). Wird daher bei Versetzungen oder im Rahmen einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit berücksichtigt, ob die betreffende Person Familie oder Unterhaltspflichten hat, ist das GlBG nicht anzuwenden, wenn sich die Maßnahme nicht auf ein bestimmtes Geschlecht bezieht.477 Wie in der E Teuling478 könnte sich eine solche mittelbare Diskriminierung bei Anknüpfung an vorhandene Unterhaltspflichten dann ergeben, wenn wesentlich mehr Männer als Frauen verheiratet und daher unterhaltspflichtig sind, sofern keine Rechtfertigungsgründe wie die Sicherung eines Existenzminimums vorliegen. Beim Kindesunterhalt erscheint diese Begründung indes schon fraglich, da hier nach der Konzeption des § 231 ABGB grds beide Elternteile zum Unterhalt verpflichtet sind, wobei die tatsächliche Betreuung im Haushalt als vollwertiger Beitrag zum Unterhalt zählt. Insofern kann wohl nicht gesagt werden, dass mehr Männer als Frauen gegenüber Kindern unterhaltspflichtig sind, höchstens unterhaltspflichtig in Geld. Beim Kündigungsanfechtungsgrund des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG werden Sorgepflichten für Ehepartner und Kinder nach der Rsp des OGH stets berücksichtigt,479 ohne dass Rsp 475 EuGH 20.6.2013 C-7/12, Riezniece. 476 Gruber-Risak in Franzen/Gallner/Oetker, RL 2010/18/EU § 5 Rz 16. 477 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 20 GlBG Rz 18f. 478 EuGH 11.6.1987, 30/85, Teuling. 479 Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 248; Wolligger in ZellKomm3 § 105 ArbVG Rz 172.
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oder Lit bisher die gleichbehandlungsrechtlichen Implikationen aufgegriffen hätten, die sich etwa ergeben würden, wenn aufgrund des Sozialschutzes anstelle des unterhaltspflichtigen, verheirateten Familienvaters eine kinderlose Single-Frau bevorzugt gekündigt wird. UE wird, sollte man hier eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sehen, diese allerdings durch den erklärten Zweck des sozialen Kündigungsschutzes – die Sicherung des Lebensunterhaltes480 – gerechtfertigt sein (zu öffentlichen/sozialpolitischen Interessen vgl § 5 Rz 53 f). Dieser Zweck wäre vereitelt, wenn auf vorhandene finanzielle Belastungen keine Rücksicht mehr genommen werden dürfte. 164 Fraglich ist auch, ob ein Unterhaltsanspruch des gekündigten AN aus einer Ehe/eingetragenen Partnerschaft – zum Nachteil des Gekündigten – berücksichtigt werden darf, weil dies typischerweise Frauen benachteiligt und ein unternehmerisches oder sozialpolitisches Erfordernis, das eine derartige mittelbare Diskriminierung rechtfertigen könnte, bestenfalls zweifelhaft ist.481 Der OGH hat demgegenüber in seiner älteren ständigen Rsp noch generell das Einkommen des Ehepartners in die Beurteilung der Sozialwidrigkeit einfließen lassen.482 Kritik aus der Lehre folgend483 vertritt er aber nunmehr eine differenziertere Betrachtungsweise.484 Wegen der notorischen Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern sei das Einkommen des Ehegatten im Rahmen der Gesamtprüfung der Sozialwidrigkeit abstellend auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu gewichten, um nicht allenfalls auf diesem Weg eine Diskriminierung der Frauen bei der Beendigung der Arbeitsverhältnisse auf Grund des Geschlechts herbeizuführen. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob und inwieweit Unterhaltsansprüche in aufrechter Ehe vom Ehegatten der gekündigten ANin tatsächlich erfüllt werden oder nur bei gleichzeitiger Betreibung der Auflösung der 480 OGH 16.6.1999, 9 ObA 145/99k. 481 Vgl auch Eichinger, RdW 2002, 356; ihr folgend Engelbrecht/Wieder in Reissner/Herzeg, Krisenbewältigung 145 (162). 482 OGH 12.10.1988, 9 ObA 206/88; 8.9.1993, 9 ObA 146/93. 483 Smutny/Mayr 312 ff; Trost in Trost/Floßmann, Aktuelle Themen der Frauenpolitik 133 ff; B. Schwarz, DRdA 1991, 33. 484 OGH 19.12.2001, 9 ObA 174/01f. Demgegenüber haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bei der (mittlerweile abgeschafften) Berücksichtigung des Partnereinkommens bei der Notstandshilfe keine Diskriminierung gesehen, VwGH 14.1.2004, 2003/08/0002; 2002/08/0038 und 2002/08/0202; VfGH 13.10.2004, A 5/04.
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Ehegemeinschaft durchsetzbar ist. Das Ehegatteneinkommen ist lediglich einer von mehreren Faktoren, ohne Vorrang gegenüber anderen Aspekten. Allerdings hat der OGH im vorliegenden Fall mangels Vorbringens konkreter, die Berücksichtigung einschränkender Tatsachen eine Sozialwidrigkeit dennoch verneint und ebenso in einer Folgeentscheidung, in der die Eheleute aufgrund hoher Einkommen insgesamt in der Lage waren, „mit dem Geld großzügig“ umzugehen, „weil eine höhere Summe vorhanden“ war, eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung nicht gesehen.485 Auch in jüngeren Judikaten bestätigt der OGH zwar grundsätzlich seine in der Entscheidung aus 2001 relativierte Betrachtungsweise, gelangt jedoch im Einzelfall zum Ergebnis, dass eine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen nicht vorliegt,486 dies ohne wirkliche nähere und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit Fragen der mittelbaren Diskriminierung. UE bleibt diese Rsp insb angesichts der eher knappen Begründung kritikwürdig. In der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts sollte die traditionelle Familie kein Prüfungsmaßstab für individuelle Rechte aus dem Arbeitsverhältnis mehr sein487 und diese Rsp führt weiterhin dazu, dass zumindest verheiratete Frauen mit gut verdienenden Ehemännern leichter gekündigt werden können.488 Die Betrachtung müsste jedenfalls sehr differenziert erfolgen. Fraglich ist, ob voll- und teilzeitbeschäftigte AN bei der Auswahl grds 165 vergleichbar sind. Der EuGH hat entschieden, dass der Gesetzgeber bei der betriebsbedingten Kündigung (nur) eines Teilzeitarbeitsplatzes die Vollzeitbeschäftigten nicht in die Sozialauswahl einbeziehen muss, weil dies die Teilzeitbeschäftigten bevorzugen würde.489 Der EuGH hat auch nicht verlangt, dass der AG im Rahmen der Gestaltungslast den Teilzeitbeschäftigten eine Vollzeitbeschäftigung als Alternative (mit der Folge der Kündigung einer weniger sozial schützenswerten Person) anbietet.490 Die E Kachelmann sagt aber nicht, ob der AG primär Teilzeit485 OGH 16.12.2005, 9 ObA 153/05y; kritisch Tinhofer, ZAS 2008, 54. 486 OGH 22.4.2010, 8ObA 23/10f; 28.08.2018, 8 ObA 50/18p. 487 Ebenso Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 105 Rz 247. 488 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 144. 489 EuGH 26.9.2000, C-322/98, Kachelmann, Rz 35; aA Mosler, DRdA 1999, 350 f. 490 Kritisch Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 nach FN 215 mit dem Hinweis, dass va für Frauen eine Vollzeitbeschäftigung nicht immer wertvoller ist als eine Teilzeitbeschäftigung, und dass Gleichbehandlung daher erfordere, dass der AG nicht nur den Vollzeitbeschäftig-
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beschäftigte kündigen darf oder den Wegfall des innerbetrieblichen Arbeitsbedarfes grds gleichmäßig auf Voll- und Teilzeitbeschäftigte aufteilen muss. Vor allem nimmt die E Kachelmann nur zum Fall Stellung, dass das nationale Gesetz den Vergleich von Teil- und Vollzeitbeschäftigten ausschließt. Macht das nationale Recht dazu keine Vorgaben, gelten wohl nur die allg Regeln des § 3. In der österr Lehre wurde pauschal gesagt, der AG dürfe die betriebsbedingte Kündigung nicht zum Abbau nur der Teilzeitbeschäftigten nutzen.491 Dies ist so nicht überzeugend, falls dieser Abbau ein wichtiges Bedürfnis des Unternehmens ist, also einem erforderlichen unternehmerischen Konzept entspricht. Es geht hier primär um die Organisationsmöglichkeiten des Unternehmers;492 allerdings darf der AG dann in nächster Zeit keine Teilzeitbeschäftigten einstellen. In den übrigen Konstellationen wird der AG hingegen alle in Betracht kommenden AN einzubeziehen haben493 und die Reduktion des Arbeitsbedarfes auf Voll- und Teilzeitbeschäftigte soweit möglich proportional verteilen müssen. 166 Kann die Kündigung nach § 105 ArbVG angefochten werden, so sind allein die gesetzlichen bzw richterlichen Kriterien maßgebend. Der AG hat darauf keinen Einfluss, und er kann (anders als bei gesetzlich vorgesehenem Entgelt) eine Verletzung der RL 2006/54/EG durch die Kriterien des ArbVG auch nicht durch eigene Maßnahmen vermeiden (außer durch Nichtkündigung, was aber hier nicht relevant ist). Es ist durchaus möglich, dass die vom OGH gewählte Auslegung des Gesetzes zu einer mittelbaren Diskriminierung führt;494 dies ist aber hier nicht zu erörtern (vgl Rz 162 ff). Die vom AG aufgrund eines vom OGH vorgegebenen, aber mittelbar diskriminierenden Auswahlkriteriums ausgesprochene Kündigung ist dann zwar rechtswidrig; die von § 12 Abs 7 vorgesehene Rechtsfolge der Anfechtung wird aber nicht helfen, weil ja das Gericht dieses Kriterium fordert. Rechtschutz des einzelnen AN ist dann nur durch Klage auf Schadenersatz gegen den Staat möglich. Überdies kann jedes ten eine Teilzeitbeschäftigung, sondern auch den Teilzeitbeschäftigten eine Vollzeitbeschäftigung anbietet, ohne deshalb den Gesamtabbau an Arbeitskapazität zu reduzieren. 491 Smutny/Mayr 311 mwN; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 143. 492 Vgl auch Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 76. 493 Ebenso Müller-Glöge in MüKo4 BGB § 611a Rz 11. 494 ZB Eichinger RdW 2002, 356 zur Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruches.
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Gericht die Vereinbarkeit der (seiner) Auswahlkriterien mit der RL 2006/54/EG prüfen oder durch den EuGH prüfen lassen. Der OGH hat diese Frage noch nie aufgegriffen,495 obwohl schon länger Bedenken bestehen, und er daher wohl zur Vorlage an den EuGH verpflichtet gewesen ist und weiterhin ist. Hinsichtlich Befristungen hat der EuGH es in der E Schuch-Ghanna- 166a dan bei einer gesetzlichen Regelung, die für befristet beschäftigte AN bei Teilzeitbeschäftigung eine längere maximal zulässige Dauer von Arbeitsverhältnissen festlegte als bei einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung, für möglich gehalten, dass diese Regelung eine mittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht darstellt.496 Leistungen, die der AG dem AN bei freiwilligem Ausscheiden zu zah- 167 len bereit ist, hat der EuGH 1982 der RL 76/207/EWG zugeordnet,497 in späteren E jedoch dem Entgelt und damit nun Art 157 AEUV.498 Sie sind daher auch unter Z 2 oder 5 zu subsumieren. Dasselbe gilt für Leistungen, die der AG bei Kündigung (insb Massenkündigung) ohne gesetzliche Verpflichtung zahlt oder zu zahlen hat, also zB in einem Sozialplan oder KollV vorgesehene Abfertigungen.499 Fraglich ist, ob Leistungen (eines Sozialplanes), die an das unterschiedliche gesetzliche Pensionsalter anknüpfen, und daher für Frauen in jüngeren Lebensjahren in Betracht kommen als für Männer, unmittelbar diskriminieren. Der EuGH hat dies für ein Überbrückungsgeld, das bis zu fünf Jahre lang bis zum Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters gezahlt wird, verneint,500 weil das Risiko der Arbeitslosigkeit jeweils in den letzten Jahren vor dem Pensionsalter besonders hoch sei, sodass 50-55jährige Frauen mit gleichaltrigen Männern sich nicht in einer vergleichbaren Lage befänden. Der Sozialplan verwende daher ein neutrales Kriterium. Dafür spreche auch, dass der Sozialplan nur eine vorübergehende Regelung treffe, und daher das unterschiedliche Pensionsantrittsalter nicht verfestige. Da der EuGH überdies spezifisch auf das Risiko der Arbeitslosigkeit abstellt, sind seine Erwägungen auf Betriebspensionen 495 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 144. 496 EuGH 3.10.2019, C-274/18, Schuch-Ghannadan. 497 EuGH 16.2.1982, 19/81, Burton, Rz 8. 498 ZB EuGH 27.6.1990, C-33/89, Kowalska; 9.12.1999, C-167/97, SeymourSmith; 9.12.2004, C-19/02, Hlozek, Rz 39. 499 EuGH Hlozek Rz 39 zu Sozialplan; dazu Urlesberger, ZAS 2005, 124 ff. 500 EuGH Hlozek Rz 48 f; anders die Generalanwältin.
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nicht übertragbar. In der Lehre wurde diese Entscheidung heftig diskutiert.501
XI. B etriebliches System der sozialen Sicherheit, insb Altersversorgung Literatur: Runggaldier, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung (1987); Eichinger, Rechtsfragen zum Gleichbehandlungsgesetz (1993); Runggaldier, Rückwirkung neuerer Rechtsprechung, RdW 1994, 50; Weinmeier, EuGH zur geschlechtsspezifischen Berechnung von Betriebspensionen, ZAS 1994, 145; Kirschbaum, Neues zur Gleichbehandlung der Geschlechter bei Betriebspensionen. Weitere EuGH-Urteile in der so genannten „Barber-Nachfolge“, ZAS 1995, 37; Weinmeier, EU und Betriebspensionen: Eine Frage des Stichtages für die Beseitigung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechtes, RdW 1995, 75; B. Gruber, Betriebspension und Gleichbehandlung, ecolex 1995, 273; ders, Betriebspensionen ohne geschlechtsbezogene Diskriminierung, ecolex 1995, 740; Gruber, Betriebspensionsrechtliche Auswirkungen von Karenz und Arbeitszeitreduktion, ZAS 1999, 97; Wiederin, Pensionsalter und Altersgrenzen-BVG, SozSi 2000, 488; Runggaldier, Die Bedeutung des EU-Rechts für die Betriebspension, in Tomandl (Hrsg), Der Einfluss des europäischen Rechts auf das Arbeitsrecht (2001) 63 ff; Wörister, Eigenständige Absicherung von Frauen. Entwicklungen in Österreich und aktuelle Reformvorschläge, SozSi 2001, 269; Runggaldier, Unisex Tarife auch für Betriebspensionen? RdW 2004, 82; Raulf/Gunia: Zwang zur geschlechtsneutralen Kalkulation in der betrieblichen Altersversorgung? NZA 2003, 534 ff; Spiegel, Auswirkungen des EG-Rechts auf das unterschiedliche Pensionsalter für Frauen und Männer, DRdA 2004, 3 ff, 116 ff; Körner, Unisex-Tarife und Entgeltgleichheitsgrundsatz bei der Riester-Eichel-Rente, NZA 2004, 760 ff; Hensche, Betriebliche Altersversorgung und Diskriminierungsverbot, NZA 2004, 828; Joussen, Europäische Vorgaben für Unisex-Tarif im Betriebsrentenrecht, ZESAR 2004, 315 ff; Urlesberger, Das unterschiedliche Pensionsantrittsalter als Rechtfertigungsgrund für weitere Ungleichbehandlungen? ZAS 2005, 124 ff; Radlingmayr, Nichtanrechnung der Karenzzeit bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen widerspricht Gemeinschaftsrecht, ecolex 2008, 345; Karpenstein, Harmonie durch die Hintertür? Geschlechtsspezifisch kalkulierte Versicherungstarife und das Diskriminierungsverbot, EuZW 2010, 885; Mönnich, Unisex-Tarife für Versicherungen: Die EuGH-Entscheidung vom 1. März 2011 - ein Jahr später, VR 2012/3, 20; Rebhahn, Korrektur einer Diskriminierung im Arbeitsleben für die Vergangenheit, RdW 2012, 481; Mayer, Arbeitsrechtliche Gleichbehandlungspflichten und Differenzierungsmöglichkeiten bei der betrieblichen Altersvorsorge, in Urnik/Pfeil (Hrsg), Betriebliche Altersvorsorge in der Krise (2013); Kietaibl in Schrammel (Hrsg), Betriebspensionsrecht (2015) 99; Glowacka, Betriebliche Altersvorsorge bei atypischer Beschäftigung, ASoK 501 Vgl Thomas/Forizs, ecolex 2009, 464; Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (6).
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2016, 251; Bieback/Kahil-Wolff, Kommentierung der RL 79/7/EWG und 2006/54/EG, in Fuchs (Hrsg), Kommentar zum Europäischen Sozialrecht7 (2018); Kietaibl/Schrammel, BPG und PKG – Betriebspensionsgesetz und Pensionskassengesetz2 (2018); Schlewing/Henssler/Schipp/Schnitker (Hrsg), Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung (2019); Schima, Die betriebliche Altersvorsorge, in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht (38. Lfg 2021).
1. Allgemeines und Direktzusagen Leistungen aus einem betrieblichen System der sozialen Sicherheit zäh- 168 len grds zum Entgelt iSd Art 157 AEUV und des § 3.502 Dies gilt insb für Leistungen zur Altersvorsorge.503 Die Anwendbarkeit wird durch das Protokoll Nr 2 zum Vertrag von Maastricht bestätigt. Es gilt aber umfassend und daher auch für den Schutz gegen andere Risiken. Die RL 2006/54/EG, die die RL 86/378/EG betreffend betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit und deren Änderungsrichtlinie RL 96/97/ EWG ersetzt hat, definiert in Art 2 Abs 1 lit f betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit als Systeme, die nicht durch die Richtlinie 79/7/ EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit geregelt werden, und deren Zweck darin besteht, den abhängig Beschäftigten und den Selbstständigen in einem Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe, in einem Wirtschaftszweig oder den Angehörigen eines Berufes oder einer Berufsgruppe Leistungen zu gewähren, die als Zusatzleistungen oder Ersatzleistungen die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit ergänzen oder an ihre Stelle treten, unabhängig davon, ob der Beitritt zu diesen Systemen Pflicht ist oder nicht. Art 7 Abs 1 erstreckt den Anwendungsbereich auf betriebliche Systeme, die Schutz gegen folgende Risiken bieten: Krankheit, Invalidität, Alter einschließlich vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Arbeitslosigkeit, sowie auf betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit, die sonstige Sozialleistungen in Form von Geld- oder Sachleistungen vorsehen, insbesondere Leistungen an Hinterbliebene und Familienleistungen, wenn diese Leistungen als vom AG aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses an den AN gezahlte Vergütungen gelten. Die RL 86/378/EG 502 ErwGr 13 RL 2006/54/EG; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 179. 503 Wichtig EuGH 8.4.1976, 43/75, Defrenne II; 13.5.1986, 170/84, Bilka; 17.5.1990, 262/88, Barber; OGH 23.4.2003, 9 ObA 256/02s; 29.4.2015, 9 ObA 11/15f.
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betraf ursprünglich nur Fragen, die innerhalb des Anwendungsbereiches des damaligen Art 141 EGV lagen und hatte daher nur eingeschränkte Bedeutung.504 Nach der Änderung durch die RL 96/97/ EWG konkretisierte sie für AN das von Art 141 EGV jedenfalls Verlangte (vgl Art 6 der RL), ging insofern aber wohl nicht über Art 141 EGV hinaus. Zusätzlich enthielt sie Regelungen für betriebliche Systeme für Selbständige. Die RL 2006/54/EG hat diese RL konsolidiert und widmet den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ein ganzes Kapitel (Kapitel 2, Artikel 5–13). Sowohl die RL 86/378 als auch die RL 96/97 (Änderungs-RL) und nun die RL 2006/54/EG waren von Österreich umzusetzen. Österreich hat allerdings dazu nur Generalklauseln erlassen, jedoch keine konkreten Bestimmungen. 169 Im Vordergrund des Interesses stehen Rechtsprobleme bei der betrieblichen Altersvorsorge einschließlich der nahe stehenden Risiken (Invalidität und Tod). Bei Krankheit, Arbeitsunfall und Berufskrankheit hat das Diskriminierungsverbot, soweit zu sehen, noch keine größeren Rechtsprobleme verursacht. Das Einbeziehen betrieblicher Altersvorsorge in Art 157 AEUV führt insb zu drei Problemkreisen: Erstens wird die betriebliche Altersvorsorge in Staaten mit geschlechtsspezifisch unterschiedlichem Pensionsalter in der gesetzlichen Altersversorgung (so Österreich) daran anknüpfen wollen, was zu Friktionen geführt hat und weiterhin führt. Zweitens wurden und werden die Beiträge zu Pensionskassen versicherungsmathematisch berechnet, sodass sie – auch bei gleichem Antrittsalter – wegen der deutlich höheren Lebenserwartung von Frauen für diese höher sind. Drittens geht es nach der Feststellung, dass jemand diskriminiert wurde, um die „Reparatur“ für Vergangenheit und Zukunft. Insb bei unzulässigem Ausschluss von Personen aus der betrieblichen Altersversorgung (zB Teilzeitbeschäftigte) führt die Beseitigung für die Vergangenheit zur Notwendigkeit, rückwirkend Jahre für die Betriebspension anzurechnen und zu finanzieren; bei der deutschen Post hat dies Hunderttausende betroffen und Milliarden gekostet. Auch die Notwendigkeit, das Anfallsalter der Männer und Frauen anzugleichen, bereitet beträchtliche Schwierigkeiten und Kosten. 170 Die betriebliche Altersvorsorge ist in verschiedener Hinsicht abzugrenzen, uzw zum einen von allg Versorgungssystemen, für die weder Art 157 AEUV noch die RL 2006/54/EG gelten, dafür aber die RL 504 EuGH Barber Rz 42.
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79/7/EWG zur Gleichbehandlung in der sozialen Sicherheit. Diese Abgrenzung ist va wichtig, weil die RL 79/7/EWG zwar auch die Gleichbehandlung nach dem Geschlecht verlangt, es in Art 7 Abs 1 lit a aber den Mitgliedstaaten erlaubt, „die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente oder Ruhestandsrente und etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen“ von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen. Für die Abgrenzung (insb zur gesetzlichen Pensionsbzw Rentenversicherung) ist entscheidend, ob ein ausreichender Zusammenhang zwischen der Leistung (zB Altersrente) und einem bestimmten Beschäftigungsverhältnis zu einem bestimmten AG besteht.505 Nach ständiger Judikatur gehört ein Versorgungssystem, „das im wesentlichen von der Beschäftigung abhängt, die der Betroffene ausübte“, zum Entgelt iSd Art 157 AEUV.506 Art 7 Abs 1 lit b RL 2006/54/EG formuliert anschaulich: „wenn die Leistungen an AN gezahlt werden und infolgedessen als vom AG aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses an den AN gezahlte Vergütungen gelten.“ Der erforderliche Zusammenhang besteht insb bei Leistungen (Versorgungssystemen), die auf einem Vertrag des AG mit dem AN oder einer ANVertretung oder auf einseitiger Entscheidung des AG oder auf einem KollV beruhen. Daneben gilt Art 157 AEUV aber auch für gesetzlich geregelte Versorgungssysteme, die nur eine besondere Gruppe von AN, insb jene eines bestimmten AG, erfassen, sofern die Leistung von der Dauer der erbrachten Dienste und der Höhe der bezogenen Entgelte abhängt.507 Art 157 AEUV gilt daher auch für die gesetzlich geregelten Pensionen der Beamten.508 Betriebliche Versorgungssysteme unterliegen Art 157 AEUV unabhängig davon, ob sie das allg System (Rentenversicherung) nur ergänzen oder aber – aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung – zur Gänze substituieren,509 auch wenn der Staat ein System betrieblicher Altersvorsorge für obligatorisch erklärt.510 Das ergibt sich auch aus Art 2 Abs 1 lit f RL 2006/54/EG. Der Anwen505 Vgl Bieback/Kahil-Wolff in Fuchs, RL 79/7 Art 3 Rz 2 ff; Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 52 f. 506 ZB EuGH 17.5.1990, 262/88, Barber, Rz 22 ff; 10.2.2000, C-50/96, Schröder, Rz 27. 507 EuGH 28.9.1994, C-7/93, Beune, Rz 16 ff, 43 ff; 29.11.2001, C-366/99, Griesmar, Rz 34–37; 23.10. 2003, C-4/02, Schönheit, Rz 56–63. 508 EuGH 1.4.2008, C-267/06, Maruko. 509 EuGH Barber Rz 28; 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 71; OGH 23.4.2003, 9 ObA 256/02s. 510 EuGH 6.10. 1993, C-109/91, Ten Oever, Rz 10–12.
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dungsbereich des Art 157 AEUV wird im Zweifel weit gezogen, auch weil so die Ausnahme für das unterschiedliche Anfallsalter der RL 79/7/EWG zurückgedrängt werden kann. In Österreich ist § 3 daher auch für gesetzlich geregelte Versorgungs- oder Zusatzversorgungssysteme für AN bestimmter AG anzuwenden (zB für Bundesbahn, Bundesforste und Bundestheater).511 Art 157 AEUV wird auch für jene privatrechtlich organisierten Pensionsregelungen gelten, die die Vorsorge nach ASVG ersetzen (vgl § 5 Abs 1 Z 3 ASVG). 171 Von privater Vorsorge ist der Anwendungsbereich des Art 157 AEUV primär danach abzugrenzen, ob der AG Vertragspartner ist. Art 8 Abs 1 lit c der RL 2006/54/EG nimmt alle Versicherungsverträge aus, bei denen der AG nicht Vertragspartei ist. Darüber hinaus fallen auch vom AG organisierte Vorsorgesysteme nicht unter Art 157 AEUV, sofern die Leistungen durch freiwillige Beiträge der AN finanziert werden.512 Art 157 AEUV gilt daher auch nicht für diese freiwilligen Beiträge der AN.513 Art 157 AEUV gilt für freiwillige Beiträge, die neben Beiträgen des AG oder obligatorischen Beiträgen der AN geleistet werden, auch dann nicht, falls daraus zusätzliche Leistungen finanziert werden,514 aber wohl nur falls diese zusätzlichen Beiträge und Leistungen in einem gesonderten Rechnungskreis verrechnet werden.515 172 Handelt es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersvorsorge (Rz 170 f), so fallen alle Ausgestaltungen in den Anwendungsbereich von § 3 und Art 157 AEUV: Leistungen (Pensionen), die der AG selbst zahlt,516 aber auch Leistungen, die er mittelbar zahlt,517 dh insb Leistungen von Pensionskassen;518 vgl zu den Leistungen Dritter näher Rz 186 ff. Dem Art 157 AEUV unterliegen ferner alle Leistungen eines Systems der betrieblichen Altervorsorge. Die Anwendbarkeit von 511 Runggaldier, Altersversorgung 70. 512 Art 8 Abs 1 lit e RL 2006/54/EG. 513 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 90 ff. 514 Vgl Art 8 Abs 1 lit d sublit i RL 2006/54/EG; Langenfeld in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 56. 515 Vgl EuGH Coloroll Rz 91. 516 Direktpension bzw direkte Leistungszusage; EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 20 ff. 517 ZB EuGH 9.10.2001, C-379/99, Menauer, Rz 20 f. 518 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 20 ff; 24.10.1996, C-435/93, Dietz, Rz 32.
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Art 157 AEUV hängt nicht davon ab, dass die Leistungsansprüche schon unverfallbar sind. Zweifelhaft ist, ob Art 157 AEUV auch für Leistungen eingreift, zu denen der AG nicht verpflichtet ist.519 Der OGH hat allerdings schon zum alten GlBG gesagt, dass auch jederzeit widerrufliche Leistungszusagen Entgelt iSd GlBG sind.520 Zuweilen sagt der AG eine Gesamtpension aus ASVG-Pension und Betriebspension in bestimmter Höhe zu (Gesamtzusage). Dies wird kaum ohne zumindest partielle Direktzusage des AG möglich sein, weil der Verpflichtete hier ja zumindest in bestimmtem Umfang das Risiko einer Verringerung der ASVG-Pension trägt und die Pensionskasse dieses Risiko dem AG kaum abnehmen wird. Entsprechend der allg Regel (Rz 90) werden auch bei betrieblichen Sys- 173 temen der sozialen Sicherheit die Leistungen grds getrennt auf ihre Vereinbarkeit mit Art 157 AEUV zu prüfen sein, also jedenfalls getrennt nach den einzelnen, in Art 7 Abs 1 lit a RL 2006/54/EG genannten Risiken wie Alter, Invalidität oder Hinterbliebenenleistungen. Ein Hauptproblem zu Betriebspensionen und ihrer Vereinbarkeit mit 174 Art 141 EGV war der Kreis der Begünstigten und damit der Ausschluss mancher Gruppen. Gem Art 9 Abs 1 lit a RL 2006/54/EG diskriminiert eine Reglung, die sich unmittelbar oder mittelbar auf das Geschlecht stützt, wenn sie die Personen festlegt, die Zugang zum System der betrieblichen sozialen Sicherheit haben. Unzulässig ist daher etwa der Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten vom Zugang zu einem betrieblichen Versorgungssystem, weil dadurch deren Arbeitsstunde geringer entlohnt wird.521 Teilzeitbeschäftigte haben dann einen Anspruch auf Aufnahme in das betriebliche System, uzw grds auch für die Vergangenheit (Rz 179). Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten können sich auch bei der Berechnung und Höhe der Pensionsleistung ergeben. Bei einer zyklisch-vertikalen Teilzeitarbeit, bei welcher ein Teil des Jahres in Vollzeit gearbeitet wird und ein anderer Teil nicht, war etwa auch die beschäftigungsfreie Zeit zu berücksichtigen;522 es ist aber zulässig, bei AN, die tw in Teilzeit und tw in Vollzeit gearbeitet 519 Vgl EuGH 22.12.1993, C-152/91, Neath, Rz 29 und 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 78, wo der EuGH entscheidend auf die Verpflichtung abstellt. 520 OGH 19.3.1985, 4 Ob 31/85. 521 EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 31; 10.2.2000, C-50/96, Schröder, Rz 29; aufgrund der Teilzeit-RL 97/81/EG 1.3.2012, C-393/10, O’Brien, Rz 64 ff. 522 EuGH 10.6.2010, C-395, 396/08, Bruno.
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haben, einen einheitlichen (durchschnittlichen) Beschäftigungsgrad heranzuziehen, sofern der pro-rata-temporis Grundsatz eingehalten wird.523 Fraglich ist, inwieweit eine Pflicht zur Einbeziehung auch für nur geringfügig Beschäftigte iSd ASVG gilt. Der Ausschluss von geringfügigen Arbeitsverhältnissen war früher mit dem Unionsrecht vereinbar; ob er es heute noch ist, erscheint zweifelhaft, wenn und weil auch die geringfügige Beschäftigung Versicherungszeiten nach ASVG begründet.524 In der Praxis wird der Erwerb einer unverfallbaren Anwartschaft aber idR am Erfordernis der Wartezeit scheitern, das auch vor Art 157 AEUV Bestand hat. 175 Art 157 AEUV ist nicht nur auf Leistungen an die ehemaligen AN, sondern auch an deren Hinterbliebene anzuwenden.525 Die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern in Bezug auf die Witwer- und Witwenpension ist eine unmittelbare Diskriminierung und unzulässig.526 Der OGH hat dazu 1990 gemeint, der AG müsse nur in jenem langsamen Tempo anpassen, das auch der österr Gesetzgeber vorsah.527 Im Anwendungsbereich des Art 157 AEUV haben Witwer zwar spätestens seit 1. 1. 1994 (Rz 180) das Recht auf volle Gleichstellung, allerdings nur in Bezug auf jene Anwartschaften, die nach diesem Zeitpunkt erworben wurden (Rz 180), sodass für Witwer die Regelung des nationalen Rechts – betreffend die Angleichung – insgesamt günstiger ist. 176 Das zweite Hauptproblem waren unterschiedliche Anfallsalter für Männer und Frauen in jenen Staaten, in denen auch die staatliche Vorsorge (zB ASVG) ein höheres Anfallsalter für Männer kennt, das aus der Sicht des Unionsrechts an sich eine unmittelbare Diskriminierung der Männer darstellt. Die RL 86/378/EWG hatte den Mitgliedstaaten ausdrücklich erlaubt, bei unterschiedlichem Anfallsalter im gesetzlichen System auch ein unterschiedliches Anfallsalter bei Betriebsrenten vorläufig zuzulassen. Die E Barber geht davon ab und hält ein unterschiedliches betriebliches Rentenalter grds für unvereinbar mit Art 119 523 EuGH 13.7.2017, C-354/16, Kleinsteuber. 524 Runggaldier, Altersversorgung 73 f. 525 ZB EuGH 9.10.2001, C-379/99, Menauer, Rz 18; 6.10.1993, C-109/91, Ten Oever, Rz 13. 526 EuGH 25.5.2000, C-50/99, Podesta, Rz 45. 527 OGH 19.12.1990, 9 ObA 219/90 unter Verweis auf Art II Abs 8 der 36. ASVG-Novelle; ebenso OGH 11.8.1993, 9 ObA 133/93.
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EWGV (jetzt Art 157 AEUV),528 auch wenn jenes für Frauen geringer ist. Diese E stellt somit allein auf die Gleichheit beim Anfallsalter ab, und nicht auch auf Überlegungen zum Ausgleich von Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsleben (wie dies häufig zum nationalen Recht erfolgte). Auf der anderen Seite berücksichtigt der EuGH aber auch nicht, dass die durchschnittliche Bezugsdauer einer Betriebspension bei Frauen selbst bei gleichem Anfallsalter aufgrund der höheren Lebenserwartung deutlich länger ist als bei Männern. Die E Barber betraf eine Betriebspension, die an die Stelle der staatlichen tritt (in Österreich selten; vgl aber § 5 Abs 1 Z 3 ASVG). Fraglich war dann, ob das unterschiedliche Anfallsalter zumindest dann zulässig ist, wenn die betriebliche Rente die gesetzliche nur ergänzen soll und beim Anfallsalter an das dort unterschiedliche anknüpft. Der EuGH hat ein Anknüpfen daran im Ergebnis jedoch abgelehnt.529 Art 9 Abs 1 lit f RL 2006/54/ EG bezeichnet die Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand nunmehr als dem Grundsatz der Gleichbehandlung entgegenstehende Bestimmung. Zulässig sind daher nur mehr Regelungen, die entweder ein gleiches Pensionsalter oder (vgl Art 13 RL 2006/54/EG) eine Möglichkeit zum flexiblen Ausscheiden zu gleichen Bedingungen vorsehen.530 Eine Bevorzugung von Frauen auch beim Anfallsalter wäre zwar auch anhand von Art 157 Abs 4 AEUV zu prüfen. In Deutschland wurde diese Lösung für eine gewisse Übergangszeit erwogen, die Subsumierbarkeit unter Art 157 Abs 4 AEUV wird aber wohl überwiegend abgelehnt,531 siehe dazu auch § 8 Rz 24. Eine Regelung, die das Anfallsalter pauschal geringer ansetzt, fällt sicher nicht darunter, weil nicht erkennbar ist, wie diese zusätzliche Benachteiligung der Männer die Gleichstellung fördern sollte.532 Probleme bereiten häufig auch Regelungen, die an das unterschiedliche 177 Anfallsalter bei staatlichen Pensionen anknüpfen und in der Folge unmittelbar oder verdeckt nach dem Geschlecht differenzieren. Die von Art 7 Abs 1 RL 79/7/EWG (Rz 170) den Mitgliedstaaten eröffnete 528 EuGH 17.5.1990, C-262/88, Barber, Rz 32, 14; ebenso 7.10.2019, C-171/18, Safeway Ltd, Rz 14. 529 EuGH 14.12.1993, C-110/91, Moroni, Rz 17 ff; ebenso OGH 23.4.2003, 9 ObA 256/02s. 530 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 73. 531 Vgl Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 91 f. 532 Vgl auch die Erwägungen in EuGH 29.11.2001, C-366/99, Griesmar, Rz 62 ff.
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Möglichkeit, Regelungen, welche auf dem unterschiedlichen Anfallsalter notwendig aufbauen, beizubehalten und erforderlichenfalls auch zu modifizieren,533 wird wohl nur selten Differenzierungen durch den AG oder den KollV rechtfertigen können, wenn man, wie der EuGH (Rz 176), davon ausgeht, dass das unterschiedliche Anfallsalter der gesetzlichen Pension ein unterschiedliches Anfallsalter bei den Betriebspensionen nicht rechtfertigt. Selbst bei einer Gesamtpensionszusage des AG wird der AG für seinen Leistungsteil das Pensionsalter nun gleich hoch ansetzen müssen.534 Es ist daher auch unzulässig, einen Heizkostenzuschuss an das Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters von 65/60 zu knüpfen, weil die Verschiedenbehandlung (auch durch einen AG) nicht objektiv und notwendig an die gesetzliche Differenzierung geknüpft ist; der Bedarf bzw das Risiko, der durch den Zuschuss abgedeckt werden soll, hängt nicht notwendig mit dem gesetzlichen Anfallsalter zusammen.535 Unzulässig ist ferner ein unterschiedliches Höchstalter für anrechenbare Dienstzeiten, das sich am Anfallsalter der vorzeitigen Alterspension orientiert (bei Frauen wurden Dienstzeiten nur bis zum 55., bei Männern bis zum 60. Lebensjahr angerechnet).536 Keine Diskriminierung hat der EuGH hingegen gesehen, wenn der AG bei Frührente Männern mehr als gleichaltrigen Frauen zahlt, um so auszugleichen, dass Männer in diesem Zeitraum aufgrund eines unterschiedlichen Anfallsalters weniger oder noch keine staatliche Rente bekommen. Es fehle an einer vergleichbaren Lage.537 Damit weicht der EuGH aber dem Problem aus; besser wäre es, eine Rechtfertigung zu prüfen und mit dem Argument zu bejahen, es handle sich um eine notwendige Maßnahme, um das zwangsläufig gleiche Anfallsalter bei Betriebspensionen mit dem unterschiedlichen Anfallsalter bei gesetzlicher Rente zu koordinieren. In Art 8 Abs 2 der RL 2006/54/EG wird dieser Übergangsrenten-Fall als eine Ausnahme vom sachlichen Anwendungsbereich genannt. Der OGH hat Abschläge für Frauen, wenn und weil sie bereits vor dem 60. Lebensjahr in Pension gehen konnten, nicht als Verstoß gegen das alte GlBG angesehen, (soweit und) weil dadurch nur der Tatsache Rechnung getragen wird, dass 533 EuGH 23.5.2000, C-104/98, Buchner, Rz 23 f; 4.3.2004, C-303/02, Haackert, Rz 29 f. 534 Runggaldier, Altersversorgung 79. 535 EuGH 16.12.1999, C-382/98, Taylor, Rz 28 ff. 536 OGH 23.4.2003, 9 ObA 256/02s. 537 EuGH 9.11.1993, C-132/92, Birds Eye Walls, Rz 17 f.
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Frauen daher die Pension länger beziehen können.538 Diese Maßnahme ist wohl auch nach Art 157 AEUV zulässig, vorausgesetzt die sonstige Berechnungsformel (vor dem Abschlag) ist für beide Gruppen gleich. Zu einer am Pensionsantrittsalter anknüpfenden Beendigung siehe Rz 160. Neben dem Ausschluss bestimmter AN-Gruppen sowie dem Anfalls- 178 alter und dessen Folgen haben andere Fragen eine vergleichsweise geringe Rolle gespielt. Eine unmittelbare Diskriminierung stellt es dar, wenn Kindererziehungszeiten nur für Mütter die Anwartschaft erhöhen, und nicht auch für Väter, welche in gleicher Weise erzogen haben.539 Ebenso ist es unzulässig, eine vorzeitige Pension wegen unheilbarer Krankheit des Partners nur für weibliche AN und nicht auch für Männer vorzusehen.540 Diese E müssen auch für Betriebspensionen gelten. Werden Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung für die Betriebspension nur in geringerem Ausmaß berücksichtigt als Zeiten der Vollbeschäftigung, so liegt darin eine vermutete Benachteiligung, falls diese Gruppe vergleichsweise erheblich mehr Frauen als Männer umfasst.541 Die Benachteiligung ist allerdings objektiv gerechtfertigt, wenn die Pension wegen der Teilzeitbeschäftigung höchstens in jenem Ausmaß gekürzt wird, welches der geringeren Dienstleistung von Teilzeitbeschäftigten entspricht.542 Auch die Tatsache, dass Betriebsrenten für Frauen geringer sind, wenn und weil sie die Erwerbstätigkeit häufiger unterbrochen haben, kann daher keine mittelbare Diskriminierung sein.543 Die Abhängigkeit vom Ausmaß der Beschäftigung ist hier sachlich, der AG ist nicht verpflichtet, die Auswirkungen persönlicher Entscheidungen auszugleichen. Fraglich ist ferner, ob Zeiten eines längeren Karenzurlaubes nach Geburt wie Arbeitszeit gewertet werden müssen. Man muss auch hier nach der Norm unterscheiden, welche zur Beurteilung herangezogen wird. In Bezug auf die RL 92/85/EG hat der EuGH gesagt, dass die Zeit eines Mutterschaftsurlaubes für eine Betriebspension auch angerechnet werden muss, wenn während dieser Zeit kein
538 OGH 19.3.1985, 4 Ob 31/85. 539 EuGH 29.11.2001, C-366/99, Griesmar, Rz 52 f. 540 EuGH 13.12.2001, C-206/00, Mouflin, Rz 31. 541 EuGH 23.10.2003, C-4/02, Schönheit, Rz 69 f. 542 EuGH Schönheit Rz 90–96. 543 Vgl EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 38 ff und 13.12.1994, C-297/94, Grau-Hupka, Rz 28, allerdings nicht zur Hauptfrage.
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Entgelt bezogen wurde;544 dies gilt aber nur für den sehr kurzen Mutterschaftsurlaub dieser RL (Rz 147). Dann ergeben sich daraus aber auch keine Folgen für längere Karenzen. Es liegt daher keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vor, wenn ein KollV bei der Seniorität eine Mutterschutzkarenzzeit von über drei Monaten nicht anrechnet.545 Nach Art 9 lit g RL 2006/54/EG liegt hingegen eine verbotene Diskriminierung vor, wenn durch einen gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegten Mutterschaftsurlaub oder Urlaub aus familiären Gründen das Aufrechterhalten oder der Erwerb von Anwartschaften für eine Betriebspension unterbrochen wird, falls der Urlaub vom AG bezahlt wird.546 Es kommt also darauf an, ob der AG das Entgelt weiterzahlt. Da dies bei der Karenz iSd § 15 MSchG nicht der Fall ist, verlangt die RL 2006/54/EG nicht, dass die Zeiten dieser Karenz auf Betriebspensionen angerechnet werden.547 Und auch aus Art 5 der Rahmenvereinbarung zur RL 2010/18/EU folgt nicht, dass der AG für eine Betriebspension Zeiten des Elternurlaubes wie Arbeitszeiten, also als Anwartschaftszeit, behandeln muss (Rz 147).
2. Korrektur insb für die Vergangenheit 179 Der aus dem Diskriminierungsverbot Verpflichtete – meist der AG, aber auch eine Pensionskasse (Rz 172) – ist grds auch zur Gleichstellung für die Vergangenheit verpflichtet. Der EuGH lässt dabei jedenfalls für die Vergangenheit nur eine Angleichung nach oben zu, also bei unterschiedlichem Anfallsalter einen Anspruch der Männer auf Gleichbehandlung mit den Frauen. Denn bis zur Korrektur ist die bestehende Regelung das einzig zulässige Bezugssystem.548 Der EuGH hat jüngst in der E Safeway eine rückwirkende Angleichung nach unten (trotz einer entsprechenden Klausel im Treuhandvertrag) als unzulässig beurteilt.549 Dies kann den Zahlungspflichtigen besonders bei betrieblichen Rentensystemen stark belasten. Es geht dabei weniger um Zahlungspflichten für die Vergangenheit, sondern weit stärker um die Frage, inwieweit der 544 EuGH 27.10.1998, C-411/96, Boyle, Rz 85. 545 OGH 29.3.2012, 9 ObA 58/11m. 546 Vgl dazu EuGH 13.1.2005, C-356/05, Mayer. 547 Mohr in Franzen/Gallner/Oetker, RL 2006/54/EG Art 9 Rz 8. 548 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 32 f; 28.9.1994, C-408/92, Smith, Rz 14 ff; 28.9.1994, C-28/93, van den Akker, Rz 16 ff; Rebhahn, RdW 2012, 481. 549 EuGH 7.10.2019, C-171/18, Safeway Ltd.
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Verpflichtete für viele (ehemalige) AN nachträglich Anwartschaften begründen oder erhöhen und finanzieren muss. Aus der Sicht des allg Unionsrechts sind dafür zwei Daten relevant, die Stichtage 8. 4. 1976 als Datum der Entscheidung Defrenne II und 17. 5. 1990 als Datum der Entscheidung Barber (Rz 183, zu mglw anderen Stichtagen für das österreichische Recht Rz 180).550 Angleichung bedeutet etwa, dass dem diskriminierend vom betrieblichen System Ausgeschlossenen ab dem Stichtag (8. 4. 1976) nachträglich Dienstzeiten als Anwartschaften anzurechnen sind.551 Und bei unterschiedlichem Anfallsalter bedeutet Angleichung, dass (1) Männer bis zu einer anderen Regelung grds Anspruch auf Leistungen ab dem für Frauen geltenden Anfallsalter haben,552 oder doch (2) bei späterem Bezug ihre Pensionen so berechnet werden, als hätte auch für sie das Anfallsalter der Frauen gegolten (Rz 185). Art 12 Abs 1 RL 2006/54/EG bestimmt daher (in Fortsetzung von Art 2 Abs 1 der RL 96/97): „(1) Jede Maßnahme zur Umsetzung dieser RL in Bezug auf die Arbeitnehmer deckt alle Leistungen der betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit ab, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17. Mai 1990 gewährt werden, und gilt rückwirkend bis zu diesem Datum, außer im Fall von Arbeitnehmern oder ihren anspruchsberechtigten Angehörigen, die vor diesem Zeitpunkt nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht Klage bei Gericht oder ein gleichwertiges Verfahren nach dem geltenden einzelstaatlichen Recht angestrengt haben. In diesem Fall werden die Umsetzungsmaßnahmen rückwirkend bis zum 8. April 1976 angewandt und decken alle Leistungen ab, die für Beschäftigungszeiten nach diesem Zeitpunkt gewährt werden. […]“ Für Sachverhalte aus Österreich ist jedoch zu beachten, dass die Re- 180 geln, die der EuGH zu Betriebsrenten entwickelt hat, nur eingeschränkt gelten, weil Österreich erst 1994 beigetreten ist. Schon Art 2 Abs 3 der RL 96/97/EG (Änderungs-RL) hat in Bezug auf Anpassungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten (Rz 179) bestimmt: „Für Mitgliedstaaten, die nach dem 17. Mai 1990 der Gemeinschaft beigetreten sind und zum 1. Januar 1994 Vertragsparteien des Abkommens über den Europä ischen Wirtschaftsraum waren, wird das Datum ‚17. Mai 1990‘ in den Absätzen 1 und 2 durch ‚1. Januar 1994‘ ersetzt.“ Der EuGH hat diesen Gedanken verallgemeinert und zu Finnland, das zeitgleich mit Österreich beigetreten ist, ausgeführt: Betrifft ein Sachverhalt Dienstzeiten, 550 Vgl Franzen in Franzen/Gallner/Oetker, AEUV Art 157 Rz 27. 551 ZB EuGH 11.12.1997, C-246/96, Magorrian/Cunningham. 552 Schima Rz 94.
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die sowohl vor als auch nach dem Beitritt zum EWR und zur EU zurückgelegt worden sind, so gilt der Grundsatz des gleichen Entgelts für diesen Mitgliedstaat gemäß Art 69 des EWR-Abkommens erst seit dem 1. Januar 1994, und damit nur für Dienstzeiten nach diesem Datum. Gemäß Art 6 dieses Abkommens ist Art 69, was seine zeitliche Anwendbarkeit auf ein Rentensystem der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art angeht, nämlich im Licht des Urteils Barber auszulegen.553 Daraus folgt: Das Unionsrecht verlangt nicht, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz bei Betriebspensionen für Dienstzeiten vor dem 1.1.1994 in Anspruch genommen werden kann.554 Der EuGH überträgt also den tragenden Gedanken (und nicht das Datum) der Barber-Entscheidung, weil die AG in Finnland und Österreich vor dem Beitritt nicht davon ausgehen mussten, dass das Anfallsalter bei Betriebspensionen für Frauen und Männer gleich sein müsse. 181 Das Unionsrecht verbietet es allerdings nicht, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz des Unionsrechts nach nationalem Recht schon für frühere Dienstzeiten und Anwartschaften angewendet wird, die vor dem laut Unionsrecht maßgeblichen Datum liegen, dass das nationale Recht dem Gleichbehandlungsgrundsatz also mehr an „Rückwirkung“ zumisst, als das Unionsrecht verlangt.555 In Österreich kommt es demzufolge primär darauf an, ob eine bestimmte Ungleichbehandlung, die heute unter Art 157 AEUV fällt, schon vor 1994 verboten war, und welche Rechtsfolge damals daran geknüpft war. Dies lässt sich nicht allg und pauschal beantworten, sondern nur für die einzelnen Fragen. Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass insb der Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten und ein unterschiedliches Anfallsalter bereits vor dem Beitritt zum EWR unabhängig vom Unionsrecht rechtlich bedenklich gewesen wären.556 Insb kann der Inhalt des Unionrechts nicht in den 1990 in Kraft getretenen § 18 BPG hineingelesen werden, weil die Zielrichtung eine ganz andere war.557 In der Literatur wird zuweilen gesagt, 553 EuGH 12.9.2003, C-351/00, Niemi, Rz 54; jüngst bestätigt in den Schlussanträgen von GA Rantos zu C-405/20, BVAEB. 554 Ebenso Schima Rz 92. 555 EuGH 10.2.2000, C-50/96, Schröder, Rz 46 ff; 10.2.2000, C-270/97, Sievers, Rz 48 ff. 556 OGH 23.4.2003, 9 ObA 256/02s nimmt dazu nicht Stellung. 557 Vgl Kietaibl/Schrammel, BPG 185, der genau zwischen § 18 BPG und dem GlBG differenziert; ebenso zweifelnd Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 79.
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dass das österr GlBG 1979 in Bezug auf den Entgeltbegriff seit der Novelle 1990 und in Bezug auf das Anfallsalter seit Anfang 1993 ganz im Sinne der EuGH-Judikatur zu verstehen gewesen sei.558 Und auch der OGH hat 1994 gesagt, dass bereits mit der zweiten Novelle zum GlBG (Inkrafttreten: 14. 7. 1990) dem Richtlinienrecht weitgehend entsprochen werden sollte, und dass die dritte Novelle (Inkrafttreten: 1. 1. 1993), die erst den Wortlaut des GlBG in wesentlichen Fragen an das Unionsrecht heranführte, nur „klarstellende“ Bedeutung haben sollte.559 Allerdings wurde und wird das Wort „klarstellen“ zunehmend sinnfremd gerade dann verwendet, wenn der Normsetzer oder ein Gericht in der Sache eine Änderung vorhaben. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der österr Gesetzgeber bereits 1990 den gesamten Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu Betriebspensionen im GlBG miterfassen wollte; hätte er derartiges gewollt, dann hätte er wohl eine besondere Regelung im BPG getroffen. Jedenfalls in Bezug auf das Anfallsalter kann der Rückwirkung für Zeiten vor dem 1. 1. 1994 nicht gefolgt werden.560 Der Verfassungsgesetzgeber hat die Auffassung des VfGH, das unterschiedliche Pensionsalter ist gleichheitswidrig, ja umgehend ausgehebelt.561 Dann kann aber die Generalklausel eines nationalen Gesetzes ein unterschiedliches Anfallsalter für Betriebspensionen nicht verbieten wollen, weil der Sachzusammenhang mit dem Anfallsalter der gesetzlichen Pension offenkundig eng ist. Nur der Zwang des Unionsrechts (genauer die Rücksichtslosigkeit des EuGH) können sich über diesen Sachzusammenhang hinwegsetzen. Das österr Recht hat daher vor 1994 ein unterschiedliches Anfallsalter auch bei Betriebspensionen erlaubt.562 In Bezug auf die anderen Fragen kann ein etwas früheres Datum maßgebend sein. Für das Einbeziehen von Teilzeitbeschäftigten stellt Weinmeier auf den 1. 1. 1993 als Inkrafttretensdatum der 3. Novelle zum GlBG 1979 ab.563 Hervorzuheben ist, dass es seit 558 Ausführlich Gruber, ecolex 1995, 273 ff mwN; ders, ecolex 1995, 653; Eichinger, Rechtsfragen zum Gleichbehandlungsgesetz 24 ff; Körber-Risak Rz 14. 559 OGH 14.9.1994, 9 ObA 801/94. 560 Ebenso Weinmeier, RdW 1995, 306 ff; Schima Rz 92; aA Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 79 – 1.1.1993 als Stichtag. 561 BGBl 1992/832. 562 Ebenso Runggaldier, Altersversorgung 79; Schima Rz 95. 563 RdW 1995, 306 ff; ebenso Runggaldier 72 und Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 3 Rz 79; man vgl die Einschränkungen, die Schrammel 1992 machte, BPG1 199.
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1994 keine Entscheidung des österr Gesetzgebers gibt, die für die Gleichbehandlung diesbezüglich mehr an Rückwirkung verlangt, als das Unionsrecht selbst gebietet (nächste Rz). 182 Fordert das Unionsrecht die nachträgliche Begründung von Anwartschaften (etwa für Zeiten der Teilzeitbeschäftigung) oder eine vorteilhaftere Berechnung der Pension für bestimmte Anwartschaftszeiten (zB unter Zugrundelegung eines niedrigeren Anfallsalters) so stellt sich die Frage, wann die Verjährung des Rechts auf rückwirkende Anerkennung beginnt: erst mit der Möglichkeit einer Leistungsklage oder schon mit der Möglichkeit einer Feststellungsklage (also ab 1994)? Das Unionsrecht verlangt diesbezüglich va, dass die Vorschriften für Rechte aus dem Unionsrecht „nicht ungünstiger sind als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen, sofern sie die Ausübung des Gemeinschaftsrechts nicht praktisch unmöglich machen“.564 Auf Ansprüche nach dem GlBG ist nach § 15 (früher § 10b) GlBG § 1486 ABGB anzuwenden, sodass die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt. Hat der AG Beiträge an eine Pensionskasse zu zahlen, so könnte die Leistungsklage daran ansetzen (allerdings nur, wenn ein Recht auf höhere Beiträge des AG und nicht bloß ein Recht auf höhere Leistung besteht), und das Recht auf Gleichbehandlung schon während der Anwartschaft kontinuierlich verjähren.565 Bei einer Direktpension ist die Lage hingegen schwieriger, weil hier während der Anwartschaftszeit nur eine Klage auf Feststellung in Betracht zu kommen scheint. Allerdings ist in beiden Fallgruppen zu erwägen, dass die Verjährung der auf das GlBG gestützten Ansprüche bereits mit dem (deutlich erkennbaren) Vorliegen der Diskriminierung beginnt, also bei einer Pensionskasse mit der diskriminierenden Beitragsleistung und bei Direktpensionen mit dem Bestehen der diskriminierenden Pensionsregelung. Zu beachten sind aber auch die Anforderungen des Unionsrechts. 183 Was das allgemeine Unionsrecht betrifft, so gilt eine vom EuGH für richtig erkannte Rechtslage grds auch für die Vergangenheit, uzw ab dem Inkrafttreten der relevanten Norm (hier des Art 119 alt, der erst Anfang 1965 voll wirksam wurde). Der EuGH meint nämlich, er beschränke sich bei der Auslegung des Unionsrechts darauf, „die Bedeutung und Tragweite dieser Vorschrift, so wie sie seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden gewesen wäre, zu erläutern und zu ver564 Vgl Rz 34 sowie Art 12 Abs 2 RL 2006/54/EG. 565 Dafür Gruber, ecolex 1995, 740.
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deutlichen.“ Nur ausnahmsweise könne der Grundsatz der Rechtssicherheit den EuGH dazu veranlassen, diese Wirkung zulasten Privater einzuschränken.566 Gerade bei Betriebspensionen liegt es nahe, das früher für richtig gehaltene Verständnis der Norm nicht „rückwirkend“ unrichtig werden zu lassen. Der EuGH berücksichtigt das frühere Vertrauen der Zahlungspflichtigen in eine bestimmte Rechtsauffassung aber auch bei Betriebspensionen nur teilweise. Schon die E Defrenne II hat die Rückwirkung dieses Urteils beschränkt: Die unmittelbare Wirkung von ex-Art 119 kann nicht für Zeiten vor dem 8. 4. 1976 geltend gemacht werden.567 Die E Bilka aus 1986 betreffend den Anschluss Teilzeitbeschäftigter hat die zeitliche Wirkung dieses Urteils hingegen nicht beschränkt. Die E Barber568 hat ihre Wirkungen – va unter Hinweis auf die RL 86/378/EWG – zeitlich wieder beschränkt, wenn dies auch vorerst nur für Systeme ausgesprochen wurde, welche das gesetzliche Vorsorgesystem ersetzen. Die möglichen Folgen der E Barber für den Fall, dass man sie rückwirkend anwendet, haben den Rat der EG im Februar 1992 in Maastricht veranlasst, ein Protokoll (Barber-Protokoll)569 zu Art 119 EWGV zu beschließen: „Im Sinne des Artikels 119 gelten Leistungen aufgrund eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit nicht als Entgelt, sofern und soweit sie auf Beschäftigungszeiten vor dem 17.5.1990 zurückgeführt werden können, […]“. Aus diesem Wortlaut scheint zu folgen, dass aus Dienstzeiten vor dem Stichtag überhaupt keine Ansprüche auf Gleichbehandlung nach Art 157 AEUV und seinen Vorgängerbestimmungen abgeleitet werden können. Der EuGH drängt die Bedeutung dieses Protokolls aber etwas zurück 184 und wendet den Ausschluss der Rückwirkung nicht immer an. Eine Beschränkung der Rückwirkung komme nur für Fragen in Betracht, zu denen AG und Rentensysteme aufgrund von vorübergehenden Ausnahmevorschriften des Unionsrechts für Betriebsrenten (insb in der RL 2006/54/EG) vernünftigerweise eine Ungleichbehandlung als zulässig ansehen konnten, auch weil ansonsten die Gefahr schwerwiegender Störungen (hier) des betrieblichen Systems bestehe; nur insoweit sei der gute Glauben der Betroffenen zu schützen. In Bezug auf den Anschluss an ein betriebliches System hätten sich die Betroffenen aber seit der E Defrenne II nicht über den Inhalt des Art 119 EWGV irren können, 566 EuGH 20.11.2001, C-184/99, Grzelczyk, Rz 50 ff; vgl auch Rz 31 f. 567 EuGH 8.4.1976, 43/75, Defrenne II, Rz 74 f. 568 EuGH 17.5.1990, C-262/88, Rz 40 ff. 569 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 81.
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zumal auch die E Bilka ihre (Rück)Wirkung nicht beschränkt hat. Eine Beschränkung der Rückwirkung auf Zeiten vor der E Barber komme daher zwar beim Anfallsalter, nicht aber beim Anschluss von Teilzeitbeschäftigten in Betracht.570 Der EuGH beachtet uE zu wenig, dass die Rechtslage in Bezug auf Teilzeitbeschäftigte vor Bilka keineswegs so klar war, wie er nachher meinte. Er war aber nicht bereit, nachträglich eine Rückwirkung der E Bilka auszuschließen. Von der betrieblichen Altersvorsorge diskriminierend Ausgeschlossene (insb Teilzeitbeschäftigte) können ihren Anspruch auf Gleichstellung aufgrund EU-Rechts und daraus folgend auf Zugang zum Betriebsrentensystem und Zahlungen also an sich schon für Dienstzeiten ab 8. 4. 1976 rückwirkend geltend machen.571 Teilzeitbeschäftigte können dementsprechend verlangen, dass Dienstzeiten ab dem 8. 4. 1976 für die Berechnung der Leistungen berücksichtigt werden. Das Unionsrecht verbietet auch Regelungen, welche die Geltendmachung dieses Rechts übermäßig erschweren, etwa dass Ansprüche nur aus Dienstzeiten abgeleitet werden können die noch nicht länger als zwei Jahre zurückliegen.572 Für Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1. 1. 1994 in Österreich ihren Schwerpunkt hatten (gewöhnlicher Arbeitsort), ist hingegen aus der Sicht des Unionsrechts das Datum 1. 1. 1994 (Rz 180; oder ein nach nationalem Recht früheres Datum; Rz 181) maßgebend: Die Teilzeitbeschäftigten können nur verlangen, dass Dienstzeiten erst ab diesem Datum für die Berechnung der Leistungen berücksichtigt werden.573 Die praktische Bedeutung des Rechts auf Anschluss wird aber zum einen dadurch beschränkt, dass die (ehemaligen) AN dann auch AN-Beiträge zum Versorgungssystem nachzahlen müssen, falls solche vorgesehen waren.574 Überdies kann das Recht auf Anschluss durch Verjährung beschränkt sein (Rz 182). 185 Die Begrenzung der zeitlichen Rückwirkung der E Barber greift aber in mehrere andere Fragen ein. Insb gibt es eine zeitliche Schranke, wenn es um die Gleichbehandlung in Bezug auf das Anfallsalter geht. Das Ren570 EuGH 28.9.1994, C-57/93, Vroege, Rz 19 ff; 28.9.1994, C-262/88, Fisscher, Rz 17-24; 28.9.1994, C-7/93, Beune, Rz 55 ff; 10.2.2000, C-50/96, Schröder, Rz 35 ff. 571 EuGH 24.10.1996, C-435/93, Dietz, Rz 18 ff; 11.12.1997, C-246/96, Magorrian/Cunningham, Rz 20–35. 572 EuGH 16.5.2000, C-78/98, Preston, Rz 31 ff, 68 f. 573 Unklar Mengl, ecolex 2005, 144. 574 EuGH 28.9.1994, C-262/88, Fisscher, Rz 34 ff.
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tenanfallsalter für Renten für Frauen und Männer muss (erst) ab 17. 5. 1990 gleich sein;575 in Österreich erst ab 1. 1. 1994 (Rz 180 f), soweit eine vergleichbare Lage vorliegt. Daher kann auch eine Gleichbehandlung beim Anfallsalter nur für Leistungen verlangt werden, die für Beschäftigungszeiten nach dem 17. 5. 1990 (Österreich 1. 1. 1994) geschuldet werden, und damit nur für Anwartschaftszeiten nach diesem Zeitpunkt.576 Bei der Berechnung der Renten darf für die Dienstzeiten vor dem 17. 5. 1990 (Österreich: 1. 1. 1994) vom unterschiedlichen Anfallsalter ausgegangen werden.577 Der Ausschluss der Rückwirkung erstreckt sich aus der Sicht des Unionsrechts auch auf Nachzahlung von Renten für die Zeit vor dem 17. 5. 1990,578 bzw in Österreich vor dem 1. 1. 1994 oder ein nach nationalem Recht früheres Datum (Rz 180 f). All dies gilt auch für Hinterbliebenenrenten,579 bei deren Berechnung ja oft vom Anfallsalter auszugehen ist. Soweit der Rentenanspruch jedoch auf Anwartschaftszeiten nach dem 17. 5. 1990 (zu Österreich Rz 180 f) gestützt wird, ist hingegen von einem gleichen Anfallsalter auszugehen. Der Ausschluss der Rückwirkung kann auch für andere Fragen als das Anfallsalter eingreifen, so wenn die Berechnungsregeln für Frauen und Männer unterschiedlich sind,580 und bei unterschiedlichen Regeln für Witwen und Witwer.581 Für Österreich tritt an die Stelle des Stichtages 17. 5. 1990 aus der Sicht des Unionsrechts also grds stets der Stichtag 1. 1. 1994 (vgl aber Rz 181). Auch in Österreich kann ein unterschiedliches Anfallsalter seit diesem Stichtag nicht mehr mit dem unterschiedlichen Anfallsalter bei den ASVG-Pensionen gerechtfertigt werden, weil der EuGH dies abgelehnt hat. Das war schon seit 1994 bekannt. Sieht die betriebliche Pensionsregelung nach wie vor ein unterschiedli- 186 ches Pensionsalter vor und wird dies auch praktiziert, dann haben Männer grds Anspruch auf Gleichstellung mit Frauen beim Anfallsalter.582 Fraglich ist allerdings, was dies praktisch bedeutet, falls die gesetzliche Pension der Männer erst bei einem späteren Anfallsalter bezogen werden kann. Insb ist fraglich, ob sie Zahlung der Betriebspen575 EuGH 28.9.1994, C-28/93, van den Akker, Rz 18 f. 576 EuGH 6.10.1993, C-109/91, Ten Oever, Rz 19; Schima Rz 94. 577 EuGH 28.9. 1994, C-7/93, Beune, Rz 66–68. 578 EuGH 17.4. 1997, C-147/95, Evrenopoulos, Rz 30 ff. 579 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 51–55. 580 EuGH 28.9.1994, C-7/93, Beune, Rz 63 ff. 581 EuGH Ten Oever Rz 3, 19. 582 Vgl zur Sanierung Gruber, ecolex 1995, 740 ff.
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sion auch neben dem Erwerbseinkommen verlangen können, wenn für Frauen die Aufgabe der Erwerbstätigkeit Voraussetzung für den Leistungsbezug ist. Grds kann auch ein Bezug neben dem Erwerbseinkommen sinnvoll sein (so wie bei privater Vorsorge). Das Recht auf Gleichstellung mit den Frauen befreit aber wohl nicht von der Voraussetzung der Aufgabe der Erwerbstätigkeit. Die Männer müssen daher vorerst zwischen Erwerbstätigkeit und Betriebspension wählen. Das müsste wohl auch bei einer Gesamtpensionszusage gelten. Die Alternative wäre, dass der AG den Männern ab dem Anfallsalter für Frauen eine Teilpension zahlt;583 allerdings wird dann idR die Voraussetzung der Aufgabe der Erwerbstätigkeit ignoriert. Auch aus den E Kleist584 und Kuso585 kann wohl nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, da es dort eben um unterschiedliche Zeitpunkte der Aufgabe der Erwerbstätigkeit (zum Regelpensionsalter) ging und nicht um gleiche. Sobald die Männer aber alle Voraussetzungen der Betriebspension erfüllen, ist fraglich, ob die Pension nun so zu berechnen ist, als hätte der Bezug bereits mit dem geringeren Anfallsalter für Frauen begonnen. Wenn überhaupt, so kommt eine solche fiktive Berechnung nur zum Vorteil der Leistungsberechtigten in Betracht, aber auch dies ist zweifelhaft. Für den Fall, dass der AG den Männern nachträglich aufgrund des Unionsrechts schon zum Anfallsfalter für Frauen (und damit früher als unabhängig vom Unionsrecht geboten) den Zugang zur Betriebspension eröffnet, ist fraglich, ob er dann einen Abschlag speziell nur für Männer vorsehen darf. Der EuGH hat einen solchen Abschlag bei der gesetzlichen Pension als notwendige Begleitmaßnahme (Rz 170) zugelassen.586
3. Pensionskasse und Lebensversicherung 187 Handelt es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersvorsorge (Rz 170 f), so fallen alle deren Ausgestaltungen in den Anwendungsbereich von § 3 und Art 157 AEUV: Leistungen (Pensionen), die der AG selbst zahlt587 sowie Leistungen, die er mittelbar zahlt,588 und damit auch eine Pensionskasse, die Leistungen aufgrund des ArbV er583 Dafür Runggaldier, Altersversorgung 79. 584 EuGH 18.11.2010, C-356/09, Kleist. 585 EuGH 12.9.2013, C-614/11, Kuso. 586 EuGH 30.4.2004, C-172/02, Bourgard, Rz 47. 587 Direktpension bzw direkte Leistungszusage; EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 20–22. 588 ZB EuGH 9.10.2001, C-379/99, Menauer, Rz 20 f.
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bringt589 und für Lebensversicherungen, falls der AG Prämien zahlt.590 Die dritten Leistungsträger sind auch dann an Art 157 AEUV gebunden, wenn den Leistungsberechtigten daneben noch ein Anspruch gegen den AG zusteht, der diskriminierungsfrei ausgestaltet und überdies insolvenzgeschützt ist.591 Damit gilt § 3 für alle Leistungszusagen, die in § 2 BPG genannt sind, auch für Pensionskasse und Lebensversicherer. Bei Pensionskassen unterscheidet man leistungs- und beitragsorien- 188 tierte Systeme. Bei den beitragsorientierten ergibt sich die Höhe der Pension aus der Summe der Beiträge des AG (und des AN) sowie dem Erfolg der Veranlagung dieser Beiträge. Die Pflicht des AG beschränkt sich idR auf die Zahlung der Beiträge. Das Risiko der Veranlagung (zB in Aktien) trägt grds der Leistungsberechtigte. Bei einem leistungsorientierten System wird – so wie meist bei Direktpensionen – eine Betriebspension in monatlich bestimmter Höhe zugesagt. Die Pensionskasse erhält Beiträge von AG und allenfalls von den AN, die versicherungsmathematisch berechnet werden; wird eine bereits bestehende Anwartschaft auf eine Direktpension übertragen und abgelöst, dann zahlt der AG einen versicherungsmathematisch berechneten Deckungsbetrag als Ersatz für die Beiträge, die bisher angefallen wären. Das Risiko der Veranlagung des Kapitals trägt grds die Pensionskasse, jedoch kann eine Nachschusspflicht des AG vereinbart sein. Lebensversicherungen sind idR leistungsorientiert ausgestaltet, jedoch können sie auch beitragsorientiert sein. Bei einer leistungsorientierten Zusage bereiten die Beiträge des AG 189 Probleme aus der Sicht des Art 157 AEUV. Bei versicherungsmathematischer Berechung müsste die Pensionskasse für Frauen für eine gleich hohe Leistung weitaus höhere Beiträge verlangen als für Männer, weil Frauen die Pension aufgrund der höheren Lebenserwartung typischerweise länger beziehen.592 In den höheren Leistungen des AG für Frauen könnte aber eine unmittelbare Diskriminierung liegen. Der EuGH ist dem zu Art 157 AEUV ausgewichen. Er hat – etwas gewalthaft und um Frauen zu schützen – schon die Einordnung der (unterschiedli589 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 20 ff; 24.10.1996, C-435/93, Dietz, Rz 32. 590 Vgl auch EuGH Menauer Rz 25. 591 EuGH Menauer Rz 28 ff. 592 Ebenso Franzen in Franzen/Gallner/Oetker, AEUV Art 157 Rz 22.
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chen) Beiträge des AG zu einem Rentenfonds, der eine Monatsrente bestimmter Höhe zusagt, als Entgelt verneint, weil es dabei „nur“ um die Finanzierung gehe. Insb sei es daher mit Art 157 AEUV vereinbar, je nach dem Geschlecht unterschiedliche versicherungsmathematische Faktoren (Lebenserwartung) zu verwenden, und die Beiträge (laufende Beiträge und Kapitalzahlungen) der AG sowie Transferzahlungen von einer Kasse an eine andere (insb nach Wechsel des AG) dementsprechend unterschiedlich zu bemessen.593 An Art 157 AEUV sei nur die Pensionszahlung zu messen, und deren Berechnung sei nicht geschlechtsspezifisch. Dasselbe gelte auch bei Umwandlung der Rente in einen Kapitalbetrag (sodass der Kapitalbetrag bei Frauen höher ist). Diese Auffassung hat auch Eingang in Art 9 Abs 1 lit h und i der RL 2006/54/EG gefunden.594 Die Begründung überzeugt so nicht, weil ja nur der Monatsbezug, nicht aber der durchschnittliche Gesamtbezug an Rente unabhängig vom Geschlecht ist. Unterschiedliche Beiträge lassen sich aber vielleicht damit rechtfertigen, dass die Zugehörigkeit zu einer Gruppe die individuelle Chance eines langen oder kurzen Leistungsbezuges zwar statistisch, aber nicht für das Individuum völlig bestimmt. Einzelne Frauen und Männer haben also die gleiche Chance – und dafür sind derzeit eben unterschiedliche Beiträge erforderlich. Dasselbe muss dann für Lebensversicherungen gelten. 190 Für die Beurteilung von Unterschieden ist auch die RL 2004/113/EG über die Gleichbehandlung beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen relevant, die va wegen der unterschiedlichen Versicherungsprämien für Frauen und Männer erlassen wurde und deshalb umstritten war. Art 5 dieser RL handelt von versicherungsmathematischen Faktoren. Abs 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass spätestens bei den nach dem 21.12.2007 „abgeschlossenen Verträgen die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht bei der Berechnung von Prämien und Leistungen im Bereich des Versicherungswesens und verwandter Finanzdienstleistungen nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen führt.“ Abs 2 erlaubte den Mitgliedstaaten aber „proportionale Unterschiede bei den Prämien und Leistungen dann zuzulassen, wenn die Berücksichtigung des Geschlechts bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhen593 EuGH 22.12.1993, C-152/91, Neath, Rz 30–33; 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 71, 79. 594 Vgl auch Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 57, 59; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 75.
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den Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist.“ Diese Bestimmung wurde jedoch vom EuGH in der E Test-Achats595 mit Wirkung zum 21. 12. 2012 für ungültig erklärt. Für alle neu abzuschließenden Verträge hat ab diesem Zeitpunkt die Kalkulation auf Unisex-Tarifen zu beruhen. Die Auswirkungen dieser E auf die betriebliche Altersvorsorge sind strittig.596 Nach zutreffender Ansicht hat allerdings dieses Urteil auf die betriebliche Altersvorsorge keine Auswirkung, da Art 3 Abs 4 RL 2004/113/EG die Bereiche Beschäftigung und Beruf von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt.597 Stellungnahmen im Schrifttum,598 welche eine Übertragbarkeit auf die betriebliche Vorsorge mit der Begründung vertreten, dass laut dem EuGH geschlechtsspezifische Tarife gegen das geschlechtliche Diskriminierungsverbot der Grundrechte-Charta verstoßen würden und dies auch in der Arbeitswelt gelten müsse, ist nicht zu folgen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der EuGH in der E Test-Achats die Erlaubnis in der RL 2004/113 wegen der mangelnden Kohärenz mit den Zielen der RL für nichtig erklärt hat, nicht wegen eines Verstoßes gegen die Grundrechtecharta.599 Eine entsprechende Judikatur zur betrieblichen Altersvorsorge lässt sich aus der bisherigen Rsp nicht herleiten.600 In Österreich ist die E Test-Achats in § 1c VersVG umgesetzt worden, wobei die betriebliche Kollektiversicherung ausgenommen ist (vgl §§ 91 Abs 2 und 93 Abs 7 VAG); bei der betrieblichen Vorsorge werden indes geschlechtspezifische Tarife weiterhin in einigen Gesetzesbestimmungen erwähnt (vgl § 20 Abs 3a PKG) und insofern auch vom österreichischen Gesetzgeber für zulässig befunden. Bei beitragsorientierten Systemen ist zu beachten, dass – auch bei glei- 191 chem Anfallsalter – gleiche Beiträge für Männer und Frauen bei Anwendung der üblichen versicherungsmathematischen Methoden zu 595 EuGH 1.2.2011, C-236/09. 596 Offen Franzen in Franzen/Gallner/Oetker, AEUV Art 157 Rz 23; Mohr in Franzen/Gallner/Oetker, RL 2006/54/EG Art 9 Rz 9. 597 Gegen eine Anwendbarkeit des Urteils Test-Achats auf Betriebsrenten hat sich auch die Kommission ausgesprochen, vgl KOM (2011) 9497 endg; ebenso Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 58. 598 Trost in Drs, Betriebspensionsrecht 175 ff; Mayer in Urnik/Pfeil, Altersvorsorge 71 f. 599 Kietaibl/Schrammel, BPG 194; Kietaibl in Schrammel, Betriebspensionsrecht 99 (114 ff). 600 Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 58.
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unterschiedlich hohen Monatsleistungen führen, weil die Lebenserwartung für die beiden Gruppen deutlich unterschiedlich ist. Will man vom Geschlecht unabhängige Leistungen, dann muss die Pensionskasse entweder unterschiedlich hohe Beiträge verlangen oder aber bei der Berechnung der Pension aus dem angesammelten Kapital vom Geschlecht abstrahieren, Männer und Frauen also in dieselbe Risikogruppe einordnen. Der EuGH hatte sich zum Zeitpunkt der Vorauflage, soweit zu sehen, noch nicht klar geäußert, ob Art 157 AEUV bei einem beitragsorientierten System für die Beiträge gilt und/oder für die Leistungen. Auch die E Birds Eye Walls zur Überbrückungsrente ist hier nicht einschlägig, weil es dort um die Anpassung an unterschiedliche gesetzliche Renten ging. Art 5 der RL 2006/54/EG verbietet eine Diskriminierung grundsätzlich sowohl bei den Beiträgen als auch bei den Leistungen. In Österreich ist es wohl so, dass in der Regel bei den Beiträgen nicht nach dem Geschlecht differenziert wird, und auch bei der Pensionsberechnung vom Geschlecht abstrahiert wird. Dies ist mit Art 157 AEUV uE jedenfalls vereinbar, weil das Geschlecht keine Rolle spielt und Art 157 AEUV eine gruppenbezogene Betrachtung sicher nicht verlangt. Fraglich ist, ob nach Art 157 AEUV auch gleiche Beiträge in Verbindung mit geschlechtsspezifischer Pensionsberechnung zulässig sind, die dann ja – bei sonst gleichen Umständen (Anfallsalter, Anwartschaftszeit, Bemessungsgrundlage) – zu unterschiedlichen Pensionsleistungen führen. Der EuGH hat sich dazu – soweit zu sehen – noch nicht geäußert. Nach Art 9 Abs 1 lit h 1. Satz der RL 2006/54/EG ist die Gewährung unterschiedlicher Leistungsniveaus zulässig, wenn sie notwendig sind, um versicherungstechnischen Berechnungsfaktoren Rechnung zu tragen, die im Fall von Festbeitragssystemen je nach Geschlecht unterschiedlich sind. Unterschiede bei den AG-Beiträgen sind demgegenüber nach Art 9 Abs 1 lit j bei Festbeitragssystemen nur zulässig, sofern beabsichtigt wird, die Höhe der darauf beruhenden Rentenleistungen anzupassen/anzunähern, bei Festleistungssystemen hingegen dann, wenn die Ungleichheit der Beträge darauf zurückzuführen ist, dass bei der Durchführung der Finanzierung des Systems je nach Geschlecht unterschiedliche versicherungstechnische Berechnungsfaktoren angewendet worden sind. Für die Zulässigkeit von unterschiedlichen Leistungen bei beitragsorientierten Systemen sprach, dass der EuGH bei leistungsbezogenen Systemen die Leistung des AG (und nicht die Pension) als Entgelt iSd Art 157 AEUV angesehen hat, und die Finanzierungsmodalitäten aus Art 157 AEUV ausgeklammert hat (Rz 189); konsequenterweise müsste es dann bei beitragsorientierten Systemen für Art 157 264
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AEUV auf die Beiträge ankommen.601 In beiden Fällen ergeben sich die Unterschiede in gleicher Weise aus der Verwendung „nach dem Geschlecht unterschiedlicher versicherungsmathematischer Faktoren“. Auch Gruber602 und die hL in Deutschland hielten unterschiedliche Leistungen für zulässig;603 die in der RL 2006/54/EG enthaltene Einschränkung bevorzugt demgegenüber wohl Frauen als Gruppe. Auch hier würde Art 5 der RL 2004/113 für die Zulässigkeit der Unterscheidung sprechen (wenngleich diese RL nicht unmittelbar einschlägig ist). Er sieht in Abs 1 vor, dass Unterschiede bei den Prämien und Leistungen aufgrund des Geschlechts erlaubt sind, diese aber bis spätestens zum 21. 12. 2007 abzuschaffen sind, sofern nicht die Ausnahmebestimmung des Art 5 Abs 2 eingreift. Diese Ausnahmebestimmung wurde in der E Test-Achats vom EuGH für ungültig erklärt. Allerdings dürfte diese E auf Betriebspensionen nicht anwendbar sein (vgl Rz 191). Besonderes gilt bei Übergang zu einem beitragsorientierten System. Auch bei Dritten als Leistungsverpflichteten gelten die allg Regeln zur 192 zeitlichen Wirkung des Art 157 AEUV. Die E Barber mit dem Erfordernis des gleichen Anfallsalters ist daher nur – aber immerhin – für Leistungen anwendbar, die für Dienstzeiten nach dem 17. 5. 1990 (in Österreich: 1. 1. 1994) geleistet werden; dies gilt auch für Kapitalzahlungen an die Kasse und für Transferzahlungen einer Kasse an eine andere.604 Dasselbe Datum – 1. 1. 1994 – gilt in Österreich wohl auch für das Erfordernis, Teilzeitbeschäftigte nicht auszuschließen oder Witwer nicht schlechter zu behandeln als Witwen (siehe Rz 181). Auch aus dieser eingeschränkten zeitlichen Wirkung können aber, wenn der Leistungsplan den Anforderungen des Unionsrechts nicht entspricht, unvorhergesehene Zahlungspflichten resultieren. Die Pflichten des Dritten (Pensionskasse, Lebensversicherer) zur Anwendung des Art 157 AEUV hängen nach dem EuGH grds nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit des Dritten ab. Der dritte Leistungserbringer ist, wenn die Mittel (etwa des Rechnungskreises für Leistungen an AN des betreffenden AG) nicht ausreichen, um die Pflichten aus Art 157 AEUV zu erfüllen (etwa um nachträglich Anwartschaften zu begründen oder zu erhöhen), verpflichtet „grundsätzlich alles (zu) tun, um die Gleich601 Kietaibl/Schrammel, BPG 193; Mohr in Franzen/Gallner/Oetker, RL 2006/54/EG Art 9 Rz 9. 602 ecolex 1995, 740. 603 Raulf/Gunia NZA 2003, 540; dagegen Körner, NZA 2004, 762. 604 EuGH 22.12.1993, C-152/91, Neath, Rz 17 f.
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heit wiederherzustellen“, also Klagen auf Umgestaltung der Pensionsregelungen zu erheben, und dass er „gegebenenfalls […] die erforderlichen Beträge nach nationalem Recht von dem System einfordert, das nicht genügend Mittel übertragen hat“.605 Das Risiko der zusätzlichen Zahlungspflichten bei einer diskriminierenden Pensionsregelung trägt also nicht nur der AG, sondern kann auch Pensionskasse und Versicherungsgesellschaft treffen, falls nach nationalem Recht keine Nachschusspflicht des AG besteht. Ist die Nachschusspflicht nicht ausdrücklich vereinbart, so ist zuerst zu prüfen, ob sie durch Vertragsauslegung oder Anpassung wegen Änderung der Geschäftsgrundlage begründet werden kann. Die Pflicht von Pensionskasse oder Versicherer, die Diskriminierung entsprechend den Vorgaben des EuGH zu beheben, wird der EuGH wohl auch nicht entfallen lassen, wenn vom ehemaligen AG kein Nachschuss erlangt werden kann (auch nicht bei Insolvenz). Darüber hinaus folgt aus dem Unionsrecht aber wohl auch dann eine Pflicht des AG gegenüber den Leistungsberechtigten, die Verletzung des Art 157 AEUV durch Zuzahlungen zu beseitigen, falls den AG nach nationalem Recht keine Verpflichtung mehr gegenüber Leistungsberechtigten oder Pensionskasse trifft.606 Allerdings wird sich diese Zahlungspflicht auf jene Beträge beschränken, die spezifisch aus der Verletzung des Unionsrechts geschuldet werden. 193 Das BPG erlaubt auch freiwillige Beiträge der AN zur Pensionskasse. Für freiwillige Beiträge der AN gilt Art 157 AEUV nicht; vgl auch Rz 171. Die Kasse würde daher bei der Beitragshöhe nach dem Geschlecht differenzieren, weil dies den Grundsätzen der Versicherungsmathematik entspricht und gleiche Beiträge bei gleicher Leistung die Männer benachteiligen. Allerdings gilt die RL 2004/113/EG auch für die freiwilligen Beiträge. Obligatorische Beiträge der AN fallen stets unter Art 157 AEUV,607 weil es sich wirtschaftlich um Entgelt handelt. Diese Beiträge dürfen also nicht für Frauen und Männer unterschiedlich hoch sein, das stellt auch Art 9 Abs 1 lit i RL 2006/54/EG klar. Entgelt sollen auch Beiträge sein, die der AG anstelle des AN zahlt,608 falls die Pflicht des AG nur diese und nicht erst die Rente erfasst.609 605 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 28, 43, 97; 9.10.2001, C-379/99, Menauer, Rz 25 f. 606 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 39. 607 EuGH 22.12.1993, C-152/91, Neath, Rz 31 f. 608 EuGH 18.9.1984, 23/83, Liefting, Rz 12. 609 Vgl EuGH Neath, Rz 29.
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Nicht klar ist, wie dies bei leistungsorientierter Zusage mit der Aussage zusammenpasst, die Beiträge des AG selbst seien kein Entgelt nach Art 157 AEUV.
Gleichbehandlungsgebot in der sonstigen Arbeitswelt § 4. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme
auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden 1. bei der Berufsberatung, Berufausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses, 2. bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer/innen/- oder Arbeitgeber/innen/organisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen, 3. bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit. § 4 enthält ein Diskriminierungsverbot für jene vom § 1 erfassten Sach- 1 verhalte, die nicht im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stehen und daher nicht schon unter § 3 fallen. Die Erweiterung des Diskriminierungsverbotes auf diese Sachverhalte ist durch Art 14 Abs 1 lit b und lit d RL 2006/54/EG geboten. In Bezug auf die Reichweite der Z 1 bis 3 des § 4 gilt das zu § 1 Ausgeführte (dort Rz 40 ff). In der Lit wurde teilweise vertreten, dass die RL 76/207/EWG grds auch für selbständige Erwerbstätigkeit gelte, also nicht nur für den Zugang dazu.1 Allerdings überzeugte diese Auffassung nicht, weil der zentrale Begriff zum Geltungsbereich der RL, die „Arbeitsbedingungen“, aufgrund des Zusammenhanges wohl nur Arbeitsverhältnisse meinte. Für dieses Verständnis sprach auch, dass die Novelle zur RL 76/207/EWG auf Art 157 Abs 3 AEUV gestützt wurde, wo von „Arbeits- und Beschäftigungsfragen“ die Rede ist. Die konsolidierte RL 2006/54/EG bezieht nun in 1 ZB Eichinger EAS B 4200 Rz 21, ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 4 Rz 6.
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Art 14 Abs 1 lit a RL 2006/54/EG ausdrücklich die Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit ein; auch Kapitel 2 der RL 2006/54/EG (Gleichbehandlung hinsichtlich betrieblicher Systeme der der sozialen Sicherheit) findet laut Art 6 Anwendung auf Selbstständige. 2 Davon zu unterscheiden sind Fragen zur Reichweite der speziellen Gleichbehandlungsrichtlinie zu den Selbständigen. Hier ist zunächst die RL 86/613/EWG2 zu erwähnen. Sie wurde durch die konsolidierte Gleichbehandlungsrichtlinie (§ 1 Rz 9) nicht aufgehoben, sondern als RL 2010/41/EU3 neu gefasst und vom österreichischen Gesetzgeber mit BGBl I 2013/107 umgesetzt. Dabei wurde allerdings (mglw zu Unrecht, vgl § 1 Rz 45 ff) davon ausgegangen, dass die vorgenommenen Änderungen wie insb in § 4 Z 3 bloße Klarstellungen zur geltenden Rechtslage seien. Sie betrifft gerade selbständig Erwerbstätige und deren mitarbeitende Ehegatten und normiert für diese ein Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Die RL 86/613 hatte praktisch nicht allzu viel Bedeutung. Der EuGH wurde mit ihr kaum befasst; soweit zu sehen ist nur die E Jorgensen einschlägig.4 3 Die Verbote unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung des § 4 werden so wie bei § 3 durch § 5 konkretisiert. Für die weitere Konkretisierung und Auslegung gelten im Wesentlichen dieselben Erwägungen wie zum Verbot der Diskriminierung im Arbeitsverhältnis. Die grundlegenden Weichenstellungen zu diesem Diskriminierungsverbot hängen nach herrschendem Verständnis – anders als das traditionelle Arbeitsrecht – nämlich nicht von der Prämisse ab, dass die einzelnen AN typischerweise, insb in Bezug auf die Verhandlungsmacht, unterlegen sind. In Bezug auf die Elemente der unmittelbaren und der mittelbaren Diskriminierung kann daher auf die Ausführungen zu § 5 verwiesen werden, in Bezug auf die Definitionen von Geschlecht und Familien2 Richtlinie 86/613/EWG des Rates vom 11. Dezember 1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit – auch in der Landwirtschaft – ausüben, sowie über den Mutterschutz. 3 Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates. 4 EuGH 6.4.2000, C-226/98.
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Gleichbehandlungsgebot in der sonstigen Arbeitswelt
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stand auf die Ausführungen zu § 3. Bei den sich aus dieser Bestimmung ergebenden Ansprüchen handelt es sich nicht nur um solche zwischen Privatpersonen, wie es beim Arbeitsverhältnis (§ 3) der Fall ist. Vielmehr werden auch Ansprüche von Privaten gegenüber dem Staat begründet. Daraus ergibt sich auch, dass Privatpersonen nur dann belangt werden können, wenn ihnen die Diskriminierung angelastet werden kann. Hat die Diskriminierung ihre Ursache in einer diskriminierenden behördlichen Maßnahme, an die sich die Privatperson, zB der AG, hält, so kann dieser wegen der Diskriminierung nicht belangt werden. Der Anspruch muss gegen die Behörde (gemeint: gegen den Rechtsträger nach § 1 AHG) gerichtet werden.5 Ein Verstoß gegen Z 1 könnte vorliegen, wenn das Arbeitsmarktservice 4 die Ausbildung oder Umschulung von Angehörigen eines Geschlechts mit dem Argument ablehnt, der Markt frage nur die Angehörigen des anderen nach. Das Argument ist an sich unzulässig, weil die Nachfrage auch nur die traditionellen Rollenbilder widerspiegeln kann. Man wird vom AMS aber nicht erwarten können, viele Personen ohne große Chance auf Einstellung zu schulen. Ein bestimmter Prozentsatz der Plätze wird daher für Angehörige des benachteiligten Geschlechts offenstehen müssen. Die in der Vorauflage vertretene Schwelle von einem Viertel erscheint allerdings zu streng und wäre geeignet, die traditionellen Rollenbilder entgegen dem GlBG fortzuschreiben. § 4 erstreckt das Diskriminierungsverbot auch auf den Bereich der Or- 5 ganisationen der AN und AG, und damit auf den Bereich des Koalitionsrechts; das ArbVG spricht von freiwilligen Berufsvereinigungen. § 4 erfasst sowohl den Beitritt zur als auch die Betätigung in der Koalition. Auch hier sind mittelbare Diskriminierungen unzulässig, also etwa Warteregelungen für Sozialleistungen der Koalitionen oder Regeln zur Wahl der Funktionäre, welche zwar ein anscheinend neutrales Kriterium verwenden, das sich aber spezifisch zum Nachteil eines Geschlechts auswirkt. Dasselbe gilt auch für andere Organisationen, welche sich nur aus Angehörigen eines Berufes zusammensetzen und auch für die Belegschaftsvertretung.6 Zulässig sind aber Berufsvereinigungen für Angehörige eines bestimmten Geschlechts, wenn deren Zweck hauptsächlich darin besteht, die besonderen Bedürfnisse dieser Perso5 ErläutRV 307 BlgNR 22. GP 11; ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 4 Rz 9. 6 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 4 Rz 4.
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nen zu berücksichtigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.7 6 Der EuGH hatte sich bisher kaum mit dem Zugang zur selbständigen Erwerbstätigkeit zu befassen, weder zur alten RL 86/613/EWG noch zur Neufassung. Soweit zu sehen ging es bisher nur um gesetzliche Beschränkungen für den Hebammenberuf.8 Soweit der Zugang zur selbständigen Erwerbstätigkeit eine längere Vordienstzeit unselbständiger Tätigkeit erfordert, fällt auch die Ausgestaltung dieser Praxiszeit unter die Zugangsbedingungen. Es ist etwa zu prüfen, ob sie den Zugang für Frauen so erschwert, dass darin eine Diskriminierung liegt. Dies hat allerdings neben dem ohnehin bestehenden, umfassenden Verbot der Diskriminierung bei Arbeitsverhältnissen kaum praktische Auswirkungen.9 Der OGH hat jüngst nach dem Geschlecht differenzierende Nachfolgeregelungen in Gesellschaftsverträgen als unzulässig beurteilt, sich dabei aber nicht unmittelbar auf das GlBG gestützt.10 Zur Frage, wie weit der Diskriminierungsschutz von Selbständigen insb angesichts der gesetzlichen Beschränkung auf die „Unternehmensgründung“ sowie „Aufnahme“ und „Ausweitung“ reicht vgl § 1 Rz 45 ff.
Begriffsbestimmungen § 5. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Per-
son auf Grund ihres Geschlechtes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. (2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich. (3) Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung einer Person zur Diskriminierung vor. 7 ErwG 21 der RL 2006/54/EG. 8 EuGH 8.11.1983, 165/82, Komm/Großbritannien. 9 Deutlich wird dies etwa in EuGH 2.10.1997, C-100/95, Kording. 10 OGH 24.1.2019, 6 Ob 55/18h.
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(4) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts diskriminiert wird. Literatur: Vgl Angaben zu § 1 und § 3 sowie insb Blomeyer, Das Verbot der mittelbaren Diskriminierung (1994); Bieback, Die mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechtes (1997); Hammerschlag, Die mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsbürgerschaft und des Geschlechtes – ein Vergleich der EuGH Judikatur, DRdA 1997, 150; Pöschl, Über Gleichheit und Verhältnismäßigkeit I, JBl 1997, 413; Eichinger, Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung usw (RL 79/7/EWG), in Oetker/Preis (Hrsg), EAS B 4200 (Stand 1999); Malossek, Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Gleichbehandlungsrichtlinie (1999); Mosler, Arbeitsrechtliche Probleme der Teilzeitbeschäftigung, DRdA 1999, 338; Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar (2001); Sciarra (Hrsg), Labour Law and the Courts: National judges and the European Court of Justice (2001); Hervey, EC Law on Justification for Sex Discrimination in Working Life, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103; Moreau, Justifications of Discrimination, in Reports – VII European Labour Law Congress 2002; Plötscher, Der Begriff der Diskriminierung im Gemeinschaftsrecht (2004); Schlachter, Der Begriff der Diskriminierung im Gemeinschaftsrecht, RdA 2004, 190; Rauch, Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf nahestehende Personen, taxlex 2011, 238; Barnard, EU Employment Law4 (2012); Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung – Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU² (2014); Bieback/Kahil-Wolff, Kommentierung der Rl 79/7/EWG und 2006/54/EG, in Fuchs (Hrsg), Kommentar zum Europäischen Sozialrecht7 (2018); Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018); Sagmeister, Elternschutzrechte im Lichte von Gleichheit und Autonomie (2019); Thüsing, Grenzfragen mittelbarer Diskriminierung, in GS für Robert Rebhahn (2019) 611; Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 (2021); Windisch-Graetz, Gleichbehandlung – Zielsetzung, Begriffe, Konzepte, in Reissner/Mair (Hrsg), Antidiskriminierungsrecht: Aktuelle Entwicklungen (2022) 1.
Inhaltsübersicht I. Unmittelbare Diskriminierung.................................................................. 2 1. Tatbestand................................................................................................ 2 a. Allgemeines.......................................................................................... 2 b. Einzelmaßnahmen.............................................................................. 7 2. Ausnahmen vom Tatbestand bzw Rechtfertigung............................ 13 a. Allgemeines.......................................................................................... 13 b. Schwangerschaft................................................................................. 16 c. Ungeschriebene Ausnahmen?........................................................... 21 II. Mittelbare Diskriminierung....................................................................... 24 1. Allgemeines.............................................................................................. 24 2. Vermutete Benachteiligung................................................................... 30 a. Allgemeines.......................................................................................... 30
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b. Statistische Benachteiligung.............................................................. 32 c. „Besonderes“ Kriterium..................................................................... 40 d. Einzelmaßnahmen.............................................................................. 42 e. Kollektivverträge................................................................................ 43 3. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung................................................. 46 a. Allgemeines.......................................................................................... 46 b. Geeignetes Differenzierungsziel....................................................... 50 c. Regelung als Mittel zur Zielerreichung – Allgemeines................. 54 d. Arbeitsplatzbezogene Gründe.......................................................... 59 e. Unternehmensbezogene Gründe...................................................... 62 f. Öffentliche Interessen........................................................................ 63 III. Diskriminierung durch Assoziation......................................................... 64
1 § 5 definiert in Abs 1 und 2 die beiden Grundformen der Diskriminierung, die unmittelbare und die mittelbare. Diese beiden Bestimmungen enthalten keine eigenständigen Normen iSv Verhaltensanordnungen, sondern nur Ergänzungsnormen zu § 3 und dem dort normierten Diskriminierungsverbot. Mit der Novelle 2011 wurde zusätzlich der Tatbestand des Abs 4 (Diskriminierung durch Assoziation) eingeführt. Dieser basiert auf der Rsp des EuGH zur Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG, wonach das dort vorgesehene Verbot der unmittelbaren Diskriminierung und von Belästigung nicht auf Personen beschränkt ist, bei denen das betroffene Merkmal selbst vorliegt.1 Zu § 5 Abs 3 (Anweisung zur Diskriminierung) vgl § 3 Rz 12 und § 12 Rz 13.
I. Unmittelbare Diskriminierung 1. Tatbestand a. Allgemeines 2 Nach der Legaldefinition des § 5 Abs 1 liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, „wenn eine Person auf Grund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.“ Dies stimmt mit Art 2 Abs 1 lit a RL 2006/54/EG überein. Einfacher gesagt: eine Regelung oder Maßnahme verwendet das Geschlecht als Unterscheidungsmerkmal. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn die Regelung oder Maßnahme ausdrücklich oder ihrem Inhalt nach an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpft; die benachteiligte und die nicht benachteiligte Gruppe sind dann jeweils nur aus Angehörigen 1 Zur Behinderung EuGH 17.7.2008, C-303/06, Coleman.
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eines Geschlechts zusammengesetzt. Markante Beispiele sind Stellenausschreibungen nur für Angehörige eines Geschlechts, eigene Lohngruppen für Frauen (früher verbreitet) oder unterschiedliche Altersgrenzen für Beendigung oder Betriebspension, aber auch die Benachteiligung von Schwangeren (§ 3 Rz 39). Die Schwierigkeiten der unmittelbaren Diskriminierung liegen bei folgenden Punkten: Wann ist das Geschlecht Unterscheidungsmerkmal (§ 3 Rz 35)? Wann ist die Benachteiligung unmittelbar (Rz 3)? Wann liegt eine vergleichbare Situation vor? Gibt es (ausnahmsweise) eine Möglichkeit zur Rechtfertigung? Welche Bedeutung hat das Verbot für Einzelmaßnahmen des AG (zB Kündigung)? Fehlt eine generelle Regelung, so ist der Beweis einer unmittelbaren Diskriminierung oft sehr schwierig, insb bei Einzelmaßnahmen des AG (wie Beförderung, Einstellung). Die Abgrenzung der beiden Fallgruppen der potentiell unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung ist in der Praxis oft schwierig,2 aber entscheidend, weil nur bei der mittelbaren stets die Möglichkeit besteht, nach einer Rechtfertigung zu suchen. Bei der unmittelbaren Diskriminierung sind die potentiellen Fälle einer Rechtfertigung sehr beschränkt (Rz 13). Früher war auch das Feststellen einer vermuteten Benachteiligung oft schwierig, weil es statistische Daten voraussetzte; heute kann die Benachteiligung uU schon aus dem Kriterium selbst folgen (Rz 30). Die unmittelbare Diskriminierung wurde auf der Ebene des Unions- 3 rechts erstmals durch die Antidiskriminierungs-RL 2000/43/EG und 2000/78/EG definiert, was für das Geschlecht in der RL 2002/73/EG übernommen wurde. Diese Definition ging über die bis dahin maßgebliche Umschreibung hinaus.3 Früher wie heute baut die Definition auf dem Konzept einer Vergleichsperson auf. Allerdings wurde vor der Neufassung verlangt, dass der AG eine Vergleichsperson – also einen Mann oder eine Frau – tatsächlich beschäftigt oder zumindest früher beschäftigt hat (§ 3 Rz 7). Heute verlangen die RL 2006/54/EG und § 5 den Vergleich hingegen auch, wenn der AG eine(n) AN des anderen Geschlechtes weder beschäftigt noch je beschäftigt hat – und damit mit einer hypothetischen Vergleichsperson des anderen Geschlechts („erfahren würde“). Der EuGH hatte dies früher verneint.4 Jedenfalls ge2 ZB EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 31 ff. 3 Die neue Definition wurde durch die Dogmatik der Grundfreiheiten beeinflusst, vgl Bell, 29 ILJ (2000), 79 ff. 4 EuGH 27.3.1980, 129/79, Macarthys, Rz 15; 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 100 ff.
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gen Art 157 AEUV verstößt heute die These, dass ein Sozialplan, der nur für Frauen gilt, schon deshalb nicht gegen Art 157 AEUV verstoßen könne.5 Eine Diskriminierung ohne dass der eigene AG nach Geschlecht unterschiedlich behandelt kann auch vorliegen, wenn die Ungleichbehandlung ihren Ursprung in einer generellen überbetrieblichen Regelung (Gesetz, KollV) hat, und der AG dafür einstehen muss (Rz 20 ff).6 Die Relevanz der hypothetischen Vergleichsperson ändert aber nichts daran, dass unmittelbare Diskriminierung eine Ungleichbehandlung in einer „vergleichbaren Situation“ verlangt (vgl § 3 Rz 8). Dies geht auf die grundlegende Judikatur des EuGH zurück, wonach Diskriminierung vorliegt, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleiche Sachverhalte angewandt werden oder wenn dieselbe Vorschrift auf ungleiche Sachverhalte angewandt wird.7 Es ist dabei nicht notwendig, dass die Situationen identisch sind, sie müssen nur im Hinblick auf den Regelungszweck vergleichbar sein; die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf dabei nicht allgemein und abstrakt erfolgen, sondern muss spezifisch und konkret für die betreffende Leistung erfolgen.8 Zu vergleichen ist daher nur mit AN, welche sich in vergleichbarer Lage befinden. Dies eröffnet die Möglichkeit, durch die Aussage, die Sachverhalte seien verschieden, die Annahme einer Diskriminierung zu vermeiden (§ 3 Rz 8).9 Der EuGH hat zu Recht in der E Wippel10 AN, die nur Arbeit auf Abruf verrichteten und nur gelegentlich beschäftigt waren, nicht mit vollzeitbeschäftigten AN verglichen, weil es bei diesen keine Arbeit auf Abruf gegeben hat. Ebenso hat der EuGH zu einem Sozialplan, der Abfindungen für gekündigte Frauen schon ab dem 50., für gekündigte Männer aber erst ab dem 55. Lebensjahr vorsah, gesagt, dass Männer und Frauen in keiner vergleichbaren Lage seien, da die Gefahr der Altersarbeitslosigkeit damals – auch aufgrund des unterschiedlichen Anfallsalters der Frühpension – bei Frauen schon einige Jahre früher als bei Männern bestanden hat.11 Die Lage eines Arbeitnehmers und einer 5 So aber BAG 12.11.2002, 1 AZR 58/02 = NZA 2003, 1287. 6 EuGH 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 82 ff. 7 ZB EuGH 9.11.1993, C-132/92, Birds Eye Walls, Rz 17 f; 13.2.1996, C-342/93, Gillespie, Rz 12; 27.10.1998, C-411/96, Boyle, Rz 39; 30.6.1998, C-394/96, Brown, Rz 30; 31.5.2001, C-122/99, P, Rz 48. 8 EuGH 10.5.2011, C-147/08, Römer; 19.6.2017, C‑143/16, Abercrombie & Fitch Italia. 9 Ellis, CMR 35, 394 f. 10 EuGH 12.10.2004, C-313/02. 11 EuGH 9.12.2004, C-19/02, Hlozek.
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Arbeitnehmerin sind im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Elternteile miteinander vergleichbar, soweit es um die Erziehung der Kinder geht.12 Sie müssen daher unter den gleichen Voraussetzungen Anspruch auf Elternurlaub haben.13 Eine Regelung, die dem Vater einen Anspruch auf Elternurlaub verwehrt, wenn die Mutter des Kindes nicht erwerbstätig ist, diskriminiert, und ist außerdem geeignet, zu einer Verfestigung der herkömmlichen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, indem den Männern weiterhin eine im Hinblick auf die Wahrnehmung ihrer Elternschaft subsidiäre Rolle gegenüber den Frauen zugewiesen wird.14 Das Vorliegen einer unmittelbaren – aber auch einer mittelbaren – Dis- 4 kriminierung ist allein objektiv zu bestimmen. Relevant ist die Wirkung einer Regelung. Auf eine Benachteiligungsabsicht des Verpflichteten – AG oder Kollektivvertragsparteien – kommt es nicht an.15 Die Diskriminierung entfällt daher auch nicht, wenn die Benachteiligung (angeblich) nur vor Überbelastung oder anderen Gefahren (zB an der Gesundheit) schützen will. Darüber hinaus kommt es auch nicht auf eine Fahrlässigkeit des Verpflichteten an: Diskriminierung kann auch vorliegen, wenn der Verpflichtete die Diskriminierung (zB das Nichteingreifen des Rechtfertigungsgrundes) selbst bei gebotener Sorgfalt nicht hätte erkennen können. Auch ein unverschuldeter Irrtum über Tatsachen oder Rechtsfolgen schützt nicht vor der Diskriminierung, und weitgehend auch nicht vor den nachteiligen Rechtsfolgen.16 Dies führt zu einer verschuldensunabhängigen Haftung und zu einer „Erfolgspflicht“ des AG. Nicht erforderlich ist ferner, dass durch die Ungleichbehandlung ein darüber hinausgehender Nachteil/Schaden eingetreten ist. Eine Benachteiligung unmittelbar aufgrund des Geschlechts (vgl § 5 5 Abs 1) liegt vor, wenn die Maßnahme ausdrücklich oder ihrem Inhalt nach an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpft. Zur Abgrenzung von der mittelbaren Diskriminierung kann auch die Frage beitragen, ob das 12 EuGH 25.10.1988, C-312/86, Kommission v Frankreich; 18.11.2020, C-463/19, Syndicat CFTC. 13 EuGH 16.6.2015, C-222/14, Maistrellis, Rz 47. 14 EuGH 16.6.2015, C-222/14, Maistrellis, Rz 50; C‑476/99, Lommers, Rz 41, und C‑104/09, Roca Álvarez, Rz 36. 15 EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 35. 16 Vgl § 12 Rz 43; EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 38; 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 17 f.
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verwendete Kriterium wirklich ein „neutrales“ ist. Unmittelbare Diskriminierung liegt – aufgrund beider Erwägungen – auch vor, wenn die Unterscheidung an Tatsachen anknüpft, welche nur von Angehörigen eines Geschlechts – faktisch – erfüllt werden können (insb Schwangerschaft, es können aber auch andere Tatsachen sein). Man spricht von verdeckter Diskriminierung. Auch die Entscheidung aufgrund einer bloßen Vermutung über die Folgen, die mit einer bestimmten Ausprägung des missbilligten Merkmales verbunden sind, begründet wohl eine unmittelbare Diskriminierung, weil sie kein neutrales Kriterium verwendet. Einschlägig dazu ist zB die Auswahlentscheidung gegen eine Frau, „weil Frauen typischerweise höhere Fehlzeiten aufweisen und damit höhere Kosten verursachen“. Fraglich und zuweilen entscheidend ist, ob es auch ausreicht, wenn die Unterscheidung an Tatsachen anknüpft, die gerade bei diesem AG mit der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht mehr oder weniger notwendig verbunden sind. Man wird dies wohl ablehnen müssen. Die Möglichkeit des AG, den Streit in diesen Fällen auf die mittelbare Diskriminierung zu verschieben, könnte allerdings dazu führen, dass das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung bei Einzelmaßnahmen praktisch zurückgedrängt wird. Allerdings ist der – uU statistisch belegte – Vorwurf einer unmittelbaren Diskriminierung erst widerlegt, wenn der AG ein anderes Handlungsmotiv ausreichend glaubhaft dartut. Passen von einer einheitlichen Regelung bloß einzelne Tatbestandsalternativen nur auf Männer, so liegt darin nur eine mittelbare Benachteiligung,17 allerdings ist fraglich wann eine einheitliche oder eine getrennte Regelung vorliegt. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt auch vor, wenn nur sehr wenige oder gar nur ein AN des anderen Geschlechts aufgrund des Geschlechts besser behandelt wird. Das Diskriminierungsverbot ist also bedeutend strenger als der allg arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. 6 In der Praxis war eine Differenzierung zwischen Frauen und Männern früher sogar beim laufenden Entgelt für gleiche Arbeit häufig. Heute kommt dies so kaum mehr vor.18 Lange und viel praktiziert wurde eine unmittelbare Diskriminierung bei Betriebsrenten, und zwar insb durch ein höheres Antrittsalter für Männer und die Schlechterstellung von Witwern im Vergleich zu Witwen; beides ist eine unmittelbare Diskri17 EuGH 17.2.1998, C-249/96, Grant, Rz 28; 7.12.2000, C-79/99, Schnorbus, Rz 33. 18 Vgl aber EuGH 28.10.1999, C-187/98, Komm/Hellenische Republik, Rz 40 ff.
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minierung (das eine Mal der Männer, das andere Mal der Frauen) und daher unzulässig (§ 3 Rz 175 f). In den letzten Jahren ging es zur unmittelbaren Diskriminierung va um die Benachteiligung Schwangerer (§ 3 Rz 39 ff, 67 ff, 147, 157). b. Einzelmaßnahmen Besondere Probleme stellen sich bei Einzelmaßnahmen, wie Einstel- 7 lung, Beförderung und Kündigung. Tatbestand, Rechtfertigung und Beweisfragen sind hier besonders eng miteinander verwoben, man muss aber versuchen, zumindest gedanklich abzuschichten. Unmittelbare Diskriminierung liegt jedenfalls vor, wenn das missbilligte Merkmal kausal war (in England: „but-for-test“). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der RL 2006/54/EG und des § 5 Abs 1. Eine Diskriminierung scheidet daher grds (vgl aber die nächste Rz) aus, wenn der AG darlegen kann, dass er die Entscheidung aus einem anderen Grund als wegen des missbilligten Merkmals getroffen hat. So ist es etwa, wenn dem AN die erforderliche Eignung fehlt (§ 3 Rz 61). Unmittelbare Diskriminierung kraft Kausalität liegt in der Folge nicht nur vor, wenn das missbilligte Merkmal das einzige Entscheidungsmotiv war; für eine Handlung können bekanntlich auch mehrere Ereignisse oder auch Motive nebeneinander kausal sein. In weiterer Folge ist fraglich, ob auch eine Diskriminierung vorliegt, wenn der AG seine Entscheidung aufgrund des Geschlechts trifft, auch wenn er aufgrund anderer, zulässiger Überlegungen zu derselben Entscheidung gelangt wäre – ob es also ausreicht, wenn das missbilligte Motiv zwar motivierend, aber nicht kausal war (insb weil die benachteiligte Person nicht die bestqualifizierte war). Dies ist zu bejahen.19 Dafür sprechen insb die Regelungen zum Schadenersatz (§ 12 Abs 1 Z 2 und Abs 5 Z 2), die für jene Bewerber einen geringeren Ersatz vorsehen, der auch wegen anderer Gründe nicht zum Zuge gekommen wären und wohl auch die Ansprüche auf immateriellen Schadenersatz, die den durch die bloße Diskriminierung entstandenen Gefühlsschaden abgelten sollen. Auch der EuGH sieht dies wohl so.20 In weiterer Folge ist fraglich, ob eine Diskriminierung auch vorliegt, wenn der AG seine Entscheidung aufgrund zweier oder mehrerer Motive/Gründe trifft, von denen eines das Geschlecht ist. Auch dies ist wohl zu bejahen. In beiden Fällen spricht dafür, dass das missbilligte Motiv selbst dann nicht handlungsanleitend sein soll, wenn die Ent19 Vgl auch Hopf/Smutny, DRdA 2002, 99 ff. 20 EuGH 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 33.
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scheidung auch anders hätte begründet bzw motiviert sein können. Das eben Gesagte gilt aber nur, falls die Entscheidung „tatsächlich“ aufgrund des Geschlechts getroffen wurde; ist dies strittig, so kommt es auf die Beweisregeln an, insb ob die Geschlechtsbedingtheit nur glaubhaft gemacht werden muss, und wie der AG das glaubhaft gemachte Motiv entkräften kann. 8 Diskriminierung liegt also vor, wenn der verpönte Unterscheidungsgrund, das missbilligte Motiv, „ausschlaggebend“ war (wofür Kausalität ausreicht, aber nicht einmal erforderlich ist). Nur dies ist dann vom Kläger im Prozess ausreichend darzulegen (diese Formulierung wird verwendet, um die Frage des Beweismaßes vorerst auszuschalten). Der AG kann eine unmittelbare Diskriminierung ausschließen, wenn er ausreichend darlegt, dass ein anderes Entscheidungskriterium „ausschlaggebend“ war und nicht das missbilligte. Allerdings ist fraglich, welche anderen Kriterien er ins Treffen führen kann. Jedenfalls kann er Gründe ins Treffen führen, die nicht selbst missbilligt sind und die überdies im konkreten Fall nicht den Vorwurf der mittelbaren Benachteiligung begründen. 9 Als solche sachlichen Gründe kommen insb in Betracht: die gesundheitliche Eignung, körperliche Fähigkeiten, Qualifikation, Erfahrung, Vertrauenswürdigkeit, uU auch Entwicklungspotential (vgl die in Rz 51 ff genannten Gründe). Jedoch wird das Anführen eines Grundes, der abstrakt sachlich sein kann, allein nicht ausreichen. Erforderlich ist vielmehr, dass das Motiv auch im konkreten Fall, also konkret sachlich ist. Dafür werden ähnliche Erwägungen anzustellen sein wie zur Rechtfertigung der mittelbaren Diskriminierung (vgl Rz 46 ff), dh die jeweilige Anforderung muss für die konkrete Entscheidung (insb die Arbeitsaufgabe) erforderlich sein. Der OGH hat dies in der E Herrenmode wohl anders gesehen.21 10 Fraglich ist, ob der AG seine Entscheidung mit Motiven begründen kann, die nicht generalisierbar und eher persönlich sind, also insb mit Ehe, naher Verwandtschaft, Bekanntschaft oder mit Sympathie. Die Vorschriften gegen Diskriminierung verlangen nicht allgemein eine sachliche Entscheidung, sondern verbieten nur, Entscheidungen aufgrund eines missbilligten Grundes zu treffen;22 sie verbieten nicht ein21 Vgl OGH 12.1.2000, 9 ObA 318/99a – dazu § 3 Rz 77; Körber-Risak Rz 73. 22 Kietaibl in Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht 55 (57).
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mal unsinnige Kriterien, sofern sie nur nicht (mittelbar) diskriminieren (zB Sternzeichen – was allerdings wohl eine unzulässige Diskriminierung aufgrund des Alters ist). Grundsätzlich ist es daher auch zulässig, eine Auswahlentscheidung nach Sympathie zu treffen, und umso mehr, einen Verwandten zu bevorzugen (jedenfalls im Familienbetrieb). Allerdings muss diese Begründung glaubhaft sein. Bei Entscheidungen aufgrund von Sympathie ist allerdings höchste Vorsicht angebracht. Diese aktualisieren häufig jene Vorurteile, die zu den Diskriminierungsverboten geführt haben. Sympathie führt oft zur Entscheidung für die Person, die einem selbst ähnlich ist; was zu einer Entscheidung für einen Mann/eine Frau der eigenen ethnischen Zugehörigkeit, Bildungsschicht, Altersklasse etc führen mag. Insb in größeren Unternehmen wird es für die Glaubwürdigkeit daher auch wesentlich auf die sonstigen Personalentscheidungen (Personalstruktur) ankommen. IdR wird der AG also doch einen sachlichen Grund darlegen müssen, will er nicht, dass ein Anknüpfen an einem verpönten Merkmal plausibel erscheint.23 Der EuGH hat in jüngerer Rsp bereits die Auskunftsverweigerung ggü Bewerbern als Indiz für eine Diskriminierung angesehen.24 Fraglich ist, ob zur Widerlegung des Vorwurfs der unmittelbaren Dis- 11 kriminierung auch ein Motiv (= Kriterium) ausreicht, das bei Generalisierung die Maßnahme vor dem Vorwurf der mittelbaren Diskriminierung nicht rechtfertigen könnte. Die Doktrin lässt dies wohl zu, wenn und weil eben nicht unmittelbar das missbilligte Merkmal (Geschlecht) für die schlechtere Behandlung kausal war (Rz 7). Dies erleichtert es dem AG, den Streit auf die mittelbare Diskriminierung zu verschieben (vgl Rz 83). Allerdings beeinträchtigt dies die Wirksamkeit des Diskriminierungsverbotes wohl kaum. Fordert der AG von der einzustellenden Person zeitliche Flexibilität, so ist dies an sich ein neutrales Kriterium, das idR Frauen (insb Mütter) mittelbar benachteiligt, dessen Verwendung aber sachlich gerechtfertigt sein kann (§ 5 Rz 59). Zieht der AG allerdings Frauen von vornherein nicht in Betracht, weil diese „typischerweise“ zeitlich weniger flexibel seien, so diskriminiert er (jedenfalls) jene Frauen, welche ausreichend flexibel sind, unmittelbar. Überdies ist der – uU statistisch belegte – Vorwurf einer unmittelbaren Diskriminierung erst widerlegt, wenn der AG ausreichend glaubhaft dartut, 23 Kietaibl in Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht 55 (58). 24 EuGH 19.4.2010, C-415/10, Meister; 21.7.2011, C-104/10, Kelly.
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dass ein anderes Handlungsmotiv kausal war und, dass das missbilligte Merkmal auch sonst nicht ausschlaggebend war (Rz 7 f). Durchgreifende Bedenken bestehen jedenfalls gegen die Möglichkeit, den ausreichend dargelegten Vorwurf einer Diskriminierung mit dem Nachweis zu widerlegen, man habe aus einem anderen, aber ausdrücklich missbilligten Grund benachteiligt: „Die Einstellung wurde nicht verweigert, weil sie Frau sind, sondern weil sie Schwarzafrikanerin sind“. 12 Das Verbot der Diskriminierung begründet keine Vorrangregel. Der AG muss also nicht wegen § 3 eine Frau einem Mann vorziehen, auch nicht bei gleicher Qualifikation. Das wird häufig missverstanden. Die Tatsache, dass aus dem Diskriminierungsverbot keine Vorrangregel folgt, ist auch in den von manchen gern zitierten Fällen der Auswahl zwischen Personen relevant, die jeweils eine Ausprägung eines missbilligten Merkmals haben, die nicht der Mehrheitsausprägung entspricht: „Wen hat der AG einzustellen, wenn sich eine muslimische Inländerin und ein schwuler Pakistani bewerben?“ Diese Frage stellt sich allerdings gar nicht so. Der AG hat vielmehr von den in den §§ 3 und 17 genannten „missbilligten“ Merkmalen, genauer von deren konkreter Ausprägung, abzusehen, diese also schlicht nicht zu berücksichtigen.25
2. Ausnahmen vom Tatbestand bzw Rechtfertigung a. Allgemeines 13 Ein Verhalten, das prima facie eine unmittelbare Diskriminierung darstellt, kann nur in sehr engen Grenzen zulässig sein. In der Sache kommt eine Zulässigkeit jedenfalls in Betracht, wenn das Recht dies ausdrücklich vorsieht. Im Unionsrecht ist dies in Art 157 Abs 4 AEUV und in Art 14 Abs 2 sowie Art 3 und Art 28 RL 2006/54/EG der Fall. Art 14 Abs 2 betrifft das Geschlecht als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung (dazu näher § 3 Rz 63 ff), Art 28 die Schwangerschaft (Rz 16 ff), und Art 3 übernimmt Art 141 Abs 4 EGV (jetzt Art 157 Abs 4 AEUV) ausdrücklich in die RL. Diese Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung sind grds eng auszulegen, weil sie in das individuelle Recht auf Gleichbehandlung eingreifen.26 Sie sind nur 25 Treffend zB Schindler, DRdA 2003, 526. 26 ZB EuGH 15.5.1986, 222/84, Johnston, Rz 36, 38; 26.10.1999, C-273/97, Sirdar, Rz 23, 26; 17.10.1995, C-450/93, Kalanke, Rz 21; 11.11.1997, C-409/95, Marschall, Rz 32.
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nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit zulässig;27 insb hat der EuGH dies auch für „spezifische Maßnahmen“ iSd § 8 gesagt (§ 8 Rz 3). Fraglich ist, ob es außer den ausdrücklich genannten Fällen einer Zulässigkeit auch noch ungeschriebene Fälle einer Rechtfertigung gibt (Rz 21). Dies wird oft verneint. In der internationalen Diskussion ist es umstritten, ob es sich bei den 14 genannten Ausnahmen um eine Einschränkung des Tatbestandes oder um Rechtfertigungsgründe handelt. Das GlBG spricht in § 12 Abs 12 die unverzichtbare Voraussetzung nach § 9 Abs 1 in einem Satz mit Rechtfertigungsgründen iSd § 5 Abs 2 an, ist aber zur unverzichtbaren Voraussetzung selbst nicht eindeutig. Rechtlich ist die Einordnung, wenn überhaupt, nur für die Beweislast relevant, weil bei einem Rechtfertigungsgrund der Kläger sicher nicht dessen Fehlen beweisen muss. Aber auch, wenn man die Ausnahme als Tatbestandseinschränkung einordnet, wird es ausreichen, den Grundtatbestand glaubhaft zu machen, und nicht auch noch zusätzlich das Fehlen der Ausnahme. Daneben spielt die Einordnung psychologisch eine Rolle. Manche sagen, dass aus der Sicht der Betroffenen mehr für die Einordnung als Rechtfertigungsgrund spreche, weil dann klar sei, dass man „eigentlich“ diskriminiert wird. Diese einseitige Sicht ist fragwürdig, weil psychologisch genauso die Sicht der Handelnden relevant ist, denen der Vorwurf der Diskriminierung gemacht wird. Die erstgenannte Auffassung ist aber auch deshalb erstaunlich, weil sie oft von Autorinnen vertreten wird, die für einen starken Schutz der Frauen plädieren – und die übersehen, dass die Einordnung als Rechtfertigungsgrund die Bevorzugung wegen der Schwangerschaft „an sich“ als Diskriminierung der Männer ausweist. UE wird man die Fälle der unverzichtbaren Voraussetzung und der Schwangerschaft als Einschränkung des Tatbestandes und allfällige ungeschriebene Fälle als Rechtfertigungsgrund einordnen können.28 Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG betrifft den Fall, dass das Geschlecht eine 15 wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. § 9 Abs 1 spricht dagegen strenger von einer unverzichtbaren Voraussetzung – eine unglücklich gewählte Formulierung, die man wohl in Einklang mit Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG auslegen 27 EuGH 15.5.1986, 222/94, Johnston, Rz 38 ua. 28 Zustimmend Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 15.
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muss. Das GlBG berücksichtigt dies in § 9 nur bei der Stellenausschreibung, etwas weiter in § 12 Abs 12, und damit nur bei Einstellung und Beförderung; vgl zu § 9 sowie zum Inhalt der Ausnahme § 3 Rz 73 ff. Die Frage kann sich aber auch bei Einstellungen und Beförderungen ohne Ausschreibung sowie bei Beendigung stellen.29 Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG verlangt nun eine Entscheidung des Mitgliedstaates, ob das Erfordernis zulässig sein soll (§ 3 Rz 74). Versteht man dies strikt, so ist in Österreich die Begründung einer Entscheidung mit dem Hinweis, das Geschlecht sei „unverzichtbare Voraussetzung“, in anderen Fällen als der Einstellung nach Ausschreibung unzulässig, weil das GlBG die erforderliche Entscheidung des Mitgliedstaates nicht bietet. Die ö Lit scheint demgegenüber großzügiger zu sein. b. Schwangerschaft 16 Art 28 RL 2006/54/EG stellt Maßnahmen zum Schutz der Frauen, insb bei Schwangerschaft und Mutterschaft in Bezug auf die sonstigen Arbeitsbedingungen ausdrücklich vom Diskriminierungsverbot frei. Es handelt sich nach verbreiteter Diktion um einen Ausnahmetatbestand zugunsten von Frauen;30 über diesen Charakter kann aber heute sicherlich (vor allem vor dem Hintergrund eines materiellen Verständnis von Gleichbehandlung) diskutiert werden.31 Erw 14 nennt schwangere AN, Wöchnerinnen sowie stillende AN; auch die Situation einer stillenden ANin steht in engem Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft.32 Diese Ausnahme enthält keine umfassende Rechtfertigung für eine Bevorzugung von Frauen, schon weil sonst die Bestimmungen über spezifische Maßnahmen iSd § 8 (und deren Grenzziehung) obsolet würden. Die vorliegende Ausnahme soll vielmehr (nur) die körperliche Verfassung der Frau sowie die besondere Beziehung zwischen Mutter und Kind schützen – darin wurde ursprünglich auch der Zweck des Mutterschutzes gesehen.33 Allerdings wird der Schutzzweck der besonderen Beziehung zwischen Mutter und Kind 29 Für die Einbeziehung von Beendigungen aus teleologischen Gründen Mohr in Franzen/Gallner/Oetker, RL 2006/54/EG Art 14 Rz 7. 30 EuGH 19.9.2013, C-5/12, Montull, Rz 61. 31 Sagmeister, Elternschutzrechte 97. 32 EuGH 19.10.2017, C-531/15, Otero Ramos, Rz 59. 33 EuGH 12.7.1984, C-184/83, Hofmann; darauf verweisend auch EuGH 18.11.2020, C-463/19, Syndicat CFTC, Rz 52.
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inzwischen auch als überholt bezeichnet,34 und ist auch vom EuGH in einigen E nicht mehr aufgegriffen worden.35 Die Ausnahme wird damit zusehends auf den Gesundheitsschutz reduziert.36 Sie kann allerdings nicht Maßnahmen rechtfertigen, die Frauen vor anderen Gefahren schützen.37 Sie legitimiert auch nur zur Bevorzugung wegen der besonderen Beziehung, nicht zu einer Benachteiligung. Das GlBG hat diese Rechtfertigungsmöglichkeit nicht ausdrücklich 17 übernommen (was das Unionsrecht auch nicht verlangt). Art 28 RL 2006/54/EG enthält keinen so starken Regelungsvorbehalt wie Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG (Rz 15) oder Art 157 Abs 4 AEUV (§ 8 Rz 4, 11). Maßnahmen, die nach Art 28 RL 2006/54/EG zulässig sein können, sind dies daher auch ohne besondere konkrete Anordnung des nationalen Gesetzes. In Österreich kann jedenfalls § 8 unmittelbar als Grundlage für Begünstigungen (nur) von Schwangeren durch KollV und AG herangezogen werden, weil Maßnahmen zugunsten von Schwangeren stets auch zur Erleichterung der Berufstätigkeit von Schwangeren und damit Frauen beitragen werden. Die genannten Maßnahmen werden daher in Österreich grds unter § 8 subsumierbar sein – und auch dann zulässig sein, wenn sie nur in einem KollV vorgesehen sind oder vom einzelnen AG gesetzt werden. Im Unionsrecht wird zuerst die Ausnahme nach Art 28 und sollte diese verneint werden im Anschluss das Vorliegen einer positiven Maßnahme geprüft.38 Zudem berührt Art 28 RL 2006/54/EG einen Bereich, bei dem die besondere Behandlung von Frauen letztlich ebenso über das Kriterium der (fehlenden) Vergleichbarkeit von Situationen begründet werden kann, was auch in einigen E des EuGH anklingt.39 Zulässig ist zB ein Nachtarbeitsverbot für Schwangere.40 Zulässig ist 18 auch eine Zahlung nur an junge Mütter bei Mutterschaftsurlaub, weil sie berufliche Nachteile auf Grund der Schwangerschaft ausgleichen soll, so dass sich diese Frauen in einer anderen Lage als Männer (und andere 34 Sagmeister, Elternschutzrechte 43. 35 EuGH 30.9.2010, C-104/09, Roca Alvarez. 36 EuGH Montull. 37 ZB EuGH 15.5.1986, 222/84, Johnston, Rz 44; 11.1.2000, C-285/98, Kreil, Rz 30 f. 38 EuGH 30.9.2010, C-104/09, Roca Alvarez Rz 32 ff. 39 IdS EuGH 12.7.1984, C-184/83, Hofmann; 14.7.2016, C-335/15, Ornano; zur Vergleichbarkeit auch Sagmeister, Elternschutzrechte 44. 40 EuGH 5.5.1994, C-421/92, Habermann-Beltermann, Rz 24.
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Frauen) befinden.41 Ebenso unter Art 28 RL 2006/54/EG fallen die Beschäftigungsverbote der §§ 3–8 MSchG.42 Art 28 RL 2006/54/EG berechtigt aber nicht zu Maßnahmen, die nur Müttern offen stehen, wenn die Maßnahme auch für Väter objektiv in Betracht kommt, was bei allen Maßnahmen nahe liegt, welche die Elternschaft betreffen und nicht die Geburt oder das Stillen als biologischen Vorgang.43 So könnte zB der Vorbehalt eines Betreuungsurlaubes nur für Frauen nicht mit Art 28 RL 2006/54/EG gerechtfertigt werden, auch weil dies die Chance nimmt, dass der Vater und nicht die Mutter die Erwerbstätigkeit unterbricht. Der EuGH hat hinsichtlich des Elternurlaubs bereits ausdrücklich in diese Richtung entschieden, dabei auch die Vergleichbarkeit von Männern und Frauen in der Eigenschaft als Elternteil betont;44 ebenso hat er bei einer zwar als „Stillurlaub“ bezeichneten, aber nicht mehr an die biologische Tatsache des Stillens geknüpften Freistellung einen Anspruch auch für Männer verlangt.45 Eine starke Trennlinie verläuft also zwischen Mutterschafts- und Elternurlaub.46 Die Rsp zeichnet sich inzwischen durch eine zunehmende Ausdehnung von Elternschutzrechten auf Väter aus,47 worin eine Abkehr von der noch in den 2000ern kritisierten Tendenz zur Reproduktion von Stereotypen über Elternschaft liegt.48 Diese Entwicklung lässt sich in drei Punkte aufgliedern, erstens ein engeres Verständnis von Mutterschutz, zweitens ein wachsendes Verständnis für die Wichtigkeit von Elternschutz, der auf die sozialen Aspekte der Elternschaft zielt und drittens eine strengere Betrachtungsweise bei positiven Maßnahmen mit einer die Rollen verfestigenden Wirkung.49 Dies hat auch in der Work-Life-Balance RL 2019/1158/EU Niederschlag gefunden, die nunmehr auch einen Anspruch auf bezahl41 EuGH 16.9.1999, C-218/98, Abdoulaye, Rz 20. 42 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 71. 43 Ebenso EuGH 29.11.2001, C-366/99, Griesmar; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 68. 44 EuGH 16.6.2015, C-222/14, Maistrellis; ebenso 18.11.2020, C-463/19, Syndicat CFTC; zur Vergleichbarkeit bereits EuGH 25.10.1988, C-312/86, Kommission/Frankreich. 45 EuGH 30.9.2010, C-104/09, Roca Alvarez. 46 Sagmeister, Elternschutzrechte 48 f. 47 EuGH Maistrellis; Roca Alvarez; Syndicat CFTC; ablehnend allerdings bei von einer selbständigen Mutter „abgeleitetem“ Anspruch auf Vaterschaftsurlaub EuGH 19.9.2013, C-5/12, Montull. 48 Sagmeister, Elternschutzrechte 102 mwN: „Ideologie von Mutterschaft“. 49 Sagmeister, Elternschutzrechte 117 ff.
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ten Vaterschaftsurlaub ergänzend zum Elternurlaub vorsieht (vgl Art 4). Auch im österr Recht wird eine Bevorzugung von Müttern aufgrund eines Tatbestandes der Elternschaft nicht vor § 3 Bestand haben können, weil das nationale Recht in verschiedenen Punkten (Vaterschaftskarenz, Teilzeitanspruch) erkennen lässt, dass Mütter und Väter diesbezüglich gleichbehandelt werden sollen. Gleiche Chancen können Mütter im Arbeitsleben jedenfalls nur haben, wenn der AG damit rechnen muss, dass alle jene Rechtspositionen, welche für jeden Elternteil objektiv in Betracht kommen, vielleicht auch vom Vater in Anspruch genommen werden.50 Fraglich und tendenziell wohl zu verneinen ist, ob Art 28 RL 2006/54/EG auch eine unmittelbare Diskriminierung beim Entgelt rechtfertigen kann. Zulässig sind jedenfalls die Fortzahlung des vollen Entgelts und die Abdeckung besonderer Aufwendungen während der Schwangerschaft und im unmittelbaren Anschluss daran. Noch offen ist, wie lange nach der Geburt eine Rechtfertigung nach 19 Art 28 RL 2006/54/EG möglich ist. Soweit eine Begünstigung die körperliche Verfassung der Frau nach der Geburt schützen soll, wird der Zeitraum idR kurz sein. Ein längerer Zeitraum wäre hingegen dann möglich, wenn die Begünstigung zulässigerweise die „besondere Verbundenheit mit dem Kind“51 schützt; dieser Zweck findet sich zwar bisweilen noch in der Rsp, wird aber nicht mehr auf dieselbe Art und Weise gewichtet.52 Die Ausnahme erfasst nicht mehr Sachverhalte, in denen die Bedachtnahme auf familiäre Pflichten im Vordergrund steht, wenn also die Maßnahme objektiv auch für Väter in Betracht kommt.53 Dementsprechend hielt der EuGH einen KollV, der Vergünstigungen generell für Frauen mit Kinderbetreuungspflichten vorsah, für unzulässig;54 ebenso einen nur ursprünglich direkt an den körperlichen Vorgang des Stillens gekoppelten Urlaub, der nur subsidiär auch Männern zustand,55 anders noch in der E Hofmann, wo ein sechsmonatiger Urlaub noch als Mutterschutzmaßnahme angesehen wurde.56 Auch eine 50 ZB Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (116). 51 Vgl dazu etwa EuGH 30.9.2010, C-104/09, Roca Álvarez und 18.11.2020, C-463/19, Syndicat CFTC; grundlegend 16.10.1983, C-163/82, Kommission v Italien und 12.7.1984, C-184/83, Hofmann. 52 Sagmeister, Elternschutzrechte 117. 53 Rz 18; Eichinger EAS B 4200 Rz 69. 54 EuGH 25.10.1988, 312/86, Kommission/Frankreich, Rz 14 f. 55 EuGH 30.9.2010, C-104/09, Roca Alvarez. 56 EuGH 12.7.1984, C-184/83, Hofmann.
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Bevorzugung von Frauen oder jungen Müttern beim laufenden Entgelt ist unzulässig. 20 Relevant ist auch die gegenläufige Frage, wie lange nach der Geburt es sich um eine nach § 3 verbotene Benachteiligung aufgrund der Schwangerschaft handelt, wenn der AG an einen Sachverhalt anknüpft, der auch eine Folge der Schwangerschaft ist (zB eine Krankheit; dazu § 3 Rz 40, 116, 147). Auch hier wird der Zeitraum dieses Verbots nicht allzu lang sein (zB Gebot, schwangerschaftsbedingte Arbeitsunterbrechungen nicht für eine Kündigung heranzuziehen, oder sie wie Arbeit und damit Vordienstzeit zu behandeln).57 c. Ungeschriebene Ausnahmen? 21 Fraglich ist, ob eine unmittelbare Diskriminierung über die genannten beiden Fälle hinaus gerechtfertigt werden kann, inwieweit es also ungeschriebene Ausnahmen gibt. Relevant ist dies insb, wenn man „vergleichbare Arbeit“ weit versteht, und so die Zahl der potentiellen Fälle von unmittelbarer Diskriminierung stark erhöht. Der EuGH hat die Möglichkeit einer Rechtfertigung lange Zeit nur bejaht, wenn eine RL ausdrücklich eine Ausnahme normiert, und sie ansonsten nicht erörtert und daher eher abgelehnt.58 So kann zB ein unterschiedliches Anfallsalter bei Betriebsrenten nicht durch Anknüpfen an eine parallele Regelung in der gesetzlichen Altersversorgung gerechtfertigt werden.59 Ungeschriebene Ausnahmen werden daher von der hA entschieden abgelehnt.60 Neben den geschriebenen Ausnahmen besteht nur die Möglichkeit, bereits auf der ersten Prüfebene die Vergleichbarkeit der Lage von Personen verschiedenen Geschlechts zu verneinen. IdS hat der EuGH in Fällen, in denen eine unmittelbare Benachteiligung offenkundig vorlag, aber nicht beanstandet werden sollte, Ausnahmen jedenfalls bei Fragen zum Entgelt auch indirekt zugelassen, indem er dem Problem ausgewichen ist, insb durch Verneinen des Entgeltcharakters oder einer vergleichbaren Lage:61 Ebenso könne der AG die Zahlung einer 57 Vgl § 3 Rz 140, 147, 157; ebenso Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 bei FN 79. 58 Vgl Generalanwalt Van Gerven zu C-132/92, Birds Eye Walls; Rust in GSH, AEUV Art 157 Rz 240. 59 EuGH 17.5.1990, 262/88, Barber, Rz 32. 60 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 87 ff. 61 ZB EuGH 22.12.1993, C-152/91, Neath, Rz 30-32; E Birds Eye Walls, Rz 17 f; § 3 Rz 8, 189.
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höheren monatlichen Zulage an den Mann rechtfertigen, indem er beweist, dass die Zahlung auf objektiven Faktoren beruht, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun haben. Der EuGH präsentiert die Erwägung auch hier als Ausschluss des Tatbestandes „gleiche Arbeit“.62 Bei diesen Judikaturbeispielen handelt es sich also gerade nicht um ein Anerkenntnis ungeschriebener Ausnahmen, sondern um eine konsequente Prüfung der Tatbestandsmerkmale (etwa Entgelt oder vergleichbare Lage). Rz 22 bleibt unbesetzt.
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Sonderbestimmungen für alle Frauen im Arbeitsschutz bevorzugen 23 prima facie die Frauen, können allerdings bewirken, dass bestimmte Berufe für Frauen schwerer zugänglich sind. Der EuGH hat in einem generellen Nachtarbeitsverbot für Frauen eine verbotene, auch nicht durch Art 2 der RL 76/207/EWG zu rechtfertigende Diskriminierung gesehen, weil Nachtarbeit für Frauen nicht gefährlicher sei als für Männer.63 Auch Art 157 Abs 4 AEUV und § 8 werden Sonderbestimmungen zum Arbeitsschutz für alle Frauen nicht rechtfertigen, weil sie weder die Berufstätigkeit erleichtern noch Benachteiligungen bei der Laufbahn ausgleichen. Ablehnen dürfte es der EuGH allerdings, aus den bestehenden Schutzvorsschriften für Schwangere und einer allenfalls fehlenden Einsetzbarkeit (selbst bei bewusstem Verschweigen) eine Rechtfertigung für unmittelbare Diskriminierung im Zusammenhang mit der Schwangerschaft abzuleiten.64
II. Mittelbare Diskriminierung 1. Allgemeines Eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt nach 24 der Legaldefinition des § 5 Abs 2 vor, wenn „dem Anschein nach neu trale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen können, es sei denn die betreffenden Vorschriften, Verfahren oder Kriterien sind durch ein rechtmäßiges Ziel 62 EuGH 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 62 ff; bestätigt in 12.10.2004, C-313/02, Wippel, Rz 56. 63 EuGH 25.7.1991, C-345/89, Stoeckel, Rz 15; 13.3.1997, C-197/96, Komm/ Frankreich, Rz 4; Eichinger EAS B 4200 Rz 72 ff. 64 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 89 mwN.
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sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“. Dieser Text entspricht Art 2 Abs 1 lit b RL 2006/54/EG. Terminologisch wird in diesem Kommentar von vermuteter Benachteiligung gesprochen, wenn – nur – der erste Teil dieses Tatbestandes erfüllt ist (bis „benachteiligen können“), und von Diskriminierung erst bzw nur gesprochen, wenn die vermutete Benachteiligung nicht gerechtfertigt werden kann (§ 3 Rz 5).65 Anders formuliert geht es hier um Regelungen und Maßnahmen, die prima facie ein anderes Unterscheidungskriterium als das Geschlecht verwenden, das in den Auswirkungen zu einer nicht zu rechtfertigenden vermuteten Benachteiligung aufgrund des Geschlechts führt. Rechtswidrig ist erst die nicht zu rechtfertigende Benachteiligung. Eine mittelbare Diskriminierung liegt auch vor, wenn nur sehr wenige oder gar nur ein AN eines anderen Geschlechts mittelbar aufgrund des Geschlechts besser behandelt wird. Das Konzept der mittelbaren Diskriminierung ist ein gegenüber der unmittelbaren Diskriminierung kollektivistisches Konzept. Es setzt die Bildung von Vergleichsgruppen voraus und verlangt eine Überprüfung und Rechtfertigung von Maßnahmen oder Kriterien, die die Angehörigen der einen Gruppe gegenüber der anderen benachteiligen (können). Die Ausgleichsmaßnahmen mittelbarer Diskriminierung haben das Ziel, AN einer als benachteiligt festgestellten Gruppe formal den AN der Vergleichsgruppe gleichzustellen (Teilzeit- und VollzeitAN erhalten den gleichen Stundenlohn, einen Zugang zur Betriebspension oder Biennalsprünge im gleichen Zeitraum). Fraglich ist, inwiefern diese Ausgleichsmaßnahmen sich von den Rechtsfolgen her auf formale Gleichstellung beschränken oder auch im Ergebnis ein Recht auf Andersbehandlung begründen können, wenn die mittelbare Diskriminierung darin besteht, besondere Bedürfnisse einer Gruppe nicht ausreichend zu berücksichtigen – was der im Gleichbehandlungsrecht nur bei der Behinderung angelegten Figur der zumutbaren Maßnahmen („reasonable accomodations“) entsprechen würde. In diese Richtung könnte die E Achbita verstanden werden, wenn der EuGH davon ausgeht, dass eine unternehmensinterne Regel, die das Tragen jeglicher politischer, weltanschaulicher und religiöser Symbole verbietet, eine mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung iSv Art 2 Abs 2 lit b RL 2000/78/EG begründet, wenn sich erweist, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, die sie enthält, tatsäch65 Ebenso Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 67 unter Verweis auf EuGH 5.3.2009, C-388/07, Age Concern England.
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lich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden.66 Problematisch ist, dass zwischen solchen, nunmehr offenbar zumindest bei der Religion und Weltanschauung geforderten Ausgleichsmaßnahmen und reasonable accomodations kein Unterschied zu bestehen scheint, obwohl der Gesetzgeber Letztere nur für den Diskriminierungsgrund der Behinderung verlangt.67 Maßgebende Bedeutung kommt damit den Rechtfertigungsgründen zu (vgl dazu auch § 19 Rz 80 ff). Beispiele für dem Anschein nach neutrale Kriterien sind: persönliche 25 Eigenschaften bzw Merkmalsausprägungen wie Größe oder Körperkraft, förmliche Ausbildung oder Weiterbildung, Bereitschaft zu Mobilität (Ortswechsel), Flexibilität (in Bezug auf Einteilung der Arbeitszeit) oder zu häufiger Weiterbildung, nicht kontinuierliche Beschäftigung, Ausmaß der Arbeitszeit (Teilzeitbeschäftigung, geringfügige Beschäftigung), Wahrscheinlichkeit von Fehlzeiten, Höhe der Nebenkosten des AG, Dauer der Beschäftigung im Betrieb, in der Branche oder als AN, Heimarbeit, Beschäftigung in einem Klein(st)betrieb. Viele bahnbrechende Entscheidungen des EuGH zu Art 119 EWGV haben die Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten betroffen, was heute infolge spezifischer Diskriminierungsverbote für die Teilzeitbeschäftigung etwas an Bedeutung verloren hat. Statt „dem Anschein nach neutrale Kriterien“ kann verkürzend auch „anscheinend neutrale Krite rien“ verwendet werden. Die mittelbare Diskriminierung wurde bereits in der RL 76/207/EWG 26 ausdrücklich verboten, allerdings noch nicht definiert. Der EuGH hat sie in der E Jenkins als vom Verbot des Art 119 EWGV erfasst angesehen;68 die nächste wichtige E war Bilka/Weber.69 Im Vordergrund standen lange Zeit hindurch Fragen zum Entgelt (insb für Teilzeitbeschäftigte und Betriebspensionen); über eine mittelbare Diskriminierung bei sonstigen Arbeitsbedingungen hatte der EuGH erstmals 1993 zu entscheiden.70 Ausgehend von der Judikatur wurde sie dann vom Gemeinschaftsgesetzgeber in Art 2 Beweislast-RL 97/80/EG umschrieben. Die 66 EuGH 14.3.2017, C-157/15, Achbita. 67 Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (19); vgl auch § 19 Rz 80. 68 EuGH 31.3.1981, 96/80, J. P. Jenkins/Kingsgate, Rz 15. 69 EuGH 13.5.1986, 170/84, Rz 29–31; vgl zur Entwicklung im Unionsrecht auch Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (8). 70 EuGH 30.11.1993, C-189/91, Kirsammer-Hack.
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Definition in den Antidiskriminierungs-RL 2000/78/EG und 2000/43/ EG und in der RL 2006/54/EG sowie in § 5 Abs 2 weicht davon in einem wichtigen Punkt ab. Die Beweislast-RL sagte: „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften […] einen wesentlich höheren Anteil der Angehörigen eines Geschlechts benachteiligen, […]“. Die neuen Texte sagen: „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften Personen, […] in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können.“ Die alte Formulierung stellte somit wesentlich auf einen statistischen Vergleich ab: Die vermutete Benachteiligung liegt vor, wenn die Vorschrift tatsächlich mehr Frauen als Männer benachteiligt (oder umgekehrt).71 Nach der neuen Formulierung kommt es hingegen allein auf die Eignung der Vorschrift bzw des verwendeten Kriteriums an, im konkreten Zusammenhang zu benachteiligen. Das Abgehen von statistischen Beweisen ist durchaus bewusst erfolgt: Gerade in sensiblen Bereichen wie Rasse und ethnische Herkunft wird in den Mitgliedstaaten häufig auf die Sammlung von statistischem Material verzichtet.72 Das Kriterium der Eignung stammt wohl aus der Rsp des EuGH zu den Grundfreiheiten. Die zweite Änderung lag darin, dass nach der Beweislast-RL die Rechtfertigung durch „nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe“ erfolgte, während die neuen RL verlangen, dass die Vorschrift usw „durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist“. Dies ist sprachlich anders, man wird aber davon ausgehen können, dass rechtmäßig im vorliegenden Zusammenhang nur solche Ziele sein können, welche nicht auf das Geschlecht bezogen sind. 27 Die neue Formulierung sollte die Reichweite der mittelbaren Diskriminierung im Vergleich zur alten Formulierung wohl nicht einschränken, sondern, wenn ändern, dann eher erweitern. Die von der Beweislast-RL genannte Konstellation des „größeren Anteils“ wird daher auch weiterhin eine vermutete Benachteiligung begründen. Erwägungsgrund Nr 15 der Rahmen-RL 2000/78/EG sagte zwar, das nationale Recht könne vorsehen, dass mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist; daraus war aber wohl nicht schließen, dass nach der RL das statistische Kriterium nur mehr nach Maßgabe des nationalen Rechts maßgebend wäre. Die neue RL 2006/54/EG spricht die Frage nicht mehr an. Daneben reicht aber nun auch die genannte „besondere“ Eignung des Kriteri71 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 94. 72 Barnard, EU Employment Law 280.
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ums. Sie führt dazu, dass nunmehr keine aktuelle Benachteiligung nachgewiesen werden muss, sondern dass das Potenzial einer Maßnahme, eine Gruppe zu benachteiligen, ausreicht. Der Unterschied zeigt sich in folgendem Fall: Lehnt der AG die Einstellung oder Beförderung einer Frau aufgrund eines Kriteriums ab, welches Frauen an sich benachteiligen kann, so lag nach der alten Formel keine vermutete Benachteiligung vor, falls der AG in der angestrebten AN-Gruppe bereits mehr Frauen als Männer beschäftigt. Nach der neuen Formel kommt hingegen wohl auch in diesem Fall eine vermutete Benachteiligung in Betracht. Ebenso ein wesentlicher Unterschied liegt in der Art der benötigten Beweismittel; die Gefahr einer Diskriminierung kann nunmehr durch entsprechende statistische Daten oder andere geeignete Mittel nachgewiesen werden, die belegen, dass sich eine Vorschrift ihrem Wesen nach nachteilig für die betreffende Person oder Personengruppe auswirken würde.73 Mittelbare Diskriminierung kommt nicht nur bei vom AG angewende- 28 ten Regelungen in Betracht, sondern auch bei Einzelmaßnahmen, wie zB bei einer Einstellung. Die Tatsache, dass eine mittelbare Diskriminierung lange nur mit Hilfe einer Statistik festgestellt werden konnte, schließt ja nicht aus, dass aus einer Statistik zur Lage beim AG Schlüsse auf einen bestimmten Einzelfall – zB eine Beförderung – gezogen werden. In den USA betrifft die Judikatur zur mittelbaren Diskriminierung sogar überwiegend Einzelmaßnahmen wie Einstellung oder Beförderung, die dann aber idR in kollektivem Bezug gesehen werden. Aufgrund der heutigen Definition der mittelbaren Diskriminierung in § 5 kommt eine mittelbare Diskriminierung sogar bei einem AG in Betracht, der nur eine(n) AN beschäftigt, weil es nur auf die Eignung des Kriteriums zur spezifischen Benachteiligung ankommt. Bei einer Einzelmaßnahme muss man fragen, ob – bekannte oder vermutete – Entscheidungsgründe des AG zulässig wären, wenn der AG sie allg anwendete. Das Einbeziehen von Einzelmaßnahmen ist mit dem Wortlaut von § 5 Abs 2 jedenfalls vereinbar, wenn nicht sogar geboten, weil auch bei Einzelmaßnahmen Kriterien bzw Verfahren angewendet werden. Und der Zweck des Gesetzes erfordert die Anwendung, weil es keinen Unterschied machen kann, ob der AG eine mittelbar diskriminierende Regel ausdrücklich aufstellt oder nur bei mehreren Einzelmaßnahmen 73 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 5 GlBG Rz 5; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 94 mwN.
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erkennbar befolgt. Zwingend wird das Einbeziehen, wenn man eine unmittelbare Diskriminierung schon entfallen lässt, falls der AG ein Motiv nennt, das konkret mittelbar diskriminierend wäre (Rz 11). 29 Prüfungsgegenstand sind jeweils einzelne konkrete Regelungen oder Maßnahmen. Beim Entgelt ist jeder Entgeltbestandteil gesondert auf eine mittelbare Diskriminierung hin zu beurteilen.74 Damit soll verhindert werden, dass Benachteiligungen durch eine Gesamtbetrachtung „ausgeglichen“ und verdeckt werden. Daher ist auch bei anderen Arbeitsbedingungen jeweils die einzelne Arbeitsbedingung zu prüfen.
2. Vermutete Benachteiligung a. Allgemeines 30 Für die Darstellung empfiehlt es sich, zwischen generellen Regelungen und Einzelmaßnahmen des AG zu unterscheiden, weil die Einzelmaßnahmen spezifische Fragen aufwerfen. Bei den generellen Regelungen ist es sinnvoll, zwischen Gesetzen, KollV, sowie generellen Regelungen und Maßnahmen des AG zu unterscheiden. Im Folgenden wird zuerst auf generelle Regelungen und Maßnahmen des AG eingegangen. Vieles davon gilt auch für KollV. Bei generellen Regelungen liegt eine vermutete Benachteiligung vor, wenn das anscheinend neutrale Unterscheidungskriterium (Verfahren, Vorschrift) die Angehörigen eines Geschlechtes „in besonderer Weise benachteiligen kann“. Man kann dazu heute zwei Fallgruppen unterscheiden. Die wichtigere ist die statistische Benachteiligung, zu der es schon reiche Judikatur gibt (Rz 26 ff). Die zweite Gruppe bilden Fälle, in denen das verwendete Unterscheidungskriterium auf sonstige Weise besonders geeignet ist, zu benachteiligen. In beiden Fallkonstellationen kommt es allein auf die objektiven Auswirkungen der Regelung an; Absicht oder Fahrlässigkeit des Regelnden ist nicht erforderlich (Rz 40). 31 Ist die vermutete Benachteiligung, insb mithilfe der Statistik, ausreichend dargetan, so hat der AG mehrere Möglichkeiten darzutun, dass dennoch nicht diskriminiert wurde. Erstens kann der AG die Vermutung der mittelbaren Benachteiligung widerlegen, falls die statistische Differenz zufällig ist (zur Beweislast Rz 38). Zweitens kann der AG dartun, dass die vermutete Benachteiligung auf Grund des Geschlechts objektiv durch Umstände gerechtfertigt werden kann, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben (Rz 46 ff). 74 EuGH 17.5.1990, 262/88, Barber, Rz 33 ff; § 3 Rz 90.
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b. Statistische Benachteiligung Eine statistische Benachteiligung liegt vor, wenn eine an sich ge- 32 schlechtsneutral formulierte Regelung tatsächlich wesentlich mehr Frauen als Männer benachteiligt, sie sich also statistisch überwiegend zum Nachteil der Frauen auswirkt.75 Grds dasselbe gilt auch, wenn eine Regelung tatsächlich wesentlich mehr Männer als Frauen benachteiligt. Maßgebend sind allein die Auswirkungen der Regelung. Das Einsetzen des statistischen Vergleichs wurde va in der deutschen Literatur kritisiert, weil damit der Bestand von Individualrechten zu sehr von der Statistik abhängig gemacht werde.76 Das Heranziehen des statistischen Vergleichs will jedoch nicht eine schematische Gleichbehandlung durchsetzen, weil daraus ja nur die widerlegbare Vermutung der Benachteiligung folgen kann. Die Vermutung kann noch entkräftet werden, uzw durch die Erklärung durch andere – rechtfertigende – Gründe. Der statistische Vergleich soll also „nur“ die Beweisanforderungen für die Abhängigkeit einer Benachteiligung vom missbilligten Unterscheidungsmerkmal herabsetzen:77 Wenn sich ein an sich neutrales Unterscheidungskriterium typischerweise zum Nachteil einer Gruppe auswirkt, so ist die Benachteiligung mit erhöhter oder hoher Wahrscheinlichkeit auf die Gruppenzugehörigkeit zurückzuführen. Statistische Nachweise sind nicht mehr zwingend erforderlich, bleiben jedoch eine Möglichkeit des Nachweises.78 Der entscheidende Punkt beim statistischen Vergleich ist die Abgren- 33 zung der Vergleichsgruppen bzw des Vergleichsrahmens: Für welchen Bereich (Abteilung, Betrieb[e], Unternehmen, Geltungsbereich eines KollV) sind die Auswirkungen einer Regelung auf Frauen und Männer zu prüfen? Auch hier ist zuerst zu prüfen, ob Männer und Frauen sich überhaupt in einer vergleichbaren Situation befinden (Rz 5; § 3 Rz 8). Daran fehlt es etwa, wenn der AG jungen Müttern ein besonderes 75 Vgl Art 2 Abs 1 lit b RL 2006/54/EG; zB EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 29; 30.3.2000, C-236/98, JämO, Rz 50; sowie zu Gesetzen ausführlich EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Rz 53–65; 6.2.1996, C-457/93, Lewark, Rz 28; 2.10.1997, C-1/95, Gerster, Rz 30; 23.10.2003, C-4/02, Schönheit, Rz 69 ff. 76 ZB Zöllner/Loritz/Hörgenröder, Arbeitsrecht6 (2008) 204: „fragwürdig“; Kingreen, Gleichheitsrechte Rz 58. 77 Schlachter, NZA 1995, 393 ff. 78 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 102; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 79.
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Recht (hier auf unbezahlten Urlaub) einräumt, und dann diese Vergünstigung – so wie in vergleichbaren Fällen – nicht zur Grundlage für weitere Ansprüche (hier: Entstehen von Anspruch auf bezahlten Urlaub) nimmt. Der EuGH hat dazu treffend festgestellt, dass darin keine Benachteiligung der jungen Mütter gesehen werden kann.79 In der Folge ist von der Grundregel auszugehen, wie sie insb die RL 2006/54/EG formulierte (Rz 26): Eine vermutete Benachteiligung liegt vor, wenn der Anteil der Angehörigen eines Geschlechtes unter den Benachteiligten wesentlich höher ist als bei den Begünstigten. 34 Geht es um das Entgelt, so ist für die Abgrenzung der Vergleichsgruppen primär maßgebend, ob die AN gleiche oder doch vergleichbare Arbeit leisten. Laut EuGH gilt das Diskriminierungsverbot potentiell nicht nur für Arbeit in demselben Betrieb, sondern stets dann, wenn sich Entgeltbedingungen „auf ein und dieselbe Quelle“ zurückführen lassen (§ 3 Rz 103).80 Dies ist also der weitest mögliche Vergleichsrahmen, der insb durch den Handlungsbereich von zwei Kollektivvertragsparteien bestimmt werden kann, uE aber auch durch die einheitlichen Vorgaben eines Konzerns für die Personalangelegenheiten. Die äußere Grenze, die der EuGH zum Vergleich der Entgeltbedingungen gezogen hat, wird auch für andere Arbeitsbedingungen gelten. 35 Innerhalb dieser äußeren Grenze darf der Vergleichsrahmen jedenfalls nicht willkürlich gezogen werden. Die statistischen Angaben müssen aussagekräftig sein. Sie müssen sich daher auf eine ausreichende, relativ große Zahl von Personen beziehen, um auszuschließen, dass Unterschiede bloß zufällige oder nur konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln oder nur Unterschiede der einzelnen AN wiedergeben. Die Vergleichsgruppen müssen auch sämtliche AN umfassen, die in einer vergleichbaren Situation sein können; grds sind daher alle AN einzubeziehen, auf die sich das untersuchte Unterscheidungskriterium auswirken kann.81 Die Abgrenzung der Vergleichsgruppe kann schwierig sein; letztlich kommt es auf den Sinngehalt der Gesamtregelung an, in welche die untersuchte Bestimmung eingebettet ist.82 Bei Maßnahmen 79 EuGH 27.10.1998, C-411/96, Boyle, Rz 77 ff. 80 EuGH 17.9.2002, C-320/00, Lawrence, Rz 17 und 18; bestätigt durch 13.1.2004, C-256/01, Allonby, Rz 46-49. 81 Vgl zu den Vorgaben EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 17; 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen, Rz 33 ff. 82 Gut gelöst zB von EuGH 14.9.1999, C-249/97, Gruber, Rz 31–33.
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des AG kann es für den statistischen Vergleich nur auf die Verhältnisse im Betrieb oder Unternehmen ankommen. Geht es um das Entgelt, so ist für die Abgrenzung der Vergleichsgrup- 36 pen primär maßgebend, ob die AN gleiche oder doch gleichwertige Arbeit leisten (§ 3 Rz 100 ff). Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte sind in demselben Vergleichsrahmen, weil die Arbeit nicht wegen des unterschiedlichen Umfanges verschieden ist. Schon bei gleicher Arbeit kann der Vergleichsrahmen auf andere Betriebe auszudehnen sein; und verstünde man Vergleichbarkeit weit, so könnte dies zu einem Übergreifen des Vergleiches auf andere Berufe führen (§ 3 Rz 108 ff). Geht es nicht um die Festlegung des laufenden Entgelts, sondern um Nebenregeln (zB Entgeltfortzahlung) oder nicht direkt mit der Arbeit verbundene Nebenleistungen (zB Betriebspension, Zulage für Schwerarbeiter), so kommt es auch beim Entgelt nicht darauf an, dass die Arbeit gleich oder vergleichbar ieS ist. Vielmehr wird die Abgrenzung hier so erfolgen wie bei den anderen Arbeitsbedingungen. Grds sind alle Personen einzubeziehen, für welche die untersuchte Regelung gilt oder auf welche sie sich auswirken kann. So betrifft eine betriebliche Richtlinie zur Auswahl bei Einstellung oder Beförderung grds alle Bewerber. Bei einem Einstellungstest sind die Anteile der Frauen/Männer an den Erfolgreichen zu ermitteln und zu vergleichen. Der Vergleichsrahmen kann aber – mitunter erheblich – einzuschränken sein, falls und weil die Arbeitsbedingungen der mehr und der weniger begünstigten AN doch nicht vergleichbar sind.83 In der Praxis wird man bei Maßnahmen des AG als Ausgangspunkt alle AN des Betriebes in den Vergleich einbeziehen, vielleicht aber auch des Unternehmens, und dann prüfen, ob der Vergleichsrahmen aufgrund des Inhalts der Regelung oder aufgrund von Unterschieden in den faktischen Arbeitsbedingungen zu verringern ist (vgl aber zur E Schuch-Ghannadan Rz 39). Bei einem KollV ist hingegen von allen Arbeitsverhältnissen, welche in dessen Geltungsbereich fallen, auszugehen (vgl § 3 Rz 20 f). Ist der Rahmen des Vergleichs ermittelt, so sind die von der Regelung 37 begünstigten und benachteiligten AN, und bei diesen Gruppen jeweils der prozentuale Anteil der Frauen und Männer, zu ermitteln,84 allen83 Deutlich etwa in EuGH 12.10.2004, C-313/02, Wippel, Rz 59 f: Teilzeitbeschäftigte AN mit Arbeit auf Abruf sind mit Vollzeitbeschäftigten wegen der unterschiedlichen Pflichtenlage nicht vergleichbar. 84 EuGH 17.6.1998, C-243/95, Hill/Stapleton, Rz 24; 9.2. 1999, C-167/97, Seymour-Smith, Rz 59.
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falls zu schätzen. Es genügt nicht, allein auf die Benachteiligten abzustellen oder allein auf die absolute Zahl der Betroffenen zu blicken.85 Eine vermutete Benachteiligung liegt nach der Grundregel vielmehr vor, wenn der Anteil der Angehörigen eines Geschlechtes unter den Benachteiligten wesentlich höher (oder: erheblich geringer) ist als bei den Begünstigten.86 Bei Maßnahmen des AG kommt es allein auf die Verhältnisse im Betrieb oder Unternehmen an: Die Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten durch eine Maßnahme des einzelnen AG ist daher keine vermutete Benachteiligung, wenn der Anteil der Frauen bei Teil- und Vollzeitbeschäftigten im Regelungsbereich in diesem Unternehmen in etwa gleich groß ist, auch wenn Teilzeitbeschäftigte in der Gesamtwirtschaft überwiegend Frauen sind (vgl aber Rz 40). Bei gesetzlichen Maßnahmen können demgegenüber auch Millionen AN in den Vergleich einbezogen werden;87 zu KollV vgl Rz 42. Beispiel (zur Grundregel): Ein Unternehmen hat 50 Teilzeit- und 50 Vollzeitbeschäftigte; Teilzeitbeschäftigte sind von einer Leistung ausgeschlossen, der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten beträgt 90%, jener bei den Vollzeitbeschäftigten 55%; es liegt wohl eine vermutete Benachteiligung vor. Die Benachteiligung kann aufgrund einer Modifikation der Grundregel auch vermutet werden, wenn der Anteil der Benachteiligten des einen Geschlechtes wesentlich geringer ist als der Anteil der Benachteiligten des anderen Geschlechtes (zB beträgt der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten 45%, jener an den Vollzeitbeschäftigten 15%). Betragen bei einem Einstellungstest die Anteile der Frauen/Männer an den Erfolgreichen über einen längeren Zeitraum 40/60, so liegt uE eine vermutete Benachteiligung vor. Die dritte denkbare Methode, welche der EuGH inzwischen als die beste bezeichnet,88 ist, darauf abzustellen, ob der Anteil der Merkmalsträger unter den Benachteiligten wesentlich höher ist als im Vergleichsrahmen.89 Das kann zu einem anderen Ergebnis führen, insb wenn der Anteil der benachteiligten Gruppe an der Gesamtgruppe hoch ist. Im vorigen Beispiel liegt der Anteil der Frauen bei den benachteiligten Teilzeitbeschäftigten bei 85 Treffend OGH 31.1.1996, 9 ObA 172/95 zur Anwendung eines KollV durch den AG. 86 EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 31; 13.7.1989, 171/88, Rinner-Kühn, Rz 11, 14; 6.2.1996, C-457/93, Lewark, Rz 29 f. 87 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 102. 88 EuGH 24.9.2020, C-223/19, YS; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 80. 89 BAG 23.2.1994, 4 AZR 219/93 = AP EWG Art 119 Nr 51.
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90%, unter allen AN hingegen bei 70%; hier ist fraglich, ob die Benachteiligung vermutet werden kann. Das Erfordernis, dass der Anteil der Benachteiligten wesentlich höher 38 ist, wurde bisher vom EuGH nicht näher präzisiert; die Ausdrucksweise des EuGH schwankt auch, ohne dass damit aber erkennbar Unterschiede in der Sache verbunden wären. Es ging meist um Teilzeitbeschäftigte, bei denen der Frauenanteil stets viel höher war. Überdies ist es primär Aufgabe des nationalen Gerichts festzustellen, ob der Anteil wesentlich höher ist.90 Als nicht wesentlich werden geringfügige Unterschiede der Anteile erachtet.91 Ein geringerer Unterschied kann aber für die Annahme einer vermuteten Benachteiligung ausreichen, falls er über längere Zeit konstant besteht.92 In der deutschen Lehre wird gesagt, dass eine vermutete Benachteiligung „jedenfalls“ vorliege, falls der Anteil des einen Geschlechts an den Nichtbenachteiligten um ein Viertel geringer ist als bei den Benachteiligten (Schlachter spricht von einem Relationsunterschied von 75%), und überdies die prozentuale Abweichung aussagekräftig ist.93 In einer neueren E hat der EuGH davon gesprochen, der Unterschied müsse „hinreichend groß“ sein, und es als ausreichend für eine vermutete Benachteiligung gesehen, wenn 75% der Pensionisten und nur 43% der Pensionistinnen für eine Pensionserhöhung in Betracht kommen.94 Ist fraglich, ob der statistische Unterschied deutlich genug ist, so wird man eine Gesamtbetrachtung anzustellen haben, die auch die Bedeutung der Ungleichbehandlung und das Ausmaß der Betroffenheit einbezieht. Erforderlich ist eine signifikante und klare Aussage der Daten.95 In weiterer Folge ist stets auch zu bedenken, ob die vorhandene Auffälligkeit der Zahlen etwa auf Zufall beruht, weil sie leicht mit anderen Gründen als dem Geschlecht erklärt werden kann. Dafür wird aber der Beklagte beweispflichtig sein. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob die statistischen Daten aussagekräftig sind oder zufällige Erscheinungen widerspiegeln.96 Sind 90 ZB EuGH 30.3.2000, C-236/98, JämO, Rz 51 mwN. 91 In der E EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith betrug der Unterschied nur 5%. 92 EuGH Seymour-Smith, Rz 61; aA Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 40. 93 Schlachter in ErfK AGG § 3 Rz 10; Thüsing in MüKo AGG § 3 Rz 31. 94 EuGH 20.10.2011, C-123/10, Bachner. 95 Vgl auch Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 76 ff. 96 EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 17.
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die Daten aussagekräftig, dann ist nicht weiter zu prüfen, ob die statistischen Unterschiede materiell auf geschlechtsspezifischen Gründen beruhen.97 39 Das Vorliegen der Benachteiligung ist vom Kläger zu behaupten; gem § 12 Abs 12 genügt es, wenn er sie (nur) glaubhaft macht. Dies gilt auch für die statistische Auswirkung der Regelung. Zuweilen genügt für das Glaubhaftmachen die Alltagserfahrung: Eine Benachteiligung von Teilzeitkräften benachteiligt – nur – in der Regel Frauen. In anderen Fällen kann das Glaubhaftmachen aber weiterhin schwer fallen, wenn der AN dafür (statistische) Daten benötigt, die nur der AG zur Verfügung hat. Das GlBG sieht einen Anspruch gegen den AG auf Zugang zu oder Herausgabe von Informationen jedenfalls nicht ausdrücklich vor, und auch der EuGH hat diesen bisher nicht bejaht.98 Nur die Gleichbehandlungskommission hat Anspruch auf die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte durch die AG (§ 10 Abs 2 GBK/ GAW-G). Allerdings hat der EuGH etwa in der E Schuch-Ghannadan mangels Verfügbarkeit von konkreten Zahlen ausgesprochen, dass der AN den Anschein einer Diskriminierung mit allgemeinen statistischen Daten über den Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaats glaubhaft machen kann, wenn von ihm, weil Daten speziell über die relevante Gruppe der AN schwer zugänglich oder überhaupt nicht verfügbar sind, nicht erwartet werden kann, dass er solche Daten vorlegt, und insofern Statistiken über den allgemeinen österreichischen Arbeitsmarkt, nach denen weit mehr Frauen als Männer teilzeitbeschäftigt sind, ausreichen lassen.99 Bei den Anforderungen an die Glaubhaftmachung und deren Widerlegung ist insb beim Entgelt zu berücksichtigen, dass der EuGH die Beweislast der AN für verschiedene Konstellationen stark herabgesetzt hat, va bei einem undurchsichtigen Entlohnungssystem.100 Diese Regeln sind als Auslegung des Primärrechts auch dann noch relevant, wenn die RL die Beweislast der AN weniger stark verringern sollte. Insbesondere besteht nach der Rsp des EuGH bei einer 97 Das war früher in Deutschland strittig; vgl Wank in Handbuch § 16 Rz 159; Schlachter EAS B 4100 Rz 45. 98 De lege ferenda für diesen Anspruch zu Recht Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 93. 99 EuGH 3.10.2019, C-274/18, Schuch-Ghannadan, Rz 56; unter Verweis auf EuGH 21.7.2011, C‑104/10, Kelly. 100 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 13; 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 14; 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen, Rz 24–26.
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Maßnahme, die prozentuell erheblich mehr Frauen als Männer benachteiligt oder umgekehrt, eine Vermutung dafür, dass diese Maßnahme eine mittelbare Diskriminierung ist.101 Der AG muss das Gegenteil beweisen. c. „Besonderes“ Kriterium Nach dem Wortlaut des § 5 Abs 1 und der RL 2006/54/EG kann eine 40 vermutete Benachteiligung auch ohne statistische Benachteiligung vorliegen, wenn das Unterscheidungskriterium (die Vorschrift, das Verfahren) „Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechtes benachteiligen kann“. Ausreichend ist, dass die Vorschrift sich ihrem Wesen nach nachteilig für die betreffende Person oder Personengruppe auswirken würde. Die Frage der „besonderen“ Eignung wird häufig ohne Beweisaufnahme beantwortet werden können, sei es aufgrund einer Schätzung,102 oder auch durch Rückgriff auf allgemein anerkanntes Wissen, womit auch auf die sozialen Verhältnisse außerhalb des Unternehmens abgestellt werden könnte; letzterer Zugang wird durch die aktuelle Formulierung der einschlägigen Richtlinien gestützt.103 Das Tatbestandselement „besondere Eignung“ war vom Wortlaut der Beweislast-RL nicht erfasst, weil es die einschlägigen RL damals noch nicht vorsahen. Soweit aber einmal ein Beweis dafür erforderlich war, musste man wohl auch damals die Beweislast-RL und § 12 Abs 12 darauf anwenden.104 Da nunmehr sowohl die mittelbare Diskriminierung als auch die Beweislastverteilung in der RL 2006/54/EG einheitlich geregelt ist, dürfte diese Unterscheidung sich erübrigen. Zur Beweislast gilt also dasselbe wie zur statistisch begründeten Vermutung. Erforderlich ist wohl, dass das verwendete Kriterium in ganz hohem 41 Ausmaß mit den Angehörigen eines Geschlechtes korreliert. Ein Bei101 EuGH 2.10.1997, C-17/95, Gerster; 2.10.1997, C-100/95, Kording; 12.10.2004, C-313/02, Wippel; 10.3.2005, C-196/02, Nikoloudi. 102 Barnard, EU Employment Law 283, spricht hier ua von einem „impressionistischen“ Ansatz: Die Benachteiligung könnte angenommen werden, wenn der Unterschied zwischen den Gruppen „beträchtlich“ ist – also eine Daumenregel aus dem Bauch heraus ohne festgelegte Zahl. 103 Barnard, EU Employment Law 283; ebenso Windisch-Graetz in Reissner/ Mair, Antidiskriminierung 1 (10). 104 Zweifelnd Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 164 f, dafür aber nun Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 97 mwN.
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spiel wäre die Körperkraft. Auch das Kriterium der Teilzeitbeschäftigung ist wohl „in besonderer Weise geeignet“, Frauen zu benachteiligen, wenn und weil der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten in Österreich typischerweise höher ist als unter allen AN (vgl die E Schuch-Ghannadan). Folgt man dem, so liegt eine vermutete Benachteiligung bereits vor, wenn Teilzeitbeschäftigte schlechter gestellt werden als Vollzeitbeschäftigte, unabhängig von den Verhältnissen beim konkreten AG. Letztlich verschwimmen gerade bei allgemein anerkanntem Wissen die Grenzen zwischen statistischem Beweis und besonderer Eignung, da sich solches Wissen oft aus zumindest allgemeinen (sei es auch nicht für das Unternehmen/den Betrieb spezifischen) Statistiken ergeben wird. Denkbar wäre auch, das Kriterium einer (möglichst) ununterbrochenen Vorbeschäftigung als ein Kriterium anzusehen, das spezifisch die Frauen benachteiligt. Fraglich ist, inwieweit auch Kriterien wie Flexibilität und Mobilität sowie die Bereitschaft dazu schon vom Inhalt her Frauen in besonderer Weise benachteiligen. Dafür spricht, dass die meisten Frauen mit Kindern deshalb in ihrer Flexibilität – mehr als die Väter – eingeschränkt sind. Allerdings gibt es auch viele Männer, deren Bereitschaft zu Flexibilität eher gering ist. Im Allgemeinen wird zeitliche Flexibilität jedoch unter dem Gesichtspunkt mittelbarer Diskriminierung zu prüfen sein. d. Einzelmaßnahmen 42 Auch eine Einzelmaßnahme des AG kann mittelbar diskriminieren (Rz 28). Abzustellen ist auf die bekannten oder die vermuteten Kriterien des AG und deren Verallgemeinerung. Man kann das Vorliegen einer Benachteiligung vermuten, wenn der AG ein entsprechendes Motiv geäußert hat oder anklingen ließ oder wenn eine Regelmäßigkeit im Verhalten bzw in der Personalstruktur des AG darauf hindeutet (zB stellt der AG in der Regel nur Männer oder Frauen ein). Auch in Bezug auf eine Einzelmaßnahme kann die Vermutung der Benachteiligung daher mit Hilfe der Statistik dargetan werden.105 Dafür spricht schon, dass diese Möglichkeit nach § 5 Abs 2 allgemein besteht und das Gesetz sie für Einzelmaßnahmen nicht ausschließt. Wollte man die genannte Möglichkeit ausschließen, so würde dies das Verbot der mittelbaren Diskriminierung bei Einzelmaßnahmen leer laufen lassen. Verstärkt wird dies dadurch, dass der AG den Vorwurf der unmittelbaren Diskriminierung bei Einzelmaßnahmen eher leicht abwehren kann, und die 105 Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 33.
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einzige Hürde hier die nachfolgende Kontrolle unter dem Aspekt der mittelbaren Diskriminierung darstellt (Rz 11). Bei Einzelmaßnahmen ist der Nachweis einer geschlechtsbedingten Benachteiligung oft sehr schwierig, so dass der in § 12 Abs 2 vorgesehenen Beweislastverschiebung große Bedeutung zukommt. Fraglich ist, ob man die Diskriminierung bereits dann vermuten kann, wenn der AG ein unfaires Verfahren durchführt.106 e. Kollektivverträge Für Kollektivverträge gilt grds das zu generellen Regelungen des AG 43 Dargelegte (Rz 32 ff). Die Folgen einer Diskriminierung durch KollV soll, jedenfalls aus der Sicht des Art 157 AEUV, der zur Zahlung sonst Verpflichtete, also idR der AG tragen, indem er zu zahlen hat.107 Ähnliches wird auch für die anderen Arbeitsbedingungen gelten. Wesentlich ist primär die Abgrenzung des Vergleichsrahmens, insb inwieweit hier nur AN des beklagten Unternehmens einzubeziehen sind, oder alle AN im (uU vermuteten) Geltungsbereich des KollV. Bei unmittelbarer Diskriminierung spielt diese Frage keine Rolle, bei mittelbarer kann sie entscheidend sein. Jedenfalls in Verfahren der Gleichbehandlungskommission nach § 11 GBK/GAW-G und in Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG zu einem KollV ist der gesamte Geltungsbereich des KollV in den Vergleich einzubeziehen. Dies entspricht der Judikatur des EuGH, demzufolge die nationalen Gerichte berechtigt und verpflichtet sind, eine Kollektivvertragsbestimmung, die Art 157 AEUV verletzt, für unwirksam erklären.108 Die GAW hat im Verfahren nach § 11 GBG/ GAW-G aber wohl nicht das Recht, den Feststellungsantrag nach ASGG einzubringen (§ 12 Abs 4 GBK/GAW-G gilt wohl nur für Verfahren nach § 12). In Verfahren, die nur einen AG betreffen (Klagen eines AN, Anträge 44 nach § 12 GBK/GAW-G oder nach § 54 Abs 1 ASGG) ist die Abgrenzung des Vergleichsrahmens weit schwieriger. Der Meinungsstand ist eher unklar. Soweit die vermutete Benachteiligung durch statistischen Vergleich begründet wird, ist fraglich, ob es für den Vergleich auf den gesamten Geltungsbereich des KollV oder nur auf die Verhältnisse 106 In diese Richtung BVerfG 16.11.1993 AP BGB § 611a Nr 9. 107 Vgl § 3 Rz 22, 32; EuGH Kowalska, Rz 19; 28.9.1994, C-28/93, van den Akker, Rz 14. 108 EuGH 27.6.1990, C-33/89, Kowalska, Rz 18; § 3 Rz 22.
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beim AG (Unternehmen) ankommt. An sich hat der einzelne AG nur soweit selbst diskriminiert, als auch in seinem Unternehmen eine vermutete Benachteiligung vorgelegen hat. Früher hat der EuGH dies zuweilen berücksichtigt, indem der Vergleich grds auf die AN eines AG beschränkt wurde: Eine von einem KollV diskriminierte ANin konnte sich nicht auf das Diskriminierungsverbot berufen, wenn gerade ihr AG keine AN beschäftigt, die durch die fragliche Regelung begünstigt werden.109 Allerdings hat der EuGH in manchen E auch nicht speziell auf die Verhältnisse beim AG abgestellt, nicht einmal wenn die Ursache der Diskriminierung im Gesetz lag,110 wenngleich fraglich ist, ob der EuGH ein Abstellen auf die Verhältnisse beim AG zulassen würde, falls der AG ein Abweichen behauptet.111 Die für Verfahren nach § 12 GBK/ GAW-G vorgesehene Möglichkeit eines Verbandsantrages deutet auf ein Einbeziehen des gesamten Geltungsbereiches des KollV hin (§ 12 Abs 4 und 5 gibt diese Möglichkeit den Interessenvertretungen und der Anwältin für Gleichbehandlung). 45 Die jetzt maßgebenden Umschreibungen von Diskriminierung in der RL 2006/54/EG und in § 5 weisen deutlich darauf hin, dass sich das Vorliegen einer Diskriminierung nicht nur aus den Umständen beim beklagten AG ergeben kann, sondern auch aus den Umständen im gesamten Anwendungsbereich des vom beklagten AG angewendeten KollV.112 Die 2006/54/EG und § 5 Abs 2 lassen es bei der unmittelbaren Diskriminierung ja ausreichen, dass eine andere Person eine günstigere Behandlung „erfahren würde“ als im KollV für die Klägerin vorgesehen ist. Und bei der mittelbaren Diskriminierung reicht es jetzt aus, dass die Regelung benachteiligen „kann“; dies muss wohl unabhängig von den Verhältnissen beim AG beurteilt werden. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt für die KollV also gleichsam unmittelbar, ohne Bindung an einen AG. Dies ist jedenfalls für die Zukunft (Beseitigung der Diskriminierung) relevant; hier kann man ohne Probleme auf den gesamten KollV abstellen. Dies wird auch vom EuGH verlangt.113 Nach der neuen Rechtslage muss der AG aber eine Diskriminierung (bloß) durch Anwendung des KollV auch für die Vergangenheit ver109 EuGH 28.9.1994, C-200/91, Coloroll, Rz 100 ff. 110 § 3 Rz 21, 26; ferner zB EuGH 30.11.1993, C-189/91, Kirsammer, Rz 30. 111 Vgl zB die Bemerkung in EuGH 6.2.1996, C-457/93, Lewark, Rz 29 f. 112 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 102 – alle AN der jeweiligen Branche. 113 EuGH 27.6.1990, C-33/89, Kowalska.
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antworten (und nachzahlen). Dies gilt selbst dann, wenn er selbst keine Angehörigen des anderen Geschlechtes schlechter behandelt hat. Daher kann ein AG, der einen KollV anwendet, der die AN von Kleinunternehmen schlechter stellt, vermutet benachteiligen, falls der Anteil der weiblichen AN im Anwendungsbereich dieses KollV in Kleinunternehmen deutlich höher ist als in den anderen Unternehmen – auch wenn der beklagte Kleinunternehmer selbst innerhalb seiner AN gar nicht differenziert hat. Allerdings bleiben Zweifel an der Verantwortung des einzelnen AG für Benachteiligungen, die sich nur aus den Verhältnissen bei anderen AG ergeben. Sie bestehen insb, falls die vermutete Benachteiligung allein statistisch begründet wird; wird sie hingegen mit der besonderen Eignung (Rz 40) begründet, dann ist ein Absehen von den Umständen beim beklagten AG weit eher berechtigt. Besonderes bedenklich ist die Zurechnung von Benachteiligungen, die allein durch eine Statistik über die Verhältnisse bei anderen AG begründet wird, falls die Benachteiligung für den beklagten AG kaum erkennbar war (vgl auch § 3 Rz 22 ff).
3. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung a. Allgemeines Eine vermutete Benachteiligung aufgrund des Geschlechts ist nur ver- 46 boten, wenn sie nicht gerechtfertigt werden kann. Der EuGH formuliert(e) meist, dass aufgrund der Statistik zu vermutende Benachteiligungen nicht verboten sind, „sofern sich diese Ungleichbehandlungen mit objektiv gerechtfertigten Faktoren erklären lassen, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben“.114 Diese Formulierung kehrt in der Umschreibung der mittelbaren Diskriminierung in der RL 2006/54/EG nicht wieder – zu Recht, weil der EuGH damit im Kern nichts anderes umschreibt als die Möglichkeit einer Rechtfertigung (ferner drücken die zitierten Worte den Auftrag aus, zu prüfen, ob die statistisch dargetane Benachteiligung nicht rein zufällig ist).115 Leitlinie für Maßnahmen des AG ist, dass der „für die Ungleichbehandlung angeführte Grund einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entsprechen und für die Erreichung dieses Ziels ge114 ZB EuGH 15.12.1994, C-399/92, Helmig/Lengerich, Rz 20; 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Rz 52. 115 Rz 35, 38; vgl auch Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 36 f.
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eignet und erforderlich sein“ muss.116 Die Frage der Rechtfertigung ist grds vom nationalen Gericht zu prüfen. Der EuGH hat dazu zwar schon deutliche „Hinweise“ zu wichtigen Fragen gegeben,117 manch andere hingegen kaum konkretisiert (insb die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit). Die Gerichte der Mitgliedstaaten haben damit einen ziemlich weiten Gestaltungsspielraum bei den entscheidenden Abwägungen. Die oft weitgehende Verweisung der Frage einer Rechtfertigung an die nationalen Gerichte führt zu einer unklaren und uU national beträchtlich unterschiedlichen Rechtslage.118 Eine Benachteiligung beim Entgelt ist vergleichsweise schwerer zu rechtfertigen als eine bei sonstigen Arbeitsbedingungen. Das Festlegen der Regelung in einem KollV, damit die Kollektivvertragsautonomie, allein ist noch kein Rechtfertigungsgrund,119 vielmehr sind auch KollV zu prüfen (Rz 43). 47 Über die Rechtfertigung ist in einem Abwägungsprozess zu entscheiden, bei dem das Ziel der Gleichberechtigung gegen das mit der Maßnahme verfolgte Ziel entsprechend dem Prüfungsprogramm abzuwägen ist. Der neue Text der RL 2006/54/EG hat das Prüfungsprogramm zur Rechtfertigung in Art 2 Abs 1 lit b klarer ausgestaltet; man kann dies auch für Art 157 AEUV und das Entgelt übernehmen (wofür auch Art 3 Abs 1 lit c RL 2006/54/EG spricht); § 5 differenziert denn auch nicht. – Erstens ist festzustellen, welchem Ziel die Regelung dient (Rz 50 f). – Zweitens ist zu prüfen, ob das Regelungsziel tauglich und rechtmäßig ist (Rz 52 f). – Drittens ist zu prüfen, ob das Regelungsziel die Verwendung des neutralen Kriteriums sachlich rechtfertigt (Rz 54). – Viertens ist zu prüfen, ob „die Mittel“ zur Erreichung des Regelungszieles „angemessen und erforderlich“ sind (Rz 56 ff). Generell kann man durch Vergleich der RL 2006/54/EG mit der RL 2000/78/EG sagen, dass letztere RL in Art 6 – nur – zur Altersdiskriminierung eine sehr weitgehende Ermächtigung für Rechtfertigungen durch den nationalen Gesetzgeber enthält. Man kann daraus – auch für 116 Grundlegend EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 36; 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 67. 117 ZB EuGH Seymour-Smith, Rz 67 f; 20.3.2003, C-187/00, Kurtz-Bauer; 23.10.2003, C-4/02, Schönheit, Rz 84 ff. 118 Kritisch zB Moreau, Discrimination 2.2. 119 EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 23.
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die RL 2006/54/EG – ableiten, dass die Möglichkeiten der Rechtfertigung bei den anderen Merkmalen deutlich beschränkter sind. Das Prüfprogramm indiziert dann auch die hier einschlägige Kontrolldichte, legt sie allerdings noch nicht eindeutig fest, weil die einzelnen Elemente des Prüfprogrammes unterschiedlich streng gehandhabt werden könnten. So sagt man, dass der EuGH bei Maßnahmen des AG und der Gestalter des kollektiven Arbeitsrechts eine strengere Prüfung vorgebe als bei staatlichem Arbeitsrecht (Rz 56). Die Formulierungen von Art 2 RL 2006/54/EG und § 5 Abs 2 machen deutlich, dass für die Rechtfertigung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit maßgeblich ist (Rz 54 f). Dies ist tendenziell ein strenger Prüfungsmaßstab. Er geht über eine bloße Prüfung der Sachlichkeit hinaus. Dies wird zwar für das Verfassungsrecht zum Teil anders gesehen120, kann aber für den Bereich des Arbeitsrechts kaum bestritten werden: Es besteht wohl kein Zweifel, dass an die Rechtfertigung im Rahmen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes deutlich geringere Anforderungen zu stellen sind als an jene einer mittelbaren Benachteiligung. Insb werden beim Gleichbehandlungsgrundssatz Erforderlichkeit und Angemessenheit nicht (ernsthaft) geprüft (zB bei Stichtagsregelungen). Für eine starke Kontrolldichte spricht es insb, wenn an – an sich neutrale – Merkmale bzw Eigenschaften der AN angeknüpft wird, welche diese nicht oder kaum oder nur unter großen Opfern ändern können (zB Begabung, die sich in Sprachkenntnissen niederschlägt; Gesundheit, die sich etwa in Sehschärfe oder Reaktionsschnelligkeit zeigt; Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit).121 Das geltende Recht verlangt nicht allgemein, dass der AG diese Merkmale bzw Eigenschaften nur dann als Entscheidungskriterium heranzieht, falls die Eigenschaft für die Arbeitsaufgabe erforderlich ist. Wenn aber die als Kriterium verwendete Eigenschaft sich besonders zum Nachteil einer Gruppe auswirkt, die mit Hilfe eines (oder mehrerer) vom GlBG missbilligten Merkmale gebildet wird, dann soll das nur zulässig sein, falls die Anforderung verhältnismäßig ist (also erforderlich und angemessen) ist – und nicht bereits, wenn sie bloß sachlich ist. Das alte GlBG verlangte in § 2 Abs 1 hingegen nur eine „sachliche Rechtfertigung“ für die Differenzierung. 120 Vgl Pöschl, JBl 1997, 413 ff; allerdings spricht gegen diese Sichtweise, soweit sie auf eine gleich intensive Kontrolldichte hinausläuft, dass damit das Besondere der grundrechtlichen Eingriffsverbote verloren geht – diese erscheinen überflüssig. 121 Vgl Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 53.
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Dies entsprach schon früher nicht voll den Vorgaben des damaligen Gemeinschaftsrechts; das geltende Gesetz hat dies richtigerweise in § 5 so nicht übernommen. Daher können frühere Entscheidungen des OGH, welche nur die sachliche Rechtfertigung prüften und sich damit begnügten, zum neuen Recht nicht ohne weiteres übernommen werden. Dies gilt zB für die E Herrenmode-Entscheidung des OGH (§ 3 Rz 78).122 Eine Bezeichnung der Rechtfertigung für mittelbare Diskriminierungen mit „sachlicher Grund“ erscheint wenig sachgerecht, weil darunter normalerweise nicht das strenge Prüfungsprogramm iSd Verhältnismäßigkeit verstanden wird. 48 Die Grundfrage zur Rechtfertigung ist häufig, inwieweit eine durch Marktkräfte veranlasste unterschiedliche Behandlung auch durch die Berufung auf diese Markkräfte gerechtfertigt werden kann.123 Kann etwa ein geringeres Entgelt für AN, die zeitlich und örtlich wenig flexibel sind (dazu zählen insb Mütter jüngerer Kinder), mit der „Nachfrage am Arbeitsmarkt“ nach Flexibilität am Markt gerechtfertigt werden; oder die Bevorzugung der Angehörigen einer Gruppe mit den – tatsächlichen – Präferenzen der Kunden. Die Alternative ist, das Antidiskriminierungsrecht einzusetzen, um eine Nachfrage zurückzudrängen, welche typischerweise die Angehörigen eines Geschlechtes benachteiligt. Beide Lösungsalternativen haben Einfluss auf die Effizienz der Gesamtgesellschaft, die eine direkt, die andere indirekt. Der EuGH hat wiederholt gesagt, dass rein finanzielle Erwägungen eine Diskriminierung nicht rechtfertigen können (Rz 51). Bei der mittelbaren Diskriminierung akzeptiert er aber durchaus Erwägungen (Ziele) als möglichen Rechtfertigungsgrund, welche primär wirtschaftliche Ziele sind. Zu nennen sind vor allem arbeitsplatzbezogene Anforderungen wie Flexibilität oder Mobilität (Rz 59), die letztlich auch wirtschaftliche Ziele (zur Sicherung von Umsatz und Gewinn) sind, aber auch die Arbeitsmarktsituation.124 Man kann sagen, dass ökonomische Gründe vom EuGH eher systematisch akzeptiert werden, wenn und weil sie der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen dienen.125 Diese weite Akzeptanz von ökonomischen Gründen wird von einem Teil der Lehre kritisiert. Sie stimmt aber auch mit der herrschenden Abgrenzung von „gleichwerti122 OGH 12.1.2000, 9 ObA 318/99a. 123 Fenwick/Hervey, CMLR 32, 448; Moreau, Discrimination; zur Durchsetzung der Gleichbehandlung gegen den Markt vgl § 2 Rz 14 ff. 124 EuGH Enderby Rz 62. 125 Vgl Moreau, Discrimination 1.1.2.
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ger“ Arbeit überein, bei der sich ebenfalls die Frage stellt, inwieweit es auf den Markt ankommen dürfen soll (§ 3 Rz 111). Die Abgrenzung zwischen diesen rein finanziellen Erwägungen und 49 jenen wirtschaftlichen Zielen, welche rechtfertigen können, ist durchaus schwierig, weil letztlich alles in Geld umrechenbar ist: Reine Kostenersparnis rechtfertigt nicht, wohl aber das Erfordernis nach Mobilität und Flexibilität, obwohl ein Weniger an Flexibilität des einzelnen AN durch einen Mehraufwand an anderer Stelle ausgeglichen werden kann. Letztlich ist die Abgrenzung weitgehend rechtspolitisch bestimmt: Inwieweit sollen das Streben gegen Diskriminierung oder der Wunsch nach Effizienz und Gewinn den Vorrang haben? Das entscheidende Organ wird dabei stets auch die Wettbewerbsfähigkeit im Auge haben. Soweit nationale Gerichte die letzte Entscheidung haben (Rz 46), wird die Abwägung daher eher für den Markt ausgehen, als wenn der EuGH alles entschiede, weil die nationalen Gerichte die Wettbewerbsfähigkeit auch innerhalb der EU bedenken müssen, der EuGH hingegen primär jene nach außen. Die Grenze wird uE wohl bei der Frage liegen, ob eine bestimmte differenzierende Maßnahme nur dem Einsparen von Kosten dient, oder nach üblichem Verständnis effizienzsteigernd wirkt. Auch in diesem Fall kann die Rechtfertigung aber noch an Erforderlichkeit oder Angemessenheit scheitern. Das Antidiskriminierungsrecht kann daher vom AG in gewissem Umfang ein Verhalten erfordern, das er erst gegen den Markt durchsetzen muss – und es soll sich auch gegen den Markt durchsetzen.126 b. Geeignetes Differenzierungsziel Bei der Rechtfertigung einer vermuteten Benachteiligung ist erstens 50 von dem mit der Differenzierung verfolgten Ziel auszugehen. Vermutete Benachteiligungen auf Betriebs- und Unternehmensebene können nur durch objektive Faktoren gerechtfertigt werden, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun haben.127 Das vom AG verfolgte Ziel der Unterscheidung muss ein wirkliches unternehmerisches Bedürfnis sein.128 Zur Rechtfertigung kann nur eine objektive Erwägung herangezogen werden, also eine Erwägung, welche 126 ZB Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 60, 66, 74. 127 EuGH 17.6.1998, C-243/95, Hill/Stapleton, Rz 34. 128 EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 36; 13.7.1989, 171/88, Rinner-Kühn, Rz 14.
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auf nachprüfbaren Umständen beruht. Bloße Verallgemeinerungen oder Vorurteile über bestimmte Kategorien von AN reichen nicht aus. So kann die These, dass Teilzeitbeschäftigte geringer motiviert oder weniger mit dem Betrieb verbunden seien, nichts rechtfertigen.129 Zur Rechtfertigung kann nur eine Erwägung herangezogen werden, die mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Insb darf es nicht dem Ziel der Gleichberechtigung und Chancengleichheit der Geschlechter widersprechen. Die Qualifikation als wirkliches Bedürfnis des Unternehmens hängt (natürlich) nicht davon ab, dass ohne die Maßnahme der Erhalt des Unternehmens gefährdet ist;130 die Judikatur des EuGH enthält keinen Hinweis auf eine so enge Sicht. 51 Oft gibt es vor einem Streit keine expliziten Aussagen zu den Zielen, die mit einer Differenzierung verfolgt werden. Der AG kann eine Ungleichbehandlung nicht nur mit Gründen rechtfertigen, die er bei Setzen der Maßnahmen bekannt gemacht hat; es besteht also keine Obliegenheit zur Begründung von Maßnahmen, die (vielleicht) benachteiligen. Der AG kann vielmehr eine Ungleichbehandlung sogar mit anderen Gründen rechtfertigen als jenen, die beim Erlass der Maßnahme ins Treffen geführt wurden.131 Bei generellen Regelungen und Maßnahmen muss man oft von der Ausgestaltung auf das Regelungsziel zurück schließen. Zur Rechtfertigung kann nur ein Ziel dienen, das mit dem objektiven Gehalt der Regelung zusammenpasst. Bei einer Einzelmaßnahme ist zu fragen, welchem Ziel der Entscheidungsgrund für den Fall dienen würde, dass der AG ihn zur allg Regelung erheben würde. Grds kann der AG auch mehrere Regelungsziele nebeneinander zur Rechtfertigung ins Treffen führen – allerdings nur soweit sie miteinander vereinbar sind. Die Rechtfertigung ist dann für jedes einzelne Ziel zu prüfen. Allerdings wird bei einer größeren Zahl von Regelungszielen zunehmend zweifelhaft, dass die Regelung für jedes einzelne Ziel wirklich erforderlich ist. Eine Rechtfertigung ist aber nur möglich, wenn der AG die benachteiligende Maßnahme überhaupt erklären kann. Ist sie (zB ein Entlohnungssystem) hingegen weitgehend undurchsichtig, so ist das Ziel entweder nicht erkennbar oder diskriminierend.132 129 EuGH 13.7.1989, 171/88, Rinner-Kühn, Rz 13 f; vgl auch 17.6.1998, C-243/95, Hill-Stapleton, Rz 38. 130 AA Pfarr/Bertelsmann, Diskriminierung 125. 131 EuGH 23.10.2003, C-4/02, Schönheit, Rz 86. 132 Vgl Moreau, Discrimination 1.1.2., sowie die in Rz 39 zitierten E des EuGH Danfoss, Enderby und Royal Copenhagen.
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Zweitens muss ein Regelungsziel tauglich und rechtmäßig sein. Der 52 Kreis der möglichen objektiven Ziele ist eher groß, weil die wirkliche Kontrolle erst bei den nächsten Prüfungsschritten erfolgt. Als Ziele auf Unternehmensebene kommen insb arbeitsplatz- und unternehmensbezogene in Betracht. In der Literatur werden va drei Kategorien von möglichen Rechtfertigungsgründen genannt:133 Arbeitsplatzbezogene Gründe (zB physische Fähigkeiten der AN, Ausbildung, Erfahrung, Seniorität, Flexibilität in Bezug auf Zeit oder Ort); unternehmensbezogene Gründe (wirtschaftliche Effizienz, Umstrukturierung); und öffentliche Interessen (Förderung von Beschäftigung, von kleinen Unternehmen, von atypischer Arbeit, Respekt für KollV). An diese drei Kategorien wird unten angeknüpft (Rz 59 ff). Ergänzend sind zu nennen: Erwägungen zur Personalpolitik, zur Steuerung der Produktion und zur Förderung des Absatzes (Kundenkontakte, Außenwirkung des Unternehmens), und wohl auch eine sozialpolitische Erwägung des AG.134 Ziele, mit denen Differenzierungen in Gesetzen gerechtfertigt werden können, können nicht ohne weiteres auf den AG übertragen werden.135 Wichtig ist, dass eine Benachteiligung bzw Diskriminierung durch den AG oder den KollV nie durch rein finanzielle Erwägungen („geringere Kosten“) gerechtfertigt werden kann, während dies beim arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz durchaus möglich ist, wenn das Argument nur „sachlich“ ist. Dies gilt für Ausgaben Privater136 ebenso wie für öffentliche Ausgaben.137 Allerdings ist die Abgrenzung zwischen diesen rein finanziellen Erwägungen und jenen wirtschaftlichen Zielen, welche rechtfertigen können, durchaus schwierig (Rz 49). Die Grenze wird uE wohl bei der Frage liegen, ob eine bestimmte differenzierende Maßnahme nur dem Einsparen von Kosten dient, oder nach üblichem Verständnis effizienzsteigernd wirkt; auch in diesem Fall kann die Rechtfertigung aber noch an Erforderlichkeit oder Angemessenheit scheitern. 133 Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (123); Hopf/ Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 114. 134 Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 30; EuGH 11.6.1987, 30/85, Teuling. 135 Vgl dazu Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 30; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 93; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 130. 136 ZB EuGH 17.6. 1998, C-243/95, Hill-Stapleton, Rz 40; der EuGH hat dies insb zur Schwangerschaft gesagt; vgl § 3 Rz 67. 137 EuGH 23.10.2003, C-4/02, Schönheit, Rz 85.
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53 Differenzierungen in (Gesetzen und) Kollektiverträgen können durch (notwendige) sozialpolitische Ziele gerechtfertigt sein, falls sie zu deren Erreichung geeignet und erforderlich sind.138 Die Anforderungen an die Rechtfertigung sind bei KollV wohl ähnlich hoch wie bei Gesetzen. Erforderlich ist also ein objektives sozialpolitisches Konzept (zu dessen Verwirklichung das benachteiligende Merkmal geeignet ist). Allerdings wird, insb bei KollV, nicht jedes sozialpolitische Ziel zur Rechtfertigung taugen; man wird vielmehr schon hier fragen müssen, ob es mit dem Ziel der Gleichbehandlung potentiell vereinbar ist. Die Tatsache, dass die Kollektivvertragsparteien eine Regelung beschlossen haben, kann ein Indiz dafür sein, dass objektive und daher nicht diskriminierende Gründe für die Regelung vorliegen.139 Generell ist fraglich, ob die Anforderungen an eine Rechtfertigung bei einem KollV geringer sind als bei einem Gesetz (weil Privat- und Kollektivvertragsautonomie mehr Spielraum rechtfertigen), oder ob sie höher sind als bei einem Gesetz (weil nur der demokratisch legitimierte Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung mit bestimmten sozialpolitischen Ziele rechtfertigen kann), oder ob die Anforderungen ähnlich sind wie bei einem Gesetz (weil es sich um generelle Regelungen handelt und die vorhin genannten Argumente für unterschiedliche Anforderungen nicht überzeugen). Der Judikatur des EuGH lassen sich bisher wohl keine Abweichungen speziell für KollV entnehmen. c. Regelung als Mittel zur Zielerreichung – Allgemeines 54 Drittens ist zu prüfen, ob das Regelungsziel die Verwendung des anscheinend neutralen Kriteriums sachlich rechtfertigt. Dieser Schritt ist vom vierten schwer zu trennen, nämlich ob „die Mittel“ zur Erreichung des Regelungszieles und damit die getroffenen Differenzierungen „angemessen und erforderlich“ sind. Die RL 2006/54/EG und das GlBG sehen aber die Trennung vor und verlangen sie daher an sich – auch wenn die bisherige Judikatur des EuGH nicht stets scharf unterscheidet. Die Vorgaben des Unionsrechts zu diesen Punkten wird allg als Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (principle of 138 EuGH 13.7.1989, 171/88, Rinner-Kühn, Rz 14; 24.2.1994, C-343/92, Roks, Rz 28 f; 7.3.1996, C-278/93, Freers, Rz 28 ff; 20.4.2003, C-187/00, KutzBauer, Rz 51 ff zum KollV; Rebhahn in Schwarze, AEUV 157 Rz 30. 139 EuGH 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen Rz 46.
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proportionality) verstanden.140 Die deutsche Fassung der RL 2006/54/ EG und § 5 bringen dies treffend durch die Worte „angemessen und erforderlich“ zum Ausdruck. An diesen Vorgaben ändert es nichts, dass andere Sprachfassungen der RL 2006/54/EG bei wörtlicher Übersetzung wohl nur verlangen, dass das Mittel „geeignet und angemessen“ sein; die Erforderlichkeit könnte in den anderen Sprachfassungen in „angemessen“ mitenthalten sein. Für die Prüfung der Angemessenheit und Erforderlichkeit ist – ent- 55 sprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – an sich in drei Stufen vorzugehen: erstens ist zu fragen, ob die Differenzierung zur Erreichung des Regelungszieles geeignet ist (dies ist in der Erforderlichkeit eingeschlossen); zweitens ist die Erforderlichkeit, und drittens die Angemessenheit zu prüfen. Man wird vielfach das Erfordernis der Sachlichkeit der Unterscheidung in § 5 Abs 2 mit dem Erfordernis der Geeignetheit gleichsetzen können. Bei der Prüfung ist spätestens hier zu bedenken, dass die Begründung einer vermuteten Benachteiligung oft mithilfe einer Statistik erfolgt; es ist daher zu prüfen, ob die mit der Statistik begründete Benachteiligung leicht mit anderen Gründen als dem Geschlecht erklärt werden kann, um so zufällige statistische Ergebnisse zu korrigieren. In den vorliegenden Zusammenhang gehört auch das Erfordernis, dass das Unterscheidungskriterium den potentiell betroffenen AN gegenüber fair und gleichmäßig angewendet wird,141 weil sonst schon an der Eignung zu zweifeln ist. Entscheidend ist meist, welche Anforderungen im Hinblick auf die Er- 56 forderlichkeit des Mittels zur Erreichung des Ziels zu stellen sind. Man kann abstrakt in etwa folgende Stufen unterscheiden: Benachteiligung notwendig und kein anderes bzw milderes Mittel möglich; Benachteiligung erforderlich, aber anderes Mittel wäre geeignet und ausreichend; Differenzierung nützlich. In der Literatur wird gesagt, dass der EuGH dazu verschiedene Standards verwende:142 am wenigsten streng bei staatlichen Systemen der sozialen Sicherung, einen mittleren bei staatlichem Arbeitsrecht und einen strengeren bei Maßnahmen des AG. Die Unterschiede lassen sich mit der zunehmenden Kompetenz der EU zur Regelung erklären. Entscheidungen des EuGH zu Maßnahmen des Ge140 Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 99 ff; Barnard, EU Employment Law 270. 141 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 42. 142 Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (137).
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setzgebers können daher nicht ohne weiteres auf Maßnahmen des AG übertragen werden. Für die Rechtfertigung einer Maßnahme des AG genügt es nicht, dass die Unterscheidung für ein zB betriebliches Ziel nützlich und förderlich ist. Eine vermutete Benachteiligung kann vielmehr nur gerechtfertigt werden, wenn die Maßnahme „einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entspricht und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist“, wenn also das „wirkliche Bedürfnis des Unternehmens“ ohne die benachteiligende Maßnahme nicht oder nur in viel schlechterer Weise erreicht werden könnte.143 Das Ziel muss also für das Unternehmen wesentlich und daher notwendig sein (vgl Art 2 Abs 1 lit b der RL 2006/54/EG), und nicht bloß sachlich oder nützlich sein. Eine vollkommen klare Linie hat der EuGH aber noch nicht gefunden. Gleichwohl kann die Prüfung von Eignung und Erforderlichkeit in relativ rationaler, meist vorhersehbarer Weise erfolgen. Wird etwa auf die Bereitschaft zur Flexibilität oder auf die Flexibilität selbst abgestellt, so muss sie für die vereinbarte Arbeitsleistung erforderlich sein. 57 Das Merkmal der Erforderlichkeit beinhaltet grds auch, dass es keine andere Maßnahme gibt, welche das zu verwirklichende Ziel mit einer geringeren Beeinträchtigung zu erreichen vermag, hier also mit weniger Benachteiligung aufgrund des Geschlechts (mildestes Mittel). Grds wird dies auch für § 5 Abs 2 gelten. Fraglich ist allerdings, inwieweit damit vom AG verlangt wird, eine Maßnahme zu wählen, welche zwar weniger benachteiligt, dafür aber für den AG andere Nachteile hat, etwa Mehrkosten verursacht. Unabhängig davon, wie diese Frage zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beantworten ist, wird sie jedenfalls für die RL 2006/54/EG und § 5 zu verneinen sein. Die RL 2000/78/ EG verlangt nämlich nur zugunsten von Behinderten angemessene Vorkehrungen und Maßnahmen, um Behinderten das Arbeitsleben zu erleichtern (Art 2 Abs 2 und Art 5). Daraus folgt schlüssig, dass der AG in Bezug auf andere missbilligte Merkmale keine Pflicht oder Obliegenheit zu solchen Anstrengungen hat, um eine Benachteiligung zu vermeiden. Die Erforderlichkeit (und auch nicht die Angemessenheit) des Mittels verlangen also nicht, dass der AG die Arbeitsplätze anders organisieren oder von anderen Zusatzbelastungen verlangen muss, um die fragliche Unterscheidung zu vermeiden. 143 Vgl EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 35; 1.7.1986, 237/85, Rummler, Rz 24; 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rz 67.
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Die Rechtfertigung ist aber nur möglich, wenn das Mittel überdies an- 58 gemessen zur Erreichung des Zieles ist. Ein Mittel ist angemessen, wenn seine Verwendung für dieses Ziel bei einer Gesamtbetrachtung nicht unverhältnismäßig erscheint. Die Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn) ist durch Abwägung mit dem Ziel der Gleichberechtigung zu beurteilen. Es ist klar, dass diese Wertung intersubjektiv nur schwer vorhersehbar oder nachprüfbar ist, und daher dem (nationalen) Gericht einen weiten Spielraum eröffnet. Der EuGH hat sich zu dieser Frage noch kaum geäußert. Die EB zur RV144 verlangen, dass das Ziel der Vorschrift „schützenswert sein und wichtig genug sein (muss), um Vorrang vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu haben“. Dies deutet auf einen strengen Maßstab hin. d. Arbeitsplatzbezogene Gründe Eine Regelung, die auf die körperliche Kraft abstellt (zB in einem Job- 59 klassifikationsschema), enthält eine vermutete Benachteiligung. Sie kann nur gerechtfertigt werden, wenn die körperlichen Anforderungen einem „wirklichen Bedürfnis“ des Unternehmens entsprechen (und das Schema insgesamt nicht diskriminiert).145 Auch Differenzierungen nach der Ausbildung und den Kenntnissen sind zulässig, jedoch nur, wenn diese Faktoren gerade für den konkreten Arbeitsplatz sachlich erforderlich sind.146 Pauschale Schlüsse vom geringeren Ausmaß der Arbeitszeit auf geringere Befähigung (und Erfahrung) reichen für eine Rechtfertigung nicht aus, rechtfertigen könnte nur der Nachweis eines konkreten Zusammenhanges.147 Anforderungen an und die Bereitschaft zu Flexibilität und Mobilität können eine Benachteiligung nur rechtfertigen, wenn der betreffende Arbeitsplatz dies wirklich erfordert.148 Der generelle Wunsch nach flexiblen AN reicht nicht. Arbeit zu unangenehmen bzw von den AN wenig gewünschten Zeiten (zB Nachtarbeit) kann ein höheres Entgelt rechtfertigen.149 Unterschiede in der Arbeit, die erst nach erfolgter Arbeitsleistung verlässlich beurteilt werden können, können dafür nur eine entsprechende Regelung recht144 307 BlgNR 22. GP 11. 145 Vgl § 3 Rz 118 ff zum Entgelt; EuGH 1.7.1986, 237/85, Rummler, Rz 24. 146 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 18 f; vgl § 3 Rz 85 f. 147 EuGH 2.10.1997, C-1/95, Gerster, Rz 36 ff. 148 Vgl EuGH Danfoss Rz 22. 149 EuGH 30.3.2000, C-236/98, JämO, Rz 61.
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fertigen, nicht aber das Festsetzen eines unterschiedlichen Entgelts (vgl § 3 Rz 119). 60 Unterscheidungen nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit oder von Vordienstzeiten (Seniorität) führen häufig zu einer vermuteten Benachteiligung von Frauen, wenn sie die Arbeit wegen der Schwangerschaft und zur Betreuung der Kinder unterbrochen haben. Die Frage ist, trotz des Verbotes der Diskriminierung nach dem Alter, weiter auch zu § 3 relevant, weil § 3 einen spezifischen Zweck hat, die Tatbestandsvoraussetzungen hier andere sind, und die Möglichkeiten zur Rechtfertigung geringer sind. Der EuGH hat Differenzierungen nach der Seniorität zuerst recht großzügig behandelt, insb in Bezug auf das Entgelt,150 weil er sie als Ausdruck steigender Erfahrung sah, und größere Erfahrung die Arbeitsleistung steigert (vgl § 3 Rz 86, 128, 141, 147). Diese Beurteilung ist aber zu pauschal, weil die Qualität der Arbeit bei unterschiedlichen Tätigkeiten sehr unterschiedlich durch längere Betriebszugehörigkeit beeinflusst wird. Häufig lassen sich nach einigen Jahren der Stock an Kenntnissen und Fähigkeiten nicht mehr steigern, auch weil vor Jahren erworbene Erfahrungen an Wert verlieren; und in vielen Fällen spielen geringe Unterschiede in den Vordienstzeiten (22 oder 20 Jahre) in Bezug auf den Erfahrungsstock überhaupt keine Rolle. Der EuGH war in der Folge auch etwas restriktiver:151 Relevant ist auch die Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung, welche deren Ausübung verschafft. Seither hat der EuGH vor allem zu Teilzeitbeschäftigten deutlich gemacht, dass geringere Vordienstzeiten nur dann nachteilig gewertet werden dürfen, wenn darin wirklich ein Weniger an relevanter Erfahrung zum Ausdruck kommt.152 Das muss aber allgemein gelten. Mit der E Cadman153 scheint der EuGH allerdings einen Schritt zurückzugehen, jedenfalls beim Entgelt: Der AG hat nicht besonders darzulegen, dass der Rückgriff auf dieses Kriterium zur Erreichung des genannten Zieles in Bezug auf einen bestimmten Arbeitsplatz geeignet ist, es sei denn, der AN liefert Anhaltspunkte, die geeignet sind, ernstliche Zweifel in dieser Hinsicht aufkommen zu lassen – insofern besteht eine Art Öffnungsklausel. Der objektive Charakter des Kriteriums Dienstalter hängt somit 150 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss, Rz 23 f. 151 EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rz 14. 152 EuGH 2.10.1997, C-1/95, Gerster; 2.10.1997, C-100/95, Kording; 10.3.2005, C-196/02, Nikoloudi, EuGH 3.10.2019, C‑274/18, Schuch-Ghannadan. 153 EuGH 3.10.2006, C-17/05, Cadman.
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von den Umständen des Einzelfalls und der ausgeübten Tätigkeit ab.154 Das Heranziehen der Seniorität ist beim Entgelt wohl noch eher zu rechtfertigen als bei Auswahlentscheidungen (zB Beförderung, mglw auch Beendigung). Eine höhere Vordienstzeit kann eine Auswahl daher nur rechtfertigen, falls sie zu einer größeren Erfahrung führt und diese größere Erfahrung für die neue Stelle auch konkret erforderlich (nicht bloß: allg nützlich) ist.155 Die Entscheidung muss bei gleichem Ausmaß an Erfahrung, die berücksichtigt werden kann, dann anhand anderer Kriterien getroffen werden. Viele Entscheidungen des EuGH betrafen Teilzeitbeschäftigte. Diese 61 sind heute dank dieser Judikatur viel weniger benachteiligt als früher; zusätzlich gibt es die Teilzeit-RL 97/81/EG. Die Judikatur zu Teilzeitbeschäftigten ist aber noch immer wegen der darin enthaltenen allg Aussagen relevant.156 Eine vermutete Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten (zB durch einen geringeren Stundenlohn) und die damit meist verbundene vermutete Benachteiligung von Frauen kann grds nicht mit einer geringeren Arbeitsleistung, Motivation oder Betriebsverbundenheit gerechtfertigt werden. Die Arbeitsleistung von Teilzeitbeschäftigten je Zeiteinheit ist grds genauso zu bewerten und zu entlohnen wie jene von Vollbeschäftigten (pro-rata-temporis-Prinzip). Das folgt schon aus Art 157 Abs 2 AEUV. Daran ist, trotz mancher Unklarheiten in der Judikatur, festzuhalten. Die meisten Benachteiligungen von Teilzeitarbeit, etwa bei der Entgeltfortzahlung, sind auch nach der neueren Judikatur gemäß Art 157 AEUV unzulässig. Insb ist es auch abzulehnen, eine Benachteiligung von Nebenbeschäftigungen zu erlauben. Die Teilzeit-RL enthält ein umfassendes Diskriminierungsverbot und weicht in mancher Hinsicht von Art 157 AEUV ab, hat aber die Auslegung dieser Bestimmung nicht beeinflusst.157 Insbesondere könnte deren Art 2 Abs 4 uU weniger an Gleichbehandlung verlangen als Art 157 AEUV, weil nach der RL der Zugang zu manchen Leistungen des AG vom Umfang der Arbeitszeit abhängen darf; Art 157 AEUV geht als Primärrecht jedoch vor. Im Einzelnen kann eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten (zB Ausschluss von der 154 Ebenso EuGH Schuch-Ghannadan Rz 39. 155 Rebhahn, JBl 1993, 681; Smutny/Mayr 218. 156 Vgl auch Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 30, 39, 43. 157 Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 10.
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betrieblichen Altersversorgung)158 idR nicht mit dem Ziel einer Vermeidung von Teilzeitarbeit gerechtfertigt werden, weil dieses Ziel kaum jemals betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, und seit der Teilzeit-RL unzulässig sein dürfte. Unzulässig ist auch eine Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten bei der Möglichkeit, befristete Arbeitsverhältnisse zu verlängern.159 e. Unternehmensbezogene Gründe 62 Hier geht es um die Möglichkeit, Benachteiligungen mit allg Zielen des Unternehmens bzw Betriebs zu rechtfertigen. Wichtig ist, dass Benachteiligungen grds nicht allein mit der Einsparung von Kosten gerechtfertigt werden können (vgl Rz 51). Der AG kann Benachteiligungen auch nicht damit rechtfertigen, er könne nur auf diese Weise Wettbewerbsnachteile zu Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten ausgleichen.160 Dasselbe muss in Bezug auf den Vergleich mit anderen Unternehmen gelten, welche eine andere Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft haben. Gibt es auf dem Arbeitsmarkt einen Nachfrageüberhang nach Personen mit einer bestimmten Qualifikation bzw einen bestimmten Beruf, so kann dies ein höheres Entgelt rechtfertigen, auch wenn dies zu Unterschieden nach dem Geschlecht führt.161 Allerdings wird der AG die unterschiedliche Nachfrage nachweisen müssen. Fraglich ist, ob es einen geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied rechtfertigt, wenn der Nachfrageüberhang der Unternehmen für einen bestimmten Beruf bei den Angehörigen eines bestimmten Geschlechtes deutlich höher ist als das beim anderen Geschlecht. Man muss wohl differenzieren (wobei man davon ausgehen kann, dass das bestimmte Geschlecht nicht unverzichtbare Voraussetzung ist, weil sich sonst das Problem nicht stellt). Wenn die größere Nachfrage nur auf Wünsche von Kunden zurückzuführen ist, die zB erwarten, dass die ins Haus kommenden Handwerker Männer (oder Angehörige der Mehrheitsbevölkerung) sind, so kann ein Entgeltunterschied damit nicht gerechtfertigt werden (vgl Rz 48 f und näher § 2 Rz 16). Ist die größere Nachfrage hingegen auf spezifische Eigenschaften bestimmter Personen zurückzuführen, die für das Ausüben der Tätigkeit (zwar nicht unbedingt erforderlich, 158 Vgl EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka, Rz 37. 159 Vgl VfGH 1.10.1993, G 134/92 zu einem Gesetz. 160 Vgl EuGH 10.2.2000, C-50/96, Schröder, Rz 51 ff. 161 EuGH 27.10.1993, C-127/92, Enderby, Rz 26; kritisch Hervey, EC Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (127).
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aber doch) wirklich förderlich sind, die also eine höhere Produktivität ermöglichen, dann schadet es nicht, wenn die Suche nach diesen spezifischen Eigenschaften zu einer erhöhten Nachfrage und zu einem höheren Entgelt bei den Angehörigen eines Geschlechts führt, weil die Eigenschaft bei den Angehörigen dieses Geschlechts statistisch häufiger anzutreffen ist. Bei Kollektivkündigung aus wirtschaftlichen Gründen kann es va bei der Auswahl der zu Kündigenden zur mittelbaren Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes kommen; vgl § 3 Rz 161 ff. f. Öffentliche Interessen Nach der Judikatur können jedenfalls die Mitgliedstaaten eine vermu- 63 tete Benachteiligung mit Erwägungen im öffentlichen Interesse rechtfertigen. Fraglich ist, inwieweit auch Kollektivvertragsparteien oder gar einzelne AG ihre Maßnahmen so rechtfertigen können. Die Judikatur enthält Hinweise, dass dies nicht möglich ist.162 Auch wenn man anders entscheidet, wird erforderlich sein, dass es sich um ein im betreffenden Mitgliedstaat an sich verfolgtes öffentliches Interesse handelt, und die Anforderungen an die Rechtfertigung werden wohl höher sein als bei Maßnahmen des Mitgliedstaates selbst. Maßnahmen zur Förderung zusätzlicher Beschäftigung sind aber schon bei einem Mitgliedstaat nur zulässig, falls die Maßnahme nachweislich die Beschäftigung erhöht.163 Fraglich ist, ob ein KollV Klein(st)unternehmen begünstigen darf, falls in der betreffenden Branche der Anteil der weiblichen Beschäftigten in Kleinstunternehmen höher ist als in allen Betrieben der Branche. Grds gilt das Gleichbehandlungsgebot auch für diese Unternehmen, Erleichterungen sind in den Normen zur Gleichbehandlung nicht vorgesehen. Der EuGH hat aber eine – gesetzlich vorgesehene – Entlastung von Kleinstbetrieben, auch wegen Art 137 Abs 2 2. Satz EGV (jetzt Art 153 Abs 2 lit b AEUV), bei sonstigen Arbeitsbedingungen (Kündigungsschutz) zugelassen.164 Ein geringeres Entgelt in Kleinstbetrieben wäre aber kaum zu rechtfertigen. In jedem Fall sind Erforderlichkeit und Angemessenheit streng zu prüfen. Geringfügig Beschäftigte dürfen aber auch durch AG und KollV grds nicht schlechter behandelt werden.165 162 EuGH 9.9.1999, C-281/97, Krüger, Rz 29; Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (131). 163 EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith, Rz 73 ff. 164 EuGH 30.11.1993, C-189/91, Kirsammer, Rz 32–34. 165 Vgl EuGH Krüger.
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III. Diskriminierung durch Assoziation 64 Der EuGH hat in der Rs Coleman166 entschieden, dass das Diskriminierungsverbot wegen Behinderung nicht auf die Person beschränkt ist, die selbst behindert ist. Erfolgt die Benachteiligung eines AN wegen eines Naheverhältnisses zu einem behinderten Kind, für das der AN Pflegeleistungen erbringt, liegt eine unmittelbare Diskriminierung des AN auf Grund der Behinderung vor. Der Gesetzgeber nimmt dieses Verständnis des Diskriminierungsbegriffs nunmehr ausdrücklich in das GlBG auf. Auf Grund der einheitlichen Textierung sämtlicher betreffender RL, die alle von Diskriminierung „on grounds of“ sprechen, ist diese Auslegung des Diskriminierungsbegriffs auf alle Diskriminierungsgründe anzuwenden, sodass die Novellierung wohl nicht zwingend erforderlich war.167 Die Diskriminierung durch Assoziation ist eine Dreieckskonstellation, bei der als Personen die diskriminierte Person, die diskriminierende Person und eine dritte Person mit dem geschützten Merkmal, an dem angeknüpft wird, auftreten.168 Maßgeblich ist, dass ein Naheverhältnis zwischen diskriminierter und dritter Person vorliegt, welches auch kausal für die Diskriminierung ist. Der Begriff Naheverhältnis geht über familiäre Beziehungen hinaus und erfasst auch ein auf persönlicher Freundschaft und Schutzbefohlenheit basierendes Naheverhältnis; dieses muss nicht rechtlicher Natur sein.169 Die Mat behandeln in diesem Zusammenhang etwa auch das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler oder zwischen Arbeitskollegen. In der E CHEZ hat der EuGH jedoch (bezogen auf das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit) nicht auf ein Naheverhältnis abgestellt und vielmehr darauf, ob die Benachteiligung aufgrund eines sensiblen Merkmales erfolgt und eine Person faktisch von dieser Benachteiligung betroffen ist, selbst wenn dieses Merkmal bei ihr nicht vorliegt. Damit dürfte man das Merkmal des Nahverhältnisses, so es überhaupt noch zulässig ist, richtlinienkonform noch weiter interpretieren müssen.170 Die Diskriminierung aufgrund Assoziation kann (schon in Ermangelung einer 166 EuGH 17.6.2008, C-303/06; bestätigt in 16.7.2015, C-83/14, CHEZ. 167 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 155 f überlegt auf Grundlage unterschiedlicher Textierungen, diesen Ansatz nicht auf Rasse und Geschlecht zu übertragen, bejaht die Anwendbarkeit aber im Ergebnis. 168 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 173. 169 ErläutRV 938 BlgNR 24. GP 6. 170 Für eine weite Auslegung auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 179.
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näheren Einschränkung beim Begriff Diskriminierung in Abs 4) sowohl eine mittelbare als auch eine unmittelbare sein.171 Der Gesetzgeber hat zusätzlich dazu in den Mat zwei Varianten der Diskriminierung durch Assoziation unterschieden, eine direkte Diskriminierung (bei der die diskriminierende Handlung sich direkt gegen die diskriminierte Person richtet, eine Handlung gegen die dritte Person nicht erforderlich ist) und eine indirekte (bei der sich die Diskriminierung primär gegen die dritte Person richtet und es nur indirekt auch zu einer Diskriminierung der anderen Person kommt).172 Die Unterscheidung erscheint insofern wenig hilfreich, als für beide Formen die gleichen Rechtsfolgen vorgesehen sind. Konkrete Anwendungsbeispiele in der höchstgerichtlichen Judikatur 65 zur Diskriminierung aufgrund Assoziation im Bezug auf Diskriminierung nach dem Geschlecht, dem Familienstand oder dem Umstand, ob jemand Kinder hat, gibt es noch keine. Die Situation weicht insofern von jener des Anlassfalles der E Coleman ab, als (anders als bei der Behinderung) jeder Mensch über eine Geschlechtsidentität und einen Familienstand verfügt. Das an sich naheliegendste Beispiel einer (nämlich sexuellen) Nahebeziehung zu einer Person eines bestimmten Geschlechtes, die Anlass einer Diskriminierung wird, ist bereits durch den eigenen Diskriminierungsgrund der sexuellen Orientierung erfasst.173 Eine Diskriminierung aufgrund Assoziation läge etwa vor, wenn ein AN diskriminiert wird, weil er eine Tochter und keinen Sohn hat, aber der AG Kinderzuschüsse zwar an Mütter und Väter gleichermaßen, aber nur für männliche Kinder oder in nach dem Geschlecht des Kindes differenzierender Höhe zahlt. Im Übrigen erfasst das GlBG nicht bloß das natürliche Geschlecht (sex) und ist auch nicht auf binäre Geschlechter beschränkt, sondern schützt auch die soziale Geschlechterrolle (gender) sowie nicht-binäre Geschlechter und Transsexualität (§ 3 Rz 35). So könnte auch die Schlechterstellung einer ANin, weil ihr Mann die „unmännliche“ Aufgabe der Kindererziehung übernimmt, oder des Bruders einer sich als intersexuell identifizierenden Person174 eine Diskriminierung durch Assoziation nach dem Geschlecht sein. Auch die Mat nennen das Naheverhältnis zu einer Transgenderperson 171 Ebenso Baumgärtner in BeckOGK AGG § 3 Rz 160. 172 ErläutRV 938 BlgNR 24. GP 6; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 5 Rz 174 f. 173 Körber-Risak Rz 81. 174 Siehe das ähnliche Beispiel bei Körber-Risak Rz 158.
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§ 6Mazal als Beispiel.175 Gerade bei der Geschlechterrolle kann hier unklar sein, wann eine Diskriminierung aufgrund Assoziation stattfindet und wann eine Diskriminierung aufgrund der eigenen Geschlechterrolle des Diskriminierten. Wenn etwa die als „Rabenmutter“ verschrieene berufstätige Frau die Kindererziehung ihrem Ehemann überlässt und dafür benachteiligt wird, knüpft diese Diskriminierung dann an ihrer eigenen Ablehnung der Geschlechterrolle oder an der Geschlechterrolle der assozierten Person Ehemann an? Letztlich macht diese Unterscheidung keinen Unterschied, da die Rechtsfolgen bei einer Diskriminierung aufgrund von Assoziation gegenüber einer Diskriminierung nicht qua Assoziation gleich sind.
Sexuelle Belästigung § 6. (1) Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt auch vor, wenn eine Person 1. vom/von der Arbeitgeber/in selbst sexuell belästigt wird, 2. durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte (Z 3) eine aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen, 3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder 4. durch Dritte außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (§ 4) belästigt wird. (2) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und 1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder 2. der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des/der Arbeitgebers/ Arbeitgeberin oder von Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den 175 ErläutRV 938 BlgNR 24. GP 6.
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Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird. (3) Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung zur sexuellen Belästigung einer Person vor. (4) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund eines Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts sexuell belästigt wird.
Belästigung § 7. (1) Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen 1. vom/von der Arbeitgeber/in selbst belästigt wird, 2. durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte (Z 3) eine aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen, 3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder 4. durch Dritte außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (§ 4) belästigt wird. (2) Geschlechtsbezogene Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und 1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder 2. der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des/der Arbeitgebers/ Arbeitgeberin oder von Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird.
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§ 7Mazal (3) Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung zur Belästigung einer Person vor. (4) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund eines Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts sexuell belästigt wird. Materialien: Zum GlBG 2004: RV zur Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes, 307 BlgNR 22. GP; Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über die RV (307 BlgNR), 499 BlgNR 22. GP; RV zur Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes, 842 BlgNR 20. GP, ARD 4866/29/97; Bericht des Gleichbehandlungsausschusses, 1047 BlgNR 20. GP; Zum GlBG 1992: RV 735 BlgNR 18. GP; 1411 BlgNR 17. GP; Arbeitsrechtliches Begleitgesetz – ArbBG, ARD 4412/31/92; Zum GlBG 1979: RV 664 BlgNR 16. GP; Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/ EWG; Vorschlag der Kommission (KOM [96] 93 endg – 96/00 95 [CNS]) für eine Änderung der RL 76/207/EWG, ABl C 1996/179; Empfehlung der Kommission 92/131/EWG zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz vom 27. November 1991 – „Empfehlung und Verhaltenskodex gegen sexuelle Belästigung“, ABl L 1992/49; Erklärung des Rates 92/C 27/01 zur Durchführung der Empfehlung der Kommission zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz, einschließlich des Verhaltenskodex gegen sexuelle Belästigung vom 19. Dezember 1991, ABl C 1992/27; Entschließung des Rates 90/C 157/02 zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz vom 29.5.1990, ABl C 1990/157; Entschließung 95/C 296/06 des Rates zur Darstellung der Frau und des Mannes in Werbung und Medien vom 5. Oktober 1995 – „Darstellung von Frau und Mann in Medien“, ABl C 1995/296; Entschließung 82/C 186/03 des Rates zur Förderung der Chancengleichheit der Frauen vom 12. Juli 1982 – „1. Chancengleichheitsentschließung“, ABl C 1982/186; Zweite Entschließung 86/C 203/03 des Rates zur Förderung der Chancengleichheit der Frauen vom 24. Juli 1982 – „2. Chancengleichheitsentschließung“, ABl C 1986/203; Empfehlung des Rates 84/635/EWG zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen vom 13. Dezember 1984, ABl L 1984/331; Entschließung des Rates 90/C 157/02 zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz vom 29. Mai 1990, ABl C 1990/157; RL 2002/73/EG zur Änderung der Gleichbehandlungs-RL 76/207/EWG. Literatur: Holzbecher/Braszeit/Müller/Plogstedt, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Schriftenreihe des BM für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Band 260 (1991); Eichinger, Das Gleichbehandlungspaket, RdW 1992, 405; Kremslehner, Zum Entwurf einer Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz, AnwBl 1992, 373; Schlachter (Hrsg), Wege zur Gleichberechtigung (1993); Meschkutat ua, Strategien gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (1993) 116; Wilhelm, Gleichbehandlung der Geschlechter, ecolex 1993, 77; Tinhofer, Sexuelle Belästigung durch den Geschäftsführer einer GmbH, RdW 1994, 248; Baer, Würde oder Gleichheit? Zur angemessenen grundrechtlichen Konzeption von Recht gegen Diskriminierung am Beispiel sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in der Bundesrepublik Deutschland und den USA (1995); Kucsko-Stadlmayer,
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Das Disziplinarrecht der Beamten2 (2010); Vögeli (Hrsg), Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (1996); Herzog (Hrsg), Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (1997); Rosenkranz, Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (1997); 133; Windisch-Graetz, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, in Floßmann (Hrsg), Recht, Geschlecht und Gerechtigkeit (1997); Blum, Änderungen des GlBG, RdW 1998, 410; Gerlach, Attraktivität und sexuelle Diskriminierung, ecolex 2000, 135; Schindler, Attraktivität und sexuelle Diskriminierung – eine Erwiderung, DRdA 2000, 382; Smutny, Sexuelle Belästigung als Entlassungsgrund, DRdA 2001, 174; Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz – Kommentar (2001); Mayr, Diskrimi nierung(en) aufgrund des Geschlechts – Der praktische Fall, DRdA 2002, 66; Hopf/Smutny, Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses – Schadenersatz trotz fehlender „Bestqualifikation“, DRdA 2002, 99; Czellary, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (unveröffentlichte Diss 2002); Rauch, Mobbing aus arbeitsrechtlicher Sicht, ASoK 2002, 332; Kapella/Baierl/Rille-Pfeiffer/Geserick/Schmidt, Gewalt in der Familie und im sozialen Umfeld (2011); Mohr (Hrsg), Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht (2003); Naderhirn, Die geplante Neuregelung des GlBG, RdW 2003, 710; Schindler, Zur Umsetzung des EU-Rechts in Österreich – Teil 1 und 2, DRdA 2003, 402 und 523; Sturm, Die Änderung der Gleichbehandlungsrichtlinie, DRdA 2003, 481; Smutny/Hopf, Mobbing – auf dem Weg zum Rechtsbegriff? DRdA 2003, 110; Kuras/Neumayer/Spenling (Hrsg), FS Bauer/Mayer/Petrag (2004); Heidinger/Frank-Thomasser/Schmid (Hrsg), AntiDiskriminierung – Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU (2004); Hopf, Belästigungsschutz neu, RdW 2004, 548; Sturm, Richtlinienumsetzung im neuen Gleichbehandlungsgesetz, DRdA 2004, 574; Wagner, Zivilrechtliche Haftung für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in GS Heinze, 969 (2005); Reissner, Das neue Gleichbehandlungsrecht. Rechtsquellen - Diskriminierungstatbestände - praktische Beispiele, JAP 2005, 30; Gahleitner, Der Schutz vor Belästigung im Arbeitsverhältnis, ZAS 2007, 148; Majoros, Richtlinienkonforme Bemessung des ideellen Schadens im Gleichbehandlungsgesetz, DRdA 2007, 515; Schrank, Jüngste Judikatur im Arbeitsrecht, ZAS 2009; Gahleitner, Sexuelle Belästigung und Diskriminierung durch den Geschäftsführer, DRdA 2009, 539; Hess-Knapp, Sexuelle Belästigung jugendlicher ArbeitnehmerInnen, insb von Lehrlingen, und die Rechtsfolgen, DRdA 2009, 163; Mayr, Diskriminierungen im betrieblichen Alltag, DRdA 2009, 153; Mazal, Belästigung in der Arbeitswelt – Abhilfe durch Unternehmenskultur! ecolex 2009, 460; Gerhartl, Geschlechtsbezogene Belästigung am Arbeitsplatz, taxlex 2009, 118; Gerhartl, Diskriminierung durch Belästigung und “Rauswurf”, ecolex 2011, 939; Rauch, Pflichten des Beschäftigers von überlassenen Arbeitskräften – Der Beschäftiger schließt keinen Arbeitsvertrag mit der überlassenen Arbeitskraft ab und hat dennoch einige wesentliche Pflichten zu beachten, ASoK 2012, 402; Krömer, #metoo: Neinsagen bei sexuellen Belästigungen nicht notwendig, ZAS 2019, 33; Leitner/Fischer, Sexuelle Belästigung iSd § 6 GlBG setzt nicht zwingend eine ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung der betroffenen Person voraus, ZfG 2017, 140; Linde, Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung,
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§ 7Mazal ASoK 2017, 249; Kozak, Keine Voraussetzung einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Ablehnung für das Vorliegen einer sexuellen Belästigung, DRdA infas 2017, 221; Kary, Grapschern droht die „Fristlose“, Die Presse 2017/45, 8; Lindmayr/Tubma, Keine sexuelle Belästigung trotz anzüglicher Bemerkungen, RdW 2017/375; Tinhof, Unberechtigte Entlassung nach fraglicher sexueller Belästigung, DRdA 2017, 153; Sabara, Sexuelle Belästigung und Entlassung, ARD 6651/6/2017, 8; Köck, Diskriminierung wegen Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung, ZAS 2018, 137; Schrank, Ausgewähltes Judikatur-Update 2017, ZAS 2018, 123; Wagner-Steinrigl, Jahrbuch Arbeitsrecht und Sozialrecht 2018, 105: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – was tun?; Rauch, Fragliche Arbeitgebereigenschaft. Wem kommt die Stellung als Arbeitgeber zu? ASoK, 2019, 151; Gahleitner, 40 Jahre Gleichbehandlungsgesetz – Europäische Impulse bei der Gleichstellung der Geschlechter, DRdA 2019, 405; Gerhartl, Mobbing – eine Annäherung, ecolex 2019, 894; Salcher, Sportrechtstagung – „Aktuelle Rechtsprobleme bei der Anleitung zur Sportausübung“, ZVR 2019, 124; Danzl, Handbuch Schmerzengeld: Kap. 8 Beeinträchtigungen der sexuellen Integrität (2019); Apostol/Hofbauer, Sexuelle Integrität: 3. Kap: Sexuelle Belästigung nach dem GlBG (2020); Tomandl (Hrsg), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts (36. Lfg 2020); Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II11 (2020); Deakin/Morris (Hrsg), Labour Law7 (2021); Körber-Risak in GruberRisak/Mazal, Das Arbeitsrecht, Kap VIII (36. Lfg 2021).
Hinweis: Die Kommentierung dieser Bestimmungen erfolgte in der ersten Auflage durch Dr. Katharina Posch. Sie wurde für die zweite Auflage von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal grundlegend neu bearbeitet. Inhaltsübersicht I. Allgemeines................................................................................................... 1 1. Unionsrechtliche Vorgaben.................................................................. 1 2. Nationale Umsetzung........................................................................... 4 3. Regelungsziel.......................................................................................... 8 II. Systematische Positionierung.................................................................... 12 1. Verhältnis von § 6 zu § 7 GlBG............................................................ 12 2. Verhältnis von Belästigung zu Mobbing ........................................... 14a 3. Strafrechtliche Sonderbestimmungen................................................ 15 4. Bekämpfung von Hass im Netz........................................................... 17a III. Belästigung als Tatbestandskern............................................................... 18 1. Tatbestandsstruktur und Interpretationsansätze............................. 18 2. Tatbestandselemente.............................................................................. 20b 3. Beispielsfälle sexueller Belästigung...................................................... 36 4. Beispielsfälle geschlechtsbezogener Belästigung............................... 39 IV. Weitere Tatbestandsaspekte........................................................................ 43 1. Allgemeines............................................................................................. 43 2. Belästigung kraft Anweisung............................................................... 44a 3. Belästigung kraft Assoziation.............................................................. 44c
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V. Formen angemessener Abhilfe.................................................................. 44d 1. Allgemeines............................................................................................. 44d 2. Entlassung............................................................................................... 54 3. Versetzung............................................................................................... 62 4. Kündigung.............................................................................................. 62a VI. Rechtsfolgen................................................................................................. 62b 1. Schadenersatzansprüche....................................................................... 62b 2. Leistungsverweigerungsrecht.............................................................. 65 3. Austrittsrecht.......................................................................................... 65a 4. Schutz bei Arbeitsvertragsbeendigung.............................................. 65d VII. Belästigung und Sozialversicherungsrecht............................................. 67 1. Belästigung als Arbeitsunfall................................................................ 67 2. Belästigung und DG-Haftungsprivileg.............................................. 73 3. Krankenversicherung und Pensionsversicherung............................ 75a
I. Allgemeines 1. Unionsrechtliche Vorgaben Unionsrechtliche Grundlage für das Verbot von sexueller Belästigung 1 bildet die GlbRL 76/207/EWG, die allerdings in ihrer ursprünglichen Fassung sexuelle Belästigung nicht als gesonderten Tatbestand kannte. Schon zur Fassung aus 1976 wurde allerdings von vielen vertreten, dass der allg Diskriminierungstatbestand der RL auch die sexuelle Belästigung verbiete. Ein explizites Verbot wurde erst durch die ÄnderungsRL 2002/73/EG in Art 1a GlbRL aufgenommen. Obwohl die GlbRL 1976 auch noch keine detaillierten Vorgaben für Sanktionen bei Diskriminierung enthielt, forderte die Jud des EuGH allgemein, dass die Mitgliedstaaten wirksame Sanktionen vorsehen (§ 12 Rz 4). Unter der Geltung der GlbRL 76/207 ergingen von der EG verschiede- 2 ne Akte des „soft law“ im Hinblick auf die sexuelle Belästigung (vgl die Angaben zu den Materialien). Sie unterstrichen die Bedeutung des Themas und unterstützten die Auffassung, dass schon die genannte RL auch die sexuelle Belästigung erfasste. Zu nennen sind vor allem die Entschließung 90/C 157/02 des Rates und die Empfehlung 92/131/ EWG der Kommission, beide zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz, sowie die Entschließung des Europäischen Parlaments aus 1986 über Gewalt gegen Frauen. Auch die Charta der Grundrechte der EU sieht vor, dass die Würde des Menschen als unantastbar zu achten und zu schützen ist (Art 1), und sieht ferner das Recht 325
§ 7Mazal jedes AN auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen vor (Art 31 Abs 1). 3 Die Änderungs-RL 2002/73 zur Änderung der GlbRL, welche die Grundlage für den geltenden § 6 GlBG bildet, definiert sexuelle Belästigung als „jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, das sich in unerwünschter verbaler, nicht-verbaler oder physischer Form äußert und das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insb wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“. Die Änderungs-RL 2002/73 zur GlbRL erweitert außerdem den Bereich der missbilligten Belästigung über die sexuelle Belästigung hinaus auf die geschlechtsbezogene Belästigung. Sie definiert den Begriff Belästigung im Zusammenhang mit dem Belästigungsgrund „als unerwünschte Verhaltensweise, die bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“. Die aktuellen Definitionen der (sexuellen) Belästigung stellen auf Basis von Art 2 Abs 3 der Richtlinie 2000/78/EG bzw Art 2 Abs 2 der Richtlinie 76/207/EWG, geändert durch die Richtlinie 2002/73/EG = Art 2 Abs 1 Buchstabe c und Buchstabe d der Richtlinie 2006/54/EG, ebenso Art 2 Abs 3 der Richtlinie 2000/43/EG, darauf ab, dass Belästigungen Verhaltensweisen sind, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird und ein beeinträchtigendes Umfeld geschaffen wird. Eine wesentliche Ausweitung der Diskriminierungstatbestände bewirkte die E des EuGH 17. 7. 2008, C-303/06, Coleman, dadurch, dass die Diskriminierung nicht auf Personen beschränkt ist, die das sensible Merkmal selbst tragen, sondern die Tatbestände auch Personen erfassen, die mit einer Person, die das sensible Merkmal trägt, in einem Naheverhältnis stehen (Diskriminierung durch Assoziation). Die E erging zwar im Kontext der Diskriminierung wegen einer Behinderung, ist jedoch auf alle Merkmale anzuwenden, die auf Art 19 AEUV basieren.
2. Nationale Umsetzung 4 Das Verbot sexueller Belästigung, das in der Stammfassung des GleichbehandlungsG BGBl 1979/108 nicht enthalten war, wurde durch Art V der Novelle zum GlBG BGBl 1992/833 eingeführt. Diese Novelle war 326
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Teil der Antwort auf die Aufhebung des ungleichen Pensionsalters für Männer und Frauen durch den VfGH. Der Gesetzgeber normierte einerseits die verfassungsrechtliche Absicherung der Zulässigkeit des ungleichen Pensionsalters bis zu einer stufenweisen Anhebung, die spätestens mit 31. 12. 2033 abgeschlossen sein muss, und andererseits ein umfassendes Paket von Vorschriften, die eine Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt sicherstellen sollten und die mit 1. 1. 1993 in Kraft traten. Das GlBG 2004 normiert die sexuelle Belästigung als eigenen Tatbestand. Die Bestimmung des geltenden § 6 entspricht großteils dem früheren § 2 Abs 1a und 1b GlBG 1979. Die Z 2 und 3 des § 6 Abs 1 wurden aus systematischen Gründen gegenüber der bisherigen Regelung umgestellt, um jene Tatbestände, die das Arbeitsverhältnis betreffen, zusammenzufassen. Während Abs 1 Z 3 jene sexuellen Belästigungen durch Dritte erfasst, die in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, soll Abs 1 Z 4 anordnen, dass der Tatbestand der Belästigung durch Dritte auch andere Belästigungen in der Arbeitswelt umfasst. In Abs 2 Z 2 entfiel der Ausdruck „nachteiligen“, weil es unerheblich ist, ob die Zurückweisung oder Duldung einer sexuellen Belästigung zu nachteiligen Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis führt. Der hinzugefügte Abs 3 sieht entsprechend Art 2 Abs 4 der geänderten GlbRL vor, dass auch die Anweisung zur Diskriminierung als Diskriminierung gilt. Darüber hinaus wurde eine der RL entsprechende Definition sexueller Belästigung in das GlBG aufgenommen. Durch die Nov BGBl I 2011/7 wurde in Abs 4 die Regelung aufgenommen, dass auch die Belästigung auf Grund eines Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts tatbestandsmäßig ist (vgl Rz 3). Der Tatbestand der geschlechtsbezogenen Belästigung fand aufgrund 5 der Änderungs-RL 2002/73/EG Eingang in das GlBG. Die Formulierungen des § 7, die inhaltlich der „Gleichbehandlungsrichtlinie“ entsprechen, wurden in sprachlicher Hinsicht der in der Praxis (Gerichte, Gleichbehandlungskommission) bekannten und bewährten Terminologie des § 6 nachgebildet. In Abs 2 mussten im Hinblick darauf, dass bei der geschlechtsbezogenen Belästigung nicht auf die sexuelle Sphäre Bezug genommen wird, geringfügige Änderungen vorgenommen werden.1 1 ErlRV 307 BlgNR 22. GP, 12.
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§ 7Mazal 6 Bezüglich der Rechtsfolgen der Belästigungstatbestände ist festzuhalten: Gemäß § 2a Abs 7 GlBG 19792 hatte ein „infolge sexueller Belästigung im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis diskriminierter AN gegenüber dem Belästiger“ und „im Falle der schuldhaften Unterlassung des Arbeitgebers angemessene Abhilfe zu schaffen auch gegenüber dem Arbeitgeber“ „Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens.“ Soweit der Nachteil nicht in einer Vermögenseinbuße bestand, hatten die AN zum Ausgleich des durch die Verletzung der Würde entstandenen Nachteils Anspruch auf angemessenen, mindestens jedoch auf 5.000 S Schadenersatz. Derzeit sieht das GlBG für den Schadenersatzanspruch seit der Nov BGBl I 2011/7 einen Mindestbetrag von 1.000 Euro sowohl bei sexueller als auch bei geschlechtsbezogener Belästigung vor. Eine Obergrenze hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zur Gleichbehandlung ausdrücklich mit dem Argument abgelehnt, die Mitgliedstaaten wären angehalten, einen angemessenen Schadenersatzanspruch zu gewährleisten.3 Dies muss auch für die Tatbestände der Belästigung gelten. 7 Rz 7 bleibt unbesetzt.
3. Regelungsziel 8 Nach der Dortmunder Studie, einer repräsentativen deutschen Studie, die 1991 im Auftrag des deutschen BM für Frauen und Jugend durchgeführt wurde, reichen Erfahrungen von Belästigungen am Arbeitsplatz „von einem sexistischen Arbeitsklima, das durch täglich erlebte anzügliche Bemerkungen, Gesten, Blicke oder auch pornographische Bilder gekennzeichnet ist, bis zu aufgezwungenen Umarmungen, Küssen, Grapschereien sowie [...] sexuellen Nötigungen und versuchten Vergewaltigungen“4. Die Schwere der erfahrenen Belästigungen differiert nach Branchen, sodass in sogenannten „Männerberufen“ verbale „Entgleisungen“ eher als Normalität wahrgenommen werden, während im öffentlichen Bereich das dort offen Gesagte nur hinter vorgehaltener Hand gesagt werden kann. Die Dortmunder Studie zeigte weiters, dass
2 BGBl 1979/108 idF BGBl 1992/833. 3 EuGH 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl. 4 Holzbecher/Braszeit/Müller/Plogstedt, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Schriftenreihe des BM für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Band 260 (1991).
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70% der befragten Frauen und Männer zumindest „verbale“ Belästigung kennen. Die im Auftrag des österreichischen BM für Wirtschaft, Familie und Jugend 2011 vom Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien durchgeführte Gewaltprävalenzstudie5 zeigte ein ähnliches Bild: Demnach ist sexuelle Belästigung jene Gewaltform, die am häufigsten an öffentlichen Orten erfahren wird (Frauen: 51,3%, Männer: 12,5%) und haben 23,3% der Frauen und 4,3% der Männer berichtet, dass sie „in unpassenden Situationen: zB in der Arbeit, in der Ausbildung oder im Studium, belästigende sexuelle Angebote” erhalten haben, was 6,3% aller Frauen und 0,8% aller Männer als bedrohlich erlebt haben.6 Ziel der Regelungen in §§ 6 und 7 GlBG ist es, sexuelle Belästigungen 9 sowie geschlechtsbezogene Belästigungen im Rahmen des Geltungsbereiches gem §§ 1, 3 und 4 GlBG (vgl § 1 Rz 34–47, § 3 Rz 1 ff und § 4 Rz 1) zu verbieten und zu sanktionieren. Anlass der Novellierung des seit 1993 bestehenden Tatbestandes der sexuellen Belästigung ist die Anpassung des GlBG an die ÄnderungsRL 2002/73/EG. Die Regelung über sexuelle Belästigung gem § 6 GlBG diente historisch zur Gleichstellung von Männern und Frauen (so auch § 2 GlBG); auch seit in der Novelle BGBl I 2008/98 allgemein geschlechtsbezogene Belästigungen durch § 7 erfasst sind, sind die Überschrift des I. Teils des GlBG, dem diese Bestimmungen zuzurechnen sind, sowie § 2 GlBG ausschließlich auf die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt bezogen. Auf Grund seiner neutralen Formulierung erfasst § 7 GlBG jedoch materiell alle Arten des biologischen, genetischen und sozialen Geschlechts, wie sie auch im Kontext des Schutzes der sexuellen Orientierung erfasst sind. Eine Beschränkung der materiellen Reichweite von § 7 GlBG auf Belästigungen etwa nach dem biologischen oder dem sozialen Geschlecht als Mann oder Frau würde einem binären Konzept von Geschlechtlichkeit entsprechen und der Bestimmung einen unionsrechtswidrigen Gehalt unterstellen. Die Rz 10–11 bleiben unbesetzt.
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5 Kapella/Baierl/Rille-Pfeiffer/Geserick/Schmidt, Gewalt in der Familie und im sozialen Umfeld (2011). 6 Kapella/Baierl/Rille-Pfeiffer/Geserick/Schmidt, Gewalt 96.
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II. Systematische Positionierung 1. Verhältnis von § 6 zu § 7 GlBG 12 Der Tatbestand der Bestimmung über die geschlechtsbezogene Belästigung in § 6 GlBG überschneidet sich sprachlich teilweise mit der Bestimmung über die sexuelle Belästigung in § 7 GlBG. Auch angesichts der Formulierung in Art 2 Abs 3 der RL 2002/73/EG, nach der Belästigung und sexuelle Belästigung im Sinne der RL als Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts gelten und daher verboten sind, ist Belästigung als eigenständige Ausformung der Diskriminierungstatbestände zu qualifizieren. Besonderes Kriterium der sexuellen Belästigung ist das der „sexuellen Sphäre zugehörige Verhalten“, das bei der geschlechtsbezogenen Diskriminierung nicht zwingend vorliegen muss. Zum Kern der Unterscheidung wird damit die Sexualität, die allerdings vielschichtig ist. Nach einer weit verbreiteten Definition der WHO ist „sexuality a central aspect of being human throughout life and encompasses sex, gender identities and roles, sexual orientation, eroticism, pleasure, intimacy and reproduction. Sexuality is experienced and expressed in thoughts, fantasies, desires, beliefs, attitudes, values, behaviours, practices, roles and relationships. While sexuality can include all of these dimensions, not all of them are always experienced or expressed. Sexuality is influenced by the interaction of biological, psychological, social, economic, political, cultural, ethical, legal, historical, religious and spiritual factors.”7 12a Vor dem Hintergrund eines solchen weiten Begriffsverständnisses kann man § 7 GlBG als quasi „ad cautelam“ normierte Abrundung des Schutzes vor Diskriminierung gem § 5 Abs 1 GlBG sehen, die auch Aspekte der Geschlechtlichkeit erfassen soll, die von einem wie auch immer gebildeten Verständnis von Sexualität nicht erfasst sein sollten, oder mit den Gesetzesmaterialien8 die sexuelle Belästigung als Spezialfall der geschlechtsbezogenen Diskriminierung.
7 WHO, Defining sexual health. Report of a technical consultation on sexual health 28-31 January 2002, https://www.who.int/reproductivehealth/publications/sexual_health/defining_sexual_health.pdf?ua=1 (zuletzt abgefragt am 13.2.2021). 8 ErlRV 307 BlgNR 22. GP, 12.
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Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen der sexuellen sowie der ge- 13 schlechtsbezogenen Belästigung sind ident. In beiden Fällen wird auf das objektive Kriterium der Würde des Menschen, die subjektiv zu beurteilende Tatsache der Unerwünschtheit sowie alternativ auf das Schaffen einer feindlichen Arbeitsumwelt bzw auf die „Karrierebehinderung“ iwS abgestellt (Rz 32 ff). Gemeinsam ist den Tatbeständen auch, dass sich ihr Geltungsbereich prinzipiell auf den Bereich der „Arbeitswelt“ bezieht, wovon im Kernbereich Arbeitsverhältnisse „aller Art“ erfasst sind, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen. Aufgrund des Geltungsbereiches des § 1 kann es sowohl zu einer tatbestandsmäßigen Handlungsweise im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis aber auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (iVm § 4 GlBG) kommen. Gemeinsam ist den Bestimmungen ihre übergeordnete Definition als 14 Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.9 Dies ist durch die Änderungs-RL 2002/73/EG mit der Begriffsdefinition der Belästigung als Diskriminierungstatbestand („... als Belästigung gilt“) festgelegt. Damit gilt auch für diese Belästigungen die Beweiserleichterung nach Art 4 Abs 1 Beweislast-RL 97/80/EG (vgl § 12 Rz 8). Die Rsp des EuG,10 des EuGH11 sowie des OGH,12 die bisher davon ausgegangen waren, die (sexuelle) Belästigung wäre der Beweiserleichterung nicht zugänglich, ist damit überholt.
2. Verhältnis von Belästigung zu Mobbing Die geschlechtsbezogene Belästigung wird in den Materialien13 als eine 14a Erscheinungsform von „Mobbing“ qualifiziert, erfasst aber nur jenen Teil von Mobbing, der mit dem Geschlecht zusammenhängt. Sprachlich wird das Wort „Mobbing“ üblicherweise auf das englische Verb „to mob“ (= „umringen“ oder „attackieren“), zurückgeführt, das sich wiederum aus dem lateinischen „mobile vulgus“ = „aufgewiegelte Volksmenge“ ableitet.14 Möglich ist auch eine Herleitung aus dem Schwedi9 Smutny/Mayr, GlBG 318; Mayr, DRdA 2002, 66. 10 EuG 5.12.2000, T-136/98, Campogrande/Kommission, Rz 70. 11 EuGH 23.4.2002, C-62/01, Campogrande/Kommission. 12 OGH 27.3.1996, 9 ObA 2056/96, Arb 11.490 = DRdA 1997, 13 [Gahleitner] = RdW 1997, 358. 13 ErlRV 307, 499 BlgNR 22. GP. 14 Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110.
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§ 7Mazal schen, in dem „Mobba“ dem deutschen „Schikanieren“ entspricht. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird unter Mobbing „eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet“ verstanden.15 Mobbing verlangt idR eine andauernde Handlung,16 geschlechtsbezogene Belästigungen hingegen können bereits durch eine einmalige schwerwiegende Verhaltensweise begangen werden.
3. Strafrechtliche Sonderbestimmung 15 Das Strafrecht regelt in § 218 StGB den Tatbestand „Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen“. Allerdings erfüllt keineswegs jede sexuelle Belästigung diesen Tatbestand. Im Gegenteil ergibt sich aus den Materialien17 eine bewusste Abgrenzung zum Tatbestand der sexuellen Belästigung im GlBG: Tatbestandsmäßig iS des § 218 StGB ist die Belästigung durch eine geschlechtliche Handlung im engeren Sinn; gemeint sind alle nicht bloß zufälligen Berührungen jener Körperteile, die der Geschlechtssphäre zuzurechnen sind. Es kann sich dabei einerseits um eine sexuell sinnbezogene Manipulation des Täters am eigenen Körper (zB Masturbationshandlungen), andererseits aber auch um eine geschlechtliche Handlung am Opfer handeln. Eine „Belästigung“ iSd § 218 StGB ist dann gegeben, wenn die belästigte Person die Handlung des Täters (auch in ihrer sexuellen Tendenz) erkennt und diese bei ihr zu einer negativen Gefühlsempfindung von einigem Gewicht, etwa Schrecken, Ekel oder Ärger führt. Dabei ist eine Ähnlichkeit mit den Kriterien der „Würde“ und der „subjektiven Empfindung“ der Person nach dem GlBG zu erkennen. Dem strafrechtlichen sowie dem gleichbehandlungsrechtlichen Belästigungsbegriff ist nach dem Verständnis des Gesetzes immanent, dass die geschlechtliche Handlung für das Opfer unerwünscht ist. 16 Verbale Äußerungen oder Gesten, wie sie auch von der im GlBG verwendeten Wendung „der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten“ er15 Hopf in Kuras/Neumayer/Spenling, FS Bauer/Maier/Petrag 147 mwN. 16 Smutny/Hopf, DRdA 2003, 110. 17 ErlRV 294 BlgNR 22. GP 27.
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fasst sind, sind von § 218 StGB hingegen nicht erfasst. Damit ist eine Abgrenzung zum GlBG geschaffen worden, die damit gerechtfertigt wird, dass die Regelungen des GlBG betreffend sexuelle Belästigung spezifisch auf Arbeitsverhältnisse zugeschnitten seien. Dieses für Beschäftigungsverhältnisse geschaffene Instrumentarium sei nicht ohne weiteres auf das gerichtliche Strafrecht übertragbar. Das in diesen Verhältnissen verbotene Verhalten muss damit nicht jenen Unwertgehalt erreichen, der eine gerichtliche Strafe rechtfertigt. Umgekehrt kann jedoch eine von §§ 6 und 7 GlBG verbotene Belästigung auch iSv § 218 StGB strafbar sein. Soweit sexuelle Belästigungen des GlBG tatbildmäßig iS des § 218 17 StGB sind, sind diese – auch – gerichtlich strafbar; daneben greifen die im GlBG vorgesehenen Sanktionen ein, insb der Schadenersatzanspruch. Soweit es sich um Sachverhalte handelt, die zwar innerhalb des gleichbehandlungsrechtlichen, jedoch außerhalb des strafrechtlichen Tatbestands liegen, bleibt die im GlBG vorgesehene Sanktion des Ersatzes des erlittenen Schadens nach § 12. Dieses Splitting der Sanktionen steht nach den Materialien im Einklang mit der GlbRL, nach welcher die Sanktionen bei Diskriminierungen zwar wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen, aber auch (lediglich) Schadersatzleistungen an die Opfer umfassen können.
4. Bekämpfung von Hass im Netz Durch das Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Bekämpfung von 17a Hass im Netz getroffen werden (HiNBG)18, wurden zahlreiche Bestimmungen erlassen, die die Situation von Opfern von Hass im Netz verbessern sollen. Zivilrechtlich geht es dabei im Kern um eine Vertiefung der Persönlichkeitsrechte (§ 17a ABGB) sowie einen umfassenden Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch (§ 20 ABGB). Die Lebenssituationen und Sachverhalte, in denen das HiNBG Anwendung findet, können sich mit den Lebenssituationen und Sachverhalten, für die §§ 6 und 7 GlBG Schutz etablieren, überlagern. Die im HiNBG und im GlBG vorgesehenen Schutzinstrumente zugunsten belästigter Personen bzw die Handlungspflichten belästigender Personen und von AG stehen allerdings nicht in einem Verhältnis der Spezialität, sondern können typischerweise nebeneinander genutzt werden bzw bestehen. 18 Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz BGBl I 2020/148.
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III. Belästigung als Tatbestandskern 1. Tatbestandsstruktur und Interpretationsansätze 18 Gem § 6 GlBG liegt sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder eine demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft (§ 6 Abs 2 Z 1). Der Tatbestand gliedert sich in vier Elemente: (1) Sexuelles Verhalten (Rz 20b, 22), das zu einer (2) Beeinträchtigung der Würde führt (Rz 23, 24), (3) für die betroffene Person unerwünscht etc ist (Rz 25) und überdies die (4a) Schaffung eines negativen Arbeitsumfelds oder (4b) die Karriereentwicklung beeinflusst (Rz 32–35). 19 Rz 19 bleibt unbesetzt. 20 Gem § 7 GlBG liegt geschlechtsbezogene Belästigung vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft (§ 6 Abs 2 Z 1). Der Tatbestand gliedert sich in vier Elemente: (1) Geschlechtsbezogenes Verhalten (Rz 21, 22), das zu einer (2) Beeinträchtigung der Würde führt (Rz 23, 24), (3) für die betroffene Person unerwünscht etc ist (Rz 25) und überdies die (4a) Schaffung eines negativen Arbeitsumfelds oder (4b) die Karriereentwicklung beeinflusst (Rz 32–35). 20a Die mehrgliedrige Tatbestandsstruktur legt es nahe, jedes Tatbestandselement für sich auszulegen, soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Tatbestand als Einheit zu sehen ist. Dies ist vor allem angesichts des Umstands wichtig, dass bei isolierter Betrachtung der einzelnen Elemente die Gefahr besteht, dass die in den einzelnen Elementen liegenden argumentativen Spielräume genutzt werden, ein Gesamtverhalten wegen marginaler Einzelaspekte als nicht tatbestandsmäßig zu qualifizieren. Diese Gefahr resultiert daraus, dass der Tatbestand zum Teil hochgradig wertungsbedürftige Elemente enthält und man beispielsweise über die „Beeinträchtigung der Würde“, oder die Elemente „unerwünscht, unangebracht oder anstößig“ unschwer unterschiedlicher Auffassung sein kann. Wählt man jedoch zur Auslegung ein integratives Textverständnis und setzt dabei an den Begriffen „einschüchternd, feindselig, demütigend“ an, ergibt sich ein Tatbestandsverständ334
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nis, das diese Gefahr reduziert. Dies ist Effekt des Umstandes, dass diese drei Elemente ein eindeutiges Begriffsverständnis und insofern einen gemeinsamen Bedeutungskern aufweisen, als allen eine (Willens-) Beugung immanent ist: Interpretiert man den Tatbestand von diesem Ausgangspunkt aus, zeigt sich, dass eine Verletzung der Würde einer Person vorliegt, wenn sie durch ein der sensiblen Sphäre zuzurechnendes Verhalten dazu gebracht wird, etwas zu tun, was sie aus sich heraus nicht wollte. Damit erkennt man auch, dass in der Alltäglichkeit von unsensiblem Verhalten Diskriminierungen in Form von Belästigungen vorliegen können: Wer beispielsweise durch sexuelle Anzüglichkeiten dazu gebracht wird, ein Pausengespräch zu verlassen und dadurch isoliert wird, ist in seiner Würde verletzt; zumal wenn man weiß, dass die Arbeitswelt in der informalen Kommunikation entscheidende Potenziale der Karriereentwicklung kennt, ist in derart belästigendem Verhalten eine klar abzulehnende Störung dieses Kommunikationsverhaltens zu sehen. Dieser integrierende Zugang analysiert den Tatbestand der Belästigung nicht mit primärem Blick auf das Verhalten der belästigenden Person, sondern aus der Perspektive der Wahrnehmung durch die belästigte Person und trägt damit dem Anliegen Rechnung, dass eine Belästigung unabhängig davon vorliegt, ob die Belästigung bezweckt war („discrimination by intention“) oder nicht („discrimination by effect“). In diesem Sinn unterstreichen auch die Materialien zur Novelle BGBl I 2008/98,19 dass der Tatbestand verdeutlichen soll, „dass es in dem Fall – der bisher als einziger in den angesprochenen Bestimmungen verankert war –, in dem eine Belästigung von der betroffenen Person subjektiv als solche empfunden wird, weil ein von ihr unerwünschtes Verhalten ihre Würde beeinträchtigt und eine benachteiligende Umwelt schafft, gerade nicht auf die Absicht der belästigenden Person ankommt“. Insofern ist auch festzuhalten, dass es nicht darauf ankommt, ob die betroffene Person sich tatsächlich als belästigt empfindet, sondern darauf, ob sie sich in ihrer Wahrnehmung einer Belästigung ausgesetzt sieht, und diese Wahrnehmung objektiv nachvollziehbar ist. Auch wenn im Folgenden die einzelnen Elemente des Tatbestands separat untersucht werden, sollte diese integrierende Gesamtbetrachtung nicht aus den Augen verloren gehen: Letztlich ist die (objektiv nachvollziehbare) subjektive Wahrnehmung jeglichen Verhaltens, das die Geschlechtssphäre betrifft, für die Wahrung der Würde eines Men19 ErlRV 415 BlgNR 23. GP 5.
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§ 7Mazal schen entscheidend: „Die betroffene Person zieht die Grenze“ bleibt auf diese Weise kein leeres Schlagwort!
2. Tatbestandselemente 20b Die belästigende Person muss ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten setzen. Dabei ist es irrelevant, ob eine Person des eigenen oder eines anderen Geschlechts belästigt wird. Eine andere Auslegung ergäbe eine Diskriminierung in sich, da eine belästigende Person desselben Geschlechts „besser“ – weil im Rahmen des GlBG sanktionslos – als eine belästigende Person eines anderen Geschlechts behandelt würde. Ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten ist sowohl in Bezug auf die körperliche Integrität, die geschlechtliche Selbstbestimmung, aber auch die psychische Verletzbarkeit im körperlich-sexuellen Bereich zu prüfen.20 Ob es sich um ein solches Verhalten handelt, oder ob das in Frage stehende Verhalten nicht der sexuellen Sphäre zuzuordnen ist, ist objektiv zu beurteilen.21 21 Unter geschlechtsbezogenem Verhalten sind jene Verhaltensweisen zu verstehen, welche die Betroffenen objektiv (zur Abgrenzung Rz 12) aufgrund ihres Geschlechts belästigen bzw diskriminieren (Rz 20). Dabei ist es irrelevant, ob eine Person des eigenen oder eines anderen Geschlechts belästigt wird bzw belästigt. Die Abgrenzung zwischen geschlechtsbezogenem Verhalten und sexuellem Verhalten erfolgt danach, ob das Verhalten die Fortpflanzungsfunktion und damit zusammenhängende oder andere mit dem Geschlecht verbundene Aspekte der menschlichen Existenz betrifft. Zu denken ist etwa an Bevorzugungen der Angehörigen eines Geschlechts mit dem Argument, Angehörigen eines anderen Geschlechts sei die Arbeit nicht zumutbar („Sie können das nicht, weil Sie Frau/Mann sind“) oder abwertende Äußerungen in Bezug auf das Geschlecht. 22 Das Tatbestandselement „Verhalten“ ist weit zu interpretieren, der Begriff umfasst jede bewusste Lebensäußerung, sowohl körperliche Handlungen als auch verbale und non-verbale Verhaltensweisen (Gesten, Blicke, Zeigen etc),22 das Anbringen oder Zeigen von Pinup-Fotos, das Versenden von Bildern geschlechtlichen Inhalts, einschlägige E20 Mayr, DRdA 2002, 66; Wilhelm, ecolex 1993, 77. 21 ASG Wien, 11 Cga 127/98t, ecolex 2000, 135 [Gerlach]. 22 GBK 28.4.2000, 142.920/14-SG III/2a/00.
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Mails,23 die Installation von Videoüberwachung.24 Irgendein störendes Verhalten reicht nicht aus, es muss sich um ein Verhalten handeln, das die sexuelle bzw geschlechtsbezogene Selbstbestimmung des Opfers in einer Weise beeinträchtigt, die als unerwünscht, unangebracht oder anstößig angesehen werden kann. Tatbestandsmäßig ist ein Verhalten, das über das übliche Maß zwischenmenschlicher Kommunikation hinausgeht und durch eine weitere sexuelle/geschlechtsbezogene Komponente angereichert ist. Das ist objektiv zu beurteilen.25 Im Hinblick auf sexuelle Belästigung sind jedenfalls unwillkommene sexuelle Annäherungen, Forderungen sexueller Gefälligkeit und anderes wörtliches oder tätliches Verhalten sexueller Art, aber unter Umständen auch unerwünschte Komplimente tatbestandsmäßig, die sich auf die Sexualität beziehen; im Hinblick auf die geschlechtsbezogene Belästigung kommen auch andere geschlechtsbezogene Verhaltensweisen wie die Festlegung von Angehörigen eines Geschlechts auf bestimmte Rollen („bei uns kochen die Frauen den Kaffee“) in Betracht. Ferner muss das zu beurteilende Verhalten geeignet sein, die Würde 23 einer Person zu beeinträchtigen. Auch das ist objektiv zu beurteilen. Nicht schon jedes dem sexuellen/geschlechtsbezogenen Bereich zugehörige Verhalten einem anderen gegenüber erfüllt den Tatbestand. Das in Frage stehende Verhalten muss eine gewisse Intensität erreichen, eben zumindest gerade so viel, dass es geeignet ist, die Würde einer Person im Allgemeinen zu verletzen; auf die Stellung von belästigender und belästigter Person zueinander kommt es bei der Beurteilung nur aus objektiver Sicht an (arg einer Person). Mit dem Hinweis auf die Würde26 ist zum Schutz von Leben und Gesundheit der Schutz psychischer Integrität bzw der Ehre iwS hinzugetreten. Abzustellen ist daher einerseits auf die Persönlichkeitsrechte (iSd § 16 ABGB) des Belästigten und dessen Recht auf Selbstbestimmung, Iden23 GBK 17.10.2000, 142.920/35-SG III/2a/00. 24 OLG Linz 13.1.2021, 12 Ra 64/20y; vgl auch „Praktische Verhaltensregeln und Maßnahmen zur Bekämpfung sexueller Belästigung“ im Anhang der Empfehlung der EG-Kommission 92/131/EWG vom 27.11.1991 zum Schutz der Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz, ABl 1992 L 49/3, sowie Rosenkranz, Das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz 195 mwN. 25 Vgl Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung 308 zum Definitionsversuch der EEOC-Richtlinie der US Equal Employment Opportunity Commission, Guidelines on Discrimination Because of Sex. 26 Vgl dazu die schier überbordende Lit zu Art 1 dGG.
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§ 7Mazal tität und Integrität27 und andererseits auf die objektive Möglichkeit zur Einflussnahme der belästigenden Person auf die Interessen der belästigten Person. 24 Ganz besonders in Fällen, in denen das belästigende Verhalten auf eine Machtdemonstration, den (psychisch oder physisch) gewaltsamen Versuch, das Opfer zu Handlungen oder Unterlassungen zu drängen, oder auf eine Herabwürdigung der Sexualität oder des Geschlechts der belästigten Person hinausläuft, ist ein Eingriff in die persönliche Würde anzunehmen. Dies ist unter Berücksichtigung der objektiven Umstände zu prüfen; auf das subjektive Empfinden der Beteiligten kommt es nicht an.28 Empfindlichkeiten Einzelner über das als normal geltende Maß hinaus sind somit nicht tatbestandsmäßig. Werden aber wiederholt Belästigungshandlungen gesetzt, die jede für sich genommen die geforderte Intensität nicht erfüllen würden, insgesamt aber hinreichen, so ist auch in diesem Fall von einer Beeinträchtigung der persönlichen Würde auszugehen. Einzeln betrachtet oder in Zusammenschau muss jedenfalls eine gewisse Intensität erreicht sein.29 25 Als – wie unter Rz 20a dargestellt – wesentliches Element ist auf die subjektive Wahrnehmung der belästigten Person abzustellen: Nur solch entwürdigendes sexuelles bzw geschlechtsbezogenes Verhalten der belästigenden Person erfüllt den Tatbestand, das vom Opfer auch tatsächlich unerwünscht ist oder von diesem als unangebracht oder anstößig wahrgenommen wird. Daraus ergibt sich vor allem die Möglichkeit zur Pardonierung der (objektiven) Belästigung durch das Opfer, aber auch die Berücksichtigung der psychischen Konstitution der belästigten Person. Die Tatbestandsmäßigkeit kann dadurch trotz des Vorliegens eines entwürdigenden sexuellen/geschlechtsbezogenen Verhaltens verhindert werden; entscheidend bleibt jedoch die objektivierbar entwürdigende Wahrnehmung. 26 Erörtert wird, ob sich aus der Bestimmung eine Ablehnungsobliegenheit der belästigten Person ergibt. Dies wird nunmehr angesichts der
27 Hofmann, Die versprochene Menschenwürde, AöR 1993, 363 zit nach Baer, Würde oder Gleichheit 197. 28 So auch Schindler, DRdA 2003, 402 und 523 (531); aM Wilhelm, ecolex 1993, 77. 29 ErlRV 735 BlgNR 18. GP, 33 (zu § 2 Abs 1b GlBG).
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Jud zutreffend grundsätzlich verneint.30 Die Verneinung einer Aufgriffsobliegenheit bezieht sich nicht nur auf gravierende,31 sondern auf alle Formen der Belästigung, die bei objektiver Betrachtung tatbestandsmäßig sein können. Unabhängig davon, ob eine in diesem Sinn erkennbare Belästigung vorliegt oder nicht, ist der Wunsch, jedes Verhalten zu unterlassen, das objektiv nachvollziehbar als Belästigung wahrgenommen werden kann, jedenfalls zu respektieren, weil die Wahrnehmung der betroffenen Person die entscheidende Grenze setzt, sofern dies objektiv nachvollziehbar ist. Damit scheidet eine Verhaltensweise aus dem Tatbestand aus, die in nicht nachvollziehbarer Weise, zB auf Grund einer Hypersensibilität von Personen, von diesen als Belästigung empfunden wird. In diesem Sinn sind auch die Materialien32 zu verstehen, die unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission für das Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit verlangen, dass die betroffene Person „deutlich gemacht hat, dass sie oder er sie (Anm: die Verhaltensweise) als beleidigend empfindet.“ Eine Ablehnungsobliegenheit ist lediglich bei Wahrnehmungsänderun- 27 gen vorstellbar: Wenn beispielsweise eine Person auf Grund geänderter Lebensumstände ein Verhalten, das sie bislang toleriert und nicht als belästigend wahrgenommen hat, obwohl es dem Tatbestand objektiv zugeordnet werden hätte können, ihre subjektive Reaktion ändert, ist diese Änderung zu kommunizieren und in weiterer Folge von der Arbeitsumgebung ohne weiteres zu respektieren. In diesem Sinn ist auch die deutsche Rechtsprechung33 zu verstehen, die eine Ablehnung in Bezug auf belästigendes Verhalten fordert. Selbst wenn man aber eine Obliegenheit zur Ablehnung bejaht, ist deren Ausformung in Abhängigkeit von der Intensität des belästigenden Verhaltens und der Position der belästigten Person im Sozialgefüge eines Unternehmens und insb gegenüber der belästigenden Person zu sehen und darf daher nicht überspannt werden. Dabei kann auch die Intensität der belästigenden Handlung ein Rolle 28 spielen und kann auch eine aus den Umständen erkennbare Ablehnung 30 OGH 20.4.2017, 9 ObA 38/17d und dazu in der Lit: Krömer, ZAS 2019, 33; Leitner/Fischer, ZfG 2017, 140; Linde, ASoK 2017, 249; Kozak, DRdA infas 2017, 221; Kary, Die Presse 2017/45, 8; Lindmayr/Tubma, RdW 2017, 514. 31 Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4 192. 32 ErlRV 307 22. GP 19. 33 BAG 25.3.2004, 2 AZR 341/03, NZA 21/2004, 1214.
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§ 7Mazal genügen.34 Dies ist dann der Fall, wenn aus dem Verhalten der oder des Betroffenen für einen objektiven Beobachter die Ablehnung hinreichend deutlich geworden ist.35 Unter Umständen kann daher auch rein passives Verhalten in der Form eines zögernden, zurückhaltenden Geschehenlassens gegenüber einer drängenden, durchsetzungsfähigen belästigenden Person, insb iZm einer hierarchisch übergeordneten Position, zur Erkennbarkeit einer ablehnenden Haltung hinreichen.36 29 Um Gefährdungssituationen zu vermeiden, hat die Europäische Kommission in der Empfehlung 92/131/EWG zur Einführung von Verhaltensrichtlinien geraten, die sich damit befassen, wie sexuelle Belästigung in einem Betrieb hintangehalten werden kann. Punkt 7 statuiert Arbeitnehmerpflichten, darunter auch die Pflicht des AN zur Ablehnung, soweit es ihm möglich ist. Trotzdem geht auch die deutsche Rsp davon aus, dass eine ausdrücklich formulierte Ablehnung „nicht, schon gar nicht immer“ verlangt werden könne.37 Dieses Verständnis kann auch für die Ablehnungsobliegenheit im österreichischen Recht zugrunde gelegt werden, sodass der Anwendungsbereich einer Ablehnungsobliegenheit schmal ist. 30–31 Die Rz 30–31 bleiben unbesetzt. 32 Tatbestandsmäßigkeit der sexuellen wie auch der geschlechtsbezogenen Belästigung setzt schließlich voraus, dass die Belästigung entweder eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder bezwecken muss, oder die ausdrückliche oder stillschweigende Grundlage dafür sein muss, dass, je nachdem, ob die belästigte Person eine geschlechtsbezogene Verhaltensweise der belästigenden Person zurückweist oder duldet, eine Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung und Entlohnung oder einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt getroffen wird. Von einer einschüchternden, feindseligen oder demütigenden Arbeitsumwelt ist nach objektiven Kriterien dann auszugehen, 34 So für Deutschland Schlachter, ErfK BeschSchG § 2 Rz 3, 7; s auch BVerwG 8.11.2000, 1 D 35/99. 35 BAG 25.3.2004, 2 AZR 341/03, NZA 21/2004, 1214, unter Verweis auf Marzodko/Rinne, ZTR 2000, 306; Schlachter, ErfK BeschSchG § 2 Rz 3, 8; Worzalla, NZA 1994, 1018. 36 BVerwG 18.11.2000, 1 D 35/99. 37 BAG 25.3.2004, 2 AZR 341/03, NZA 21/2004, 1214.
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§ 7
wenn AN in ihrem Umgang mit Kollegen, Kolleginnen oder Vorgesetzten derart negativ beeinträchtigt sind, dass sie ihre Arbeitskraft nicht mehr uneingeschränkt entfalten können. Dabei haben die Ausführungen unter Rz 20a gezeigt, dass es sich nicht 32a um gravierende Verhaltensweisen, sondern um nachvollziehbar gravierende Verhaltenseffekte handelt: Auch wenn eine Person in objektiv nachvollziehbarer Weise durch eine scheinbar kleine alltägliche Bemerkung (zB „Sie sind heute aber wieder eine bezaubernde Frau“) dazu gebracht wird, dass sie sich in ihrem kommunikativen Verhalten verändert und aus gesellig launigen Gesprächsrunden zurückzieht, kann eine Würdeverletzung vorliegen, es sei denn, sie stößt sich nicht an diesem Verhalten, sondern hält es für angebracht, ja sogar für erwünscht. Ist dies jedoch nicht der Fall, würde sie wegen der Bemerkung, die Geschlechtsbezug hat, gegen ihren ursprünglichen Willen zu einer Verhaltensänderung veranlasst, was als Verletzung der Würde anzusehen ist. Je intensiver die störende Verhaltensweise gesetzt wird, desto eher ist 33 von der Schaffung einer solchen Arbeitsumwelt auszugehen. Dabei ist es nicht notwendig, dass eine Verhaltensweise fortgesetzt ausgeübt wird. Auch hier kommt es auf die Intensität an. Eine sexuelle Nötigung etwa erfüllt automatisch das Erfordernis der einschüchternden, feindseligen oder demütigenden Arbeitsumwelt. Auch sexuell anzügliche oder geschlechtsbezogene Witze können nicht erst bei einer gewissen Dauer und Intensität dieses Tatbestandsmerkmal erfüllen, sondern subtile Formen der Verhaltensbeeinflussung durch unsensibles Verhalten darstellen, das die als sensibel geschützte Geschlechtssphäre verletzt. Die in §§ 6 und 7 jeweils Abs 1 Z 2 GlBG als Tatbestandsvarianten ge- 34 regelten Fälle normieren das Verbot, (sexuelle) Willigkeit bzw Verweigerung zur Grundlage einer Entscheidung in der Arbeitswelt zu machen. Dabei ist es unerheblich, ob die Zurückweisung oder Duldung einer Belästigung zu nachteiligen Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis führt38 oder eine begünstigende Behandlung bewirkt. Hinsichtlich der Konsequenzen dieser Tatbestandsvarianten ist zu dif- 35 ferenzieren: Hat die Duldung oder Verweigerung einer Belästigung zu Nachteilen geführt, kommt es zur Anwendung der Rechtsfolgen des § 12 (vgl § 3 Rz 10 ff; § 12 Rz 48, 53 ff), weil es sich um eine Diskriminierung handelt. Erfolgte beispielsweise eine Beförderung oder wurde 38 ErlRV 307 22. GP 12.
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§ 7Mazal die Zuerkennung einer Prämie vorenthalten, so sind diese Nachteile gem § 12 auszugleichen. Kommt es hingegen zu einer Bevorzugung, wird diese nicht dadurch unwirksam, weil sie wegen Duldung von sexuellen Handlungen erfolgte; auch können trotz Duldung Ansprüche auf immateriellen Schadenersatz entstehen.
3. Beispielsfälle sexueller Belästigung 36 Hintergrund sexueller Belästigung ist in den meisten Fällen nicht das Streben nach sexueller Befriedigung, sondern sexuell gefärbte Machtausübung.39 Es werden daher nicht nur die körperliche Integrität, sondern auch die psychische Verletzbarkeit, uzw nach dem Maßstab des Persönlichkeitsrechts, geschützt.40 Anhand der bisherigen Rsp des OGH und der Gutachten der Gleichbehandlungskommission sowie der einschlägigen Literatur können nachstehende Abgrenzungskriterien der Tatbestandsmäßigkeit ermittelt werden.41 37 Als tatbestandsmäßig wurden insb folgende Handlungsweisen beschrieben: Unter „sexuelle Handlungsweisen“ fallen jedenfalls körperliche Kontakte gegen den Willen der Betroffenen, wobei „bereits“ „Begrapschen“ die Toleranzgrenze überschreitet,42 sowie jene Handlungen (wie zB sexuell gefärbte Äußerungen), die geeignet sind, die soziale Wertschätzung der Betroffenen durch Verletzung ihrer Intimsphäre und deren sexuelle Integrität im Betrieb herabzusetzen und deren Ehrgefühl grob zu verletzen.43 Als sexuell gefärbte Äußerungen werden ordinäre eindeutige Worte, unsittliche Anträge und sexuelle Verspottung angesehen, die dann als tatbestandsmäßig gelten, wenn dieses Verhalten trotz Aufforderung davon abzusehen, fortgesetzt wird.44 Einschlägig sind auch installierte Überwachungskameras, die geeignet sind, die Intimsphäre der Betroffenen zu verletzen.45 38 Als nicht tatbestandsmäßig wurden anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls folgende Handlungsweisen beurteilt: sexuelle Hand39 So auch OGH 17.3.2004, 9 ObA 143/03z. 40 OGH 5.4.2000, 9 ObA 292/99b; 17.3.2004, 9 ObA 143/03z. 41 Dazu insb Hopf in Kuras/Neumayer/Spenling, FS Bauer/Mayer/Petrag 169. 42 OGH 5.4.2000, 9 ObA 292/99b; 26.5.2004, 9 ObA 64/04h. 43 OGH 10.1.2001, 9 ObA 319/00b, DRdA 2001/16 [Smutny]. 44 OGH 10.1.2001, 9 ObA 319/00b; Zusammenstellung bei Rauch, Ehrverletzungen aus arbeitsrechtlicher Sicht, ARD 5444/11/2003. 45 OLG Linz 13.1.2021, 12 Ra 64/20y.
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lungsweisen, die nicht als Ausdruck der Unterdrückung der Betroffenen gemeint sind, sondern als freundschaftliche Geste wie „Bussis“, Umarmungen, Berührungen am Knie oder der Taille anlässlich von Geburtstags- oder Weihnachtsfeiern;46 Komplimente, die keinen abschätzigen Charakter erkennen lassen;47 personenbezogene Scherze sexueller Natur, an denen sich die Betroffene immer selbst beteiligte;48 das fallweise Erzählen sexuell gefärbter Witze, die niemals beanstandet wurden.49 Die meisten dieser Fälle würden nunmehr Jahre später auf Grund eines Wandels im gesellschaftlichen Bewusstsein sowie der Einführung des Tatbestands der geschlechtsbezogenen Belästigung, die über die sexuelle Belästigung hinausgeht, zweifellos anders beurteilt werden. Immer aber ist der objektiv nachvollziehbare Wille der betroffenen Person als entscheidende Grenze des Tatbestands zu qualifizieren.
4. Beispielsfälle geschlechtsbezogener Belästigung In Fortsetzung der Wertungen der Judikatur zur sexuellen Belästigung 39 (Rz 36–38) ist für das Vorliegen einer geschlechtsbezogenen Belästigung nicht etwa persönliche Bosheit, sondern Machtausübung und die daraus resultierende potenzielle Änderung des Verhaltens der belästigten Person als zentrales Beurteilungskriterium (Rz 20a) zu sehen: Auch hier wird die psychische Verletzbarkeit am Maßstab des Persönlichkeitsrechts geschützt. Unter „geschlechtsbezogene Handlungsweisen“ fallen alle Handlungen, die geeignet sind, die soziale Wertschätzung von Betroffenen durch Verletzung ihrer Würde als geschlechtliche Person, insb hinsichtlich der Intimsphäre und persönlichen Integrität, im Betrieb herabzusetzen und im Ehrgefühl grob zu verletzen. Die Rz 40 bleibt unbesetzt.
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Als tatbestandsmäßig iSd geschlechtsbezogenen Belästigung können 41 insb folgende Handlungsweisen beschrieben werden: Das Verwenden herabwürdigender geschlechtsbezogener sprachlicher Redewendungen, das Zeigen geschlechtlich herabwürdigender Gesten und Bilder udgl. Vor Inkrafttreten von § 7 GlBG wurden Beleidigungen, wie zB „Tussi“, die zwar geschlechtsbezogen, aber nicht als sexuell konnotiert 46 VwGH 19.5.2003, ARD 4507/17/93; ASG Wien 18.6.1995, ARD 4803/3/96. 47 ASG Wien 18.6.1995, ARD 4803/3/96. 48 LG Klagenfurt 6.9.1994, 33 Cga 264/93. 49 ASG Wien 15.10.1996, ARD 4811/22/97.
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§ 7Mazal sind, als nicht tatbestandsmäßig qualifiziert.50 Dies ist aus heutiger Sicht anders zu beurteilen. 42 Rz 42 bleibt unbesetzt.
IV. Weitere Tatbestandsaspekte 1. Allgemeines 43 Legistisch etwas verwirrend sind die Bestimmungen in §§ 6 und 7 insofern formuliert, als der Kerntatbestand der Belästigung jeweils in Abs 2 umschrieben ist und es in weiterer Folge den Anschein hat, als würden in jeweils Abs 1, 3 und 4 GlBG verschiedene Formen der Diskriminierung normiert werden (arg „Eine Diskriminierung liegt auch vor …“). Ein Blick auf die Feinstruktur der Regelungen in §§ 6 und 7 GlBG zeigt allerdings, dass der Kerntatbestand der Belästigung, der in Abs 2 geregelt ist, in Abs 1 und 3 im Hinblick auf die Position des Täters, in Abs 4 hingegen auf den Unrechtsgehalt der Tat geschärft wird: Für die Beschreibung der Tat, also jenes Verhaltens, das als Belästigung zu qualifizieren ist, sind §§ 6 und 7 jeweils Abs 2 und 4 GlBG relevant; für die Erfassung der Täter als Normadressaten des Verbots der Diskriminierung sind §§ 6 und 7 jeweils Abs 1 und 3 GlBG maßgeblich. Dieses systematische Verständnis macht deutlich, dass sich die Täterschaft durch Unterlassung und Anweisung nicht nur auf Belästigungen iSv Abs 2 bezieht, sondern auch auf Situationen, in denen die Belästigung im Zusammenhang mit Sexualität oder Geschlecht von Dritten steht, mit denen die belästigte Person ein Naheverhältnis hat. 44 Im Hinblick auf die Täterschaft lassen sich daher folgende Fallgruppen unterscheiden: Die erste Fallgruppe umfasst belästigende Personen, die kraft positiven Tuns die belästigte Person einem §§ 6 und 7 jeweils Abs 2 und 4 GlBG entsprechenden Verhalten aussetzen. Dabei kann es sich um den AG oder um Dritte handeln, die ihrerseits entweder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder außerhalb des Arbeitsverhältnisses handeln. Die zweite Fallgruppe umfasst AG, die kraft schuldhafter Unterlassung angemessener Abhilfe iSv §§ 6 und 7 jeweils Abs 1 Z 2 GlBG zulassen, dass eine belästigte Person einem Verhalten, das §§ 6 und 7 jeweils Abs 2 und 4 GlBG entspricht, ausgesetzt ist. 50 ASG Wien 15.10.1996, ARD 4811/22/97.
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Die dritte Fallgruppe bilden Personen, die eine Anweisung zu einer Belästigung iSv §§ 6 und 7 jeweils Abs 2 und 4 geben (siehe dazu gleich unten).
2. Belästigung kraft Anweisung Gemäß § 6 Abs 3 und § 7 Abs 3 GlBG liegt eine Diskriminierung auch 44a bei Anweisung zur Belästigung einer Person vor. Davon erfasst sind jene Handlungsweisen, durch die ein anderer dazu aufgefordert (nicht bloß ermutigt) wird, eine Belästigung zu begehen. Begrifflich ist davon auszugehen, dass es sich um eine Aufforderung handeln muss, deren Nichtbefolgung zu negativen Konsequenzen für den Aufgeforderten führen kann. Ziel der Bestimmung ist, einer belästigten Person allen Beteiligten gegenüber Schadenersatzansprüche zu gewähren, daher auch jenen gegenüber, die weder als AG aktiv oder durch Unterlassung noch als Dritte unmittelbar belästigen. Weist beispielsweise eine hierarchisch vorgesetzte Person eine nachran- 44b gige Person an, einen Kollegen oder eine Kollegin durch Belästigungen „gefügig“ zu machen, ist auch die Handlung der vorgesetzten Person als Belästigung und diese als Täter zu qualifizieren, obwohl lediglich mittelbar kausal gehandelt wurde. Der Begriff „Anweisung“ ist nicht mit dem Begriff „Weisung“ im Sinne eines arbeitsvertraglich fundierten einseitigen Gestaltungsrechts in Konkretisierung der Vertragspflicht ident; vielmehr können auch andere Formen der Bestimmung des Handelns des unmittelbaren Täters vorliegen, die darauf gerichtet sind, die belästigende(n) Handlung(en) zu triggern, beispielsweise indem ein Vorteil in Aussicht gestellt wird, wenn eine Belästigung erfolgt. Dabei sind sogar Situationen denkbar, in denen nicht einmal ein ausdrückliches Verhalten gesetzt wird, sondern aus den Umständen iSv § 863 ABGB geschlossen werden kann, dass die belästigende Handlung gewünscht ist.
3. Belästigung kraft Assoziation Gem § 6 Abs 4 und § 7 Abs 4 GlBG liegt eine Diskriminierung auch 44c vor, wenn eine Person auf Grund eines Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts (sexuell) belästigt wird. Als Naheverhältnis sind alle Formen rechtlich geschützter Verbindungen kraft biologischer oder rechtlicher Verwandtschaft (Abstammung, Adoption, Pflegeelternschaft), alle Formen der rechtsförmlich geschützten Partner345
§ 7Mazal schaft (Ehe, eingetragene Partnerschaft), aber auch erkennbar rein emotionale Verbindungen wie Freundschaft anzuerkennen. Auch sonstige vertragliche Beziehungen (Tageselternschaft, gesellschaftsrechtliche Verbindungen) können ein Naheverhältnis im Sinn dieser Bestimmungen begründen. Zur Anwendung dieser Bestimmung kann es beispielsweise kommen, wenn jemand wegen der sexuellen Orientierung eines Kindes oder dem Geschlechtswechsel des Partners einer Verletzung seiner Würde ausgesetzt ist. Weil §§ 6 und 7 jeweils Abs 4 GlBG die Belästigung kraft Assoziation als eigenen Tatbestand definieren, können alle Regelungen, die die Täter betreffen, auch auf diese Situationen angewendet werden: Täter können der AG, Dritte iZm dem Arbeitsverhältnis oder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses sein; auch Täterschaft durch Anweisung ist möglich.
V. Formen angemessener Abhilfe 1. Allgemeines 44d Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 6 und 7 jeweils Abs 1 Z 2 GlBG) ist der AG verpflichtet, angemessene Abhilfe zu schaffen, um Täterschaft durch Unterlassung zu vermeiden. Diese Verpflichtung ist eine spezifische Ausformung der Fürsorgepflicht (§ 1157 Abs 1 ABGB, § 18 AngG), die den AG allgemein dazu verpflichtet, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass das Leben und die Gesundheit der AN möglichst geschützt werden, und die auch das Persönlichkeitsrecht (§ 16 ABGB) der AN umfasst.51 Kern des Persönlichkeitsrechts ist der Schutz der menschlichen Würde52 und die Anerkennung der Persönlichkeit als Grundwert. Über diese Bestimmung fließen die allgemeinen Wertvorstellungen der verfassungsmäßig geschützten Grundrechte in die Privatrechtsordnung ein.53 Dem entsprechend hat der AG auch dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, die sexuelle Integrität und Intimsphäre der AN nicht gefährdet.54 45–50 Die Rz 45–50 bleiben unbesetzt. 51 Hopf in Kuras/Neumayer/Spenling, FS Bauer/Mayer/Petrag 157 mwN. 52 Aicher in Rummel, ABGB3 § 16 Rz 3 mwN. 53 Aicher in Rummel, ABGB3 § 16 Rz 35a mwN; Posch in Schwimann, ABGB2 I § 16 Rz 4 mwN; OGH 18.10.1994, 4 Ob 99/94; 9.5.2001, 9 Ob 95/01p. 54 OGH 5.4.2000, 9 ObA 292/99b.
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Als angemessen kann die Abhilfe nur dann gesehen werden, wenn sie 51 noch andauernde Belästigungen unterbricht und dafür Sorge trägt, dass es in Zukunft zu keinen Belästigungen mehr kommt. Kurz: Die belästigte Person muss vor weiteren Belästigungen geschützt werden.55 Dabei ist der AG angehalten, entsprechend seiner betrieblichen Organisationsgewalt jene Mittel einzusetzen, die ihm dafür zur Verfügung stehen. Dabei ist die Verhältnismäßigkeit zwischen Maßnahme und Effekt zu prüfen, nicht jedoch eine Zumutbarkeitsprüfung anzustellen, bei der Interessen des AG gegen Interessen der belästigten Person gegeneinander abgewogen werden könnten. Es geht darum, jenes gelindeste Mittel zu ergreifen, das zur Beendigung der Belästigung führt, und in Abhängigkeit zum aus der Sicht ex ante voraussichtlichen Erfolg eine Maßnahme zu setzen, die effektiven Schutz bewirkt. Angemessene Abhilfe hat insofern primär den Schutz der belästigten 51a Person im Zentrum des Handelns des AG zu sehen: Es ist sicherzustellen, dass allfällige Nachteile aus erfolgten Belästigungen beseitigt werden und die belästigte Person vor weiteren Belästigungen geschützt ist. Dazu kommen die in Rz 54 ff beschriebenen Maßnahmen in Betracht. Auch Maßnahmen, die Belästigungen hintanhalten (Schulungen, Sensibilisierungsmaßnahmen) oder zur Abwehr beitragen können (empowerment), können hilfreich und aus der Fürsorgepflicht geboten sein. Im Rahmen der kollektiven Rechtsgestaltung können sowohl Kollek- 51b tivverträge als Inhaltsnormen (§ 2 Abs 2 Z 2 ArbVG) als auch Betriebsvereinbarungen, etwa gem § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG, Verhaltensvorschriften statuieren, die Belästigungen vorbeugen sollen oder Vorgehensweisen festlegen, wie im Fall von Belästigung zu verfahren ist. Regelungen auf einzelvertraglicher Ebene finden sich in der Praxis etwa in Form von generellen Weisungen oder einvernehmlich festgelegten Verhaltensvorschriften („Codes of Conduct“). Auch Kompetenzen des Betriebsrats können im Zusammenhang mit 52 sexueller Belästigung genutzt werden (§ 69 Abs 2 iVm §§ 89 ff ArbVG). Insb die Interventionsrechte gem § 90 ArbVG als auch Beratungs- und Informationsrechte gem §§ 91, 92 ArbVG bilden eine tragfähige Grundlage für aktives Handeln; der Betriebsinhaber ist demnach verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft über einschlägige Vorkommnisse 55 Hopf in Kuras/Neumayer/Spenling, FS Bauer/Mayer/Petrag 163.
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§ 7Mazal zu geben, mit ihm darüber zu beraten und Anträge von Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen entgegenzunehmen. Allerdings verpflichten weder das ArbVG noch das GlBG den AG dazu, die vom BR beantragten Maßnahmen allein deshalb umzusetzen, weil der BR sie beantragt hat. Auch die besonderen Feststellungsverfahren gem § 54 ASGG können zur Hilfe zugunsten Betroffener genutzt werden. 52a Das für die Täterschaft durch Unterlassung geforderte Verschulden liegt vor, wenn der AG von der Belästigung wusste oder wissen hätte müssen und nicht alles in seiner Macht stehende unternommen hat, um die Würde verletzende Situation abzustellen. Daher ist jedenfalls Verschulden anzunehmen, wenn der AG auf entsprechende Aufforderung der belästigten Person nicht angemessen reagiert hat („Machen Sie sich das bitte untereinander aus“). 52b Dabei hängt es von den Umständen des konkreten Betriebes und Unternehmens ab, wie stark eine Nachforschungspflicht des AG zu bejahen ist. Auch wenn den AG grundsätzlich keine allgemeine Nachforschungspflicht betreffend die Wahrung der (sexuellen) Intimsphäre seiner AN treffen mag, ist jedenfalls dort, wo der AG Belästigungen in seinem Betrieb wesentlich begünstigt oder eine Atmosphäre besteht, wo Belästigungen häufig vorkommen, vom AG eine erhöhte Sensibilität und damit Nachforschungspflicht zu fordern. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn besondere Kleidervorschriften darauf abzielen, Sexualität auszustrahlen oder geschlechtsbezogen verletzende Verhaltensweisen häufig vorkommen. Auch wenn der Grad der Einschüchterung bereits so hoch ist, dass belästigte Personen sich nicht mehr trauen, Abhilfe einzufordern, kann dem AG eine zu geringe Sensibilität vorgeworfen werden. 52c Abschließend ist festzuhalten, dass die Verpflichtung, Abhilfe zu schaffen, entgegen dem für die Auslegung im Sinn des allgemeinen Sprachgebrauchs (§§ 6 f ABGB) maßgeblichen Wortlaut, den AG auch zu präventivem Verhalten verpflichten kann. Dazu kann es beispielsweise kommen, wenn eine betriebliche Atmosphäre bereits so schlecht ist und Belästigungen so häufig vorkommen, dass aus der Furcht vor imminenten Belästigungen präventiv Verhaltensänderungen zur Vermeidung drohender psychischer Belastungen eintreten und es dadurch zu Verletzungen der Würde der betroffenen Personen kommen kann (Rz 20a). Zumal wenn sich potenziell Betroffene in einer solchen Situation an den AG wenden, ist er auch iZm der Fürsorgepflicht, die das 348
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Fundament der Verpflichtung, Abhilfe zu schaffen, ist, verpflichtet, deeskalierende Maßnahmen zu setzen und beispielsweise Verhaltensregeln zu etablieren oder sensibilisierende Schulungen zu veranstalten. Die Rz 53 bleibt unbesetzt.
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2. Entlassung Jedes Arbeitsverhältnis kann, wenn es für unbestimmte Zeit eingegan- 54 gen wurde, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von jedem Teil aus wichtigem Grund gelöst werden (§ 27 AngG, § 1162 ABGB, § 82a GewO 1859). Ein wichtiger Grund, der den AG zur Auflösung berechtigt, liegt insb vor, wenn der AN sich einer besonders schweren Verletzung seiner Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des AG unwürdig erscheinen lässt, insb auch, wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete zu Schulden kommen lässt (§ 27 Z 1, 4, 6 AngG und § 82 lit g GewO 1859). IZm belästigenden Handlungen kann ein Entlassungsgrund auch dann 54a vorliegen, wenn der Tatbestand der Belästigung selbst nicht erfüllt ist, weil die in Frage kommenden Entlassungsgründe auch anderes – etwa vorgelagertes – Verhalten erfassen:56 Auch wenn ein Verhalten nicht so gravierend ist, dass eine Belästigung vorliegt, kann beispielsweise eine andere Intensität der erheblichen Ehrverletzung iSv § 27 Z 6 AngG bzw § 82g GewO 1859 oder eine Form der Vertrauensunwürdigkeit iSv § 27 Z 1 AngG vorliegen. In Fällen, in denen die Belästigung noch nicht eine Störung der Arbeits- 54b beziehungen in einem Ausmaß erreicht hat, das die Weiterbeschäftigung unzumutbar macht, entspricht der AG seiner Verpflichtung zu angemessener Abhilfe dadurch, dass er die belästigende Person abmahnt und dadurch eine Entlassung auf Basis einer beharrlichen Pflichtverletzung vorbereitet. Den Grundsätzen des Entlassungsrechts entsprechend, muss die belästigende Person ab diesem Moment bei Wiederholung der verpönten Verhaltensweise mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Entlassung rechnen. Bei der Beurteilung, ob ein Entlassungsgrund vorliegt, ist ein objektiver 55 Maßstab anzulegen und zu prüfen, ob durch die Belästigung die Arbeitsbeziehungen in so gravierender Weise gestört wurden, dass eine Fortsetzung nicht einmal bis zum Ende der Kündigungsfrist zugemutet 56 ASG Wien 19.3.2004, 27 Cga 160/03a, ZAS 2005, 22.
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§ 7Mazal werden kann. Dies ist nach der Jud grundsätzlich der Fall.57 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die belästigte Person die Entlassung der belästigenden Person wünschte,58 sondern ist der Umstand ausreichend, dass eine Belästigung erfolgte. Auch kann der AG die Entlassung schon allein deswegen aussprechen, um sich nicht dem Vorwurf aussetzen zu müssen, nicht für geeignete Abhilfe gesorgt zu haben.59 56 Eine Entlassung hat unverzüglich zu erfolgen. Die Jud zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung in Zusammenhang mit Entlassung geht davon aus, dass eine vorzeitige Auflösung des Arbeitsvertrages ohne schuldhafte Verzögerung vorgenommen werden muss.60 Fallen „Setzen“ und „Kenntnis“ des Entlassungsgrundes auseinander, so ist die Unverzüglichkeit – ähnlich wie im Kontext des Zugangs von Willenserklärungen – iSd Vertrauenstheorie nach der Möglichkeit des AG zu beurteilen, den Sachverhalt zu kennen und zu klären. Nach der Rsp ist die Unverzüglichkeit allerdings auch nach einem längeren Zeitraum gewahrt, sodass auch Übergriffe, die bereits längere Zeit zurückliegen, eine Entlassung rechtfertigen können.61 57 Nur in Sonderfällen kann das Recht zur einseitigen Auflösung auch ohne derartige Kenntnis durch bloßen Zeitablauf untergehen, weil der Entlassungsgrund während eines langen Zeitraums der Unkenntnis des AG an Bedeutung verloren hat und daher die weitere Vertragsfortsetzung für den AG zumutbar ist.62 Aus diesen Überlegungen ist auch im Kontext der Belästigungen iSv §§ 6 und 7 GlBG eine differenzierende Sicht geboten: Je massiver die Belästigung und je kürzer die Phase des „Wohlverhaltens“ des AN ist, desto eher ist davon auszugehen, dass die Unzumutbarkeit erhalten bleibt; umgekehrt kann bei lange zurückliegendem und geringem Fehlverhalten ein objektiver Untergang des Entlassungsrechts eintreten. 58 Für gravierende Fälle von Fehlverhalten ist eine Verfristung oder gar ein Untergang des Entlassungsrechts grundsätzlich zu verneinen. Eine 57 ZB OGH 16.10.1996, 9 ObA 2217/96m; 5.4.2000, 9 ObA 292/99b. 58 OGH 14.3.2001, 9 ObA 15/01y. 59 OGH 26.5.2004, 9 ObA 64/04h mwN, 27.1.2017, 8 ObA 6/17s; Tinhof, DRdA 2017, 153; Sabara, ARD 2017/6/2017, 8. 60 Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II11 (2020) 261 mwN. 61 OGH 26.5.2004, 9 ObA 64/04h unter Verweis auf OGH 5.4.2000, 9 ObA 292/99b. 62 Siehe dazu Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II11 261 mwN.
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klare Beweislage vorausgesetzt, können (ehemals) massive Eingriffe in die Würde, beispielsweise Verletzungen der Intimsphäre eines Opfers, etwa sexuelle Belästigung iSv § 218 StGB oder sexuelle Nötigung, auch durch längere Zeiten des Wohlverhaltens nicht verfristen. Dies folgt zum einen bereits aus den Wertungen des Strafrechts, zum anderen aus einer grundsätzlichen Unverzeihbarkeit des Verhaltens. Bei massiven körperlichen Übergriffen kann eine belästigende Person niemals davon ausgehen, das Verhalten wäre verziehen. Auch eine längere Wohlverhaltensphase kann dies nicht wettmachen, sodass Vertrauensunwürdigkeit iSd Entlassungsrechts vorliegt. Im Zusammenhang mit einem möglichen objektiven Untergang des 59 Entlassungsrechts ist allerdings zu bedenken, dass Personen, die von einer sexuellen oder geschlechtsbezogenen Belästigung betroffen sind, erst nach längerer Zeit in der Lage sind, sich zu artikulieren (darauf weist auch der Ausschussbericht 499 BlgNR 22. GP hin). Die Möglichkeit der Äußerung hängt nicht nur von der Persönlichkeit der belästigten Person, sondern auch von der Art des Vorfalls und der Hoffnung ab, dass die Situation im Unternehmen selbst einer Lösung zugeführt werden kann. Auch bestanden in der Vergangenheit in vielen Fällen großen Schwierigkeiten, eine Belästigung zu beweisen, was vor dem Hintergrund empirischer Befunde, dass das Beschwerdeverhalten mit der Wahrscheinlichkeit der Glaubhaftmachung zusammenhängt (Dortmunder Studie, Holzbecher ua 83), dazu führt, dass belästigte Personen sich nicht geäußert haben. Die Beweisproblematik hat wohl auch dazu geführt, von Beschwerden abzusehen, um nicht als „Aufrührer“ oder „Verleumder“ gebrandmarkt zu werden. Diese Probleme sind zwar durch die Umsetzung der Beweislast-RL reduziert, doch ist nach wie vor plausibel, dass sich Personen erst nach Jahren über eine Belästigung artikulieren können. Die Rz 60–61 bleiben unbesetzt.
60–61
3. Versetzung Ein weiteres Mittel, „angemessene“ Abhilfe zu schaffen, kann eine Ver- 62 setzung der belästigenden Person an einen anderen Arbeitsplatz darstellen. Dabei sind sowohl die individualrechtlichen Grenzen (Arbeitsvertrag) als auch jene des kollektiven Versetzungsschutzes gem § 101 ArbVG zu beachten. Auch eine Versetzung der belästigten Person kann erfolgen, doch muss dabei der Anschein vermieden werden, dass die Versetzung als 351
§ 7Mazal „Strafmaßnahme” zu sehen ist. Wenn es dem AG nicht gelingt, diesen Anschein zu vermeiden, kann alleine in einer solch unsensiblen Vorgehensweise eine Fortsetzung der Würdeverletzung, und damit für sich genommen eine Belästigung, vorliegen.
4. Kündigung 62a Sofern keine Entlassung erfolgt, kann auch eine Kündigung eine Maßnahme angemessener Abhilfe darstellen; dabei muss jedoch etwa durch eine Dienstfreistellung oder eine Versetzung der belästigenden Person sichergestellt werden, dass die belästigte Person nicht weiterhin der Gefahr einer Würdeverletzung (etwa durch tägliche Konfrontation mit der belästigenden Person) ausgesetzt ist. Erfolgt eine Kündigungsanfechtung gem § 105 Abs 3 ArbVG, kann eine Belästigung einen in der Person der belästigenden Person liegenden Grund bilden, der die Kündigung gem § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG rechtfertigt.
VI. Rechtsfolgen 1. Schadenersatzansprüche 62b Im Kern der Rechtsfolgen steht der Schadenersatz, den die belästigende Person der belästigten Person zu leisten hat (§ 12 Abs 11 GlBG). Als Anspruchsgrundlage kommen je nachdem, in welcher Beziehung Täter und Opfer stehen, Haftung aus Delikt oder Haftung aus Vertrag in Frage. In Fällen, in denen der AG selbst die belästigende Person ist, ist eine Haftung aus Vertrag sowie aus Delikt möglich; wenn es sich um AN desselben AG handelt, ist eine deliktische Haftung möglich. Ist der Täter ein Dritter außerhalb des Arbeitsverhältnisses iSv §§ 6 und 7 jeweils Abs 1 Z 4 GlBG, haftet dieser im Regelfall ex delicto, doch kann theoretisch auch ein außerhalb des Arbeitsverhältnisses bestehendes Vertragsverhältnis einen Schadenersatzanspruch begründen. 62c Die Haftungsgrundlage des AG für das Verhalten „Dritter“ ist differenziert zu sehen: Bei Dritten, die nicht auch AN des in Anspruch genommenen AG sind, wird im Regelfall eine Haftung aus Delikt in Frage kommen, jedenfalls wenn die Zurechnung kraft § 1313a ABGB mangels vertraglicher Verpflichtung in diesem Zusammenhang scheitert (§ 12 Rz 15). Soweit hingegen die belästigende Person bei demselben AG beschäftigt ist wie die belästigte Person, könnte ein Ersatzanspruch 352
Belästigung
§ 7
auch auf § 1313a ABGB gestützt werden, falls Arbeitskollegen als Erfüllungsgehilfen bei der Erfüllung der Fürsorgepflicht gesehen werden, was allerdings umstritten ist. Bei Mehrfachtäterschaft, beispielweise wenn die belästigende Person im 62d Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis iSv §§ 6 und 7 jeweils Abs 1 Z 3 GlBG und der AG wegen Unterlassung angemessener Abhilfe als Täter zu qualifizieren sind, können Ersatzansprüche kumulieren. Soweit der Nachteil nicht nur in einer Vermögenseinbuße (Verdienst- 62e entgang, Arztkosten) besteht, hat die betroffene Person zum Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung Anspruch auf angemessenen Schadenersatz in Höhe von mindestens 1.000 Euro (§ 12 Rz 53). Dabei ist zu beachten, dass der Grundsatz der wirksamen Umsetzung von Richtlinien63 fordert, die Sanktion so auszugestalten, dass sie für den Diskriminierten eine angemessene Wiedergutmachung und für den AG ein angemessenes Druckmittel darstellt, um die Gleichbehandlung zu garantieren. Die E Marshall II64 definiert jene Entschädigung als angemessen, die hoch genug ist, um eine Sanktion zweckdienlicher, verhältnismäßiger und abschreckender Natur darzustellen. Ob ein Mindestersatz in Höhe von 1.000 Euro ausreichend ist, ist zu bezweifeln. Für die Frage, ob die Sanktion zweckdienlich, verhältnismäßig und abschreckend iSd Rsp des EuGH ist, muss wohl auch auf das Einkommen der belästigenden Person, ihre Stellung im Betrieb sowie ferner auf die Intensität des Übergriffs abgestellt werden. Der Schadenersatzanspruch könnte sonst Gefahr laufen, lediglich als buchhalterische Größe vermerkt zu werden, die den Sanktionscharakter klar verfehlt. Die Rz 63–64 bleiben unbesetzt.
63–64
2. Leistungsverweigerungsrecht AN können ihre Leistung berechtigterweise verweigern, wenn die 65 Fortsetzung der Tätigkeit für die AN unzumutbar wird und eine Interessenabwägung zu Lasten des AG ausfällt: Nach objektiver Beurteilung muss es dem AG eher zumutbar sein, auf die Leistung des AN zu verzichten als dem AN zumutbar sein, die Leistung weiter zu erbringen. Hat die Belästigung für den AN das Maß der Unzumutbarkeit erreicht, so hat er dies dem AG aufgrund seiner Treuepflicht zu melden und kann in Folge – bis zur Behebung der unerträglichen Situation – 63 EuGH 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl. 64 EuGH 2.8.1993, C-271/91, Marshall II.
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§ 7Mazal die Arbeit berechtigterweise unterlassen werden. Wann das Maß der Unzumutbarkeit für den einzelnen AN erreicht ist, ist nach objektiver Beurteilung zu ermitteln. Da der AG spätestens dann, wenn der AN seine Leistung verweigert, verpflichtet ist, angemessene Abhilfe zu schaffen, löst das Recht auf Leistungsverweigerung weitergehende Handlungspflichten des AG aus (Rz 44d ff, 54 ff).
3. Austrittsrecht 65a Belästigte Personen haben das Recht zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsvertrages aus wichtigem Grund. Gem § 26 Z 4 AngG (Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzungen des AG gegen den Angestellten oder Weigerung des AG, den Angestellten gegen solche Handlungen eines Mitbediensteten oder eines Angehörigen des AG zu schützen) und § 82a lit b GewO 1859 (tätliche Misshandlung oder grobe Ehrenbeleidigung durch den Gewerbeinhaber) ist der AN berechtigt, vorzeitig auszutreten.65 Von einem gerechtfertigten Austritt kann immer dann ausgegangen werden, wenn sich die Arbeitsbedingungen durch Missachtung der zwischen den Arbeitsvertragsparteien einzuhaltenden Grundsätze der gegenseitigen Achtung und anständigen Begegnung derart belastend darstellen, dass eine Weiterbeschäftigung für den AN unzumutbar geworden ist.66 65b Auch wenn theoretisch einzelne beleidigende Angriffe des AG oder eines Dritten für sich allein gesehen den Tatbestand des § 26 Abs 1 Z 4 AngG nicht zwingend erfüllen müssen, kann bei Belästigungen auch schon ein einmaliges Vorkommnis einen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis rechtfertigen, wenn die in einer Fortsetzung der Zusammenarbeit liegende Konfrontation der belästigten Personen mit der belästigenden Person unzumutbar ist. Jedenfalls liegt der Austrittsgrund nach § 26 Abs 1 Z 1 AngG vor, wenn durch eine größere Anzahl belästigender Vorfälle über einen längeren Zeitraum eine psychische Beeinträchtigung in einem Maß eintritt, das die Fortsetzung der Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich macht.67 65c Wenn es möglich und ihm zumutbar ist, hat der AN den AG über jene Beeinträchtigungen zu unterrichten, die der weiteren Erfüllung der 65 Vgl zB OGH 5.2.1952, 4 Ob 15/52, Arb 5.364; 19.12.2001, 9 ObA 297/01v, RdW 2002, 490. 66 OGH 10.5.1989, 9 ObA 71/89. 67 OGH 10.5.1989, 9 ObA 71/89.
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vertraglich geschuldeten Leistung entgegenstehen. Diese Aufklärungspflicht leitet die Rsp aus der Treuepflicht ab;68 eine Verpflichtung, die Beeinträchtigung zu diesem Zeitpunkt nachzuweisen, besteht jedoch nicht. Spätestens ab Zugang dieser Information entsteht die Verpflichtung des AG zur angemessenen Abhilfe iSv § 6 und 7 jeweils Abs 2 Z 2 GlBG) und muss der AG dann damit rechnen, dass der AN das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet.
4. Schutz bei Arbeitsvertragsbeendigung Sofern der AG iZm einer geschlechtsbezogenen oder sexuellen Belästi- 65d gung das Arbeitsverhältnis beendet, kann die Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses gem § 12 Abs 7 GlBG bei Gericht angefochten werden. Ist ein befristetes, auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegtes Arbeitsverhältnis wegen des Geschlechtes oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz durch Zeitablauf beendet worden, so kann auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses geklagt werden. Lässt der AN die Beendigung gegen sich gelten, so hat er Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Dabei ist die Beweislastverlagerung gem § 12 Abs 12 GlBG zugunsten der potenziell belästigten Person anzuwenden. Soweit es sich um eine Beendigung iZm §§ 6 und 7 GlBG handelt, ist 65e § 12 Abs 7 GlBG systematisch als lex specialis zu anderen Schutzvorschriften gegenüber ungerechtfertigter Beendigung zu qualifizieren. Insb geht das durch § 12 Abs 7 GlBG vermittelte Anfechtungsrecht für Kündigungen dem Anfechtungsrecht nach § 105 ArbVG mit der Konsequenz vor, dass Kündigungsanfechtungen, die beispielsweise auf § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG gestützt werden („wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“), auch durch AN erfolgen können, die nicht in betriebsratspflichtigen Betrieben beschäftigt sind oder die gem § 36 ArbVG aus dem Geltungsbereich des ArbVG ausgenommen sind (zB leitende Angestellte). Die Rz 66 bleibt unbesetzt.
66
68 OGH 18.6.1996, 8 ObA 291/95, DRdA 1996, 247.
355
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VII. Belästigung und Sozialversicherungsrecht 1. Belästigung als Arbeitsunfall 67 Gem § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle jene Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Unfall iSd UV wird als ein zeitlich begrenztes, von außen einwirkendes Ereignis definiert. Leistungen aus der Unfallversicherung gebühren gem § 173 ASVG im Falle einer körperlichen Schädigung oder in Folge des Todes des verunfallten AN. Im Zusammenhang mit der Frage, ob bzw unter welchen Umständen Belästigung als Arbeitsunfall gesehen werden kann, interessieren vor allem die Kriterien der zeitlichen Begrenzung, der körperlichen Schädigung sowie des inneren Zusammenhanges. 68 Es liegt auf der Hand, dass nicht jede Belästigung auch zu einer körperlichen Schädigung führt. Viele tatbestandsmäßige Belästigungen führen schon daher nicht zu einem Arbeitsunfall iSd ASVG. Bei besonders schweren einmaligen Übergriffen wie sexueller Nötigung oder Vergewaltigung kann eine körperliche (auch rein psychische) Schädigung allerdings nicht ausgeschlossen werden, die zu einer Leistungsverpflichtung der UV führen kann. Eine psychische Beeinträchtigung ist auch bei einmaliger massiver geschlechtsbezogener Belästigung durchaus vorstellbar (iS eines Traumas), wenngleich wohl selten. 69 Fraglich bleiben jene Fälle, in denen fortgesetzte Belästigungen zu einer psychischen Störung geführt haben; sie sind durchaus häufig. In diesen Fällen liegt die Problematik nicht im Kriterium der körperlichen Schädigung, sondern in der zeitlichen Begrenzung. Mit dem OGH69 ist davon auszugehen, dass bei Arbeitsunfällen die Gesundheitsschädigung zwar durch ein plötzliches Einwirken (von außen) entsteht, dass dieses Einwirken aber nicht notwendigerweise einmalig sein müsse, sondern auch als mehrfaches plötzliches Einwirken auftreten könne, um als Arbeitsunfall qualifiziert zu werden. Auch in Deutschland wird das Kriterium der zeitlichen Begrenzung bejaht.70 Gänzlich unerheblich ist auch, ob die gesundheitlichen Auswirkungen in engem zeitlichem Konnex mit dem Unfall oder erst später auftreten;71 erforderlich 69 OGH 23.6.1998, 10 ObS 224/98, ZAS 2000, 184 [Wachter]. 70 Wagner in MüKo BGB § 823 Rz 72. 71 Tomandl in Tomandl (Hrsg), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts (2020) 2.3.2.2.
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Belästigung
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ist nur, dass sie auf die Belästigung zurückzuführen sind. Daraus ist mE der Schluss zulässig, dass auch bei einer über einen gewissen Zeitraum fortgesetzten Belästigung, die zu einer psychischen Störung führt, grundsätzlich von einem Arbeitsunfall gem § 175 ASVG ausgegangen werden kann. Vom Schutz der Unfallversicherung erfasst sind allerdings nur jene Er- 70 eignisse, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit stehen.72 IZm Belästigung könnte fraglich sein, ob die Handlung der versicherten Tätigkeit oder der „Privatsphäre“ zuzuordnen ist. Zu prüfen ist daher, ob es sich notwendigerweise um eine „Entweder-oderEntscheidung“ handeln muss. Da jedoch die §§ 6 und 7 GlBG, jeweils Abs 1 Z 1–3, zwingend einen inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis voraussetzen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Erwerbstätigkeit oder die Art des Betriebes eine Belästigung wesentlich begünstigen oder diese überhaupt erst ermöglicht haben.73 Unwahrscheinlich ist lediglich, dass bei Unterlassung angemessener Abhilfe (§§ 6 und 7 jeweils Abs 1 Z 2 GlBG) das schädigende Ereignis zeitlich so begrenzt ist, dass ein Unfall vorliegt. Die Rz 71–72 bleiben unbesetzt.
71–72
2. Belästigung und DG-Haftungsprivileg Sofern die belästigende Personen als Dienstgeber oder Aufseher im Be- 73 trieb zu qualifizieren ist, können die Haftungsmodifikationen gem §§ 333 und 334 ASVG zur Anwendung kommen. Dies hat zur Konsequenz, dass eine Haftung des Täters gegenüber der belästigten Person nur bei Vorsatz besteht und die belästigte Person auf die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung verwiesen wird. Die belästigende Person ist bei vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachter Schädigung gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung zum Regress für den Leistungsaufwand verpflichtet. Eine Belästigung, die kurzfristig (dies erfordert der Unfallbegriff) zu 74 einer Gesundheitsbeeinträchtigung führt, dürfte im Regelfall vorsätzlich begangen werden und zumindest auf dolus eventualis basieren, sodass die belästigende Person vom Haftungsprivileg des § 333 ASVG ausgeschlossen ist. Die belästigende Person ist dann gegenüber der be72 Vgl statt vieler Dusak, ZAS 1990, 54. 73 So auch BSG 26.6.2001, B 2 U 25/00 R, NJW 2002, 388.
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§ 7Mazal lästigten Person voll schadenersatzpflichtig. Nur in Ausnahmefällen sind auch Fälle von Belästigungen denkbar, in denen es am Vorsatz iSd ASVG mangelt, insb wenn man fordert, dass sich der Vorsatz nicht nur auf die Belästigung, sondern auch auf die Gesundheitsbeeinträchtigung bezieht. 75 Differenziert ist die Schadenersatzpflicht des AG zu sehen, wenn dieser unterlassene Abhilfe zu verantworten hat, weil das Gesetz für diese Form der Täterschaft nicht auf vorsätzliches Handeln abstellt, sondern allgemein auf schuldhaftes Unterlassen der Abhilfe. Dies hat zur Konsequenz, dass der AG in jenen Fällen, in denen er es vorsätzlich unterlässt, die gebotene Abhilfe zu gewähren (Rz 44d ff), in vollem Umfang schadenersatzpflichtig gegenüber der geschädigten belästigten Person wird und gegenüber dem Träger der Sozialversicherung gem § 334 ASVG eine Regresspflicht besteht. Bei grob fahrlässiger Unterlassung würde gegenüber der belästigten Person das Dienstgeberhaftungsprivileg iSv § 333 ASVG wirken: Der AG würde gegenüber der belästigten Person von der Ersatzpflicht befreit, jedoch dem Regressanspruch gem § 334 ASVG ausgesetzt sein. Bei leichter Fahrlässigkeit würde weder gegenüber der belästigten Person eine Haftung noch gegenüber dem Träger der Sozialversicherung ein Regressanspruch bestehen. Posch hat dazu in der Vorauflage die Auffassung vertreten, dass dieses Ergebnis europarechtlich fragwürdig wäre, weil damit die fühlbare Schadenersatzpflicht nicht mehr gegeben wäre, die das Europarecht vorsieht. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses qualifizierte sie § 12 Abs 11 GlBG als lex specialis gegenüber § 333 ASVG und leitete daraus eine Schadenersatzpflicht des AG auch dann ab, wenn aus der Belästigung ein Arbeitsunfall resultiert.
3. Krankenversicherung und Pensionsversicherung 75a Werden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung verneint, können Leistungen der Krankenversicherung sowie der Pensionsversicherung in Betracht kommen: Im Rahmen der sozialen Krankenversicherung können Maßnahmen der Krankenbehandlung oder Krankengeld aufgrund einer infolge sexueller Belästigung aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit gebühren; im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung kann es bei dauernder Erwerbseinschränkung zur Zuerkennung einer Invaliditätspension kommen.
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Positive Maßnahmen
§ 8
Positive Maßnahmen § 8. Die in Gesetzen, in Verordnungen, in Instrumenten der kollek-
tiven Rechtsgestaltung oder in generellen mehrere Arbeitnehmer/ innen umfassende Verfügungen des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin getroffenen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten im Sinne des Art. 7 Abs. 2 B-VG, gelten nicht als Diskriminierungen im Sinne dieses Gesetzes. Dies gilt auch für Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in den in § 4 genannten Bereichen. Der Bund kann für besondere Aufwendungen, die Arbeitgeber/inne/n bei der Durchführung solcher Maßnahmen entstehen, Förderungen gewähren. Literatur: Pfarr/Bertelsmann, Diskriminierung im Erwerbsleben (1989); Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung: Vergleich des Arbeitsrechts der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten (1993); Pfarr, Die Frauenquote, NZA 1995, 809; Weinmeier, Setzt der EuGH der positiven Diskriminierung ein Ende? wbl 1996, 6; Pirstner, Die Quote im Gemeinschaftsrecht, DRdA 1997, 461; Kucsko-Stadlmayer, Rechtliche Aspekte der Frauenförderung, JRP 1997, 35; Barnard/Hervey, European Union Employment and Social Policy Survey 1996 and 1997, 17 YEL (1997) 436 ff; Arioli (Hrsg), Frauenförderung durch Quoten (1997); Baldauf, Die Quotenregelung mit Öffnungsklausel, ASoK 1998, 26; Urlesberger, Auch nach dem Fall Kalanke sind Frauen noch gleicher. Überlegungen zum Fall Marschall, ZAS 1998, 689; Eichinger, Grundsatz der Gleichbehandlung, in Oetker/Preis (Hrsg), EAS, B 4200 (Stand 1999); Runggaldier, Der neue Beschäftigungstitel des EG-Vertrages und die Übernahme des „Sozialabkommens“ in den EG-Vertrag, in Hummer (Hrsg), Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam (1998); Berka, Die Grundrechte (1999) Rz 955 ff; Kucsko-Stadlmayer, Europarechtliche Rahmenbedingungen der Frauenförderung, RZ 1999, 106; Pirstner, Schwedische Vorschriften zur Frauenförderung – Vorrang von Frauen mit geringerer Qualifikation gemeinschaftsrechtskonform? RdA 2000, 549; Kokott/Egli, Rechtsfragen zu positiven Maßnahmen in Staat und Unternehmen, AJP 2000, 1049; Barnard/Hervey, European Union Employment and Social Policy Survey 1999-2000, 20 YEL (2001); Thüsing, Gleichbehandlung männlicher und weiblicher ArbN: Ausnahmen bei Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit, DB 2002, 1452; Hervey, EC Law on Justification for Sex Discrimination in Working Life, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103; Sturm, Positive Diskriminierung in der Arbeitswelt, DRdA 2003, 481; Epiney/Freiermuth Abt, Das Recht der Gleichstellung von Mann und Frau in der EU (2003); Fredman, Discrimination Law2 (2011); Gerhartl, Förderung durch positive Diskriminierung, ecolex 2018, 355; Rebhahn, Art 157 AEUV, in Schwarze (Hrsg), EU-Kommentar4 (2019); Windisch-Graetz in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018); Baumgärtner, AGG, in Gsell/Krüger/ Lorenz/Reymann (Hrsg), BeckOnline Großkommentar Zivilrecht (2021); Hopf/
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Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021); Krebber; Art 157 AEUV, in Calliess/Ruffert (Hrsg), AEUV/EUV: das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta6 (2022); Windisch-Graetz, Gleichbehandlung – Zielsetzung, Begriffe, Konzepte, in Reissner/Mair (Hrsg), Antidiskriminierungsrecht: Aktuelle Entwicklungen (2022) 1.
Inhaltsübersicht I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. § 8 und Unionsrecht.................................................................................... 10 III. Nach Art 157 Abs 4 AEUV zulässige Maßnahmen................................ 13
I. Allgemeines 1 Nach Ansicht vieler kann die Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben nicht allein durch das Verbot unmittelbarer oder mittelbarer Diskriminierung beseitigt werden. Erforderlich seien vielmehr Maßnahmen, die Frauen gezielt bevorzugen. Man spricht von spezifischen Maßnahmen, affirmative action, positiven Maßnahmen oder gar „positiver Diskriminierung“.1 Fördermaßnahmen können sehr unterschiedliche Intensität aufweisen, je nachdem wie intensiv die Maßnahme gleichzeitig auch Männer benachteiligt. Häufig unterscheidet man drei Gruppen von Maßnahmen: Förderung der Qualifikation, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Verwirklichung der Chancengleichheit.2 Mit zunehmender Intensität werden auch die Anforderungen an die – zuerst einmal politische – Rechtfertigung höher werden. Maßnahmen, welche nur die Rahmenbedingungen für Frauen verbessern, wie eine Förderung der Weiterbildung speziell für Frauen (zB spezielle Stipendien), wirken idR weniger intensiv als eine starke Vorrangregel. Besonders intensiv sind Maßnahmen, die einzelne Angehörige des anderen Geschlechtes anders stellen, als sie ohne diese Maßnahme stünden (insb Vorrangregeln). Gleichzeitig ist natürlich auch denkbar, dass eine Gleichstellungsmaßnahme von vorneherein nicht zu einem Konflikt mit dem Diskriminierungsverbot führt, sondern erst eine wie auch immer geartete Entscheidung, die am verpönten Merkmal anknüpft, zugunsten eines Merkmalsträgers und zulasten eines anderen Merkmalsträgers. Dazu zählt etwa das Gender Mainstreaming, also eine Organisation und Evaluierung von Prozessen unter dem Blickwinkel der Gleichstellung von Männern und Frauen.3 1 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 8 mwN. 2 GA Maduro zu C-319/03, Briheche, Rz 30 ff. 3 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 7.
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Positive Maßnahmen
§ 8
Der Gleichheitssatz im Allgemeinen, und grds ebenso der Grundsatz 2 der Gleichbehandlung des Art 157 AEUV und der RL 2006/54/EG, schützen allerdings alle Geschlechter. Daher ist eine gezielte Bevorzugung zB von Frauen vor Männern in vergleichbarer Lage an sich eine unmittelbare Diskriminierung.4 Jede dieser Maßnahmen ist nur zulässig, falls das Diskriminierungsverbot entsprechend eingeschränkt bzw aufgehoben ist; sie bedarf daher der Begründung und Rechtfertigung. Anders könnte es nur sein, falls die spezifische Maßnahme (zB Vorrangregel) nur dazu dient, um eine bei diesem AG konkret bestehende Diskriminierung zu beseitigen (zB Vorrangregel, um bisherige Diskriminierung der Frauen bei Einstellungen im Betrieb auszugleichen). Weder Art 157 noch das GlBG sehen aber derartige spezifischen Reaktionsmaßnahmen ausdrücklich als besondere Kategorie vor.5 Art 157 Abs 4 AEUV erlaubt nun für alle (insb also die anderen) spezifischen Maßnahmen eine Durchbrechung des Diskriminierungsverbotes: „Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechtes oder zur Verhinderung bzw zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.“ Spezifische Maßnahmen kommen aber vorwiegend, wenn nicht ausschließlich nur bei den „sonstigen Arbeitsbedingungen“ und damit im Anwendungsbereich der RL 2006/54/EG in Betracht, nicht aber beim Entgelt. Art 3 RL 2006/54/EG enthält daher eine besondere Ausnahmebestimmung: „Die Mitgliedstaaten können im Hinblick auf die Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen Maßnahmen im Sinne von Artikel 141 Absatz 4 des Vertrags beibehalten oder beschließen.“ Der Inhalt der Ausnahme bei den sonstigen Arbeitsbedingungen ergibt sich damit aus dem jetzigen Art 157 Abs 4 AEUV (sodass dahinstehen kann, ob Art 157 Abs 4 AEUV per se auch für sonstige Arbeitsbedingungen anwendbar ist). Art 157 Abs 4 AEUV stellt Maßnahmen der Mitgliedstaaten vom Grundsatz der Gleichbehandlung frei. Da es um Durchbrechungen des Diskriminierungsverbotes geht, spricht man treffend von einer Öffnungsklausel. Mit Art 157 4 Treffend EuGH 6.7.2000, C-407/98, Abrahamsson, Rz 40-43; 19.3.2002, C-476/99, Lommers, Rz 30; Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 199. 5 In den USA haben die Gerichte hingegen die Möglichkeiten, solche Maßnahmen anzuordnen; vgl Wiedemann, Gleichbehandlungsgebote 81.
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Abs 4 AEUV sind aber auch die unionsrechtlichen Grenzen für solche „positiven“ Maßnahmen gezogen; mehr ist nicht zulässig. Art 157 AEUV enthält keine Verpflichtung, spezifische Vergünstigungen vorzusehen,6 ebenso wenig wie § 8 GlBG.7 Eine solche Pflicht kann sich allenfalls aus anderen Bestimmungen ergeben (wie Art 8 AEUV). 3 Art 157 Abs 4 AEUV wurde als Art 141 Abs 4 EGV durch den Vertrag von Amsterdam geschaffen. Er lehnt sich im ersten Teil eng an den früheren Art 2 Abs 4 RL 76/207 (heute Art 3 RL 2006/54/EG) an und stammt in seinem zweiten Teil aus Art 6 Sozialprotokoll. Art 2 Abs 4 Rl 76/207 bestimmte: Diese RL „steht nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insb durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen“ bei den sonstigen Arbeitsbedingungen „beeinträchtigen, entgegen“. Im Vergleich dazu ist die Formulierung in Art 157 etwas schärfer, indem nun von der „effektiven Gewährleistung der vollen Gleichstellung im Arbeitsleben“ die Rede ist. Mit der RL 2002/73 wurde der frühere Art 2 Abs 4 aufgehoben; an seine Stelle trat Art 2 Abs 8, der sich ebenso wie sein Nachfolger (Art 3 der RL 2006/54/EG) an der Formulierung von Art 141 Abs 4 orientiert und auch auf diesen verweist. Durch den Vertrag von Lissabon wurde Art 141 EGV zu Art 157 AEUV, wobei er vom Wortlaut gleich blieb. Art 157 Abs 4 AEUV erkennt ein öffentliches Interesse an Maßnahmen zur Gleichstellung an. Fraglich ist allerdings, ob Art 157 Abs 4 AEUV eher als (auch) materielle Ausnahme vom Grundsatz der Gleichberechtigung des Art 157 (§ 2 Rz 1, 21 ff) zu verstehen ist8 oder aber als gleichrangige Anordnung.9 UE spricht mehr für einen Vorrang des Grundsatzes, weil Abs 4 – von der Regelungsstruktur her gesehen – nur Maßnahmen in besonderen Situationen erlaubt. Die EuGH-Rsp prüft positive Maßnahmen eher als Rechtfertigungsgrund10 für eine insofern tatbestandlich ge-
6 Ebenso Sturm, DRdA 2003, 490; zur RL Thüsing in Müko AGG § 5 Rz 1. 7 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 10. 8 Für eine Einordnung als Rechtfertigungsgrund Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 74; Art 2 Abs 4 RL 76/207 war ohne Zweifel eine Ausnahmebestimmung. 9 Dafür Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 200. 10 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 10 u 28 unter Verweis auf EuGH 30.9.2010, C-104/09, Roca Alvarez; aA Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 9.
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Positive Maßnahmen
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gebene Diskriminierung.11 Praktisch Auswirkungen dürften solche Überlegungen zur rechtsdogmatischen Begründung eher nicht haben. Die bisher ergangenen E des EuGH (Rz 18 ff) betrafen fast ausschließlich Art 2 Abs 4 RL 76/207. Der EuGH hat aber schon bisher Art 157 Abs 4 erkennbar bei der Auslegung der genannten Bestimmung der RL herangezogen; vgl Rz 21. Erwähnt sei hier auch der seit 1979 bestehende Art 4 Abs 1 der Konvention gegen die Diskriminierung der Frau12 (§ 2 Rz 2): „1. Vorübergehende Sondermaßnahmen der Vertragsstaaten zur beschleunigten Herbeiführung der De-facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieser Konvention, dürfen aber keinesfalls die Beibehaltung ungleicher oder gesonderter Maßstäbe zur Folge haben; diese Maßnahmen sind aufzuheben, sobald die Ziele der Chancengleichheit und Gleichbehandlung erreicht sind.“ Art 157 Abs 4 AEUV ist nicht nur für den Bereich des öffentlichen 4 Dienstes, sondern grundsätzlich auch für andere AG (insb Privatwirtschaft) anwendbar. Allerdings scheint Art 157 Abs 4 AEUV auch außerhalb des öffentlichen Dienstes eine Durchbrechung des Diskriminierungsverbotes durch spezifische Maßnahmen nur zu erlauben, falls der Mitgliedstaat dies „beschließt“. Abs 4 erlaubt die spezifischen Maßnahmen also nicht schon selbst, ist also nicht unmittelbar zugunsten von Kollektivvertragsparteien und AG anwendbar.13 Und auch Art 3 RL 2006/54/EG enthält keine für Private unmittelbar anwendbare Ausnahme vom Diskriminierungsverbot, sondern bestärkt das Erfordernis einer Anordnung des Mitgliedstaates. Will ein Mitgliedstaat spezifische Maßnahmen der AG zulassen, so muss er – nimmt man die Bestimmungen des Unionsrechts beim Wort – diese gesondert anordnen, also „spezifische Vergünstigungen beibehalten oder beschließen“. Bei § 8 ist bezweifelt worden, ob er diese Voraussetzungen erfüllt (Rz 11). Die Freistellung vom Diskriminierungsverbot durch Art 157 Abs 4 5 AEUV betrifft primär das Unionsrecht und rechtfertigt hier auch Gesetze der Mitgliedstaaten, die private AG zur Bevorzugung von Frauen 11 IdS auch Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 50 ff. 12 Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women (CEDAW) vom 18.12.1979, BGBl 1982/443. 13 Näher Rz 11; wie hier Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 78; Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 207.
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verpflichten. Abs 4 verdrängt jedoch nicht nationales Verfassungsrecht. In Österreich ist dazu Art 7 Abs 2 B-VG einschlägig: „Bund, Länder und Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insb durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig.“ Fraglich ist, ob alles von Art 157 Abs 4 AEUV Zugelassene auch nach österr Verfassungsrecht erlaubt ist. Dies betrifft zum einen die Frage, ob Art 7 Abs 2 auch für Maßnahmen außerhalb des öffentlichen Dienstes gilt, weil Art 7 Abs 2 S 1 B-VG nur die Gebietskörperschaften nennt; würde man dies verneinen, dann wäre nur Art 7 Abs 1 B-VG maßgebend. Auch wenn man Art 7 Abs 2 B-VG auf die Privatwirtschaft anwendet, bleibt fraglich, ob auch alle von Art 157 Abs 4 AEUV zugelassenen Maßnahmen nach Art 7 B-VG zulässig sind. 5a Das deutsche AGG spricht in § 5 (für alle Diskriminierungsgründe gemeinsam) von „bestehenden Nachteilen“, welche verhindert oder ausgeglichen werden sollen. Der Begriff wird weit verstanden.14 6 Die Diskussion zu den spezifischen Fördermaßnahmen ist kontrovers. Zum Verständnis nützlich sind gerade bei den positiven Maßnahmen die vier unterschiedlichen Konzepte der Gleichheit: Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Gleichheit als Ausgleich von Benachteiligung und Gleichheit als Diversität.15 Sie führen in Bezug auf spezifische Maßnahmen zu sehr unterschiedlichen Vorschlägen bzw Bewertungen. Das Konzept der Gleichheit als individuelle Gerechtigkeit blickt primär auf die einzelnen Individuen und deren Verhältnisse und ist durch die Forderung nach symmetrischer Ausgestaltung sowie Neutralität des Staates gekennzeichnet. Dieses Konzept lehnt daher alle Maßnahmen, die Angehörige des einen Geschlechtes bewusst schlechter behandeln als jene des anderen, als asymmetrisch ab. Abgelehnt wird insb auch die Rechtfertigung von bevorzugter Behandlung mit dem Argument, die Frauen (oder eine andere Gruppe) seien als Gruppe in der Vergangenheit und heute strukturell benachteiligt (gewesen). Jede Person sei vielmehr nach ihren individuellen Eigenschaften (merit) zu beurteilen. Unzulässig ist danach jede Verschiedenbehandlung, die aufgrund des Geschlechtes erfolgt. Im Unionsrecht und im GlBG findet dieses Konzept sich insoweit wieder, als es um die 14 Vgl Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 30. 15 Vgl § 2 Rz 7 ff; sowie zum Folgenden Fredman, Discrimination Law 237 ff.
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Diskriminierungsverbote geht (Art 157 Abs 1 AEUV; Art 14 Abs 1 RL 2006/54/EG; § 3 GlBG). Das Konzept der Gleichheit durch Ausgleich rechnet den Einzelnen 7 hingegen die Vor- und Nachteile zu, welche die Gruppe hat(te), der sie angehören, beurteilt Unterscheidungen (nach dem Geschlecht) nicht symmetrisch, sondern bewertet Benachteiligung von Angehörigen einer benachteiligten Gruppe anders als Bevorzugungen dieser, und sieht eine aktive Rolle des Staates positiv. Danach sind also auch Regeln zulässig, die den Angehörigen einer benachteiligten Gruppe allein deshalb den Vorrang (zB bei Einstellung, Beförderung oder Auswahl vor Kündigung) einräumen, weil sie dieser Gruppe angehören, auch wenn sie als Person schlechter geeignet sein mögen als Angehörige des anderen Geschlechtes. Angestrebt wird also Ergebnisgleichheit (zB werden Frauen so lange bevorzugt befördert, bis der Frauenanteil bei den AN einer bestimmten Kategorie zumindest 40% beträgt). Der Staat darf und soll seine Möglichkeiten (einschließlich der Vergabe öffentlicher Aufträge) einsetzen, um die Benachteiligung von Gruppen durch aktive Maßnahmen, insb auch Vorrangregeln, auszugleichen. Für solche Maßnahmen wird ins Treffen geführt, dass das Diskriminierungsverbot nur formale Gleichheit bringe, nicht aber substantielle bzw materielle Gleichheit.16 Nur spezifische Maßnahmen können und würden historische, soziale und strukturelle Differenzen und Nachteile zwischen den Erfahrungen, Rollen und Chancen von Frauen und Männern insb am Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigen.17 Manche schließen daraus auch, dass spezifische Maßnahmen in Wahrheit keine Diskriminierung seien.18 Kritiker der Maßnahmen weisen unter anderem darauf hin, dass die Maßnahmen häufig einzelne Männer gezielt benachteiligen, diesen daher die Vorteile zugerechnet werden, die (vorausgesetzt) andere Männer hatten und haben, aber nicht notwendig der Benachteiligte. Individuelle Beurteilung und Gerechtigkeit werde also durch Gruppengerechtigkeit ersetzt.19 Und die im Geltungsbereich der Vorrangregel 16 Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (117); auch der EuGH verwendet zuweilen diese Terminologie; EuGH 28.3.2000, C-158/97, Badeck, Rz 32. 17 ZB Fredman, Discrimination Law 260 ff; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 5. 18 ZB Pfarr, Diskriminierung im Erwerbsleben, 1989, 96 ff; aA Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 199. 19 ZB Sachs, NJW 1989, 533 ff.
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zum Zuge gekommenen Frauen müssten es hinnehmen, dass man annehme, sie seien nur aufgrund der Vorrangregel zum Zuge gekommen. Das Konzept der Gleichheit als Ausgleich hat lange Zeit das Antidiskriminierungsrecht der USA (insb auch in Bezug auf ethnische Gruppen) geprägt; in den letzten Jahren ist der Streit darum härter geworden, man nähert sich wieder etwas dem Konzept der Gleichheit als individueller Gerechtigkeit.20 Die Maßnahmen in Europa blieben bislang meist hinter den in manchen Staaten der USA vorgesehenen Maßnahmen zurück.21 Und auch das Unionsrecht folgt weder in Art 157 Abs 4 AEUV noch in der Judikatur des EuGH diesem Konzept des Ausgleichs (Rz 8). 8 Das Konzept der Chancengleichheit blickt eher auf die Individuen und möchte Gleichheit der Ausgangsbedingungen und damit der Chancen fördern, lehnt aber eine rein gruppenbezogene Sicht und damit Ergebnisgleichheit ab. Es steht damit zwar zwischen den beiden anderen Konzepten, aber nicht genau in deren Mitte. Vielmehr geht es weit eher von einer individualistischen denn von einer gruppenbezogenen Sicht aus, und steht daher dem Konzept der Gleichheit als individueller Gerechtigkeit näher als dem Konzept des Ausgleichs. Im Unionsrecht lassen sich Art 157 Abs 4 AEUV, der Art 2 Abs 4 der ersten Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG sowie va die Judikatur des EuGH zu Vorrangregeln (Rz 18 f) mit diesem Konzept deuten.22 Der EuGH hat selbst eine Vorrangregel, die bei gleicher Qualifikation die Angehörigen der benachteiligen Gruppe bevorzugt,23 nur in engen Grenzen zugelassen (E Marschall und Badeck) und eine Bevorzugung bei geringerer Qualifikation abgelehnt (E Abrahamsson). Die Förderung von „substantieller“ Gleichheit durch Ausgleich habe Nachrang vor dem Primat des Individuums, und Ungleichbehandlung dürfte nur zur Förderung der Chancengleichheit eingesetzt werden, nicht aber als Mittel zur Ergebnisgleichheit. Damit verfolgt der EuGH bei den positiven Maßnahmen ein formales, individualschützendes Konzept der Diskriminierungsverbote.24 20 Vgl Fredman, Discrimination Law 248 ff; zur Rechtfertigung in Hinblick auf die ethnische Herkunft in der dortigen Rsp Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 4. 21 Schlachter, Wege zur Gleichberechtigung 345 ff. 22 So auch Fredman, Discrimination Law 241 ff. 23 Fredman, Discrimination Law 244 spricht von einem „tie-break“. 24 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 29.
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Eher wenig behandelt scheint indes die Frage, inwiefern das Unions- 8a recht ebenso wie Art 4 Abs 1 CEDAW davon ausgeht, dass positive Maßnahmen lediglich vorübergehende Maßnahmen sein sollen/dürfen, die mit dem Erreichen des Ergebnisses nicht nur hinfällig, sondern auch rechtswidrig würden (dies klang in der Vorauflage zumindest an).25 Zumindest am Rande für ein solches Verständnis spricht die Formulierung von Art 157 Abs 4 hinsichtlich Maßnahmen zur „Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn“ (Rz 14), insbesondere hinsichtlich der geforderten Unterrepräsentation im betroffenen Bereich. Bei genauerer Betrachtung nimmt jedoch die Bestimmung keinen Bezug auf die zeitliche Dauer und es ist genauso denkbar, dass die volle Gleichstellung oder gleichmäßige Repräsentation eben nicht durch bloß punktuelle, sondern nur durch andauernde bzw zumindest regelmäßig wiederholte Maßnahmen erreicht werden kann. Es ist daher davon auszugehen, dass das Unionsrecht ein weiteres Verständnis von positiven Maßnahmen hat als Art 4 Abs 1 CEDAW. Der EuGH scheint dieses weitere Verständnis zu teilen. Er hatte im Karfreitagsurteil26 hinsichtlich der Gleichbehandlung aufgrund der Religion zu prüfen, ob die gesetzliche Anerkennung eines zusätzlichen Feiertags für eine bestimmte religiöse Gruppe als positive Maßnahme qualifiziert werden kann. Dabei hat er sich nicht grundsätzlich gegen die Eignung einer Dauermaßnahme als positive Maßnahme gestellt, sondern bloß im konkreten Anlassfall deren Zulässigkeit wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot verneint. Eine solche Regelung wäre aber gerade nicht geeignet, bloß überbrückend bis zu einer formellen Gleichstellung der betreffenden Gruppen zu dienen, da die Gruppen im Hinblick auf das Ergebnis (Feiertagsgestaltung) verschieden sind und auch bleiben wollen.27 Mit einem solchen Verständnis nähern sich die spezifischen Maßnahmen dem Konzept von Gleichheit als Diversität an (§ 2 Rz 3, Rz 12).28 Zwar mag sich bei vielen positiven Maßnahmen auch in Bezug auf das Geschlecht (zB Quotenregelungen)29 zumindest hypothetisch ein Punkt 25 Für die Zulässigkeit bloß von vorübergehenden Maßnahmen auch zu § 8 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 7. 26 EuGH 22.1.2019, C-193/17, Cresco Investigation. 27 Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (15). 28 Ebenso Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (16). 29 IdS VfGH 9.12.2014, V 54/2014.
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bestimmen lassen, an dem ihr „Ziel“ erreicht ist und die Maßnahme aufhört, zulässig zu sein. Ausnahmen sind aber denkbar, ein kategorischer Ausschluss jeglicher „positiver Dauermaßnahmen“ erscheint zu weitgehend. 8b § 8 GlBG spricht hinsichtlich des Zeitpunkts von bestehenden Ungleichheiten. Zum deutschen AGG wird aus der Formulierung „verhindert oder ausgeglichen“ abgeleitet, dass auch künftig drohende Benachteiligungen eine positive Maßnahme rechtfertigen können.30 Die Nachteile aus der Ungleichheit müssen sich nicht zwingend bereits realisiert haben, nur hinreichend wahrscheinlich sein. Ausgeschlossen sind positive Maßnahmen aufgrund von bloß in der Vergangenheit erlittenen Nachteilen einer Gruppe, wobei vergangene Diskriminierungen (zB gesetzlicher Natur) zumindest faktisch in die Gegenwart nachwirken können, beim Geschlecht etwa in Form stereotypischer Rollenbilder für Frauen, die ua auf früheren familienrechtlichen Vorschriften beruhen.31 Im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis kann wohl weiterhin von einer grds gegebenen Benachteiligung von Frauen ausgegangen werden (siehe auch Rz 15 zu den Kriterien in Art 157 Abs 4 AEUV),32 die „Ausscheidung“ bloß vergangener Diskriminierungen wird eher bei anderen Diskriminierungsgründen relevant werden. Dort, wo Frauenfördermaßnahmen in der Rsp für nicht zulässig gehalten wurden, geschah dies tendenziell aufgrund der geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung (Rz 17) und nicht schon deshalb, weil die Benachteiligung und damit Förderwürdigkeit der Frauen von Grund auf verneint wurde. Bei Vorliegen einer Benachteiligung (etwa in Bereichen mit hohem Frauenanteil) wären auch männerfördernde Maßnahmen denkbar.33 9 Die Begriffsbildung des § 8 erscheint zweifelhaft. § 8 nennt Durchbrechungen des Diskriminierungsverbotes „positive Maßnahmen“, während Art 157 AEUV von spezifischen Maßnahmen spricht. Mit der Bezeichnung in § 8 soll wohl der Eindruck der umfassenden Positivität und Zustimmungsfähigkeit erweckt werden; verdrängt wird damit, dass diese „positiven“ Maßnahmen bestimmte Personen konkret und individuell jedenfalls benachteiligen und nach dem sonstigen Sprachgebrauch des GlBG auch diskriminieren. Außerdem erweckt die Bezeichnung den 30 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 32. 31 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 34. 32 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 9. 33 Kucsko-Stadlmayer/Kuras in Mayer/Stöger, AEUV Art 157 Rz 155.
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Eindruck, als wären die anderen Maßnahmen des Gesetzes, also das Diskriminierungsverbot, neutrale oder gar negative Maßnahmen, und keine positiven. Die Rede von positiven Maßnahmen oder gar positiver Diskriminierung hat wohl primär politisch-propagandistischen Gehalt. Der englische Ausdruck affirmative action ist weit passender; besser als positive Diskriminierung ist auch noch umgekehrte Diskriminierung, wenngleich auch dies mehr verschleiert als aussagt. Spätestens seit der VfGH-Entscheidung zum Geschlechtseintrag nach dem Personenstandsgesetz34 zweifelhaft erscheint auch die Formulierung von § 8, welche dem Wortlaut der unionsrechtlichen Grundlagen folgend nur auf die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern abzielt, somit schon aufgrund des eindeutigen Wortlautes nicht-binäre Geschlechter nicht umfasst. Folgt man dem VfGH, dann widerspricht dies wohl Art 8 EMRK. Hier erscheint eine analoge Anwendung von § 8 GlBG geboten. Für eine planwidrige Lücke spätestens seit der VfGHEntscheidung zum „dritten Geschlecht“ spricht neben einer verfassungskonformen Auslegung auch, dass sich das GlBG an anderen Stellen nicht zu einem strikt binären Geschlechtsverständnis bekennt und insofern eine Anerkennung nicht-binärer Geschlechter bereits heute in das GlBG hineingelesen werden kann (§ 3 Rz 35 f). Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, wieso Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung nicht-binärer Geschlechter nicht zulässig sein sollten. Dies entspricht auch der EuGH-Judikatur, die bereits relativ früh in Bezug auf eine Geschlechtsumwandlung bei Transsexualität die Gleichbehandlung „von Männern und Frauen“ als Gleichbehandlungsgebot aufgrund des Geschlechts umgedeutet hat.35 Da insofern die unionsrechtlichen Grundlagen (RL 2006/54/EG) eine Einbeziehung auch des „dritten Geschlechts“ verlangen dürften (§ 3 Rz 35b), ist die allenfalls analoge Anwendung von § 8 GlBG unionsrechtlich geboten, andernfalls läge ein Defizit bei der Umsetzung der RL vor. Allgemein erscheint die Berücksichtigung nicht-binärer Geschlechter bei positiven Maßnahmen aufgrund des Geschlechts kaum aufgearbeitet.
II. § 8 und Unionsrecht § 8 will für spezifische Maßnahmen eine Durchbrechung des Diskrimi- 10 nierungsverbots bewirken. § 8 enthält nun eine Generalklausel, die be34 VfGH 15.6.2018, G77/2018. 35 EuGH 30.4.1996, C-13/94, P / S und Cornwall County Council.
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sagt, dass bestimmte, dort umschriebene Maßnahmen nicht als Diskriminierung gelten, also zulässig sein sollen. Soweit es sich um andere Gesetze handelt, ist diese Aussage überflüssig, weil diese unmittelbar an Art 157 AEUV zu messen sind. Soweit § 8 jedoch auf Maßnahmen in KollV, Verordnungen oder allg Arbeitsbedingungen des AG Bezug nimmt, ist die Vereinbarkeit mit Art 157 AEUV in der Vergangenheit ua durch die Vorauflage angezweifelt worden. Art 157 AEUV erlaubt nämlich Maßnahmen nur „zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts“ oder „zur Verhinderung bzw zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn“. Von dieser Einschränkung findet sich in § 8 nichts, § 8 spricht vielmehr undifferenziert und pauschal von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung. § 8 geht also über die unionsrechtliche Ermächtigung hinaus. Man könnte versuchen, die unionsrechtlichen Grenzen in § 8 hineinzulesen. Tut man dies nicht, so wäre § 8 im Anwendungsbereich des Art 157 Abs 1 AEUV (Entgelt) schon aus dem dargelegten Grund zu ignorieren, und im Übrigen im Widerspruch zur RL 2006/54/EG, deren Art 3 im Ergebnis nämlich nur auf Art 157 Abs 4 verweist. Auch bei unionsrechtskonformer Interpretation verbleibt ein weiteres Problemfeld bei § 8. 11 Art 157 Abs 4 AEUV erlaubt den Mitgliedstaaten, „spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen“. Daraus folgt jedenfalls, dass die Öffnungsklausel nicht ohne Anordnung des Mitgliedstaates anwendbar ist.36 Aus der Wendung, dass der Mitgliedstaat „spezifische“ Maßnahmen beschließen kann, wurde jedoch auch abgeleitet, dass er spezifische Vergünstigungen benennen muss, wenn er sie denn zulassen will.37 Die Wiederholung des Textes des Art 157 Abs 4 AEUV im nationalen Recht würde dann nicht ausreichen, erforderlich wäre vielmehr eine genauere Umschreibung der zugelassenen Maßnahmen – zB eine Vorrangregel unter diesen oder jenen Voraussetzungen in Bezug auf Abgrenzung der relevanten Gruppen, Verteilung von Frauen und Männern in dieser, sonstige Voraussetzung für Eingreifen, Gleichheit/Unterschiede in der Qualifikation, Funktionieren der Vorrangregel und Rücksichtnahme auf Besonderheiten des Einzelfalls oder Absehen davon. Das Wesentliche dazu ließe sich wohl durchaus abstrakt formulieren. Für diese Interpretation des Art 157 AEUV spricht dessen 36 Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 78. 37 Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 207.
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Wortlaut, ebenso aber auch der Zweck der Norm. Der hohe Rang des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Unionsrecht spricht dafür, eine Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers zu verlangen. Eine Generalermächtigung nach Art des § 8 zielt hingegen auf eine geringe Bedeutung des Diskriminierungsverbotes ab, weil sie die Bedeutung des Diskriminierungsverbotes oft entscheidend beschneiden würde. In diesem Punkt unterscheidet sich auch das private ö Gleichbehandlungsrecht von jenem des öffentlichen Dienstes. Dort finden sich spezifische Maßnahmen auf Gesetzesebene, so sind gem § 11b BGlBG Bewerberinnen, die für die angestrebte Planstelle gleich geeignet sind wie der bestgeeignete Mitbewerber, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen, entsprechend den Vorgaben des Frauenförderungsplanes so lange vorrangig aufzunehmen, bis der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der dauernd Beschäftigten in der entsprechenden Funktions- oder Besoldungsgruppe 50 % beträgt. Folgt man dem so wie die Vorauflage, dann wäre § 8 im Entgeltbereich 12 zu ignorieren, und auch im Bereich der anderen Arbeitsbedingungen unionsrechtswidrig. Da § 8 kein bestimmtes Verhalten verlangt, sondern nur eine unklare Ausnahme von Rechtssätzen enthält, die durch die Judikatur in vielen Punkten geklärt sind, wäre dies von den Gerichten mit der Folge zu bedenken, dass die derzeitige Fassung des § 8 auch bei den anderen Arbeitsbedingungen nicht angewendet wird. Diese Bedenken sind allerdings von anderen Lehrmeinungen in der Folge nicht geteilt worden38 und soweit ersichtlich hat auch die Rsp sie nicht aufgegriffen. Letztlich wäre es wohl nicht sinnvoll, wenn man verlangen würde, dass alle Maßnahmen im Detail geregelt werden, da dies praktisch wohl unmöglich ist und auch die Bedürfnisse der Betroffenen und Eigenheiten eines Unternehmens zu wenig berücksichtigen könnte. Es reicht insofern aus, dass Österreich in § 8 positive Maßnahmen grds durch eine abstrakte Ermächtigung zugelassen hat; sie müssen sich an der Auslegung des Unionsrechts durch die einschlägige EuGH-Rsp messen lassen.39 Jedenfalls und selbst wenn die ö Umsetzung als generalklauselartige Weitergabe an die Gestalter des Arbeitslebens zulässig ist, muss auch hervorgehoben werden, dass von AG er38 Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 8 Rz 1 ff. 39 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 11; ebenso für Deutschland Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 26 mwN.
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griffene Maßnahmen nur dann als positive Maßnahmen zulässig sein können, wenn diese Maßnahmen kollektiven Charakter haben. § 8 GlBG verlangt (in Übereinstimmung mit dem europäischen Gleichbehandlungsrecht), dass zulässige Maßnahmen des AG generelle Maßnahmen sein müssen, die mehrere AN erfassen. Eine einzelne Bevorzugung einer bestimmten Person kann somit nicht als positive Maßnahme gerechtfertigt werden, es sei denn, es handelt sich um den ersten Fall einer in Aussicht genommenen kollektiven Maßnahme.40 Maßnahmen individueller Natur lassen sich nicht den positiven Maßnahmen zuordnen, sondern typischerweise den zumutbaren Maßnahmen („reasonable accomodations“), also den zugunsten einer Person mit besonderen Bedürfnissen zumutbaren Ausgleichsmaßnahmen. Solche sind im Gleichbehandlungsrecht der EU allerdings nur hinsichtlich der Behinderung vorgesehen. Allgemein verschwimmen allerdings die Grenzen zwischen diesen beiden Figuren sehr stark, vor allem, wenn man (wie dies insbesondere die Entscheidung des EuGH zum Karfreitagsfall nahelegt, Rz 8) positive Maßnahmen nicht mehr als bloß vorübergehendes Mittel zum Zweck der Herstellung formaler Gleichheit versteht. Erstaunlicherweise setzen weder das EU-Recht noch das GlBG die spezifischen Maßnahmen dort gezielt ein, wo sie am ehesten zu überzeugen vermögen, nämlich als Reaktion auf eine bestehende Diskriminierung bei einem bestimmten AG und damit als Unrechtsfolge (Rz 2). Der Gesetzgeber hätte – statt oder neben der fragwürdigen, wenig aussagenden Generalklausel des § 8 – den einzelnen AG zumindest ermächtigen können, als Rechtsfolge einer festgestellten und andauernden Diskriminierung, die sich auf eine Mehrzahl von AN auswirkt, eine geeignete spezifische Maßnahme vorzusehen.
III. N ach Art 157 Abs 4 AEUV zulässige Maßnahmen 13 Der neue Art 157 Abs 4 AEUV erklärt, dass bestimmte „spezifische Vergünstigungen“ mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung (§ 2 Rz 19 ff) vereinbar sind. Art 157 Abs 4 AEUV gilt für alle vom Gebot der Gleichbehandlung des Art 157 erfassten Fragen, nicht nur für das Entgelt. Abs 4 ist nicht explizit auf die Förderung von Frauen beschränkt. Die Vergünstigten sollen jedoch, wie die Protokollerklärung Nr 28 des Ams40 Windisch-Graetz in Reissner/Mair, Antidiskriminierung 1 (13).
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terdamer Rates sagt, „in erster Linie“ Frauen fördern. Und in manchen Berufen ist, insb in höheren Positionen, der Frauenanteil nach wie vor deutlich geringer. Denkbar wäre aber grundsätzlich auch eine Förderung von Männern, falls die Voraussetzungen vorliegen. Die GRC sieht ebenfalls in Art 23 Abs 2 vor, dass der Grundsatz der Gleichheit der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegensteht. Trotz der nicht wortidenten Formulierung ist diese Bestimmung genauso zu verstehen wie Art 157 Abs 4 AEUV.41 Bedeutung erlangt dies, da die GRC sowie die Gleichbehandlung als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts unmittelbar angewendet werden (siehe dazu § 1 Rz 15). Abs 4 nennt verschiedene inhaltliche Voraussetzungen für eine Recht- 14 fertigung der Vergünstigung. Erste Voraussetzung ist: Die Vergünstigung muss einem der drei in Art 157 Abs 4 AEUV genannten Ziele dienen: entweder „die Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts zu erleichtern“ (1. Variante) oder „Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn auszugleichen“ oder solche Benachteiligungen „zu verhindern“ (2. Variante). Im Übrigen ist der Kreis der zulässigen Maßnahmen weit. Erleichtert wird die Berufstätigkeit etwa durch Zusatzleistungen für die Ausbildung (Bildungsurlaub nur für Mütter von Kleinkindern). Die Benachteiligung kann zB durch Vorrangregeln oder die Gleichstellung von Kindererziehungszeiten mit Erwerbszeiten ausgeglichen werden. Der EuGH hat die möglichen Ziele bisher kaum konkretisiert und damit die zulässigen Zwecke der spezifischen Maßnahmen eher im Unklaren gelassen. In Betracht kommen va drei potentielle Zwecke:42 die Beseitigung von Hindernissen und der Ausgleich für frühere Benachteiligungen der Gruppe, weil es viele verborgene Hindernisse gibt; die Etablierung eines „Brückenkopfes“ für die benachteiligte Gruppe, insb in höheren Positionen, um Vorurteile („die können das ohnehin nicht“) abzubauen und anderen Angehörigen der benachteiligten Gruppe einen Anreiz zur Folge zu geben (Vorbildfunktion); sowie schließlich die Hoffnung, dass Angehörige der benachteiligten Gruppe nach der Förderung in die Entscheidungsprozesse andere Perspektiven einbringen. Es bleibt zu diskutieren, inwieweit diese Zwecke jeweils die weiteren Voraussetzungen des Art 157 Abs 4 AEUV erfüllen. 41 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 15. 42 Fredman, Discrimination Law 259 ff.
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15 Abs 4 deckt nur Maßnahmen, die zur Erreichung eines der zulässigen Ziele spezifisch sind, also dafür geeignet43 und weiters erforderlich sind. Daraus folgt primär, dass jedenfalls in der ersten Variante das begünstigte Geschlecht „unterrepräsentiert“ sein muss. Dabei ist auf jenen Bereich abzustellen, für den die Vergünstigung gelten soll. Eine Unterrepräsentation wird jedenfalls vorliegen, falls der Anteil deutlich unter 50% liegt, ein konkretes Zahlenverhältnis wird aber nicht festgeschrieben. Abs 4 deckt aber zumindest in seiner ersten Konstellation (Erleichterung für das unterrepräsentierte Geschlecht) nicht Maßnahmen, die nur mit der allg Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben begründet werden könnten;44 in der zweiten Variante kann demgegenüber grds von einer strukturellen Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben ausgegangen werden45 und Unterrepräsentation wird jedenfalls ein Indiz für das Vorliegen von Benachteiligungen sein.46 Auch wird der Grad der Unterrepräsentation bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit einfließen, je höher er ist, desto weitergehende Maßnahmen könnten gerechtfertigt werden.47 Dabei muss die Maßnahme aber auch geeignet sein, die bestehende faktische Ungleichheit tatsächlich zu beseitigen oder zu verringern. Erforderlich ist ein konkreter Bezug zwischen einer Ungleichheit und der Bevorzugung;48 ansonsten fehlt es an der Geeignetheit der Maßnahme. Nicht hinreichend spezifisch sind ein höheres Entgelt für gleiche Arbeit oder ein generelles Nachtarbeitsverbot für Frauen.49 16 Nicht vereinbar scheinen Begünstigungen, die erst nach Ende der Erwerbstätigkeit eingreifen sollen oder keine Auswirkungen mehr auf die Berufslaufbahn haben können.50 Zweifelhaft ist auch die Zulässigkeit 43 Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 77, 81. 44 Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 50 f. 45 Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 51. 46 Kucsko-Stadlmayer/Kuras in Mayer/Stöger, AEUV Art 157 Rz 157; Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 31. 47 Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 82. 48 So wohl bereits EuGH 25.10.1988, 312/86, Komm/Frankreich, Rz 15. 49 Vgl EuGH 25.7.1991, C-345/89, Stoeckel, Rz 15; auch das deutsche BVerfG wollte das Verbot nicht durch das Gleichstellungsgebot des Art 3 Abs 2 GG rechtfertigen, weil es keine geeignete Maßnahme zur Gleichstellung sei, sondern die traditionelle Rollenverteilung eher verfestigen kann – BVerfGE 85, 191. 50 Vgl EuGH 29.11.2001, C-366/99, Griesmar, Rz 64-66; Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 204.
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von Maßnahmen, die zwar die Erwerbsarbeit für Frauen erleichtern, aber das traditionelle Rollenbild unterstützen, wie Kinderbetreuungseinrichtungen nur für die Kinder weiblicher AN (vgl dazu auch Rz 28).51 Der EuGH hatte in einem konkreten Fall, der E Lommers, keine Bedenken gegen die Geeignetheit, sondern erst gegen die Angemessenheit.52 In der E Alvarez hat er ausgesprochen, dass ein Anspruch auf eine halbe Stunde bezahlte Arbeitszeit je Arbeitstag bis zum neunten Monat nach der Geburt nur für Arbeitnehmerinnen und ihre Ehemänner, nicht jedoch für Männer, deren Ehefrau selbständig tätig ist, der RL 76/207 widerspricht, ua da sie zu einer Verfestigung des Rollenbildes führt; das Verhältnis von Eignung/Angemessenheit wurde offengelassen.53 Bestätigt wurde diese Ansicht in der Rs Maistrellis.54 Man wird in solchen Fällen wohl bereits die Eignung verneinen können.55 Ambivalent erscheinen Vorrangregeln, die das Rollenmodell verändern wollen. In manchen Berufen sind überwiegend Frauen tätig, zB bei Volksschullehrerinnen. Die Begründung einer Vorrangregel mit dem Argument, die derzeitige Zusammensetzung der an Volksschulen Lehrenden sei aus gesellschaftlichen Gründen – den Kindern fehlen männliche Bezugspersonen in der Schule – ungünstig, wäre aber wohl kaum mit Art 157 AEUV vereinbar, weil diese Erwägungen kein nach Art 157 Abs 4 AEUV legitimes Ziel betreffen. Eine Benachteiligung von Männern beim Zugang zum Beruf der Volksschullehrer (die dann „Erleichterungen“ iSd Art 157 Abs 4 erfordert) ist nicht erkennbar – sie wählen ihn einfach kaum. Fraglich ist aber, ob man eine Vorrangregel mit dem Argument rechtfertigen kann, man möchte den Beruf für Männer attraktiver machen. Hier wird tendenziell große Vorsicht geboten sein.56 Letztlich wird man bei jeder Anwendung von Art 157 Abs 4 auf Männer eine genaue Prüfung der Verhältnisse für die betroffene Branche/ Tätigkeit fordern müssen (vgl auch Rz 8b).
51 Vgl dazu auch Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 118. 52 EuGH 19.3.2002, C-476/99, Lommers; vgl dazu auch Sagmeister, Elternschutzrechte 109 ff. 53 EuGH 30.9.2010, C-104/09, Alvarez; vgl dazu auch § 5 Rz 18. 54 EuGH 16.7.2015, C-222/14, Maistrellis. 55 IdS Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 41. 56 Einschränkend bei Anwendung auf Männer auch Langenfeld in Grabitz/ Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 84.
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17 Dritte Voraussetzung ist die Angemessenheit der Maßnahme.57 Abzuwägen ist hier zwischen dem (öffentlichen) Interesse an der Gleichstellung und den individuellen Interessen der Benachteiligten.58 Nicht verhältnismäßig ist es, wenn der AG subventionierte Kinderbetreuungsplätze nur Müttern unter den AN zur Verfügung stellt; die Vorrangregel wäre jedoch verhältnismäßig, falls auch allein erziehende Väter Zugang zu den Plätzen haben.59 Die damit verbundene Benachteiligung der Frauen von anderen Vätern spielt für den EuGH keine Rolle, weil es beim Diskriminierungsverbot nur auf das Verhältnis der AN zu ihrem AG ankommt. Der Unterschied zur E Alvarez liegt hier wohl darin, dass in Lommers der einzelne AG die Maßnahme setzte und in Alvarez der Gesetzgeber; ersterer ist nur für seine eigenen AN verantwortlich.60 Nicht verhältnismäßig war auch eine Vorrangregel bei ungleicher Qualifikation, welche die zulässige Differenz offenließ.61 Von diesen wenigen Hinweisen abgesehen hat es der EuGH bisher verabsäumt, die Strenge des Verhältnismäßigkeitstests genauer zu umreißen. 18 Besonders kontrovers wurden (schon zu Art 2 Abs 4 RL 76/207) Vorrangregeln bei Beförderung und Einstellung diskutiert.62 Die E Kalanke, Marschall und Badeck betreffen Regeln für die Beförderung im deutschen öffentlichen Dienst, die bei Unterrepräsentation der Frauen in einer bestimmten Verwendung einen Vorrang einer Bewerberin normierten, allerdings nur bei gleicher Qualifikation. Die Regelung der E Kalanke sah den Vorrang ohne Ausnahme und damit automatisch vor, während jene der E Marschall eine Öffnungsklausel und damit eine Einzelfallprüfung vorsah, um besondere Gründe, die für den männlichen Bewerber sprechen, berücksichtigen zu können. Kritiker sagen, dass auch Vorrangregeln mit Öffnungsklausel nicht nur Chancengleichheit, sondern Ergebnisgleichheit anstreben. Befürworter sagen, die Öffnungsklausel enthalte gar keine gezielte Bevorzugung von Frauen, weil sie nur die ansonsten eintretende Benachteiligung ausschalte.63 57 EuGH 6.7.2000, C-407/98, Abrahamsson, Rz 56; 19.3.2002, C-476/99, Lommers Rz 39 ff; Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 51. 58 Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 204 2111 ff. 59 EuGH E Lommers Rz 46 f. 60 Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 46. 61 E Abrahamsson. 62 EuGH 17.10.1995, C-450/93, Kalanke; 11.11.1997, C-409/95, Marschall; 28.3.2000, C-158/97, Badeck; 6.7.2000, C-407/98, Abrahamsson. 63 Ellis, CMLR 35, 406.
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Positive Maßnahmen
§ 8
Der EuGH sah im automatischen Vorrang der Frau eine Verletzung des Art 2 der RL 76/207. Der Grundsatz der Gleichbehandlung begründe ein individuelles Recht, auch des Mannes, und nicht nur die Garantie einer Gruppengleichheit.64 Abs 2 Abs 4 der RL 76/207 erlaube nur eine Förderung der Chancengleichheit, während die (absolute) Vorrangregel bereits das Ergebnis vorherbestimmt.65 Dieses Ergebnis rief bei vielen Entrüstung hervor.66 Kommission und Rat planten eine Änderung der RL, wenngleich auch nach Auffassung der Kommission eine Reihe von Fördermaßnahmen vom Urteil Kalanke nicht beeinträchtigt waren.67 In der E Marschall hielt der EuGH dann die Vorrangregel für zulässig, 19 wenn und weil sie nicht zu einem automatischen und absoluten Vorrang der Bewerberin führt, sondern eine individuelle Prüfung gewährleistet, bei der alle die Personen der Bewerber betreffenden Kriterien berücksichtigt werden, und der Vorrang entfällt, wenn Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen.68 Davon abgesehen wird eine Vorrangregel nun grds gebilligt, weil die Tatsache, dass zwei Personen gleich qualifiziert sind, nicht bedeutet, dass sie gleiche Chancen haben. Vielmehr bestehe eine Tendenz zur Bevorzugung männlicher Bewerber, und dem dürfe die Vorrangregel entgegenwirken. Der EuGH hat hier und in den weiteren Entscheidungen die Gegenüberstellung von Chancen- und Ergebnisgleichheit (der E Kalanke) nicht mehr ausdrücklich aufgegriffen und damit nach Ansicht vieler in den Hintergrund treten lassen.69 Die E Marschall billigt es jedenfalls, wenn das weibliche Geschlecht bei gleicher Qualifikation das traditionelle Kriterium des Dienstalters verdrängt. Auch die E Badeck lässt eine Vorrangregel bei gleicher Qualifikation zu, sofern gewährleistet ist, dass die Bewerbungen Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind, bei der die besondere persönliche Lage aller Bewerberinnen und Bewerber berücksichtigt wird.70 Die E betreffen die Konstellation der gleichen Eignung und betonen dafür (damit) letztlich den Vorrang der 64 Ebenso Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 48. 65 EuGH E Kalanke Rz 15. 66 ZB Colneric, BB 1996, 265 ff; Moore, 21 ELRev (1996) 156; vgl Eichinger, EAS B 4200 Rz 92 ff mwN. 67 KOM (96) 88. 68 EuGH E Marschall Rz 31–33. 69 ZB Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 205 mwN. 70 E Rz 38.
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Beurteilung der Individuen vor einer stark gruppenbezogenen Betrachtung.71 20 Die E Abrahamsson betraf eine schwedische Vorrangregel im Hochschulbereich auch bei ungleicher Qualifikation: Waren Frauen unterrepräsentiert, dann war eine weibliche Bewerberin vorzuziehen, außer der Unterschied in den Qualifikationen war so groß, dass sich daraus ein Verstoß gegen das Erfordernis der Sachgerechtigkeit ergeben würde. Der EuGH sah darin keine wirkliche Einschränkung der Auswahl allein nach dem Geschlecht; es fehlte daher eine objektive Beurteilung der Bewerbungen, sodass die Regel der RL 76/207 widerspricht. Der EuGH prüft dann noch gesondert eine Rechtfertigung durch Art 141 Abs 4 EGV, lehnt dies aber mit einem Halbsatz ab, weil der Auswahlmodus (also unabhängig von der Qualifikation) jedenfalls unverhältnismäßig sei. Die Vorrangregel war daher unzulässig.72 21 Die bisherigen Entscheidungen ergingen primär zur RL 76/207, wenn auch der damalige Art 141 Abs 4 EGV schon länger in Sicht war. Allein die E Abrahamsson nimmt auf Art 141 Bezug. Es ist fraglich, ob Art 157 Abs 4 Vorrang- und Quotenregeln in weiterem Umfang zulässt als diese nach der E Marschall zulässig sind. Zum Teil wird vertreten, dass dies der Fall sein könnte.73 UE ist dies jedoch nicht der Fall, wenn man von der Judikatur ausgeht. Der EuGH hat nämlich schon in den E seit Marschall den Text des Art 141 aus dem Amsterdamer Vertrag vor Augen gehabt und auch berücksichtigt.74 Durch den Wechsel des normativen Bezugspunktes wird sich daher wohl nicht viel ändern. Die Grundsätze, insbesondere jener der Verhältnismäßigkeit, bestehen weiterhin.75 22 Schwer zu klären ist die für die Praxis zentrale Frage, wann gleiche Qualifikation vorliegt und welche Kriterien hier heranzuziehen sind.76 71 Zu einer zulässigen Vorrangregel vgl BAG 21.1.2003, 9 AZR 307/02 = NZA 2003, 1036. 72 E Abrahamsson Rz 53–56. 73 So eventuell Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 75; Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 198 mwN: Art 141 Abs 4 habe die Möglichkeiten für positive Maßnahmen erweitert; Fredman, Discrimination Law 245: „somewhat wider discretion“. 74 Ebenso Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 118. 75 Langenfeld in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art 157 Rz 49; Rebhahn in Schwarze, AEUV Art 157 Rz 51. 76 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 20 f.
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Positive Maßnahmen
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Lässt der AG bestimmte Kriterien bei der Beurteilung der Eignung außer Betracht, um Frauen zu bevorzugen, so ist dies zulässig, wenn es sich um ein Kriterium handelt, das Frauen typischerweise (also mittelbar) benachteiligt, wie etwa Dienstzeit und Dauer der Erfahrung, Beschäftigungsausmaß oder Flexibilität, jedenfalls wenn auch jene Umstände, die typischerweise zur Benachteiligung führen (insb Kinder), auch bei der konkret begünstigten Frau vorliegen. Fraglich ist uE hingegen, ob die Kriterien auch dann zur gezielten Begünstigung vernachlässigt werden dürfen, wenn die Ursachen für die typischen Nachteile bei der konkreten Frau nicht vorliegen. Es geht dann wieder um die Grundfrage der mehr individualistischen oder mehr gruppenbezogenen Sicht (Rz 6 f). Nach Wiedemann ist die Bevorzugung aus den genannten Gründen ohne Einschränkung zulässig, wenn und weil es sich um Merkmale handelt, die nicht direkt leistungsbezogen sind.77 Ebenfalls kaum geklärt ist, welche Kriterien der AG bei der erforderlichen Entscheidung zwischen – vorausgesetzt – gleich Qualifizierten heranziehen darf.78 Ins Treffen geführt werden hier etwa eine schwere Behinderung, Langzeitarbeitslosigkeit, Alleinerzieher-Status oder die Förderung von Wiedereingliederung nach langer Krankheit. Zum Teil wird vertreten, dass alle Kriterien unzulässig sind, welche zu einer mittelbaren Diskriminierung führen könnten und auch auf den von den älteren RL noch genannten Familienstand hingewiesen.79 So könnte der Alleinverdienerstatus eines Familienvaters als alleiniges Kriterium nicht ausreichen. Ein Formulieren absoluter Kriterien hat in Anbetracht dessen, dass es sich zwangsläufig um eine Einzelfallbeurteilung handelt, zu unterbleiben.80 Was andere Maßnahmen betrifft, so hat der EuGH eine Bevorzugung 23 der Frauen bei Kindergartenplätzen des AG gebilligt, allerdings nicht ohne weiteres, sondern erst unter Verweis auf die Härtefallklausel.81 Es sprach laut EuGH dort auch nicht gegen die Zulässigkeit der Maßnahme, wenn sie das traditionelle Rollenbild der Frau als erziehender El-
77 Gleichbehandlungsgebote 44. 78 Vgl Eichinger EAS B 4200 Rz 110; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 22. 79 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 8 Rz 22. 80 Baldauf, ASoK 1998, 26 (30 f). 81 Rz 15; EuGH 19.3.2002, C-476/99, Lommers; dazu Thüsing, DB 2002, 1452 und Baumgärtner in BeckOGK AGG § 5 Rz 41 ff.
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ternteil verfestigt.82 Diese Begründung ist allerdings zweifelhaft, gerade wenn man den Zweck des Gleichbehandlungsrechts auch darin sieht, solche gesellschaftlich verfestigten Rollenbilder aufzulösen.83 Mit Blick auf die neuere Rsp des EuGH insb in der E Alvarez wird man künftig bei Rollenbilder festigenden Maßnahmen größere Vorsicht walten lassen müssen (vgl Rz 16 f). Die strenge Prüfung der Zulässigkeit in der E Lommers deutet darauf hin, dass auch bloße Fördermaßnahmen im Vorfeld von Einstellung und Beförderung nicht notwendig zulässig und unproblematisch sind, nur weil sie weniger intensiv wirken. Auch solche Maßnahmen, wie zB zusätzlicher Bildungsurlaub, müssen daher den genannten Kriterien des Art 157 Abs 4 AEUV genügen. Insb ist erforderlich, dass die Angehörigen des zu fördernden Geschlechtes in der Belegschaft deutlich unterrepräsentiert sind. Das Gesagte gilt auch für die Bevorzugung von Müttern bei der Verteilung von Kindergartenplätzen oder bei der Einteilung der Arbeitszeit, für Maßnahmen in Frauenförderplänen oder für staatliche Beihilfen zur Einstellung von Frauen. Dem auch mit Blick auf die E Lommers geäußerten Vorschlag von Krebber, Maßnahmen eher als mittelbare Diskriminierung unter Verweis auf den dahinter stehenden Wunsch (zB Erleichterung der Kinderbetreuung für Alleinerzieher) und nicht als unmittelbare Diskriminierung auszugestalten, ist hier zuzustimmen.84 24 Auch der Wunsch des oder der AG nach einer in Bezug auf das Geschlecht ausgeglichenen Personalstruktur allein kann spezifische Maßnahmen zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechtes kaum rechtfertigen. Denn solche Maßnahmen sind ja nur zulässig, um die Berufstätigkeit zu erleichtern oder Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn auszugleichen. Die Personalstruktur selbst hat damit keinen Zusammenhang. Nur wenn die Angehörigen des unterrepräsentierten Geschlechtes geschlechtsspezifische Schwierigkeiten haben, einen (bestimmten) Beruf auszuüben oder bei diesem AG zu arbeiten, könnten Maßnahmen zulässig sein. Zu erwägen ist aber eine Subsumtion unter Art 157 Abs 4 AEUV, falls schon der geringe Frauenanteil in einem bestimmten Beruf (Betrieb) andere Frauen von der Bewerbung abhält.
82 E Lommers Rz 41–43. 83 Kritisch daher auch Hervey, Bulletin of Comparative Labour Relations 2003, 103 (120). 84 Krebber in Calliess/Ruffert, AEUV Art 157 Rz 87.
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Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung
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Fraglich ist, ob ein niedrigeres Pensionsalter unter Abs 4 fällt.85 Dies ist abzulehnen, weil diese Maßnahme erst nach der Erwerbstätigkeit einsetzt und daher kaum geeignet ist, einem der drei zulässigen Ziele (Rz 14) zu dienen.86 Entscheidet man anders, dann dürften solche Maßnahmen auch nur zulässig sein, wenn das Herabsetzen aus besonderen Gründen (zB lange Doppelbelastung mit Familie und Arbeit) erfolgt, und nicht allein wegen des weiblichen Geschlechts. Unzulässig ist die Ausnahme von einer Altersgrenze für Einstellungen nur für Witwen, die auf Erwerbsarbeit angewiesen sind, und nicht für Witwer in gleicher Lage.87 Der einzelne AG darf daher schon aus unionsrechtlicher Sicht ein 25 Frauenförderungsprogramm nur durchführen, wenn es den eben genannten Anforderungen genügt. Insb ist der kollektive Charakter zu unterstreichen. Eine andere Beurteilung könnte sich nur ergeben, wenn bei dem betreffenden AG eine bestimmte Diskriminierung noch vorliegt und die spezifische Maßnahme eine geeignete Maßnahme ist, diese Diskriminierung (rasch) zu beseitigen. In diesem Fall kann man sagen, die Maßnahme falle nicht unter § 8, sondern sei eine Maßnahme, um § 3 zu entsprechen; vgl aber Rz 2.
Gebot der geschlechtsneutralen Stellen ausschreibung § 9. (1) Der/die Arbeitgeber/in oder private/r Arbeitsvermittler/in gemäß den §§ 2 ff des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, oder eine mit der Arbeitsvermittlung betraute juristische Person öffentlichen Rechts darf einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebes (Unternehmens) nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben oder durch Dritte ausschreiben lassen, es sei denn, ein bestimmtes Geschlecht ist unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit. Die Ausschreibung darf auch keine zusätzlichen Anmerkungen enthalten, die auf ein bestimmtes Geschlecht schließen lassen.
85 Dagegen EuGH 13.11.2008, C-46/07, Kommission/Italien, Rz 56 ff; 26.3.2009, C-559/07, Kommission/Griechenland, Rz 63 ff. 86 Treffend Epiney/Freiermuth Abt, Gleichstellung 204. 87 EuGH 30.9.2004, C-319/03, Briheche.
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(2) Der/die Arbeitgeber/in oder private Arbeitsvermittler/in gemäß den §§ 2 ff des Arbeitsmarktförderungsgesetzes oder eine mit der Arbeitsvermittlung betraute juristische Person öffentlichen Rechts ist verpflichtet, in der Ausschreibung das für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz geltende kollektivvertragliche oder das durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geltende Mindestentgelt anzugeben und auf die Bereitschaft zur Überzahlung hinzuweisen, wenn eine solche besteht. Dies gilt sinngemäß für Arbeitsverträge in Wirtschaftsbereichen, in denen es kein kollektivvertraglich oder durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geregeltes Mindestentgelt gibt, ausgenommen Arbeitnehmer/innen gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl. Nr. 626/1991. In der Stellenausschreibung ist jenes Entgelt anzugeben, das als Mindestgrundlage für die Arbeitsvertragsverhandlungen zur Vereinbarung des Entgelts dienen soll. Literatur: Mazal, Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung, ecolex 1992, 573; Rauch, Zum Schadenersatz nach dem Gleichbehandlungsgesetz, ecolex 2000, 441; Smutny/Mayr, GlBG, zu § 2c; Rebhahn, Das neue Antidiskriminierungsrecht – Anmerkungen zur Lage in Österreich, ZFA 2006, 347; Potz, GlBG-Hopping? Schadenersatzjäger und das GlBG, RdW 2008, 730; Rosenmayr/Sacherer, Gleichbehandlungsgesetz 2011, ZAS 2011/10; Gerhartl, Erweitertes Diskriminierungsverbot und erhöhte Einkommenstransparenz, PV-Info 2/2011, 17; Unterrieder, Das Mindestentgelt in Stellenausschreibungen, RdW 2011/159; Schrittwieser, Stellenausschreibungen - wie die neue Pflicht zur Einkommenstransparenz beiträgt, DRdA 2012, 254; Schwegel, Rechtsprobleme der Stellenausschreibung: unter besonderer Berücksichtigung des Gebots der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung gem § 9 GlBG (2013); Shubshizky, Ausdehnung der Verpflichtung zur Angabe des Mindestentgelts in Stellenausschreibungen, ASoK 2013, 322; Gerhartl, Diskriminierungen durch Inserate, PV-Info 6/2016, 9; Geiblinger, Die geschlechtsneutrale Stellenausschreibung bei Pflegeberufen, ÖZPR 2015/40; Geiblinger, Gesetzeskonformität personenbildbezogener Stellenausschreibungen, ASoK 2015, 140; Graf-Schimek, Entgeltangabe gem § 9 Abs 2 GlBG, ZAS 2016, 198; Fuchs, Geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen - zwei aktuelle LVwG-Entscheidungen, RdW 2017/367; Assadi, Recruiting – was aus arbeitsrechtlicher Sicht zu beachten ist, AnwBl 2018, 795; Körlings, Das dritte Geschlecht und die diskriminierungsfreie Einstellung, NZA 2018, 282; Gössl/ Dannecker/Schulz, Was sollte nach der Einführung des „dritten Geschlechts“ weiter geregelt werden? NZFam 2020, 145; Körber-Risak, Die Gleichbehandlungspflichten im Arbeitsrecht, in Gruber-Risak/Mazal (Hrsg), Das Arbeitsrecht (37. Lfg 2021); Horcher, AGG, in Hau/Poseck (Hrsg), BeckOnline Kommentar BGB (2022).
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§ 9
Inhaltsübersicht I. Zweck und Anwendungsbereich................................................................ 1 II. Unverzichtbare Voraussetzung................................................................. 5 III. Ausschreibung.............................................................................................. 6 IV. Geschlechtsneutrale Ausschreibung......................................................... 12 V. Entgelttransparenz...................................................................................... 14a VI. Rechtsfolgen.................................................................................................. 15
I. Zweck und Anwendungsbereich § 9 begründet keine Pflicht zur Ausschreibung. Auch das Unionsrecht 1 enthält bisher keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Ausschreibung von Arbeitsplätzen oder Stellen aus Gründen der Antidiskriminierung vorzusehen.1 Auch die RL 2006/54/EG (§ 1 Rz 9) sieht derartiges nicht vor. § 9 greift also nur ein, wenn nach autonomer Entscheidung des AG ein Arbeitsplatz de facto ausgeschrieben wird. Das Erfordernis, dass eine Ausschreibung geschlechtsneutral sein müsse, folgt – auch ohne § 9 – bereits aus § 3 und der RL 2006/54/EG (Rz 2). § 9 regelt darüber hinaus, wann das Geschlecht Auswahlkriterium sein darf – eine Frage, die inhaltlich zu § 3 gehört und daher zu § 3 behandelt wird (vgl § 3 Rz 73 ff). Zusätzlich schreibt § 9 Abs 2, der mit der GlBGNovelle 20112 eingeführt wurde, zur Erhöhung der Entgelttransparenz vor, dass in der Ausschreibung das für den Arbeitsplatz geltende kollektivvertragliche oder durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geltende Mindestentgelt anzugeben ist. In der Praxis ist es oft schwierig, das für einen konkreten Arbeitsplatz gebührende kollv Entgelt festzustellen. Neben der Feststellung des anzuwendenden KollV ist auch die Kenntnis der Einstufung des Arbeitsplatzes erforderlich.3 Die Novelle 20134 dehnt den Anwendungsbereich dieser Bestimmung weiter aus, sodass sie nun auch Arbeitsverträge in Wirtschaftsbereichen, wo es kein geregeltes Mindestentgelt gibt, umfasst. In diesem Fall ist jenes Entgelt anzugeben, das die Basis für die Gehaltsverhandlung darstellen soll.
1 EuGH 21.5.1985, 248/83, Komm/Deutschland, Rz 43; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 1. 2 BGBl I 2011/7. 3 ErläutRV 938 BlgNR 24. GP 6 f. 4 BGBl I 2013/107.
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2 Der Inhalt einer Mitteilung, dass ein/e AN gesucht wird, bestimmt in starkem Maße, wer sich dafür interessiert. Schränkt schon die Mitteilung den Kreis der in Betracht kommenden Personen – ausdrücklich, schlüssig oder nur unterschwellig – auf Angehörige eines Geschlechtes ein, so werden Angehörige des anderen Geschlechtes sich in deutlich geringerem Ausmaß für den Arbeitsplatz interessieren. Die Gestaltung der Ausschreibung hat starken Einfluss auf den Kreis der Personen, die sich bewerben. Und der AG wird es auch bei nicht ausdrücklicher Beschränkung leichter haben, diese durchzuhalten und durchzusetzen. Der europäische Gesetzgeber hat kein ausdrückliches Gebot geschlechtsneutraler Stellenausschreibung erlassen, auch nicht in der RL 2006/54/EG. Allerdings verbietet Art 1 dieser RL jede Diskriminierung auch beim „Zugang zur Beschäftigung“, und dazu zählen jedenfalls jene Vorbereitungshandlungen des AG, die nach außen wirken, insb solche, die sich an potentiell interessierte Personen richten. Das Erfordernis, dass eine Ausschreibung geschlechtsneutral sein müsse, folgt daher – auch ohne § 9 – wohl bereits aus § 3 und der RL 2006/54/ EG, weil eine geschlechtsbezogene Ausschreibung idR eine Diskriminierung bei der Einstellung darstellt bzw vorbereitet und einen Teil der potentiell in Frage kommenden Bewerber von vornherein abschreckt.5 Die wohl hA in der Lit sieht demgegenüber in § 9 Abs 1 eine autonome österreichische Rechtsnorm, die der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dient, aber nicht als Erfüllung einer durch die Richtlinien zur Gleichbehandlung auferlegten Pflichten erlassen wurde.6 Der österr Gesetzgeber hat das Gebot erstmals 1985 in das GlBG aufgenommen. Er hielt es sowohl im Hinblick auf eine ausgewogene Personalstruktur wie auf die faire Behandlung der Arbeitsuchenden für notwendig, schon die Mitteilungen über einen freien Arbeitsplatz dem Diskriminierungsverbot zu unterstellen, soweit die Mitteilung eine „Ausschreibung“ ist. 3 § 9 gilt primär für den AG und die ihm zuzurechnenden Personen. Aus der Sicht des § 3 sind dem AG auch Personalberater oder Headhunter zuzurechnen, die im Auftrag des Unternehmens Personal suchen.7 Die Tatsache einer nicht geschlechtsneutralen Ausschreibung 5 In diese Richtung schon EuGH 21.5.1985, 248/83, Komm/Deutschland; aA Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 1. 6 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 4; ebenso für Deutschland Benecke in BeckOGK AGG § 11 Rz 1. 7 § 3 Rz 18; vgl auch BAG 5.2.2004, 8 AZR 112/03 = NZA 2004, 540.
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Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung
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durch einen Arbeitsvermittler kann dem AG daher in Bezug auf die §§ 3 und 12 unabhängig von der Nennung der Arbeitsvermittler in § 9 zugerechnet werden. § 9 bezieht neben dem AG auch Arbeitsvermittler in den Geltungs- 4 bereich ein. Diese Dritten sind vom Verbot des § 3 selbst nicht erfasst, der Gesetzgeber will sie aber zu neutraler Ausschreibung verpflichten, auch um dem AG ein Umgehen des ihn treffenden Verbots zu erschweren. Die Arbeitsvermittler waren in § 2c des alten GlBG noch nicht erwähnt, wohl aber durch die Strafbestimmung des § 10d GlBG dem Verbot des § 2c inhaltlich unterstellt. § 9 erfasst zum einen mit der Arbeitsvermittlung betraute juristische Personen öffentlichen Rechts. Darunter fällt jedenfalls das Arbeitsmarktservice (vgl § 1 Abs 1 AMSG).8 § 9 soll zum anderen private Arbeitsvermittler erfassen. Der Verweis auf die §§ 4 ff AMFG bezieht sich auf die Neufassung des AMFG durch die Novelle BGBl I 2002/68. Die §§ 4 ff AMFG regeln allerdings nur, wer Arbeitsvermittlung betreiben darf und wie dies zu geschehen hat. Die allg Umschreibung von Arbeitsvermittlung findet sich in § 2 AMFG. Daher ist fraglich, ob § 9 auch für jene gilt, die Arbeitsvermittlung iSd § 2 AMFG zwar betreiben, aber unerlaubt (insb gewerblich, aber ohne Gewerbeschein). Dieselbe Frage stellte sich schon zum alten GlBG, und war in der Judikatur der UVS umstritten. § 10d des alten GlBG hat nur auf die §§ 17 ff alt AMFG verwiesen, während sich die allg Umschreibung schon in § 9 alt AMFG befand. UE sprach und spricht viel dafür, dass sich der Verweis schon nach dem Wortlaut (die Frage einer Analogie stellte sich überhaupt nicht) auf die Tätigkeit und nicht auf die Ausübungsbefugnis dazu bezog und bezieht.9 Sonst käme man ja zu dem unsinnigen Ergebnis, dass der schon bei der Grundtätigkeit rechtswidrig Handelnde dafür bei rechtswidrigen Ausschreibungen noch belohnt würde. Auch die Diskriminierungswirkung ist in beiden Fällen gleich hoch und gerade sie soll ja hintangehalten werden; aus der Sicht des potentiellen Bewerbers macht es keinen Unterschied, ob der Arbeitsvermittler eine Ausübungsbefugnis besitzt. Und für den Betroffenen ist die Bestrafung nach dem GlBG auch nicht weniger vorhersehbar als jene nach dem AMFG. Auch die ErläutRV enthalten keinen Hinweis, dass das Gebot für unbefugte Vermittler nicht gelten sollte. Unter § 9 und § 10 Abs 1 fallen daher alle natürlichen oder juristischen Personen, wel8 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 14. 9 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 13.
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che die in § 2 AMFG umschriebene Tätigkeit tatsächlich ausüben. Inzwischen ist durch den Verweis auf die §§ 2 ff Arbeitsmarktförderungsgesetz klargestellt, dass auch unbefugte Arbeitsvermittler erfasst sind.
II. Unverzichtbare Voraussetzung 5 § 9 erlaubt die Beschränkung der Ausschreibung auf Angehörige eines bestimmten Geschlechts, wenn dieses unverzichtbare Voraussetzung für die betreffende Tätigkeit ist. Es handelt sich dabei um eine Ausnahme vom Verbot der (unmittelbaren) Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Die Erörterung erfolgt daher bei § 3 (dort Rz 73 ff). § 9 macht von der Ermächtigung des Art 14 Abs 2 RL 2006/54/EG Gebrauch, allerdings nur partiell. Nach dem Wortlaut des § 9 darf der AG sich nämlich nur dann darauf berufen, dass ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung ist, falls er eine Ausschreibung vornimmt, nicht aber bei Besetzungen ohne Ausschreibung oder Beendigungen (§ 5 Rz 15). Eine solche Auslegung ist wohl zu eng, insb aufgrund von § 12 Abs 12.10
III. Ausschreibung 6 § 9 gilt für die Ausschreibung eines Arbeitsplatzes. Arbeitsplatz erfasst in bestimmter Weise organisierte Tätigkeiten, allerdings nicht nur von AN, sondern auch von Personen, die aufgrund eines der in § 1 Abs 2 genannten Verträge tätig sind. Die Auslegung von „Arbeitsplatz“ wird sich nicht an jener zu § 101 ArbVG orientieren können, weil Rahmenbedingungen und Zwecke zu unterschiedlich sind. Geht man davon aus, dass der AG bei keiner Auswahlentscheidung, welche den Zugang zum Beruf oder den Aufstieg betrifft, diskriminieren darf (vgl Rz 2 sowie § 3 Rz 60, 136 ff), dann wird jede Ausschreibung einer Stelle, einer Position oder eines Arbeitsplatzes unter § 9 fallen. Jedenfalls ist unter Arbeitsplatz aber jedes neu zu begründende Arbeitsverhältnis zu verstehen. Darüber hinaus wird man aber auch verfestigte Positionen im Unternehmen, die mit bestimmten Aufgaben oder Karrierechancen verbunden sind, darunter subsumieren. § 9 will ja auch unternehmensinterne Auswahlentscheidungen erfassen. Auch bloß vorübergehende Betrauungen mit anderen Aufgaben können unter § 9 fallen, falls es sich um deutlich abgegrenzte Aufgaben handelt. 10 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 15.
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Eine Ausschreibung enthält primär die Information, dass ein bestimm- 7 ter Arbeitsplatz zu besetzen ist, uU auch noch nähere Informationen über den Arbeitsplatz und die gewünschten Eigenschaften, sowie ferner die Einladung, sich für den Arbeitsplatz zu bewerben.11 Mittelbar enthält die Ausschreibung häufig die Ankündigung, einen Arbeitsvertrag (oder einen der in § 1 Abs 2 genannten Verträge) abzuschließen. Erfasst ist allerdings nicht nur der Abschluss eines Arbeitsvertrags,12 sondern auch dessen Änderung für den Fall, dass bereits ein Arbeitsvertrag besteht. Ausschreibung meint jedenfalls eine schriftliche Mitteilung, die an ei- 8 nen nicht von vornherein bestimmten Kreis von Personen gerichtet ist. § 9 bezieht ausdrücklich neben externen auch interne Ausschreibungen ein, also jene, die nur an Personen gerichtet sind, welche bereits im Unternehmen arbeiten (zum Begriff der Ausschreibung vgl auch das Gutachten der GBK vom 28. 4. 2000). Nach Mazal erfasste die – insoweit parallele – Vorgängerbestimmung nur Bekanntmachungen, welche an einen größeren Personenkreis gerichtet und überdies „manifest“ waren, wobei die zweite Voraussetzung dann erfüllt sein soll, wenn Interessenten sich auf die Bekanntmachung berufen können, was bei Gesprächen nicht der Fall sei.13 UE schöpft dies den Inhalt des jetzigen § 9 nicht aus. „Schriftlich“ ist weit zu verstehen. § 9 gilt jedenfalls für jede einschlä- 9 gige Mitteilung, welche durch nicht-mündliche Kommunikationsmittel verbreitet werden, wie Inserate in Zeitungen oder Teletext, im Internet (insb auf der Homepage) oder Intranet, durch Tafeln neben der Straße, auf Anschlagtafeln im Betrieb, sowie – nach Maßgabe des Folgenden – auch Briefe oder E-Mails. Nach dem Gesetzeszweck müssen aber auch nicht-schriftliche Mitteilungen erfasst sein, welche durch das Radio oder mit Lautsprecher (zB im Einkaufspark) verlautbart werden, schon weil sie an einen unbestimmten Adressatenkreis gerichtet sind.14 Frag11 Zu eng Smutny/Mayr 367 und Körber-Risak Rz 178, die von Aufforderung zum Stellen einer Offerte sprechen, weil darunter eigentlich nur ein verbindliches Angebot zu verstehen wäre; treffend Mazal, ecolex 1992, 574. 12 So Smutny/Mayr 367. 13 Mazal, ecolex 1992, 573. 14 Für ein Einbeziehen aller, auch mündlicher Bekanntmachungen an einen größeren Personenkreis Körber-Risak Rz 178 und Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 10.
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lich ist, wo die Grenze zu ziehen ist, wenn der AG gezielt nur gewisse Personen ansprechen will und/oder nur persönliche Kontakte (Einzelbriefe, mündliche Gespräche) zur Suche einsetzt. Das Diskriminierungsverbot und § 9 wollen den AG nicht verpflichten, jeden Arbeitsplatz „auszuschreiben“, sondern nur eine Diskriminierung im Fall einer Ausschreibung verbieten. Der AG kann also auch weiterhin gezielt nicht nur eine, sondern auch mehrere15 individuell bestimmte Personen ansprechen, um sie zu informieren und zu interessieren. Keine Ausschreibung ist die öffentliche Äußerung, das Unternehmen stelle keine Frauen ein. Es fehlt das Angebot eines konkreten Arbeitsplatzes.16 Einer solchen Auslegung steht auch das im Verwaltungsstrafrecht geltende Analogieverbot entgegen. Zwar hat der EuGH in beiden Urteilen anlässlich von Klagen von Vereinigungen zur Bekämpfung von Diskriminierungen ausgesprochen, dass eine öffentliche Äußerung, das Unternehmen stelle Personen bestimmter ethnischer Herkunft oder homosexuelle Personen nicht ein, eine Diskriminierung nach den Gleichbehandlungsrichtlinien (konkret der RL 2000/43/EG und der RL 2000/78/EG) ist. Die Frage, was eine Diskriminierung ist, muss jedoch von der Frage unterschieden werden, welche Rechtsbehelfe zur Feststellung und Sanktionierung der Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgesehen werden. Diese Behelfe müssen nur den Personen offenstehen, die sich für durch die Diskriminierung verletzt halten. Die Befugnisse der Verbände und sonstigen Organisationen nehmen jeweils nur auf die Beteiligung „im Namen der beschwerten Person oder mit ihrer Einwilligung“ Bezug, verlangen also einen konkreten Geschädigten (vgl Art 9 Abs 2 der RL 2000/78/EG, Art 7 Abs 2 der RL 2000/43) und verpflichten die Mitgliedstaaten daher nicht zur Einführung eines kollektiven Klagerechtes oder ähnlicher Sanktionen.17 Zwar können die Mitgliedstaaten nach Art 8 der RL günstigere Vorschriften und insofern auch kollektive Klagerechte von Vereinigungen einführen (wobei die Folgen einer solchen Klage dann eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion iSd der anwendbaren RL sein müssen), sie sind dazu jedoch nicht verpflichtet.18 Öster15 AA Smutny/Mayr 369. 16 EuGH 10.7.2008, C-54/07, Feryn; ebenso 25.4.2013, C-81/12, Asociaţia Accept und 23.4.2020, C-507/18, NH gegen Associazone Avvocatura per diritti LGBTI – Rete Lenford. 17 Ebenso die Schlussanträge von GA Maduro zu C‑54/07. 18 Potz, RdW 2008, 730.
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reich hat von dieser Möglichkeit auch keinen Gebrauch gemacht. Öffentliche Äußerungen können jedoch Bedeutung für die Glaubhaftmachung einer Diskriminierung durch einen konkreten Geschädigten entfalten (vgl § 3 Rz 60). Ebenso wäre denkbar, dass man diskriminierende Äußerungen, die in einem gewissen Zusammenhang mit an sich geschlechtsneutralen Ausschreibungen iSd § 9 Abs 1 stehen, diesen Ausschreibungen inhaltlich „hinzu rechnet“, wodurch dann das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung verletzt wäre19 - so oder so ähnlich dürfte auch der Sachverhalt in der E Feryn gelagert gewesen sein, was aus der E selbst aber nicht hervorgeht. Das Abgrenzungskriterium wird bei der externen Suche der Informa- 10 tionsstand des Suchenden sein: Kennt er die angesprochenen Personen schon gut, spricht er sie also als bekannte Individuen an, dann liegt keine Ausschreibung vor. Sendet er hingegen Briefe an Personen, die er nicht gut kennt (deren Namen er etwa aus einem Verzeichnis herausgesucht oder von einem Datenvermittler bekommen hat), dann liegt eine Ausschreibung vor, auch wenn die Briefe „persönlich“ formuliert sind.20 Das entscheidende Kriterium muss bei der externen Ausschreibung also sein, ob sich die Mitteilung an Personen wendet, die für den AG (oder dessen verantwortlichen Mitarbeiter) noch nicht als Individuen erkennbar sind; er hat noch keine umfassenden Vorstellungen, ob sie für den Arbeitsplatz ernsthaft in Frage kommen. In diesem Sinn kann man sagen, Ausschreibung liegt nur vor, wenn die Mitteilung „Publizität“ erlangt.21 Nach diesem Kriterium scheiden bei externer Suche mündliche Mitteilungen (außer durch Radio und Lautsprecher) weitgehend aus dem Anwendungsbereich des § 9 aus. Anders könnte es aber sein, wenn mehrere Personen, die noch nicht individuell bekannt sind, mündlich (insb durch Telefonanruf) angesprochen werden oder durch eine gezielte mündliche Informationskette informiert werden sollen. Die geplante Aktion tritt hier an die Stelle eines Einheitsbriefes. Auch dies sollte uE unter § 9 fallen.22 Auch bei einer internen Besetzung ist der AG nicht verpflichtet, einen 11 freien Arbeitsplatz auszuschreiben. Er kann ihn vielmehr ohne Aus19 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 19. 20 Ebenso Mazal, ecolex 1992, 573. 21 Mazal, ecolex 1992, 573; Smutny/Mayr 367; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 10. 22 AA Mazal ecolex 1992, 573.
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schreibung mit einer Person seiner Wahl besetzen, ohne gegen § 9 zu verstoßen; auch für diese Besetzung gilt aber § 3, insb Z 5. Allerdings wird bei der internen Ausschreibung die Grenze für das Eingreifen des § 9 wohl niedriger anzusetzen sein, weil der AG die potentiellen Adressaten der Mitteilung ja schon weit besser kennt (oder kennen kann) als bei einer externen Ausschreibung. Eine Ausschreibung wird hier schon vorliegen, wenn der AG mehr als eine Person, die für den freien Arbeitsplatz in Betracht kommen kann, vom freien Arbeitsplatz mit der Aufforderung informiert (oder informieren lässt), sich dafür zu interessieren. Bei der internen Suche werden auch mündliche Informationen ausreichen, weil sonst – va bei höheren Stellen – das Gebot, eine faire Chance zu gewähren, unterlaufen werden kann. Die im Vergleich zur externen Ausschreibung größere Bindung des AG kann damit gerechtfertigt werden, dass der AG seinen AN ja auch aus dem Arbeitsvertrag zur Interessenwahrung verpflichtet ist, und dies – allerdings nur hier – den Inhalt des Diskriminierungsverbotes im Vergleich zu externen Ausschreibungen verstärken kann.
IV. Geschlechtsneutrale Ausschreibung 12 § 9 verbietet jedenfalls eine Ausschreibung, die sich ausdrücklich nur an Frauen oder nur an Männer wendet – außer die Beschränkung ist gerechtfertigt (dazu § 3 Rz 73 ff). Problematisch ist, dass seit einer VfGH-Entscheidung aus 2018 auch nicht-binäre Geschlechter (manchmal auch als „drittes Geschlecht“ bezeichnet, was allerdings vermieden werden sollte) in Österreich rechtlich anerkannt sind, auch vom GlBG im Wege verfassungskonformer Auslegung erfasst werden (vgl § 3 Rz 35 f), jedoch § 9 lediglich eine Ausschreibung nur für Männer oder nur für Frauen verbietet. Unklar ist insofern, ob auch das dritte Geschlecht bei einer Stellenausschreibung berücksichtigt werden muss.23 In diesem Zusammenhang ist über eine analoge Anwendung nachzudenken. Dagegen ist die Verschränkung zwischen § 9 und der Strafnorm des § 10 und damit das verwaltungsstrafrechtliche Analogieverbot eingewendet worden.24 Zumindest die Strafnorm kann jedenfalls nicht analog angewendet werden, eine Lösung im Auslegungsweg scheitert an ihrer eindeutigen Formulierung (§ 10 Rz 1). UE ist aber 23 In Deutschland wird dies bereits bejaht, vgl Gössl/Dannecker/Schulz, NZFam 2020, 145; Körlings, NZA 2018, 282. 24 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 5.
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Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung
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zumindest das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung als solches analog auf nicht-binäre Geschlechter anwendbar.25 Diese „Teilung“ führt auch nicht dazu, dass die Regelung eine lex imperfecta wird, sie kann weiterhin insofern eine Wirkung entfalten, als nicht geschlechtsneutrale Ausschreibungen ein Indiz für eine diskriminierende Auswahlentscheidung sein können (Rz 15). Die Praxis der Stellenausschreibungen ist bislang uneinheitlich. Es kommt hinsichtlich der Geschlechtsneutralität sowohl auf den Blickpunkt der Ausschreibung (Headline) wie auf den sonstigen Inhalt an. Die Berufsbezeichnung muss daher jedenfalls sowohl in weiblicher wie in männlicher Form angeführt sein und uE auch in einer Weise, die es erkennbar macht, dass auch nicht-binäre Geschlechter angesprochen sind. Es genügt nicht, dass das Anforderungsprofil geschlechtsneutral abgefasst ist, wenn die auf die Person bezogenen Bezeichnungen nur auf ein Geschlecht zugeschnitten sind.26 Es müsste also lauten: Sachbearbeiter*in, Koch/ Köch*in; also Formulierungen mit Asterisk*; als zulässig wurde bisher auch die Abkürzung mit Schrägstrich angesehen, also Sachbearbeiter/ in, wobei sie hinsichtlich der nicht-binären Geschlechter problematisch scheint. Das Voranstellen von „ein*e“ vor eine geschlechtsbezogene Bezeichnung ist nicht neutral, weil schon der flüchtige Beobachter die Absicht merkt.27 Die Verwendung einer englischen Bezeichnung reicht nicht, wenn sie nach dem hiesigen Sprachverständnis nur auf ein Geschlecht hindeutet,28 auch wenn im englischen Sprachgebiet diese Textfassung als geschlechtsneutral verstanden wird; es kommt auf den Horizont der angesprochenen Personen an. Die Verwendung einer geschlechtsbezogenen Bezeichnung wird nicht dadurch neutralisiert und zulässig, dass mit der Bezeichnung immer beide Geschlechter gemeint sind,29 weil dies bei einer Ausschreibung den Gesamteindruck nicht ändert. Eine Ausschreibung hat offenkundig einen anderen kommunikativen Zweck als ein Gesetz, daher gelten für sie auch andere Kommunikationsregeln.30 Entgegen der zT offenbar anderslautenden Ansicht der 25 Nicht eindeutig, aber eine Analogie wohl verneinend Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler, GlBG2 § 9 Rz 7. 26 VwGH 30.6.1998, 96/08/0375. 27 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 8. 28 ZB Salesmanager; vgl VwGH 30.6.1998, 96/08/0375. 29 AA noch VwGH 30.6.1998, 96/08/0375; wie hier Smutny/Mayr, und die GBK in ihrem Gutachten. 30 Kritisch zum Sprachgebrauch in der Legistik allgemein Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 7.
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Gleichbehandlungsanwaltschaft erfüllt das hinter die männliche Version eines Wortes gestellte Kürzel „m/w“ bzw unter Einbeziehung der nicht-binären Geschlechter „m/w/d“31 die Anforderungen an eine geschlechtsneutrale Ausschreibung. Die GBK hatte in einem Gutachten gem § 5 Abs 1 Gleichbehandlungsgesetz zum Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung (§ 2c GlBG) vom 28. 4. 2000 die Version „m/w“ noch als Grenzfall, aber nicht als Verstoß gegen § 9 GlBG bezeichnet. Neben dem Blickfang der Ausschreibung (Überschrift oder sonst Hervorgehobenes) hat, wie bereits in der Vorauflage vertreten wurde, auch der übrige Text geschlechtsneutral formuliert zu sein, darf also zB nicht durchgehend von „Mitarbeiter“ sprechen. Eine abwechselnde Verwendung der männlichen oder weiblichen Form schien zulässig (um die „n/in“-Formulierung zu vermeiden), wobei diese Variante in Zukunft bei Berücksichtigung nicht-binärer Geschlechter wohl ausscheidet. Stellenweise ist die Rsp von dieser Ansicht abgewichen und hat es als ausreichend angesehen, wenn das Kürzel „m/w“ und eine geschlechtsneutrale Formulierung nicht konsequent in der gesamten Ausschreibung beibehalten wurde, aber zumindest in der Überschrift enthalten war, kombiniert mit einem klarstellenden Satz am Ende der Ausschreibung/einer Bekräftigung, das beide Geschlechter umfasst sind.32 Dafür wurde der Telos der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung ins Treffen geführt, der Ausschreibungen verhindern soll, durch welche sich ein Geschlecht von vorneherein nicht angesprochen fühlt, was aber eine durchgehende Verwendung neutraler Formulierungen nicht erfordere.33 Zu einem anderen Ergebnis kam das LVwG Salzburg in einem Fall, in dem zwar die Überschrift mit m/w versehen war, der Fließtext jedoch rein männlich gehalten war.34 UE ist eher letzterer Auffassung zuzustimmen, der gesamte Text der Ausschreibung muss zur – geschlechtsneutral formulierten – zentralen Aussage passen. Das schließt wohl nicht aus, dass zumindest vereinzelte nicht geschlechtsneutrale Formulierungen im Text unbeachtlich sind, wenn in einer Gesamtbetrachtung die Ausschreibung sich eindeutig an alle Geschlechter richtet, eine andere Auslegung erscheint übertrieben for31 Letztere Abkürzung ist in der Praxis inzwischen häufiger anzutreffen. 32 Dafür LVwG OÖ 30.10.2016, LVwG-301262/6/KI/SH und LVwG NÖ 21.12.2016, LVwG_S-2649/001-2016; zustimmend Fuchs, RdW 2017/367. 33 Fuchs, RdW 2017/367. 34 LVwG Salzburg 2.2.2016, LVwG-10/257/14-2016; zustimmend Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 8.
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malistisch. Werden mehrere Ausschreibungen in einer Anzeige zusammengefasst, so gelten die Anforderungen für jede Einzelne. Nach § 9 letzter Satz darf die Ausschreibung auch keine zusätzlichen 13 Anmerkungen enthalten, die auf ein bestimmtes Geschlecht schließen lassen. Dies bestärkt das eben Gesagte. Unzulässig sind danach Hinweise, die die Adressierung der Ausschreibung an Frauen wie Männer in schlüssiger oder subtiler Weise wieder zurücknehmen. Unzulässig wäre danach etwa: „Erforderlich ist der abgeleistete Präsenzdienst“ (wobei man ein solches Erfordernis nach überzeugender Ansicht bereits an sich als Diskriminierung von Männern ansehen könnte, womit es von vorneherein nicht zulässig wäre, vgl § 3 Rz 37). Zulässig sind hingegen – wahrheitsgemäße – Hinweise auf Anforderungen des Arbeitsplatzes, wie etwa Mobilität oder zeitliche Flexibilität, auch wenn der Anteil der Frauen, welche diese Anforderungen erfüllen können, meist geringer ist als jener der Männer. Das Aufstellen der Anforderung selbst kann allerdings eine Diskriminierung nach § 3 darstellen, insb wenn sie nicht erforderlich ist (§ 3 Rz 85 f). Zulässig sind Hinweise auf Leistungen des AG für Kinder (zB Betriebskindergarten). Fraglich sind Hinweise auf die gewünschte Erscheinung. Die GBK hält den Wunsch nach „adrettem Äußeren“ für unzulässig, äußerte sich aber nicht zu zB „gepflegtem Äußeren“. UE sind Zusätze, die sich auf das Äußere beziehen, zulässig, wenn sie von jeder Person, die sich bewirbt, potentiell erfüllt werden können; sie benachteiligen daher nach keinem der im GlBG missbilligten Merkmalen spezifisch. Es wird daher auch nicht auf die Art der Tätigkeit ankommen. Auch die Begriffe „Verkäuferpersönlichkeit“ (anstatt neutral Verkaufspersönlichkeit) oder sogar „Profi“ (als Abkürzung von professional) hat die GBK als problematisch gesehen.35 Die diskriminierende Wirkung einer Stellenausschreibung muss sich nicht unbedingt aus ihrer sprachlicher Form ergeben. Auch die visuelle Gestaltung der Stellenausschreibung kann auf subtile Weise zu erkennen geben, dass gezielt Personen eines bestimmten Geschlechts angesprochen oder abgeschreckt werden sollen. Treffend führt Wakolbinger im Zusammenhang mit Stellenausschreibungen und Altersdiskriminierung aus, dass „bei der Beurteilung der Gesetzeskonformität einer Stellenausschreibung auf deren Gesamtgestaltung in Wort (einzelnen Schlagwörter, Wort- und Satzzusammenhang) und Bild (Grafik 35 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 8.
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und Layout) abzustellen“ ist und folglich das gesamte Inserat diskriminierungsfrei gestaltet sein muss.36 Geiblinger hält zu Recht fest, dass eine personenbildbezogene Gestaltung von Stellenausschreibungen durch die optische Darstellung bestimmter Berufe in Form von Fotos und Bildern Diskriminierungspotenzial hat. Klischees, die möglicherweise in der sprachlichen Formulierung der Stellenanzeige nicht enthalten sind, können durch die bildliche Gestaltung aktualisiert werden.37 Einpersonale bildbezogene Stellenausschreibungen können grundsätzlich aufgrund des soeben Gesagten uE den Kautelen des § 9 Abs 1 GlBG nicht entsprechen, da sich durch die Abbildung entweder nur einer Frau oder nur eines Mannes auch nur das jeweilige abgebildete Geschlecht angesprochen fühlt.38 Werden mehrere Personen dargestellt, ist auf die Bildgestaltung im Einzelfall zu achten – welche Personen welchen Geschlechts sind im Vordergrund/Hintergrund, wird ein Geschlecht in Unterordnung zum anderen dargestellt etc. 14 Das Gebot zur geschlechtsneutralen Ausschreibung gilt nicht, falls ein bestimmtes Geschlecht „unverzichtbare Voraussetzung“ für die Ausübung der Tätigkeit ist. Die Ausschreibung sollte darauf ausdrücklich hinweisen. Da es um die Rechtfertigung einer Diskriminierung geht, wird die Frage zu § 3 kommentiert (Rz 73 ff). Die Formulierung von § 9 weicht erstaunlicherweise sowohl von der RL 2006/54/EG als auch von § 20 Abs 1 ab.
V. Entgelttransparenz 14a Seit der Nov 2011 sind AG und private und öffentlich-rechtliche Arbeitsvermittler verpflichtet, das für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz anzuwendende Mindestentgelt bekanntzugeben. Dabei handelt es sich um eine von der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung unabhängige Anordnung.39 Anzugeben ist das kollv oder das durch das Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geltende Mindestentgelt. Es ist über die für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz vorgesehene Einstufung und das danach gebührende Mindestentgelt zu infor36 Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gemäß § 23 Abs 1 GlBG 8. 37 ASoK 2015, 140 (144); zustimmend Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 8. 38 Geiblinger, ASoK 2015, 140 (145). 39 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 23.
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mieren. Unter „anderen Normen der kollektiven Rechtsgestaltung“ ist jedenfalls die BV zu verstehen. Ob von diesem Begriff auch die Substitutionsformen für KollV zu verstehen sind (Satzung, Mindestlohntarif und Lehrlingsentschädigung) ist fraglich. Es handelt sich dabei um hoheitliche, durch das Bundeseinigungsamt erlassene Rechtsakte, nicht um kollektiv ausgehandelte. Dennoch ist uE der Begriff im gegebenen Zusammenhang weit auszulegen. Immerhin sind diese Rechtsakte ebenfalls im ArbVG im Rahmen der kollektiven Arbeitsrechtsgestaltung geregelt, außerdem bedarf die Rechtssetzung durch das Bundeseinigungsamt eines Antrags einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft. Da selbst gesetzliche Mindestregelungen in Stellenausschreibungen anzugeben sind, muss dies arg a maiore ad minus auch für die Substitutionsformen gelten.40 Das Mindestentgelt kann in Stunden-, Wochen- oder Monatsentgelten angegeben werden. Es können auch Bandbreiten genannt werden. Anzugeben ist ein konkreter Bruttobetrag. Ein bloßer Verweis auf die kollektivvertragliche Einstufung genügt nicht. Angaben wie zB „wir zahlen lt Kollektivvertrag“ oder „die Entlohnung liegt über dem Kollektivvertrag“ reichen dabei nicht aus.41 Besteht Überzahlungsbereitschaft gegenüber dem Mindestentgelt, dann ist dies ebenso anzugeben, wobei sich diese Anordnung nur auf das „ob“ und nicht auf die konkrete Höhe der Überzahlung bezieht.42 Fraglich ist, ob auch Zulagen und Zuschläge, die auf Grund der kollek- 14b tiven Normen zwingend zu bezahlen sind, unter den Begriff des Mindestentgelts fallen. Das GlBG verwendet den Begriff „Mindestentgelt“, während das ebenfalls im Jahr 2011 erlassene LSDB-G den Begriff „Grundentgelt“ verwendet hatte, worunter Zulagen und Zuschläge nicht zu verstehen waren. Es ist daher uE davon auszugehen, dass als Mindestentgelt auch die für einen bestimmten Arbeitsplatz zu zahlenden Zulagen wie Schmutz- oder Erschwerniszulagen anzugeben sind.43 Dafür sprechen auch die Mat.44 Nicht angegeben werden können und müssen Entgeltbestandteile, die vom konkret eingestellten AN abhängig sind, wie etwa die Anrechnung bestimmter Vordienstzeiten, Kinderzu40 Siehe Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 9 Rz 9; ebenso Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 37 ff. 41 Schrittwieser, DRdA 2012, 254 (255). 42 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 45. 43 So auch Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 56; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 30. 44 ErläutRV 938 BlgNR 24. GP 6.
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lagen etc. Wird für eine Stelle allerdings Berufserfahrung gefordert, ist diese auch bei der Angabe des Mindestentgelts zu berücksichtigen.45 Keinen Anwendungsbereich hatte die Bestimmung zunächst, wenn es für einen Arbeitsplatz keinerlei generell normierte Mindestentgelte gab. Der Gesetzgeber hat durch die Nov 2013 (BGBl I 2013/107) eine Ausdehnung der Verpflichtung zur Angabe des Mindestentgelts, das als Mindestgrundlage für die Arbeitsvertragsverhandlungen zur Vereinbarung des Entgelts dienen soll, in Stelleninseraten inklusive Strafbestimmungen auf alle AG von AN in Wirtschaftsbranchen vorgenommen, in denen kein Gesetz, KollV oder sonstige Norm der kollektiven Rechtsgestaltung Mindestentgelte vorsieht. Ein Faktor für die unterschiedliche Entlohnung zwischen Frauen und Männern ist die fehlende Information über das ortsübliche Entgelt. Es gestaltet sich in der Praxis oft sehr schwierig, das für einen konkreten Arbeitsplatz gebührende Entgelt festzustellen. Gerade in jenen Bereichen, in denen keine gesetzlich oder kollektiv geregelten Mindestentgelte existieren, ist es für Bewerber/innen besonders schwer, an Informationen zum branchenüblichen Entgelt zu gelangen. Daher erscheinen Entgeltangaben in Stelleninseraten auch in diesen Branchen besonders wichtig, um für die Bewerber/innen eine Ausgangsbasis für das Bewerbungsgespräch zur Verfügung zu stellen. Eine nachvollziehbare Gehaltsfindung kann die Gleichbehandlung fördern, wobei es nicht um Regulierung und Bürokratisierung geht, sondern um Fairness und Überschaubarkeit.46 Das angegebene Entgelt stellt kein bindendes Angebot dar und kann im Einzelfall auch unterschritten werden, etwa wenn der Bewerber nicht alle in der Ausschreibung geforderten Voraussetzungen erfüllt.47 GrafSchimek weist darauf hin, dass im Fall der Vereinbarung eines geringeren als des angegebenen Entgelts der Verdacht einer Diskriminierung naheliegt. Die Einstufung in eine andere Beschäftigungsgruppe als angegeben muss genau begründet und dokumentiert sowie sachlich gerechtfertigt sein.48 14c Ausgenommen von der Verpflichtung zur Angabe des Mindestentgelts, das als Verhandlungsbasis für den Arbeitsvertrag dienen soll, sind Ausschreibungen für Personen gem § 10 Abs 2 Z 2 AKG, dh für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder, wenn das Unternehmen in 45 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 31. 46 ErläutRV 2300 BlgNR 24. GP 3. 47 Shubshizky, ASoK 2013, 322; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 29. 48 ZAS 2016, 198.
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der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben wird, bzw in Unternehmen mit anderer Rechtsform leitende Angestellte, denen dauernd ein maßgeblicher Einfluss auf die Führung des Betriebs zukommt. Für Personen, die vom persönlichen Geltungsbereich eines KollV ausgenommen sind, ist die Verpflichtung zur Entgelttransparenz ebenfalls nicht anzuwenden, da es für diese Personen kein „kollektivvertragliches Entgelt“ gibt. Andererseits arbeiten sie auch nicht in einem Wirtschaftsbereich, in dem es keine kollektiven Entgeltnormen gibt, sodass auch Abs 2 S 2 nicht zur Anwendung kommt.49 Da die Regelung des § 9 Abs 2 S 2 auf „Arbeitsverträge“ Bezug nimmt, ist sie außerdem auf arbeitnehmerähnliche Personen nicht anzuwenden.50
VI. Zu den Rechtsfolgen Primäre Rechtsfolge einer Verletzung des § 9 ist die Möglichkeit, bei 15 schuldhafter Verletzung eine Verwaltungsstrafe nach § 10 Abs 1 oder 2 zu verhängen. Darüber hinaus ist die Verletzung auch privatrechtlich relevant, uzw im Rahmen der §§ 3 und 12. Eine Verletzung des § 9 allein begründet aber noch keine Diskriminierung nach § 3 bei der Einstellung oder Beförderung.51 Sie stellt idR (wenn nicht stets) ein Indiz für die Diskriminierung durch den AG dar und kann häufig schon für sich allein den Diskriminierungstatbestand glaubhaft machen.52 Und eine Verletzung des § 9 erschwert dem AG die Entkräftung, selbst wenn man § 12 Abs 12 wörtlich nimmt, weil eine nicht neutrale Ausschreibung annehmen lässt, dass der AG Angehörige eines Geschlechtes bevorzugen wollte. Hat er trotz der Ausschreibung auch Angehörige des anderen Geschlechtes zur Vorstellung eingeladen, die sich unerschrocken dennoch beworben haben, so reicht dies nicht aus, um den Anschein der Diskriminierung zu entkräften, weil die nicht neutrale Ausschreibung die besser Geeigneten des anderen Geschlechtes schon von der Bewerbung abgehalten haben kann. Vorsicht in Bezug auf die Einordnung als Indiz für eine Diskriminierung ist uE allerdings bei der Außerachtlassung nicht-binärer Geschlechter geboten. Dieses wird von § 9 zumin49 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 34. 50 Das entspricht auch der Intention der Materialien; s ErläutRV 2300 BlgNR 24. GP 3. 51 OGH 12.1.2000, 9 ObA 318/99a. 52 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 9 GlBG Rz 5; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz ; BVerfG NZA 1994, 745; vgl auch OGH 21.10.1998, 9 ObA 264/98h.
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dest dem Wortlaut nach nicht erfasst und es ist – je nach Größe des Betriebs – zunächst zu prüfen, ob sich der AG der Problematik überhaupt bewusst war oder die Weglassung nicht-binärer Geschlechter nicht vielmehr auf einem Irrtum beruht, insbesondere da angesichts der Untätigkeit des Gesetzgebers anders als bei der Ausschreibung nur für Männer oder Frauen die Rechtslage hier alles andere als klar ist. Somit kann wohl nicht jedem AG von vorneherein unterstellt werden, er wolle bei nicht auf das „dritte Geschlecht“ Rücksicht nehmenden Ausschreibungen dessen Angehörige tatsächlich ausgrenzen.53 16 Eine Verletzung des § 9 allein begründet keine Ersatzansprüche gegen den AG nach § 12.54 In § 12 ist § 9 bewusst nicht genannt. Schon aufgrund dieses erkennbaren Willens des Gesetzgebers kann die Verletzung allein auch keine Ersatzansprüche aus culpa in contrahendo begründen. Gegen Ersatzansprüche, etwa wegen entgangenen Verdienstes, spricht überdies entscheidend, dass die nicht neutrale Ausschreibung niemanden hindert, sich trotzdem zu bewerben. Der Schutzzweck der Norm verlangt hier nicht die Sanktionierung durch Schadenersatz; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler halten Vermögensschäden rein wegen einer nicht geschlechtsneutralen Ausschreibung auch für praktisch kaum möglich, einen Ersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung scheiden sie zutreffend aufgrund fehlender Grundlage im Gesetz aus.55 Smutny/Mayr56 und Körber-Risak57 wollen einen Ersatzanspruch hingegen wohl bejahen, wenn wegen der Ausschreibung eine Bewerbung unterblieben ist (ebenso Kletecˇka/Köck, § 12 Rz 63); aus der E OGH 12.1.2000, 9 ObA 318/99a folgt dies uE – entgegen Smutny/Mayr und Körber-Risak – aber wohl nicht. Jedenfalls scheidet eine direkte Anwendung von § 12 Abs 1 aus, da diese Bestimmung Bewerbereigenschaft voraussetzt und eine solche bei Personen, die sich aus welchen Gründen auch immer gerade nicht beworben haben, nicht vorliegt. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens (die Angehörigen des nicht erwähnten Geschlechtes hätten den Posten auch bei korrekter Ausschreibung nicht erhalten) würde hingegen nicht durchdringen, wenn man der hM zum Schadenersatzrecht folgt, welche diesen Einwand bei Verfahrensvorschriften nicht zum Zuge kommen lassen 53 Ähnlich Horcher in BeckOK AGG § 11 Rz 11. 54 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 18. 55 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 9 Rz 18. 56 Kommentar 374. 57 Rz 184.
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will. In dem zweiten von Körber-Risak behandelten Fall, dass ein Stellenbewerber sich nicht von der inkorrekten Ausschreibung abhalten lässt und dann bei der Bewerbung wegen einem verpönten Merkmal diskriminiert wird, bedarf es des § 9 Abs 1 nicht, ein solcher Sachverhalt würde ohnehin (ob mit oder ohne Ausschreibung) von § 3 umfasst sein. Der dritte Arbeitsvermittler haftet dem AN idR nicht auf Schadener- 17 satz wegen Diskriminierung, weil das Gesetz ihn in § 12 nicht als Verpflichteten nennt.58 Er wird aber den Interessenten bei Diskriminierung – etwa im Inserat oder beim Gespräch – wohl zur Nennung des Auftraggebers und wenn er dies nicht tut, zum Schadenersatz wegen Verletzung eines Schutzgesetzes verpflichtet sein; vgl auch § 3 Rz 16.
Strafbestimmungen § 10. (1) Wer als Arbeitsvermittler/in entgegen den Bestimmungen
des § 9 Abs. 1 einen Arbeitsplatz nur für Männer oder Frauen ausschreibt, ist auf Antrag eines/einer Stellenwerbers/Stellenwerberin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen. (2) Wer als Arbeitsvermittler/in entgegen den Bestimmungen des § 9 Abs. 2 in die Stellenausschreibung die in Abs. 2 angeführten Angaben nicht aufnimmt, ist auf Antrag eines/einer Stellenwerbers/ Stellenwerberin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin beim ersten Verstoß von der Bezirksverwaltungsbehörde zu ermahnen und bei weiteren Verstößen mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen. (3) Wer als Arbeitgeber/in 1. entgegen den Bestimmungen des § 9 Abs. 1 einen Arbeitsplatz nur für Männer oder Frauen ausschreibt oder 2. entgegen den Bestimmungen des § 9 Abs. 2 in die Stellenausschreibung die in darin angeführten Angaben nicht aufnimmt, ist auf Antrag eines/einer Stellenwerbers/Stellenwerberin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Män58 AA Körber-Risak Rz 103.
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nern in der Arbeitswelt oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin beim ersten Verstoß von der Bezirksverwaltungsbehörde zu ermahnen und bei weiteren Verstößen mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen. (4) In einem auf Antrag des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung des § 9 ist diese/r Partei. Dem/der Anwalt/Anwältin oder dem/der Regionalanwalt/Regionalanwältin steht das Recht auf Beschwerde gegen Bescheide und Einspruch gegen Strafverfügungen zu. Literatur: Rebhahn, § 1 UWG und die Verletzung arbeitsrechtlicher Vorschriften, wbl 2006, 1; Unterrieder, Das Mindestentgelt in Stellenausschreibungen, RdW 2011/159; Raschauer/Wessely, Verwaltungsstrafgesetz2 (2016); Kolonovits/ Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019); Körber-Risak, Die Gleichbehandlungspflichten im Arbeitsrecht, in Gruber-Risak/Mazal (Hrsg), Das Arbeitsrecht (37. Lfg 2021); Wiebe/Kodek (Hrsg), UWG2 (78. ErgLief 2021).
1 § 10 ist eine Ergänzung zu § 9, und soll die Einhaltung der Vorschrift absichern, weil eine Verletzung des § 9 für sich allein noch keine Diskriminierung begründet. Zum persönlichen Geltungsbereich der Strafbestimmung, insb im Hinblick auf Arbeitsvermittler, vgl § 9 Rz 4. Beim Arbeitsvermittler werden Verletzungen des § 9 Abs 1 sofort mit einer Verwaltungsstrafe bedroht, Verstöße gegen Abs 2 sind jedoch beim ersten Verstoß bloß zu ermahnen. Mit Arbeitsvermittler sind dabei die beiden Kategorien von Vermittlern in § 9 Abs 1 (private Arbeitsvermittler gem §§ 2 ff des Arbeitsmarktförderungsgesetzes und mit der Arbeitsvermittlung betraute juristische Personen öffentlichen Rechts) gemeint.1 Ein AG ist hingegen auf jeden Fall beim ersten Mal bloß zu ermahnen. Das widerspricht der RL 2006/54/EG, die zwar nicht die Ausschreibung, sehr wohl aber eine wirksame Sanktion gegen eine diskriminierende Ausschreibung verlangt.2 Die EB zur RV sagen, die Beschränkung auf eine Verwarnung sei erfolgt, um Härtefälle vor allem bei Kleinunternehmen zu vermeiden; allerdings gilt die Regelung auch für Großunternehmen, und sie stellt nicht darauf ab, ob eine Härte vorliegt. Des Weiteren ist für kleinere Unternehmen auch sonst keine Aus1 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 10 Rz 2. 2 Treffend Körber-Risak Rz 183; kritisch daher auch Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler, GlBG2 § 10 Rz 6.
400
Strafbestimmungen
§ 10
nahme von den Diskriminierungsverboten vorgesehen. Verwarnung und Strafe dürfen allerdings nur auf Antrag einer der in Abs 1 oder 2 genannten Personen/Organe verhängt werden (Antragsdelikt). Aufgrund der eindeutigen Formulierung der Strafbestimmung allein in Hinblick auf Männer und Frauen ist uE, selbst wenn man eine analoge Anwendung von § 9 Abs 1 auf nicht-binäre Geschlechter vertritt, eine Strafbarkeit für eine dagegen verstoßende Stellenausschreibung bereits aufgrund des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ und des auch im Verwaltungsstrafrecht geltenden Analogieverbotes (§ 1 Abs 1 VStG) ausgeschlossen. Voraussetzung der Strafbarkeit ist nach § 5 Abs 1 VStG Verschulden. 2 Das Tatbild der beiden Tatbestände des § 10 besteht jedoch in einem bloßen Zuwiderhandeln gegen ein Verbot und damit in einem „Ungehorsamsdelikt“; bei diesen wird gem § 5 Abs 1 VStG (nur) das Verschulden widerleglich vermutet. Die Behörde hat aber auch hier die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes nachzuweisen, was jedenfalls bei schriftlichen Ausschreibungen nicht schwierig sein dürfte. Liegen Anhaltspunkte vor, die am Verschulden des Beschuldigten Zweifel lassen, so hat die Behörde auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären.3 Bemerkenswert ist die Parteistellung eines Organs nach Abs 4; die An- 3 wältInnen haben diese Parteistellung aber nur, wenn sie einen Strafantrag gestellt haben – aber wohl auch, wenn daneben auch ein Stellenbewerber den Antrag gestellt hat. Die Organparteien können insb auch rechtlich vorgehen und Einspruch erheben, falls die Bezirksverwaltungsbehörde eine zu geringe oder keine Strafe verhängt.4 Mangels Erwähnung dieses Rechtsmittels besteht aber kein Recht der AnwältInnen auf Erhebung einer Revision an den VwGH,5 eine entsprechende Analogie wurde vor dem Hintergrund, dass mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 20126 lediglich das Wort „Berufung“ durch „Beschwerde“ ersetzt wurde, abgelehnt. Das effektivste Mittel, nämlich den Antrag von gesetzestreuen anderen Unternehmern (Mitbewerber des AG), sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor. Allerdings wäre zu 3 Vgl auch Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht Rz 1008 f, Wessely in Raschauer/Wessely, VStG § 5 Rz 30. 4 Ebenso ErläutRV 307 BlgNR 22. GP 13. 5 VwGH 23.6.2014, Ra 2014/11/0017. 6 BGBl I 2013/71.
401
§ 10
Rebhahn / Windisch-Graetz
erwägen, bei konsequenter Verletzung arbeitsrechtlicher Vorschriften diesen Mitbewerbern die Klage nach § 1 UWG zu eröffnen. Die Möglichkeit dieser Klage bei Rechtsbruch durch Verletzung arbeitsrechtlicher Normen, die für den Kläger wie für den Beklagten gelten, ist soweit zu sehen bisher vom OGH bereits im Zusammenhang mit dem normativen Teil eines Kollektivvertrags7 sowie arbeitszeit- und arbeitsruherechtlicher Vorschriften8 entschieden worden. Sie sollte auch grds bejaht werden, wenn und weil ein Unternehmer durch häufige Diskriminierung einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen möchte.9 Problematisch ist dann aber noch immer die Beweislage des Mitbewerbers; ebenso ist zu überlegen, ob in einem solchen Fall der Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und einer möglichen Verschiebung der Marktposition noch ausreicht.10 4 Zu § 10 besteht eine Parallelbestimmung in § 23 hinsichtlich der Diskriminierung nach dem II. Teil des GlBG, die mit ihr fast ident ist, mit Ausnahme der antragsberechtigten Anwaltschaften. Wiederholt wird in § 23 Abs 2 auch das in § 9 Abs 2 enthaltene Gebot zur Angabe des Mindestentgelts. Dies ist der wenig sinnvollen Systematik des GlBG geschuldet, wirft aber zwangsläufig die Frage auf, wie das Verhältnis der beiden Bestimmungen sowie (wichtiger) der korrespondierenden Strafnormen zueinander (insb in Hinblick auf das Doppelverfolgungsund Doppelbestrafungsverbot gem Art 4 des 7. Zusatzprotokolls der EMRK) ist.11 Angesichts der Verdoppelung der Strafnormen könnte man zunächst zu dem Schluss kommen, es würden zwei Verwaltungsübertretungen verwirklicht werden, wenn die Verpflichtung, das für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz geltende Mindestentgelt anzugeben und auf eine allfällige Überzahlungsbereitschaft hinzuweisen, verletzt wird. Schon mit Blick auf die allgemeine Vorschrift im VStG zur Auflösung von Konkurrenzen (§ 22 Abs 1 VStG) ist es überzeugender, hier eine Scheinkonkurrenz anzunehmen, sodass nur eine Strafe verhängt werden kann.12 7 OGH 30.5.1990, 4 Ob 79/90. 8 OGH 14.5.2001, 4 Ob 112/01a. 9 Vgl allg Heidinger/Handig/Wiebe/Frauenberger/Burgstaller in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 823 ff, 967 f. 10 Eingehend zu dieser Frage Rebhahn, wbl 2006, 1. 11 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 10 Rz 9. 12 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 10 Rz 12; Unterrieder, RdW 2011/159 (156).
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Einkommensbericht
§§ 11, 11a
Entlohnungskriterien § 11. Betriebliche Einstufungsregelungen und Normen der kollek-
tiven Rechtsgestaltung haben bei der Regelung der Entlohnungskriterien den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit oder eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, zu beachten und dürfen weder Kriterien für die Beurteilung der Arbeit der Frauen einerseits und der Arbeit der Männer andererseits vorschreiben, die zu einer Diskriminierung führen. Der Gesetzesinhalt gehört systematisch eindeutig zur Verbotsnorm des 1 § 3 und dessen Ergänzung in § 5. Anstelle von § 11 hätte der Gesetzgeber besser in § 3 (oder 5) folgenden Absatz eingefügt: Das Verbot der Diskriminierung beim Entgelt gilt sowohl bei gleicher wie bei gleichwertiger Arbeit. Zur Verdeutlichung hätte er noch anfügen können: Dies gilt insbesondere für Normen der kollektiven Rechtsgestaltung und betriebliche Einstufungsregelungen, und hierbei auch für die Kriterien der Entlohnung und der Arbeitsbeurteilung. Die Kommentierung erfolgt daher im Rahmen des § 3, insb bei den Rz 100 ff.
Einkommensbericht § 11a. (1) Jede/r Arbeitgeber/in, der/die dauernd die in § 63 Abs. 6 festgelegte Zahl von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen beschäftigt, ist verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht zur Entgeltanalyse zu erstellen. Dieser Bericht hat Angaben über 1. die Anzahl der Frauen und die Anzahl der Männer in den jeweiligen kollektivvertraglichen oder – wenn verfügbar – betrieblichen Verwendungsgruppen; 2. die Anzahl der Frauen und die Anzahl der Männer in den – wenn verfügbar – einzelnen Verwendungsgruppenjahren der anzuwendenden Verwendungsgruppen; 3. das Durchschnitts- oder Medianarbeitsentgelt von Frauen und von Männern im Kalenderjahr in den jeweiligen kollektivvertraglichen oder – wenn verfügbar – betrieblichen Verwendungsgruppen und – wenn verfügbar – Verwendungsgruppenjahren zu enthalten. Das Arbeitsentgelt von Teilzeitbeschäftigten ist auf Vollzeitbeschäftigung und das von unterjährig Beschäftigten auf Jahresbeschäftigung hochzurechnen. Gibt es kein anzuwendendes
403
§ 11aBertsch kollektivvertragliches oder betriebliches Verwendungsgruppenschema, so sind anstelle von Verwendungsgruppen Funktionsgruppen entsprechend der betrieblichen Tätigkeitsstruktur zu bilden. (2) Der Bericht ist in anonymisierter Form zu erstellen. Der Bericht darf keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulassen. (3) Der Bericht ist dem Zentralbetriebsrat oder – wenn kein Zentralbetriebsrat besteht – den Betriebsausschüssen oder – soweit kein Betriebsausschuss errichtet ist – den Betriebsräten im ersten Quartal des auf das Berichtsjahr folgenden Kalenderjahres zu übermitteln. Der (Zentral-)Betriebsrat bzw. Betriebsausschuss kann eine Beratung darüber verlangen. In Unternehmen, die dem Post-Betriebsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 326/1996, unterliegen, kommen diese Befugnisse dem Zentralausschuss, wenn ein solcher nicht besteht, den Personalausschüssen, soweit solche nicht bestehen, den Vertrauenspersonenausschüssen zu. Die Organe der Arbeitnehmerschaft können im Rahmen ihrer Tätigkeit Auskunft an die Arbeitnehmer/innen über die für sie relevanten Informationen erteilen. Besteht in einem Betrieb kein Organ der Arbeitnehmerschaft oder besteht ein solches Organ für eine Gruppe von Arbeitnehmer/ inne/n nicht, ist der Bericht im Betrieb in einem allen Arbeitnehmer/inne/n oder allen gruppenzugehörigen Arbeitnehmer/innen zugänglichen Raum aufzulegen und darauf in einer Betriebskundmachung hinzuweisen. § 13 gilt sinngemäß. (4) Über den Inhalt des Einkommensberichtes ist der/die Arbeitnehmer/in zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dem stehen die Einholung von Rechtsauskünften oder Rechtsberatung durch Interessenvertretungen und sonstige Personen oder Einrichtungen, die ihrerseits einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen, sowie die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung von Ansprüchen nach diesem Bundesgesetz oder eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission nicht entgegen. (5) Bei Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht gemäß Abs. 4 ist der/die Arbeitnehmer/in, sofern die Tat nach anderen Gesetzen nicht einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen, wenn der/die Arbeitgeber/in binnen sechs Wochen ab Kenntnis von dem Verstoß und der Person des/der Täters/Täterin bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einen Strafantrag stellt (Privatankläger/in). Auf das Strafverfahren ist § 56 Abs. 2 bis 4 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52, anzuwenden. Die Behörde 404
Einkommensbericht
§ 11a
kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin geringfügig ist und die Folgen der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht unbedeutend sind. Sie kann den/die Arbeitnehmer/ in jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den/die Arbeitnehmer/in von weiteren Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht nach Abs. 5 abzuhalten. (6) Die in Abs. 3 genannten Organe der Arbeitnehmerschaft haben oder – soweit diese nicht bestehen – der/die Arbeitnehmer/in hat nach Maßgabe des Abs. 3 Anspruch auf Erstellung und Übermittlung bzw. Information über den Einkommensbericht. Der Anspruch ist gerichtlich geltend zu machen. Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 1486 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, wobei die Frist mit dem Ablauf des ersten Quartals des auf das Berichtsjahr folgenden Kalenderjahres zu laufen beginnt. Materialien: Regierungsvorlage: 938 BlgNR 24. GP; Ausschussbericht 1047 BlgNR 24.GP. Literatur: Schrank, Die geschlechtsdifferenzierende Entgeltberichtspflicht größerer Arbeitgeber gemäß § 11a GlBG: Teil 1 und 2, RdW 2011, 542 und 599; Konstatzky/Schrittwieser, Einkommenstransparenz: Paradigmenwechsel bei der Durchsetzung von Entgeltgleichheit? ecolex 2011, 588; Konstatzky/Schneller, Einkommensberichte, Verschwiegenheitspflichten und Ermittlungsrechte, ecolex 2011, 591; Kasper, Aktuelles zum Gleichbehandlungsrecht, AnwBl 2011, 310; Nowotny/Wohlfahrt, Der Einkommensbericht im novellierten BundesGleichbehandlungsgesetz, RWZ 2011, 290; Ritzberger-Moser, Neues aus der Gesetzgebung, ZAS 2011, 141; Firlei, Entgelttransparenz ultralight – der Einkommensbericht gemäß § 11a GlBG, DRdA 2011, 238; Schindler, Replik zu Firlei, Einkommensberichte: „Ultralight“ oder ein spannender Paradigmenwechsel? DRdA 2011, 491; Firlei, Duplik zu Schindler, Einkommensberichte: “Ultralight” oder ein spannender Paradigmenwechsel? DRdA 2011, 493; Rosenmayr/Sacherer, Gleichbehandlungsgesetz 2011, ZAS 2011, 52; Österreichischer Gewerkschaftsbund (Hrsg), Leitfaden zum Einkommensbericht in Unternehmen (2011); Eigner/Körber-Risak, Der Arbeitgeberbegriff des § 11a GlBG – Wer ist Adressat der Berichtslegungspflichten im Unternehmen und Konzern? ecolex 2011, 595; Witt-Löw, Einkommensbericht: Ein Praxis-Ratgeber (2014); Schwab, Einkommensberichte in Theorie und Praxis, JAP 2014/2015/3; Geiblinger, Entgeltgeheimhaltungsklauseln und deren Wirksamkeit, ecolex 2014, 63; Gahleitner, Judikaturentwicklungen im Gleichbehandlungsrecht, ASoK 2016, 209; WindischGraetz, § 11a GlBG, in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018); Gahleitner, 40 Jahre Gleichbehandlungsgesetz – Europäische Impulse bei der Gleichstellung der Geschlechter, DRdA 2019, 391; Felten, Der
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§ 11aBertsch Einkommensbericht gem § 11a GlBG: Einkommenstransparenz versus Verschwiegenheitspflicht, DRdA 2019, 16; Felten/Konstatzky/Schrittwieser, Lohngleichheit: Einkommenstransparenz und Rechtsdurchsetzung (2019); Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (86. ErgLief 2020); Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 (2021); Körber-Risak, Die Gleichbehandlungspflichten im Arbeitsrecht, in Gruber-Risak/Mazal (Hrsg), Das Arbeitsrecht (37. Lfg 2021) Rz 185a; Jabornegg/Resch/Fördermayr, ArbVG (62. ErgLief 2021).
Inhaltsübersicht I. Entstehung und Anwendungsbereich...................................................... 1 II. Inhalt des Einkommensberichts................................................................ 8 III. Anonymisierung und Geheimhaltungspflichten.................................... 13 IV Anspruchsberechtigte und Durchsetzung............................................... 20 V Rechtsfolgen des Einkommensberichts.................................................... 29
1
I. Entstehung und Anwendungsbereich § 11a GlBG wurde durch die Novelle BGBl I 2011/7 eingeführt. Der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Novelle das erklärte Ziel, die Einkommenstransparenz zu erhöhen und damit wirtschaftliche und soziale Teilhabe zu fördern. Nach dem damals aktuellen Einkommensbericht des Rechnungshofes verdienten unselbstständig erwerbstätige Frauen im Jahr 2007 durchschnittlich um 41% bzw bei Außerachtlassung aller nicht ganzjährig Vollzeitbeschäftigter immer noch 22% weniger als unselbstständig beschäftigte Männer. Laut den Mat1 ließe sich mehr als die Hälfte dieses Unterschieds nicht durch soziale oder berufliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen erklären. Das seit mehr als dreißig Jahren bestehende Recht auf gleiches Entgelt habe zu keiner nachhaltigen Verbesserung geführt, da es in der Praxis oftmals schwierig sei, die Entgeltdaten von Vergleichspersonen zu ermitteln. Aus diesem Grund wurde ein Nationaler Aktionsplan zur Gleichstellung von Männern und Frauen erarbeitet.2 § 11a reiht sich dabei in ein Paket weiterer, der Einkommenstransparenz förderlicher Maßnahmen ein, namentlich der Verpflichtung nach § 9 Abs 2, in Stelleninseraten den Mindestlohn und die Möglichkeit zur Überzahlung anzugeben, sowie der Befugnis der AnwältInnen für Gleichbehandlung und der Senate der Gleichbehandlungskommission, im Falle einer vermuteten Entgeltdiskriminierung Auskünfte über Vergleichspersonen von den Sozial1 RV 938 BlgNR 24. GP 3. 2 Vgl dazu Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 21.
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Einkommensbericht
§ 11a
versicherungsträgern einzuholen. Anders als viele Bestimmungen des GlBG basiert § 11a nicht auf einer unionsrechtlichen Vorgabe; insbesondere nicht auf der RL 2006/54/EG. Er kann jedoch als Maßnahme zur Sicherstellung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen nach Art 157 AEUV gesehen werden.3 Ursprüngliches Vorbild dürfte die Rechtslage in Schweden gewesen sein.4 Die Endfassung der Bestimmung ist allerdings wesentlich weniger umfassend als ihr ausländisches Vorbild. Eine Verpflichtung zur Erstellung eines Einkommensberichts normiert auch § 6a B-GlBG, der im Gegensatz zu jenem nach § 11a nur das Medianeinkommen vorsieht und zu veröffentlichen ist. Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist der „GenderPay-Gap“ niedriger als im privaten Bereich (12,5% im Jahr 2014 bis 2016; 11,9 % gemäß Einkommensbericht 2017). Die Regelung des § 11a GlBG wurde bereits bei ihrem Entstehen in der Lit wegen ihrer Halbherzigkeit und mangelnden Effizienz kritisiert. Sie begnügt sich mit recht lapidaren Begriffen, die sie nicht definiert, und hat insgesamt starken Kompromisscharakter. Ebenfalls sieht sie durch Anordnung einer Geheimhaltungspflicht eine strenge Beschränkung des Einkommensberichts auf das jeweilige Unternehmen vor. Die Zahlen des allgemeinen Einkommensberichts des Rechnungshofes aus 2020 ergeben allerdings, dass sich der Einkommensnachteil der Frauen verringert hat; so beträgt etwa der Einkommensunterschied beim mittleren Bruttojahreseinkommen zwischen den ganzjährig Vollzeitbeschäftigen im Jahr 2019 nur mehr etwa 14%.5 Auch nach dem EU-weiten Indikator Gender Pay Index sinkt der Lohnunterschied in Österreich kontinuierlich,6 liegt aber mit ca 19% immer noch deutlich über dem EU-Schnitt von aktuell 14,1%.7 Angesichts der bestehenden Fragen wurde 2013 vom Bundesministerium für Bildung und Frauen in Zusammenarbeit mit dem ÖGB ein Praxis-Ratgeber samt Tipps und Mustern für die Erstellung eines Einkommensberichts veröffentlicht und 2014 neu aufgelegt.8 Zu beachten ist, dass es sich um einen bloßen Ratgeber eines Ministeri3 Felten, DRdA 2019, 17; ders in Felten, Lohngleichheit Rz 2.6. 4 Zur Lage in anderen europäischen Staaten vgl auch Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler, GlBG2 § 11a Rz 14 ff. 5 Allgemeiner Einkommensbericht 2020, 24. 6 https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=earn_gr_gpgr2& lang=de (abgefragt am 14.7.2021). 7 https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/so ziales/gender-statistik/einkommen/index.html (abgefragt am 14.7.2021). 8 Witt-Löw, Einkommensbericht: Ein Praxis-Ratgeber (2014).
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§ 11aBertsch ums handelt und die darin geäußerten Ansichten somit nicht verbindlich sind. Gerichtsentscheidungen zu § 11a sind bisher soweit ersichtlich keine ergangen. 2 Mit § 11a hat der österr Gesetzgeber eine Norm mit scheinbar kollektivem Charakter im ansonsten individualarbeitsrechtlich geprägten GlBG geschaffen, bleibt aber in ihrer Abgrenzung unscharf. Einerseits verwendet sie den vertraglich konnotierten Begriff des AG, andererseits sieht sie offensichtlich Befugnisse von Organen der betrieblichen Interessenvertretung vor. Die Norm steht in einem Spannungsverhältnis zwischen Kollektiv- und Individualarbeitsrecht, das vom Gesetzgeber nicht aufgelöst wurde. Dies führt vor allem im Hinblick auf den unsauber definierten Anwendungsbereich zu Schwierigkeiten. 3 § 11a definiert den Anwendungsbereich durch Verweis auf die Inkrafttretensbestimmung des § 63 Abs 6 GlBG. Nach dieser Bestimmung soll die Verpflichtung zur Erstellung eines Einkommensberichts für AG mit mehr als 1.000 dauernd beschäftigten AN am 1. März 2011 in Kraft treten, für solche mit mehr als 500 am 1.1.2012, für solche mit mehr als 250 am 1. 1. 2013 und für solche mit mehr als 150 am 1. 1. 2014. Der Bericht ist jeweils für das Vorjahr aufzustellen. Durch die gewählte Größe der Betriebe soll gewährleistet werden, dass keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sind und den Erfordernissen des Datenschutzes Genüge getan wird, wenngleich sich weiterhin Probleme infolge der Größe einiger Vergleichsgruppen ergeben können (siehe Rz 14). Das „gestaffelte“ Inkrafttreten ist kritisiert worden, da somit ursprünglich nur (sehr) große Unternehmen unter die Berichtspflicht fielen.9 Laut AB hatte der Einkommensbericht ursprünglich auch nur etwa 200 Unternehmen österreichweit betroffen. Infolge Ablaufs aller der in § 63 Abs 6 genannten Fristen gilt die Verpflichtung zur Aufstellung eines Einkommensberichts nunmehr für alle AG, die dauernd mehr als 150 AN beschäftigen. Für kleinere Unternehmen, die einen nicht unwesentlichen Teil des österreichischen Marktes ausmachen, besteht hingegen keine Verpflichtung zur Gewährung solcher Einkommenstransparenz. Damit liegt Österreich immer noch deutlich hinter dem Vorbild Schweden, wo die Berichtspflicht bereits ab 25 AN besteht.
9 Firlei, DRdA 2011, 238.
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Einkommensbericht
§ 11a
§ 11a enthält keine eigene Definition des anzuwendenden Arbeitneh- 4 merbegriffs. Es ist vom für das GlBG maßgeblichen vertraglichen Arbeitnehmerbegriff samt der in § 1 Abs 3 vorgenommenen Modifikation (arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter) auszugehen.10 Allein darin, dass § 11a Kompetenzen des (Zentral-)Betriebsrats anordnet, lässt sich noch kein impliziter Verweis auf den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff gem § 36 ArbVG erblicken,11 zumal die Bestimmung eine subsidiäre Regelung im Falle des Fehlens eines (zuständigen) Betriebsrates enthält und somit keine rein betriebsverfassungsrechtliche Norm ist. Da das GlBG in § 1 Abs 3 letzter Satz anordnet, dass Heimarbeiter und arbeitnehmerähnliche Personen für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes „als Arbeitsverhältnisse gelten“, sind sie in den Einkommensbericht miteinzubeziehen.12 Dies bedeutet insb, dass auch freie Dienstnehmer gem § 4 Abs 4 ASVG, die idR das Kriterium der Arbeitnehmerähnlichkeit erfüllen werden, in den Geltungsbereich des § 11a miteinzubeziehen sind.13 Teilzeitbeschäftigte sind bereits aufgrund der Teilzeitregelung in § 11a Abs 1 vorletzter Satz erfasst. Eine Unterscheidung in Arbeiter, Angestellte und ggf Lehrlinge erfolgt nur mittelbar im Wege der unterschiedlichen Verwendungs- bzw Lohn- und Tätigkeitsgruppen. Eindeutig nicht zu berücksichtigen sind nicht arbeitnehmerähnliche freie Dienstnehmer und Werkunternehmer, ebenso wenig Ausbildungsverhältnisse, denen keine Arbeitsverträge zugrunde liegen. Schwierig ist die Rechtslage bei leitenden Angestellten nach § 36 Abs 3 Z 1 u 2 ArbVG und bei überlassenen Arbeitskräften im Beschäftigerbetrieb. Da § 11a Abs 3 Kompetenzen des Betriebsrates vorsieht, wurde teilweise geschlossen, leitende Angestellte wären nicht in den Einkommensbericht einzubeziehen.14 UE sprechen aber gewichtigere Gründe für ihre Einbeziehung, da § 11a gerade keine Anwendung des Arbeitnehmerbegriffes nach ArbVG vorsieht. Freilich wird eine Einbeziehung leitender Angestellter häufig daran scheitern, dass keine ausreichend große Vergleichsgruppe zustande kommt (siehe dazu Rz 14). Für überlassene Arbeits10 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 29; Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.7 ff; Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52 (54); aA Firlei, DRdA 2011, 238 (239). 11 Ebenso Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.10. 12 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.12; aA Schrank, RdW 2011, 542 f. 13 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.15. 14 Schrank, RdW 2011, 542 (543).
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§ 11aBertsch kräfte gilt gem § 6a AÜG hinsichtlich der Beschäftigung im Betrieb des Beschäftigers auch der Beschäftiger als AG der überlassenen Arbeitskräfte im Sinne der Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverbote, die für vergleichbare AN des Beschäftigers gelten. § 6a Abs 2 AÜG betont diesbezüglich insb die Auswahl der überlassenen Arbeitskräfte und die sonstigen Arbeitsbedingungen, zu denen auch die Beendigung einer Überlassung zählt. Aus der Verpflichtung des Überlassers als arbeitsvertraglicher AG, der überlassenen Arbeitskraft das Entgelt zu zahlen und der vorsichtig klarstellenden Regelung des § 6a Abs 2 AÜG lässt sich uE ableiten, dass die Einbeziehung der überlassenen Arbeitskräfte in den Einkommensbericht durch den Beschäftiger grds nicht erfolgen soll. Überlassene Arbeitskräfte sind daher grds im Einkommensbericht des Überlassers zu berücksichtigen.15 In Unternehmen, welche sehr viele oder sogar ausschließlich überlassene Arbeitskräfte einsetzen oder einzelne überlassene Arbeitskräfte über längere Zeit, mag es jedoch aufgrund der ansonsten eintretenden verzerrenden Wirkung erforderlich sein, überlassene Arbeitskräfte auch im Einkommensbericht des Beschäftigers zu berücksichtigen. 5 Auch der Begriff der „dauernd“ beschäftigten Zahl von AN wird vom GlBG nicht näher präzisiert. Er wird sich auf den durchschnittlichen Beschäftigungsstand des Unternehmens im Berichtsjahr beziehen,16 wobei hier anders als nach manchen beim Inhalt des Berichts keine Doppelzählung von AN, die unterjährig ihre Verwendungsgruppe oder ihr Gruppenjahr ändern, stattfindet. Eine andere Lösung, wonach für die dauernde Beschäftigung auf die Beschäftigtenzahl zu einem bestimmten Stichtag abgestellt wird, ist aus § 11a nicht ableitbar und wird soweit ersichtlich auch nirgends vertreten. In den Einkommensbericht aufzunehmen, also darin abzubilden, sind alle AN, die während des betreffenden Kalenderjahres im Unternehmen beschäftigt waren.17 Nirgendwo in § 11a wird statuiert, dass nur „dauernd beschäftigte AN“ in den Bericht einzubeziehen sind. Das Erfordernis, dass „dauernd eine bestimmte Zahl an AN“ beschäftigt wird, bezieht sich nur auf die Bestimmung der Schwelle für die Berichtspflicht und ist auch vom indivi15 Schrank, RdW 2011, 542; Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52 (54); Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.11; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 29; aA Eigner/Körber-Risak, ecolex 2011, 595 (596) unter Verweis auf die Pflicht zur Bereithaltung von Lohnunterlagen nach § 22 LSD-BG. 16 Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52 (53). 17 Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52 (53).
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Einkommensbericht
§ 11a
duellen Bestand des Arbeitsverhältnisses unabhängig; ein AG kann auch dann „dauernd eine bestimmte Zahl an AN“ beschäftigen, wenn die einzelnen Personen zwar ständig wechseln, die Gesamtzahl an Arbeitsplätzen aber gleichbleibt.18 Zur näheren Bestimmung des Begriffs „dauernd beschäftigen“ kann auf Regelungen des ArbVG zurückgegriffen werden.19 Der Praxisratgeber sieht bei schwankender Mitarbeiterzahl oder bei Saisonarbeit vor, dass auf den Beschäftigungsstand während des größten Teils des Jahres (also sechs Monate) bzw während der Saison abzustellen ist.20 Eine Mindestdauer für in den Bericht einzubeziehende Arbeitsverhältnisse besteht nicht,21 womit auch sehr kurze Arbeitsverhältnisse erfasst sind (zB einmonatige Praktika, Auflösungen in der Probezeit), sofern man hier nicht aus teleologischen Erwägungen eine Einbeziehung ablehnen will (dazu Rz 11). Das bedeutet aber auch, dass die Zahl der im Bericht behandelten AN oft höher sein wird als die Zahl, die für die Ermittlung des Schwellenwertes der Berichtspflicht herangezogen wurde, und dass auch Dienstverhältnisse, die bereits im Berichtsjahr aufgelöst wurden, noch im Einkommensbericht aufscheinen. Nach manchen sind karenzierte AN sowie Präsenz- und Zivildiener mangels Dauerelements auszuklammern.22 Dies ist überzeugend, wenn diese Personen nur einen untergeordneten Teil des Jahres beschäftigt werden und insofern sinnvoll, als diese Personen während ihrer Karenzierung kein Entgelt beziehen.23 Weder § 11a noch die Mat enthalten einen ausdrücklichen Hinweis darauf, wie bei Sachverhalten mit Auslandsberührung vorzugehen ist. Hat ein AG mit Sitz in Österreich seine im Ausland tätigen AN in den Einkommensbericht miteinzubeziehen? Ist ein AG mit Sitz im Ausland verpflichtet, für in Österreich dauerhaft beschäftigte AN oder bloß vorübergehend nach Österreich entsandte AN einen Einkommensbericht zu erstellen? Aus kollisionsrechtlichen Überlegungen ist entscheidend, ob die Regelung des § 11a GlBG individualrechtlichen oder kollektivrechtlichen Charakter hat. Die kollektivrechtlichen Verpflichtungen 18 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 28 mwN. 19 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 28. 20 Zur Saisonarbeit ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 28. 21 Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011/10, 53; Schrank, RdW 2011, 542 (544); Hopf/ Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 29. 22 Schrank, RdW 2011, 542. 23 AA zu Karenzierungen Witt-Löw, Einkommensbericht 11; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 43.
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§ 11aBertsch des Betriebsverfassungsrechts folgen dem Territorialitätsprinzip. Für arbeitsvertragsrechtliche Verpflichtungen wäre dagegen nach dem IPR, dh nach der VO (EG) 593/2008 (Rom I-VO), anzuknüpfen. Mit der hL24 ist davon auszugehen, dass § 11a primär arbeitsvertraglichen und nicht betriebsverfassungsrechtlichen Charakter hat. Es wäre daher nach IPR, also insb nach Art 8 Rom-I VO, anzuknüpfen (vgl hierzu § 1 Rz 30 ff), wonach sich das Arbeitsvertragsstatut primär nach dem gewöhnlichen Arbeitsort des AN richtet. Eine vorübergehende Entsendung ändert den gewöhnlichen Arbeitsort nicht. Wird ein in Österreich bei einem AG mit Sitz in Österreich gewöhnlich tätiger AN vorübergehend ins Ausland entsandt, wäre er in den Einkommensbericht weiterhin einzubeziehen, da weiterhin österr Arbeitsvertragsrecht zur Anwendung käme.25 Sollte sein gewöhnlicher Arbeitsort jedoch im Ausland liegen und daher auf seinen Arbeitsvertrag das Recht des jeweiligen Arbeitsstaates zur Anwendung kommen, wäre der AN in den Einkommensbericht nicht einzubeziehen. Auf von österreichischen Unternehmen im Ausland dauernd beschäftigte AN ist das österreichische GlBG (außer im Falle einer Rechtswahl zugunsten österreichischen Rechts) nicht anwendbar (vgl § 1 Rz 33); sie wären insbesondere bei Erstellung eines inländischen Einkommensberichts außer Acht zu lassen. Dem dürfte auch der Praxisratgeber entsprechen, wenn er bei Expats nur von „grundsätzlich in Österreich beschäftigten Mitarbeitern“ spricht.26 Umgekehrt folgt aus § 1 Abs 4 GlBG, dass in Umsetzung der EntsendeRL 96/71/EG (sowie der neuen Entsende-RL 2018/957/EU) der I. Teil, somit auch § 11a, auf von einem AG ohne Sitz im Inland nach Österreich entsandte AN anwendbar ist. Dasselbe gilt umso mehr, wenn die AN eines solchen AG ihren gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich haben. Bei von ausländischen AG dauerhaft in Österreich beschäftigten AN ist das GlBG voll anwendbar. Verpflichtet, einen entsprechenden Einkommensbericht zu erstellen, wäre der im Ausland ansässige AG. Allerdings müssen dazu auch die weiteren Voraussetzungen des § 11a erfüllt sein. Das bedeutet insb, dass der ausländische AG in Österreich dauernd mindestens 150 AN beschäftigen muss (eine Einbeziehung der im Ausland beschäftigten AN wird an der Nichtan-
24 Vgl dazu insb Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.7 ff. 25 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 29; Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52. 26 Witt-Löw, Einkommensbericht 11.
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wendbarkeit des GlBG auf diese Personen scheitern). Damit wird § 11a auf viele vorübergehende Entsendefälle nicht anwendbar sein. Massive Unklarheiten bereitet der in § 11a ebenfalls nicht eigens defi- 6 nierte Begriff des Arbeitgebers. Dies ist insbesondere relevant, wenn es darum geht, auf welcher Organisationsebene (Betrieb, Unternehmen, Konzern) die Schwellenwerte zu ermitteln sind. Da das GlBG in § 1 zwar zunächst auf den Arbeitsvertragsbegriff des § 1151 ABGB abstellt, in der Folge aber eine ganze Reihe Nicht-Arbeitnehmer (Heimarbeiter, Arbeitnehmerähnliche) sowie überlassene oder entsandte AN in den Anwendungsbereich miteinbezieht, wurde teilweise geschlossen, auch § 11a dürfe kein starrer, rein vertraglicher Arbeitgeberbegriff zugrunde gelegt werden.27 Die Mat schweigen zu dieser Frage und werfen durch die undifferenzierte Verwendung bestimmter Rechtsbegriffe („Unternehmen bestimmter Größe“, „Betrieb“) lediglich weitere Unklarheiten auf. Tw wurde geschlossen, dass aufgrund der Terminologie in den Mat und weil § 11a Abs 3 auf den Zentralbetriebsrat verweist, der autonome Unternehmensbegriff nach § 40 Abs 4 ArbVG maßgeblich sei.28 Gegen die Zugrundelegung dieses Unternehmensbegriffs spricht, dass er nur für die Frage relevant ist, auf welcher Ebene die Belegschaftsvertretung zu errichten ist. Nach einer anderen Ansicht ist auf den Telos der Norm, den gender pay gap möglichst gering zu halten und eine akkurate Darstellung der Einkommensverhältnisse zu bieten, abzustellen. Maßgeblich wäre somit die materielle Zuordnung zu einem Rechtsträger. Demnach kann sich eine Verpflichtung ergeben, auch solche Betriebe, die mangels wirtschaftlicher Einheit iSd § 40 Abs 4 nicht Teil des Unternehmens sind, aber vom selben Rechtsträger geführt werden, in den Einkommensbericht einzubeziehen.29 Umgekehrt müsste diese Ansicht auch dazu führen, dass uU ein und derselbe Rechtsträger (damit AG im vertraglichen Sinne) zwei unterschiedliche Einkommensberichte erstellen muss, wenn nämlich durch die Einbeziehung der vom Unternehmen getrennten Betriebe der Telos der Norm behindert würde. Jedenfalls in denselben Einkommensbericht einzubeziehen sind aber die Betriebe ein und desselben Unternehmens.30 Diese Fragen dürften mit dem vollen Inkrafttreten von § 11a 27 Eigner/Körber-Risak, ecolex 2011, 595 (596); aA – reiner „Arbeitgeberentgeltbericht“ – Schrank, RdW 2011, 542. 28 IdS Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52 (53 f). 29 Eigner/Körber-Risak, ecolex 2011, 595 (598). 30 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 26; Schwab, JAP 2014/2015/3, 26.
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§ 11aBertsch zwar etwas an Bedeutung verloren haben, da nunmehr die Schwellenwerte für die Berichtspflicht deutlich niedriger sind. Allerdings zeugt die wenig präzise Definition von „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“ weiterhin von mangelhafter Legistik in einem gesellschaftlich sensiblen Bereich. Um einen Gleichklang mit dem maßgeblichen AN-Begriff zu erreichen (Rz 4), wird man auch hier davon ausgehen müssen, dass grds der arbeitsvertragliche Arbeitgeberbegriff heranzuziehen ist.31 Dieser wird ohnehin oft, aber nicht immer mit dem Betriebsinhaber ident sein,32 selbiges gilt für den Inhaber des Unternehmens nach § 40 Abs 4 ArbVG. Problemfälle, die sich durch Vorhandensein mehrerer vertraglicher AG im selben Betrieb ergeben (was denkbar ist, da die Rsp eine Personengemeinschaft als Betriebsinhaber anerkennt, sog Gemeinschaftsbetrieb),33 könnte man dadurch lösen, dass man in solchen Fällen eine Solidarschuld der AG zur gemeinsamen Erstellung eines Einkommensberichts annimmt. Damit würde noch am ehesten dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen entsprochen, dass keine getrennten Einkommensberichte aufzustellen sind. 7 Ebenfalls eingegangen werden muss auf die Situation im Konzern. § 11a und die Materialien nehmen keinen Bezug auf Konzerne. Insb ist der Konzernbetriebsrat nicht Inhaber irgendwelcher Befugnisse nach § 11a. Grundsätzlich hat jede Konzerngesellschaft (bei Überschreiten der Schwellenwerte für sich allein) einen eigenen Einkommensbericht zu erstellen. Dies kann zu Verzerrungen führen, da oftmals die Zuordnung eines einzelnen AN zu einer bestimmten Konzerngesellschaft zufällig ist oder steuerliche Gründe hat, und es somit durchaus denkbar ist, dass in einer anderen Konzerngesellschaft ein AN mit ähnlicher Funktion, aber unterschiedlichem Entgelt arbeitet. Hinzu kommt, dass die Schwelle von 150 AN immer noch nicht von jeder Konzerngesellschaft überschritten werden wird und es somit möglich ist, durch Aufteilung der AN auf verschiedene Gesellschaften der Berichtspflicht zu entgehen. Eine analoge Anwendung auf Konzerne scheitert an der lex-
31 Ebenso Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.7; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 26 und Witt-Löw, Einkommensbericht 11. 32 Windisch-Graetz in ZellKomm3 ArbVG § 34 Rz 17. 33 Vgl OGH 17.12.2013, 8 ObA 22/13p; die Existenz eines rechtsträgerübergreifenden Gemeinschaftsunternehmens wird demgegenüber von der Rsp abgelehnt, vgl OGH 17.3.1994, 8 ObA 224/94 mwN.
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lata-Grenze.34 Einen „konzernweiten“ Einkommensbericht gibt es höchstens dann, wenn alle AN eines Konzerns bei einem einzelnen Rechtsträger zusammengefasst sind. Die völlige Aussparung des Konzerns aus der Pflicht nach § 11a nimmt dieser Regelung viel von ihrer praktischen Effizienz35 und ist auch insofern wenig einsichtig und zeitgemäß, als im Rechnungslegungsrecht nach dem III. Buch des UGB bereits eine Reihe konzernbezogener Berichtspflichten bestehen (Konzernabschluss nach § 244, Konzernlagebericht und konsolidierter Corporate-Governance-Bericht nach § 267 und § 267b, konsolidierte nichtfinanzielle Erklärung nach § 267a). Letztlich macht dies den starken Kompromisscharakter der Regelung ersichtlich. Die manchmal unklare Berücksichtigung des Konzernverhältnisses ist auch abseits des Einkommensberichts ein Strukturproblem des Gleichbehandlungsrechts (vgl § 3 Rz 15, 104 und 124).
II. Inhalt des Einkommensberichts Abs 1 zählt drei Informationen auf, die der Einkommensbericht zu ent- 8 halten hat. Zunächst hat er die Anzahl von Männern und Frauen in den jeweiligen kollektivvertraglichen oder, falls verfügbar, betrieblichen Verwendungsgruppen zu enthalten; weiters die Anzahl der Männer und Frauen in den einzelnen Verwendungsgruppenjahren der Verwendungsgruppen (falls vorhanden) sowie das Durchschnittsoder Medianentgelt von Männern und Frauen in den jeweiligen Verwendungsgruppen und – falls anwendbar – Verwendungsgruppenjahren. Es besteht somit ein Vorrang betrieblicher Verwendungsgruppen gegenüber den kollektivvertraglichen. Insofern entspricht ein Einkommensbericht, der trotz vorhandener betrieblicher Verwendungsgruppen auf den kollektivvertraglichen basiert, nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Gibt es keine betrieblichen Verwendungsgruppen, reicht das kollektivvertragliche Entgeltschema. Bestehen weder ein kollektivvertragliches noch ein betriebliches Entlohnungsschema, so sollen nach den Mat Funktionsgruppen entsprechend der betrieblichen Tätigkeit gebildet werden.36 Die Abwesenheit kollektivvertraglicher Entlohnungsschema könnte bei Fehlen entsprechender betrieblicher Entloh34 Eigner/Körber-Risak, ecolex 2011, 595 (599); zustimmend Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 26. 35 Zurecht krit Firlei, DRdA 2011, 238 (239). 36 RV 938 BlgNR 24. GP 7.
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§ 11aBertsch nungsschemata vor allem bei Ferialpraktikanten und bei arbeitnehmerähnlichen Personen schlagend werden.37 Gelten im Unternehmen mehrere Kollektivverträge, sind alle in denselben Bericht einzubeziehen; es ist kein separater Einkommensbericht pro Kollektivvertrag zu erstellen.38 Abhängig davon, wie viele Verwendungsgruppen und sonstige Aufschlüsselungen bestehen, können Einkommensberichte in der Praxis sehr knapp, aber auch sehr ausführlich sein. 9 Die drei Angaben haben jeweils einen eigenständigen Nutzen. Die nach Geschlecht getrennte Anzahl an AN in den jeweiligen Verwendungsgruppen kann eine Über- oder Unterrepräsentierung eines Geschlechts in bestimmten Funktionen ersichtlich machen (zB mehr Männer in höher entlohnten oder leitenden Tätigkeiten). Aus den Verwendungsgruppenjahren ist zu entnehmen, ob in absehbarer Zeit eine Entzerrung dieser Verhältnisse zu erwarten ist. Das Durchschnitts- bzw Medianentgelt dient letztlich dem eigentlichen Ziel der Regelung, der Sichtbarmachung und besseren Bekämpfung von Entgeltdiskriminierung. Eventuell von Interesse, aber nicht notwendiger Teil des Einkommensberichts, ist die Angabe, inwieweit die Entgelte für Männer und Frauen prozentuell voneinander abweichen. Ebenso wenig vorgesehen sind zusätzliche Angaben wie etwa die nähere Umschreibung der Tätigkeitsfelder und Funktionen der einzelnen Lohn-/Verwendungsgruppen. Sie sind allerdings zulässig und manchmal empfehlenswert, etwa um Unterschiede zu erläutern und damit den Verdacht einer Diskriminierung hintan zu halten. 10 Schwierigkeiten bereitet nicht zuletzt der Begriff des Entgelts. Es stehen hier zwei Definitionen zur Verfügung – die arbeitsvertragsrechtliche und die europarechtliche. Da § 11a der Umsetzung des in Art 157 AEUV festgelegten Grundsatzes gleichen Entgelts für Männer und Frauen dient, wurde teilweise geschlossen, dass in Zweifelsfällen der europarechtliche, weite Entgeltbegriff vorgehen sollte.39 Als Entgelt ist jedenfalls nicht Grundgehalt oder Grundlohn, sondern das Gesamtentgelt heranzuziehen.40 Zu diesem zählen auch Zulagen, Remunerationen, Feiertags- und Urlaubsentgelte, Sonderzahlungen, Sachbezüge (mit dem steuerlich relevanten Wert), Versicherungen, Boni und Jubilä37 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 29. 38 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 26. 39 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.21; Firlei, DRdA 2011, 238 (240). 40 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 41.
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umsgelder,41 nicht jedoch Auslagenersätze, Aufwandsentschädigungen, Firmenpensionen, Dienstgeberbeiträge oder Abfertigungszahlungen. Es ist als Brutto-Jahreseinkommen anzugeben. Zwecks Vergleichbarkeit ist bei Teilzeitbeschäftigten auf Vollzeit und bei unterjähriger auf ganzjährige Beschäftigung hochzurechnen, widrigenfalls der Einkommensbericht verfälscht werden würde. Strittig ist, inwiefern Überstundenentgelte zu berücksichtigen sind.42 Überstundenpauschalen von Vollzeit-AN sind nach den Mat bei der Umrechnung des Entgelts für Teilzeitbeschäftigte nicht zu berücksichtigen; daraus könnte umgekehrt abgelesen werden, dass sonst Überstundenzuschläge sowie Pauschalien, die Zusatzleistungen für Überstunden abgelten, sehr wohl als Entgelt zu berücksichtigen sind. Dagegen spräche allerdings der Telos des Einkommensberichts, Transparenz zu schaffen; die Einbeziehung von Überstundenentgelten wäre dazu geeignet, ihn zu verzerren. Die Mat sprechen überhaupt von „arbeitszeitbereinigten“ jährlichen Durchschnitts- oder Medianarbeitsentgelten.43 Durch eine Berücksichtigung tatsächlich empfangener Überstundenentgelte und -pauschalen könnte dieses Anliegen zunichtegemacht werden, weil Vollzeitbeschäftigte dann wiederum auf ihrer Arbeitszeit basierende höhere Gesamtentgelte haben. Im Fall von All-In-Verträgen sollte nach manchen, sofern das möglich ist, die Abgeltung für Mehr- oder Überstundenleistung herausgerechnet werden, insbesondere dann, wenn innerhalb einer Einheit Personen mit und Personen ohne solche Vergütung beschäftigt sind.44 Der Praxisratgeber spricht sich allerdings für eine Berücksichtigung von unregelmäßig anfallenden Überstunden, die tatsächlich geleistet werden müssen, sowie All-In-Bestandteilen aus, ebenso für die Berücksichtigung von Mehrstunden bei Teilzeitarbeit. Zur Vermeidung der Verzerrungen, die sich hieraus unvermeidlich ergeben werden, wird stattdessen vorgeschlagen, diese Entgelte gesondert aufzuschlüsseln.45 Da man letztlich den Begriff des Entgelts in § 11a wohl nicht enger verstehen kann als sonst im Arbeitsrecht46 und Überstunden unzweifel41 Zu letzteren Witt-Löw, Einkommensbericht 15, wobei auch dort die möglicherweise verzerrende Wirkung solcher Entgelte erkannt wird. 42 Dagegen Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 55; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 42; dafür Schrank, RdW 2011, 542 (546); Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.20 f. 43 RV 938 BlgNR 24. GP 7, 8. 44 Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 55. 45 Witt-Löw, Einkommensbericht 13 f. 46 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.22; aA Schrank, RdW 2011, 542 (545).
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§ 11aBertsch haft zum Entgelt sowohl im arbeitsvertraglichen als auch im unionsrechtlichen Sinne zählen, sind auch Überstundenentgelte, All-In-Entgelte und Überstundenpauschalen in den Einkommensbericht aufzunehmen.47 Den dadurch entstehenden Verzerrungseffekten sollte wie im Praxisratgeber vorgeschlagen mit entsprechenden Erläuterungen begegnet werden, sie rechtfertigen aber keine vollständige Ausnahme solcher Entgelte aus dem Einkommensbericht. Analog zur Hochrechnung bei Teilzeit werden auch die Entgelte jener AN auf Vollzeitbeschäftigung hochzurechnen sein, die Zeitphasen ohne Entgeltanspruch oder mit vermindertem Entgelt (wie lange Krankenstände oder ganzjährige Karenz, soferne man letztere nicht ohnehin vom Einkommensbericht ausnimmt) zurückgelegt haben. 11 Für den von § 11a nicht gelösten Fall, dass ein AN während des laufenden Kalenderjahres einen Wechsel in eine andere Verwendungsgruppe oder ein anderes Gruppenjahr macht, ist überlegt worden, diesen AN im Einkommensbericht (nicht jedoch bei der Ermittlung der Schwellenwerte für die Berichtspflicht) in zwei Kategorien zu berücksichtigen und in beiden auf ganzjährige Beschäftigung hochzurechnen (Doppelberücksichtigung).48 Der Praxisratgeber schlägt stattdessen entweder eine Stichtagslösung oder das Abstellen darauf, wo die Person im Jahr länger tätig war, vor.49 UE ist dem Abstellen auf die (überwiegende) Dauer der Beschäftigung der Vorzug zu geben, weil dies dem tatsächlich verfügbaren Einkommen eines AN in diesem Jahr noch am nächsten kommt. Eine Doppelberücksichtigung scheint gerade bei nur kurzen Phasen der Beschäftigung in einer Verwendungsgruppe/einem Gruppenjahr geeignet, den Bericht zu verzerren. Besonders vehement stellt sich dieses Problem bei Arbeitskräfteüberlassern, da die überlassenen AN jeweils den Kollektivverträgen des Beschäftigerbetriebes unterliegen werden. Der Praxisratgeber schlägt hier (im Ergebnis im Einklang mit dem Doppelberücksichtigungsprinzip) vor, eine Untergliederung in die angewendeten Kollektivverträge und eine fiktive Hochrechnung auf das ganze Jahr vorzunehmen.50 Da § 11a keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Dauer der in den Einkommensbericht aufgenommenen Dienstverhältnisse kennt, dies aber zu Verzerrungen führen kann und bestimmte Unschärfen bestehen (zB hinsicht47 Anders noch Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 11a GlBG Rz 2. 48 Schrank, RdW 2011, 542 (544). 49 Witt-Löw, Einkommensbericht 13. 50 Witt-Löw, Einkommensbericht 13.
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lich erfolgsabhängigen Entgelten oder der Möglichkeit künftiger Lohnerhöhungen), wird eine teleologische Reduktion dahingehend vertreten, dass bei Fällen besonders kurzer Beschäftigung eine Berücksichtigung im Einkommensbericht unterbleiben kann.51 Die Verpflichtung zur Hochrechnung ist einigermaßen komplex und sorgt für einen deutlich erhöhten Arbeitsaufwand, zumal auch beide Formen der Hochrechnung – Teilzeit auf Vollzeit, unterjährig auf ganzjährig – bei ein und derselben Person vorliegen können.52 Sie sorgt auch dafür, dass die ermittelten Durchschnittsentgelte oft über dem eigentlichen Lohnaufwand des AG liegen. Der AG kann bei der Erstellung des Einkommensberichts frei zwischen 12 Durchschnitts- oder Medianentgelt wählen, wenngleich er wohl nicht innerhalb ein und desselben Berichts zwischen den Werten wechseln darf.53 Die Wahl sollte zwecks Vergleichbarkeit auch in den Folgejahren beibehalten werden, wenngleich sich eine diesbezügliche Rechtspflicht dem § 11a nicht entnehmen lässt. Da lediglich die Durchschnitts- bzw Mediangehälter für Männer und Frauen pro Verwendungsgruppe und falls vorhanden Verwendungsgruppenjahr ausgewiesen werden, gibt der Einkommensbericht meist lediglich einen groben Überblick über die Einkommensverhältnisse, der eine Entgeltdiskriminierung bloß indizieren kann. Weiterführende Angaben, die diese Unterschiede erklären könnten, beruhen auf Freiwilligkeit. Der Durchschnitt kann zudem durch ungewöhnlich hohe oder niedrige Werte („Ausreißer“) verzerrt werden, wohingegen der Median idR ein stabilerer Wert ist. Letztlich können allerdings beide Werte irreführend sein.54
III. A nonymisierung und Geheimhaltungs pflichten § 11a befindet sich in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Inte 13 resse an möglichst effektiver Durchsetzung des Gleichbehandlungsrechts und dem Grundrecht auf Datenschutz. Die Geheimhaltung von Arbeitsentgelten wird teilweise als ein österreichisches Spezifikum 51 Schrank, RdW 2011, 542 (544). 52 In diesem Fall hat zuerst die Hochrechnung auf Vollzeit, dann jene auf das ganze Jahr zu erfolgen, Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 40. 53 Firlei, DRdA 2011, 238 (240). 54 Vgl die Beispiele bei Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 36.
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§ 11aBertsch gesehen; selbst der OGH hat ausgesprochen, dass der AG ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der innerbetrieblichen Lohnstrukturen hat.55 Daher überrascht es nicht, dass § 11a an mehreren Stellen Pflichten statuiert, die die Geheimhaltung dieser Strukturen sicherstellen sollen, und deren Verletzung teilweise sogar mit einer Verwaltungsstrafsanktion ausstattet. Einerseits ist eine Anonymisierung der Daten im Einkommensbericht vorgesehen, andererseits besteht zusätzlich dazu eine Verschwiegenheitspflicht auch der AN über dessen Inhalt. Damit weicht der österreichische Einkommensbericht deutlich vom ursprünglichen Vorbild Schweden, wo solche Berichte veröffentlicht werden müssen, ab. Der österreichische Einkommensbericht ist nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur für innerbetriebliche Zwecke bestimmt.56 Die Geheimhaltungspflichten schränken die Effektivität des Einkommensberichts uU stark ein, da sie eine Veröffentlichung des Berichts (als Druckmittel im Rahmen eines „naming and shaming“ oder um einen öffentlichen Vergleich der Einkommenslage bei verschiedenen AG zu erlauben) unmöglich machen und auch die Verbreitung desselben im Unternehmen erschweren (siehe hierzu Rz 18). 14 Zunächst ist nach Abs 2 der Bericht in anonymisierter Form zu erstellen und darf keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulassen. Die Mat schlagen daher vor, entsprechend der methodischen Richtlinien und jahrzehntelangen Praxis der Statistik Austria keine Gruppen (auch nicht je Geschlecht) mit weniger als 3 Personen zu bilden. Dies ist allerdings auch nach den Mat eine bloße Richtschnur, da das Gesetz keine fixe Grenze vorsieht und der VfGH57 bereits festgestellt hat, dass auch bei Statistiken mit mehr als drei Elementen eine Rückführbarkeit auf Einzelpersonen nicht ausgeschlossen ist. Sollten daher im Einzelfall trotz einer größeren Gruppe Rückschlüsse möglich sein, dann wäre eine Trennung ebenso nicht vorzunehmen. Im konkreten bedeutet dies etwa, dass, sollte innerhalb einer Verwendungsgruppe oder einem Verwendungsgruppenjahr die nach Geschlechtern getrennte Darstellung Rückschlüsse auf Einzelpersonen erlauben, diese Einheit dann nicht mehr getrennt, sondern für Männer und Frauen gemeinsam anzugeben wäre. Sollte eine solche gemischte Einheit immer noch Rückschlüsse erlauben, etwa weil sie insgesamt aus weniger als 3 AN besteht, wäre sie 55 OGH 14.2.2001, 9 ObA 338/00x; im Ergebnis bestätigt in 27.5.2015, 8 ObA 17/15f. 56 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.2. 57 30.11.1989, G 245/89.
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nicht zu bilden und die AN gemäß den Mat erst bei der jeweils übergeordneten Einheit zu berücksichtigen.58 So wäre zB, wenn eine Verwendungsgruppe fünf Abstufungen nach Verwendungsgruppenjahren hat, aber in einer davon die anonymisierte Darstellung nicht möglich wäre, die verbleibenden vier Abstufungen im Bericht darzustellen und alle fünf Abstufungen bei der Angabe des Entgelts in der Verwendungsgruppe als Ganzes zu berücksichtigen. Die AN wären also gerade nicht gänzlich vom Einkommensbericht ausgenommen. Die von den Mat vorgeschlagene Einbeziehung in die übergeordnete Kategorie wurde kritisiert, da sie im Wortlaut keine Deckung findet und den Bericht materiell verfälschen würde.59 Zudem geben die Mat auch keinen Hinweis darauf, was die „übergeordnete“ Kategorie bei der Verwendungsgruppe eigentlich ist; eine solche Über- und Unterordnung gibt es nur als Verwendungsgruppenjahre innerhalb einer Verwendungsgruppe. Versteht man darunter (so wie die Lit und der Praxisratgeber)60 schlicht die nächsthöhere Verwendungsgruppe, würde sich irgendwann zwangsläufig das Problem ergeben, dass es keine solche nächsthöhere Verwendungsgruppe mehr gibt. Besonders häufig wird sich dieses Problem bei leitenden Angestellten stellen. Hinsichtlich dieser Gruppen wird eine Einbeziehung oft unterbleiben müssen, um nicht mit § 11a Abs 2 in Konflikt zu geraten. Nach dem recht offenen Wortlaut von Abs 2 und auch dem Praxisratgeber steht dem Ersteller aber die Wahl offen, eine Kategorie (zB ein bestimmtes Verwendungsgruppenjahr, in dem es weniger als drei AN gibt) auch ganz auszulassen,61 was freilich erneut Manipulationspotenzial bietet. Bei Verletzung der Anonymisierungspflicht würden wohl, da sie zur Umsetzung des Grundrechts auf Datenschutz dient und ohne die Anonymisierung personenbezogene Daten der AN ohne Einwilligung oder eine andere Rechtsgrundlage verarbeitet werden, die Strafsanktionen nach der DSGVO zur Anwendung kommen. Abs 4 normiert eine Verschwiegenheitspflicht der AN über den Inhalt 15 des Einkommensberichts, die aber für die Einholung von Rechtsaus58 RV 938 BlgNR 24. GP 8; ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 46. Anders verstehen (es ist keine nach Geschlechtern gemischte Verwendungsgruppe zu bilden) könnte man allerdings das Beispiel bei Witt-Löw, Einkommensbericht 12. 59 Schrank, RdW 2011, 542 (546). 60 Witt-Löw, Einkommensbericht 11. 61 Ebenso Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.18.
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§ 11aBertsch künften oder Rechtsberatung bei Interessenvertretungen und Personen, die ihrerseits einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen (wie insbesondere Anwälte oder Notare) sowie für die Einleitung eines Verfahrens vor Gerichten oder der Gleichbehandlungskommission nicht gilt. Der Begriff der Interessenvertretung ist etwas unklar, sollte aber weit verstanden werden, sodass etwa auch Gewerkschaften und sonstige sich der Bekämpfung von Diskriminierung widmende Stellen wie NGOs erfasst sind.62 Schwierigkeiten ergeben sich in diesem Zusammenhang aber mit dem Erfordernis, dass sie ihrerseits einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen müssen; idealerweise ergibt sich eine solche aus den Statuten der Interessenvertretung oder wird vertraglich zwischen ihr und dem AN vereinbart. Auffällig ist, dass die Gleichbehandlungs-Anwaltschaft in Abs 4 nicht genannt wird; sinnvollerweise sollte Abs 4 schon aufgrund der gesetzlichen Befugnisse der Gleichbehandlungs-Anwaltschaft so ausgelegt werden, dass sie als Interessenvertretung aufzufassen ist bzw dass eine Kontaktaufnahme mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft bereits als „Einleitung eines Verfahrens“ verstanden wird.63 Die Weitergabe des Einkommensbericht ist insofern zweckgebunden, als sie zur „Einholung von Rechtsauskünften oder Rechtsberatung“ erfolgen muss. Eine Weitergabe zu anderen Zwecken (etwa bloß zu Informationszwecken) ist nicht gestattet und die preisgegebene Information wird sich auf das für die Rechtsverfolgung Erforderliche beschränken müssen. 16 Laut den Mat soll sich eine Geheimhaltungspflicht im Übrigen bereits aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht ergeben; § 11 Abs 4 modifiziert diese aber insofern, als sie neben den genannten Ausnahmen im Interesse der Rechtsberatung oder Verfahrensführung andere Ausnahmegründe offenbar nicht zulässt. Das betrifft insbesondere die Frage, ob die AN des Betriebs untereinander den Einkommensbericht teilen oder diskutieren dürfen. Es könnte höchstens, da der Einkommensbericht bereits seinem Telos nach letztlich für die AN des Betriebes bzw Unternehmens gedacht ist und diese der Pflicht nach Abs 4 unterliegen, angenommen werden, dass die Geheimhaltungspflicht im Verhältnis zwischen AN desselben Unternehmens nicht gilt,64 wenngleich § 11a 62 Ähnlich Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 3.58. 63 So Firlei, DRdA 2011, 238 (246); Felten, DRdA 2019, 16 (23). Im Ministerialentwurf, ME 179 BlgNR 24. GP 4, fand sich noch ein entsprechender Passus. 64 So etwa Felten, DRdA 2019, 16 (21, 23); Schindler, DRdA 2011, 491 (492); Firlei, DRdA 2011, 493.
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das nicht ausdrücklich ausspricht und die Aufzählung ebenso gut als taxativ verstanden werden könnte. Nach Felten soll sich aus systematischen Überlegungen ergeben, dass die Ausnahme des § 11a Abs 4 nur das Verhältnis zu betriebsfremden Dritten betrifft, nicht jedoch die Weitergabe von Informationen innerhalb des Betriebes, sei es zwischen AN und Belegschaftsorganen oder nur zwischen AN. Gegen die Annahme, dass die Geheimhaltungspflicht im Unternehmen oder Betrieb nicht gilt, spricht jedoch, dass die Auskunftserteilung durch den Betriebsrat ausdrücklich auf relevante Informationen beschränkt ist (Rz 22), eine Einschränkung, die ihren Sinn verlieren würde, wenn die AN die einzelnen, für sie relevanten Teile des Einkommensberichts untereinander teilen und quasi wie ein Puzzlespiel wieder zusammensetzen könnten. Die Verschwiegenheitspflicht gilt daher grds auch zwischen AN desselben Betriebs oder Unternehmens, und unabhängig davon, welche Belegschaftsorgane bestehen. Lediglich im Hinblick auf Informationen, welche der andere AN ohnehin zulässigerweise erlangen könnte (also den „relevanten“ Teil des Einkommensberichts), könnte eine Ausnahme bestehen, was bei Nichtbestehen eines Betriebsrates zumindest ein Recht zur Weitergabe von zulässigerweise angefertigten Notizen aus dem Einkommensbericht (vgl dazu Rz 26) zwischen AN bewirken würde.65 Eindeutig nicht zulässig ist mangels einer entsprechenden Ausnahme die Weitergabe an Personen, die bloß AN einer anderen Konzerngesellschaft sind, was das Ziel einer Entgelttransparenz im Konzern noch weiter verunmöglicht. Abs 4 bezieht sich schon dem Wortlaut nach nur auf den Einkommens- 17 bericht; eine Pflicht, Verschwiegenheit über die Höhe des eigenen Entgelts zu bewahren, besteht daher von Gesetzes wegen nach wie vor keine, insb ist das Entgelt des einzelnen AN für ihn kein Geschäftsgeheimnis. Ob eine Geheimhaltungspflicht vertraglich vereinbart werden kann, ist für Österreich kaum untersucht, wird aber überzeugend verneint.66 Eine solche Entgeltgeheimhaltungsklausel ist gem § 879 sittenwidrig, weil sie die Geltendmachung arbeitsrechtlicher Ansprüche, insbesondere solcher nach dem Gleichbehandlungsrecht, übermäßig
65 IdS könnte auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 54 verstanden werden. 66 Siehe im Detail Geiblinger, ecolex 2014, 63; Felten, DRdA 2019, 16 (24); ders in Felten, Lohngleichheit Rz 4.52.
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§ 11aBertsch erschwert,67 vor allem, aber nicht nur dann, wenn sie auch gegenüber Interessenvertretungen oder Rechtsanwälten wirken soll. UE ist auch eine „Restgültigkeit“ einer solchen Klausel, wenn die Offenlegung nicht zur (Unterstützung bei) Glaubhaftmachung einer möglichen Entgeltdiskriminierung, sondern aus anderen Motiven (bloßer Smalltalk, Angeberei) erfolgt, zu verneinen, zumal man hier auch kaum sinnvoll differenzieren kann. Schon aufgrund der zwingenden Natur des GlBG können im Übrigen weder allfällige nach diesem Gesetz bestehenden Rechte des AN auf Einsicht in den Einkommensbericht noch zur Weitergabe desselben vertraglich beschränkt werden. Konsequenz eines Verstoßes gegen § 11a Abs 4 ist eine Verwaltungsstrafe von bis zu 360 Euro, sofern die Tat nicht nach einem anderen Gesetz einer strengeren Strafe unterliegt. Der AG hat binnen sechs Wochen ab Kenntnis der Tat und des Täters einen Strafantrag als Privatankläger bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu stellen. Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des AN geringfügig ist und die Folgen der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht unbedeutend sind. In diesem Fall hat lediglich, sofern dies erforderlich ist, eine bescheidmäßige Abmahnung zu erfolgen. Die Anordnung einer Strafsanktion für Fehlverhalten des AN ist ein seltenes Phänomen (vgl als weiteres Beispiel etwa § 15 ASchG). Außerdem sind darüber hinaus arbeitsrechtliche Konsequenzen möglich. Zu überlegen ist, ob ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht einen Grund für die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses durch den AG bildet (etwa eine Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG). Daraus, dass der Gesetzgeber einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht unter Verwaltungsstrafsanktion gestellt hat, wird man wohl ableiten können, dass ein solcher Verstoß auch einen Entlassungsgrund bildet,68 wobei hier wie bei Entlassungen im Allgemeinen auf die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Einzelfall abzustellen ist. UE wird eine Verletzung der Pflichten nach Abs 4 nur unter zusätzlichen, schwerwiegenden Umständen eine Entlassung rechtfertigen. 18 Der Betriebsrat ist aufgrund der Einordnung des Einkommensberichts als Geschäftsgeheimnis bereits nach § 115 Abs 4 und 160 ArbVG zur 67 In Deutschland wurde eine Entgeltgeheimhaltungsklausel mit Verweis auf das AGG und die Koalitionsfreiheit für unwirksam erachtet, LAG Mecklenburg-Vorpommern 21.10.2009, 2 Sa 237/09. 68 Ebenso Felten in Felten, Rz 3.3; Konstatzky/Schneller, ecolex 2011/7.
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Verschwiegenheit verpflichtet.69 Felten äußert gewisse Zweifel an der vom Gesetzgeber stillschweigend vorgenommenen Einordnung des Einkommensberichts als Geschäftsgeheimnis, kommt jedoch auch zu dem Ergebnis, dass der Einkommensbericht zumindest teilweise ein Geschäftsgeheimnis ist.70 Zutreffend ist, dass die Verschwiegenheitspflicht des Betriebsrates keine absolute ist. Vor allem innerhalb des Unternehmens oder Betriebes dürfte sie gewissen Einschränkungen unterliegen, vor allem aufgrund der spezifischen Kompetenzverteilung bei der Geltendmachung von § 11a (vgl sogleich unter IV.). Von Bedeutung ist hier insbesondere die Frage, ob ein nach § 11a Abs 3 zuständiger Betriebsrat den Einkommensbericht an ein Belegschaftsorgan weitergeben darf, das nicht zuständig ist – zB ein Zentralbetriebsrat an einen Betriebsausschuss. Nach den Materialien hat der Zentralbetriebsrat „für die Information der Betriebsräte bzw. Betriebsausschüsse zu sorgen“. Diese Formulierung ist allerdings einigermaßen vorsichtig und hat, anders als die Auskunftserteilung an AN, auch keinen Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden. Es ist somit nicht ganz klar, ob der gesamte Einkommensbericht an untergeordnete Belegschaftsorgane weitgegeben werden darf oder eventuell nur die für den konkreten Betrieb relevanten Bereiche. Allerdings dürfte eine diesbezügliche Einschränkung zu verneinen sein, erstens aufgrund der ohnehin auch für das untergeordnete Organ bestehenden Verschwiegenheitspflicht und zweitens wegen der in sonstigen genderbezogenen Angelegenheiten bestehenden Kompetenzverteilung.71 Dagegensprechen würde höchstens, dass durch ein solches Vorgehen die detaillierte Zuständigkeitsordnung im Ergebnis übergangen würde. Wenn eine Weitergabe zwischen den Organen erlaubt ist, wird dies sinnvollerweise auch für die Weitergabe zwischen den Mandataren sowie zwischen Mitgliedern und Ersatzmitgliedern gelten. Zur Informationserteilung durch Belegschaftsorgane an AN siehe Rz 22. Ungeklärt ist weiters, ob auch ein Belegschaftsorgan ebenso wie der 19 einzelne AN gem § 11a Abs 4 bei der Einholung von Rechtsauskünften – also im Verhältnis zu bestimmten betriebsfremden Dritten – von der Verschwiegenheitspflicht ausgenommen ist. § 115 Abs 4 ArbVG sieht keine ausdrückliche Ausnahme vor. Die Befugnis zur Weitergabe 69 Dafür bereits die Materialien, RV 938 BlgNR 24. GP 8. 70 Felten, DRdA 2019, 16 (21); Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 3.15 ff, 3.24. 71 Firlei, DRdA 2011, 238 (243); aA Schrank, RdW 2011, 599 (601).
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§ 11aBertsch des Einkommensbericht setzt zunächst voraus, dass sie der Erfüllung des gesetzlichen Interessenvertretungsauftrages dient, was (va mit Blick auf die §§ 39 Abs 4 und 90 Abs 1 ArbVG, § 5 Abs 4 und § 12 Abs 1 GBK/GAW-Gesetz) bei der Weitergabe an Interessenvertretungen wie die Arbeiterkammer, Gewerkschaften ebenso wie an die Gleichbehandlungs-Anwaltschaft, Gleichbehandlungskommission und Arbeitsgerichtsbarkeit zu bejahen ist.72 Der Vertretungsauftrag liegt eben auch in der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Entgeltdiskriminierung. Des Weiteren ist eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen, welche aber beim Verdacht einer Diskriminierung beim Entgelt zugunsten des Belegschaftsorgans ausgehen wird.73 Ein überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung möglicherweise rechtswidriger Zustände ist schwer vorstellbar. Zusammengefasst ist ein Gleichlauf von individueller und betriebsverfassungsrechtlicher Verschwiegenheitspflicht sowohl wünschenswert als auch aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage zu bejahen. Der OGH hat bei einem Betriebsratsmitglied, welches umfassende Gehaltslisten an die AK übermittelt hatte, entschieden, dass sein Verhalten (anders als noch in der Entscheidung 9 ObA 338/00x) von der Mandatsschutzklausel des § 120 Abs 1 letzter Satz ArbVG gedeckt und eine Entlassung/Kündigung somit nicht zulässig ist.74 Die Vertretung der Interessen der AN in Entgeltfragen gehört nach dem OGH zum „Kernbereich der Vertretungsaufgaben des Betriebsrates“, was umso mehr für eine Zulässigkeit der Informationsweitergabe sowohl innerhalb des Betriebs an andere Belegschaftsorgane als auch in bestimmten Fällen außerhalb des Betriebes spricht. Richtigerweise hätte der OGH hier allerdings bereits die Tatbestandserfüllung und damit objektive Rechtswidrigkeit des Verhaltens verneinen müssen, anstatt sich mit der Mandatsschutzklausel zu behelfen. Da der Einkommensbericht nach § 11a GlBG bereits seinem Konzept nach nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, werden auch allfällige Einschränkungen der Verschwiegenheitspflicht und eine Interessenabwägung jedoch seine Veröffentlichung nicht erlauben. Ein „ultima ratio“72 Felten, DRdA 2019, 16 (21); ders in Felten, Lohngleichheit Rz 3.34 ff; ebenso Konstatzky/Schneller, ecolex 2011/7. 73 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 3.27, 3.38; ders, DRdA 2019, 16 (22 f). Ob man hier die Interessenabwägung von vorneherein entfallen oder schlicht zugunsten des Belegschaftsorgans ausgehen lässt, erscheint vom Ergebnis her nebensächlich. Richtig(er) erscheint die zweite Lösung. 74 OGH 27.5.2015, 8 ObA 17/15f; krit Schneller, DRdA 2016/6.
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Szenario, in dem eine Veröffentlichung des Einkommensberichts als einzige Abhilfe gegen eine Entgeltdiskriminierung doch gerechtfertigt sein soll, ist schwer vorstellbar.75 Ein Verstoß des Betriebsrates gegen die Geheimhaltungspflicht zieht nach § 160 Abs 1 ArbVG eine – im Vergleich zu AN höhere – Geldstrafe bis zu 2.180 Euro nach sich; zudem besteht nicht die Möglichkeit eines Absehens von der Strafe. Gemeinsam ist den beiden Bestimmungen aber die sechswöchige Frist zur Geltendmachung. Außerdem kann ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht durch ein Betriebsratsmitglied ein Entlassungsgrund gem § 122 Abs 1 Z 4 ArbVG sein.
IV. Anspruchsberechtigte und Durchsetzung Anspruchsberechtigter nach § 11a ist primär der Zentralbetriebsrat, 20 bei Fehlen eines solchen der Betriebsausschuss und erst bei Nichtbestehen eines solchen Ausschusses der Betriebsrat. Dies bedeutet eine Abweichung von § 113 Abs 4 ArbVG, wonach in Betrieben, in denen ein Zentralbetriebsrat zu errichten ist, wesentliche Kompetenzen des Zentralbetriebsrates bei Fehlen eines solchen nicht subsidiär unteren Belegschaftsorganen (wie Betriebsausschuss oder Betriebsrat) zukommen. Der einzelne AN hat hingegen grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Einkommensbericht erstellt wird (vgl aber sogleich Rz 25). Die Abfolge nach § 11a Abs 4 ist eindeutig: erst der Zentralbetriebsrat, dann der Betriebsausschuss, zuletzt die (Gruppen)betriebsräte. Diese Reihung ist kritisiert worden, weil sie die Aufgabenverteilung nach dem ArbVG nicht berücksichtigt; genderpolitische Themen wie Frauenförderpläne nach § 97 Abs 1 Z 25 sind ansonsten auf Ebene der (Gruppen) betriebsräte angesiedelt76 und auch das Einsichtsrecht gem § 89 ArbVG kommt dem Zentralbetriebsrat nicht zu.77 Der Betriebsinhaber hat den Bericht von sich aus zu erstellen und vor- 21 zulegen, wobei ggf auch eine Beratung darüber verlangt werden kann. Diese Option steht nach dem Wortlaut des Gesetzes allen der drei Organen, so sie denn zuständig sind, frei. Bestehen in einem Unternehmen ohne Zentralbetriebsrat mehrere Betriebsräte oder Betriebsausschüsse, sind alle davon Träger der Rechte nach § 11a. Mangels ausdrücklicher 75 Dazu Firlei, DRdA 2011, 238 (244). 76 Firlei, DRdA 2011, 238 (242). 77 Felten, DRdA 2019, 16 (17).
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§ 11aBertsch Erwähnung in Gesetz ergeben sich Auslegungsfragen vor allem auf der untersten Ebene, sofern es um die Unterscheidung zwischen Arbeiterund Angestelltenbetriebsräten geht, wenn also kein Zentralbetriebsrat oder Betriebsausschuss (in denen stets beide Gruppen vertreten sind) und auch kein gemeinsamer Betriebsrat eingerichtet ist. § 11a Abs 1 sieht keine Trennung nach Arbeitern und Angestellten vor, eine solche ergibt sich erst mittelbar aus den kollektivvertraglichen Verwendungsgruppen. Die Erstellung getrennter Arbeiter- und Angestellteneinkommensberichte entbehrt damit einer gesetzlichen Grundlage. Zwar liegt die Zuständigkeit nach § 11a Abs 3 dann beim tatsächlich eingerichteten Betriebsrat, eingeschränkt auf die AN seiner Gruppe,78 diese Aussage ist allerdings zu präzisieren. Ist etwa nur für die Angestellten, aber nicht für die Arbeiter (sei es mangels Überschreiten der benötigten Anzahl oder aus anderen Gründen) ein Betriebsrat eingerichtet, so kann dieser den Bericht zwar bloß im Namen der Angestellten einfordern, es ergibt sich jedoch (infolge zwingender Einbeziehung auch der Arbeiter in den Bericht) eine „Reflexwirkung“ für die nicht vertretene Gruppe. Aus den Materialien geht eindeutig hervor, dass, sofern in einem Betrieb ein Betriebsrat nur für eine Gruppe von AN eingerichtet ist, er für die andere Gruppe in einem nur für diese Gruppe zugänglichen Raum aufgelegt werden soll.79 Nicht ausdrücklich angeordnet, aber aus Effektivitäts- und Praktikabilitätsgründen anzunehmen ist eine Pflicht zugleich mit Erfüllung der Berichtspflicht gegenüber der vertretenen Gruppe unaufgefordert auch der Auflegungspflicht gegenüber der anderen nachzukommen. Mangels getrennter Einkommensberichte kann jene Arbeitnehmergruppe, für welche die Auflegungspflicht besteht, immer auch Einsicht in die Durchschnitts- bzw. Medianentgelte der jeweils anderen Arbeitnehmergruppe nehmen. Insofern kann der Einkommensbericht auch über seinen eigentlichen Zweck hinaus zum (zumindest groben) Vergleich der Entgelte für Arbeiter und Angestellte verwendet werden. 22 Bei Bestehen eines Belegschaftsorganes gelangt der Einkommensbericht nur über einen Umweg zu den einzelnen AN. Die Organe der Arbeitnehmerschaft können im Rahmen ihrer Tätigkeit den AN Auskunft über für sie relevante Informationen erteilen. Relevant sind primär Informationen zu den Verwendungsgruppen, denen der AN selbst angehört, wobei den Organen der Arbeitnehmerschaft hier wohl ein 78 Zutreffend Schrank, RdW 2011, 599. 79 ErläutRV 938 BlgNR 24. GP 8.
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gewisses Ermessen eingeräumt ist.80 Ebenso für die betroffenen AN relevant sein werden jene Teile des Einkommensberichts, die ein Belegschaftsorgan zulässigerweise an außerbetriebliche Dritte wie Interessenvertretungen weiterleitet (Rz 19), da es sinnwidrig wäre, wenn zwar außerbetriebliche Einrichtungen diese Informationen erhalten dürften, der in einem allfälligen Verfahren aufgrund desselben Sachverhalts als Kläger auftretende AN jedoch nicht. Relevant sein können jedoch auch andere Verwendungsgruppen, vor allem dann, wenn das Organ der Arbeitnehmerschaft Anhaltspunkte dafür findet, dass AN eines bestimmten Geschlechts trotz ähnlicher oder identer Tätigkeit wie jene des anderen Geschlechts vermehrt in einer niedrigeren Verwendungsgruppe eingestuft sind. Der Argumentation mancher,81 wonach die Beschränkung auf relevante Informationen nur im Fall einer Anfrage von Seiten des AN gilt und der Betriebsrat „freiwillig“ den gesamten Einkommensbericht offenlegen kann, ist jedoch nicht zu folgen. Eine solche Auslegung ist vom Wortlaut des § 11a Abs 3 nicht gedeckt und verbietet sich insbesondere deshalb, weil dann der vierte Satz von § 11a Abs 3 keine eigenständige Bedeutung mehr hätte.82 Sollten über das „Relevante“ hinausgehende Informationen erteilt werden, würde das Organ seine Verschwiegenheitspflicht verletzen. Das Problem lässt sich durch eine weite Auslegung der „relevanten“ Information wohl eindämmen.83 Nicht zulässig ist also eine Weitergabe des gesamten Einkommensberichts an einen oder an alle AN, oder gar die Diskussion im Rahmen einer Betriebsversammlung.84 Der Wortlaut spricht hier ausnahmsweise bloß von „Organen der Arbeitnehmerschaft“, nicht vom konkret zuständigen Organ nach § 11a Abs 3. Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass die Auskunftserteilung allen Organen offensteht, also etwa auch einem Betriebsausschuss, der den Einkommensbericht vom Zentralbetriebsrat erhalten hat. Diese Ansicht hat auch einiges für sich, da ansonsten die in den Materialien ausdrücklich genannte Information untergeordneter Belegschaftsorgane weniger sinnvoll wäre.85 80 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 2.31. 81 Schindler, DRdA 2011, 491 (492); Felten, DRdA 2019, 16 (21); einschränkend ders in Felten, Lohngleichheit Rz 3.21, wonach eine „innerbetriebliche Veröffentlichung“ des Einkommensberichts nicht vorgesehen ist. 82 Zutreffend hingegen Schrank, RdW 2011, 599 (601). 83 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 53. 84 Verfehlt Schindler, DRdA 2011, 491 (492). 85 AA Firlei, DRdA 2011, 238 (242)
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§ 11aBertsch 23 Die einzelnen AN haben also bei Bestehen eines Vertretungsorgans höchstens einen indirekten, inhaltlich unvollständigen Anspruch auf Erstellung und Erhalt des Einkommensberichts. Zwar wird mitunter vertreten, dass es bestimmte „Pflichtbefugnisse“ wie § 89 Z 2 ArbVG gibt,86 diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Selbst wenn man die Existenz von Pflichtbefugnissen anerkennen würde, wäre daraus wohl für § 11a nichts gewonnen, weil nichts an der Norm auf eine allfällige Verpflichtung des Belegschaftsorgans hindeutet (ganz im Gegenteil spricht § 11 Abs 3 etwa bei der Auskunftserteilung ausdrücklich von „Können“). Somit hat ein einzelner AN keine rechtliche Möglichkeit, gegen einen (Zentral)Betriebsrat oder Betriebsausschuss, der die Rechte nach § 11a nicht ausübt, vorzugehen. Ebenso wenig hat der AN im Zweifel einen durchsetzbaren Anspruch auf Erhalt des (eingeschränkten oder vollständigen) Einkommensberichts vom Betriebsrat, da das GlBG einen solchen Anspruch nicht vorsieht und somit ins ArbVG verweist. § 37 ArbVG ermöglicht es dem AN lediglich, Anfragen, Wünsche, Beschwerden, Anzeigen oder Anregungen gegenüber der Belegschaftsvertretung zu äußern, enthält aber keine durchsetzbaren Auskunftsrechte. Damit verbleibt lediglich die politische Verantwortlichkeit des Belegschaftsorgans. Ebenso wenig gibt es eine Art subsidiäre Zuständigkeit der „unteren“ Belegschaftsorgane für den Fall, dass zwar ein übergeordnetes Organ (wie ein Zentralbetriebsrat) besteht, es seine Rechte nach § 11a aber schlicht nicht einfordert. Übt das jeweils zuständige Organ seine Kompetenz aus welchen Gründen auch immer nicht aus, bricht die ganze „Kette“ zusammen und eine Durchsetzung der Pflicht zur Erstellung eines Einkommensberichts wird verunmöglicht. 24 In der Lit wurde kritisiert, dass § 11a bei Bestehen eines Betriebsrates keine Besserstellung gegenüber der schon zuvor bestehenden Möglichkeit zur Einsichtnahme in Gehaltsunterlagen nach § 89 Z 1 ArbVG ergibt.87 Dies ist nur bedingt richtig, da die „Initiative“ zur Erstellung eines Einkommensberichtes nunmehr vom Betriebsinhaber auszugehen hat und er weiters für eine statistische Auswertung und Verknüpfung der Entgeltdaten zu sorgen hat, welche die Belegschaftsorgane eventuell nicht oder nur mit erhöhtem Aufwand vornehmen können. Die Einsichtnahme nach § 89 Z 1 bietet allerdings den Vorteil, dass die Entgeltdaten dabei nicht anonymisiert werden, was beim Auffinden 86 Siehe dazu Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 89 Rz 3 mwN. 87 Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52 (53).
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einer konkreten Vergleichsperson unerlässlich wäre. Dieses Einsichtsrecht besteht auch unabhängig von einem konkreten Verdachtsfall.88 Ob die auf diese Weise ermittelten Entgeltdaten (mglw sogar ohne Anonymisierung) an AN zwecks Rechtsdurchsetzung weitergegeben werden dürfen, erscheint jedoch mangels einer ausdrücklichen Klarstellung und aufgrund der Verschwiegenheitspflicht für Belegschaftsorgane fraglich.89 Der OGH erkennt inzwischen die Vertretung der Interessen der AN in Entgeltfragen, auch und insbesondere bei der Bekämpfung von Entgeltdiskriminierungen, als Teil der Vertretungsaufgaben des Betriebsrates bzw sogar als deren Kernbereich an.90 Mit Felten91 ist somit davon auszugehen, dass es sowohl betriebsverfassungsals auch datenschutzrechtlich zulässig ist, konkrete Gehaltsdaten auch an einzelne AN weiterzugeben, wenn dies zur Herstellung von Lohngleichheit erforderlich ist und solange die Erfordernisse des Datenschutzes bestmöglich eingehalten werden.92 Es dürfen nur die erforderlichen Daten weitergegeben werden und wenn die Angabe des Geschlechts allein ausreicht, ist für eine Anonymisierung zu sorgen.93 Das Risiko, bei der Verfolgung des an sich anerkannten Ziels im Einzelfall über die Grenzen des (vor allem datenschutzrechtlich) Zulässigen hinauszuschießen, verbleibt freilich. § 11a bietet demgegenüber (trotz der Einschränkung auf „relevante“ Teile des Einkommensberichts) zumindest eine halbwegs rechtssichere, wenngleich inhaltlich weniger nützliche Alternative. Zudem könnte der Einkommensbericht als eine 88 Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 89 Rz 30. 89 Dagegen etwa noch OGH 14.2.2001, 9 ObA 338/00x bei Weitergabe der Gehaltsdaten ganzer Abteilungen; krit Pfeil, DRdA 2002, 219; Mosler in ZellKomm3 § 115 ArbVG Rz 46; Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52 (53); dem OGH folgend hingegen Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 45. 90 OGH 27.5.2015, 8 ObA 17/15f. 91 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 4.39 ff; ebenso Gahleitner, ASoK 2016, 208 (209) und im Ergebnis auch Drs, Dako 2017/66; offenbar aA Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 41. 92 Eine Weitergabe der gem § 89 Z 1 ArbVG erlangten Daten nicht an AN, sondern an überbetriebliche Interessenvertretungen, erscheint auch infolge des Kooperationsgebots in § 39 Abs 2 ArbVG unproblematisch, vgl Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 4.20 ff; Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch ArbVG § 39 Rz 21; Mosler in ZellKomm3 § 115 ArbVG Rz 45. Zur datenschutzrechtlichen Seite OGH 17.9.2014, 6 ObA 1/14m sowie Goricnik, DRdA-infas 2018, 187 f. 93 Gahleitner, ASoK 2016, 208; Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 4.49.
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§ 11aBertsch Art „Stein des Anstoßes“ eine Belegschaftsvertretung dazu veranlassen, ihr Recht auf Einsichtnahme in Entgeltdaten auszuüben und bei Feststellung konkreter Diskriminierungen entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Eindeutig ist zumindest, dass die Kompetenzen nach dem ArbVG von § 11a GlBG nicht beschnitten oder überlagert, sondern vielmehr ergänzt werden.94 25 Sollte keines der in § 11a Abs 3 genannten Organe bestehen, kommt der Anspruch auf Erstellung des Einkommensberichts nach Abs 3 vorletzter Satz den einzelnen AN zu. Damit reiht sich § 11a in die Reihe jener arbeitsverfassungsrechtlichen Bestimmungen ein, welche die Ausübung von Betriebsratskompetenzen für den Fall, dass kein entsprechendes Organ eingerichtet ist, ausdrücklich regeln. Der Bericht ist im Fall, dass kein zuständiges Belegschaftsorgan besteht, im Betrieb in einem für alle AN zugänglichen Raum aufzulegen. Auf den Einkommensbericht ist zudem in einer Betriebskundmachung hinzuweisen. Diese Vorschrift ist § 15 ArbVG zur Auflegung von Kollektivverträgen nachgebildet. Nicht vorgesehen und wohl vielfach auch praktisch schwer durchführbar ist eine Einschränkung der Auflegungspflicht auf die für den AN relevanten Informationen; der AN, der seine Information nicht vom Betriebsrat, sondern durch Einsichtnahme bezieht, kann also alle Entgelte aller Verwendungsgruppen sehen. Das ergibt einen nicht zu übersehenden Widerspruch innerhalb der Bestimmung des § 11a, da wie bereits erwähnt die Auskünfte, die ein AN vom Betriebsrat erhalten könnte, auf für ihn relevante Informationen beschränkt sind (Rz 22). Dennoch kann daraus nicht abgeleitet werden, dass bei Bestehen eines Belegschaftsorgans der gesamte Einkommensbericht an AN weitergegeben werden darf, da dies dem Wortlaut der Bestimmung eindeutig widersprechen würde.95 Eine Begründung für diese scheinbare Privilegierung des AN bei Nichtbestehen eines der in § 11a Abs 3 genannten Organe könnte darin gesehen werden, dass hier der Nachteil des nicht von einem Betriebsrat vertretenen AN, dass eine Einsichtnahme nach § 89 Z 1 ArbVG nicht möglich ist, ausgeglichen werden soll.96 Bejaht man, dass der Betriebsrat die nach § 89 Z 1 ArbVG gewonnenen Daten, wenn erforderlich sogar in nicht anonymisierter Form, an AN weitergeben darf (siehe Rz 24), ist freilich eine Einsicht94 Felten, DRdA 2019, 17. 95 Verfehlt Witt-Löw, Einkommensbericht, 18. 96 Felten, DRdA 2019, 18.
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nahme in den (zwangsläufig anonymisierten) Einkommensbericht kein vollständiger Ersatz für dieses Recht. Ebenso sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der einzelne AN mit dem uU sehr komplexen Einkommensbericht wenig anfangen kann und ihm anders als dem Betriebsrat auch keine Beratungsrechte zukommen; damit ist er auf die Beratung und Unterstützung von Dritten angewiesen. Durch die Einsichtnahme in den Bericht darf, wie der (wohl überflüssi- 26 ge) Verweis auf § 13 GlBG klarstellt, den AN kein Nachteil erwachsen. Die Einsichtnahme hat allerdings weiterhin außerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen, sofern dies der AG durch entsprechende Gestaltung der Öffnungszeiten ermöglicht; unterlässt er dies, hat er für die Einsichtnahme in den Bericht während der Arbeitszeit Entgeltfortzahlung zu gewähren. Nicht geregelt ist, wie lange der Bericht verfügbar sein muss sowie ob und in welchem Ausmaß gegebenenfalls eine Vervielfältigung ermöglicht werden muss (zB Kopieren oder Fotografieren). Letzteres dürfte aufgrund der bestehenden Geheimhaltungspflichten jedoch zu verneinen sein; lediglich das Anfertigen relevanter Notizen wird der AG nicht unterbinden können.97 § 11a Abs 3 geht offenbar von einem physischen Raum aus, die Möglichkeit einer digitalen Auflegung (zB auf einem für die AN zugänglichen Server oder im betrieblichen Intranet) erscheint damit fraglich,98 wenngleich sie wünschenswert wäre und praktisch offenbar bereits Verbreitung gefunden hat. Lediglich die Betriebskundmachung könnte eindeutig auf elektronischem Wege, zB per Email, erfolgen. Nicht notwendig ist, dass ein AN bei der Einsichtnahme allein ist, weshalb auch die Räumlichkeiten anderer AN (zB der Personalabteilung) genutzt werden können.99 Geht man wie hier davon aus, dass leitende Angestellte grundsätzlich 27 dem § 11a unterliegen (siehe dazu Rz 4), besteht ihnen gegenüber immer eine Auflegungspflicht, da für sie naturgemäß kein Belegschaftsorgan zuständig sein kann. Im Falle des Fehlens eines Zentralbetriebsrates können sich des Weiteren sehr unterschiedliche Konstellationen 97 So Schrank, RdW 2011, 599 (601); Rosenmayr/Sacherer, ZAS 2011, 52 (55). AA (je nach Umfang und Komplexität des Berichts auch Anspruch auf Aushändigung von Kopien möglich) unter Verweis auf betriebsverfassungsrechtliche Regelungen Felten, DRdA 2019, 16 (18); ders in Felten, Lohngleichheit Rz 2.35. 98 AA Witt-Löw, Einkommensbericht 19. 99 Zweifelnd Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 52.
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§ 11aBertsch ergeben, in denen eine Auflegungspflicht (und damit verbunden die Möglichkeit der Durchsetzung durch den einzelnen AN) zwar in bestimmten Betrieben des Unternehmens ganz oder auch nur für bestimmte Gruppen besteht, in anderen hingegen nicht. Eine ebensolche Konstellation ergibt sich für Arbeitnehmerähnliche und Heimarbeiter; auch diese sind nicht AN nach § 36 ArbVG, womit für sie keine Zuständigkeit irgendeines Belegschaftsorgans besteht. Insofern verkompliziert sich die Zuständigkeitsordnung in Strukturen mit mehreren Betrieben oder bei Vorhandensein bestimmter Gruppen von Beschäftigten erheblich. Hier zeigt sich erneut die „Mischnatur“ dieser Bestimmung zwischen Kollektiv- und Individualarbeitsrecht. Im Übrigen ist die Auflegungspflicht nicht zahlenmäßig nach unten beschränkt, sie kann zB auch nur gegenüber einer einzelnen Person bestehen. Sollte eine Auflegungspflicht nur gegenüber bestimmten Gruppen bestehen, hat sie in einem nur für diese zugänglichen Raum stattzufinden. Dem AG steht es daher schon aufgrund der Geheimhaltungspflichten zu, die Berechtigung der Einsicht nehmenden AN zu überprüfen. Das verunmöglicht aber in Kombination mit der nicht bestehenden Möglichkeit zur elektronischen Auflage eine anonyme Einsichtnahme in den Einkommensbericht. Wenngleich die Zielsetzung des Einkommensberichts bereits nach den Materialien eindeutig die Beseitigung der Unterbezahlung von Frauen ist, steht ein Anspruch darauf im Übrigen AN beider Geschlechter zu. § 11a hat daher nicht den Charakter einer positiven Maßnahme nach Art 157 Abs 4 AEUV. Zusammengefasst sind die Mechanismen der Geltendmachung einigermaßen kompliziert und tragen mit ihren bürokratischen Abläufen, der ständig im Raum stehenden Möglichkeit einer Verletzung von Verschwiegenheitspflichten und der zerrissenen Struktur bei Bestehen mehrerer Betriebe oder unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen wesentlich zur ohnehin schon bescheidenen Effektivität des § 11a bei. 28 Der Bericht ist alle zwei Jahre und innerhalb des ersten Quartals des auf das Berichtsjahr folgenden Kalenderjahres zu erstellen. Der AG hat somit eine (auffallend kurze) Frist von drei Monaten für die Erstellung. Nach Ablauf dieser Frist kann die Erstellung des Einkommensberichts klageweise durch den Betriebsrat bzw bei Fehlen eines solchen durch jeden AN durchgesetzt werden. Der Anspruch auf Erstellung eines Einkommensberichts unterliegt gem Abs 6 der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1486 ABGB, wobei die Frist mit Ablauf des ersten Quartals des auf das Berichtsjahr folgenden Kalenderjahres (somit ab 434
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dem Zeitpunkt, an dem der AG mit dem Bericht in „Verzug“ gerät) zu laufen beginnt.100 Anders als die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch den AN ist die unterlassene Erstellung eines Einkommensberichts nicht mit Konsequenzen, insbesondere nicht mit einer Verwaltungsstrafe bedroht, was der Verpflichtung nach § 11a wesentlich an Schärfe nimmt.101 Konsequenz wäre jedoch der Ausschluss von Förderungen aufgrund von § 14 GlBG, da es sich bei § 11a um eine Verpflichtung des I. Teils handelt (§ 14 Rz 6). Als negative Folgen kommen außerdem bei verlorenem Prozess Prozesskostenersätze und Exekutionskosten infrage. Etwas fraglich erscheint eine Kostenersatzpflicht allerdings bei Prozessführung durch den Betriebsrat, da eine solche nach § 58 ASGG für Streitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG nur vor dem Obersten Gerichtshof besteht. § 50 Abs 2 nennt nunmehr zwar hauptsächlich Teile des ArbVG, jedoch auch „gleichartige österreichische Rechtsvorschriften“, worunter auch die Vorschrift des §11a GlBG fallen könnte; insbesondere ist eine Ähnlichkeit zur Betriebsratskompetenz nach § 89 Z 1 ArbVG nicht zu verkennen.102
V. Rechtsfolgen des Einkommensberichts Der Einkommensbericht kann zur Glaubhaftmachung einer ge- 29 schlechtsbezogenen Diskriminierung beim Entgelt sowie gegebenenfalls beim beruflichen Aufstieg herangezogen werden.103 Zur Beachtung des Einkommensberichts im Zusammenhang mit der Glaubhaftmachung dürfte ein nationales Gericht nach der Rsp des EuGH sogar verpflichtet sein. Gemäß EuGH 17. 10. 1989, C-109/88, Danfoss obliegt dem/der AG der Nachweis, dass die Lohnpolitik nicht diskriminierend ist, wenn in einem Unternehmen ein Entlohnungssystem angewandt wird, dem jede Durchschaubarkeit fehlt, sofern die Arbeitnehmerin auf der Grundlage einer relativ großen Zahl von AN belegt, dass das durchschnittliche Entgelt der Arbeitnehmerinnen niedriger ist als das der Arbeitnehmer. Gemäß EuGH 27. 10. 1993, C-127/92, Enderby kehrt sich die Beweislast um, wenn Arbeitnehmerinnen, die dem ersten Anschein nach diskriminiert sind, sonst kein wirksames Mittel hätten, um die Einhaltung des Grundsatzes des gleichen Entgelts durchzuset100 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 57. 101 Krit Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 56. 102 Ebenso Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 57. 103 Felten, DRdA 2019, 16 (24); ders in Felten, Lohngleichheit Rz 4.2.
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§ 11aBertsch zen. Wenn aus Statistiken, die das nationale Gericht für aussagekräftig hält, ein merklicher Unterschied beim Entgelt für zwei gleichwertige Tätigkeiten hervorgeht, von denen die eine fast ausschließlich von Frauen und die andere hauptsächlich von Männern ausgeübt wird, obliegt es dem AG, diesen Unterschied durch objektive Faktoren zu rechtfertigen, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben.104 Gerade bei der Vermischung von variablen und fixen Entgeltbestandteilen kann es erforderlich sein, dem AG die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die festgestellten Unterschiede nicht auf einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beruhen, wenn sich sonst nicht feststellen lässt, welche Faktoren für die Berechnung des variablen Teils des Entgelts der zugrunde gelegten Maßeinheiten von Bedeutung gewesen sind.105 Der Einkommensbericht wird sich oftmals aufgrund mehrerer Faktoren zum tatsächlichen Nachweis eines Verstoßes gegen das Gebot von gleichem Entgelt für gleiche Arbeit nicht eignen, da er bloß pauschalierte Gesamtsummen nennt, für die Feststellung einer Diskriminierung aber meist ein Vergleich einzelner Entgeltbestandteile erforderlich sein wird. Eine solche Aufteilung wäre aber eine freiwillige Zusatzangabe. Aufgrund der gebotenen Anonymisierung lässt sich allein durch den Einkommensbericht keine konkrete Vergleichsperson ermitteln. Ebenso keine Auskunft bietet er zur konkreten Belastung eines einzelnen AN und zu allfälligen Rechtfertigungsgründen. Folgt man der EuGH-Judikatur, kann es uU erforderlich sein, dem AG die Beweispflicht aufzuerlegen, dass ein merklicher Unterschied im Einkommensbericht nicht diskriminierend ist. 30 Weder aus § 11a noch aus anderen gleichbehandlungsrechtlichen Vorschriften im nationalen Recht oder Unionsrecht ergibt sich ein Auskunftsanspruch eines AN ggü seinem AG über Gehälter von konkreten Vergleichspersonen.106 Der EuGH hat in der Rs Kelly ein solches Recht hinsichtlich Bewerbungsunterlagen ausdrücklich verneint.107 Eine Weigerung des AG zur Offenlegung könnte höchstens bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden,108 was auch auf das Entgelt ausgedehnt werden kann. Ein Anspruch auf Offenlegung von Gehaltsdaten kommt jedoch dem Betriebsrat gem § 89 Z 1 ArbVG zu und unter 104 Konstatzky/Schrittwieser, ecolex 2011, 588 (591). 105 EuGH 31.5.1995, C-400/93, Royal Copenhagen. 106 Felten in Felten, Lohngleichheit Rz 4.4 f. 107 EuGH 21.7.2011, C-104/10, Kelly. 108 EuGH 19.4.2010, C-415/10, Meister.
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Einkommensbericht
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gewissen Auflagen wird hier auch eine anonymisierte oder sogar offene Weitergabe an Interessenvertretungen und AN zulässig sein (siehe dazu Rz 24). Seine volle Effektivität erlangt der Einkommensbericht also erst im Zusammenspiel mit betriebsverfassungsrechtlichen Normen. Eventuell könnte der Einkommensbericht auch als (zusätzliche) Be- 31 gründung für positive Maßnahmen nach § 8 GlBG herangezogen werden, wenngleich sich hier dieselben Probleme stellen. Kritisiert worden ist, dass mit der Erstellung des Einkommensberichts, anders als etwa im ASchG oder im schwedischen Recht, keine Evaluierungs- oder Analysepflicht einhergeht, selbst wenn sich aus dem Bericht signifikante Abweichungen zwischen den Entgelten für Männer und Frauen ergeben.109 Ob auf Unternehmensebene Maßnahmen ergriffen werden, bleibt einzig dem Ermessen des AG überlassen. Immerhin bietet der Einkommensbericht aber einen Anlass, das ansonsten vielleicht übersehene Thema des Entgelts im Unternehmen zu diskutieren, was zumindest anekdotischer Evidenz zufolge durchaus ein Umdenken bewirken kann.110 Der Bericht kann also zur Bewusstseinsbildung beitragen. Wesentliche Änderungen würde der aktuelle Vorschlag der Kommissi- 32 on für eine Lohntransparenz-Richtlinie bewirken (vgl dazu § 1 Rz 9b). Insbesondere sieht der Entwurf in Art 7 ein Auskunftsrecht der AN über ihr individuelles Einkommen und über die Durchschnittseinkommen vor, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppen von AN, die gleiche Arbeit wie sie oder gleichwertige Arbeit verrichten. Die größte Abkehr vom österreichischen Modell bringt aber Art 8, wonach die (nach dem Vorschlag ab 250 AN zu erstellende) Berichterstattung über das Lohngefälle öffentlich gemacht werden muss, etwa über die Website des Unternehmens. Wie der Gesetzgeber diese mit dem aktuellen System der Entgelttransparenz in Widerspruch stehenden Anordnungen allenfalls umsetzen wird, bleibt abzuwarten.
109 Firlei, DRdA 2011, 238 (248). 110 So im Ergebnis auch die im Auftrag des BMFB von Deloitte erstellte Evaluierungsstudie zur Einkommenstransparenz (2015).
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§ 12
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Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehand lungsgebotes § 12. (1) Ist das Arbeitsverhältnis wegen Verletzung des Gleichbe-
handlungsgebotes des § 3 Z 1 nicht begründet worden, so ist der/die Arbeitgeber/in gegenüber dem/der Stellenwerber/in zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. Der Ersatzanspruch beträgt 1. mindestens zwei Monatsentgelte, wenn der/die Stellenwerber/in bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte, oder 2. bis 500 Euro, wenn der/die Arbeitgeber/in nachweisen kann, dass der einem/einer Stellenwerber/in durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird. (2) Erhält ein/e Arbeitnehmer/in wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 3 Z 2 durch den/die Arbeitgeber/in für gleiche Arbeit oder für eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, ein geringeres Entgelt als ein/e Arbeitnehmer/in des anderen Geschlechtes, so hat er/sie gegenüber dem/der Arbeitgeber/in Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (3) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 3 Z 3 hat der/die Arbeitnehmer/in Anspruch auf Gewährung der betreffenden Sozialleistung oder Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (4) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 3 Z 4 hat der/die Arbeitnehmer/in Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechenden betrieblichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (5) Ist ein/e Arbeitnehmer/in wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 3 Z 5 nicht beruflich aufgestiegen, so ist der/ die Arbeitgeber/in gegenüber dem/der Arbeitnehmer/in zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. Der Ersatzanspruch beträgt 1. die Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate, wenn der/ die Arbeitnehmer/in bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufgestiegen wäre, oder 438
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2. bis 500 Euro, wenn der/die Arbeitgeber/in nachweisen kann, dass der einem/einer Arbeitnehmer/in durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird. (6) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 3 Z 6 hat der/die Arbeitnehmer/in Anspruch auf Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen wie ein/e Arbeitnehmer/in des anderen Geschlechtes oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (7) Ist das Arbeitsverhältnis vom/von der Arbeitgeber/Arbeitgeberin wegen des Geschlechtes des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz gekündigt oder vorzeitig beendigt worden oder ist das Probearbeitsverhältnis wegen eines solchen Grundes aufgelöst worden (§ 3 Z 7), so kann die Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses bei Gericht angefochten werden. Ist ein befristetes, auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegtes Arbeitsverhältnis wegen des Geschlechtes des/der Arbeitnehmers/in oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz durch Zeitablauf beendet worden, so kann auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses geklagt werden. Lässt der/die Arbeitnehmer/in die Beendigung gegen sich gelten, so hat er/sie Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (8) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 4 Z 1 hat die betroffene Person Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechenden Berufsberatungs-, Berufsausbildungs-, Weiterbildungsund Umschulungsmaßnahmen oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (9) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 4 Z 2 hat die betroffene Person Anspruch auf Mitgliedschaft und Mitwirkung in der betroffenen Organisation sowie auf Inanspruchnahme der Leistungen der betreffenden Organisation oder Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (10) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 4 Z 3 hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensscha439
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dens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (11) Bei einer sexuellen Belästigung nach § 6 oder einer geschlechtsbezogenen Belästigung nach § 7 hat die betroffene Person gegenüber dem/der Belästiger/in und im Fall des § 6 Abs. 1 Z 2 oder § 7 Abs. 1 Z 2 auch gegenüber dem/der Arbeitgeber/in Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens. Soweit der Nachteil nicht nur in einer Vermögenseinbuße besteht, hat die betroffene Person zum Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung Anspruch auf angemessenen, mindestens jedoch auf 1 000 Euro Schadenersatz.. (12) Insoweit sich im Streitfall die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 3, 4, 6 oder 7 beruft, hat er/sie diesen glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt es bei Berufung auf §§ 3 oder 4 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 2 vorliegt. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen. (13) Liegt eine Mehrfachdiskriminierung vor, so ist darauf bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung Bedacht zu nehmen. (14) Die Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung ist so zu bemessen, dass dadurch die Beeinträchtigung tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird und die Entschädigung der erlittenen Beeinträchtigung angemessen ist sowie Diskriminierungen verhindert. Materialien: GlBG Stammfassung: RV 307 BlgNR 22. GP; AB 499 BlgNR 22. GP. Novelle 2005: RV 836 BlgNR 22. GP; AB 1028 BlgNR 22. GP. Novelle 2008: RV 415 BlgNR 23. GP; AB 559 BlgNR 23. GP. Novelle 2011: RV 938 BlgNR 24. GP; AB 1047 BlgNR 24. GP. Novelle 2013: RV 2300 BlgNR 24. GP; AB 2326 BlgNR 24. GP. Literatur: Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast (1983); Eichinger, Rechtsfragen zum Gleichbehandlungsgesetz: Mittelbare Diskriminierung – Sexuelle Belästigung – Beweislastverteilung (1993); Wilhelm, Diskriminierung und Beweislast, ecolex 1993, 217; Kletečka, Der Anscheinserfüllungsgehilfe, JBl 1996,
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84; F. Bydlinski, Thesen zur lexlata-Grenze der Rechtsfindung, JBl 1997, 617; Gahleitner, EuGH: Schadenersatzbeschränkungen verstoßen gegen Gleichbehandlungsrichtlinie, ASoK 1997, 266; Koziol, Haftpflichtrecht Band I3 (1997); Mosler, Geschlechterdiskriminierung bei der Einstellung von Arbeitnehmern/ innen, wbl 1997, 365; Treber, Arbeitsrechtliche Neuerungen durch das „Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Arbeitsgerichtsgesetzes“ NZA 1998, 856; Annuß, Grundfragen der Entschädigung bei unzulässiger Geschlechtsdiskriminierung, NZA 1999, 738; Smutny, Geschlechtsbezogene Diskriminierung bei der Einstellung von ArbeitnehmerInnen, DRdA 2000, 122; Gamillscheg, EzA (Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht) § 611a BGB Nr 15 (2001); Hopf/Smutny, Diskriminierung auf Grund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses – Schadenersatz trotz fehlender „Bestqualifikation“? DRdA 2002, 99; Karner/Koziol, Der Ersatz ideellen Schadens im österreichischen Recht und seine Reform, 15. ÖJT II/1 (2003); Hopf, Belästigung in der Arbeitswelt, in FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 147 (155); Hopf, Belästigungsschutz neu, RdW 2004, 601; Schiek, Gleichbehandlungsrichtlinien der EU – Umsetzung im deutschen Arbeitsrecht, NZA 2004, 873; Sturm, Richtlinienumsetzung im neuen Gleichbehandlungsgesetz und Gleichbehandlungskommis sions-/Gleichbehandlungsanwaltschaftsgesetz, DRdA 2004, 574; Kletečka, Durchsetzung der Differenzierungsverbote, in Tomandl/Schrammel (Hrsg), Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote (2005) 93; Windisch-Graetz, Probleme der Mehrfachdiskriminierung in der Arbeitswelt, DRdA 2005, 238; Eichinger/ Hopf, Diskriminierung wegen Religion oder Weltanschauung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, DRdA 2006, 245; (253); Runggaldier, Auflösung eines Probedienstverhältnisses nach sexueller Belästigung, RdW 2006/705; Gahleitner, Der Schutz vor Belästigung im Arbeitsverhältnis, ZAS 2007, 148; Majoros, Richtlinienkonforme Bemessung des ideellen Schadens im Gleichbehandlungsgesetz, DRdA 2007, 515; Kletečka, Punitive damages – Der vergessene Reformpunkt? ÖJZ 2008, 785; Potz, GlBG-Hopping? Schadenersatzjäger und das GlBG, RdW 2008, 730; Gerhartl, Geschlechtsbezogene Belästigung am Arbeitsplatz, taxlex 2009, 118; Klicka, Beweismaß und Beweislast bei Diskriminierungstatbeständen, ZAS 2009, 190 (EAnm); Ludwig, Schadenersatz bei intersektioneller Diskriminierung, DRdA 2009, 276; Mazal, Belästigung in der Arbeitswelt – Abhilfe durch Unternehmenskultur! ecolex 2009, 460; Konstatzky, Equal Pay – Durchsetzungsprobleme von Diskriminierungsfällen, DRdA 2010, 164; Potz, Die Abwägung von Wahrscheinlichkeiten – Rechtsfragen zur Glaubhaftmachung im GlBG, RdW 2010, 28; Mader/Janisch in Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB VI4 (2016); Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts9 (2017); Köck, Diskriminierung wegen Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung: praktische Erfahrungen und Rechtsfragen, ZAS 2018, 137; Gahleitner, 40 Jahre Gleichbehandlungsgesetz – Europäische Impulse bei der Gleichstellung der Geschlechter, DRdA 2019, 391; Gahleitner, Schadenersatz bei diskriminierender Beendigung des Arbeitsverhältnisses, in GS Rebhahn (2019) 75; Köck/Sonntag, ASGG (2020); Körber-Risak in Mazal/Gruber-Risak, Das Arbeitsrecht (37. Lfg 2021) Kapitel VIII; Thüsing, AGG, in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch9 (2021); Wel-
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ser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2021); Schlachter, AGG, in Müller-Gloge/ Preis/Schmidt (Hrsg), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht22 (2022); M. Kopetzki, Money can’t buy us happiness: Zum Recht auf „Feststellung“ einer Diskriminierung, ecolex 2021, 638.
Inhaltsübersicht I. Unionsrechtliche Vorgaben........................................................................ 1 1. Primärrechtliche Vorschriften............................................................. 1 2. Neugefasste GB-RL (RL 2006/54/EG)............................................... 4 3. Fortwirkung der alten Entgelt-RL 75/117/EWG............................. 6 4. Fortwirkung der alten Beweislast-RL 97/80/EG............................... 7 5. Zentrale Aussagen des EuGH zu den Rechtsfolgen einer Verletzung der GB-RL.......................................................................... 9 II. Umsetzung durch das GlBG...................................................................... 11 1. Allgemeines zu den Rechtsfolgen (Schadenersatz und Erfüllung); Gesetzesgenese........................................................................................ 11 2. Zurechnung von Gehilfen und Vertretern........................................ 13 3. Diskriminierung bei der Einstellung; und Allgemeines zum Schadenersatz......................................................................................... 16 a. Allgemeines......................................................................................... 16 b. Spezielle Regelung für die Einstellung........................................... 17 c. Ideelle Schäden................................................................................... 20 d. Mindestersatz für den Bewerber, der die Stelle erhalten hätte... 24 e. Höchstbetrag wegen mangelnder Kausalität für die Ablehnung.......................................................................................... 28 f. Die ungenannte dritte Gruppe........................................................ 34 g. Ernsthafte und geeignete Bewerber................................................ 36 h. Verschuldensunabhängigkeit und Fehlen von Rechtfertigungsgründen.................................................................. 38 i. Entgangener Gewinn........................................................................ 41 j. Sonstiges zum Umfang des Schadenersatzes................................ 41a 4. Gleiches Geld für gleiche Arbeit, freiwillige Sozialleistungen, Aus- und Weiterbildung, sonstige Arbeitsbedingungen; zum Anspruch auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands.. 42 5. Beruflicher Aufstieg............................................................................... 48 6. Beendigungsdiskriminierung............................................................... 49 a. Allgemeines; zur Struktur der Rechtsfolgen................................ 49 b. Entfristungsanspruch bei diskriminierender NichtFortsetzung bestimmter befristeter Arbeitsverhältnisse............. 49c c. Schadenersatz statt Anfechtung/Entfristung.............................. 50 d. Austritt und Schadenersatz............................................................. 50c e. Prozessuales zur Anfechtung.......................................................... 50d 7. Berufsberatung, Berufsausbildung, Weiterbildung, Umschulung, Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- bzw Arbeitgeber-Organisation.................................................................... 51 8. Selbständige Beschäftigung.................................................................. 52
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9. Sexuelle Belästigung, geschlechtsbezogene Belästigung und Belästigung aus den Gründen des § 17 GlBG.................................... 53 10. Beweiserleichterung............................................................................... 56 11. Nichtigkeit.............................................................................................. 58 12. Konkurrenzen und Mehrfachdiskriminierung................................. 59 13. Diskriminierungsfreie Ausschreibung................................................ 63 14. Bemessung des immateriellen Schadenersatzes................................. 65
I. Unionsrechtliche Vorgaben 1. Primärrechtliche Vorschriften Von den primärrechtlichen Bestimmungen, die von der Gleichbehand- 1 lung der Geschlechter handeln (Art 8, 153 und 157 AEUV), kommt dem Art 157 Abs 1 AEUV (ex 141 Abs 1 EGV), der den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit aufstellt, besondere Bedeutung zu. Dies deshalb, weil er horizontale Drittwirkung gegenüber privaten Arbeitgebern entfaltet,1 und zwar auch bei mittelbarer Diskriminierung.2 Der Grundsatz der Entgeltgleichheit der Geschlechter ist fundamental und wird auch über Art 23 GRC formal als Grundrecht verankert. Es stellt sich daher die Frage, ob ein AN, der hinsichtlich des Entgelts 2 diskriminiert wird, gestützt insb auf Art 157 Abs 1 AEUV (allenfalls iVm Art 23 GRC) über § 12 Abs 2 GlBG hinausgehende Rechte geltend machen kann. Dies ist im Grundsatz jedenfalls zu bejahen (§ 1 Rz 15). Die praktische Bedeutung dieser Anspruchsnormenkonkurrenz ist allerdings gering, weil § 12 Abs 2 GlBG ohnehin einen Anspruch auf die Differenz und sogar einen Ersatz für den immateriellen Schaden vorsieht. Sie könnte aber zB bei der Frage der Verjährung Auswirkungen zeigen, und zwar dann, wenn der Anspruch nach Art 157 Abs 1 AEUV später als jener nach § 12 Abs 2 GlBG verjährt. Dabei ist zu beachten, dass die GB-RL, wie zu zeigen sein wird (unten Rz 42 ff), einen Schadenersatzanspruch auch bei Ungleichbehandlung bzgl des Entgelts verlangt und § 12 Abs 2 GlBG einen solchen auch vorsieht. Dieser Anspruch verjährt aber gemäß § 15 Abs 1 GlBG in der Frist des § 1486 ABGB und nicht in jener des § 1489 ABGB. Nach beiden Bestimmungen beträgt die Verjährungsfrist zwar drei Jahre, nach § 1486 ABGB beginnt sie allerdings grundsätzlich mit der Fälligkeit und nicht, wie dies § 1489 1 EuGH 8.4.1976, Rs 43/75, Defrenne II, Rz 39; 28.9.1994, C-28/93, Van den Akker, Rz 21. 2 EuGH 31.3.1981, Rs 96/80, Jenkins, Rz 13 und 18.
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ABGB vorsieht, erst mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Eines Rückgriffs auf Art 157 Abs 1 AEUV bedarf es allerdings nicht, wenn man der Ansicht ist, dass in Analogie zu § 1489 ABGB auch der Schadenersatzanspruch nach § 12 Abs 2 GlBG iVm § 1486 ABGB erst mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu verjähren beginnt. Diese Analogie erscheint nicht nur auf Grund richtlinienkonformer Rechtsfortbildung,3 sondern schon nach nationalem Recht geboten. So wird sie zB bei der Risikohaftung des Arbeitgebers nach § 1014 ABGB analog zu Recht bejaht, weil dieser Anspruch hinsichtlich der Verjährung tatsächlich einem Schadenersatzanspruch ähnlich ist.4 Umso mehr muss § 1489 ABGB aber dann sinngemäß herangezogen werden, wenn es sich tatsächlich um eine Schadenersatzforderung handelt. 3 Art 157 Abs 1 AEUV böte auch dann über § 12 Abs 2 GlBG hinausgehende Rechte, wenn man letztere Bestimmung so verstünde, dass sie neben dem Ersatz ideeller Schäden nur einen Schadenersatzanspruch auf die Entgeltdifferenz für die Vergangenheit vorschreibt. Der EuGH leitete nämlich schon aus Art 141 Abs 1 EGV (nun: Art 157 AEUV) einen Anspruch des diskriminierten AN darauf ab, dass für ihn die gleiche Regelung anzuwenden ist, die für die übrigen AN gilt.5 UE ist aber § 12 Abs 2 GlBG ohnehin unionsrechtskonform so zu interpretieren, dass die Differenz auch für die Zukunft verlangt werden kann. Konstruktiv ist der Anspruch auf das höhere Entgelt mit einer durch § 12 Abs 2 GlBG bewirkten Anpassung des Dienstvertrages zu erklären (siehe unten Rz 58).
2. Neugefasste GB-RL (RL 2006/54/EG) 4 Nach Art 17 der GB-RL, welche nunmehr in einer kodifizierenden Neufassung die Gleichbehandlung der Geschlechter regelt, haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus der RL auf dem Gerichtsweg, dies allenfalls nach Verwaltungsbehörden, sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, nach einem Schlichtungsverfahren, geltend machen können (Abs 1). 3 Vgl EuGH 1.12.1998, C-326/96, Levez; oben § 3 Rz 34. 4 OGH SZ 62/150; Mader in Schwimann4 § 1486 Rz 16. 5 EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz, Rz 18 ff; 28.9.1994, C-28/93-Van den Akker Rz 16 f; § 3 Rz 27.
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Die Mitgliedstaaten haben im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass der einer Person durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des Art 14 GB-RL entstandene Schaden – je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten – tatsächlich und wirksam ausgeglichen oder ersetzt wird, wobei dies auf eine abschreckende und dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss. Eine Höchstgrenze darf nur für jene Fälle vorgesehen werden, in denen der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der einem Bewerber durch die Diskriminierung entstandene Schaden allein darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner Bewerbung verweigert wird (Art 18 GB-RL). Gemäß Art 25 GB-RL müssen die von den Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die innerstaatlichen Umsetzungsvorschriften vorgesehenen Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. In Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen ergibt sich, dass eine 5 Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art 14 GB-RL einen Schadenersatzanspruch nach sich ziehen muss.6 Hinsichtlich von Verstößen gegen sonstige Umsetzungsbestimmungen sind hingegen die Mitgliedstaaten in der Auswahl der Sanktionen frei. Diese können, müssen aber nicht den Ersatz des Schadens vorsehen. In Bezug auf Verstöße gegen Art 14 GB-RL ist durch die RL 2002/73/EG eine wichtige Änderung eingetreten. Zuvor hatte nämlich der EuGH judiziert, dass die Mitgliedstaaten bei der Wahl ihrer Mittel frei seien und der Ersatz des Schadens nur eine Möglichkeit der Sanktion darstelle.7 Wenn daher die RL im Erwägungsgrund 338 ausspricht, dass der EuGH bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verlange, dass „eine dem erlittenen Schaden angemessene Entschädigung zuerkannt werde“, ist dies nicht ganz richtig. Der EuGH leitete nämlich seine Ausführungen mit den Worten ein: „Wenn sich die Mitgliedstaaten dafür entscheiden, den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot mit der Sanktion einer Entschädigung zu belegen [...]“. Seit 2005 6 Dies übersehend noch Müller-Glöge in MünchKomm4 BGB § 611a Rz 60. Vgl auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 Rz 4 (zugunsten Sanktionengewissheit und Effektivität, aber nicht explizit pro Schadenersatz). 7 EuGH 8.11.1990, Rs 177/88, Dekker, Rz 15 und 18 – von Colson und Kamann; 10.4.1984, Rs 79/83, Harz, Rz 15; 2.8.1993, C-271/91, Marshall II, Rz 17, 23; 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 24. 8 Entspricht Erwägungsgrund 18 der RL 2002/73/EG.
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(Inkrafttreten der RL 2002/73/EG) sind aber die Mitgliedstaaten tatsächlich verpflichtet – allenfalls neben weiteren Maßnahmen – einen Anspruch auf einen angemessenen Schadenersatz vorzusehen.
3. Fortwirkung der alten Entgelt-RL 75/117/EWG 6 Die inhaltlich von Art 157 Abs 1 AEUV „absorbierte“ alte Entgelt-RL 75/117/EWG (siehe § 1 Rz 5) hat zumindest formal durch Art 3 RL 2002/73/EG (nunmehr Art 14 GB-RL) eine Renaissance erlebt. Art 14 Abs 1 lit c GB-RL verbietet nämlich eine Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts „nach Maßgabe“ von Artikel 141 EGV (nunmehr Art 157 AEUV). Materiell kommt dieser Verweisung auf Grund der „Aufladung“ des Art 157 Abs 1 EGV mit den Inhalten der alten Entgelt-RL und wegen der horizontalen Drittwirkung des Art 157 Abs 1 AEUV aber nach wie vor keine selbständige Bedeutung zu.
4. Fortwirkung der alten Beweislast-RL 97/80/EG 7 Mit der Beweislast-RL 97/80/EG, welche die alte GB-RL 76/207/ EWG ergänzte, wurde eine Regelung eingeführt, wonach die nationale Umsetzung eine Beweiserleichterung für den Kläger vorsehen muss;9 die Regelung findet sich heute in Art 19 Abs 1 GB-RL. Danach muss der Beklagte beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegt, wenn es dem Kläger gelungen ist, Tatsachen glaubhaft zu machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen. 8 Früher war strittig, ob der Umstand, dass die Beweiserleichterung des § 2a Abs 9 GlBG aF den Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht erfasst hatte, als Redaktionsversehen anzusehen war.10 Seit der RL 2002/73/EG, welche bereits (in Art 2 Abs 2 und 3) die sexuelle Belästigung als Diskriminierungsform ausdrücklich nannte (so nunmehr Art 2 Abs 2 lit a GB-RL), kann aber kein Zweifel mehr bestehen, dass die aus der Beweislast-RL (97/80/EG) stammende Beweiserleichterung auch die sexuelle Belästigung erfasst.11 9 Vgl Art 10 R-GB-RL und Art 8 AR-RL, die selbst entsprechende Regelungen enthalten, was die Heranziehung der Beweislast-RL (bzw heute von Art 19 Abs 1 GB-RL) überflüssig macht. 10 So Wilhelm, ecolex 1993, 217; Gahleitner, DRdA 1997/13; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 Rz 127; aA Sturm in Mazal/Risak, Arbeitsrecht VIII (2002) Rz 43. 11 Sturm in Mazal/Risak, Arbeitsrecht VIII (2002) Rz 43.
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5. Zentrale Aussagen des EuGH zu den Rechtsfolgen einer Verletzung der GB-RL Mit den Entscheidungen Dekker12 und Draehmpaehl13 sprach der 9 EuGH aus, dass es, wenn ein Mitgliedstaat sich dafür entscheide, eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der zivilrechtlichen Haftungsregelung mit einer Sanktion zu belegen, mit der alten GB-RL (76/207/EWG) unvereinbar wäre, den Schadenersatz an ein Verschulden zu knüpfen. Die Haftung hänge auch nicht vom Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes ab. Soweit es um Ersatzansprüche eines Bewerbers geht, der bei der Ein- 10 stellung auf Grund des Geschlechts diskriminiert worden ist, darf die Haftung nicht durch einen Höchstbetrag beschränkt werden, wenn der Bewerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die zu besetzende Position erhalten hätte. Für den Schadenersatz von Bewerbern, hinsichtlich derer der Arbeitgeber beweisen kann, dass der Bewerber die zu besetzende Stelle wegen der besseren Qualifikation (dazu unten Rz 29 ff) des eingestellten Bewerbers auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte, kann eine Haftungsobergrenze festgesetzt werden.14
II. Umsetzung durch das GlBG 1. Allgemeines zu den Rechtsfolgen (Schadenersatz und Erfüllung); Gesetzesgenese Im Unterschied zur RV15 enthält das GlBG in der beschlossenen Fas- 11 sung keinen Abschnitt über die gemeinsamen Bestimmungen für alle die Arbeitswelt betreffenden Diskriminierungsverbote. Vielmehr werden die Rechtsfolgen der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts einerseits und auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit usw andererseits in zwei inhaltlich nahezu identischen Paragraphen (§ 12 und § 26) geregelt. Der Gleichbehandlungsausschuss sah sich zu dieser legistischen Merkwürdigkeit durch das Bedürfnis veranlasst, „die besondere Bedeutung der Gleichstellung von Frauen und Männern hervorzu 12 8.11.1990, Rs 177/88, Rz 22. 13 22.4.1997, C-180/95, Rz 17. 14 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 24. 15 307 BlgNR 22. GP.
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heben“.16 Hinsichtlich der Grundsatzgesetzgebung für die Land- und Forstwirtschaft werden hingegen die Rechtsfolgen für beide Bereiche in einem einzigen Paragraphen (§ 51) festgeschrieben; selbiges gilt nun auch für das LAG 2021 (§ 142). Auch im Teil III. regelt ein einziger Paragraph die Materie (§ 38). 12 §§ 12 und 26 GlBG sehen je nach der Art der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes unterschiedliche Rechtsfolgen vor, es macht daher einen Unterschied, ob die Diskriminierung bei Begründung des Arbeitsverhältnisses, bei Festsetzung des Entgelts, bei Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen usw erfolgt ist. Hingegen kommt es trotz der Aufspaltung in zwei Paragraphen nicht darauf an, ob die Diskriminierung auf Grund des Geschlechts oder auf Grund der im II. Abschnitt genannten Gründe stattgefunden hat. Diese Komplikation gibt der Gesetzgeber im Teil III. auf, wenn er (in § 38) nur eine einheitliche Rechtsfolge für alle Arten der Diskriminierung vorsieht (in § 39 wird dann lediglich auf § 38 verwiesen). 12a Inhaltlich ist diese zersplitterte und kasuistisch anmutende Anordnung der Rechtsfolgen in den §§ 12 und 26 unübersichtlich und nicht einfach zu durchdringen. Sie folgt aber der Systematik, dass Schadenersatz (bestehend aus dem Ersatz des Vermögensschadens und dem ideellen Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung) immer zusteht und daneben grundsätzlich auch ein direkter Erfüllungsanspruch (Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands), der allerdings in den Fällen der Diskriminierung bei der Einstellung und beim beruflichen Aufstieg entfällt. Eine wenig verständliche Unterscheidung besteht überdies bei der Beendigungsdiskriminierung, bei der neben dem Erfüllungsanspruch kein ideeller Schadenersatz begehrt werden kann (s unten Rz 49a). 12b Die §§ 12, 26 wurden seit Inkrafttreten des GlBG nur moderat geändert. Die wichtigste Änderung betraf (in beiden Paragraphen) Abs 7, die Rechtsfolgen der Beendigungsdiskriminierung: Hier wurde durch die Novelle 2008 ein allgemeiner Schadenersatzanspruch neben der Anfechtung eingeführt und dabei auch bei der diskriminierenden Nichtfortsetzung bestimmter befristeter Dienstverhältnisse ein Erfüllungsanspruch durch einen Anspruch auf „Entfristung“ geschaffen (Rz 49c). Die Novelle 2008 führte auch in beiden Paragraphen einen Abs 13 zur Mehrfachdiskriminierung ein und beseitigte in § 12 Abs 11 die unter16 AB 499 BlgNR 22. GP, 3.
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schiedlichen Schadenersatz-Mindestsätze bei sexueller Belästigung und geschlechtsbezogener Belästigung (Rz 53), auch wurde der Mindestschadenersatz bei der Einstellungsdiskriminierung, wenn der AN Anspruch auf Erfüllungsschadenersatz hat, von einem auf zwei Monatsentgelte erhöht; in der Folge wurde der Mindestsatz bei Belästigung durch die Novelle 2011 auf € 1.000,– erhöht (§§ 12 u 16; Rz 53). Im Übrigen wurde durch die Novelle 2013 in Abs 14 eine (weitgehend deklarativ wirkende) Bemessungsregel für den ideellen Schadenersatz eingeführt (Rz 65). Schon die Novelle 2005 hatte im Übrigen in Abs 12 beider Bestimmungen ein Redaktionsversehen beseitigt, womit der wenig sinnvolle Begriff „wahrscheinlich“ durch „wahrscheinlicher“ ersetzt wurde. Der EuGH hat in einer E aus 2021 (Rs Braathens Regional Aviation17) 12c ein prozessuales Recht des Betroffenen bejaht, die erlittene Diskriminierung gerichtlich feststellen zu lassen.18 Das ö Recht sieht dazu keine Sonderregel vor, ein wesentliches Defizit besteht diesbezüglich allerdings nicht: Grundsätzlich beinhaltet jede Leistungsklage auch eine Feststellung (so auch im Fall eines Anerkenntnisurteils). Allerdings sind theoretisch Sachverhalte vorstellbar, wenn auch praktisch wenig plausibel, in denen zwar die Schadenersatz-(Geld-)Forderung des Betroffenen (samt Kosten) außergerichtlich vollständig befriedigt, die Diskriminierung als solche aber weiterhin bestritten wird. In diesem Fall hätte ein Betroffener de lege lata kein Feststellungsrecht betreffend die Diskriminierung.19 Dann wäre die Frage relevant, ob sich ein solches „erweitertes Feststellungsinteresse“ gem der Rs Braathens unionsrechtlich in § 228 ZPO hineininterpretieren lässt oder ob eine solche Klage direkt auf Unionsrecht gestützt werden kann oder ob das ö Recht diesbezüglich unionsrechtswidrig ist.20 Daneben ist ein über-individuelles, von einem individuellen Leistungsanspruch separates Feststellungsverfahren in § 12 Abs 4 u 5 GBK/ GAW-G vorgesehen. Die potenzielle Lücke im ö Recht schließt dies nicht, weil es sich dabei um kein Individualrecht handelt. Überdies hat 17 EuGH 15.4.2021, C-30/19, Braathens Regional Aviation. 18 Dazu ausführlich und instruktiv M. Kopetzki, ecolex 2021, 638. 19 Im Fall der Verjährung des Leistungsanspruchs entsteht das gleiche Ergebnis, das ist aber unionsrechtskonform, soweit die Verjährung des Leistungsanspruchs unionsrechtskonform ist; s dazu § 15 Rz 2 ff. 20 Dementsprechend tritt auch M. Kopetzki für eine gesetzliche Regelung zugunsten eines separaten Feststellungsanspruchs ein (ecolex 2021, 640).
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der OGH diesen Regeln kein über das individuelle Leistungsinteresse (Schadenersatz) hinausgehendes Feststellungsinteresse, sondern bloß dienenden Charakter beigemessen.21 Diese obiter getroffene Aussage ist angesichts des EuGH-Urteils in der Rs Braathens nicht mehr aufrechtzuerhalten.22 Allerdings hätte die Entscheidung des OGH im konkreten Fall aufgrund unionsrechtskonformer Verjährung des Leistungsanspruches auch nach Braathens nicht anders ausgehen dürfen.
2. Zurechnung von Gehilfen und Vertretern 13 Obwohl § 5 Abs 3 GlBG die Vermutung nahe legt, dass der AG nur dann für das Verhalten dritter Personen einzustehen hat, wenn er eine Person zur Diskriminierung angewiesen hat, ergibt eine nähere Betrachtung, dass die Zurechnung in weitaus größerem Umfang zu erfolgen hat. Wäre der AG nämlich tatsächlich nur für eigenes Verhalten verantwortlich zu machen, müsste bei juristischen Personen die Diskriminierung von ihren Organen oder zumindest von sog Machthabern23 ausgehen (§ 3 Rz 13). Könnte also eine entsprechende Weisung der Organe oder Machthaber nicht nachgewiesen werden, wäre jede Diskriminierung durch den Personalverantwortlichen sanktionslos. Denn auch der diskriminierende Angestellte selbst könnte nicht in Anspruch genommen werden, weil sich die in § 12 GlBG angeordneten Rechtsfolgen ausschließlich auf den AG beziehen. Lediglich die Belästigungstatbestände und die Strafbestimmung des § 10 GlBG bei Verletzung der Pflicht zur geschlechtsneutralen Ausschreibung beziehen auch vom AG verschiedene Personen mit ein (siehe § 3 Rz 13, 17). Damit würde letztlich § 12 GlBG zahnlos, womit der unionsrechtlichen Pflicht zur Schaffung eines angemessenen und abschreckenden Schadenersatzes (Art 18 GB-RL) bzw einer verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion (Art 25 GB-RL) nicht entsprochen würde. 14 Dieses Problem wird auch dann nicht aus der Welt geschafft, wenn man Überwachungspflichten des AG mitberücksichtigt.24 Für alle Fälle nach Begründung des Arbeitsvertrages ergibt sich eine Gehilfenhaftung schon aus der Überlegung, dass ein Verstoß gegen die in § 3 GlBG genannten Diskriminierungsverbote auch eine Vertragsverletzung dar21 OGH 9 ObA 44/06w. 22 So auch M. Kopetzki, ecolex 2021, 640. 23 Zu diesen Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 76 f. 24 Vgl BAG NJW 2004/20 = NZA 2004, 540.
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stellt. Obwohl die Ersatzpflicht nicht von einem Verschulden abhängt, ist deshalb § 1313a ABGB sinngemäß anzuwenden.25 Vor Abschluss des Vertrages wird zu Recht ein vorvertragliches Schuldverhältnis angenommen,26 aus dem sich die analoge Heranziehung des § 1313a ABGB ergibt. Der AG hat daher für alle Personen einzustehen, die er zur Wahrnehmung der entsprechenden Pflichten gegenüber den Bewerbern bzw AN eingesetzt hat (im Ergebnis ebenso § 3 Rz 13). Auch ein zurechenbarer Anschein bewirkt die Gehilfeneigenschaft.27 Wird der AG auf Grund des Gehilfenverhaltens in Anspruch genommen, kann er beim diskriminierenden Gehilfen Regress nehmen (§ 1313 ABGB analog, § 4 DHG). Soweit es um rechtsgeschäftliche Erklärungen geht (zB Weisungen), kommen die Regeln des Stellvertretungsrechts zur Anwendung (§ 3 Rz 13). Einen Sonderfall stellen die Belästigungen dar. Bei diesen kommt kei- 15 ne Zurechnung von Gehilfen und Vertretern in Betracht, weil dort der Belästiger selbst haftet und das Gesetz ausdrücklich bestimmt, dass der AG nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, eine angemessene Abhilfe zu schaffen (§ 12 Abs 11 iVm § 6 Abs 1 Z 2 bzw § 7 Abs 1 Z 2; vgl auch § 26 Abs 11 iVm § 21 Abs 1 Z 2). Der OGH hat sich28 dieser Sichtweise grundsätzlich angeschlossen,29 allerdings mit der geringfügigen Ausweitung (in Anlehnung an die Rsp zu § 26 Z 4 AngG30), dass auch das Verhalten von Personen, die Kraft ihrer Befugnisse und ihrer Stellung gegenüber den anderen AN als zur selbständigen Geschäftsführung berufene Stellvertreter anzusehen sind (Personen, die zur selbständigen Ausübung von 25 Vgl OGH 9 Ob A 118/11k (DRdA 2013/7, 52 [Mayr]). Der OGH scheint sich der hier dargestellten Meinung anzuschließen, wenngleich zu § 1313a ABGB etwas ungenau: Die Pflichtenzurechnung an den AG erscheint klar, aber ob auch der verschuldensunabhängige Schadenersatz damit verbunden ist, ist wohl so gemeint. 26 So schon Weidenkaff in Palandt64 BGB § 611a, Rz 5; vgl auch schon BAG NJW 2004/20 = NZA 2004, 540. 27 Kletečka, JBl 1996, 84; OGH ecolex 1997, 151 (Wilhelm); ÖBA 1998, 556. 28 Nach dem in 9 ObA 18/08z die Frage noch offenblieb, weil ein organschaftlicher Vertreter betroffen war (GmbH-Geschäftsführer). 29 9 ObA 118/11k mit einer Darstellung der Lit; bestätigt und fortgeführt in 9 ObA 66/20a. 30 Der OGH verweist hier auf RS0029091.
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Unternehmer- und insbesondere AG-Funktionen berechtigt sind), dem AG direkt zugerechnet werden; die Belästigung müsse damit in einem „inneren Zusammenhang“ stehen. Das diskriminierende Verhalten von Kunden oder Lieferanten belastet den AG nicht (§ 3 Rz 19). Zum Arbeitsvermittler siehe unten Rz 64 sowie § 3 Rz 18.
3. Diskriminierung bei der Einstellung; und Allgemeines zum Schadenersatz a. Allgemeines 16 Die § 12 Abs 1 und § 26 Abs 1 behandeln die Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Ist das Dienstverhältnis wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht begründet worden, so hat der AG dem Stellenbewerber den Ersatz des Vermögensschadens und der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung zu leisten. Obwohl nur die GB-RL, nicht aber die AR-RL und die R-GB-RL einen Schadenersatzanspruch verpflichtend vorsehen, wählt das GlBG vernünftigerweise für alle Bereiche grundsätzlich dieselbe Rechtsfolge (s dazu auch § 26 Rz 2 und § 38 Rz 1). Diese grundlegende Anordnung eines Schadenersatzanspruches, der sich aus dem Ersatz des Vermögensschadens (positiver Schaden) und der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung als ideellem Schadenersatz zusammensetzt, wird nunmehr in §§ 12 und 26 weitgehend (s aber die Ausnahme bei der Beendigungsdiskriminierung, wenn der AN anficht, unten Rz 49 f) durchgehalten; ebenso in § 38. 16a Seit der Novelle 2013 ordnet jeweils Abs 14 in den §§ 12, 26 (sowie Abs 7 in § 38) zusätzlich für die Bemessung des ideellen Schadenersatzanspruchs die aus dem Richtlinienrecht übernommenen Leitlinien an, nämlich die der Wirksamkeit des Ausgleichs, der Verhältnismäßigkeit und der Abschreckung. Die Bestimmung wollte die Bedeutung dieser Kriterien lediglich „unterstreichen“, aufgrund der Anforderungen richtlinienkonformer Auslegung gelten sie aber ohnehin.31 In der Rechtsprechung haben sie keine besondere Bedeutung erlangt. S dazu näher Rz 65 f.
31 ErläutRV 23 BlgNR 24. GP 4.
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b. Spezielle Regelung für die Einstellung Hinsichtlich der Höhe des Ersatzes unterscheidet das GlBG bei der 17 Diskriminierung bei der Einstellung (und ebenso auch beim beruflichen Aufstieg, s unten Rz 48) zwischen Bewerbern, die bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätten, und jenen, bei denen der AG nachweisen kann, dass der dem Stellenbewerber entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner Bewerbung verweigert wird. Für den Bewerber, der ohne Diskriminierung angestellt worden wäre, wird seit der Novelle 2008 ein Mindestersatz in Höhe von zwei Monatsentgelten vorgesehen (die Stammfassung des GlBG sah dabei noch ein Monatsentgelt vor),32 für diejenigen, die auch ohne Diskriminierung nicht zum Zug gekommen wären, wird ein Höchstbetrag von € 500,– normiert. Die Anwendung der Höchstbetragsregelung setzt den vom AG zu erbringenden Nachweis voraus, dass der AN die Stelle nicht erhalten hätte. Das bedeutet, dass der AG die Behauptungs- und Beweislast dafür trägt. Gelingt dem AG diese Beweisführung nicht, stellt sich die Frage, ob der AN damit bereits unter die Mindestersatzregelung der Z 1 fällt. Dies hätte zur Konsequenz, dass unter Umständen eine große Anzahl von Personen zumindest zwei Monatsentgelte beanspruchen könnte. Die genauere Betrachtung ergibt aber, dass das Misslingen des Beweises noch nicht den Mindestersatz nach sich zieht.33 Hätte der Gesetzgeber dies anordnen wollen, hätte er wohl den Mindest- und den Höchstbetrag in einer Bestimmung zusammengefasst und für den Fall, dass der AG den Beweis nicht erbringt, einfach den Mindestersatz vorgeschrieben. Nach § 12 Abs 1 steht der Mindestersatz aber nicht all jenen zu, bei denen nicht gesagt werden kann, ob ihre Bewerbung Erfolg gehabt hätte, vielmehr kommen nur jene in den Genuss dieser Regelung, die „bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätten“. Da es sich dabei um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt und das Gesetz dafür keine Abweichung von den allgemeinen Beweisregeln enthält, ist dafür der klagende AN beweispflichtig.34 Dies ist auch unionsrechtskonform. Die RL schränkt ja nur die Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung ein (Art 18 GB-RL), ohne aber eine Ver32 Die Erhöhung wurde mit einer Verstärkung der Präventivwirkung begründet, s ErläutRV 415 BlgNR 23. GP 5, 8. 33 So auch OGH 8 ObA 27/09t. 34 Der OGH deutet in 8 ObA 27/09t an, dass dafür auch die Beweiserleichterung des Abs 12 zur Verfügung stehen könnte, lässt die Frage aber offen.
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pflichtung zur Normierung eines Mindestersatz aufzustellen. Zur sich daraus ergebenden „dritten Bewerbergruppe“ siehe unten Rz 34 ff. Nicht diskriminierungsrechtlich beanstandet hat der OGH einen Sachverhalt, in dem (im Fall des Bundes) die Ausschreibung einer Stelle so maßgeschneidert für eine bestimmte Person war, dass man gar nicht zur Prüfung des diskriminierungsrechtlich geschützten Kriteriums (im Anlassfall: Weltanschauung) kam. Das scheint ein Missbrauchspotenzial zu eröffnen, dürfte aber typisch für die öffentliche Hand sein. Es müsste zumindest ein Beweisverfahren über die Motive für die „Maßschneiderung“ offenstehen.35 18 Trotz dieser Regelungstechnik ist es aber rein praktisch gesehen keineswegs ausgeschlossen, dass mehr als nur ein Bewerber unter die Mindestbetragsregelung subsumiert wird. Dazu kann es deshalb kommen, weil in unterschiedlichen Gerichtsverfahren verschiedene Personen als an erster Stelle zu reihende Bewerber festgestellt werden können. Die Urteile entfalten ja keine Bindungswirkung für andere Verfahren. Das ist aber ein praktisches Problem – in rein rechtlicher Sicht sollte der Beweis nur einem Bewerber gelingen.36 19 Es besteht kein Anspruch auf Einstellung (kein Erfüllungsanspruch). UE ist ein solcher auch nicht mit der Naturalrestitution zu begründen.37 Dies steht auch mit dem Unionnsrecht im Einklang, weil auch der EuGH nicht die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes verlangt38 (zweifelnd in bestimmten Sachverhaltskonstellationen § 3 Rz 2). Richtig ist aber, dass dadurch Merkwürdigkeiten entstehen können: Stellt ein AG diskriminierende Arbeitsbedingungen für Frauen auf, macht es einen Unterschied, ob es zum Abschluss des Dienstvertrages kommt oder nicht. Im ersten Fall hat die diskriminierte Frau nach Abs 6 einen Anspruch auf Gleichstellung, im zweiten nur einen Schadenersatzanspruch nach Abs 1 (§ 3 Rz 2, 149). Deshalb ist es für solche AN besser, den Vertragsabschluss nicht wegen der schlechteren Bedingungen zu verweigern, sondern die diskriminierenden Bedingungen zu akzeptieren und später auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes zu klagen. 35 8 ObA 10/14z. 36 So auch der OGH in 8 ObA 27/09t. 37 Ebenso für Deutschland noch zur alten Regelung in § 611a BGB aF Weidenkaff in Palandt64 BGB § 611a Rz 18, 20. 38 EuGH 10.4.1984, Rs 14/83, von Colson und Kamann, Rz 18.
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c. Ideelle Schäden Durch diese Bestimmung wird jedenfalls eindeutig auch der Ersatz 20 ideeller Schäden vorgeschrieben, zu deren Höhe nun Abs 14 Näheres ausführt. UE hat dazu keine unionsrechtliche Verpflichtung bestanden. Die GB-RL schreibt den Ersatz der Schäden vor, ohne diese aber Näheres zu definieren. UE hätte man mit der Entscheidung Kommis sion/Griechenland39 sagen müssen, dass nach dem österreichischen Recht auch bei nach Art und Schwere gleichartigen Verstößen kein Ersatz für immaterielle Schäden gebührt. Auch die hinsichtlich des Schadenersatzes anspruchsvollste GB-RL verlangt nur, dass der „entstandene Schaden – je nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten – [...] ersetzt wird“ (Art 18 GB-RL). Daraus ergibt sich ein im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht unbe- 21 denkliches Spannungsverhältnis zu anderen Schadenersatznormen. In diesem Zusammenhang sei zunächst auf § 1330 ABGB verwiesen, der bei Ehrenbeleidigungen nur den Ersatz des Vermögensschadens vorsieht. Aber auch neuere Bestimmungen knüpfen den Ersatz ideeller Schäden an besondere Bedingungen. So setzt zB § 1328a ABGB40 für den Ersatz des Gefühlsschadens nicht nur Verschulden voraus, sondern verlangt außerdem eine „erhebliche Verletzung der Privatsphäre“.41 Dabei spielt auch die Schwere des Verschuldens eine Rolle.42 Damit hat der Gesetzgeber § 1328a ABGB an die §§ 1323 f ABGB herangeführt, die den Ersatz immaterieller Schäden erst ab grobem Verschulden anordnen. Im Zusammenhang mit dem Ersatz immaterieller Schäden ist auch zu 22 fragen, in welches Rechtsgut hier eigentlich eingegriffen wird. Unser Gesetz kennt ja seiner Konzeption nach keinen Ersatz „reiner Gefühlsschäden“: Das Schmerzensgeld setzt einen Eingriff in die Gesundheit voraus; andere Ersatzansprüche für ideelle Schäden knüpfen an den Entzug der Freiheit (Art 5 EMRK, Art 1 BVG zum Schutz der persön-
39 EuGH 21.9.1989, Rs 68/88 Rz 24; ebenso 22.4.1997, C-180/95, Draehm paehl, Rz 29. 40 Eingeführt durch BGBl I 2003/91. 41 Zu rechtsvergleichenden Aspekten und zur dogmatischen Rechtfertigung dieser Einschränkung siehe Karner/Koziol, Ideeller Schaden, 15. ÖJT II/1, 36 ff. 42 ErläutRV zu § 1328a ABGB 173 BlgNR 22. GP, 19.
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lichen Freiheit)43 oder einen Eingriff in das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung an (§ 1328 ABGB idF BGBl 1996/752). Der Ersatz der besonderen Vorliebe (§ 1331 ABGB) setzt wiederum eine Eigentumsverletzung voraus. Der Ersatz ideeller Nachteile kommt also nur in Frage, wenn ein geschütztes Rechtsgut verletzt wurde. In unserem Zusammenhang könnte der Ersatz wohl nur auf den Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht gestützt werden. Stellt nun die Diskriminierung eine Beeinträchtigung eines Persönlichkeitsrechts dar? In Deutschland wird in diesem Zusammenhang der Schadenersatz mit der dort überwiegend vertretenen These eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet.44 Nach der in Österreich herrschenden Meinung bestehen aber lediglich einzelne Persönlichkeitsrechte. Es stellt sich damit die Frage, ob die Diskriminierungsverbote als Statuierung neuer Persönlichkeitsrechte angesehen werden können. UE ist dies grundsätzlich zu bejahen. Die Regelungen des GlBG sind wohl nicht anders zu verstehen, als dass sie ein geschütztes Rechtsgut anerkennen, dass sich AN am Arbeitsmarkt diskriminierungsfrei bewegen können,45 dass sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (und der breiteren Arbeitswelt) frei von Diskriminierung bleiben (und letztlich auch, dass alle Personen in den sonstigen durch den III. Teil geschützten Bereichen diskriminierungsfreien Zugang zu, und Versorgung mit, bestimmten Gütern und Leistungen erhalten). Die spannendste Frage in diesem Zusammenhang ist aber, wie weitgehend der Schutz gegen Eingriffe in diese Persönlichkeitsrechte ist; vor allem, ob jeder Eingriff bereits die Pflicht zum Ersatz ideeller Schäden auslöst.
43 Siehe auch zu § 1329 ABGB: OGH SZ 52/28; SZ 58/80. 44 BAGE 61, 219; 61, 226. 45 8 ObA 11/09i (nun auch RS0124659); der OGH verwies dabei auf den EuGH in der Rs Feryn (C-54/07) und dann auch auf den EuGH in der Rs Asociatia Accept (C-81/12) und hat vorerst nur (im Zusammenhang mit dem Verbot der Einstellungsdiskriminierung) ausgeführt, der Gesetzgeber habe mit der Festlegung des ideellen Ersatzanspruchs das insoweit damit anerkannte und auch pauschal bewertete (vgl unten Rz 25, 32) Rechtsgut schützen wollen, sich „diskriminierungsfrei“ am Arbeitsmarkt zu bewerben. Den betroffenen Personengruppen solle nicht bei ihren Bewerbungen der Eindruck vermittelt werden, dass sie aufgrund der sie spezifisch treffenden Merkmale (Geschlecht, Alter, ethnische Zugehörigkeit etc) am Arbeitsmarkt ohnehin „keine Chancen“ hätten, und sie so von Bewerbungen abgehalten werden.
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Aus einer auch durch die Rechtsvergleichung gestützten Untersu- 23 chung anderer Persönlichkeitsrechtsverletzungen folgt, dass Letzteres zu verneinen ist.46 Wollte man den Ersatz ideeller Schäden unabhängig von der Schwere des Eingriffs befürworten, könnte dies nicht mehr auf einen Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht gestützt werden. Die mit Persönlichkeitsrechten verbundenen immateriellen Interessen sind nämlich gegen vom Verschulden unabhängige und als nicht erheblich einzustufende Eingriffe nicht geschützt. Bei unverschuldetem oder unerheblichem Eingriff kann daher der Ersatz nicht aus der Verletzung eines Persönlichkeitsrechts abgeleitet werden, weshalb in der Tat ein „reiner Gefühlsschaden“ vorläge. Nun ist zwar bereits mit der Rsp, die den Trauerschaden für ersatzfähig erklärt hat, die Ablehnung der Ersatzfähigkeit „reiner Gefühlsschäden“ aufgeweicht worden.47 Immerhin verlangt der OGH dort aber grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Hält man sich vor Augen, dass die Trauer über den Verlust eines nahen Angehörigen zweifellos einen schwerwiegenderen Gefühlsschaden darstellt als das Erlebnis einer Diskriminierung, wird das Ausmaß der Wertungswidersprüchlichkeit deutlich, die hier ohne Not ins österr Recht hereingetragen wird. Um den Systembruch nicht total werden zu lassen, ist hier – wie bei § 1328a ABGB – Verschulden und die Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle erforderlich.48 Dies folgt nicht nur aus einer systematischen, sondern auch aus einer verfassungskonformen Interpretation, weil der sonst bestehenden Differenzierung die sachliche Rechtfertigung fehlt. Die RL stehen dem nicht entgegen (Rz 4 f, Rz 24). Der OGH hat sich bislang zur Frage der nötigen Gravität eines Eingriffs, um einen ideellen Schadenersatz zu rechtfertigen, noch nicht explizit geäußert. Im Zusammenhang mit der Zuerkennung von ideellem Schadenersatz bei Austritt wegen Belästigung war aber der OGH zurückhaltend in Bezug auf eine Verantwortung des AG ohne festgestelltes Verschulden; dazu unten Rz 50c. Generell zur Judikatur betreffend die Höhe des ideellen Schadenersatzes s unten Rz 66.
46 Vgl Karner/Koziol, Ideeller Schaden, 15. ÖJT II/1, 36 ff. 47 OGH JBl 2001, 660; ZVR 2004/86; dazu Karner/Koziol, Ideeller Schaden, 15. ÖJT II/1, 23 f und 81 f. 48 Siehe auch BAG NJW 1990, 65 und NJW 1990, 67: „schwerwiegende Verletzung“.
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d. Mindestersatz für den Bewerber, der die Stelle erhalten hätte 24 Ein Mindestersatz, wie er für jenen Bewerber vorgesehen ist, der die Stelle erhalten hätte, ist dem österreichischen Recht fremd. Aus diesem Grund, und weil damit der Gesetzgeber den Anschein mangelnden Vertrauens in die Justiz erwecke, wurde ein Mindestersatz von Karner/ Koziol49 abgelehnt. Aus systematischen Gründen ist diese Kritik zu teilen. Gerechtfertigt könnte diese Vorgangsweise wohl überhaupt nur damit werden, dass die RL eine abschreckende Wirkung des Schadenersatzes verlangt. Nimmt man zu diesem Zweck in Kauf, dass der Ersatz unter Umständen auch über den tatsächlich eingetretenen Schaden hinausgeht, scheint man damit in die Nähe von „Punitive Damages“ zu kommen, die wiederum unserer Rechtsordnung fremd sind.50 Anders als bei den Caroline von Monaco-Entscheidungen des deutschen BGH51 sehen wir diese Gefahr hier aber nicht. Zum einen schreibt schon die GB-RL in Art 18 vor, dass der Ersatz auf eine dem erlittenen Schaden angemessene Art und Weise geschehen muss. Eine Entkoppelung des Ersatzes von der Schadenshöhe wird daher auch von der RL nicht angestrebt. Zum anderen hat unser Schadenersatzrecht nicht nur eine Ausgleichsfunktion, vielmehr wird es auch vom Präventionszweck und dem Sanktionsgedanken getragen.52 Letzterer kann aber nur in der Verschuldenshaftung eingreifen. Die Haftung nach dem GlBG soll hingegen auf Grund der Vorgaben des EuGH in den Fällen Dekker und Draehmpaehl verschuldensunabhängig sein (siehe unten Rz 38). Letztlich sind aber kaum Fälle vorstellbar, in denen das Verschulden fehlt. Aus systematischen Gründen wäre es deshalb wünschenswert gewesen, schon im Gesetzestext klarzustellen, dass der Mindestersatz ein Verschulden voraussetzt. Obwohl nach dem Unionsrecht der Ersatzanspruch vom Verschulden unabhängig sein muss (siehe oben Rz 9), wäre eine solche Vorgangsweise richtlinienkonform gewesen. Keine der RL verlangt nämlich einen Mindestersatz. Auch die von den RL geforderte abschreckende Wirkung ist nur dann sinnvoll, wenn der potentiell Ersatzpflichtige in der Lage ist, sein Verhalten zu steuern. Dies versteht sich hinsichtlich der Spezialprävention von 49 Ideeller Schaden, 15. ÖJT II/1, 97, 104. 50 Siehe dazu noch Richardi/Annuß in Staudinger (1999) BGB § 611a, Rz 19 ff mwN; zu Deutschland aber nunmehr anders s bei Thüsing in MünchKomm AGG § 15 Rz 13. 51 BGHZ 128, 1; NJW 1996, 984; NJW 1996, 985; BGHZ 131, 332. 52 Koziol, Haftpflichtrecht3 I 1/15 f.
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selbst. Die schadenersatzrechtliche Verurteilung von Deliktsunfähigen wird aber auch kaum eine generalpräventive Wirkung entfalten. Vielmehr wird sie als willkürlich und unverhältnismäßig empfunden werden. Bei Vorliegen eines Verschuldens ist die – den wahren Schaden viel- 25 leicht übersteigende – Untergrenze in Höhe von zwei Monatsentgelten auch aus systematischer Sicht zu billigen: Einerseits kann auch die objektiv-abstrakte Schadensberechnung, die auf dem Präventions- und dem Rechtsfortwirkungsgedanken aufbaut, dazu führen, dass Schadenersatz gebührt, obwohl ein Vermögensvergleich kein „Minus“ ergibt. Andererseits verfolgt der Gesetzgeber damit keine anderen Ziele als Vertragsparteien, die eine Konventionalstrafe nach § 1336 ABGB vereinbaren. Auch der dieser Abmachung innewohnende Pauschalierungszweck wird dem Gesetz nicht abgesprochen werden können. Immerhin sieht es ja nur zwei Monatsentgelte vor und das auch nur für jenen Bewerber, der ohne Diskriminierung die Stelle bekommen hätte. Ein verschuldensunabhängiger Mindestersatz muss hingegen aus systematischen und damit auch aus Gründen der Gleichheitsgerechtigkeit abgelehnt werden. Der materielle Schaden liegt im Wesentlichen im Entgang des Entgelts. 26 Sieht man vom Mindestbetrag ab, ist dieses bis zum nächsten regulären Kündigungstermin zu ersetzen.53 Dies folgt daraus, dass bei rechtmäßigem Alternativverhalten (diskriminierungsfreie Kündigung) der AN den darüber hinausgehenden Gehaltsverlust ebenfalls erlitten hätte.54 Es ist zwar zuzugeben, dass gegen diese Argumentation eingewendet werden könnte, dass das Gesetz bei der Begründung selbst das rechtmäßige Alternativverhalten außer Acht lässt. Wäre dem nicht so, könnte ja der AG in allen Fällen einwenden, dass er den diskriminierten Erstzureihenden auch aus rechtmäßigen Motiven ausscheiden hätte können. Der Beweis, dass er tatsächlich aufgenommen worden wäre, würde dem AN dann nichts nützen, weil der Schaden auch durch ein hypothetisches rechtmäßiges Verhalten verursacht hätte werden können. Daraus darf aber uE nicht abgeleitet werden, dass die Möglichkeit einer rechtmäßigen Kündigung zu vernachlässigen ist. Das gegen diese 53 So auch Windisch-Graetz in ZellKomm3 GlBG § 12 Rz 4. Für Deutschland Thüsing in MünchKomm AGG Rz 27 ff mwN. 54 Siehe § 1162b ABGB und allgemein zu Dauerschuldverhältnissen: BGHZ 82, 121; 95, 39.
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Ansicht vorgebrachte Argument, es sei zweifelhaft, ob der AG eine nicht diskriminierende Kündigung ausgesprochen hätte,55 ist nicht überzeugend. Das rechtmäßige Alternativverhalten ist nämlich immer ein gedachtes und nicht ein tatsächliches Ereignis.56 Den entscheidenden Ausschlag für die hier vertretene Ansicht gibt neben dem Rekurs auf allgemeine Lehren das Fehlen einer gangbaren Alternative. Treber57 meint, die entsprechenden Maßstäbe seien von der Rsp zu entwickeln, ohne aber zu sagen, wie dabei zu verfahren ist.58 Auch Schlachter,59 die der hA kritisch begegnet, räumt ein, dass dieser gegenüber einer „ewigen Rente“ der Vorzug zu geben ist. In Deutschland wird auch eine Bemessung mit der durchschnittlichen Verweildauer im Unternehmen diskutiert sowie eine Übernahme der Abfindungsregelung aus dem Kündigungsschutzrecht.60 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler61 treten in Österreich bei unbefristeten Dienstverhältnissen für einen Schadenersatzanspruch auf ewige Rente ein, der lediglich durch die Schadensminderungspflicht und die daraus resultierende Verpflichtung des/der Ersatzberechtigten zur Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz begrenzt werde: Dies würde den Umfang des Schadens und der daraus resultierenden Ersatzpflicht möglichst geringhalten. Die Berufung der Autoren auf das Unionsrecht ist indessen nicht stichhaltig:62 Die Beschränkung auf die fiktive Kündi55 Vgl Treber, NZA 1998, 858; Schlachter, Anm zu BAG, AP Nr 13 zu § 611a BGB. 56 Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 8/62 und 3/58 Fn 174. 57 NZA 1998, 858. 58 Dagegen zu Recht krit auch Annuß, NZA 1999, 743. 59 Anm zu BAG, AP Nr 13 zu § 611a BGB. 60 S dazu näher bei Thüsing in MünchKomm AGG § 15 Rz 28 f. 61 GlBG2 § 12 Rz 21. 62 Es werden die Entscheidungen in den Rs Paquay (C-460/06), Draempaehl (C-180/95), Harz (79/83), von Colson und Kamann (14/83) sowie Marshall (C-271/91) angeführt. Keine davon adressiert allerdings die Frage, wie der Schaden genau zu ermitteln ist, der nach nationalen Recht ersatzfähig ist. In Paquay ging es um die Beendigungsdiskriminierung und die Frage, ob ein pauschaler vom nationalen Recht festgesetzter Schadenersatz bei Schwangerschaftskündigung auch für Geschlechtsdiskriminierung gelten müsse; dabei war nämlich gar keine Rechtsfolge festgelegt. In Draehmpaehl ging es um die Notwendigkeit von Verschulden und eine gesetzliche absolute Deckelung. In Dekker sprach sich der EuGH gegen die Notwendigkeit von Verschulden aus und betonte die Notwendigkeit der präventiven Wirkung; dieser Grundsatz war tatsächlich schon in der Rs von Colson und Kamann betont worden, al-
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gungsfrist ist keine nach Unionsrecht unzulässige Deckelung des Schadenersatzes, sondern das nach allgemeinem Vertragsrecht im österreichischen Vertragsrecht zustehende Interesse; deshalb wird etwa bei befristeten Verträgen bei Fehlen einer Probezeit ohnehin das Entgelt für einen potenziell langen Zeitraum zustehen. Warum bei bekannter Kündigungsfrist eine zeitliche Beschränkung des Schadenersatzes auf die Kündigungsfrist wegen der damit verbundenen Berechenbarkeit des Schadens im Verletzungsfall ein zeitlich unbeschränkter Schadenersatz geboten sein soll, ist nicht schlüssig; denn in vielen Fällen (nicht zuletzt bei befristetem Vertrag) ist vorweg die (Maximal-)Summe des Entgeltschadens bekannt, der ideelle Schadenersatz tritt ohnehin hinzu. Gleichzeitig wird die Sanktionengewissheit als wesentlich bezeichnet. Im Ergebnis bedeutete diese Sichtweise, dass über einen vermeintlichen Schadenersatzanspruch eine wesentlich größere Summe zustehen würde, als das allgemeine Schadenersatzrecht in Österreich sonst hergibt. Sie ist auch mit der Rsp gänzlich unvereinbar, wonach bei AG-seitigem Rücktritt vom Vertrag bei vereinbarter Probezeit kein Schadenersatz zusteht.63 Ein AN, der eine neue Stelle erhält, ist eben mit erheblichen Unsicherheiten belastet. Nicht zuletzt verwehrt auch § 105 ArbVG in den ersten sechs Monaten den Anfechtungsschutz bei Sozialwidrigkeit. Sollte man die Kündigungsfrist nicht für eine relevante Grenze des Schadenersatz halten, wäre an eine Beschränkung der Schadenersatzes mit der durchschnittlichen Verweildauer vergleichbarer AN im Unternehmen zu denken, oder an eine Schadensschätzung nach § 273 ZPO, solange klar erscheint, dass ein Verweilen des AN bis zur Pensionierung nicht wahrscheinlich oder beweisbar ist. Die Möglichkeit des AG, im Probemonat jederzeit grundlos zu kündi- 27 gen (sowie allenfalls auch die bei Arbeitern bestehenden sehr kurzen Kündigungsfristen), dürfte der Einführung des Mindestersatzes Pate gestanden haben und scheint auch die eben angesprochene Pauschalielerdings in dem Sinn, dass ein „bloß symbolischer Ersatz“, oder etwa der Ersatz von bloßen Vorstellungskosten, nicht ausreiche; ähnlich auch der EuGH in Harz. In Marshall sprach sich der EuGH gegen die Zulässigkeit einer Obergrenze aus. Aber in keinem Fall wurde darüber entschieden, wie vertragsrechtlich bei dem Bestehen von Kündigungsfristen der Entgeltschaden zu bemessen ist; dabei ist insbesondere auf den Mindestschadenersatz zu verweisen, der (anders als bei der Beendigungsdiskriminierung) auch bei vereinbarter Probezeit eine durchaus erhebliche Ersatzpflicht anordnet. 63 ZB OGH 9 ObA 211/02y.
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rung zu rechtfertigen. Rechtspolitisch stellt sich die Frage, ob nicht die Einführung eines Verwaltungsstraftatbestandes sinnvoller gewesen wäre. Dies hätte nämlich die Entkoppelung des Schadenersatzes vom verursachten Schaden entbehrlich gemacht. Sollten über den Entgeltsentgang hinausgehende Vermögensschäden eingetreten sein, erfasst die Ersatzpflicht auch diese. Wurde keine Probezeit vereinbart oder handelt es sich um befristete Verhältnisse wird der Ersatzbetrag den Mindestersatz oft übersteigen, zum Teil auch erheblich. Für die weitere Entwicklung des Umfangs der Ersatzpflicht wird die Frage sein, ob der OGH in Übernahme seiner Rsp zur Beendigungsdiskriminierung64 eine Beschränkung der Schadenersatzansprüche auf die fiktive Kündigungsfrist ablehnen wird.65 Das würde ein Potenzial für „ewige“ Schadenersatzansprüche mit sich bringen. Durch den gesetzlichen Mindestschadenersatz gibt es aber wenig Anlass, die Grenze aufzuheben, denn der primäre Einwand des OGH bei der Beendigungsdiskriminierung, bei einer Probezeit wäre der Schaden sonst immer Null, fällt ja gerade durch diese Mindestschwelle weg. Auch der vom OGH bei der Beendigungsdiskriminierung angebotene Weg zur Schadensbegrenzung (der AG habe zu behaupten und zu beweisen, dass bzw wann er das Dienstverhältnis diskriminierungsfrei gelöst hätte) fällt bei der Einstellung häufig flach, zumindest kurzfristig – der AG wäre diesbezüglich in aller Regel im absoluten Beweisnotstand, er kennt ja den AN praktisch nicht. Lediglich später eintretende objektive Gründe (zB Restrukturierung und Wegfall des betreffenden Arbeitsplatzes) müssten auch bei der Einstellungsdiskriminierung ausreichen, um eine fiktive Kündigung und damit Begrenzung des Schadenersatzes zu begründen. Richtig ist allerdings, dass bei der Einstellungsdiskriminierung – anders als bei der Beendigungsdiskriminierung ‑ der AN keinen durchsetzbaren Erfüllungsanspruch hat. Allerdings hat er das im österreichischen Arbeitsrecht auch sonst nicht.66 64 9 ObA 87/15g; s dazu unten Rz 50a. 65 In 9 ObA 56/11t scheint der OGH die Beschränkung (in anderem Kontext) zu billigen, hält sich aber Bedenken (unter Verweis auf die Erstauflage von Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 21) offen. 66 Auch das deutsche Recht schließt bei Einstellung und beruflichem Aufstieg den Erfüllungsanspruch bzw eine Naturalrestitution aus, und zwar ausdrücklich, s § 15 Abs 6 AGG. Dass das Unionsrecht keinen Anspruch auf Vertragsabschluss erfordert, wurde bereits in der Rs Harz (79/83) entschieden.
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In jedem Fall muss sich der AN das Ersparte, das anderweitig Erworbene und das absichtlich zu erwerben Unterlassene anrechnen lassen, wobei allerdings in Analogie zu § 1162b ABGB aE die ersten drei Monate abzugsfrei zu bleiben haben.67 Auch ein im Fall der Arbeitslosigkeit bezogenes Arbeitslosengeld wird auf den Vermögensschaden anzurechnen sein.68 Für die Höhe des Monatsentgelts wird idR auf die Bezüge des tatsächlich eingestellten Bewerbers abzustellen sein. Es sind grundsätzlich alle Entgeltbestandteile, nicht aber Aufwandsentschädigungen zu berücksichtigen. Hinzuweisen ist noch darauf, dass es nicht völlig korrekt ist, vom Mindestersatz für den „Bestqualifizierten“ zu sprechen. Wie unten (Rz 30) zu zeigen ist, kommt es für den Mindestersatz nicht auf die Qualifikation, sondern darauf an, dass der Bewerber bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgenommen worden wäre. e. Höchstbetrag wegen mangelnder Kausalität für die Ablehnung Personen, hinsichtlich derer der Arbeitgeber nachweisen kann, dass ihr 28 Schaden nur darin liegt, dass die Berücksichtigung der Bewerbung verweigert wurde, können einen Ersatz von höchstens € 500,– fordern. Es geht hier also um Personen, die auch ohne Diskriminierung die Stelle nicht bekommen hätten. Obwohl an dieser Stelle das GlBG die GB-RL fast wörtlich übernimmt, erscheint jedenfalls das weitestmögliche Verständnis dieser Bestimmung nicht völlig unproblematisch. Es stellt sich nämlich die Frage, ob ein Bewerber auch dann in diese Kategorie einzuordnen ist, 67 Vgl auch § 31 Abs 1 AngG betreffend den Rücktritt vom Vertrag vor Dienstantritt des AN. 68 Das ergibt sich daraus, dass Zeiten eine solchen Schadenersatzes weder die Arbeitslosigkeit beseitigen (s insb § 12 AlBG), noch ein Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 16 AlVG auslösen. Insbesondere sind die Regelungen des AlVG über die Kündigungsentschädigung (§ 16 Abs 1 lit k und § 16 Abs 2 AlVG bei strittiger Kündigungsentschädigung) eindeutig nicht anwendbar – geht doch das AlVG eindeutig vom normalen Begriff der Kündigungsentschädigung als Anspruch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses aus (s insb § 12 Abs 1 Z 2 AlVG). Das löst die Frage nach einer analogen Anwendung aus. Diese sollte aber nicht eingreifen, der Gesetzgeber ist sehr genau in seinen Ruhensregeln, s zB § 16 Abs 2 letzter Satz AlVG betreffend Ansprüche nach der IO.
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wenn er zwar im Vergleich zu den Mitbewerbern die beste Qualifikation aufweist, der Dienstgeber aber beweisen kann, dass der Bewerber aus anderen unsachlichen, aber eben nicht aus den durch die Diskriminierungsverbote verpönten Gründen nicht aufgenommen wurde. Diese Frage ist noch relativ einfach zu lösen. Wurde nämlich der am besten geeignete Bewerber aus Motiven ausgeschieden, die von der RL nicht erfasst werden, liegt gar keine Diskriminierung vor. 29 Wie ist aber zu entscheiden, wenn der bestqualifizierte Kandidat zwar tatsächlich auf Grund des Geschlechts (bzw bei § 26 GlBG aus den von diesem erfassten Gründen) nachgereiht wird, es dem AG aber gelingt, nachzuweisen, dass er ihn auch aus nicht missbilligten Gründen nicht eingestellt hätte. Nach dem Gesetzeswortlaut ist auch auf diese Personen die Haftungshöchstgrenze des Abs 1 Z 2 anzuwenden. Im Hinblick auf die – allerdings noch zur alten GleichbRL (76/207/EWG) ergangenen – Entscheidung Draehmpaehl69 erscheint dies allerdings zweifelhaft. Dort könnte nämlich der EuGH so verstanden werden, dass der AG zu beweisen habe, dass der Diskriminierte wegen der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers den Job nicht erhalten hätte. Danach würde es nicht einmal genügen, wenn der AG beweist, dass zwar nicht die aufgenommene Person, aber ein anderer Mitbewerber besser qualifiziert ist als der Kläger. 30 Weder die GB-RL noch das GlBG bezwecken die Durchsetzung eines „Bestbieterprinzips“70 . Vielmehr sollen Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft usw verhindert werden. Die zitierte Stelle der Entscheidung Draehmpaehl ist daher nicht so zu verstehen, dass die Anordnung eines Höchstersatzes tatsächlich nur für den Fall des Nachweises der besseren Qualifikation des eingestellten Bewerbers zulässig sein soll. Die Formulierung dürfte ihren Grund nur in der Übernahme der Fragestellung durch das AG Hamburg haben.71 Deshalb greift die Haftungshöchstgrenze für alle Bewerber ein, die – unabhängig von ihrer Qualifikation – selbst bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle nicht bekommen hätten. 31 Anders als nach Abs 1 Z 1 können nach Abs 1 Z 2 schon aus materiellrechtlichen Gründen mehrere Personen nebeneinander Ansprüche 69 EuGH 22.4.1997, C-180/95, Rz 37. 70 Vgl auch Müller-Glöge in MünchKomm4 BGB § 611a aF Rz 23. 71 EuGH 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 15.
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geltend machen (zu prozessualen Gesichtspunkten siehe Rz 56 f), und zwar grundsätzlich alle diskriminierten Bewerber (zu den Ausnahmen siehe unten Rz 34, 36 f).72 Kann ein nach dem Geschlecht diskriminierender AG beweisen, dass er zB nicht alle Bewerberinnen, sondern nur jene im gebärfähigen Alter ausgeschieden hat, können auch nur diese Ersatz verlangen. Die Haftungshöchstgrenze für diese Gruppe der diskriminierten Be- 32 werber wurde von Hopf/Smutny73 vehement kritisiert. Der Hauptkritikpunkt besteht darin, dass sowohl der Anspruch der diskriminierten Bestqualifizierten als auch jener der diskriminierten Minderqualifizierten einen Anteil eines materiellen und eines immateriellen Schadens enthält. Die Beeinträchtigung von Würde und Selbstwertgefühl auf Grund der Diskriminierung träfe best- und minderqualifizierte Bewerber in gleicher Weise. Da bei den Bestqualifizierten nach Draehmpaehl auch der immaterielle Anteil keiner Beschränkung unterliegen dürfe, würde bei Begrenzung dieses Anteils bei den Minderqualifizierten ein gleicher Sachverhalt ungleich behandelt. Schon die Prämisse dieser These, dass die Diskriminierung, was Würde und Selbstwertgefühl betrifft, Best- und Minderqualifizierte in gleicher Weise treffe, erscheint uns zweifelhaft. Im Regelfall wird doch der Gefühlsschaden höher sein, wenn man nicht nur diskriminiert wurde, sondern auch noch auf Grund des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot eine Stelle nicht erhalten hat, für die man der Bestqualifzierte gewesen wäre. Dennoch wäre eine Obergrenze entbehrlich gewesen, weil den Gerichten auch ohne diese Limitierung zugetraut werden darf, die Höhe des Ersatzes für diesen uE idR rein immateriellen Schaden richtig auszumitteln. Der OGH betrachtet die Höchstgrenze der Z 2 (€ 500) auch als „gewisse Orientierung“ generell für die Bewertung der Rechtsgutbeeinträchtigung in Fällen, in denen es „nur“ um die „persönliche Beeinträchtigung“ bei Bewerbungen geht;74 Fälle der diskriminierenden Beendigung sieht er gravierender75 (s auch unten Rz 50a). Hinsichtlich der Minderqualifizierten ist fraglich, ob auch materielle 33 Schäden in Betracht kommen. UE ist der Schaden jener Bewerber, die 72 So auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 Rz 23. 73 DRdA 2002, 99 ff bei FN 111. 74 8 ObA 11/09i und RS0124660 75 9 ObA 87/15g.
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auch ohne Diskriminierung nicht zum Zug gekommen wären, idR rein ideeller Natur. Demgegenüber wurde die Meinung vertreten, dass der materielle Schaden der diskriminierten Minderqualifizierten in den „frustrierten Bewerbungskosten“ läge,76 und auch der OGH hat (obiter) angedeutet, dass materielle Schäden in Betracht kommen.77 Dies ist grundsätzlich abzulehnen. Weder die Bewerbungskosten selbst noch ihre Frustration wurden ja durch die Diskriminierung verursacht. Lediglich dann, wenn der AG bereits von vornherein die Absicht hatte zu diskriminieren und diese verborgen hielt, könnte man uU auf Grund des vorvertraglichen Schuldverhältnisses eine diesbezügliche Aufklärungspflicht annehmen,78 deren Verletzung dann für den Bewerbungsaufwand kausal geworden wäre. f. Die ungenannte dritte Gruppe 34 Neben diesen beiden im Gesetz unmittelbar genannten Gruppen von Geschädigten gibt es in Wahrheit noch eine dritte. Diese Gruppe wird von jenen Personen gebildet, denen es nicht gelingt zu beweisen, dass sie ohne Diskriminierung die Stelle erhalten hätten, hinsichtlich derer aber auch der AG nicht nachzuweisen vermag, dass sie die Stelle nicht erhalten hätten. Das wäre zB dann der Fall, wenn ein AG, der die Auswahl nach der Qualifikation der Bewerber vornimmt, bei gleicher Qualifikation automatisch Personen eines Geschlechts bevorzugt. Diese eher im Anwendungsbereich des B-GlBG auftretenden Regelungen sind mangels Öffnungsklausel, welche die Berücksichtigung der persönlichen Lage aller Bewerber ermöglicht, unionsrechtswidrig.79 Sind nun tatsächlich der aufgenommene und der diskriminierte Bewerber gleich befähigt oder lassen sich jedenfalls Unterschiede in der Qualifikation nicht nachweisen, so kann nicht gesagt werden, wer bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte. Da diese Geschädigten weder von § 12 Abs 1 Z 1 GlBG, noch von § 12 Abs 1 Z 2 GlBG erfasst werden, gilt für sie weder die Ober- noch die Untergrenze. 76 Hopf/Smutny, DRdA 2002, 99 ff nach Fn 97; für Deutschland zu § 611a BGB aF krit, dann aber auf Grund des nachweisbaren Willens des deutschen Gesetzgebers ebenso Richardi/Annuß in Staudinger (1999) BGB § 611a Rz 87. 77 OGH 8 ObA 11/09i. 78 S zB auch Schlachter in ErfKomm AGG § 15 Rz 5. 79 EuGH 17.10.1995, C-450/93, Kalanke; 28.3.2000, C-158/97, Badeck; 6.7.2000, C-407/98, Abrahamsson; § 8 Rz 18 ff.
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Hier haben daher die Gerichte die Höhe des Ersatzes nach allgemeinen Regeln zu bemessen.80 Auch bei unterschiedlicher Befähigung gilt dasselbe in jenen Fällen, in 35 denen weder der AG beweisen kann, dass der Diskriminierte die Stelle auch bei rechtmäßiger Auswahl nicht erhalten hätte, noch es dem Stellenbewerber gelingt nachzuweisen, dass er aufgenommen worden wäre. Wie gesagt (oben Rz 28), ist der AG (zumindest außerhalb des öffentlichen Dienstes) nicht verpflichtet, die Auswahl nach sachlichen Kriterien vorzunehmen. Deshalb kann es zur beschriebenen Situation auch bei eindeutigen Befähigungsunterschieden kommen, wenn der AG seine Auswahl nach sachfremden Gesichtspunkten vornimmt. Gerade dann wird eine Pattsituation auf der Beweisebene besonders häufig sein. Je subjektiver die Auswahlgründe sind, die bei diskriminierungsfreier Auswahl zum Tragen gekommen wären (zB Sympathie), desto eher wird der Fall in dem Zwischenbereich der beiden Ziffern zu liegen kommen. g. Ernsthafte und geeignete Bewerber Obwohl § 12 Abs 1 Z 2 GlBG klar zum Ausdruck bringt, dass auch 36 jene Bewerber erfasst werden, die bei rechtmäßiger Auswahl die Stelle dennoch nicht erhalten hätten, kann aber trotzdem nicht jede Formalbewerbung bei Verstoß gegen das GlBG zum Ersatz des Schadens führen. Ansprüche kann vielmehr nur derjenige stellen, der sich ernstlich um eine Stelle beworben hat. So genannte „professionelle Diskriminierungskläger“ haben daher keinen Anspruch. Strittig ist hier nur, ob es bei diesen bereits an der Tatbestandsmäßigkeit fehlt oder ob der Anspruch wegen Rechtsmissbrauchs zu verneinen ist.81 UE endet die Prüfung spätestens auf der Kausalitätsebene, wenn es nicht ohnedies be80 So etwa der OGH in 8 ObA 27/09t in einem Fall zum B-GlBG: Es wurden drei Monatsentgelte zugesprochen (das war der Mindestwert bei Anspruch auf das Erfüllungsinteresse und Höchstwert bei bloßer Diskriminierung). 81 Für Rechtsmissbräuchlichkeit BAG NZA 1999, 371; BAG NZA 2016, 681; Thüsing in MünchKomm AGG § 15 Rz 17; Sturm in Mazal/Risak, Arbeitsrecht VIII (2002) Rz 107; für fehlenden Tatbestand § 3 Rz 61 f; Körber-Risak in Mazal/Gruber-Risak, Arbeitsrecht VIII Rz 104; Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler, GlBG2 § 12 Rz 14, 22; in diese Richtung scheint auch der OGH zu deuten (s 8 ObA 11/09i), wenn er von der Beeinträchtigung in dem Recht einer „ernsthaft“ um eine Stelle bemühte Bewerberin spricht, sich diskriminierungsfrei zu bewerben.
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reits am Schaden mangelt. Da diese Personen die Stelle nicht angenommen hätten, fehlt es hinsichtlich des Entgeltentgangs an der Verursachung. Ein Gefühlsschaden wird solchen professionellen Diskriminierungsklägern ebenfalls nicht entstanden sein.82 Diese erhoffen sich die Diskriminierung ja sogar, weil nur diese ihnen den angestrebten Schadenersatz verschafft. Von einer erheblichen Verletzung eines Persönlichkeitsrechts kann hier also sicher keine Rede sein. Da es sich bei der Kausalität und beim Schaden um objektiv zu prüfende Kriterien handelt, kann es auch keine Rolle spielen, ob dem AG die mangelnde Ernsthaftigkeit erkennbar war (ebenso § 3 Rz 61d). Der EuGH hat (aufgrund einer Vorlage aus Deutschland) den Ausschluss vom Schadenersatz in diesen Fällen auf der Grundlage von Rechtsmissbrauch grds gebilligt, aber verlangt, der Rechtsmissbrauch müsse auf objektiver Tatsachenbasis festgestellt werden und es sei eine Absicht zur Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils zu fordern.83 37 Eine andere Frage ist es, ob auch von vornherein ungeeignete Bewerber zum geschützten Personenkreis zählen (vgl dazu auch § 3 Rz 61). Ob also zB jemand, der das für die Stelle erforderliche Studium nicht absolviert hat, Schadenersatz nach dem GlBG verlangen kann. UE kann zwar schon der GB-RL und noch deutlicher dem GlBG entnommen werden, dass nicht nur der Schutz des Bestqualifizierten bezweckt wird. Wenn ein Bewerber aber schon abstrakt für die zu besetzende Stelle zB aufgrund des Fehlens eines notwendigen Ausbildungsschritts nicht in Betracht kommt, erscheint er nicht schutzwürdig.84 Die Abgrenzung zwischen minderqualifizierten und ungeeigneten Kandidaten ist mitunter schwer zu ziehen. UE ist dabei zu fragen, ob der Bewerber zumindest formal alle Anstellungsvoraussetzungen erfüllt (zB entsprechende Ausbildungsschritte). Welche Voraussetzungen bestehen, ergibt sich aus der Ausschreibung oder aus der Natur der Stelle (zB entsprechende Facharztausbildung für die Stelle eines Chirurgen).
82 Vgl auch Hopf/Smutny, DRdA 2002, 99 ff bei FN 47. 83 EuGH C-423/15, Kratzer. Weitere Hinweise auf die einschlägige Rsp in Deutschland s bei Schlachter in ErfKomm AGG § 15 Rz 13. 84 OGH 9 Ob A 264/98h; BAG NZA 1999, 371; BAG NZA 2010, 383: Thüsing in MünchKomm AGG § 15 Rz 17; Körber-Risak in Mazal/Gruber-Risak, Arbeitsrecht VIII Rz 104; vgl auch EuGH 8.11.1990, Rs 177/88, Dekker. Ähnlich der OGH in 9 ObA 118/18w: der Schadenersatzanspruch scheiterte daran, dass die Stelle zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr frei war.
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h. Verschuldensunabhängigkeit und Fehlen von Rechtferti gungsgründen Wie bereits erwähnt, ist der im GlBG normierte Schadenersatz von ei- 38 nem Verschulden unabhängig. Dies kann dem Gesetz lediglich dadurch entnommen werden, dass von einem Verschulden nicht die Rede ist. Immerhin stellen aber die Mat klar, dass ein schuldhaftes Handeln der Diskriminierenden nicht notwendig ist.85 Die RL verlangt zwar die Verschuldensunabhängigkeit nicht explizit, der EuGH hat allerdings bereits zur alten GleichbRL (76/207/EWG) ausgesprochen, dass ein Verschuldenserfordernis nicht richtlinienkonform wäre.86 Aus Gründen der Systematik und im Hinblick auf die Gleichheitsgerechtigkeit ist dies zu bedauern, weil nach österreichischem Recht der Verzicht auf das Verschulden – wie die Fälle der Gefährdungs- und Eingriffshaftung zeigen – besonderer Begründung bedarf. Von manchen wird dieser Systembruch dadurch zu kitten versucht, dass sie kurzerhand die Einstellung von Arbeitskräften als gefährliche Tätigkeit und damit die verschuldensunabhängige Einstandspflicht als Gefährdungshaftung qualifizieren.87 Damit ist allerdings nichts gewonnen, weil dadurch von der für die Gefährdungshaftung essentiellen Gefährdung abstrahiert wird.88 Im praktischen Rechtsleben wird die Systemwidrigkeit des Verzichts auf das Verschuldenserfordernis allerdings kaum einmal zutage treten. Eine unverschuldete Diskriminierung wird nämlich – jedenfalls bei unmittelbarer Diskriminierung – äußerst selten vorkommen. Immerhin ist aber an Fälle zu denken, in denen es dem AG aufgrund 39 einer psychischen Erkrankung (zB einer sich auf das Geschlecht beziehenden Paranoia)89 oder einer geistigen Behinderung nicht möglich ist, die Verwerflichkeit seines Tuns einzusehen. Dass offenbar auch in diesem Fall eine Haftpflicht bestehen soll, stellt zwar in gewisser Weise auch eine Gleichbehandlung dar, nämlich von Personen, die ihr Verhalten steuern können, und Personen, auf die dies nicht zutrifft. Aller85 ErläutRV 307 BlgNR 22. GP. 18. 86 8.11.1990, Rs 177/88, Dekker; 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl. 87 Gamillscheg, EzA § 611a BGB Nr 15, Anm zu EuGH 3.2.2000, C-207/98, Mahlburg; Müller-Glöge in MünchKomm4 BGB § 611a Rz 62. 88 Vgl auch schon Raab in Soergel, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch12 (1997) zu § 611a BGB Rz 49. 89 Vgl dazu die Sachverhalte zu OGH GlUNF 4013 und NZ 1989, 212 (F. Graf).
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dings fehlt dieser Gleichbehandlung jede sachliche Rechtfertigung. UE ist hier auf Grund verfassungskonformer Interpretation die Zurechnungsfähigkeit – trotz grundsätzlicher Verschuldensunabhängigkeit – eine Haftungsvoraussetzung. 40 Noch schwieriger ist die Frage zu beantworten, welche Auswirkungen es hat, dass der EuGH in den Entscheidungen Dekker90 und Draehmpaehl91 ausgesprochen hat, dass die schadenersatzrechtliche Haftung nicht vom Fehlen von Rechtfertigungsgründen abhängig gemacht werden dürfe. Zum Teil wird dies als Verzicht auf die Rechtswidrigkeit bezeichnet.92 Dieses Verständnis der EuGH-Judikatur erscheint jedenfalls als zu weitgehend, weil die GB-RL selbst in Art 18 eine Bestimmung enthält, die nach österreichischem Verständnis als Rechtfertigungsgrund verstanden wird (so ausdrücklich § 12 Abs 12 GlBG). Dagegen könnte man allerdings einzuwenden versuchen, dass damit nicht die Rechtswidrigkeit, sondern die Tatbestandsmäßigkeit berührt werde. Dies zeigt, dass dies letztlich in eine unfruchtbare Diskussion über die Abgrenzung von Tatbestands- und Rechtswidrigkeitsebene führt. Dass diese Trennung in den europäischen Zivilrechtsordnungen keineswegs einheitlich vorgenommen wird, relativiert die Aussage des EuGH.93 Im Kern bedeutet die Entscheidung Dekker aber immerhin, dass dem nationalen Recht keine über die Grenzen der RL hinausgehenden Rechtfertigungsgründe entnommen werden dürfen. Auch diese Rsp ist nicht unproblematisch, wie sich mit dem einfachen Beispiel der Pflichtenkollision belegen lässt: Werden dem AG vom nationalen Gesetzgeber Pflichten auferlegt, die mit der RL unvereinbar sind, stellt dies zwar eine ungenügende Umsetzung der RL dar, berechtigt aber im Normalfall den Einzelnen nicht dazu, sich gegenüber Privaten auf die RL zu berufen (keine horizontale Drittwirkung). Dennoch stellt uE der Ausschluss von einzelstaatlichen Rechtfertigungsgründen im Hinblick auf die horizontale Drittwirkung idR kein Problem dar. Wollte ein Mitgliedstaat die RL vollständig umsetzen, ist das nationale Recht richtlinienkonform so zu interpretieren oder erforderlichenfalls so zu reduzieren, dass die allgemeinen Rechtfertigungsgründe nicht zum Tragen kommen können. Allenfalls könnte darin eine intransparente RL-Um90 8.11.1990, Rs 177/88 Rz 22. 91 22.4.1997, C-180/95 Rz 17. 92 Richardi/Annuß in Staudinger (1999) BGB § 611a Rz 18, 34 f, 80. 93 Vgl Richardi/Annuß in Staudinger (1999) BGB § 611a Rz 34 f, 80.
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setzung erblickt werden. Die mangelnde horizontale Drittwirkung schlägt hingegen dann durch, wenn der nationale Gesetzgeber bewusst oder irrtümlich über die RL hinausgehende Rechtfertigungsgründe schafft. Hier könnte sich der AG mit Erfolg auf diese Rechtfertigungsgründe stützen. Der Umsetzungsmangel könnte nur mit einem Vertragsverletzungsverfahren und unter Umständen mit der Staatshaftung geahndet werden. i. Entgangener Gewinn Nach den ErläutRV umfasst der Ersatz wegen Diskriminierung bei der 41 Einstellung auch den entgangenen Gewinn.94 Im Gesetzestext hat diese Intention keinen Niederschlag gefunden. Nach allgemeinen Regeln ist der entgangene Gewinn nur bei grobem Verschulden oder Vorsatz zu ersetzen (§§ 1323 f ABGB). Lediglich wenn die Schädigung in Zusammenhang mit einem Handelsgeschäft steht, ist der entgangene Gewinn bereits bei leichter Fahrlässigkeit von der Haftpflicht umfasst (§ 349 UGB). Da die Gefährdungshaftung regelmäßig dem leichten Verschulden gleichgesetzt wird, lehnt die hA bei dieser den Ersatz des entgangenen Gewinns ab.95 Anderes gilt nur für die Eingriffshaftung. Dass diese nicht auf die eigentliche Schadloshaltung beschränkt ist, ist in der Stärke dieses Haftungsgrundes begründet,96 sodass daraus für unsere Fragen nichts gewonnen werden kann. Mit dem Ersatz des entgangenen Gewinns bei unverschuldetem Verhalten würde daher eine weitere Systemwidrigkeit ins Schadenersatzrecht hineingetragen. Auch dieses Problem ist hausgemacht und wird nicht vom Unionsrecht erzwungen. Die unionsrechtliche Pflicht zu vollem Schadenersatz schreibt ja, wie gesagt, nicht vor, dass wertungswidrig an einen Verstoß Rechtsfolgen geknüpft werden, welche die bisherige innerstaatliche Rechtsordnung bei vergleichbaren Eingriffen nicht vorsieht.97 Auch die eigentliche Schadloshaltung, also die Vergütung bloß des positiven Schadens, ist in diesem Sinn ein vollständiger Ersatz. Die Ablehnung des Ersatzes des entgangenen Gewinns stößt auch nicht an methodische Grenzen. Die unüberwindliche „lex lata-Grenze“98 94 307 BlgNR 22. GP, 18. 95 AA Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 10/9 f mwN zur gegenteiligen hA. 96 Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 10/12. 97 EuGH 21.9. 1989, Rs 68/88, Kommission/Griechenland, Rz 24; 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 29. 98 F. Bydlinski, JBl 1997, 617.
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wird ja erst dann überschritten, wenn der klare Gesetzeswortlaut und der eindeutige Wille des Gesetzgebers den Ersatz des entgangenen Gewinns verlangen. Da im Gesetzeswortlaut dies nicht einmal angedeutet ist, kann davon keine Rede sein. Es bedarf daher keiner teleologischen Reduktion. Vielmehr sind die systemwidrigen Ausführungen der ErläutRV bereits mit den Mitteln der Interpretation zu überwinden, so dass entgegen der ErläutRV nur der Ersatz des damnum emergens gebührt. Lediglich bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ist auch der entgangene Gewinn zu ersetzen.99 Vielleicht rührt der Hinweis der ErläutRV auf den entgangenen Gewinn ohnehin nur daher, dass man lediglich an eine vorsätzliche Diskriminierung gedacht hat. Dies liegt deshalb nahe, weil in den meisten Fällen – zumindest bei unmittelbarer Diskriminierung – tatsächlich zumindest dolus eventualis vorliegen wird. j. Sonstiges zum Umfang des Schadenersatzes 41a Eine Entscheidung des VwGH (zum öffentlichen Dienst) warf die Frage auf, ob die Rechtsanwaltskosten des Verwaltungsverfahrens ein ersetzbarer Vermögensschaden im Diskriminierungsfall eines Beamten sind.100 Im privatrechtlichen Beschäftigungskontext könnte man das auf die Frage umlegen, ob auch „vorprozessuale Kosten“ im Wege des Schadenersatzes ersatzpflichtig sind. Der VwGH verneinte die Ersetzbarkeit unter Hinweis auf die Grundregel, dass Rechtsanwaltskosten im Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht ersetzbar sind und sprach § 7g Abs 4 BEinstG und § 18b B-GlBG (die §§ 12, 26 GlBG vergleichbar sind) keine Qualität als Verwaltungsvorschriften im Verständnis des § 74 Abs 2 AVG zu, die eine Abweichung von dieser Grundregel anordnen.101 In ähnlicher Weise könnte zum GlBG die Frage gestellt wer99 AA unter Berufung auf die EuGH-Rsp betreffend dessen fehlende Unterscheidung der Schadensarten und die generelle Voraussetzung der Verschuldensunabhängigkeit Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 Rz 15. 100 VwGH 4.9.2014, 2013/12/0177. 101 Behörde und VwGH verwiesen auf § 1 Abs 1 DVG iVm § 74 AVG. In der Sache ging es um einen behinderten Beamten, das Verfahren wurde unter dem B-GlBG und dem BEinstG geführt, und es wurde eine Diskriminierung als bestehend angesehen. Die Behörde hatte einen Bruchteil der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten tatsächlich zugesprochen, der beschwerdeführende Beamte wollte einen höheren Betrag erhalten. Der VwGH führte aus, dass die Aufteilung der Behörde ohnedies richtig gewesen wäre, selbst wenn man die Ersatzfähigkeit bejahte. Das war aber nur eine Hilfsbegründung. Die primäre Begründung des VwGH sagte aus, dass keinerlei Ersatz gebührt hätte.
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den, ob zu den ersetzbaren Vermögensschäden bei Diskriminierung auch vorprozessuale Rechtsanwaltskosten gehören (entweder iZm der Befassung der Gleichbehandlungsanwaltschaft, der Gleichbehandlungskommission oder auch bei Befassung des Schlichtungsverfahrens gemäß BEinstG oder auch bei einem Abhilfeverlangen im Belästigungsfall). Die alternative (und uE zutreffende) Sichtweise wäre, dass alle derartige Maßnahmen letztlich in einem Zivilverfahren münden können und dabei sind bekanntlich vorprozessuale Rechtsanwaltskosten nur eingeschränkt ersetzbar.102 Auch in diesem Punkt gibt es keinen besonderen Grund, das Schadenersatzkonzept des GlBG vom allgemeinen Zivilrecht abzukoppeln. Insofern ist dem VwGH in dieser Frage grundsätzlich zuzustimmen. Zinsen werden im arbeitsrechtlichen Kontext nach § 49a ASGG grund- 41b sätzlich im erhöhten Umfang zustehen, auch in Bezug auf den immateriellen Schadenersatz.103 Das wirft allerdings die Frage auf, ob auch bei unverschuldeten Diskriminierungen der durchaus abschreckend-pönalisierende Zinssatz des § 49a ASGG anzuwenden ist. Eine Ausnahme unter § 49a ASGG ist nach dem Gesetzeswortlaut und nach der Rsp nur für vertretbare Rechtsansichten, also für echte Rechtsfragen verfügbar. Die Minderung kann daher insbesondere im Bereich der mittelbaren Diskriminierung bei Fällen der vermeintlichen aber nicht anerkannten Rechtfertigung nach § 5 Abs 2 eingreifen,104 der Einwand muss aber schon in der ersten Instanz begründet und ausgeführt werden.105 4. Gleiches Geld für gleiche Arbeit, freiwillige Sozialleistungen, Aus- und Weiterbildung, sonstige Arbeitsbedingungen; zum Anspruch auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands Die Abs 2 bis 4 und 6 des § 12 und des § 26 GlBG regeln die Rechtsfol- 42 gen der Diskriminierung bei Festsetzung des Entgelts (zur Konkurrenz zu Art 157 Abs 1 AEUV, siehe oben Rz 2), hinsichtlich der freiwilligen 102 Grundlegend zum Sachstand und zur Kritik M. Bydlinski, Der Anspruch auf Ersatz „vorprozessualer Kosten“, JBl 1998, 69, 143. 103 Dazu auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 Rz 24, 39 f. Der EuGH hat in der Rs Marshall (C-271/91) judiziert, dass Zinsen notwendiger Teil des zu leistenden Ersatzes sind, hinsichtlich der Höhe aber auf das nationale Recht verwiesen. 104 So auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 Rz 40. 105 Dazu näher Köck in Köck/Sonntag, ASGG § 49a Rz 4ff mwH auf die Rsp.
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Sozialleistungen, der Aus- und Weiterbildung und der sonstigen Arbeitsbedingungen. Anders als bei der Ungleichbehandlung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses besteht in allen diesen Fällen ein Anspruch auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes. In Abs 2 ist dies zwar in Bezug auf das Entgelt nicht so deutlich ausgesprochen wie in den Abs 3, 4 und 6, welche die freiwilligen Sozialleistungen, die Aus- und Weiterbildung und die sonstigen Arbeitsbedingungen betreffen. Es wird nämlich nicht explizit gesagt, dass der AN einen Anspruch auf Gewährung desselben Entgelts hat. Vielmehr wird nur von der „Bezahlung der Differenz“ gesprochen, was prima vista auch bloß auf die Vergangenheit bezogen werden könnte, weil ja bezogen auf die Zukunft nicht nur ein Differenzanspruch, sondern eine Forderung auf das Gesamtentgelt besteht. Eine solche Regelung wäre allerdings nicht sinnvoll, weil auch in der Zukunft immer wieder ein Anspruch auf Nachgewährung der Differenz entstünde. Im Ergebnis bestünde daher – mit Ausnahme einer zeitlichen Differenz im Ausmaß einer logischen Sekunde – gar kein Unterschied. Schon deshalb, aber auch wegen der Judikatur des EuGH zu Art 157 Abs 1 AEUV (bzw Art 141 Abs 1 EGV), nach welcher der diskriminierte AN einen Anspruch darauf hat, dass für ihn die gleiche Regelung anzuwenden ist, wie sie für die übrigen AN gilt,106 ergibt sich, dass Abs 2 trotz der sprachlichen Differenzen zu den Abs 3, 4 und 6 genau wie diese ein Recht auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands gewährt (ebenso die ErläutRV;107 siehe auch oben Rz 3). Zivilrechtlich ist dies am leichtesten mit einem Anspruch auf Vertragsanpassung zu erklären (wohl umgekehrte Argumentation bei § 3 Rz 91). Der OGH108 hat sich dieser Sichtweise angeschlossen und am Beispiel von Abs 2 ausgesprochen, das Gesetz sei unionsrechtskonform dahingehend zu interpretieren, dass der Anspruch auf „Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands“ auch „für die Zukunft“ gelte; es handle sich dabei um eine „von selbst vollziehenden Vertragsanpassung“ (zu Verjährung s § 15 Rz 1, 5, 12). 43 Ob es sich beim Recht auf Herstellung des rechtmäßigen Zustands um einen Anspruch auf Erfüllung der gesetzlichen Pflicht oder auf Naturalrestitution handelt, ist weder dem Gesetz noch den Mat zu entneh106 EuGH 7.2. 1991, C-184/89, Nimz, Rz 18 ff; 28.9.1994, C-28/93, Van den Akker, Rz 16 f. 107 307 BlgNR 22. GP, 18. 108 8 ObA 24/07y, RS0123082.
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men. Die Unterscheidung ist aber ohnehin mehr von akademischem Interesse, weil hier ausnahmsweise beide Ansprüche verschuldensunabhängig sind. Obwohl nämlich nur in den ErläutRV zu Abs 1109 die Verschuldensunabhängigkeit angesprochen wird, ergibt schon die gleichförmige Formulierung, dass auch hinsichtlich dieser Tatbestände eine persönliche Vorwerfbarkeit entbehrlich ist. Da die Rsp des EuGH110 den Verzicht auf das Verschuldenserfordernis nicht auf die Begründungsphase beschränken, führt auch die richtlinienkonforme Interpretation zu diesem Resultat. Ob sich auch die Ausführungen der Mat zur Ersatzfähigkeit des ent- 44 gangenen Gewinns zu Abs 1 auf die anderen Absätze beziehen sollen, ist ihnen nicht zu entnehmen. Da diesbezüglich aber ohnehin keine Anhaltspunkte im Gesetz enthalten sind und der Interessenersatz bereits in den Fällen des Abs 1 als teilweise systemwidrig erkannt wurde, ist eine solche Ersatzfähigkeit auch hier nur bei grobem Verschulden zu bejahen (s oben Rz 41). Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es nach dem Wortlaut 45 zweifelhaft sei, ob der Ersatz des immateriellen Schadens auch neben der Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes verlangt werden kann. Im Gesetz heißt es zB: „auf Gewährung der betreffenden Sozialleistung oder Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung“ (§ 12 Abs 3, § 26 Abs 3 GlBG). Schon durch die Wiederholung des Wortes „auf“ wird aber klar, dass der Ersatz immaterieller Schäden kumulativ zur Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes verlangt werden kann. Dieses Ergebnis wird auch durch die Formulierung des § 12 Abs 2 und des § 26 Abs 2 GlBG („Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung“) und die ErläutRV111 bestätigt. Zur abweichenden Rechtslage bei der Beendigungsdiskriminierung s unten Rz 49 f. Hingegen spricht die Verknüpfung mit „oder“ dafür, dass der Ersatz von Vermögensschäden, die zB über die nachträgliche Einbeziehung in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen hinausgehen, nur alternativ zum Anspruch auf Gleichstellung zustehen soll. Solche weitergehenden Vermögensschäden sind keineswegs ausgeschlossen. Zum Teil 109 307 BlgNR 22. GP, 18 (noch zu § 20 Abs 1). 110 8.11.1990, Rs 177/88, Dekker; 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl. 111 307 BlgNR 22. GP, 18.
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werden sie allerdings durch andere Bestimmungen des § 12 GlBG erfasst: Wäre zB der AN bei früherer Einbeziehung in ein Weiterbildungsprogramm schneller aufgestiegen, so kann der Schadenersatzanspruch auf Abs 5 gestützt werden. UE liegt nämlich ein Verstoß gegen § 3 Z 5 GlBG nicht nur dann vor, wenn die Ungleichbehandlung unmittelbar auf die Beförderung abzielt, sondern auch dann, wenn sich die Diskriminierung schon auf die Aufstiegsvoraussetzung (zB Weiterbildungsschritte) bezieht112 (vgl auch § 3 Rz 131). Soweit der trotz Gleichstellung entstehende Vermögensschaden nicht durch andere Absätze für ersatzfähig erklärt wird, erscheint § 12 GlBG im Hinblick auf die unionsrechtliche Verpflichtung zu einer verhältnismäßigen und an den sonstigen einzelstaatlichen Rechtsfolgen bei vergleichbaren Verstößen orientierten Reaktion problematisch.113 Deshalb sind auch über die Gleichstellung hinausgehende Vermögensschäden zu ersetzen. Hinsichtlich des Entgelts legt dies die Formulierung des Abs 2 ohnehin nahe, weil dieser von einem Anspruch auf die Entgeltsdifferenz spricht, der – wie gesagt (oben Rz 3) – sogar primär auf den in der Vergangenheit entstandenen Schaden abzuzielen scheint. Bei der Ungleichbehandlung im Hinblick auf die freiwilligen Sozialleistungen kann ein Vermögensschaden zB dadurch entstanden sein, dass sich der AN bis zur Gleichstellung entsprechende Leistungen aus eigenen Mitteln verschafft hat. Aber auch hinsichtlich der Aus- und Weiterbildung sind Vermögensschäden denkbar, die mit der Beseitigung der diskriminierenden Situation nicht liquidiert werden (zB Verlust der Möglichkeit zum Jobwechsel wegen verspäteter Weiterbildung). Auf diesen Vermögensschaden sind die Beschränkungen der Abs 1 und 5 nicht analog anzuwenden (§ 3 Rz 145). 46 Das dem AN nach dem Gesetzeswortlaut eingeräumte Wahlrecht zwischen Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes und Ersatz des Vermögensschadens ist hinsichtlich der Aus- und Weiterbildung nicht unproblematisch. Diese ist für den AN mit einem Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden, den er sich dadurch ersparen könnte, dass er nicht die Gleichstellung, sondern den Ersatz des Vermögensschadens wählt. Aus diesem Grund muss dem AG jedenfalls die Möglichkeit of112 Zu eng noch Kletečka in Tomandl/Schrammel, Diskriminierungsverbote 106. 113 EuGH 21.9.1989, Rs 68/88, Kommission/Griechenland, Rz 24; 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 29.
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fenstehen, den AN durch Ermöglichung der Aus- oder Weiterbildung klaglos zu stellen. Für den Ersatz des bereits eingetretenen Vermögensschadens kann die 47 Unterlassung, den Anspruch auf Aus- und Weiterbildung geltend zu machen, ein Mitverschulden des AN begründen (§ 3 Rz 131). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass gerade diskriminierte AN mitunter einem erheblichen psychischen Druck ausgesetzt sind, der es ihnen unzumutbar machen kann, auf die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands zu dringen. Sind zB Befürchtungen des AN, bei Durchsetzung seines Anspruchs (trotz der spezifischen Rechtsbehelfe gegen Benachteiligungen in § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG und insb §§ 13 und 27 GlBG) den Job zu verlieren, nicht völlig aus der Luft gegriffen, wird es ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden können, dass er nicht auf Naturalherstellung geklagt hat. Zumutbare Bemühungen, zB in das Fortbildungsprogramm des Unternehmens aufgenommen zu werden, sind aber vom AN sehr wohl zu verlangen. Verlangt ein AN nicht die Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, sondern tritt er wegen der Diskriminierung berechtigterweise vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus, kann darin kein Mitverschulden liegen. Eine davon unabhängige Frage ist, ob er in einem solchen Fall nur noch Schadenersatz verlangen kann (§ 3 Rz 145). Zu überlegen wäre nämlich, ob der AN in Analogie zu Abs 7 einen Anspruch auf Wiedereinstellung hat, wenn die Situation für ihn so unerträglich war, dass es ihm bei objektiver Betrachtung unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, er es sich aber nachträglich anders überlegt und die benachteiligenden Arbeitsbedingungen bekämpfen will. Für diese Analogie spricht, dass sonst die Rechtsfolge des Abs 7 leicht umgangen werden könnte, wenn man den AN nicht kündigt, sondern ihn geradezu zum vorzeitigen Austritt treibt. Dasselbe gilt auch dann, wenn der AN in einer solchen Lage kündigt oder einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zustimmt. Um den Schwebezustand möglichst kurz zu halten, ist allerdings auch in diesem Fall die 14-tägige Frist des § 15 GlBG einzuhalten, die dann ab Zugang der AN-Kündigung bzw der Austrittserklärung zu rechnen ist. Die Anwendungsfälle dieser Analogie werden daher nicht sehr zahlreich sein. Immerhin können damit aber provozierte „Kurzschlussreaktionen“ rückgängig gemacht werden. Zur Frage des ideellen Schadenersatzes nach Austritt s unten Rz 50c. Zur Abgrenzung vom Mobbing siehe § 3 Rz 151. 477
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5. Beruflicher Aufstieg 48 Wird ein Arbeitnehmer beim beruflichen Aufstieg diskriminiert, besteht hingegen kein Anspruch auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands. Vielmehr sieht das GlBG hier ganz ähnliche schadenersatzrechtliche Folgen vor wie für die Ungleichbehandlung in der Begründungsphase. Hier aber beträgt der Mindestersatz die Entgeltdifferenz für drei Monate für denjenigen, der aufgestiegen wäre (in der RV war als Mindestersatz wie für die Begründungsphase noch die Entgeltdifferenz für einen Monat vorgesehen); der Höchstbetrag von € 500,– für denjenigen, dessen Schaden nur darin liegt, dass die Berücksichtigung seiner Bewerbung verweigert wurde, deckt sich wieder mit der Regelung für die Begründungsphase. Näher zu den aus den Höchst- und Mindestgrenzen folgenden Konsequenzen und zur Schadenshöhe siehe oben Rz 24 ff. Bemerkenswert ist dazu, dass bei befristeten Verträgen bzw Bestellungen jedenfalls eine hohe Gesamtsumme des Vermögensschadens entstehen kann. So wurde (wenngleich aus dem öffentlichen Dienst, unter der Geltung des B-GlBG, das allerdings eine parallele Regelung zum GlBG enthält) bei der diskriminierenden Nichtbestellung auf einen auf fünf Jahre befristeten Sektionsleiterposten bereits ein Schadenersatz in der Höhe von weit über € 300.000,– zugesprochen.114 Hinsichtlich der Frage des über die Kündigungsfrist hinausreichenden Schadenersatzes bei unbefristeten Dienstverhältnissen (oben Rz 26 f und unten Rz 50 f) bleibt die weitere Rsp abzuwarten. Die Rechtslage ist komplex: Da im schon laufenden Arbeitsverhältnis idR keine „Null“-Kündigungsfristen (wie bei der Probezeit) bestehen, ist der Grund für einen (noch dazu erhöhten) Mindestschadenersatz nicht ohne weiteres zu sehen, und es besteht auch keine Gefahr, dass wegen einer Probezeit der Schaden sonst Null wäre. Am ehesten überzeugt die Deutung, dass im fortgeschrittenen Arbeitsverhältnis die Kündigungsfristen länger sind, als zu Beginn, sodass mehr Mindestschadenersatz gerechtfertigt erscheint, auch für Personen, die doch recht kurze Kündigungsfristen haben.115 Für einen potenziell „ewigen“ Schadenersatzanspruch spricht das nicht. Sollte die Rsp auch in diesem Punkt einen zeitlich potenziell unbegrenzten Schadenersatz zusprechen, so kann 114 BVwG 14.9.2017, W213 2009768-1; die Entscheidung wurde von VwGH (Ro 2017/12/0016) aufrechterhalten; darauf hat schon Gahleitner (in GS Rebhahn 84) hingewiesen. 115 Bis 30.9.2021 waren das noch die Arbeiter.
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der AG in der Sache allerdings durch Vornahme der Entgelterhöhung (oder durch eine tatsächliche Beförderung) weitere Nachteile für sich abwenden. Nur die Schadenersatzbegrenzung durch Nachweis der fiktiven diskriminierungsfreien Kündigung (s unten Rz 50a) wird ausgeschlossen sein – hier müsste der AG wohl eine tatsächliche diskriminierungsfreie Kündigung vornehmen. Die Formulierung „Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung“ scheint zum Ausdruck zu bringen, dass Schadenersatz nur dann gebühren soll, wenn der AN sich selbst um eine Beförderung beworben hat. Da dies der RL nicht entnommen werden kann (Art 1 lit a) und Art 14 lit a) GB-RL, vgl auch Art 3 AR-RL, Art 3 R-GB-RL), führt die richtlinienkonforme Interpretation zum Ergebnis, dass es keiner Bewerbung bedarf.116 Vielmehr gebührt auch dann Ersatz, wenn der AG von sich aus in diskriminierender Weise Beförderungen vornimmt.
6. Beendigungsdiskriminierung a. Allgemeines; zur Struktur der Rechtsfolgen Eine diskriminierende Kündigung oder Entlassung konnte schon nach 49 der Stammfassung des GlBG nach § 12 Abs 7 und § 26 Abs 7 angefochten werden. In auffallendem Gegensatz zu den übrigen Fällen der Diskriminierung war hier allerdings kein Ersatz ideeller Schäden angeordnet. Der OGH hat den ursprünglich gänzlich fehlenden immateriellen Schadenersatz (in der Stammfassung des GlBG; nun besteht er zumindest als Alternative zum Anfechtungsrecht bei Geltendmachung von Schadenersatz) weder unionsrechtlich noch verfassungsrechtlich als problematisch gesehen.117 Diese Ansicht wurde bereits in der Vorauflage zur Stammfassung des GlBG trotz der aufgezeigten Bedenken gegen den Ersatz immaterieller Nachteile als Inkonsequenz abgelehnt. Wieso solle – bei grundsätzlicher Anerkennung der Ersatzfähigkeit der durch die Ungleichbehandlung verursachten immateriellen Schäden – gerade bei diskriminierender Kündigung oder Entlassung etwas anderes gelten? Dies stünde auch mit dem bereits mehrfach angesprochenen unionsrechtlichen Grundsatz in Widerspruch, dass für gleichwertige Verstöße die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auch im Wesentli116 So nun auch OGH 9 ObA 98/15z. 117 RS0125890 zum Altrecht. Zuletzt bestätigt in 9 ObA 5/14x auch unter der Geltung der Novelle 2008.
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chen gleichwertige Sanktionen vorzusehen haben.118 Offenbar meinte der Gesetzgeber mit den schon nach den sonstigen arbeitsrechtlichen Vorschriften gebührenden Ersatzansprüchen auszukommen (zB §§ 1162a f ABGB; § 29 AngG). Diese umfassen aber keinen Ersatz ideeller Schäden. Für den Fall einer diskriminierenden Kündigung enthält das Arbeitsrecht überhaupt keine Schadenersatzbestimmungen. Deshalb wurde bereits in der Vorauflage zur Stammfassung des GlBG vertreten, dass auch hier die ideellen Schäden ersetzt werden müssen, wenn eine verschuldete und erhebliche Verletzung der aus den Diskriminierungsverboten abzuleitenden Persönlichkeitsrechte vorliegt.119 49a Die Rechtslage wurde insofern durch die Novelle 2008 weiterentwickelt, als nun auch bei der Beendigung die Möglichkeit geschaffen wurde, alternativ zur Anfechtung (die richtiger Weise wohl eine Form des Erfüllungsanspruchs darstellt, in den Materialien aber als Naturalrestitution120 bezeichnet wird) Schadenersatz zu begehren, wobei in diesem Fall neben dem Vermögensschaden auch der immaterielle Schaden der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung begehrt werden kann. Der Wortlaut ist aber weiterhin klar dahingehen, dass der ideelle Schadenersatz lediglich neben dem Vermögensschadenersatz zusteht, nicht aber neben einer Anfechtung oder der (neu geschaffenen) Möglichkeit der Entfristung eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Der OGH hat dies nicht als unionsrechtswidrig angesehen und auch keine verfassungsrechtlichen Überlegungen dazu angestellt.121 In den Fällen, in denen unter Abs 7 der Erfüllungsanspruch gewählt wird, kann also weiterhin kein immaterieller Schadenersatz beansprucht werden. 49b Der OGH hat bereits sehr früh122 in Auslegung der Judikatur des EuGH ausgesprochen, dass entgegen dem Wortlaut der Stammfassung des GlBG, das nur Kündigungen erfasst hätte, aber im Sinne des § 3 Z 7, der Beendigungsdiskriminierungen umfassend unzulässig macht, auch die Lösung des Dienstverhältnisses während der Probezeit, von § 12 118 EuGH 21.9.1989, Rs 68/88, Kommission/Griechenland, Rz 24; 22.4.1997, C-180/95, Draehmpaehl, Rz 29. 119 Kletečka in Tomandl/Schrammel, Diskriminierungsverbote 107; Sturm, DRdA 2004, 574 ff; § 3 Rz 155 f; oben Rz 20 ff. 120 415 ErläutRV 415 BlgNR 23. GP. 121 8 ObA 58/09a (noch vor Novelle): nicht verfassungswidrig, RL nicht direkt anwendbar: nach Novelle 9 ObA 5/14x. Dazu kritisch Burger, DRdA 2015, 16 (18 ff). 122 OGH 9 ObA 4/05m; in der Folge auch in 9 ObA 81/05k.
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Abs 7 (und damit auch § 26 Abs 7) erfasst angesehen werden muss. Die Novelle 2008 hat dies dann auch in den Gesetzestext aufgenommen. Damit ist klar, dass auch bei der Beendigung während der Probezeit die für die Kündigung geltenden Regelungen zur Anfechtung in gleicher Weise gelten. Zur Frage der Höhe des Schadenersatzes in diesen Fällen unten Rz 50a. b. Entfristungsanspruch bei diskriminierender Nicht-Fortset zung bestimmter befristeter Arbeitsverhältnisse Unsystematisch hat der Gesetzgeber die Regelung der Folgen der 49c Nichtfortsetzung eines befristeten Dienstverhältnisses vorgenommen.123 Richtig am Regelungsgegenstand ist, dass die Nichtfortsetzung eines befristet vereinbarten Arbeitsverhältnisses als AG-Entscheidung in gleicher Weise wie andere AG-Entscheidungen, die auf das Arbeitsverhältnis einwirken, unter der Anforderung der Nichtdiskriminierung steht. In diesem Sinne hatte der EuGH entschieden124, dass auch die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages gegen die GB-RL verstoßen könne. Damit bestand unter der Stammfassung des GlBG eine Regelungslücke: die Anfechtung griff nicht gegen die Nichtfortsetzungsentscheidung, und ein allgemeiner Vermögensschadenersatzanspruch war zweifelhaft (s aber schon Rz 50 sowie § 3 Rz 2 und 152 auch in der Vorauflage). Im Zuge der Klarstellung in der Novelle 2008, dass auch bei der Beendigungsdiskriminierung Schadenersatz (statt Anfechtung) geltend gemacht werden kann, wäre daher keine weitere gesetzliche Regelung nötig gewesen um dem Unionsrecht Genüge zu tun.125 Der Gesetzgeber ging jedoch darüber hinaus und legte fest, dass in jenen Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis „auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegt“ ist, ein weiterer Rechtsbehelf zur Verfügung steht, der die Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands – also die unbefristete Fortsetzung (Entfristung) bewirkt. Seltsamer (und undogmatischer) Weise geschieht dies nicht durch einen Kontrahierungszwang (dann wäre eine Leistungsklage auf Zustimmung einzubringen) und auch nicht durch eine Fortsetzungsoption (das wäre eine Rechtsgestaltungsklage), sondern durch eine Feststellungsklage. Man muss dennoch davon ausgehen, dass es sich hier um ein einseitiges 123 Dazu schon Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 12 GlBG Rz 10/1; Burger, DRdA 2015, 16 f. 124 EuGH C-438/99, Jimenez Melgar. 125 So auch Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 12 GlBG Rz 10/1.
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Gestaltungsrecht auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands handelt, das durch die Klagseinbringung ausgeübt wird126 und das an die Stelle des sonst bestehenden Schadenersatzanspruchs tritt. In der Sache ist dieser Anspruch im Kanon der §§ 12 u 26 ein Unikum: in keinem anderen Fall kann über das GlBG ein neues Vertragsverhältnis erzwungen werden (weder bei der diskriminierenden Nichteinstellung noch bei der diskriminierenden Nichtbeförderung). Gerechtfertigt kann der Unterschied bloß dadurch werden, dass es sich hierbei um die Fortsetzung eines schon bestehenden (wenngleich abgelaufenen), und nicht um die Begründung eines völlig neuen oder materiell veränderten Arbeitsverhältnisses handelt. Die Rechtsfolge unterscheidet sich auch klar von § 12a MSchG, der lediglich eine Ablaufhemmung und Fortsetzung bis zur Schutzfrist bewirkt (und so den Bezug von Wochengeld ermöglicht), aber nicht die Nichtfortsetzung per se angreift. 49d Noch wenig aussagekräftige Judikatur liegt zur Frage vor, wann ein Arbeitsverhältnis „auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegt“ ist.127 Grundsätzlich wird darunter ein Sachverhalt zu verstehen sein, bei dem die Befristung nicht durch äußere Umstände, wie etwa einen Vertretungsfall oder das bloß befristete Bestehen des Arbeitsplatzes (etwa bei einer Projektstelle) bedingt ist; Erprobungsfälle werden daher grundsätzlich als auf Umwandlung angelegt anzusehen sein. Der OGH hat einen Sachverhalt als auf Verlängerung „angelegt“ beurteilt, in dem eine Absichtserklärung in diese Richtung bestand, aber offen gelassen, ob die gesetzlich festgelegte „Möglichkeit“ der Fortsetzung, wie sie zB in § 4 Abs 1 OÖ LandesbedienstetenZuweisungsgesetz 2001 festgehalten war, auch ausreichend wäre.128 Die Behaltefrist nach Ende der Lehrzeit macht das Dienstverhältnis nicht auf Verlängerung nach Ablauf angelegt.129 Eine saisonale befristete Beschäftigung in einem Hotelbetrieb in den Sommermonaten wurde ebenfalls nicht als auf Verlängerung angelegt beurteilt.130 126 So auch Burger, DRdA 2015, 17 (auch mit der berechtigten Kritik an der Bezeichung dieses Anspruches als „Klarstellung“ in den Materialien). Ähnlich kritisch Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 12 GlBG Rz 10/1. 127 In der E zu 9 ObA 5/14x war die Sache aufgrund des festgestellten Sachverhalts klar, der AG hatte der AN mitgeteilt, die Befristung sei nur Formsache, wenn alles passe, werde umgewandelt. 128 8 ObA 30/16v. 129 8 ObA 66/15m. 130 9 ObA 147/19m.
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Der Begriff „angelegt“ deutet im Übrigen auf die Absicht des Gesetzgebers hin, nur Fälle zu erfassen, in denen die Umwandlungsabsicht von Beginn an bestand. Das drücken auch die Mat aus, der Gesetzeswortlaut setzt das aber nicht klar um.131 Windisch-Graetz ist daher zuzustimmen, dass auch Fälle erfasst werden, in denen die Umwandlungsabsicht erst im Zuge des Dienstverhältnisses entsteht. Ebenso ist ihr dahingehend zu folgen, dass auch in jenen Fällen ein Fortsetzungsanspruch besteht, in denen (ausnahmsweise) die Fortsetzungsabsicht nicht auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, sondern (etwa in einem Vertretungsfall) auf die Fortsetzung mit einem weiteren befristeten Arbeitsverhältnis angelegt ist oder angelegt wird.132 c. Schadenersatz statt Anfechtung/Entfristung Ist dem AN die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zumutbar, 50 hat sich schon unter der Stammfassung des GlBG die Frage gestellt, ob nicht alternativ zur Anfechtung der Beendigung auch ein Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens besteht. In der Vorauflage wurde dies bejaht, mit dem Zusatz, dass in diesen Fällen wie nach Abs 1 der Entgeltentgang bis zur Möglichkeit einer rechtmäßigen Kündigung zu ersetzen wäre (Rz 26, 50). Dies hätte also bei der Kündigung Fälle des besonderen Bestandschutzes und generell diskriminierende Entlassungen betroffen; bei der fristgerechten Kündigung etwaigen Schadenersatz jenseits des Arbeitsentgelts; auch hier wäre ein Vorteilsausgleich (Erspartes und anderweitig Erworbenes) und die Anrechnung des absichtlich nicht Erworbenen vorzunehmen, wie sich aus § 1162b ABGB ergibt, wobei der Vorteilsausgleich und die Anrechnung für die ersten drei Monate unterbliebe (§ 1162b ABGB aE). UA unter Bezugnahmen auf diese Ausführungen in der Vorlauflage hat der Gesetzgeber im Zuge der Novelle 2008133 dann ganz generell die Möglichkeit des Ersatzes des Vermögensschadens und des ideellen Schadens für die persönliche Beeinträchtigung ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen, wenn der AN die Beendigung gegen sich gelten lässt. Allerdings hat der Gesetzgeber nicht näher ausgeführt, was damit in Bezug auf den Vermögensschaden gemeint ist. Damit wurde insb die Frage aufgeworfen, wie der Vermögensschaden in jenen Fällen zu bemessen ist, in denen in arbeitsrechtlicher Sicht die Kündigungsfrist ein131 ErläutRV 415 BlgNR 23. GP 6. 132 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 12 GlBG Rz 10/1. 133 Auch unter Berufung auf die Vorauflage: ErläutRV 415 BlgNR 23. GP 6.
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gehalten wurde oder keine Kündigungsfrist besteht (also bei der Beendigung in der Probezeit): hier besteht arbeitsvertragsrechtlich gesehen grundsätzlich kein Vermögensschaden. Klar ist, dass in diesen Fällen (anders als bei der Anfechtung, s oben Rz 49 f) nun der Ersatz des ideellen Schadens begehrt werden kann: Wird etwa eine diskriminierende ordentliche Kündigung nicht angefochten, so kann nun der ideelle Schaden begehrt werden, wenn der AN die Kündigung nicht anficht. Damit wurde eine systematische Lücke in den Rechtsfolgen unter den §§ 12 und 26 geschlossen. Aber was soll dann der Vermögensschaden sein? Und kommt es darauf an, dass die Fortsetzung unzumutbar ist? Das Problem ist allgemein-arbeitsrechtlich bislang nur in jenen Fällen entstanden, in denen besonderer Bestandschutz vorlag und der AN entweder von einem Anspruch auf Geltendmachung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses absah oder einen Austritt erklärte: in diesen Fällen stellte sich auch bisher die Frage der Bemessung der Kündigungsentschädigung (§§ 1162b ABGB bzw § 29 AngG) bzw des von dieser offen gelassenen „weitergehenden Schadenersatzes“. In allen diesen Fällen hat der OGH bislang stets nur einen zeitlich begrenzten Schadenersatz ausgesprochen.134 50a Der OGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung 9 ObA 87/15g135 im Fall einer diskriminierenden Lösung während der Probezeit eines Lehrlings entschieden, dass der Vermögensschaden auch über den (fiktiven) Beendigungszeitpunkt hinausreicht und insofern Entgeltansprüche jenseits der ordentlichen Kündigungsfrist erfasst. Begründet wurde dies mit Unionsrecht (Art 18 GB-RL), dem Gesetzeswortlaut und dem Umstand, dass bei anderer Sicht der Vermögensschaden nur bei diskriminierender vorzeitiger Beendigung überhaupt relevant wäre (den besonderen Bestandschutz erwähnte der OGH nicht). Ein solcher über die Kündigungsfrist hinausreichender Entgeltschaden stehe nur dann nicht zu, wenn der AG behauptet und beweisen kann, dass der Schaden auch im Fall des vorschriftsmäßigen Verhaltens, dh ohne Verletzung der Schutznorm eingetreten wäre, also dass der AG auch sonst mit dieser Frist bzw zu diesem Termin beendet hätte. Diese Entscheidung ist in ihrer genauen Bedeutung schwer einzuschätzen und in ihrer Bedeutung noch wenig diskutiert. Potenziell ist die Bedeutung groß, weil sie zu einem Schadenersatz „ad infinitum“136 134 S die instruktive Zusammenfassung bei Gahleitner in GS Rebhahn 81–83. 135 DRdA 2016, 235 (zust Mayr) = ASOK 2016, 113 (zust Braun). 136 Gahleitner in GS Rebhahn 83 f.
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(konkret: bis zum Regelpensionsalter) führen kann, wenn dem AN lange Arbeitslosigkeit droht bzw er nicht mehr in der Lage ist, das Entgeltniveau der verlorenen Stelle zu erreichen (und dem AG kein Beweis für eine fiktive nicht-diskriminierende Kündigung gelingt). Es ist nicht zu erwarten, dass der OGH die Entscheidung auf Fälle der diskriminierenden Beendigung in der Probezeit einschränkt und etwa bei diskriminierenden Kündigungen den Vermögensschadenersatz verweigert. Dem OGH ist zuzustimmen, dass im Fall der diskriminierenden Beendigung in der Probezeit das Problem am gravierendsten ist, weil hier der Gesetzgeber (anders als bei der Einstellung und beim beruflichen Aufstieg) keinen Mindestschadenersatz vorgesehen hat. Die Entscheidung ist dennoch aus mehreren Gründen kritisch zu sehen. Die Berufung auf das Unionsrecht ist unzutreffend,137 weil die Anfechtungsmöglichkeit als Rechtsfolge grundsätzlich ausreicht, der OGH den weitergehenden Vermögensschadenersatz nicht auf Fälle der Unzumutbarkeit der Anfechtung beschränkt und weil so dem Unionsrecht eine Rechtsfolgenanordnung unterstellt wird, die im nationalen Recht gerade nicht besteht.138 Die Entscheidung missachtet, dass der resultierende Schutz klar darüber hinausgeht, was das nationale Recht sonst anbietet: Tritt der AG bei einer vereinbarten Probezeit von einem Dienstverhältnis zurück, gebührt kein Schadenersatz.139 Wird ein AN ungerechtfertigt entlassen, so gebührt nur die Kündigungsentschädigung. Sogar im Fall des Austritts (bei dem ja definitionsgemäß die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar ist) gebührt grundsätzlich stets ein mit der Kündigungsfrist beschränkter Schadenersatz. Und sogar bei besonderem Bestandschutz gebührt Schadenersatz nicht zeitlich unbeschränkt, wenn der AN die Beendigungserklärung gegen sich gelten lässt. Es besteht also ein Wertungsbruch mit dem übrigen Arbeitsrecht140, der zu potenziell nahezu grenzenlosen Schadenersatzansprüchen führen kann. Obwohl 137 S schon die zutreffende Darstellung und Kritik bei Gahleitner in GS Rebhahn 77–80. 138 Besonders zu kritisieren ist der Hinweis des OGH in 9 ObA 87/15g auf die Erstauflage von Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 12 Rz 88, obwohl dort (wie auch in der Neuauflage) der durch Unionsrecht unbeschränkte Schadenersatz nur für Fälle der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses vertreten wurde. Man kann dem OGH nur zugutehalten, dass er im Anlassfall von einer Unzumutbarkeit der Anfechtung ausging, wenngleich diese nicht ausdrücklich festgestellt war. 139 RS0028461. 140 So auch Gahleitner in GS Rebhahn 82 ff.
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die Mat den Anspruch auf Vermögensschadenersatz mit der möglichen Unzumutbarkeit einer Anfechtung begründet haben, fand dieser Gedanke keinen Eingang in den Gesetzeswortlaut; auch der OGH erwähnt ihn nicht, obwohl er sich auf den Gesetzestelos beruft. Die Frage der Zumutbarkeit der Anfechtung/Entfristung ist aber nicht irrelevant, wie in der Lit behauptet wird.141 Denn den AN trifft zweifellos die Schadensminderungsobliegenheit, und deshalb ist auch zu prüfen, warum der AN nicht angefochten hat, und zwar weder nach den §§ 12 oder 26 Abs 7 noch nach § 105 ArbVG. Unterlässt der AN eine zumutbare Anfechtung, so sollte (in Entsprechung des ausdrücklichen gesetzlichen Zwecks und der möglichen unionsrechtlichen Begründung) ein über den nächsten Beendigungszeitpunkt hinausgehender Vermögensschadenersatzanspruch verneint werden. Über die Frage der Zumutbarkeit der (rechtzeitigen) Anfechtung kann auch das potenzielle Problem der kurzen Anfechtungsfrist gelöst werden: war – aus welchen Gründen immer – die rechtzeitige Anfechtung (bzw die rechtzeitige Entfristungsklage) nicht zumutbar (und stand eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht offen), so stünde der Schadenersatzanspruch jedenfalls offen. Die Entscheidung wirft für die Praxis auch schwierige weitere Fragen der Schadensminderung auf: Befürchtet der AG eine endlose Schadenersatzpflicht, so stellt sich die Frage, wann er durch ein Wiedereinstellungsangebot seine Haftpflicht reduzieren kann. Es wird wohl darauf ankommen, ob dem AN die Annahme des Angebots zumutbar ist, sowohl vom Inhalt der Tätigkeit (und auch der Bezahlung her), als auch im Hinblick auf die stattgefundene Diskriminierung (und anderes potenzielles Fehlverhalten des AG): Der AG wird zeigen müssen, dass weiteres diskriminierendes Verhalten verlässlich unterbunden wurde. Des Weiteren wird sich die Frage stellen, ob ein wegen Arbeitslosigkeit des AN nach diskriminierender Beendigung gebührendes Arbeitslosengeld den Schadenersatzanspruch mindert oder ob der Anspruch in diesem Fällen ruht.142 Die Antwort hängt davon ab, ob man einen derartigen Anspruch als „Kündigungsentschädigung“ iSd AlVG bezeichnen kann.143 141 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 Rz 86. 142 S §§ 12 Abs 1 Z 2 AlVG und § 16 Abs 1 lit k und Abs 2 AlVG. 143 Begrifflich wäre er das nicht, weil die Kündigungsentschädigung stets von § 1162b ABGB und § 29 AngG abgeleitet wurde; funktional sind die Ansprüche aber ganz eng verwandt.
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Der Logik des OGH folgend müsste im Schadenersatzprozess idR auch fiktiv die Frage abgehandelt werden, wann der AG später diskriminierungsfrei beendet hätte. Es kommt dabei nicht darauf an, dass der AG nachweist, dass er unanfechtbar (insb unter § 105 ArbVG) gekündigt hätte, sondern bloß, dass er diskriminierungsfrei gekündigt hätte. Denn auch anfechtbare Kündigungen sind rechtskonform.144 In Bezug auf die Höhe des immateriellen Schadens hat der OGH145 50b ausgesprochen, dass die Beendigungsdiskriminierung grundsätzlich eine schwerwiegendere Beeinträchtigung darstelle als andere Diskriminierungsfälle, sodass hier generell ein höherer immaterieller Schadenersatz gebühre. Zum immateriellen Schaden noch näher unten Rz 65 f. d. Austritt und Schadenersatz Bemerkenswerter Weise hat der OGH den Zuspruch von immateriel- 50c lem Schadenersatz gegenüber dem AG auch im Fall des gerechtfertigten Austritts wegen massiver Belästigung durch einen Dritten (der auch zu immateriellem Schadenersatz verurteilt wurde) in einem Fall abgelehnt, in dem es nicht um das ausdrückliche Wahlrecht bei Beendigungsdiskriminierung (§ 12 Abs 7 GlBG) ging.146 Der OGH bestätigte, dass der in § 12 Abs 7 GlBG vorgesehene immaterielle Schadenersatz hier nicht zustehe, weil keine arbeitgeberseitige Beendigung vorlag. Deshalb sei auch über den Umweg von § 12 Abs 11 GlBG kein immaterieller Schadenersatz vom AG zu erhalten. Diese Sichtweise des OGH erscheint insofern problematisch, als der arbeitsrechtlich vorgesehene Gleichklang der Rechtsfolgen zwischen ungerechtfertigter Entlassung und gerechtfertigtem Austritt aufgelöst wird und der AN trotz stattgefundener Belästigung und Verlust des Arbeitsplatzes keinen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz gegen den AG hat.147 Die Ent144 Insb OGH 8 ObA 76/12b. Darauf weist auch Gahleitner (in GS Rebhahn, 85 f) zu Recht hin; sie ist nur missverständlich, wenn sie von einer Eventualkündigung des AG spricht (ebda 86): es handelt sich dabei nicht um eine Eventualkündigung, weil das Dienstverhältnis ja schon beendet ist, sondern um eine fiktive Eventualkündigung (wäre das Dienstverhältnis noch aufrecht, dann würde der AG jetzt kündigen); nach verlorenem Schadenersatzprozess eine fiktive Kündigung. 145 9 ObA 87/15g. 146 8 ObA 47/16v. Die Entscheidung wurde kritisch aufgenommen, s insb Risak, ZAS 2018, 187. 147 So Risak, ZAS 2018, 189 ff.
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scheidung erscheint aber insofern grundsätzlich richtig, als in diesem Fall kein Verschulden des AG festgestellt war; ein Zuspruch von immateriellem Schadenersatz gegenüber dem AG hätte also hier ohne Verschulden stattgefunden, und das hat der OGH zutreffend abgelehnt. Verwandt ist freilich die Frage des Vermögensschadenersatzes bei gerechtfertigtem Austritt. Auch dabei wird zu sehen sein, ob die Rsp (auch ohne Verschulden des AG) Schadenersatz zusprechen wird, der über die Kündigungsfrist hinausgeht. Da der Austritt die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, ist das nicht ausgeschlossen; allerdings sieht das Gesetz einen solchen Anspruch strenggenommen ebensowenig vor wie einen immateriellen Schadenersatz. e. Prozessuales zur Anfechtung 50d Obwohl der Anfechtungstatbestand in Abs 7 weitestgehend der Kündigungsanfechtung nach § 105 ArbVG (und, was die Anfechtung nach § 13 iVm § 12 Abs 7 anbelangt, insb der Motivkündigungsanfechtung gem § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG) nachgebildet ist,148 hält die Rsp den Anfechtungstatbestand nicht für eine (betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen) „gleichartige“ bundesrechtliche Bestimmung iSd § 50 Abs 2 ASGG, mit Folgen (wegen § 58 Abs 1 ASGG) insb für die Verfahrenskosten.149 Diese Sichtweise ist kritikwürdig und auch für die Praxis unnötig kompliziert; sie ist (nur) durch die Genese und die ältere Rsp zu § 50 Abs 2 ASGG erklärbar.150
7. Berufsberatung, Berufsausbildung, Weiterbildung, Umschulung, Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- bzw Arbeitgeber-Organisation 51 Bei einer Ungleichbehandlung hinsichtlich der Berufsberatung, Berufs ausbildung,151 Weiterbildung, Umschulung und der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- bzw Arbeitgeber-Organisation be148 Was auch der OGH anerkennt, s zB ausdrücklich in 9 ObA 81/05k. 149 So zB OLG Wien 9 Ra 157/05g. Ohne Begründung auch in 9 ObA 106/15a. 150 S dazu näher Köck in Köck/Sonntag, Kommentar zum ASGG § 50 Rz 67 mwN. 151 Die Novelle 2008 hat hier ein Redaktionsversehen korrigiert (s die ErläutRV 415 BlgNR 23. GP 6): Während in § 4 Z 1 immer schon auch die Berufsausbildung erwähnt war, hatte der korrelierende § 12 Abs 8 diesen Begriff nicht enthalten; ebenso in § 18 Z 1 und § 26 Abs 8.
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stehen die – nach dem Gesetzeswortlaut – alternativen Ansprüche auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands oder auf Ersatz des Vermögensschadens. Kumulativ zu einem dieser beiden Ansprüche gebührt der Ersatz der ideellen Schäden (§ 12 Abs 8 und 9; vgl auch § 26 Abs 8 und 9 GlBG). Auch hier wird man allerdings Vermögensschäden, die mit der Beseitigung der Ungleichbehandlung nicht aus der Welt geschafft werden können, als ersatzfähig anzusehen haben (s oben Rz 45). Strukturell interessant daran ist, dass in diesen Fällen der Diskriminierung außerhalb des Arbeitsverhältnisses (aber in der „Arbeitswelt“) sehr wohl ein Erfüllungsanspruch zugebilligt wird (Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands), während § 38 das beim sonstigen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen nicht gewährt; s § 38 Rz 1).
8. Selbständige Beschäftigung Findet die Ungleichbehandlung beim Zugang zur selbständigen Be- 52 schäftigung statt, gebührt wieder der Ersatz des Vermögensschadens und der immateriellen Schäden (ebenso § 26 Abs 10 GlBG). Auch hier ist bemerkenswert, dass es keinen Erfüllungsanspruch gibt, ähnlich wie bei der Einstellungsdiskriminierung. Siehe auch Anm zu § 1 Rz 45 f und § 4.
9. Sexuelle Belästigung, geschlechtsbezogene Belästigung und Belästigung aus den Gründen des § 17 GlBG Bei sexueller Belästigung und geschlechtsbezogener Belästigung (§ 7 53 GlBG; zur Belästigung, die mit der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion usw im Zusammenhang steht [§ 21 GlBG iVm § 17 GlBG] siehe § 26 Abs 11 GlBG) hat die betroffene Person gegenüber dem Belästiger (zB Arbeitskollege) und unter Umständen auch gegen den Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens.152 Soweit der Nachteil nicht nur in einer Vermögenseinbuße besteht, ist auch ein Ausgleich für den immateriellen Schaden vorgesehen. Letzterer beträgt nunmehr mindestens € 1.000,– (§ 12 Abs 11 GlBG). Die in der Stammfassung 152 Aus Anlass einer Belästigung im Zusammenhang mit einer Behinderung hat der OGH (in 8 ObA 8/09y) klargestellt, dass die Belästigerhaftung eines Arbeitskollegen kein spezielles Über- oder Unterordnungsverhältnis erfordert; auch sonstige Arbeitskollegen, die in einem gemeinsamen Betrieb (Dienststelle) ihre Arbeit verrichten und dadurch in sozialen Kontakt kommen, haften selbst. Diese zu § 7i BEinstG ergangene Entscheidung ist problemlos auf die §§ 12 und 26 umlegbar.
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2004 in Abs 11 noch enthaltene Unterscheidung der Mindestersatzbeträge von € 400,– bei geschlechtsbezogener Belästigung und € 720,– bei sexueller Belästigung wurde mit der Novelle 2008 aufgegeben, der Mindestersatz wurde mit der Novelle 2011 auf die genannten € 1.000,– erhöht (beides ohne nähere Begründung). 54 Zunächst fällt an dieser Bestimmung auf, dass – nimmt man sie wörtlich – ein Anspruch auf Ersatz ideeller Schäden vom Vorliegen eines Vermögensschadens abzuhängen scheint. Dieser soll ja nur dann eingreifen, wenn „der Nachteil nicht nur in einer Vermögenseinbuße“ besteht. Dies ist aber lediglich eine sprachliche Ungenauigkeit, die sich aus dem alten GlBG (§ 2a Abs 7) herübergerettet hat. Immaterielle Schäden sind daher auch hier unabhängig von Vermögensnachteilen ersatzfähig. Zu den Mindestersätzen ist auf das vorhin Gesagte zu verweisen (oben Rz 24 ff). Zu rechtfertigen sind diese hier ebenfalls nur dann, wenn man dafür wenigstens ein Verschulden verlangt. Wie erwähnt, steht das Unionsrecht dem nicht entgegen, weil dieses keine Haftungsuntergrenzen verlangt. Handelt der Belästiger ausnahmsweise unverschuldet, kann ein Mindestersatz nicht gerechtfertigt werden. 55 Interessanterweise hat sich hier in einem Teilbereich das Haftungselement des Verschuldens in das Gesetz hineingestohlen. Der Arbeitgeber haftet nämlich für die Belästigung durch Dritte nur dann, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, angemessene Abhilfe zu schaffen (§ 6 Abs 1 Z 2, § 7 Abs 1 Z 2 GlBG). Dies ist durchaus sachgerecht und steht auch mit den RL im Einklang, weil diese nur für den Belästiger selbst und für denjenigen, der zur Belästigung „angewiesen“ hat, eine verschuldensunabhängige Haftung vorschreiben (Art 2 Abs 2 lit b) GBRL, vgl auch Art 2 Abs 4 AR-RL, Art 2 Abs 4 R-GB-RL).
10. Beweiserleichterung 56 Wie vorhin (Rz 7) aufgezeigt, verlangt das Unionsrecht für die Diskriminierungsfälle Beweiserleichterungen. Umgesetzt wurden diese in § 12 Abs 12 (ebenso § 26 Abs 12 und § 38 Abs 3). Die Erleichterungen bestehen darin, dass der Kläger den von ihm behaupteten Diskriminierungssachverhalt lediglich glaubhaft zu machen hat. Dem Beklagten obliegt es dann, zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher153 ist, dass ein anderes vom ihm glaubhaft gemach153 In der Stammfassung noch „wahrscheinlich“, geändert durch BGBl I 2005/82.
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tes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit war oder der in § 5 Abs 2 genannte Rechtfertigungsgrund (bzw in § 26 Abs 12: einer der in §§ 19 Abs 2 oder 20 genannten Rechtfertigungsgründe; in § 38 Abs 3: ein Rechtfertigungsgrund iSd § 32 Abs 2 oder des § 33) vorliegt. Auf Grund der erwähnten unionsrechtlichen Vorgaben hat das GlBG auch die Belästigungstatbestände in die Beweislastregelung einbezogen (§ 12 Abs 12 aE; ebenso § 26 Abs 12 aE GlBG). Die frühere Rsp des OGH, nach der es sich dabei um Tatsachen handle, für die eine Abschwächung der Beweislast nicht erforderlich sei,154 war damit überholt.155 Ob mit Abs 12 den Richtlinienvorgaben entsprochen wird, erscheint 57 allerdings zweifelhaft. Art 19 Abs 1 GB-RL (ex Art 4 Abs 1 BeweislastRL)156 verlangt nämlich, dass der Beklagte nach Bescheinigung der Diskriminierung durch den Kläger den Beweis dafür zu erbringen hat, dass keine Ungleichbehandlung vorgelegen hat. § 12 Abs 12 (ebenso § 26 Abs 12) spricht zwar ebenfalls davon, dass nach Glaubhaftmachung durch den Kläger dem Beklagten der Beweis obliegt. Sieht man genauer hin, erkennt man aber, dass dieser „Beweis“ nichts mit dem zu tun hat, was man nach allgemeinen Regeln darunter versteht. Der Beklagte hat nämlich nur „zu beweisen“, dass es „wahrscheinlicher ist“, dass ein anderes „vom Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv“ ausschlaggebend war. Für die Belästigungsfälle wird Sinngemäßes angeordnet. Diese Regelung ist äußerst verworren. Hier ist nämlich die zu beweisende Tatsache eine „Wahrscheinlichkeit“, womit Beweisgegenstand und Beweismaß miteinander vermengt werden. Diese nachzuweisende Wahrscheinlichkeit bezieht sich wiederum auf ein lediglich glaubhaft zu machendes Motiv bzw eine glaubhaft zu machende Tatsache. In Wahrheit läuft dies ohnehin nur auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit hinaus, wie der Wortlaut („wahrscheinlicher“) klar macht. In der Glaubhaftmachung ist nämlich nichts anderes zu erblicken, als eine Abmilderung des notwendigen Beweismaßes,157 also eine Senkung des 154 OGH 9 Ob A 2056/96 DRdA 1997/13, 123 (teilw krit Gahleitner). 155 Sturm, DRdA 2004, 574. 156 Vgl auch Art 8 Abs 1 AR-RL und Art 10 Abs 1 R-GB-RL. 157 Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, 336. So spezifisch zu § 12 Abs 12 auch Klicka (ZAS 2009, 191), der zu Recht auch darauf hinweist, dass
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sonst erforderlichen Überzeugungsgrades158 auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit.159 Wie sich bei den Belästigungsfällen am deutlichsten zeigt, ist daher die „zu beweisende“ Wahrscheinlichkeit und die Glaubhaftmachung ein und dasselbe. Damit besteht aber in Wirklichkeit – trotz der Einfügung der Worte „zu beweisen“ – kein Unterschied zur RV, die eine dem § 105 Abs 5 ArbVG entsprechende Regelung vorsah. Von einer Beweislastumkehr, wie die Mat meinen,160 kann daher hinsichtlich der Gesetz gewordenen Fassung genauso wenig die Rede sein wie in Bezug auf jene in der RV. Dem Gesetzgeber ist es daher nicht gelungen, Zweifel an der vollständigen Umsetzung zu zerstreuen.161 Die RL verlangen nämlich vom Beklagten mehr als vom Kläger. Nach der vorliegenden Regelung werden sie hingegen gleichbehandelt. 57a Der OGH hat zu den meist relevanten Motiven von AG-seitigen Entscheidungen die grundlegende Regel aufgestellt, dass deren Glaubhaftmachung nur dem durch die Herabminderung des Beweismaßes erleichterten Indizienbeweis, nicht aber dem Anscheinsbeweis (prima facie-Beweis) zugänglich sei.162 Bereits in 9 ObA 46/04m hat der OGH163 die spezifische Frage der RL-Konformität adressiert und im Sinn einer RL-konformen Auslegung ausgesprochen, dass den AG tatsächlich eine echte Beweislast treffe, wenn dem AN die Glaubhaftmachung (erste Stufe) des Motivzusammenhangs gelungen sei. Der OGH weist aber unmittelbar danach darauf hin, dass die Beweislast nur in der non-liquet-Situation relevant sei, womit im Ergebnis wohl doch eine Abwägung der Wahrscheinlichkeiten resultiert – mit der Last beim AG im non-liquet-Fall. Allerdings ist der OGH nicht exakt: Noch in deutlich späteren Entscheidungen
„Glaubhaftmachung“ hier nicht als Beschränkung auf parate Beweismittel iSd § 274 ZPO zu verstehen ist. 158 Nach neuerer Rsp (OGH 7 Ob 260/04t): „hohe Wahrscheinlichkeit“. 159 Zu den Beweisabstufungen „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, „hohe Wahrscheinlichkeit“ und „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ allgemein: Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rz 581. Spezifisch zu § 12 Abs 12 Klicka, ZAS 2009, 191. 160 ErläutRV 307 BlgNR 22. GP, 19; AB 499 BlgNR 22. GP, 3. 161 AA AB 499 BlgNR 22. GP, 3. 162 RS0123960. 163 Und nachfolgend auch wieder in 9 ObA 177/07f ZAS 2009, 186 (Klicka) = DRdA 2010, 137 (Eichinger).
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spricht er davon, es käme letztlich auf ein Überwiegen an, also auf eine bessere „Glaubhaftmachung“ durch den AG.164 In der Praxis scheint das Problem häufiger in der Frage zu liegen, ob dem klagenden AN überhaupt die Glaubhaftmachung der Diskriminierung gelungen ist, denn der Kläger trägt (bei der unmittelbaren Diskriminierung) die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das diskriminierende Motiv.165 Wenn die Bescheinigung nicht gelingt (erste Stufe), und das ist eine Frage der richterlichen Beweiswürdigung, dann besteht kein Anspruch und es kommt nicht zu einer Verlagerung der Beweislast auf den AG. Die Verlagerung auf die zweite Stufe verlangt also, dass zuerst die erste Stufe erfüllt ist.166 Richtiger Weise ist die Frage, ob die Glaubhaftmachung gelungen ist, 57b eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage; sie ist also nicht revisibel.167 Daraus resultiert allerdings (aufgrund der weitgehend fehlenden Publizität zweitinstanzlicher Entscheidungen) ein gewisses potenzielles Manko an Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Keinen speziellen Niederschlag hat bislang die Rsp des EuGH zum Beweisnotstand des AN gefunden: In der Rs Kelly168 hatte der EuGH noch ausgeführt, dass ein Bewerber (im Anlassfall für eine Berufsausbildung) keinen Auskunftsanspruch betreffend die Qualifikationen der anderen Bewerber habe, er deutete aber bereits an, dass darunter die praktische Wirksamkeit der RL leiden könne. In der Rs Meister169 wurde der fehlende Auskunftsanspruch zwar wiederholt, aber dem nationalen Gericht nahegelegt zu berücksichtigen, ob sich nicht aus der Verweigerung jeglicher Information durch den AG bereits ein Indiz für eine Diskriminierung ergebe. Damit legt der EuGH den Gerichten vor, 164 8 ObA 66/15m; ähnlich in 8 ObA 62/15y. Im Ergebnis greift auch Potz diesen Gedanken auf und kommt zum Ergebnis, dass hinsichtlich des diskriminierenden Motivs bzw der benachteiligenden Wirkung bei der mittelbaren Diskriminierung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit relevant sei und sich die Beweislast des AG auf die Rechtfertigung (unverzichtbare Voraussetzung oder Rechtfertigung gem § 5 Abs 2) bezieht, RdW 2010/39, 27. 165 Instruktiv 8 ObA 69/09v. S auch schon die kritischen Anmerkungen von Klicka zum de facto kaum abgesenkten Beweismaßstab von Untergerichten, ZAS 2009, 192 166 RS0111216 insb [T5], aber auch schon [T2] u [T4]. 167 RS0040286. 168 EuGH C-104/10. 169 EuGH C‑415/10, Meister.
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die Verweigerung der Herausgabe von Informationen durch den AG im Wege der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. 57c
Der OGH hat aus den Beweisregeln der RL und aus Abs 12 auch eine Reflexwirkung für die Beweislast bei Entlassungen wegen Ehrverletzung (bzw für Fälle der Kündigungsrechtfertigung mit Ehrverletzungen seitens des AN) abgeleitet. Für den Entlassungsgrund der erheblichen Ehrverletzung (§ 27 Z 6 AngG) bzw der groben Ehrenbeleidigung (§ 82 Abs 1 lit g GewO 1859) bzw bei sachähnlichen Kündigungsgründen (etwa im öffentlichen Dienst) wendet der OGH nun bei einem Vorwurf der sexuellen Belästigung (gegen einen Vorgesetzten, einen Kollegen oder auch gegen den AG selbst) andere Beweislastregeln an als sonst bei Ehrverletzungen: Der AG muss nicht nur beweisen, dass der ehrverletzende Vorwurf durch den AN erhoben wurde und dann muss der AN Beweis über die Richtigkeit des Vorwurfs führen, wie die ältere Rsp auch bei der Belästigung judiziert hatte;170 vielmehr muss der AG nun auch nachweisen, dass der Vorwurf wissentlich unwahr erhoben wurde.171
11. Nichtigkeit 58 Das GlBG trifft keine eindeutige Aussage darüber, ob diskriminierende Vereinbarungen in Dienstverträgen nichtig sind. In jenen Fällen, in denen der AN ein Recht auf Gleichstellung hat, stellt sich das Problem der Nichtigkeit häufig nicht, weil § 12 GlBG hier auf den Vertrag einwirkt und diesen zB hinsichtlich der Entgeltshöhe, freiwilliger Sozialleistungen oder sonstiger Arbeitsbedingungen anpasst. Der Mechanismus ist jenem des § 917a ABGB vergleichbar, der sich bei Unterschreiten eines gesetzlichen Entgelts nicht mit der Nichtigkeit der Entgeltsvereinbarung begnügt, sondern eine gesetzliche Vertragskorrektur vorsieht. Die Anpassung des Vertrages bedarf daher nicht der Geltendmachung. Lediglich die aus dieser Vertragsänderung resultierenden Ansprüche verjähren in der Frist des § 1486 ABGB, wenn nicht rechtzeitig geklagt wird (siehe unten § 15 Rz 13). In 8 ObA 69/13z (diskriminierende Befristung im Dienstvertrag) ist der OGH etwas unklar geblieben, 170 OGH 9 ObA 2056/96k. 171 OGH 8 Ob A 55/13s = ZAS 2015/37, 234 (teilw krit Morgenstern); dazu auch Windisch-Greatz in ZellKomm3 GlBG § 12 Rz 18. Inwieweit diese Rsp auch auf andere Arten der diskriminierenden Belästigung angewendet wird, bleibt abzuwarten.
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aber wohl von einer Nichtigkeit der Befristung ausgegangen, weil die arbeitgeberseitige Erklärung der Nichtverlängerung in der Folge wie eine diskriminierende Beendigungserklärung betrachtet wurde.172 Diskriminierende Weisungen sind nichtig und dürfen daher auch nicht befolgt werden (§ 3 Rz 29 f, 145). Eine diskriminierende Beendigung des Dienstverhältnisses ist, wie sich aus der Notwendigkeit, sie binnen 14 Tagen anzufechten (§ 15 GlBG) ergibt, nicht nichtig (§ 3 Rz 28, 154). Wegen der richtlinienkonformen Auslegung, die zur Ersatzfähigkeit des Vermögensschadens und der ideellen Schäden geführt hat, erscheinen die mangelnde Nichtigkeitssanktion und die kurze Anfechtungsfrist unionsrechtlich unbedenklich (vgl aber § 3 Rz 154).
12. Konkurrenzen und Mehrfachdiskriminierung Hinsichtlich der sexuellen Belästigung kann es zu Überschneidungen 59 mit § 1328 ABGB kommen. Insbesondere die Ausnützung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses liegt in arbeitsrechtlichen Zusammenhängen besonders nahe. Wie Brodil173 überzeugend dargelegt hat, kommt es hier zu einer alternativen Anspruchskonkurrenz, womit eine Doppelliquidation des Schadens vermieden wird. Freilich fördert auch diese Anspruchskonkurrenz eine Wertungswidersprüchlichkeit zutage: § 12 Abs 11 GlBG enthält einen Mindestersatz, der erst bei massiveren Fällen eingreifende § 1328 ABGB sieht hingegen keine Haftungsuntergrenze vor. Auch mit § 1328a Abs 1 ABGB, der Schadenersatz für Eingriffe in die 60 Privatsphäre normiert, wären Überschneidungen denkbar. Da darunter zB auch Telefonterror zu subsumieren ist,174 scheint es nicht undenkbar, dass auch zB eine Belästigung darunter fallen könnte. Nach § 1328a Abs 2 ABGB ist allerdings dessen Abs 1 dann nicht anzuwenden, wenn eine Verletzung der Privatsphäre nach besonderen Bestimmungen zu beurteilen ist. Das bedeutet im Ergebnis, dass das GlBG den § 1328a ABGB verdrängt. 172 Es wäre aber auch die gegenteilige Deutung möglich, dass die vertragliche Befristung zwar nicht nichtig war, aber die Nichtverlängerungserklärung aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes wie eine Beendigungserklärung behandelt werden musste. 173 Entscheidungsanmerkung, ZAS 2000/1, 20. 174 ErläutRV zu § 1328a ABGB 173 BlgNR 22. GP, 18.
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61 Auch innerhalb des GlBG kann es zu Konkurrenzen kommen. Nimmt zB ein AG muslimische Frauen nicht auf, so wird gleichzeitig aus den Gründen des § 3 Z 1 (Geschlecht) und aus jenen des § 17 Abs 1 Z 1 (Religion) diskriminiert. Üblicherweise wird zwischen Mehrfachdiskriminierung und intersektioneller Diskriminierung unterschieden. Unter einer Mehrfachdiskriminierung versteht man eine Diskriminierung, die sich aus mehreren Gründen in einem längeren betrieblichen Konflikt nacheinander summiert. Von einer intersektionellen Diskriminierung wird hingegen dann gesprochen, wenn sie eine Gruppe von Personen trifft, die mehrere „verpönte Merkmale“ aufweisen, ohne dass die einzelnen Diskriminierungsgründe voneinander getrennt werden können (zB Kopftuch einer Muslimin).175 Die Trennschärfe dieser Unterscheidung ist zu bezweifeln. Diskriminiert zB ein AG ältere AN und Homosexuelle hinsichtlich des beruflichen Aufstiegs und handelt es sich bei der diskriminierten Person um eine ältere homosexuelle Person, so liegt nach dieser Definition weder eine Mehrfachdiskriminierung (Gleichzeitigkeit) noch eine intersektionelle Diskriminierung (Trennbarkeit der Gründe) vor. Der Nutzen dieser Einteilung ist auch deshalb zu bezweifeln, weil nicht recht klar wird, welche Funktion die einzelnen Begriffselemente haben sollen und welche Unterschiede hinsichtlich der Rechtsfolgen bestehen sollen. 62 Die im Zusammenhang mit allen Formen der Mehrfachdiskriminierungen zu klärende Frage ist, ob ein einheitlicher Akt oder mehrere Akte der Diskriminierung vorliegen.176 Dies ist zB im Hinblick auf haftungsrechtliche Ober- und Untergrenzen und unterschiedliche Verjährungsfristen von Bedeutung.177 UE wird man zur Beantwortung dieser Frage auf die Einheitlichkeit der Diskriminierungshandlung einerseits und auf die Identität des Persönlichkeitsrechts, in das eingegriffen wird, andererseits abzustellen ist. Im Grundsatz ist bei unterschiedlichen Rechtsgütern (zB Geschlechtsehre und Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich der Religion) eher von getrennten Sachverhalten auszugehen als bei identischem Rechtsgut. Finden zB über einen längeren Zeitraum verteilt sexuelle Belästigungen statt, so wird man dennoch nur einmal die Mindestgrenze von 175 Schiek, NZA 2004, 876; Windisch-Graetz, DRdA 2005. 238. 176 Die ErläutRV zur Novelle 2008, die den Abs 13 eingefügt hat, haben sich ausdrücklich den hier dargestellten Ansichten angeschlossen, ErläutRV 415 BlgNR 23. GP 7. 177 Windisch-Graetz, DRdA 2005, 243.
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(nunmehr) € 1.000,– zu beachten haben. Vielmehr ist der Gesamtsachverhalt zu berücksichtigen und eine Globalbemessung vorzunehmen, wie auch der OGH konsistent judiziert hat.178 Bei dieser ist natürlich zu berücksichtigen, dass idR ein wiederholter Angriff auch zu höheren ideellen Schäden führen wird (§ 3 Rz 52). Dasselbe sollte auch dann gelten, wenn manche der Belästigungen „nur“ als geschlechtliche Belästigungen anzusehen sind. Auch dann sind die Mindestersätze nicht zu kombinieren.179 Wird mit einem einheitlichen Akt eine Person aus unterschiedlichen Gründen diskriminiert (homosexuelle weibliche Person wird nicht befördert), sind ebenfalls die Höchst- und Mindestbeträge der §§ 12 Abs 5 und 26 Abs 5 nur einmal zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn beide Eigenschaften Einfluss auf das Ausmaß der Benachteiligung hatten (zB in der Abteilung A kommen Homosexuelle und in der Abteilung B Frauen nicht in Führungspositionen; die homosexuelle AN kann weder in der einen noch in der anderen Abteilung aufsteigen). Auch hier ist eine Globalbemessung vorzunehmen, wobei der mehrfachen Diskriminierung Rechnung zu tragen ist, ohne dass eine Aufschlüsselung des beantragten Schadenersatzbetrags nötig wäre.180 Handelt es sich aber um mehrere Angriffe auf unterschiedliche Rechtsgüter, die in keinem Zusammenhang miteinander stehen, ist uE sowohl in Bezug auf die Ober- und Untergrenzen als auch hinsichtlich der unterschiedlichen Verjährungsfristen eine Trennung vorzunehmen. Ein solcher Fall liegt zB dann vor, wenn der AG eine AN einmal sexuell belästigt, dieses Verhalten in weiterer Folge zwar einstellt, aber einige Monate später dieselbe AN mit rassistischen Äußerungen verletzt. Der OGH hat obiter181 eine wohlwollende Sicht zu der hier dargestellten Meinung angedeutet, ließ die Frage aber im Anlassfall (der sexuellen Belästigung und Belästigung wegen der ethnischen Zugehö178 So der OGH schon in 8 Ob A 188/98z (ZAS 2000/1 [zust Brodil]) und danach konsistent RS0111431. 179 Windisch-Graetz, DRdA 2005, 240. 180 Instruktiv und ausführlich insbesondere OGH 9 ObA 117/15v, unter Verweis auf die Mat (ErläutRV 415 BlgNR 23. GP 7) und auf Windisch-Graetz (DRdA 2005, 242 f). Der OGH scheint hier zwar eine getrennte Geltendmachung bei Verletzung unterschiedlicher Rechtsgüter recht liberal zu erlauben, erlaubt aber jedenfalls die gemeinsame pauschale Geltendmachung im Sinn der Globalbemessung und spricht sich dezidiert gegen eine Notwendigkeit einer separaten Aufschlüsselung aus. 181 In 8 ObA 63/09m.
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rigkeit) offen, weil die zugesprochene Summe ohnehin über der Summe der beiden Mindestbeträge lag. 62a Die besondere prozessuale Problematik der Mehrfachdiskriminierung in Fällen, in denen auch eine Diskriminierung wegen einer Behinderung geltend gemacht wird, ist nun in den §§ 15 und 29, jeweils Abs 4 sowie in § 38 Abs 6 geregelt, s insb bei § 15 Rz 18 f.
13. Diskriminierungsfreie Ausschreibung 63 Verstößt ein AG oder ein Arbeitsvermittler gegen das Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung (§ 9; vgl auch § 23 GlBG), zieht das nicht Schadenersatz, sondern eine Verwaltungsstrafe bis € 360,– nach sich (§ 10 vgl auch § 24 GlBG). Der Arbeitgeber hat diesbezüglich aber sozusagen einen „Freibiss“, weil er beim ersten Verstoß lediglich zu verwarnen ist. Der Arbeitsvermittler ist hingegen bereits beim ersten Mal zu bestrafen. Da die RL bereits die Phase der Stellenausschreibung erfassen, muss die Sanktion für diskriminierende Ausschreibungen abschreckend sein. Ob dafür die Verwarnung ausreicht, ist UE sehr zweifelhaft. UE kann selbst die Verwaltungsstrafe unzureichend sein. Tritt bereits auf Grund einer nicht geschlechtsneutralen Ausschreibung ein Schaden ein, weil sich zB der Bestqualifizierte wegen der geschlechtsspezifischen Ausschreibung nicht bewirbt, muss darüber hinaus in richtlinienkonformer Interpretation auch eine Schadenersatzpflicht angenommen werden (anders § 9 Rz 16). Wie gesagt, verpflichtet die GB-RL – anders als die AR-RL und die R-GB-RL – die Mitgliedstaaten dazu, für Verstöße gegen Art 14 GB-RL eine Ersatzpflicht vorzusehen (Art 17 GB-RL). Art 14 Abs 1 lit a GB-RL erwähnt die „Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen“ ausdrücklich, sodass uE kein Zweifel daran bestehen kann, dass Art 14 GB-RL bereits die Ausschreibungsphase erfasst. Eine Strafbestimmung und noch weniger eine bloße Verwarnung genügen daher den Anforderungen der RL in diesem Punkt nicht. Anderes könnte für § 26 GlBG gelten, der die Rechtsfolgen für die anderen Diskriminierungsverbote regelt. Auf Grund der schadenersatzrechtlichen Gleichbehandlung des Genderbereichs und der anderen Diskriminierungsverbote im innerstaatlichen Recht muss uE auf Grund des daraus ableitbaren telos des GlBG eine Ersatzpflicht für alle Fälle von diskriminierender Ausschreibung bestehen. 498
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Die Schadenersatzpflicht des AG, der auch für den Personalvermittler 64 haftet (oben Rz 15), genügt der unionsrechtlichen Verpflichtung. Mit Ausnahme der Belästigungstatbestände ziehen Diskriminierungen immer nur Ersatzansprüche gegen den AG nach sich. Da neben diesen Schadenersatzanspruch auch noch die den Arbeitsvermittler treffende Verwaltungsstrafe tritt, wird den Erfordernissen des Art 17 GB-RL auch ohne schadenersatzrechtliche Verantwortlichkeit des Vermittlers entsprochen. Für den Arbeitsvermittler beschränkt sich daher grundsätzlich die Rechtsfolge einer geschlechtsdiskriminierenden Ausschreibung auf die Verwaltungsstrafe (§ 3 Rz 18).182 Die gegenteilige Ansicht von Sturm,183 nach welcher AG und Personalvermittler solidarisch haften sollen, wird mit der Umgehungsmöglichkeit begründet, wenn sich der Vermittler weigert, seinen Auftraggeber zu nennen. Dies berührt allerdings eine auch sonst nicht zu vermeidende Problematik, die sich daraus ergibt, dass der AG nicht verpflichtet ist, eine zu besetzende Stelle überhaupt auszuschreiben. Spricht er für die freie Stelle zB über einen Headhunter nur Personen eines bestimmten Geschlechts an, werden andere Interessenten vom Einstellungsvorgang keine Kenntnis erlangen. Es ist aber auch gar nicht notwendig, den Arbeitsvermittler als Adressat des § 12 GlBG anzusehen. Verweigert er die Auskunft über die Person des AG, verletzt er damit eine vorvertragliche Pflicht, so dass er aus diesem Grund jenen Ersatz zu leisten hat, den der AN bei Kenntnis der Person des AG von diesem erhalten hätte (§ 3 Rz 18: § 9 iVm § 1311 ABGB [Schutzgesetz]). Der Unterschied zu der von Sturm vertretenen Meinung besteht darin, dass der Arbeitsvermittler nur haftet, wenn er seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt, also keine Solidarhaftung besteht.
14. Bemessung des immateriellen Schadenersatzes Die Rechtsprechung zeigt bei der Höhe der unter dem Titel des imma- 65 teriellen Schadenersatzes („persönliche Beeinträchtigung“) bislang zugesprochenen Schadenersatzbeträge ein eher verhaltenes Bild. Die Beträge orientieren sich grundsätzlich an den im Gesetz genannten Mindestbeträgen bei Diskriminierung, nämlich € 500,– (bei Einstellung und beruflichem Aufstieg ohne Nachweis, dass die Stelle bzw der Aufstieg bei diskriminierungsfreier Entscheidung erlangt worden wäre) und € 1.000,– (bei Belästigung). Eine spezielle Bezugnahme auf die in 182 Zum alten GlBG offen lassend: OGH 9 Ob A 318/99a. 183 DRdA 2004, 574 ff vor Fn 25.
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Abs 14 ausdrücklich verankerten, dem Unionsrecht entnommenen Grundsätze ist unterblieben. 66 Vor allem anhand der Belästigungen, die sich im Regelfall aus einer Serie von Handlungen zusammensetzen, wurde klargestellt, dass eine Globalbemessung aufgrund der durch die Belästigung geschaffenen Gesamtsituation (nicht jede Belästigungshandlung separat) nach den sonst im Schadenersatzrecht angewandten Grundsätzen anzuwenden ist.184 Sofortiges Einstellen und Entschuldigung sind zB mäßigende Umstände. Auch auf die Dauer und die Erheblichkeit der Beeinträchtigung sei Bedacht zu nehmen. Bei der Ausmessung dieser Genugtuungsleistung (Geldersatz) sei die psychophysische Situation des Betroffenen, die Beschaffenheit seiner Gefühlswelt, seine Empfindsamkeit, die Schwankungsbreite seiner Psyche gleichfalls zu berücksichtigen und überdies zu beachten, dass diese dem in seinem Recht Verletzten nicht nur einen Ausgleich für die beeinträchtigte Lebensfreude bringen, sondern ihm auch das Gefühl der Verletzung nehmen und damit das gestörte Gleichgewicht in seiner Persönlichkeit wiederherstellen solle.185 Hohe bislang zugesprochene Beträge lagen in der Größenordnung von ca EUR 3.500,–, einmal in einem Fall, in dem sogar eine strafrechtlich relevante Belästigung vorlag.186 Ähnlich wurde bei fortgesetzter sexueller Belästigung ca € 3.600,– zugesprochen;187 im Fall einer sexuellen Belästigung mit psychosomatischen Störungen ebenfalls ca € 3.600,– .188 Bei längerdauernder, wenngleich rein verbaler Belästigung betrug der zugesprochene Betrag € 2.000,–.189 In einem Fall länger andauernder sexueller Belästigung, die nicht nur rein verbal war und auch die Lage der AN ausnutzte € 1.500,–.190 In einem Fall fortgesetzter Bedrängungen, Herabwürdigungen und Gehässigkeiten wurden € 2.500,– zugesprochen,191 aber in einem Fall einer sexuellen Mehrfachbelästigung unter mindernden Umständen nur der Mindestbetrag.192 184 Grundlegend in 8 ObA 188/98z; ausführlich begründet auch in 8 ObA 14/06a. 185 So insb 9 ObA 49/16w und allgemein RS0022442. 186 OGH 8 ObA 47/16v. 187 8 ObA 18/03k. 188 9 ObA 119/02v. 189 OLG Linz 12 Ra 71/10p. 190 OGH 9 ObA 18/08z. 191 8 ObA 59/08x. 192 8 ObA 35/09v.
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Abseits der Belästigungen besteht wenig veröffentlichte Rechtsprechung. Bei der Einstellungsdiskriminierung geht es meist nur um den Mindestbetrag. Allerdings wurde im Fall einer diskriminierenden Nichtbeförderung im öffentlichen Dienst (es ging um eine Sektionsleiterstelle) vom BVwG (unter dem parallelen B-GlBG) ein ideeller Schaden in Höhe von fast € 5.300,– zugesprochen.193 Im Fall eines Lehrlings mit einer Beendigungsdiskriminierung (wegen Schwangerschaft) wurden EUR 1.700,– zugesprochen, 194 dies mit der Begründung, dass die Gravität des Vorfalls und die damit verbundene Beeinträchtigung über eine einfache Belästigung hinausgingen. Der OGH hat dabei auch ausgesprochen, dass Fälle der Beendigungsdiskriminierung regelmäßig als besonders schwer anzusehen sind. Dabei wird also der bei der Einstellungsdiskriminierung geltende Höchstbetrag (€ 500,–) regelmäßig überschritten werden können. Prozessual ist die Bemessung jedenfalls eine von einer Einzelfallwer- 67 tung geprägte Entscheidung, die nur bei einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage eine Anrufung des OGH ermöglicht.195
Benachteiligungsverbot § 13. Als Reaktion auf eine Beschwerde darf ein/e Arbeitnehmer/in
durch den/die Arbeitgeber/in innerhalb des betreffenden Unternehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden. Auch ein/e andere/r Arbeitnehmer/in, der/die als Zeuge/Zeugin oder Auskunftsperson in einem Verfahren auftritt oder eine Beschwerde eines/einer anderen Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin unterstützt, darf als Reaktion auf eine solche Beschwerde oder auf die Einleitung eines solchen Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden. § 12 gilt sinngemäß. 193 BVwG 14.9.2017, W213 2009768-1; die Entscheidung wurde vom VwGH (Ro 2017/12/0016) aufrechterhalten. 194 9 ObA 87/15g. 195 OGH 8 ObA 132/00w; 9 ObA 119/02v; ObA 18/03k, 8 ObA 59/08x; und unter Berufung auf Hopf, Belästigung in der Arbeitswelt in FS Bauer/Mayr/ Petrag, 173.
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Materialien: GlBG Stammfassung: RV 307 BlgNR 22. GP; AB 499 BlgNR 22. GP. Novelle 2008: RV 415 BlgNR 23. GP; AB 559 BlgNR 23. GP. Literatur: Eypeltauer, Gedanken zum Kündigungsanfechtungsgrund des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG, DRdA 1988, 435; Bei, Art 6 Gleichb-Richtlinie – effektiver Rechtsschutz gegen Folgediskriminierung, Komm zu EUGH C-185/97, DRdA 1999, 159; Smutny, Gleichbehandlungsgesetz (2001).
1 § 13 enthält das an den AG gerichtete Verbot, einen AN in Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines Verfahrens zu entlassen, zu kündigen oder sonst zu benachteiligen. Diese vom österreichischen Gesetzgeber wie auch in vergleichbaren Fällen „Benachteiligungsverbot“ genannte Regelung wird auch als Verbot von Viktimisierung, Folgediskriminierung, Maßregelung, Retorsion oder Vergeltung bezeichnet.1 In der ursprünglichen Fassung des Art 7 der GleichbRL idF vor der RL 2002/73/EG war dieses Verbot noch nicht als allgemeines Benachteiligungsverbot, sondern lediglich als Entlassungsschutz formuliert. Schon zu dieser Bestimmung stellte allerdings der EuGH2 klar, dass sich der Schutz gegen Vergeltungsmaßnahmen nicht auf die Entlassung beschränkt. Selbst Benachteiligungen nach Beendigung des Dienstverhältnisses (zB Verweigerung eines Arbeitszeugnisses) seien von Art 7 GB-RL aF (nunmehr Art 24 GB-RL) erfasst gewesen. Mit der GB-RL idF der RL 2002/73/EG trug der Richtliniengeber dieser Judikatur Rechnung und ergänzte den damaligen Art 7 (nun Art 24 der neugefassten GleichbRL mit dem Titel „Viktimisierung“) um das Verbot „anderer Benachteiligungen“. Außerdem wurden auch die Arbeitnehmervertreter in den Schutzbereich einbezogen. Im Erwägungsgrund 17 der RL 2002/73/EG (nun Erwägungsgrund 32 der neugefassten GB-RL) wurde unter Hinweis auf die Rechtsprechung3 ausgesprochen, dass die AN auch noch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Schutz genießen müssen. An selber Stelle wird auch klargestellt, dass das Benachteiligungsverbot nicht nur den sich wehrenden diskriminierten AN, sondern auch unterstützende Dritte, also andere AN erfasst, welche den Diskriminierten verteidigen oder für ihn als Zeuge aussagen. Unter dem selben Titel der „Viktimisierung“ enthalten Art 11 R-GB-RL, Art 9 AR-RL sowie Art 10 Güter-GB-RL parallellaufende Bestimmungen, die sich zT in § 27 und § 39 niedergeschlagen haben. 1 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 13 Rz 1. 2 22.9.1998, C-185/97, Coote, Rz 27. 3 Rs Coote.
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Benachteiligungsverbot
§ 13
Zutreffend hat bereits der EuGH in der Rs Coote4 darauf hingewiesen, 2 dass ein Benachteiligungsverbot für einen effektiven Rechtsschutz erforderlich ist. In der Tat bestünde sonst die Gefahr, dass die Diskriminierungsverbote von den diskriminierten AN aus Angst vor Repressalien nicht durchgesetzt würden. § 13 übernimmt im Wesentlichen die unionsrechtlichen Vorgaben, wobei allerdings dem Gesetzgeber die Syntax durcheinandergekommen sein dürfte (siehe schon § 3 Rz 49). Richtig muss der Anfang des ersten Satzes lauten: „Als Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des betreffenden Unternehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes darf ein/e Arbeitnehmer/in durch den/die Arbeitgeber/in nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden.“ Ob die Benachteiligung als Reaktion auf den Widerstand gegen eine 3 Diskriminierung selbst ebenfalls eine Diskriminierung darstellt, ist fraglich (§ 3 Rz 50). Dies wird von Trost5 und Bei6 bejaht, weshalb auch von Folgediskriminierung gesprochen wird. Diese Ansicht erscheint allerdings zweifelhaft, weil bereits die GB-RL – ebenso wie die AR-RL und die R-GB-RL – die Benachteiligung als eigenen Tatbestand nennt (§ 3 Rz 50). Es würde auch etwas seltsam anmuten, wenn man einen Mann, der in einem Unternehmen, in welchem Männer bevorzugt werden, gegen diese Ungleichbehandlung eintritt, als auf Grund des Geschlechts diskriminiert ansehen würde. Letztlich kann diese Frage aber auf sich beruhen, weil kein Unterschied in den Rechtsfolgen besteht. Auch wenn man die Qualifikation als Folgediskriminierung ablehnt, zieht das die entsprechenden Konsequenzen nach sich. Der Gesetzgeber hat nämlich darauf verzichtet, für den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot eigene Rechtsfolgen oder einen eigenen Fristenlauf anzuordnen. Schon das legt nahe, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Reaktion auf eine Beschwerde oder eine Verfahrenseinleitung § 12 Abs 7 zur Anwendung kommt. Die ErläutRV7 bestätigen diese Auffassung, indem sie auf die Rechtsfolgen des § 20 (jetzt §§ 12 und 26) verweisen. Je nach Art der Benachteiligung ist auf die jeweiligen Bestimmungen des § 12 zurückzugreifen. Wird also zB ein AN wegen einer Zeugenaussage hinsichtlich des beruflichen Aufstieges benachtei4 5 6 7
EuGH 22.9.1998, C-185/97, Rz 24. Anm zu OGH ZAS 1996/1. Anm zu EuGH DRdA 1999, 159, Coote. 307 BlgNR 22. GP, 20.
503
§ 13
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ligt, kommt § 12 Abs 5 zum Tragen, und es gelten auch die dafür festgelegten Fristen. In diesem Sinn war auch die Ausweitung des Verweises in § 13 letzter Satz auf den gesamten § 12 (durch Streichung der ursprünglichen Einschränkung des Verweises auf § 12 Abs 12) im Zuge der Novelle 2008 richtig, aber eben bloß eine Klarstellung.8 4 Hinsichtlich der Rechtsfolgen von Belästigungen dürfte der Verweis keine Bedeutung haben. Wird ein AN wegen einer Beschwerde belästigt, so zieht dies keine anderen Konsequenzen nach sich wie eine Belästigung, die in keinem Zusammenhang mit einer Beschwerde steht. Lediglich bei striktem Vertreten der These, dass jede Benachteiligung selbst eine Diskriminierung darstellt, könnte man auf die Idee kommen, ein Mobbing als geschlechtliche Belästigung zu qualifizieren, wenn die Beschwerde eine Ungleichbehandlung auf Grund des Geschlechts gerügt hat. UE ist dies allerdings abzulehnen. Konsequenterweise müsste ja sonst eine sexuelle Belästigung auf die Folgediskriminierung durchschlagen und diese ebenfalls zur sexuellen Belästigung machen.9 5 Im Unterschied zur RL werden die von der GB-RL angesprochenen Arbeitnehmervertreter in § 13 nicht erwähnt, weil diese insbesondere nach dem ArbVG bereits einen entsprechenden Schutz genießen.10 In Entsprechung des Erwägungsgrundes 32 der GB-RL werden auch Arbeitskollegen geschützt, die als Zeugen auftreten oder eine Beschwerde eines anderen AN unterstützen. Letztere Formulierung könnte auf den ersten Blick als etwas zu eng angesehen werden, weil sie nur den Fall erfasst, dass bereits jemand anderes eine Beschwerde erhoben hat. Da allerdings § 13 Satz 1 nicht voraussetzt, dass sich der AN in eigenen Angelegenheiten beschwert, ist auch die Benachteiligung in Reaktion auf eine Beschwerde gegen die Ungleichbehandlung eines Arbeitskollegen erfasst, auch wenn sich weder dieser selbst noch ein anderer AN dagegen Beschwerde erhoben hat. Dieses Verständnis steht auch mit Erwägungsgrund 32 der GB-RL im Einklang („eine Person […] verteidigt“). Mit den ErläutRV11 ist für den Schutz nach § 13 eine „qualifizierte Unterstützung“ von Kollegen gegenüber dem AG oder einem 8 So auch die ErläutRV 415 BlgNR 23. GP, 7. 9 Im Ergebnis wie hier auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 13 Rz 40. 10 ErläutRV 307 BlgNR 22. GP 20. 11 307 BlgNR 22. GP 20.
504
Benachteiligungsverbot
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Vorgesetzten zu verlangen. Dieses Kriterium tritt neben das Kausalitätserfordernis (unten Rz 6), so dass zB die „Vergeltungs-Kündigungen“ von beliebigen AN als Reaktion auf eine Beschwerde nicht unter § 13 fallen. Nach den Mat12 muss ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang 6 zwischen der Diskriminierung bzw der Beschwerde und der qualifizierten Unterstützung einerseits und der Reaktion des AG andererseits bestehen. Diese Aussage erscheint etwas diffus. Richtigerweise ist wie auch früher13 ein Kausalzusammenhang zwischen der Beschwerde bzw der Unterstützung und der Benachteiligung zu verlangen (zu den sich aus dem Erfordernis der „qualifizierten Beschwerde“ ergebenden Folgen siehe oben Rz 5). Diesbezügliche Beweisschwierigkeiten werden durch die Verweisung auf § 12 und den darin speziell enthaltenen Abs 12 (Beweiserleichterung) überbrückt (zur unionsrechtlichen Problematik dieser Bestimmung siehe § 3 Rz 49 und § 12 Rz 57). Der von den Mat auch zur Diskriminierung geforderte Zusammenhang ist nicht unproblematisch, weil daraus geschlossen werden könnte, dass § 13 nur eingreift, wenn tatsächlich eine Diskriminierung stattgefunden hat. Damit bliebe allerdings die Bestimmung hinter jener des alten § 2a Abs 8 GlBG aF zurück, die trotz verunglückter Textierung14 so zu verstehen war, dass der Benachteiligungsschutz auch dann besteht, wenn die geltend gemachten Ansprüche nicht bestanden haben, dies aber ex ante nicht offenkundig war.15 Da mit dem GlBG sicher keine Einschränkung des Viktimisierungsschutzes bezweckt war, muss dieser sachgerecht auch dann eingreifen, wenn sich später herausstellt, dass in Wahrheit gar keine Ungleichbehandlung vorlag (siehe auch Rz 7), solange der Beschwerdeführer/Zeuge/Unterstützer in gutem Glauben gehandelt hat. Der Wortlaut von § 13 enthält (anders als § 2a GlBG aF) tatsächlich 7 keinen Ausschluss des Schutzes für den Fall, dass zB die Kündigung in Reaktion auf eine offenbar unberechtigte Geltendmachung von Ansprüchen erfolgt ist (siehe oben Rz 6). Dennoch muss ein Regulativ 12 ErläutRV 307 BlgNR 22. GP, 20. 13 Smutny, 307. 14 „[O]ffenbar nicht unberechtigte Geltendmachung“, statt richtig: „nicht offenbar unberechtigte Geltendmachung“. Vgl aber § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG, wo sich dieser Fehler bis heute findet. 15 Smutny, 309 f mwN.
505
§ 13
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dieser Art auch nach geltendem Recht eingreifen. Ein Indiz dafür liegt schon im besonderen Benachteiligungsschutz in § 12 Abs 7 Satz 1 und 2, der bei der Beendigungsbenachteiligung das Erfordernis der „nicht offenbar unberechtigten“ Anspruchsgeltendmachung in etwas engerer Fassung als § 13 dupliziert. „Offenbar“ wird sich dabei zuerst insbesondere auf den Anspruchsteller/Beschwerdeführer/Zeugen/Unterstützer zu beziehen haben und auf deren Seite Gutgläubigkeit verlangen, vor allem in den Fällen, in denen der Sachverhalt nicht ganz klar ist. Sonst könnte zB ein AG einen AN nicht einmal dann entlassen oder kündigen, wenn dieser ihn wissentlich zu Unrecht wegen einer sexuellen Belästigung verklagt. Und der AG muss auch gegen AN vorgehen können, die wider besseres Wissen andere AN unterstützen (auch wenn das nicht für alle anderen offenkundig ist). Auf Grund der Beweiserleichterung des Abs 12 könnte es sich sogar für einen kündigungsbedrohten AN als sinnvolle Strategie erweisen, ständig unberechtigte Anschuldigungen gegen den AG zu erheben. Dem AG wird es in einem solchen Fall nur sehr selten gelingen, es auch nur als überwiegend wahrscheinlich darzutun (vgl § 12 Rz 56), dass die Kündigung mit den unberechtigten Beschwerden nichts zu tun hat. Für den AG könnte es sich daher als einfacher erweisen, einen anderen AN zu kündigen. Deshalb greift der Benachteiligungsschutz nur dann ein, wenn die Geltendmachung von Ansprüchen oder die Beschwerde nicht offenbar unberechtigt und der anspruchstellende AN (bzw der unterstützende Dritte) selbst schutzwürdig, weil gutgläubig ist. Dies steht auch mit der RL im Einklang, die den Zweck des Benachteiligungsverbots in der Herstellung eines effektiven Rechtsschutzes gegen Diskriminierungen sieht (s oben Rz 2). Zur Erreichung dieses Ziels ist es weder notwendig noch sinnvoll, einen Schutz auch dann vorzusehen, wenn der AN aufgrund fehlender Gutgläubigkeit nicht schutzwürdig ist oder sonst offensichtlich keine Diskriminierung stattgefunden hat. 7a
In einem untypischen Fall ließ der OGH erkennen, dass er das Benachteiligungsverbot grundsätzlich objektiv zu interpretieren scheint:16 Es war dem AG bei der Beendigungsentscheidung zwar eine Beschwerde des AN über den Vorgesetzten bekannt, aber nicht, dass diese wegen einer vermeintlichen Diskriminierung erfolgt war. Die Beendigung 16 Die Entscheidung könnte auch als Billigkeitsentscheidung gesehen werden; wäre der Sachverhalt genauer erhoben worden, hätte sich das Nichtwissen des AG auch als vorwerfbar herausstellen können.
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Benachteiligungsverbot
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wurde dennoch als (objektiver) Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aufgehoben.17 Nach dem Text des § 13 muss die Benachteiligung als Reaktion auf eine 8 Beschwerde innerhalb des betreffenden Unternehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes erfolgen. Bei wörtlichem Verständnis wären Stellungnahmen außerhalb des Unternehmens nicht erfasst, die nicht in der Einleitung eines Verfahrens bestehen. Schon nach alter Rechtslage war es allerdings hA, dass jedes Verhalten des AN darunter fällt, das in irgendeiner Form der Realisierung des Anspruchs dient.18 Obwohl § 2a Abs 8 GlBG alt noch weiter gefasst war („Geltendmachung von Ansprüchen“), ist nicht anzunehmen, dass durch § 13 die Rechte der AN eingeschränkt werden sollten. Deshalb werden nicht nur Klagen und Anträge nach § 12 Abs 1 GBK/GAW-Gesetz, sondern nach wie vor alle Handlungen darunter zu subsumieren sein, welche erkennbar auf Beseitigung des diskriminierenden Zustandes oder auf Durchsetzung anderer Ansprüche nach dem GlBG gerichtet sind. Deshalb fallen auch Gespräche mit dem Gleichbehandlungsanwalt, mit Interessenvertretungen, ja unter Umständen auch Stellungnahmen gegenüber Medien darunter. Aus diesem Grund kommt auch dem Klammerausdruck „Betriebes“ keine einschränkende Bedeutung zu. Auch wenn die Beschwerde außerhalb des betreffenden Betriebes oder Unternehmens im arbeitgeberischen Kontext (zB Konzernmutter) angebracht wird, ist sie erfasst, weil sie als Akt zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes anzusehen ist.19 Klar ist nach dem breit angelegten Gesetzeswortlaut, dass nicht nur Be- 8a endigungserklärungen des AG als Benachteiligungshandlungen in Frage kommen, sondern, als „andere“ Benachteiligungen, auch jegliche sonstigen Handlungen des AG, die sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen und dem AN Nachteile zufügen. Der OGH hat dazu – zutreffend – klargestellt,20 dass damit vielfältige AG-Verhaltensweisen erfasst werden können; ob eine Benachteiligung vorliege, sei nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen; der subjektive Benachteiligungseindruck eines AN reiche nicht aus. Am Beispiel der vom AG vorgeschla17 9 ObA 40/13t. 18 Eypeltauer, DRdA 1988, 446; Smutny, 309. 19 Ähnlich wie hier auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, § 13 GlBG2 Rz 25 ff. 20 9 ObA 113/11z.
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genen einvernehmlichen Beendigung sprach der OGH aus, dass nicht jede kausale Reaktion des AG auf die Anspruchstellung eines AN eine verbotene Benachteiligung sei. Es müssten vielmehr Umstände vorliegen, in denen sich der dem Benachteiligungsverbot zugrunde liegende Gedanke des Schutzes vor Repressalien oder einer Viktimisierung des AN widerspiegle, zB wenn eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses Ergebnis einer unzulässigen Druckausübung durch den AG sei. Die Beurteilung als Benachteiligung sei sohin eine Frage der Einzelfallbeurteilung. 9 Die Beweiserleichterung des § 12 Abs 12 gilt auch für das Benachteiligungsverbot (s schon Rz 6). Tatsächlich hat sie dabei besondere praktische Bedeutung, weil ja die im Motivbereich gelegene Kausalität zwischen Anspruchsstellung, Beschwerdeführung bzw Unterstützung einerseits und Benachteiligungshandlung andererseits typischerweise nur schwer zu beweisen ist. Dazu siehe oben § 3 Rz 49; § 12 Rz 56 f. 10 Das Benachteiligungsverbot greift nach der Rsp des EuGH auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.21 Es sind allerdings nur wenige Konstellationen vorstellbar, in denen diese Nachwirkung des § 13 zum Tragen kommen kann. 11 Prozessual ist anzumerken, dass die Beurteilung ob eine Benachteiligung vorlag, nach der Rsp typischer Weise als einzelfallbezogen und daher (außer bei krasser Fehlbeurteilung) nicht als revisibel iSd § 502 Abs 1 ZPO (erhebliche Rechtsfrage) angesehen wird,22 auch wenn es sich dabei nicht um die Sachverhaltsfrage der Kausalität handelt.
Förderungsmaßnahmen § 14. Die Richtlinien über die Vergabe von Förderungen des Bundes
an Unternehmen haben Förderungen nur für Unternehmen vorzusehen, die die Bestimmungen des I. Teiles beachten. Literatur: H. Mayer, Gleichbehandlungsgesetz und Rechtsschutzstaat, ZAS 1992, 37 ff; Bei, VfGH: § 2b GleichbG teilweise rechtsstaatswidrig, DRdA 1994, 532; Rebhahn; Beihilfen- und Subventionsrecht, in Raschauer, Grundriss des österreichischen Wirtschaftsrechts3 (2010) Rz 801 ff; Binder, § 97 ArbVG, in Tomandl (Hrsg), Arbeitsverfassungsgesetz (11. ErgLief 2013); Haberer, Gleichbe21 EuGH 22.9.1998, C-185/97, Coote, Rz 24; vgl auch Erwägungsgrund 32 der GB-RL. 22 9 ObA 167/13v; 9 ObA 2/17k.
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Förderungsmaßnahmen
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handlung im Betrieb (2013); Windisch-Graetz, GlBG, in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018); Brandner/Traumüller, Anmerkungen der COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes, SWK 19/2020, 980; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021).
§ 14 wendet sich primär an die Organe des Bundes, welche Richtlinien 1 für Förderungen (Subventionen, Beihilfen) erlassen. Der BMF hat aufgrund § 30 Abs 5 BHG durch Verordnung Allgemeine Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundesmitteln (ARR 2014) erlassen.1 Diese definieren eine Förderung in § 2 als „Aufwendungen des Bundes für 1. zins- oder amortisationsbegünstigte Gelddarlehen, 2. Annuitäten-, Zinsen- und Kreditkostenzuschüsse sowie 3. sonstige Geldzuwendungen privatrechtlicher Art, die der Bund in Ausübung der Privatwirtschaftsverwaltung (Art. 17 B-VG) einer außerhalb der Bundesverwaltung stehenden natürlichen oder juristischen Person oder einer im Firmenbuch eingetragenen Personengesellschaft auf Grundlage eines privatrechtlichen Förderungsvertrages aus Bundesmitteln für eine förderungswürdige Leistung (§ 12) gewährt, ohne dafür unmittelbar eine angemessene, geldwerte Gegenleistung zu erhalten“. § 24 Abs 2 Z 14 der ARR bestimmt: „Die Gewährung einer Förderung ist […] vom anweisenden Organ davon abhängig zu machen, dass der Förderungswerber insbesondere […] 14. das Gleichbehandlungsgesetz, BGBl. Nr 66/2004, beachtet, sofern es sich um die Förderung eines Unternehmens handelt.“ Die Förderrichtlinien anderer Organe des Bundes sind an die ARR 2014 anzupassen. Der Verweis auf das GlBG bezieht sich nunmehr ausdrücklich auf das GlBG 2004. § 24 ARR verpflichtet die haushaltsführende Stelle oder Abwicklungsstelle, kann insofern auch zB Fonds oder GmbH verpflichten, welche im Auftrag des Bundes Zuwendungen im eigenen Namen vergeben, da für sie jene Regeln gelten, die auch für die beauftragende Körperschaft gelten.2 Jüngstes Beispiel wäre etwa die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG), welche mit der Abwicklung des Corona-Hilfsfonds beauftragt ist.3 Förderungen werden in Österreich idR in den Rechtsformen des Pri- 2 vatrechts und damit aufgrund eines Subventionsvertrages vergeben.4 Die Vergabe von Förderungen im Wege der Hoheitsverwaltung ist nach 1 BGBl II 2014/208 idF BGBl I 2018/190. 2 Rebhahn in Raschauer, Grundriss Rz 876. 3 Diese wird im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig, vgl Brandner/ Traumüller, SWK 19/2020, 980. 4 Rebhahn in Raschauer, Grundriss Rz 803.
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hA von § 14 und sinngleichen Vorschriften (§ 28, § 40) nicht erfasst, andernfalls würde die Bestimmung auch Verordnungen über die Förderungsvergabe nennen.5 Im Zweifel sind gesetzliche Förderungen privatrechtlich ausgestaltet und durchzuführen.6 Eine Verpflichtung des Förderungsempfängers zur Beachtung des GlBG auch (!) im Verhältnis zum Förderungsgeber entsteht erst durch den Vertrag über die Förderung,7 aber nicht bereits durch das GlBG oder dessen § 14 oder die ARR 2014 oder eine gleichsinnige Förderungsrichtlinie. Fraglich ist, ob die genannte Pflicht auch dann besteht, wenn sie nicht ausdrücklich im Förderungsvertrag vereinbart wurde. Der OGH hat dies für andere Förderrichtlinien grds bejaht, und man kann dies wohl auch für die ARR bejahen, weil sie von allg Bedeutung und leicht zugänglich sind. Die Pflicht des Empfängers zur Beachtung des GlBG aus dem Subventionsvertrag erfasst nur die Durchführung des Subventionsvertrages, nicht aber andere Aktivitäten des Empfängers. Für den Subventionsgeber rechtlich relevant können also nur jene Verletzungen des GlBG sein, die bei der Verwendung der Fördermittel auftreten. Wird allerdings der gesamte Betrieb einer Einrichtung (zB der Salzburger Festspiele) und nicht nur ein Projekt (zB ein Buch) gefördert, dann erfasst auch die Pflicht zur Beachtung des GlBG aus dem Vertrag die gesamte Tätigkeit des Empfängers. 3 Fraglich ist, was aus der Pflicht zur „Beachtung“ des GlBG konkret folgt, wann der Empfänger sie verletzt und welche Rechtsfolgen an die Verletzung geknüpft werden können. Der Empfänger einer Förderung ist primär zur Verwirklichung des Zuwendungszwecks verpflichtet (zB zur Organisation einer Veranstaltung). Die Pflicht zur Beachtung des GlBG gehört demgemäß nicht zur Hauptleistungspflicht und ist daher nur eine Nebenpflicht aus dem Subventionsvertrag. Gleichwohl kann der Förderungsgeber vom Empfänger die Einhaltung des GlBG und damit dessen Erfüllung verlangen; es handelt sich nämlich um eine ausreichend selbständige Nebenpflicht, an deren Erfüllung der Subventionsgeber ausweislich des § 14 ein eigenständiges Interesse hat. Der Geber ist also nicht auf Sekundäransprüche beschränkt, kann also zB verlangen, dass Mitarbeiterinnen des Empfängers für gleiche Arbeit auch 5 VfGH 3.3.1994, G 116/93; Hopf/Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 § 14 Rz 5; aA H.Mayer, ZAS 1992, 37 ff. 6 Vgl Rebhahn in Raschauer, Grundriss Rz 871. 7 Zum Förderungsvertrag im Allgemeinen vgl Rebhahn in Raschauer, Grundriss Rz 877.
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gleiches Entgelt bezahlt wird. „Beachtung“ des GlBG bedeutet wohl, dass der Empfänger alle Pflichten, die ihn als AG aus dem GlBG treffen, auch einhält, insb also das Verbot nach § 3 sowie die Pflichten (einschließlich der Schutzpflichten) nach den §§ 6 und 7. Mit der GlBGNovelle 2011 erfolgte die Einführung der Pflicht zur Aufstellung eines Einkommensberichts. Da es sich auch hierbei um eine Bestimmung des ersten Teils handelt, muss ein Unternehmen nach § 14 auch die Einkommensberichtspflicht, soweit sie gegeben ist, erfüllen. Hier ist es anders als bei anderen Verpflichtungen aus dem GlBG einfacher, eine (Nicht-)Einhaltung nachzuweisen. Die Pflicht zur Beachtung verpflichtet den Empfänger aber nicht, selbst „positive“ Maßnahmen iSd § 8 zu ergreifen. Daher ermöglicht § 14 GlBG es auch nicht, vom Betriebsinhaber den Abschluss eines Frauenförderungsplanes zu erzwingen.8 Rechtspolitisch könnte überlegt werden, in § 14 GlBG über die (ohnehin schon gegenüber den Mitarbeitern bestehende) Verpflichtung zur Einhaltung bloß des GlBG die Gewährung von Förderungen mit bestimmten spezifischen Maßnahmen zu verknüpfen. Nach § 8 GBK/GAW-G haben die Senate der Gleichbehandlungs- 4 kommission auch die Aufgabe, sich „mit Verstößen gegen die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes regelnde Förderungsrichtlinien zu befassen.“ Gemeint sind Verstöße gegen Förderungsrichtlinien, welche die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes verlangen (auch wenn dies nicht in grammatikalisch richtiger Weise zum Ausdruck gebracht werden konnte). Die Kommission kann allerdings nur Stellungnahmen abgeben, nicht aber in der Sache verbindliche Anordnungen treffen. Insb kann sie weder das Unternehmen von weiteren Förderungen ausschließen (Rz 6) noch die Förderung zurückverlangen. Beide Möglichkeiten hat nur das über die Förderung entscheidende Organ. Eine Sonderregelung, welche eine besondere Zusammensetzung der Kommission vorgesehen hätte, wenn Förderungsrichtlinien oder Förderungsmaßnahmen eines Bundesministeriums den Gegenstand der Beratung bilden (§ 2 Abs 5 GBK/GAW-G), ist inzwischen entfallen.9 Hat der Empfänger bei der Verwendung der Förderung (Rz 3) das 5 GlBG und damit seine Pflicht aus dem Subventionsvertrag verletzt, so gelten dafür grds die allg Regeln des Vertragsrechts. § 25 ARR sieht allerdings ausdrücklich vor, dass die Förderungswerberin oder der För8 Binder in Tomandl, ArbVG § 97 Rz 405. 9 BGBl I 2008/98.
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derungswerber zu verpflichten ist, die Förderung über Aufforderung der haushaltsführenden Stelle, der Abwicklungsstelle oder der Europäischen Union sofort zurückzuerstatten, wobei ein noch nicht zurückgezahltes Förderungsdarlehen sofort fällig gestellt wird und der Anspruch auf zugesicherte und noch nicht ausbezahlte Förderungsmittel erlischt, wenn bestimmte Verstöße gesetzt werden, worunter nach Abs 1 Z 8 auch die Nichtbeachtung der Bestimmungen des GlBG fällt.10 Zur Entscheidung über Sanktionen zuständig sind also die in § 25 ARR genannten Stellen (unter der nachprüfenden Kontrolle des ordentlichen Gerichts). § 25 Abs 2 ARR ermöglicht in bestimmten Fällen, wozu auch fehlendes Verschulden gehört, eine Einschränkung auf bloß teilweise Rückzahlung. Sollte die in § 25 vorgesehene Rechtsfolge nicht ausdrücklich vereinbart werden und man auch nicht davon ausgehen, dass diese Rechtsfolge schon bedingt durch die allgemeine Bedeutung und leichte Zugänglichkeit der ARR auch in einem solchen Fall gilt (siehe Rz 2), käme allgemeines Vertragsrecht zur Anwendung. Bei der Anwendung des Vertragsrechts ist zu bedenken, dass es sich bei der Beachtung des GlBG nicht um eine Hauptpflicht, sondern um eine Nebenpflicht handelt, und dass eine Verletzung des GlBG kein Verschulden des AG voraussetzt und dieses Verschulden häufig auch nicht vorhanden ist. Auf eine Schlechtleistung des Empfängers ist grds das Gewährleistungsrecht – zumindest analog – anzuwenden, jedenfalls soweit der Empfänger einen bestimmten Erfolg schuldet.11 Der Geber kann daher – wie gesagt – primär Erfüllung der Pflicht und damit des GlBG verlangen („Verbesserung“). Ist dies nicht mehr möglich, so stellt sich die Frage nach einer Rückforderung. Geht man vom allg Vertragsrecht aus, so wird der Geber den Vertrag wegen der Nichtbeachtung des GlBG nicht auflösen und daher die Subvention nicht zurückfordern können, weil die Verletzung des GlBG idR – im Verhältnis zur Hauptpflicht – nur einen „geringfügigen“ Mangel der Vertragsleistung darstellen wird. Nur ausnahmsweise wird eine Auflösung in Betracht kommen, wenn die Missachtung des GlBG nach Ausmaß und Intention so schwerwiegend ist, dass dem Empfänger die Zuhaltung des Vertrages nicht zumutbar ist. Ein Schadenersatzanspruch des Gebers wird wohl nicht in Betracht kommen, weil der Geber idR keinen Vermögensschaden haben wird; überdies wird häufig ein Verschulden fehlen (dieses ist für den auf § 1295 Abs 1 ABGB gestützten Ersatzanspruch 10 Dazu Hopf/Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 § 14 Rz 8. 11 Vgl Rebhahn in Raschauer, Grundriss Rz 803, 880, 892.
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wegen Verletzung des Förderungsvertrages – anders als für die Ersatzpflichten nach § 12 GlBG – durchaus erforderlich). Zu parallelen Ergebnissen gelangt man, wenn man die Pflicht zur Beachtung des GlBG nur als Sorgfaltspflicht einordnet; dann kommen Auflösung und Rückforderung nur in Betracht, falls in der Verletzung des GlBG ein wichtiger Grund zur Auflösung des Subventionsvertrages liegt. Fraglich ist, ob der Geber ein Subventionsansuchen (allein) mit der 6 Begründung ablehnen kann, dass der Bewerber in der Vergangenheit das GlBG nicht (ausreichend) beachtet habe. Weder § 14 GlBG noch § 25 Abs 2 Z 14 ARR nehmen ausdrücklich Bezug darauf, ob vergangene Verstöße zu berücksichtigen sind, und nutzen im Übrigen beide die Präsensform („beachten“ bzw „beachtet“).12 In das alte GlBG wurde durch die Novelle 1985 ein § 2b eingefügt, der vorsah: „Die Richtlinien für die Vergabe von Förderungen […] haben Förderungen nur für Unternehmen vorzusehen, die das Gleichbehandlungsgesetz beachten und den Aufträgen der Gleichbehandlungskommission nachkommen“ (HvV). Der VfGH hat dies 1994 aufgehoben,13 weil der Ausschluss von Förderungen einem förmlichen Bescheid vorbehalten ist und nicht von einem bloßen – unverbindlichen – Gutachten der Gleichbehandlungskommission ausgehen darf, das in einem nicht auf Bescheiderlassung ausgerichteten Verfahren ergeht. Eine solche Ausgestaltung widerspricht nämlich dem Rechtsstaatsprinzip: Verwaltungsakte, die erhebliche Rechtswirkungen haben, dürfen nicht als unbekämpfbare Verwaltungsakte konstruiert werden, weil das verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechtsschutzsystem sonst leer laufen würde.14 Damit ist aber nicht notwendig ausgeschlossen, dass der Subventionsgeber bei der Entscheidung über die Vergabe selbst – unter der nachprüfenden Kontrolle der Gerichte15 – prüft, ob der Werber das GlBG eingehalten hat und einhalten wird. Fraglich bleibt jedoch, ob er dies tun darf. Es fehlt auch in den ARR an Vorschriften, die ausdrücklich vergangene Verstöße gegen das GlBG regeln würden, indem sie Stellung dazu nehmen, ob und wie ein Unternehmer, der in der Vergangenheit gegen das GlBG verstoßen hat, dies durch bestimmte Maßnahmen, etwa die Entschädigung der Betroffenen oder die Vornahme von Schulungen für Mitarbei12 Dieses Problem erkennen auch Hopf/Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 § 14 Rz 8. 13 VfGH 3.3.1994, G 116/93, VfSlg 13.699. 14 Mayer, ZAS 1993, 37 ff. 15 Vgl Rebhahn in Raschauer, Grundriss Rz 881 ff.
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ter mit Bezug zur Gleichbehandlung, wieder ausgleichen, sich also „selbstreinigen“ kann, oder indem sie eine Frist vorsehen, ab deren Ablauf ein vergangener Verstoß nicht mehr relevant ist. Dies spricht prima facie gegen eine Berücksichtigung vergangener Verstöße und für eine bloße „Verstärkung“ der Verpflichtungen nach dem GlBG für die Dauer des (künftigen) Förderungsbezuges. Zumindest Gesetzesverletzungen, die zwar bereits in der Vergangenheit begonnen haben, jedoch bei Vertragsabschluss noch an- und fortdauern, werden dem Bezug einer Förderung jedoch entgegenstehen.16 § 14 legitimiert aber wohl dazu, bei der Entscheidung auch zu bedenken, ob der Werber voraussichtlich bei der Durchführung des Subventionszwecks das GlBG in Zukunft beachten wird. Erforderlich ist also eine Prognose über die voraussichtliche „Beachtung“. Allerdings wird nicht die Befürchtung irgendeiner Verletzung den Ausschluss von der Subvention rechtfertigen, sondern wohl nur die konkrete Befürchtung gravierender Verstöße, weil der Inhalt des Diskriminierungsverbotes in vielen Fällen aufgrund seines weiten Tatbestandes und seiner „Erfolgspflicht“ (§ 5 Rz 4) kaum verlässlich bestimmt werden kann. Bei dieser Prognose können schon erfolgte Verletzungen des GlBG eine Rolle spielen, insofern (trotz Aufhebung der Vorgängerbestimmung des § 2b) auch Entscheidungen der GBK.17 Damit umfasst § 14 im Ergebnis auch vergangene Verstöße gegen das GlBG, problematisch bleibt allerdings der im Vergleich zu ähnlichen Rechtsregimen (Vergaberecht) mangels entsprechender Regelungen unklare Maßstab. Zu überlegen wäre, hier soweit einschlägig die §§ 78 ff BVergG 2018 (insbesondere die Definition der „schweren Verfehlung“ nach § 78 Abs 1 Z 5, die Möglichkeit des Unternehmers, eine „Selbstreinigung“ vorzunehmen, also darzulegen, dass er konkrete technische, organisatorische, personelle oder sonstige Maßnahmen getroffen hat, die geeignet sind, das nochmalige Begehen der betreffenden Verfehlungen zu verhindern, nach § 83 Abs 2 sowie die ab dem betreffenden Ereignis dreijährige Höchstdauer für den Ausschluss nach § 83 Abs 5 Z 2) analog anzuwenden. Hinsichtlich der von Hopf/Mayr/Eichinger/Erler aufgeworfenen Frage,18 ob auch derzeit anhängige Verfahren bei Gericht oder der GBK einen Ausschluss von der Förderung bewirken, könnte der Maßstab des § 78 Abs 1 Z 5 BVergG angewendet werden, der vom Auftraggeber einen geeigneten Nachweis für die Ver16 Hopf/Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 § 14 Rz 8. 17 IdS auch Haberer, Gleichbehandlung im Betrieb 13.4. 18 Hopf/Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 § 14 Rz 8.
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Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen
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fehlung, aber grds keine rechtskräftige Bestrafung/Verurteilung verlangt. Fraglich ist, ob auch Mitbewerber des Förderungswerbers oder des 7 Förderungsempfängers auf Unterlassung der Förderung klagen können, wenn und weil der Werber bzw Empfänger das Diskriminierungsverbot zu verletzen droht bzw verletzt. Dafür gelten grds die allg Regeln. Jedenfalls bei Förderungen an Unternehmer kommen solche Ansprüche uU in Betracht.19 Allgemein ist auf die wettbewerbsrechtliche Rsp zum Rechtsbruch hinzuweisen (vgl zu dieser § 10 Rz 3). Nur hinzuweisen ist hier darauf, dass die Beachtung des GlBG auch bei 8 der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Rolle spielen könnte. Das Bundesvergabegesetz 2018 bestimmt dazu in § 93 Abs 2: „Der öffentliche Auftraggeber hat in der Ausschreibung vorzusehen, dass die Erstellung des Angebots für in Österreich zu erbringende Arbeiten unter Berücksichtigung der in Österreich geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften zu erfolgen hat und, dass sich der Bieter verpflichtet, bei der Durchführung des Auftrages in Österreich diese Vorschriften einzuhalten.“ Zu den einschlägigen Vorschriften, die in dieser Bestimmung ausdrücklich genannt werden, zählt auch das GlBG. Zu den Fragen, inwieweit ein Bieter wegen Verletzungen arbeitsrechtlicher Vorschriften vom Verfahren ausgeschlossen werden darf (aufgrund des Ausschlussgrundes der schweren Verfehlung, insbesondere gegen Bestimmungen des Arbeits-, Sozial- oder Umweltrechtes, gemäß § 78 Abs 1 Z 5 BVergG 2018), und welche Folgen die Verletzung bei der Erfüllung des Auftrages hat, muss auf das Schrifttum zum Vergaberecht verwiesen werden.
Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen § 15. (1) Ansprüche nach § 12 Abs. 1 und 5 sind binnen sechs Mona-
ten gerichtlich geltend zu machen. Die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche nach § 12 Abs. 1 und 5 beginnt mit der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung. Ansprüche nach § 12 Abs. 11 wegen geschlechtsbezogener Belästigung sind binnen eines Jahres, Ansprüche nach § 12 Abs. 11 wegen sexueller Belästigung sind binnen drei Jahren gerichtlich geltend zu machen. Für Ansprüche nach § 12 19 Vgl Rebhahn in Raschauer, Grundriss Rz 888 f.
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§ 15
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Abs. 2, 3, 4, 6, 8, 9 und 10 gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 1486 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. (1a) Eine Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses gemäß § 12 Abs. 7 ist binnen 14 Tagen ab ihrem Zugang bei Gericht anzufechten; eine Feststellungsklage nach § 12 Abs. 7 zweiter Satz ist binnen 14 Tagen ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf bei Gericht einzubringen. Ansprüche nach § 12 Abs. 7 letzter Satz sind binnen 6 Monaten ab Zugang der Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf gerichtlich geltend zu machen. (2) Die Einbringung eines Antrages auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes oder ein amtswegiges Tätigwerden der Kommission zur Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bewirken die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung. (3) Wird dem/der Arbeitnehmer/in nachweislich 1. ein Prüfungsergebnis der Kommission im Einzelfall oder 2. ein Schreiben der Geschäftsführung der Kommission, aus dem hervorgeht, dass die Voraussetzungen für die Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes im Einzelfall nicht bzw. nicht mehr vorliegen, zugestellt, beendet die Zustellung die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung. Nach der Zustellung steht dem/der Arbeitnehmer/in zur Erhebung der Klage zumindest noch eine Frist von drei Monaten offen. War die ursprüngliche Frist kürzer, so steht dem/der Arbeitnehmer/in nur diese offen. (4) Ansprüche nach § 12, die neben einem in diesem Bundesgesetz erfassten Diskriminierungsgrund auch auf den Diskriminierungsgrund der Behinderung gestützt werden, können nur nach vorheriger Durchführung eines Schlichtungsverfahrens beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen gerichtlich geltend gemacht werden. Für die Geltendmachung dieser Ansprüche gelten die §§ 7k, 7n und 7o Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1970. Materialien: GlBG Stammfassung: RV 307 BlgNR 22. GP; AB 499 BlgNR 22. GP. Novelle 2005: RV 836 BlgNR 22. GP; AB 1028 BlgNR 22. GP. Novelle 2008: RV 415 BlgNR 23. GP; AB 559 BlgNR 23. GP. Novelle 2013: RV 2300 BlgNR 24. GP; AB 2326 BlgNR 24. GP.
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Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen
§ 15
Literatur: Krejci in Rummel, Kommentar zum ABGB3 I (2000); K. Mayr, Beurteilung nationaler Klagefristen und Unionsrecht, ELR 2000, 229; Kletečka, Gewährleistung neu, Kommentar zum GewRÄG (2001); Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz (Kommentar 2001, zitiert: Smutny, Seite); Hopf, Belästigung in der Arbeitswelt, in FS Bauer/Maier/Petrag (2004) 147; Rebhahn, Das neue Antidiskriminierungsrecht – Anmerkungen zur Lage in Österreich, ZfA 2006, 347 (357); David, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Kündigungsanfechtung, DRdA 2007, 156; Mair, Das Fristenproblem im individuellen Kündigungsschutz, ecolex 2012, 70; Kuras, Beendigungsschutz Behinderter – von der Fragmentierung zur Einheit der Rechtsordnung(en), in Liber Amicorum Wolfgang Mazal (2019) 63.
Inhaltsübersicht I. Überblick....................................................................................................... 1 II. Unionsrechtskonformität........................................................................... 2 III. Vertragsanpassung ex lege und Verjährung............................................ 13 IV. Rechtsnatur der Fristen.............................................................................. 14 V. Hemmung (Abs 2 und 3)............................................................................. 15 VI. Mehrfachdiskriminierung auch wegen Behinderung (Abs 4)............... 18
I. Überblick Geordnet nach der Länge der Fristen stellt sich die Regelung des § 15 1 wie folgt dar: In 14 Tagen ab Zugang verfristet die Möglichkeit, eine Kündigung oder Entlassung nach § 12 Abs 7 und § 13 anzufechten oder eine Feststellungsklage zur Entfristung eines Dienstverhältnisses einzubringen (§ 12 Abs 1a). In sechs Monaten ab Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung verfristen die Ansprüche aus der Diskriminierung bei der Begründung und beim Aufstieg (§ 12 Abs 1 und 5) sowie die Schadenersatzansprüche bei der diskriminierenden Beendigung (§ 12 Abs 7 letzter Satz). In einem Jahr verfristen Ansprüche aus geschlechtlicher Belästigung (§ 12 Abs 11). In drei Jahren verfristen Ansprüche aus sexueller Belästigung (§ 12 Abs 11).1 1 Die Verlängerung erfolgte durch die Novelle BGBl I 2013/107 und wurde damit begründet, dass Frauen bei sexueller Belästigung das erlittene Unrecht zuerst verarbeiten müssten, bevor Ansprüche verfolgt werden (ErläutRV 2300 BlgNR 24. GP 4). S dazu die rechtspolitische Kritik bei Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 § 15 Rz 8 u § 29 Rz 3, die auch auf die allgemeine
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§ 15
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Alle anderen Ansprüche nach § 12 verjähren in der dreijährigen Frist des § 1486 ABGB. Die noch in der Stammfassung des GlBG enthaltene Möglichkeit, in nach dem Inkrafttreten des GlBG (1. 7. 2004) abgeschlossenen Kollektivverträgen „anderes“ zu regeln, wurde durch die Novelle 2008 beseitigt.2 1a
Es handelt sich bei diesen Regeln um materielle leges speciales im Derogationsverhältnis zu den allgemeinen Verjährungsregeln. Stützt ein Kläger daher seine Ansprüche auf eine Missachtung des Gebots des StellenbesetzungsG auf Bestellung des bestgeeigneten Kandidaten, so finden die Verjährungsregelungen des GlBG (und des B-GlBG) keine Anwendung.3 Umgekehrt kann sich eine Klägerin im Fall einer (behauptetermaßen) diskriminierenden Kündigung nicht auf die daraus resultierende allgemeine Rechtswidrigkeit und einen Schadenersatzanspruch nach § 1295 ABGB stützen, weil die Klagefristen nach den §§ 15, 29 GlBG die allgemeinen Verjährungsregeln des ABGB verdrängen.4
II. Unionsrechtskonformität 2 § 15 stellt im Wesentlichen eine Übernahme des § 10b GlBG alt dar. Schon zu diesem wurden Bedenken hinsichtlich der unionsrechtlichen Zulässigkeit einiger Fristen angemeldet.5 In der Tat bestehen auch zum GlBG in dieser Hinsicht berechtigte Zweifel (§ 3 Rz 34, Rz 154, Rz 182). Die unionsrechtlichen Grenzen ergeben sich aus zwei Grundsätzen: Zum einen aus dem Prinzip der Effektivität, wonach die Fristen nicht so ausgestaltet werden dürfen, dass die Berufung auf Unionsrecht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird.6 Zum ande-
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dreijährige Verjährungsfrist bei allen Belästigungen im B-GlBG (§ 20) verweisen. Begründet wurde dies mit der angestrebten höheren Rechtssicherheit und der fehlenden Relevanz in der Praxis, weil die Kollektivvertragsparteien von dieser Möglichkeit ohnehin nicht Gebrauch gemacht hätten (ErläutRV 415 BlgNr 23. GP 7). 1 Ob 218/14m; jüngst auch 9 ObA 107/20f. 8 ObA 76/12b. K. Mayr, Beurteilung nationaler Klagefristen und Unionsrecht, ELR 2000, 229; Sulzbacher Anm zu OGH DRdA 2000/24; vgl auch Smutny, 513 ff. EuGH 1.12.1998, C-326/96, Levez, Rz 18 ff; 16.5.2000, C-78/98, Preston, Rz 31.
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ren setzt auch der Grundsatz der Gleichwertigkeit dem nationalen Gesetzgeber Schranken. Dieser besagt, dass mangels unionsrechtlicher Regelung das Verfahrensrecht zwar Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung ist (vgl Art 17 Abs 3 GB-RL), diese Verfahren aber nicht ungünstiger ausgestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen.7 Nicht einmal durch die kürzeste Frist (14-tägige Frist für die Erfül- 3 lungsansprüche bei Beendigungsdiskriminierung, also Anfechtung bzw Feststellungsklage auf Entfristung) scheint auf den ersten Blick der Effektivitätsgrundsatz verletzt zu werden. Da die Frist mit dem Zugang der Kündigung zu laufen beginnt, sollte sichergestellt sein, dass der AN die Möglichkeit zur Anfechtung hat. Berücksichtigt man, dass der AG möglichst rasch Klarheit über das weitere Schicksal des Dienstvertrages haben soll, scheint in dieser Frist auch kein übermäßiges Erschwernis zu liegen. Auch entspricht die 14-Tages-Frist in § 15 Abs 1a der ganz „allgemeinen“ Frist für die Kündigungs- und Entlassungsanfechtung in § 107 ArbVG, die im österreichischen Arbeitsleben weithin bekannt ist. Das ist zwar ein Äquivalenz-, und kein Effektivitätsgedanke, aber es ist doch weithin bekannt, dass in einer Kündigungs- oder Entlassungssituation AN bzw deren Berater in aller Regel wissen, dass sehr rasche Klagseinbringung geboten ist. Bei näherem Hinsehen erkennt man im Übrigen, dass die Problematik im Beginn des Fristenlaufes liegt. Für diesen kommt es nämlich nicht darauf an, ob der AN überhaupt die Möglichkeit hatte, die Diskriminierung zu erkennen. Dabei ist zu bedenken, dass der AG alles daran setzen wird, die Ungleichbehandlung nicht offenbar werden zu lassen. In Kombination mit der Kürze der Frist, die in diesen Fällen häufig erfolgversprechende Nachforschungen ausschließen wird, bestehen daher hinsichtlich des objektiven Fristenlaufes auch im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz erhebliche Bedenken (§ 3 Rz 154), wenn man sie isoliert betrachtet, also vor allem wenn die einer 14-tägigen Frist unterliegenden Ansprüche die einzigen Rechtsbehelfe wären. Die Bedenken werden durch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (Rz 14) gemindert, aber nicht gänzlich beseitigt.8 In der Lit9 wurden daher generelle Zweifel an 7 EuGH 1.12.1998, C-326/96, Levez, Rz 18 ff; 16.5.2000, C-78/98, Preston, Rz 31. 8 Vgl EuGH C-63/08, Pontin, Rz 64 ff, worin die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom EuGH zwar bedacht, aber aufgrund der engen Voraussetzungen nicht als besonders hilfreich angesehen wurde. 9 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 15 Rz 6; Mair, ecolex 2012, 70.
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der unionsrechtlichen Zulässigkeit der 14-tägigen Frist in § 15 Abs 1a geäußert, dies auch unter Verweis auf die Rsp des EuGH, der eine zweimonatige Frist bei der Einstellungsdiskriminierung10 zwar als uU noch zulässig angesehen hat, aber große Vorbehalte gegen eine 15-tägige Frist bei der Beendigung von Schwangeren11 anbrachte (wenngleich die Beurteilung letztlich dem nationalen Gericht überlassen wurde; in die 15 Tage wurde außerdem der Postlauf eingerechnet). Diese unionsrechtlichen Zweifel gegenüber der 14-tägigen Frist erscheinen jedoch durch den mittlerweile bestehenden vollen Schadenersatzanspruch bei Beendigungsdiskriminierung in einem wesentlich milderen Licht. Der Schadenersatzanspruch sollte erheblich dazu beitragen, dass die kurze 14-tägige Frist für den Erfüllungsanspruch, der unionsrechtlich gar nicht geboten wäre (s § 12 Rz 49 und 58) unionsrechtlich unproblematisch zu machen.12 Das übersieht die Kritik an der kurzen Frist. Klar ist im Übrigen, dass je länger die Fristen sind, desto unproblematischer erscheinen sie im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz. Der OGH hat sich zur Unionsrechtskonformität der sechsmonatigen Fristen zwar nicht abschließend, aber doch obiter wohlwollend geäußert.13 Auch verfassungsrechtliche Bedenken hat der OGH keine gesehen.14 4 Unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Gleichwertigkeit (Äquivalenz) sind die Fristen nicht unproblematisch. Soweit Schadenersatz als Folge der Diskriminierung vorgesehen ist, wäre eine schlichte Verweisung auf § 1489 ABGB nahe gelegen. Nach dieser Bestimmung verjähren Schadenersatzansprüche innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. Mit dem § 15 hat der Gesetzgeber aber nicht diesen Weg eingeschlagen, sondern im Wesentlichen den § 10b GlBG alt übernommen. Der Schadenersatzanspruch wegen Diskriminierung bei der Einstellung und beim Aufstieg verjährt daher nach wie vor in sechs Monaten ab Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung; 10 EuGH 8. 7. 2010, C-246/09, Bulicke, Rz 39 bei Einstellungsdiskriminierung wegen des Alters, allerdings mit Vorbehalten zum Beginn des Fristenlaufs. 11 EuGH 29. 10. 2009, C-63/08, Pontin, Rz 67 f. 12 S auch die Rs Pontin (EuGH C-63/08), in der die 15-tägige Frist auch deshalb bekrittelt wurde, weil kein anderer Rechtsbehelf zur Verfügung stand. 13 OGH 9 ObA 44/06w. 14 Zuletzt in 9 ObA 21/17d. Früher bereits zu § 10b des alten GlBG in 9 ObA 30/99y.
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das Gleiche gilt nun für den Schadenersatzanspruch bei diskriminierender Beendigung. Lediglich hinsichtlich der sexuellen und der geschlechtlichen Belästigung wurde die in der RV noch in Übereinstimmung mit § 10b GlBG ebenfalls mit 6 Monaten vorgesehen gewesene Frist auf ein Jahr, für die sexuelle Belästigung mit der Novelle 2013 auf drei Jahre verlängert (zum Belästigungstatbestand des § 21 vgl hingegen § 29 Abs 1). Für die Schadenersatzansprüche nach den anderen Abs des § 12 wird ebenso wie für die Ansprüche auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes auf die dreijährige Frist des § 1486 ABGB verwiesen. Die Sechsmonats- und die Einjahresfrist erscheinen bereits hinsichtlich 5 ihrer Länge im Hinblick auf die Gleichwertigkeit problematisch. Da es sich, wie gesagt, im Wesentlichen um eine Fortschreibung der bisherigen Regelung handelt, verzichtete der Gesetzgeber in den Mat auf eine Rechtfertigung seiner Vorgangsweise. Es muss daher auf die ErläutRV zur Novellierung des alten GlBG im Jahr 199215 zurückgegriffen werden, welche die kurzen Fristen mit dem Interesse einer raschen Klärung des Sachverhaltes zu rechtfertigen versuchten.16 Eine Begründung dafür, warum der Anspruch auf Bezahlung der Entgeltsdifferenz wegen diskriminierender Nichtbeförderung in sechs Monaten, ein Ersatzanspruch wegen Ungleichbehandlung beim Entgelt oder hinsichtlich der Arbeitsbedingungen aber erst in drei Jahren verjähren soll, kann das angebliche Bedürfnis nach rascher Klärung des Sachverhalts aber nicht bieten.17 Besonders augenfällig wird die fragwürdige Unterschiedlichkeit der Fristen dadurch, dass nach neuem Recht mit den Ansprüchen auf Herstellung des diskriminierungsfreien Zustandes Schadenersatzansprüche konkurrieren. Zum Teil wird versucht, die Gleichwertigkeit mit einem Hinweis auf 6 andere Bestimmungen des österr Arbeitsrechts zu belegen, die Ersatzansprüche ebenfalls einer die Frist des § 1489 ABGB unterschreitenden Verjährung unterwerfen. Hier werden § 1162d ABGB, § 34 AngG, § 34 GAngG, § 38 LAG 1984, § 44 SchauspG und § 6 DHG genannt. Alle diese Bestimmungen sehen für Ersatzansprüche wegen vorzeitigen Austritts, vorzeitiger Entlassung oder Rücktritts vom Vertrag (bzw wegen Schadenersatz) Präklusivfristen von sechs Monaten vor. Da in den 15 BGBl 1992/833. 16 ErläutRV 735 BlgNR 18. GP, 35. 17 Vgl zum alten Recht Smutny, 519.
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Fällen der Diskriminierung bei der Einstellung noch gar kein Arbeitsvertrag bestehe und der nationale Gesetzgeber sogar bei vorzeitiger Auflösung eines bereits geschlossenen Dienstvertrages dieselbe Frist vorsehe, sei die Regelung des alten GlBG unionsrechtskonform.18 7 Finden sich im nationalen Recht Sonderbestimmungen, die von den allgemeinen Grundsätzen der einzelstaatlichen Rechtsordnung abweichen, stellt dies die Gleichwertigkeitsprüfung vor eine schwierige Aufgabe. Jedenfalls kann die Gleichwertigkeit nicht schon alleine mit dem Vorhandensein dieser Sondertatbestände gerechtfertigt werden. Vielmehr muss nach den Wertungen gefragt werden, welche die Ausnahmeregelungen tragen. Nur wenn diese Wertungen auch auf die Fristverkürzung durch die Umsetzungsbestimmungen passen, können die Sonderbestimmungen in den Gleichwertigkeitstest einbezogen werden. Als Grund für die in § 1162d ABGB vorgesehene kurze Frist wird das Interesse an einer möglichst raschen Bereinigung der nach Auflösung des Dienstverhältnisses noch offenen Ansprüche genannt.19 Nun könnte man ohne Weiteres auch ein Interesse an der möglichst raschen Klärung von Ersatzansprüchen wegen Diskriminierung bei der Einstellung oder beim beruflichen Aufstieg annehmen. Es ist aber zu beachten, dass bei vorzeitigem Austritt, Entlassung oder Rücktritt für den AN die Außergewöhnlichkeit der Situation evident ist. Beim Austritt kennt er auch den Grund für die vorzeitige Beendigung. Bei der Entlassung wird es dem AN ebenfalls möglich sein zu beurteilen, ob er einen Entlassungsgrund gesetzt hat, sodass er auch in diesem Fall die Informationen haben wird, die er für die Einschätzung seiner Chancen in einem allfälligen Schadenersatzverfahren braucht. Für den Rücktritt aus wichtigem Grund gilt Ähnliches. 8 Die Situation hinsichtlich der Diskriminierung bei der Einstellung und beim Aufstieg ist hingegen damit nicht vergleichbar. Oft wird dem AN die Ablehnung seiner Bewerbung oder seine Nichtbeförderung als völlig unverdächtiger Vorgang erscheinen und er wird vielleicht erst nach geraumer Zeit erkennen, dass eine Ungleichbehandlung vorgelegen hat.20 Deshalb ist die Verkürzung der Frist durch § 15 mit dem Vor18 Smutny, 519; hinsichtlich der Aufstiegsdiskriminierung, allerdings zweifelnd dieselbe, 519 f. 19 Krejci in Rummel, ABGB3 § 1162d, Rz 3. 20 Der OGH hat zur Diskriminierung bei Beförderungen bislang nur geklärt (9 ObA 44/06w), dass die „Ablehnung“ einer Beförderung nicht ausdrück-
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handensein dieser Ausnahmevorschriften nicht zu rechtfertigen, sodass § 1489 ABGB als Vergleichsmaßstab für die Gleichwertigkeitsprüfung heranzuziehen ist. Dies und die nicht zu begründende Abweichung von den nunmehr ebenfalls Schadenersatzansprüche normierenden anderen Tatbeständen des § 12, für welche die Dreijahresfrist des § 1486 ABGB gilt, führt zu dem Ergebnis, dass der Grundsatz der Gleichwertigkeit durch die Sechsmonatsfrist für Ansprüche aus Ungleichbehandlung bei Begründung und beruflichem Aufstieg verletzt wird. Auch für die einjährige Frist zur Geltendmachung der Ansprüche wegen einer Belästigung lässt sich keine Rechtfertigung für die Abweichung von allgemeinen Regeln finden (wenngleich die später eingeführte Dreijahresfrist bei der sexuellen Belästigung das Problem abmindert). Dies zeigt sich am deutlichsten in einem Vergleich mit den Normen, die den Belästigungstatbeständen am nächsten kommen. Dies sind § 1328 ABGB (Verletzung des geschlechtlichen Selbstbestimmungsrechts) und § 1328a ABGB (Eingriff in die Privatsphäre). Für beide Bestimmungen gilt die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB. Trotz des Verstoßes gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Gleich- 9 wertigkeit sind die kurzen Fristen mangels horizontaler Drittwirkung uE weiterhin anzuwenden. Für den AN entstehen zwar bei Verlängerung der Frist nicht unmittelbar neue Pflichten, in einem Prozess würde aber sein Vertrauen auf eine klare Verjährungsfrist enttäuscht. Wegen Überschreitens des nationalen „Auslegungsrahmens“ kommt auch eine richtlinienkonforme Interpretation oder Reduktion nicht in Betracht. Für Letztere müsste nämlich eine planwidrige Überreglementierung feststellbar sein. Da der Gesetzgeber aber ganz bewusst von der Frist des § 1489 ABGB abgegangen ist, fehlt es an der Voraussetzung der Reduktion. Auch hinsichtlich des objektiven Fristenlaufs sind dem Rechtsanwender wegen der eindeutigen Regelung des § 15 Abs 1 Satz 2 in Bezug auf die Diskriminierung bei der Einstellung und bei der Beförderung die Hände gebunden. Daran kann auch der Hinweis in den Mat, dass die Schadenersatzansprüche ab Kenntnis des Schadens zu laufen beginnen sollen, nichts ändern, weil sich die ErläutRV für diese Ansprüche im klaren Widerspruch zum Gesetzeswortlaut befinden. Lediglich hinsichtlich der Belästigung kann – wie allgemein – auf die Kenntnis lich erfolgen muss, damit die Frist zu laufen beginnt, sondern auch eine konkludente Ablehnung durch Besetzung des relevanten Postens mit einer anderen Person in Frage kommt.
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von Schaden und Schädiger abgestellt werden, weil hier das Gesetz den Beginn des Fristenlaufes offen lässt, 21 wie auch der OGH ausgesprochen hat.22 An diesem Befund ändert auch die E des EuGH im Fall Unilever Italia23 nichts. Die dort ausgesprochene Unanwendbarkeit von nationalen Vorschriften, die richtlinienwidrig erlassen werden, wurde nämlich bewusst auf „wesentliche Verfahrensfehler“ bei Erlassung einer „technischen Vorschrift“ beschränkt und im Übrigen die Verneinung der horizontalen Drittwirkung unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Faccini Dori24 bekräftigt. 9a
Auch der OGH hat von einer unionsrechtlichen Überprüfung bzw Korrektur der sechsmonatigen Frist in einem Beförderungsfall (unter anderem) unter Hinweis auf die hier schon in der Vorauflage geäußerte Ansicht abgesehen.25 Inwieweit sich diese Rechtslage durch die neuere Rsp des EuGH geändert hat, der RL-Bestimmungen, auf die sich die GRC bezieht, sehr wohl auch horizontale Wirkung gegenüber Privaten zuerkennt,26 ist nicht so klar, wie in der Lit zT ausgeführt wird.27 Zwar werden die Diskriminierungsverbote über die Art 21 und 23 GRC in den Status von Primärrecht erhoben, aber für die Rechtsfolgenbestimmungen der GB-RL gilt das so nicht: Art 47 GRC räumt nur einen wirksamen Rechtsbehelf ein, nicht aber einen äquivalenten; Art 47 GRC erhebt also nicht Art 17 Abs 3 GB-RL in den Status von Primärrecht.
10 Die Verweisung auf § 1486 ABGB ist zwar nicht in Bezug auf die Dauer, aber wegen des von allgemeinen Regeln abweichenden Beginns zu kritisieren. Auch diesbezüglich dürfte eine zu wenig reflektierte Übernahme der Bestimmung des § 10b GlBG alt stattgefunden haben. Da nach neuem Recht auch Schadenersatz angeordnet ist, ist die Gleichwertigkeit nur gegeben, wenn der Ersatzanspruch erst mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu verjähren beginnt. Dieses Ergebnis 21 Schon zum alten Recht Smutny, 523 f. 22 So zum ganz parallelen § 19 B-GlBG, 9 ObA 122/07t. 23 EuGH 26.9.2000, C-443/98, Rz 50. 24 EuGH 14.7.1994, C-91/92, Rz 20. 25 OGH 9 ObA 44/06w. 26 So zum Urlaubsrecht über Art 31 Abs 2 GRC und die Arbeitszeit-RL (2003/88/EG), s insb in EuGH 8.11.2018, C-569/16 und C-570/16, Bauer und Willmeroth, und dazu instruktiv und kritisch Sagan, Die Urlaubsabgeltung als Grundrecht, ZAS 2019, 211 (213 f). 27 Dafür Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 15 Rz 6. Ähnlich Mair, ecolex 2012, 70.
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folgt nicht nur aus der richtlichtlinienkonformen, sondern auch aus der historischen Interpretation. In den ErläutRV28 wird nämlich ausgesprochen, dass sich der Fristenlauf nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadenersatzrechts richte. Der angeführte Klammerausdruck „ab Kenntnis des Schadens“ ist wegen des Hinweises auf allgemeine Regeln um „und des Schädigers“ zu ergänzen. Nicht immer ist nämlich der AG der Schädiger (siehe zB § 12 Abs 10 und 11), sodass durchaus auch hinsichtlich der Person des Schädigers Zweifel bestehen können. Die noch in der Stammfassung des GlBG enthaltene Möglichkeit, in 11 nach dem Inkrafttreten des GlBG (1. 7. 2004) abgeschlossenen Kollektivverträgen anderes zu regeln, wurde durch die Novelle 2008 beseitigt. Damit sind daraus potenziell abzuleitende weitere Probleme im Hinblick auf die Gleichwertigkeit ausgeschlossen. Die noch in der Vorauflage diskutierte Möglichkeit einer kollektivvertraglichen Fristverlängerung, die damit begründet werden konnte, dass der alte Wortlaut („nicht anderes bestimmt“) eine Änderung in beide Richtungen erlaubte, wird aufgrund der Streichung dieser Regelung wegen § 1502 ABGB nicht mehr in Betracht kommen.29 Für Ansprüche, die nicht auf Schadenersatz gerichtet sind (also Er- 12 füllungsansprüche, zB Gleichstellung hinsichtlich des Entgelts oder der Arbeitsbedingungen), bestehen die dargelegten Bedenken gegen die Verweisung auf § 1486 ABGB nicht. Diesbezüglich wird die Frist daher objektiv zu laufen beginnen. Das mögliche Gegenargument, der Gesetzgeber wolle offenbar alle Ansprüche, die ein und derselbe Absatz einräumt, derselben Frist unterwerfen, ist uE nicht überzeugend. Zum einen hat sich das Gesetz eben nicht für die Frist des § 1489 ABGB, sondern für jene des § 1486 ABGB entschieden, woran aus unionsrechtlicher Sicht eben nur hinsichtlich der Ersatzansprüche Kritik zu üben ist. Zum anderen verweisen auch die Mat nur für das Haftungsrecht auf den subjektiven Beginn des Fristenlaufes.30
III. Vertragsanpassung ex lege und Verjährung Prima vista könnten die Fristen des § 15 zur Widerlegung der Meinung 13 herangezogen werden, dass (§ 12 Rz 3, 42, 58) ein gegen § 12 verstoßen28 307 BlgNR 23. GP, 51. 29 So schon vor der Novelle 2008 Smutny, 512. 30 307 BlgNR 23. GP, 51.
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der Vertrag von Gesetzes wegen angepasst wird. Bedarf es keiner Geltendmachung, ist ja die Festsetzung einer diesbezüglichen Frist evident sinnlos. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich aber auf, wenn man zwischen der sich von selbst vollziehenden Vertragsveränderung einerseits und den sich aus dieser ergebenden Ansprüchen und Schadenersatzansprüchen andererseits unterscheidet. Nur Letztere verjähren in den Fristen des § 15. Der OGH hat sich dieser Meinung ausdrücklich angeschlossen und die Verjährung des § 15 Abs 1 GlBG nur auf die Ansprüche der Vergangenheit bezogen, die aus einer Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands resultiert sind.31 Die Richtigkeit dieser Differenzierung leuchtet unmittelbar ein, wenn man sich vor Augen hält, dass sonst ein zB im Hinblick auf das Entgelt oder die Arbeitsbedingungen diskriminierter AN nach Fristablauf auch für die Zukunft kein höheres Entgelt oder gleiche Arbeitsbedingungen verlangen könnte. Die Heilung der Diskriminierung für alle Zukunft durch Zeitablauf wäre nicht nur klar sachwidrig, sondern verstieße im Hinblick auf das Entgelt auch gegen den unmittelbar anwendbaren Art 157 Abs 1 AEUV (§ 12 Rz 3).
IV. Rechtsnatur der Fristen 14 Bei der Drei-Jahres-Frist spricht § 15 ausdrücklich von einer Verjährungsfrist, sodass an ihrer Rechtsnatur kein Zweifel bestehen kann. Auf Grund der Verweisung auf § 1486, der unstrittig zum Verjährungsrecht zählt, wäre aber auch ohne diese Klarstellung die Zuordnung nicht fraglich gewesen. Auch die sechsmonatige Frist wurde – noch zu § 10b GlBG alt – der Verjährung zugezählt.32 Der denkbare Einwand, dass es sich bei den zum Teil für die Rechtfertigung der Gleichwertigkeit herangezogenen Bestimmungen des § 1162d ABGB, 34 AngG etc (siehe oben Rz 6) um sechsmonatige Präklusivfristen handelt, kann schon wegen der unterschiedlichen Textierung („bei sonstigem Ausschlusse“) nicht überzeugen. Denn gerade aus dieser Formulierung wurde dort die Zuordnung zu den Fallfristen geschlossen.33 Der neueren Tendenz des Gesetzgebers folgend, der zuletzt auch die Sechs-Monatsfrist des § 933 ABGB eindeutig als Verjährungsfrist ausgestaltet hat,34 spricht nichts 31 8 ObA 24/07y. 32 Smutny, 509; vgl auch OGH 10.6.1998, 9 Ob A 158/98w = Arb 11.738. 33 Krejci in Rummel, ABGB3 § 1162d Rz 3. 34 Dazu Kletečka, Gewährleistung 59 ff.
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gegen die bereits zur alten Rechtslage vertretenen Ansicht, dass die sechsmonatige Frist dem Verjährungsrecht zuzurechnen ist. Dasselbe muss jetzt auch für die auf ein Jahr bzw (bei der sexuellen Belästigung) auf drei Jahre verlängerte Frist für die Belästigung gelten. Hingegen ist die 14-tägige Frist zur Beendigungsanfechtung wegen ihrer Nähe zur Frist des § 105 Abs 4 ArbVG (Kündigungsanfechtung) im Einklang mit der dort stRsp35 als prozessuale Frist anzusehen.36 In die Anfechtungsfrist ist daher der Postlauf nicht einzurechnen, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, und es kann eine fristwahrende Weiterleitung an ein nicht offenbar unzuständiges anderes Gericht erfolgen (§ 38 Abs 2 ASGG).37 Aufgrund der Sachnähe wird für die Feststellungsklage zur Entfristung von Dienstverhältnissen wohl Gleiches zu gelten haben.
V. Hemmung (Abs 2 und 3) Nach § 15 Abs 2 bewirkt die Einbringung eines Antrags auf Prüfung 15 einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes die Hemmung der Fristen. Die Streitfrage zum alten Recht (vor Erlassung des GlBG), ob auch das Verlangen der Gleichbehandlungsanwältin (jetzt: Organ der Gleichbehandlungsanwaltschaft) die Hemmung bewirkt38 wurde vom Gesetzgeber zugunsten der Hemmung entschieden. Allerdings wurde in der Folge durch die Novelle 2013 die Änderung in § 12 Abs 1 GBK/ GAW-G terminologisch nachgeführt; das früher als „Verlangen“ bezeichnete Begehren des Organs der GAW heißt nun „Antrag“, und deshalb konnte auch § 15 Abs 2 wieder vereinfacht werden. Die Hemmungswirkung gilt jedenfalls auch für ein amtswegiges Tätigwerden der Gleichbehandlungskommission. Ob es sich um eine Ablaufs- oder eine Fortlaufshemmung handelt, 16 sagt das Gesetz nicht.39 Der Sinn der Vorschrift, dem AN die Einbrin35 RS0052033. 36 So schon Smutny, 511. In der Folge auch OGH 9 ObA 81/05k, RS0120846. Dazu auch David, DRdA 2007, 156. 37 S OLG Wien 9 Ra 94/08x. 38 Verneinend OGH 2.6. 1999, 9 Ob A 30/99y = RdW 1999, 671 (krit Eichinger) = DRdA 2000/24, 242 (krit Sulzbacher). 39 Zum alten Recht für eine Fortlaufshemmung: Smutny, 526. So nun auch Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 15 GlBG Rz 5. Für Fortlaufshemmung Hopf/
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gung der Klage nach Beendigung der Hemmung zu ermöglichen, wird auch durch die Hemmung des Ablaufs der Frist erreicht, weshalb die teleologische Auslegung für die Annahme einer Ablaufshemmung spricht. Auch der Umstand, dass das Gesetz nach Beendigung der Hemmung noch eine Mindestfrist von drei Monaten vorsieht (§ 15 Abs 3 Satz 2), deutet auf eine Ablaufshemmung hin. Bei einer Fortlaufshemmung würde sich die Frist durch das Verfahren bei der Kommission ohnedies nicht verkürzen, so dass der AG nach Beendigung der Hemmung nicht schlechter stünde als bei Unterbleiben der Antragstellung. Unter der Annahme einer Fortlaufshemmung erschiene eine dreimonatige Mindestfrist nach Wegfall des Hemmungsgrundes entbehrlich. 17 Die Hemmung endet, wenn dem AN nachweislich ein Prüfungsergebnis der Kommission im Einzelfall oder ein Schreiben zugestellt wird, mit welchem die Kommission mitteilt, dass die Voraussetzungen einer Prüfung im Einzelfall nicht oder nicht mehr vorliegen. Wie gesagt, hat der AN nach Wegfall des Hemmungsgrundes noch mindestens drei Monate Zeit, eine Klage einzubringen. Lediglich hinsichtlich der Anfechtung der Beendigungserklärung sowie für die Feststellungsklage auf Entfristung des Dienstverhältnisses beträgt die Restfrist 14 Tage, weil nach § 15 Abs 3 aE die Restfrist nicht länger sein darf als die ursprüngliche Frist. Das Gesetz ist daher so zu verstehen, dass in diesen Fällen die Restfrist jedenfalls 14 Tage beträgt.40 Keine Mindest-Restfrist besteht (selbstverständlich), wenn die Frist bereits abgelaufen war.41
Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 15 Rz 25. Der Hinweis auf die Parallelität zu § 54 Abs 5 Satz 2-4 ASGG (Hopf/Mayr/Eichinger/Erler ebenda) hilft nicht weiter, weil die Frage auch dort umstritten ist und die Regelung nicht ganz gleich. Die Sichtweise der Fortlaufshemmung hätte für die AN den Nachtteil, dass dabei die 14-tägige Frist für die Geltendmachung der Erfüllungsansprüche bei der Beendigungsdiskriminierung im Fall der Fortlaufshemmung nach Enthemmung sehr kurz sein kann, allenfalls nur einen Tag. Bei der Ablaufshemmung ist hingegen klar, dass hier die 14-Tage-Frist als Mindestfrist gelten muss, denn die 14 Tage werden immer schon abgelaufen sein. 40 Dies wäre beim Verständnis der Hemmung als Fortlaufshemmung uU anders, s oben FN 39. 41 ZB OGH 9 ObA 78/11b; auch 9 ObA 1/11d ua.
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VI. M ehrfachdiskriminierung auch wegen Behinderung (Abs 4) Der mit der Novelle 2005 eingeführte Abs 4 bezieht sich auf die zum 18 GlBG parallele Regelung der Diskriminierung wegen einer Behinderung, die getrennt vom GlBG, aber weitestgehend inhaltsgleich, im BEinstG erfolgt (§§ 7a–7s BEinstG). Anders als im GlBG gilt im BEinstG (und im BGStG) ein dem Rechtsweg zwingend vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) (§§ 14 ff BGStG).42 Damit wurde regelungsbedürftig, ob dies auch für Fälle der Mehrfachdiskriminierung gelten soll, in denen sowohl eine Diskriminierung nach dem GlBG als auch eine solche unter dem BEinstG Gegenstand des Verfahrens ist. Der Gesetzgeber hat sich dabei für einen Vorrang der Zwangsschlichtung entschieden: Entscheidend für die primäre Zuständigkeit der Schlichtung und die vorübergehende Unzulässigkeit des Rechtsweges ist, ob der Anspruch auch auf Diskriminierung wegen einer Behinderung „gestützt“ wird. Das wirft die Frage auf, wie direkt dieses „Stützen“ auf den Anspruchsgrund der Diskriminierung wegen einer Behinderung ausfallen muss. Systematisch ist es richtig, diese Formulierung im Interesse des Anspruchstellers weit zu verstehen und nicht zu verlangen, dass sich der Anspruchsteller direkt oder ausdrücklich rechtlich auf Diskriminierung wegen Behinderung stützt, zumal sich ein Kläger gar nicht auf bestimmte Rechtsgründe stützen muss. Es genügt, dass (i) in der Erzählung des Sachverhalts eine Bezugnahme auf eine Behinderung und ein potenziell diesbezüglich diskriminierendes Verhalten vorgetragen wird und (ii) erkennbar die Anspruchsgründe nicht eingeschränkt sein sollen. (In diesem Sinn verlangt auch der parallele § 7o BEinstG bloß, dass der Kläger auch Diskriminierung wegen Behinderung „geltend macht“.) Denn prozessual ist die Sache heikel: Wird beim ASG eine Klage ohne vorherige Schlichtung nach BGStG eingebracht und von diesem vorerst akzeptiert, so kann das Gericht im Zuge des Verfahrens Diskriminierungen wegen Behinderung nicht nachgehen, der Rechtsweg ist ja diesbezüglich vorübergehend ausgeschlossen. Der Kläger müsste also dann ein separates Verfahren (und dort zuerst eine Schlichtung nach dem BGStG) anstrengen, wenn sich 42 Der OGH hat keine Einwände gegen die unionsrechtliche Zulässigkeit der verpflichtenden Schlichtung: 8 ObA 62/15y.
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die Hinweise auf Diskriminierung wegen einer Diskriminierung im Zuge des Verfahrens verdichten. 19 § 12 Abs 4 verweist im Übrigen auf die §§ §§ 7k, 7n und 7o BEinstG; die Regelung der Verjährungsfristen findet sich in § 7k Abs 2 BEinstG. Prozedural wird das Schlichtungsverfahren in den §§ 14 ff BGStG geregelt, auf den § 7k BEinstG seinerseits verweist. Nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens ist die Klage erst zulässig, wenn nicht innerhalb von drei Monaten (bei Diskriminierung bei Kündigung oder Entlassung innerhalb von einem Monat) ab Einleitung des Schlichtungsverfahrens eine gütliche Einigung erzielt worden ist. Das Sozialministeriumservice stellt darüber eine Bestätigung aus, die der Klage anzuschließen ist. Prozessual wird das einem Verbesserungsauftrag zugänglich sein. § 7k Abs 4 BEinstG ordnet auch eine Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung durch die Einleitung des Schlichtungsverfahrens an. Die Zustellung der Bestätigung des Sozialministeriumservice an den Anspruchsteller, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte (nach 14 Abs 3 BGStG), beendet die Hemmung (§ 7k Abs 4 BEinstG). Nach Ausstellen der Bestätigung steht im Fall einer Kündigung oder Entlassung43 zur Erhebung der Klage jedenfalls noch eine Frist von 14 Tagen offen,44 in allen anderen Fällen zumindest noch eine Frist von drei Monaten (§ 7k Abs 5 BEinstG). Auch dabei ist unklar, ob es sich um eine Ablaufs- oder Fortlaufshemmung handelt.
43 Der Gesetzgeber hat hier offenbar sowohl auf Anfechtungen wegen diskriminierender Beendigung in der Probezeit als auch auf Feststellungsklagen zur Entfristung von Dienstverhältnissen vergessen. 44 Der OGH hat dazu (völlig zutreffend, in 9 ObA 1/11d) klargestellt, dass diese Frist nur zur Verfügung steht und eine Klage überhaupt nur zulässig ist, wenn das Schlichtungsverfahren innerhalb der ursprünglich geltenden Frist des § 7k Abs 2 BEinstG (der weitgehend den §§ 15, 29 GlBG entspricht) eingeleitet wurde; es handelt sich also hierbei um eine echte Hemmungsregel betreffend die ursprünglichen Fristen des § 7k Abs 2 BEinstG.
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II. Teil: Gleichbehandlung in der Arbeitswelt ohne Unterschied der ethnischen Zu gehörigkeit, der Religion oder Weltan schauung, des Alters oder der sexuel len Orientierung (Antidiskriminierung) Literatur: Siehe die Literaturangaben im I. Teil; weiters: Skidmore, EC Framework Directive or Equal Protection in Employment: Towards a Comprehensive Community Anti-Discrimination Policy, ILJ 2001, 126; Thüsing, Der Fortschritt des Diskriminierungsschutzes im Europäischen Arbeitsrecht, ZfA 2001, 397; Thüsing, Handlungsbedarf im Diskriminierungsrecht, NZA 2001, 1061; Urlesberger, Von Gleichen und Gleicheren, ZAS 2001, 72; Bell, Antidiscrimination Law and the European Union (2002); Birk, Neuere Entwicklungen des europäischen Arbeitsrechts, RdA 2002, 455; Högenauer, Die europäischen Richtlinien gegen Diskriminierung im Arbeitsrecht (2002); Meyer, Das Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechts als Grundsatznorm und Gleichheitsrecht (2002); Stadler, Spannungsfelder und Perspektiven der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien, JRP 2002, 227; Egger, Die neuen Antidiskriminierungsrichtlinien der EU, DRdA 2003, 302; Eichenhofer, Diskriminierung wegen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Alters und der Behinderung, in Rust ua, Die Gleichbehandlungsrichtlinien der EU und ihre Umsetzung in Deutschland (2003) 73; Schindler, Zur Umsetzung des EU-Rechts in Österreich – Teil 2: Überblick über Richtlinien, deren Umsetzung bevorsteht, insb die Antidiskriminierungs-Richtlinien, DRdA 2003, 523; Sturm, Der europarechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und dessen Umsetzung im österreichischen Arbeitsrecht (Diss 2003); Baer, Europäische Richtlinien gegen Diskriminierung, ZESAR 2004, 204; Gerlach, Gleichbehandlung und Umverteilung, DRdA 2004, 221; Mohr, Schutz vor Diskriminierungen im Europäischen Arbeitsrecht (2004); Sturm, Richtlinienumsetzung im neuen Gleichbehandlungsgesetz und Gleichbehandlungskommissions-/Gleichbehandlungsanwaltschaftsgesetz, DRdA 2004, 574; Thüsing, Das Arbeitsrecht der Zukunft? Sonderheft zu NZA 22/2004, 3; G. Winkler, Die neuen europäischen Gleichbehandlungsregeln, ZAS 2004, 52; Runggaldier, Das neue „Antidiskriminierungsrecht“ der EU – Bestandsaufnahme und Kritik, in FS P. Doralt (2004) 511; Schiek, Gleichbehandlungsrichtlinien der EU – Umsetzung im deutschen Arbeitsrecht, NZA 2004, 873; Reissner, Das neue Gleichbehandlungsrecht, JAP 2005/2006, 30; Fredman, Discrimination Law2 (2011); Pöschl, Verfassungsrechtliche Gleichheit, arbeitsrechtliche Gleichbehandlung, unionsrechtliche Antidiskriminierung, DRdA 2013, 467; Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung – Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU2 (2014); Hepple, Equality – The Legal Framework2 (2014); Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht3 (2017); Mörsdorf, Ungleichbehandlung als Norm (2018).
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Vor § 16 Inhaltsübersicht I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Unionsrechtliche Grundlagen.................................................................... 3 III. Österreichisches Recht................................................................................ 15
I. Allgemeines 1 Der II. Teil des GlBG normiert Differenzierungsverbote, die in der Überschrift zusammenfassend mit dem Begriff „Antidiskriminierung“ bezeichnet werden. Dieser mit der Novelle BGBl I 2004/66 in das GlBG eingefügte und seither mehrfach novellierte Teil regelt die Gleichbehandlung in der Arbeitswelt ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung. Das Diskriminierungsverbot wegen einer Behinderung (Art 1 f RL 2000/78/EG) wurde hingegen im BEinstG umgesetzt. 2 Der österr Gesetzgeber war aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben verpflichtet, die neuen Antidiskriminierungsbestimmungen auf nationaler Ebene zu regeln. Die RL 2000/43/EG des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und die RL 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf waren bis zum 19. 7. 2003 bzw 2. 12. 2003 umzusetzen, was mit der am 1. 7. 2004 in Kraft getretenen Novelle zum GlBG verspätet geschehen ist.1
II. Unionsrechtliche Grundlagen 3 Mit dem Vertrag von Amsterdam wurde in den EG-Vertag Art 13 neu eingeführt (nunmehr Art 19 AEUV). Diese Bestimmung ermächtigt den Rat, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen. Dabei dient Art 19 AEUV lediglich als Kompetenzgrundlage und ist mit der hA nicht unmittelbar an1 Vgl EuGH 4.5.2005, C-335/04, Kommission/Österreich Rz 11; 23.2.2006, C-133/05, Kommission/Österreich Rz 8 f.
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wendbar.2 Der Rat hat seine Rechtsakte einstimmig, unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des EG-Vertrages und im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten zu setzen. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments ist seit dem Vertrag von Lissabon ebenfalls erforderlich.3 Aus dem Verweis auf die der Union übertragenen Zuständigkeiten ergibt sich, dass Art 19 akzessorischer Natur ist und Antidiskriminierungsmaßnahmen nur in jenen Bereichen getroffen werden können, in denen der Gemeinschaft auch sonst grds eine Rechtszuständigkeit zukommt.4 Der Rat der Europäischen Union hat auf der Kompetenzgrundlage des 4 Art 19 AEUV am 29. 6. 2000 die RL 2000/43/EG (ABl L 2000/180, 22) zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft angenommen. Am 27. 11. 2000 hat er auf derselben Kompetenzgrundlage die RL 2000/78/EG (ABl L 2000/303, 16) zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf erlassen. Der Geltungsbereich der beiden RL ist unterschiedlich weit gefasst. Während die „Rahmen-RL“ Diskriminierungen in den Bereichen Beschäftigung und Beruf verbietet, ist der Geltungsbereich der „Antirassismus-RL“ weiter: er erstreckt sich auch auf Bereiche wie Sozialschutz, Gesundheitsdienste und den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen (vgl dazu §§ 30 ff GlBG). Art 19 AEUV als Kompetenzgrundlage ist aus zwei Gründen relevant: 5 Beide RL enthalten nicht nur Bestimmungen für AN, sondern auch für Selbständige (Art 3 Abs 1 lit a RL 2000/78/EG und RL 2000/43/EG). Art 153 AEUV scheidet daher als (alleinige) Kompetenzgrundlage aus. Die RL 2000/43/EG gilt darüber hinaus auch noch für den Zugang zu öffentlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen (Art 3 Abs 1 lit h RL 2000/43/EG). 2 EuGH 18.12.2014, C-354/13, Kaltoft Rz 34; 11.7.2006, C-13/05, Chacón Navas Rz 55. So auch Streinz in Streinz, EUV/AEUV3 (2018) Art 19 AEUV Rz 20; Mohr in Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht4 (2022) Art 19 AEUV Rz 1 f mwN; Epiney in Callies/Ruffert, EUV/AEUV6 (2022) Art 19 AEUV Rz 1; Holoubek in Schwarze, EU-Kommentar4 (2019) Art 19 AEUV Rz 4. 3 Streinz in Streinz, EUV/AEUV3 Art 19 AEUV Rz 1, 23; Epiney in Callies/ Ruffert, EUV/AEUV6 Art 19 AEUV Rz 10. 4 Mohr in EuArbR4 Art 19 AEUV Rz 13 f mwN; Epiney in Callies/Ruffert, EUV/AEUV6 Art 19 AEUV Rz 7.
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6 Der Rat hält in den ErwG zur RL 2000/78/EG fest, dass die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung ein allgemeines Menschenrecht seien (ErwG 4). Beschäftigung und Beruf seien Bereiche, die für die Gewährleistung gleicher Chancen für alle und für eine volle Teilhabe der Bürger am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben sowie für die individuelle Entfaltung von entscheidender Bedeutung seien (ErwG 9). Die Antidiskriminierungsregelungen sollen dem Ziel dienen, die im Primärrecht festgelegten Ziele zu erreichen, insb die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit (ErwG 11). Die RL 2000/43/EG diene außerdem dem Ziel, die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten, sowie Bedingungen für einen Arbeitsmarkt zu schaffen, der soziale Integration fördert (ErwG 8 und 12). 7 Der Rat beruft sich in ErwG 4 zur RL 2000/78/EG auf verschiedene völkerrechtliche Verträge, die die Mitgliedstaaten zum Schutz vor Diskriminierung als allgemeines Menschenrecht verpflichten. Es sind dies die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, das UN-Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, der Internationale Pakt der VN über bürgerliche und politische Rechte, der internationale Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie die EMRK. Die RL 2000/43/EG nennt zusätzlich das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ErwG 3). Weiters stützt sich der Rat in ErwG 4 RL 2000/78/EG auf das Übereinkommen 111 der Internationalen Arbeitsorganisation, das Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf untersagt (zur Relevanz dieses Übereinkommens vgl bspw § 21 Rz 7). Der EuGH stützt sich weiters auch auf die UN-Behindertenrechtskonvention, die einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung bilde.5 8 Wegen der Bezugnahme des Rates auf diese völkerrechtlichen Übereinkommen sind sie für die Auslegung der Antidiskriminierungsbestimmungen von wesentlicher Bedeutung. Viele unbestimmte Gesetzesbegriffe, die in den Richtlinientexten enthalten sind, allen voran die geschützten Merkmale selbst, können ua unter Bezugnahme auf diese 5 EuGH 11.4.2013, C-335/11, HK Danmark Rz 28 ff.
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Übereinkommen interpretiert werden.6 Dies trifft insb auf die EMRK zu.7 Auf innerstaatlicher Ebene steht sie durch BGBl 1964/59 in Verfassungsrang, auf unionsrechtlicher Ebene verleiht ihr Art 6 Abs 3 EUV eine herausragende Bedeutung: Die Grundrechte der EMRK sind als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts und damit Primärrecht. Die EMRK als solche ist hingegen nicht formell in die Unionsrechtsordnung übernommen worden und daher nicht unmittelbar anwendbar.8 Die leitenden Grundsätze seien dennoch im Rahmen des Unionsrechts zu berücksichtigen und es könne keine Maßnahme als rechtens angesehen werden, die mit der Bedeutung der so anerkannten und gewährleisteten Menschenrechte unvereinbar ist.9 Weiters kommt der EMRK aufgrund Art 52 Abs 3 GRC Bedeutung zu. Charta-Grundrechte haben, soweit sie den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, (zumindest) die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird, können jedoch auch einen weiter gehenden Schutz gewähren. Andere internationale Verträge, etwa der Internationale Pakt über wirt- 9 schaftliche, soziale und kulturelle Rechte10 oder die UN-Behindertenkonvention11 werden in der Rsp nur vereinzelt und meist im Rahmen pauschaler Verweise genannt. Von herausragender Bedeutung ist iZm den in § 16 GlBG genannten 10 Diskriminierungsverboten Art 14 EMRK. Danach ist der Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insb im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist. Art 14 wirkt jedoch nur akzessorisch, dh er garan6 Vgl zur Auslegung des Begriffs der Behinderung anhand der UN-Behindertenrechtskonvention EuGH 11.4.2013, C-335/11, HK Danmark Rz 28 ff. 7 Vgl zur Auslegung des Begriffs Religion anhand Art 9 EMRK EuGH 14.3.2017, C-188/15, Bougnaoui Rz 28 ff. 8 EuGH 3.9.2015, C-398/13 P, Inuit Tapiriit Kanatami Rz 45; 5.4.2017, C-217/15, Orsi Rz 15. 9 EuGH 15.5.1986, 222/84, Johnston Rz 18; 13.7.1989, 5/88, Wachauf Rz 17; 18.6.1991, C-260/89, ERT Rz 41 ff; 29.5.1997, C-299/95, Kremzow Rz 14; 18.12.1997, C-309/96, Annibaldi Rz 12. 10 EuGH 18.10.1989, 374/87, Orkem Rz 18, 31. 11 EuGH 11.4.2013, C-335/11, HK Danmark Rz 28 ff.
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tiert nur dann gleiche Behandlung, wenn ein Aspekt eines anderen durch die EMRK garantierten Rechts betroffen ist. Dennoch enthält die EMRK mit Art 14 ein Diskriminierungsverbot, dem die Diskriminierungsverbote der RL 2000/78/EG und 2000/43/EG – wenn auch nicht vollständig – nachgebildet sind. Es gab also bereits zuvor auf europäischer Ebene Erfahrungen mit dem rechtlichen Umgang mit solchen Diskriminierungsverboten. 11 Der EuGH hat in anderem Zusammenhang hervorgehoben, dass auch der Judikatur des EGMR für die Auslegung unionsrechtlicher Normen Bedeutung zukommt.12 Diese liefert daher gerade für die Auslegung der Diskriminierungsverbote der RL 2000/78/EG und 2000/43/ EG wichtige Anhaltspunkte.13 12 Die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte (ABl C 2000/364, 1) wird in ErwG 6 der RL 2000/78/EG im Hinblick auf die Nichtdiskriminierung älterer Menschen und Menschen mit Behinderung erwähnt. Diese ist zwar nicht verbindlich,14 kann jedoch aufgrund der Verweisung jedenfalls zur Auslegung herangezogen werden. 13 Seit Inkrafttreten der GRC kommt auch dieser iZm der RL 2000/78/ EG und der RL 2000/43/EG herausragende Bedeutung zu. Einerseits zieht der EuGH die in der Charta verbrieften Rechte zur Auslegung der RL heran.15 Andererseits ist Art 21 GRC (Nichtdiskriminierung) nach der Judikatur des EuGH im Gegensatz zu den beiden RL auch zwischen Privaten unmittelbar anwendbar.16 Der EuGH liest dabei den Inhalt der RL in das Chartagrundrecht hinein, welches er sodann auch zwischen Privaten unmittelbar anwendet. Im Ergebnis gelangt der EuGH dadurch de facto zu einer unmittelbaren Geltung der wesentlichen Bestimmungen der beiden RL.17 14 Art 4 Abs 3 EUV iVm Art 288 AEUV verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle zur Umsetzung einer RL geeigneten Maßnahmen zu treffen. Dazu gehört auch, dass sich die Auslegung von innerstaatlichem Recht so12 EuGH 12.12.1996, C-74/95, X Rz 25; 26.6.1997, C-368/95, Familiapress Rz 26; 30.4.1996, C-13/94, P./S. Rz 16. 13 Vgl zB EuGH 14.3.2017, C-157/15, Achbita Rz 39. 14 Eichenhofer in Steinz, EUV/AEUV3 Art 151 AEUV Rz 14. 15 Vgl zB EuGH 14.3.2017, C-188/15, Bougnaoui Rz 28 ff. 16 EuGH 11.9.2018, C-68/17, IR Rz 69; 22.1.2019, Cresco Investigation Rz 76. 17 Dullinger, ZAS 2019, 183 (189 f) mwN; Slezak, RdW 2010, 679 (679 ff).
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weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der RL ausrichten muss, um das mit den RL verfolgte Ziel zu erreichen.18 Im Zuge der unionsrechtskonformen Interpretation haben die österr Behörden und Gerichte daher auch die von den RL 2000/43/EG und 2000/78/EG erwähnten völkerrechtlichen Übereinkommen, allen voran die EMRK, zu berücksichtigen. Ist eine unionsrechtskonforme Interpretation nicht möglich (insb eine Interpretation contra legem), so ist die unmittelbare Wirkung des Art 21 GRC zu beachten (siehe Rz 13).19
III. Österreichisches Recht Obwohl die österr Rechtsordnung bereits vor der Einführung der An- 15 tidiskriminierungsbestimmungen des II. Teiles des GlBG verschiedene Diskriminierungsverbote bzw Gleichbehandlungsgebote enthalten hat, brachte die Neuregelung bedeutende Änderungen der Rechtslage. Verfassungsrechtlich verankerte Diskriminierungsverbote, die im vor- 16 liegenden Zusammenhang von Bedeutung sind, finden sich etwa in Art 7 Abs 1 B-VG, nach dem ua Vorrechte des Bekenntnisses ausgeschlossen sind und niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf, und Art 14 EMRK, der den Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte durch ein umfassendes Diskriminierungsverbot absichert (siehe Rz 10). Der in Art 7 B-VG und Art 2 StGG verankerte verfassungsrechtliche Gleichheitssatz gewährleistet die Gleichbehandlung österr Staatsbürger und erstreckt sich somit grds nicht auf Ausländer.20 Gem dem zur Durchführung der Rassendiskriminierungskonvention ergangene BVG über die Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung rassischer Diskriminierung, BGBl 1973/390, haben Gesetzgebung und Vollziehung jedoch jede Unterscheidung aus dem alleinigen Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft zu unterlassen. Eine Diskriminierung von Fremden gegenüber Inländern ist nach umstrittener Auffassung dadurch jedoch nicht verboten.21 18 Vgl zB EuGH 14.7.1994, C-91/92, Faccini Dori Rz 26. Vgl dazu auch Rebhahn in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, ABGB3 (2014) Nach §§ 6, 7 Rz 136 ff. 19 EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold Rz 74 ff; 22.1.2019, Cresco Investigation Rz 75 ff. 20 VfGH B 870/90 VfSlg 12.704. 21 Berka, Die Grundrechte (1999) Rz 895 ff; Holoubek in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht I/1 (14. Lfg, 2018) Art 7 B-VG Rz 89 ff.
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17 Die verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte binden unmittelbar Gesetzgebung und Vollziehung, darüber hinaus aber (mittelbar) auch die Parteien der KollV und BV, grds nicht aber die Arbeitsvertragsparteien.22 Die größte Bedeutung der Gleichbehandlungsrichtlinien manifestiert sich daher weniger gegenüber dem Staat und den Gestaltern des kollektiven Arbeitsrechts, sondern liegt im Bereich der individuellen Rechtsausübung und -gestaltung durch Private, dh im Bereich der Privatautonomie.23 18 Neben diesen verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverboten existieren auch andere verfassungsrechtliche Bestimmungen, die zumindest mittelbar auf diese Thematik einwirken. So garantieren bspw Art 14 StGG und Art 9 EMRK jedermann die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Art 8 EMRK schützt das Recht auf Privat- und Familienleben, wozu insb auch das Sexualleben gehört.24 Diese Bestimmungen verpflichten den Staat in gewissem Umfang dazu, AN vor ungerechtfertigten Eingriffen in diese Freiheiten durch den AG zu schützen (Schutzpflichten). Der Staat hat dabei für einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des AN und des AG zu sorgen.25 So kann eine Versetzung wegen des Tragens religiöser Symbole einerseits als Diskriminierung aufgrund der Religion rechtswidrig sein, andererseits jedoch zur gleichen Zeit aufgrund einer verfassungskonformen (die Schutzpflichten aus der Religionsfreiheit berücksichtigenden) Interpretation allgemeiner arbeits- und zivilrechtlicher Bestimmungen rechtswidrig und damit unwirksam sein.26 19 Private waren bisher auch verwaltungsrechtlich zur Nichtdiskriminierung verpflichtet: gem Art III Abs 1 Z 3 EGVG 2008 (ehemals Art IX Abs 1 Z 3 EGVG) setzt einen Verwaltungsstraftatbestand, wer eine Person aus dem Grund der Rasse, der Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung diskriminiert oder ihn hindert, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die für den allgemeinen öffentlichen 22 OGH 16.12.1992, 9 ObA 602/92. 23 Winkler, ZAS 2004, 52 (55). 24 Meyer-Ladewig/Nettesheim in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK4 (2017) § 8 Rz 24. 25 EGMR 15.1.2013, 48420/10, Eweida Rz 83 f; 5.9.2017, 61496/08, Bărbulescu Rz 108 ff. 26 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 370 f, 426 ff, 562 ff.
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Gebrauch bestimmt sind. Bei Verstoß gegen diese Bestimmungen kann dem Gewerbeinhaber gem § 87 Abs 1 Z 3 GewO die Gewerbeberechtigung entzogen werden. Die wesentlichen Neuerungen des GlBG gegenüber dem EGVG liegen in der Normierung zivilrechtlicher Rechtsfolgen bei diskriminierendem Verhalten. Im Arbeitsvertragsrecht kam den Grundrechten bisher nur im Wege 20 der mittelbaren Drittwirkung Bedeutung zu, indem sie über die Auslegung von Generalklauseln konkretisiert worden sind. Diskriminierende Vereinbarungen können insb gem § 879 ABGB als sittenwidrig und daher nichtig qualifiziert werden.27 Der von der Rsp entwickelte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz diente schon bisher dazu, die Privatautonomie des AG insofern einzuschränken, als er einzelne AN oder eine Minderheit von AN nicht willkürlich oder aus sachfremden Gründen schlechter als andere AN behandeln darf.28 Handlungs- und Unterlassungspflichten des AG konnten aber auch auf die Fürsorgepflicht gestützt werden, deren Schutzgut die gesamte Persönlichkeit des AN iSd § 16 ABGB ist.29 Daneben finden sich Diskriminierungsverbote in verschiedenen Gesetzen: so etwa in § 8 Abs 1 AuslBG, nach dem ausländische AN nicht zu schlechteren Lohn- und Arbeitsbedingungen beschäftigt werden dürfen, als sie für die Mehrzahl der bezüglich der Leistung und Qualifikation vergleichbaren inländischen AN gelten. Auch wenn der österr Rechtsbestand vor dem Inkrafttreten der GlBG- 21 Novelle 2004 nicht ohne jede Durchsetzungsmöglichkeit von Diskriminierungsverboten war, brachte die Novelle eine wesentliche Besserstellung in Bezug auf den Diskriminierungsschutz. Verbesserungen des Diskriminierungsschutzes ergeben sich zunächst im vorvertraglichen Bereich, beginnend beim Gebot zur diskriminierungsfreien Stellenaus27 Vgl bspw die österr Mat zum ILO-Übereinkommen 111, in denen der Gesetzgeber davon ausgeht, dass § 879 ABGB großen Teilen der durch das Übereinkommen verbotenen Diskriminierungen ohnehin entgegenstehe (ErlRV 319 BlgNR 13. GP 9 ff). 28 Brodil/Dullinger in Kozak, ABGB und Arbeitsrecht (2019) § 16 Rz 52 ff. Die neuere Judikatur stellt teilweise auf das Vorliegen eines generalisierenden Prinzips und einer Abweichung von demselben ab (vgl dazu Brodil/Dullinger in Kozak, ABGB § 16 Rz 58 ff). 29 Rebhahn in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 1151 ABGB Rz 235 (Stand 1.1.2018, rdb.at); Mosler in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 18 AngG Rz 6 (Stand 1.1.2018, rdb.at).
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schreibung. War es weiters einem AG unbenommen, Personen eines bestimmten religiösen Bekenntnisses zu bevorzugen oder Personen einer bestimmten sexuellen Orientierung nicht einzustellen, ist dies aufgrund der neuen Rechtslage nicht mehr möglich. War bisher nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nur die Schlechterstellung einzelner AN oder einer Minderheit von AN verboten, kommt es in Hinkunft auf solche Relationen nicht mehr an. Dem AG werden auch bisher zulässige Bevorzugungen einzelner AN, wenn eines der in § 17 genannten Merkmale hierfür eine Rolle spielt, verboten.30 Ein gegenüber dem bisherigen nationalen Recht erweiterter Schutz ergibt sich auch durch den in den §§ 24 ff GlBG normierten Sanktionenkatalog. Hervorzuheben ist insb die Normierung eines ideellen Schadenersatzes für die durch die Diskriminierung erlittene persönliche Beeinträchtigung. Neu ist auch die Verankerung des Tatbestandes der Belästigung, der wesentlich leichter zu erfüllen ist als der Tatbestand des Mobbing31 und dessen Erfüllung ebenfalls zu Schadenersatzansprüchen führt. Von besonderer Bedeutung ist weiters das Verbot mittelbarer Diskriminierungen, weil es den AG sowie die Gestalter des kollektiven Arbeitsrechts ua dazu verpflichtet, strukturelle Ungleichbehandlungen zu unterlassen bzw zu beseitigen. 22 Zu erwähnen ist auch der neu geschaffene institutionelle Rahmen, um Diskriminierungen vorzubeugen und Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen. Die Gleichbehandlungskommission besteht nunmehr aus drei Senaten, die jeweils einem der 3 Teile des GlBG zugeordnet sind. Neu sind auch die GleichbehandlungsanwältInnen für die Vollziehung des II. und III. Teil des GlBG. Von Diskriminierung betroffene Personen haben auf diese Art die Möglichkeit, ein relativ informelles Schlichtungsverfahren anstelle oder vor Anrufung der ordentlichen Gerichte in Anspruch zu nehmen. Besonders zu erwähnen ist idZ das Recht von AN, sich vor der Gleichbehandlungskommission durch eine/n Vertreter/in einer Interessenvertretung oder einer Nichtregierungsorganisation vertreten zu lassen (§ 12 Abs 2 GBK/GAW-Gesetz). Weiters wird in § 62 GlBG sichergestellt, dass ein Klagsverband in Form eines Zusammenschlusses von spezialisierten Institutionen, die sich mit mannigfaltigen Formen von Diskriminierungen befassen, einem Rechtstreit 30 Winkler, ZAS 2004, 52 (57). 31 Zu den vergleichsweise hohen Hürden vgl Brodil/Dullinger in Kozak, ABGB § 16 Rz 40 ff.
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Geltungsbereich
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zur Durchsetzung von Ansprüchen nach dem GlBG als Nebenintervenient beitreten kann. Hinter dieser Regelung steht ein umfassendes Rechtsschutzkonzept, das nicht nur auf die Durchsetzung individueller Rechte sondern auch auf die Verwirklichung kollektiver Interessen ausgerichtet ist.32 Eine echte Verbandsklage wurde damit allerdings nicht ermöglicht.33
Geltungsbereich § 16. (1) Die Bestimmungen des II. Teiles gelten für den Bereich der Arbeitswelt, dazu zählen 1. Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen; 2. alle Formen und alle Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung; 3. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer/ innen/- oder Arbeitgeber/innen/organisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen; 4. die Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie die Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit, sofern dies in die Regelungskompetenz des Bundes fällt. (2) Ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse 1. der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter/innen im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287; 2. zu einem Land, einem Gemeindeverband oder einer Gemeinde; 3. zum Bund. (3) Die Bestimmungen des II. Teiles gelten auch 1. für Beschäftigungsverhältnisse, auf die das Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr. 105/1961, anzuwenden ist, und 2. für Beschäftigungsverhältnisse von Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wegen wirt32 Stadler, JRP 2002, 227 ff. 33 Im Detail GBK/GAW-G § 11 Rz 16 ff, § 12 Rz 14 ff.
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§ 17
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schaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. Für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes gelten die Beschäftigungsverhältnisse nach Z 1 und 2 als Arbeitsverhältnisse. (4) Die Bestimmungen des II. Teiles gelten auch für die Beschäftigung von Arbeitnehmer/inne/n, die von einem/einer Arbeitgeber/ in ohne Sitz in Österreich 1. im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung oder 2. zur fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, für die Dauer der Entsendung. 1 Der Geltungsbereich des § 16 ist gleichlautend zu § 1 formuliert. Vgl daher den Komm zu § 1.
Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis § 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion
oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht 1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, 2. bei der Festsetzung des Entgelts, 3. bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, 4. bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung, 5. beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen, 6. bei den sonstigen Arbeitsbedingungen, 7. bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. (2) Abs. 1 berührt nicht die Vorschriften und die Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen oder deren Aufenthalt sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen ergibt. Literatur: Vgl grds die Lit zu § 16; außerdem: Holzleithner, Verletzende Worte, juridikum 3/98; Skidmore, Lesbische und schwule ArbeitnehmerInnen: ein Thema für die Rechtswissenschaften? KJ 1999, 45; Barnard/Hepple, Substantive Equality, CLJ 2000, 562; Hanau/Thüsing, Eu-
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Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis
§ 17
roparecht und kirchliches Arbeitsrecht (2001); Holzleithner, Recht Macht Geschlecht, Legal Gender Studies (2002); Schmidt/Senne, Das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung und seine Bedeutung für das deutsche Arbeitsrecht, RdA 2002, 30; Wiedemann/Thüsing, Der Schutz älterer Arbeitnehmer und die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG, NZA 2002, 1234; Däubler, Das kirchliche Arbeitsrecht und die Grundrechte der Arbeitnehmer, RdA 2003, 204; Kalb/R. Potz/Schinkele, Religionsrecht (2003); Kuras, Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, 11; Mayr K., Diskriminierungen aufgrund des Alters im österreichischen Arbeitsrecht, ASoK 2003, 289; Schiek, Diskriminierung wegen „Rasse“ oder „ethnischer Herkunft“ – Probleme der Umsetzung der RL 2000/43/EG im Arbeitsrecht, AuR 2003, 44; Schinkele, Die Kirchen als Arbeitgeber, öarr 2003, 56; Thüsing, Grundrechtsschutz und kirchliches Arbeitsrecht, RdA 2003, 210; Mayr K., Feiertage und Diskriminierung aufgrund der Religion im österreichischen Arbeitsrecht, ecolex 2004, 428; Pfeil, Arbeitsrechtlicher Schutz für ältere Arbeitnehmer/innen in Resch, Pensionsreform und Schutz älterer Arbeitnehmer (2004) 71; Rebhahn, Dürfen ältere ArbeitnehmerInnen vom Arbeitsrecht bevorzugt oder benachteiligt werden? in BAK/IV/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt (2004) 42; Runggaldier, Das neue „Antidiskriminierungsrecht“ der EU – Bestandsaufnahme und Kritik, in FS P. Doralt (2004) 511; Schinkele, Der „Streit“ um das islamische Kopftuch, RdW 2004, 30; Thüsing, Das Arbeitsrecht der Zukunft? NZABeilage 22/2004, 3; Thüsing/Wege, Das Kopftuch der Muslima vor deutschen und vor britischen Gerichten: Rechtsinstitute zur Sicherung der Religionsfreiheit des Arbeitnehmers im Vergleich, ZEuP 2004, 399; Windisch-Graetz, Das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung, ZAS 2004, 58; Karl, Differenzierung nach persönlichen Lebensumständen, in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote (2005) 43; Krejci, Antidiskriminierung, Privatautonomie und Arbeitnehmerschutz, DRdA 2005, 501; Marhold, Differenzierung nach dem Alter, in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote (2005) 83; Thüsing, Diskriminierung wegen politischer Überzeugung, Religion und Weltanschauung, in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote (2005) 1; Gahleitner, Der Schutz vor Belästigung im Arbeitsverhältnis, ZAS 2007, 148; Gerhartl, Diskriminierung aufgrund von Religion oder Weltanschauung, RdW 2007, 676; Holzleithner, Das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung: Reichweite und Grenzen, öarr 2008, 251; Schinkele, Religionsfreiheit und europäisches Antidiskriminierungsrecht – einige grundsätzliche Überlegungen, öarr 2008, 179; Tichy, Die Abgrenzung zwischen religiöser und ethnischer Diskriminierung nach den EU-Gleichbehandlungsrichtlinien, öarr 2008, 266; Brodil, Erlaubte und verbotene Altersdiskriminierung, in Resch, Neuerungen zur Beendigung des Arbeitsvertrages (2009) 53; Eichinger, Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung: auch eine politische Angelegenheit? RdW 2009, 768; Gerhartl, Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung, ASoK 2009, 369; Kulmer, Maßgeblichkeit von Vordienstzeiten erst ab Erreichen eines bestimmten Alters, RdW 2009, 785; Kreil, Rechtfertigungsgründe in der Rechtsprechung zur Altersdiskriminierung, ZAS 2010, 206; Melzer-Azodanloo, Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung, ZAS
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2010, 228; Rauch, Religion oder Weltanschauung als Diskriminierungstatbestand, ASoK 2010, 363; Reissner, Der ältere Arbeitnehmer, DRdA 2010, 24; Mazal, Dienstalter, Elternkarenz und geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung, ecolex 2011, 250; Rebhahn, Diskriminierung wegen Weltanschauung, DRdA 2011, 38; Gerhartl, Arbeitsrechtliche Probleme des Raucherverhaltens, ASoK 2012, 162; Rebhahn, Altersdiskriminierung und Unionsrecht, in WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht, Alter und Recht (2012) 71; Risak, Die Begründung des Dienstverhältnisses und sonstige Gleichbehandlungsfragen bei älteren Arbeitnehmer_innen, ZAS 2014, 124; Schrittwieser, Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung – Europa als Motor des Gleichstellungsrechts, DRdA 2014, 613; Tinhofer, Die Beendigung des Dienstverhältnisses von älteren Arbeitnehmern, ZAS 2014, 131; Berka, Religion, Weltanschauung und Arbeitsverhältnis, DRdA 2017, 247; Gerhartl, Vorliegen einer Diskriminierung, RdW 2017, 34; Mazal, Religion und Weltanschauung – Zur Auslegung eines Tatbestands im GlBG, ZAS 2017, 140; Schinkele, Der „Streit“ um das islamische Kopftuch vor dem EuGH, ecolex 2017, 739; Windisch-Graetz, Diskriminierungsverbot von Wanderarbeitnehmern aufgrund der Staatsangehörigkeit, ecolex 2017, 236; Egger, Die Begriffe „Religion“ und „Weltanschauung“ im Antidiskriminierungsrecht – Überlegungen zum GlBG, ASoK 2018, 346; Hopf, Religiöse Symbole – Diskriminierung wegen Religion am Arbeitsplatz, ZAS 2018, 112; Köck, Diskriminierung wegen Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung, ZAS 2018, 137; Mazal, Religion und Arbeitspflicht, ZAS 2018, 100; Suppan, Religionsfreiheit und Diskriminierungsschutz, JAP 2018/2019, 25; Risak, Das Verbot der Diskriminierung wegen der Weltanschauung, in FS Löschnigg (2019) 325; Dullinger, Arbeitsrechtliche Relevanz religiöser Bedürfnisse (2020); Dullinger, Aktuelle Entwicklungen zum geschützten Merkmal „ethnische Zugehörigkeit“, in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht (2022) 85.
Inhaltsübersicht I. Allgemeines................................................................................................... 1 1. Zum Schutzzweck des § 17.................................................................... 1 2. Persönlicher Geltungsbereich............................................................... 4 3. Sachlicher Geltungsbereich................................................................... 6 II. Ethnische Zugehörigkeit............................................................................. 7 1. Begriffsbestimmung............................................................................... 7 2. Ausnahmen aufgrund der Staatsangehörigkeit................................. 23 III. Religion und Weltanschauung................................................................... 28 1. Religion..................................................................................................... 30 2. Weltanschauung...................................................................................... 33 3. Ausschluss bestimmter Weltanschauungen........................................ 41 IV. Alter................................................................................................................ 44 V. Sexuelle Orientierung.................................................................................. 46
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I. Allgemeines 1. Zum Schutzzweck des § 17 Der Gesetzgeber verbietet Diskriminierungen auf Grund der ethni- 1 schen Zugehörigkeit, der Religion und Weltanschauung, des Alters und der sexuellen Orientierung. Er knüpft damit an persönliche Merkmale und innere Überzeugungen von Menschen an, die in der einen oder anderen Form jeden Menschen prägen und die auch grds nicht (bzw kaum) veränderbar sind bzw deren Veränderung nicht zumutbar ist.1 Eine Hierarchisierung der geschützten Merkmale nach dem Grad der Veränderbarkeit hat der unionsrechtliche Gesetzgeber ausweislich der Mat nicht gewollt.2 Jeder Mensch gehört einer bestimmten ethnischen Gruppe an, glaubt 2 oder glaubt nicht, hat ein bestimmtes Alter und eine bestimmte sexuelle Orientierung. § 17 verbietet es grds, diese persönlichen Merkmale bzw inneren Überzeugungen als Differenzierungskriterien iZm Arbeitsverhältnissen zu verwenden. Diese Grundkonzeption vermeidet es – wenn auch zum Zwecke ihres Schutzes –, gesellschaftliche „Randgruppen“ festzulegen: Geschützt ist jedwedes Alter (siehe Rz 44 f), jede, auch die inländische „ethnische Herkunft“ (siehe Rz 21), Religion usw, denn der Schutz besteht gerade darin, dass die fraglichen Kriterien im gesamten Bereich der Arbeitswelt (bei der Antirassismus-RL auch darüber hinaus) keine Rolle spielen dürfen. Das GlBG ordnet schlicht an, dass diese Merkmale zu ignorieren sind. Damit erfolgt keinerlei Definition von „Normalität“ und (geschützter) „Abweichung“ – eine solche Unterscheidung ist gerade unzulässig und auch gar nicht notwendig, weil auch (vermeintliche) „Normalität“ nicht benachteiligt werden darf.3 Die
1 Fredman, Discrimination Law2 131 f; Somek, Rechtsphilosophie (2018) 111. Vgl dazu auch Mörsdorf, Ungleichbehandlung als Norm 199 f. 2 Vgl Punkt 3.2 des Vorschlags der Kommission für die Gleichbehandlungsrahmen-RL (KOM[1999] 565, 9 endg) in dem ausgeführt wird, der vorliegende Vorschlag decke sämtliche in Art 19 AEUV genannten Diskriminierungsgründe außer dem Geschlecht ab, ohne dass irgendeine Gewichtung vorgenommen würde. Der Verzicht auf die Festlegung einer qualitativen Hierarchie sei von besonderer Bedeutung, wenn es um Fälle mehrfacher Diskriminierung geht und entspreche dem Aufbau und dem offenkundigen Zweck von Art 19 AEUV. AA Mörsdorf, Ungleichbehandlung als Norm 200. 3 Schindler, DRdA 2003, 523 (526).
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dahinter stehende gesetzgeberische Forderung ist, Arbeitsverhältnisse und den Zugang dazu frei von Vorurteilen zu gestalten. 3 Verboten sind unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen (vgl dazu den Komm zu §§ 5 und 19).
2. Persönlicher Geltungsbereich 4 In Bezug auf den persönlichen Geltungsbereich stellt sich primär die Frage, ob sich der Antidiskriminierungsschutz nur auf Unions- bzw EWR-Bürger bezieht, oder ob auch Drittstaatsangehörige in den Schutz einbezogen werden sollen. Dies wäre uU zu verneinen, falls die Richtlinien die Grundfreiheiten auszugestalten hätten.4 Da der Zweck der RL aber darin liegt, überwiegend arbeitsrechtliche Verhaltensstandards zu setzen, und sich die Kompetenz der EU gem Art 19 AEUV auch auf Drittstaatsangehörige bezieht,5 können Drittstaatsangehörige aus kompetenzrechtlicher Sicht jedenfalls in den persönlichen Geltungsbereich der RL 2000/43/EG und 2000/78/EG fallen.6 Dass dies auch der Fall ist, verdeutlicht ErwG 13 RL 2000/43/EG, nach welchem die Diskriminierungsverbote auch hinsichtlich Drittstaatsangehöriger angewendet werden sollen. Die Mat zum GlBG halten daher zu Recht fest, dass das Diskriminierungsverbot des GlBG auch für Drittstaatsangehörige gilt.7 5 Die gleichbehandlungsrechtlichen RL verwenden nach der Judikatur des EuGH einen autonomen Arbeitnehmerbegriff. AN iSd RL ist, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.8 Dieser unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff kann mitunter weiter sein, als der österr Arbeitnehmerbegriff.9 Um eine unionsrechts4 5 6 7 8
Skidmore, ILJ 2001, 126 (128). Streinz in Streinz, EUV/AEUV3 Art 19 AEUV Rz 19 mwN. Bell, Antidiscrimination Law and the European Union (2002) 83. ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. EuGH 1.10.2015, C-432/14, O Rz 22. Ausgenommen sind jedoch Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (dazu Risak/Dullinger, DRdA 2018, 206 [211 f]). 9 Dullinger, ZAS 2018, 4 (9). Dies kann bspw dann der Fall sein, wenn die Arbeitnehmereigenschaft nach österr Recht aufgrund eines Vertretungs- oder Ablehnungsrecht verneint wird.
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konforme Umsetzung der beiden RL zu gewährleisten, ist bei der Auslegung daher sicherzustellen, dass eine Person, die unionsrechtlich als AN zu qualifizieren ist, bei der Anwendung des GlBG ebenfalls als AN oder zumindest als arbeitnehmerähnlich (§ 16 Abs 3 Z 2 GlBG) qualifiziert wird.
3. Sachlicher Geltungsbereich Das Diskriminierungsverbot bezüglich der neuen Diskriminierungs- 6 gründe bezieht sich wie das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts insb auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses, die Festsetzung des Entgelts, die Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung, den beruflichen Aufstieg, insb Beförderungen, sonstige Arbeitsbedingungen, und auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vgl daher den Komm zu § 3.
II. Ethnische Zugehörigkeit 1. Begriffsbestimmung Die RL 2000/43/EG verwendet die Begriffe „Rasse“ und „ethnische 7 Herkunft“ (Art 1 RL 2000/43/EG), ohne diese zu definieren. Zum Begriff Rasse hält der Unionsgesetzgeber in ErwG 6 lediglich fest, dass die EU Theorien zurückweise, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ in der RL impliziere nicht die Akzeptanz solcher Theorien.10 IdS halten auch die Mat zum GlBG fest, dass die Begriffe „Rasse“ und „ethnische Herkunft“ – völkerrechtskonform ausgelegt – nicht so verstanden werden dürften, dass es auf biologische Verwandtschaftsverhältnisse ankommt, die zu einer bestimmten Volksgruppe bestehen.11 Versucht man, die von der RL verwendeten Begriffe „Rasse“ und 8 „ethnische Herkunft“ zu präzisieren, liegt es nahe, die in den ErwG genannten Rechtsakte zur Auslegung heranzuziehen. Hier werden die Diskriminierungsgründe etwas detaillierter doch ebenfalls nicht wesentlich aussagekräftiger gefasst: Nach Art 1 Abs 1 CERD ist die Un10 Vgl dazu auch die Stellungnahme der UNESCO zur Rassenfrage 1995. 11 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 14.
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gleichbehandlung aufgrund der Hautfarbe, der Abstammung, des nationalen Ursprungs oder des Volkstums verboten. Art 26 ICCPR verpflichtet die Staaten, Schutz vor Diskriminierungen ua wegen der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion und der nationalen Herkunft zu gewähren. In der vom Rat am 15. 7. 1996 angenommenen Gemeinsamen Maßnahme 96/443/JI zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden als Diskriminierungsgründe Hautfarbe, Rasse, Religion sowie die nationale oder ethnische Herkunft genannt. Die Begriffe sind also auch in anderen Rechtsakten nicht im Einzelnen definiert und daher unscharf gehalten. 9 Der österr Gesetzgeber hat die von der RL verwendeten Begriffe „Rasse“ und „ethnische Herkunft“ nicht verwendet.12 Gegenüber der ursprünglich in der RV vorgeschlagenen Fassung, die die Begriffe der RL übernommen hätte, wurden die Begriffe „Rasse“ und „ethnische Herkunft“ im Gleichbehandlungsausschuss durch den Begriff „ethnische Zugehörigkeit“ ersetzt. Damit sei keine Einschränkung des Anwendungsbereiches gegenüber der RL verbunden (ein solcher wäre auch nicht zulässig und durch unionsrechtskonforme Interpretation soweit möglich zu vermeiden13), sondern es solle ausschließlich der im deutschen Sprachgebrauch verpönte Begriff der „Rasse“ vermieden werden.14 10 Auch der österr Gesetzgeber stützt sich wie die RL 2000/43/EG zunächst auf völkerrechtliche Übereinkommen, um den Begriff ethnische Zugehörigkeit zu präzisieren. Die Mat betonen, der Begriff sei weit auszulegen. Weiters wird festgestellt, dass es sich um eine Definition ethnischer Diskriminierung handle, „die sich stärker kulturell orientiert. Adressaten der Diskriminierung sind Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie auf Grund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden. Sie knüpft überwiegend an Unterschiede an, die auf Grund von Abstammungs- oder Zugehörigkeitsmythen als natürlich angesehen werden und die die betroffenen Personen nicht ändern können. Häufige Erscheinungsformen sind Diskriminierung wegen der Hautfarbe und anderer äußerer Merkmale sowie wegen einer als fremd angesehenen 12 Vgl zum Begriff Rasse Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 4 ff; Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 16. 13 Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (89 f). 14 AB 499 BlgNR 22. GP 3.
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Muttersprache. Auch bei Ethnien handelt es sich um ,imaginierte Gemeinschaften‘, die durch Bekenntnis oder Fremdzuschreibung entstehen können und sich nicht allein auf biologische oder sonstige tatsächliche Unterscheidungen stützen können. Sie bezieht sich auf Gemeinsamkeiten von Menschen, die sich auf Grund ihrer Hautfarbe, Herkunft, Religion, Sprache, Kultur oder Sitten ergibt.“15 In der Lit wurden diese Ausführungen zustimmend aufgenommen.16 Die Mat knüpfen damit offenkundig an einen (post-)modernen Ethnos- 11 Begriff an, wie er sich in der Ethnologie als jener Wissenschaft, zu deren Kerngebieten die Auseinandersetzung mit Ethnien bzw Ethnizität gehört, im Lauf der Zeit herausgebildet hat. Ethnien sind demnach imaginierte Gemeinschaften, die durch Selbst- und Fremdzuschreibung entstehen und ihre Identität in erster Linie auf kulturellen Merkmalen und Weltbildern aufbauen. Dieser Definition liegt ein konstruktivistischer Ansatz zugrunde, der Ethnizität als Zuschreibung versteht, die dazu dient, Personen sowie soziale Gruppen, die sich durch gegenseitige Abgrenzung aufrecht erhalten, zu klassifizieren.17 Davon unterscheiden sich objektivistische Theorieansätze, die davon ausgehen, dass es eine reale Grundlage, sei es eine biologisch-genetische oder eine tatsächlich kulturell-historische, für ethnische Zugehörigkeit gibt. Der konstruktivistische Ansatz wird der Tatsache gerecht, dass Ethnizität je nach den Umständen variieren kann. So mag ein Burgenländer in Österreich nicht in die Situation kommen, seine Ethnizität zu thematisieren, in der kleinen (deutschsprachigen) Gruppe der „Chicagoer Burgenlanders“ dagegen schon.18 IdZ sind auch funktionalistische Ansätze zu erwähnen, die die Funktion der Ausbildung ethnischen Bewusstseins betonen, dass dieses etwa von kulturellen Eliten propagiert werde, um politische Identität auszubilden. Der konstruktivistische Ansatz 15 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 14 (Hervorhebungen durch die Verfasser). 16 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 17 GlBG Rz 3 f; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 17 Rz 13 ff; krit jedoch Tichy, öarr 2008, 266. Vgl auch Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 11, 14; Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 73 ff (Stand 1.12.2021); Schlachter in ErfK22 § 1 AGG Rz 4a; Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 16 ff. 17 Grundlegend Barth, Ethnic Groups and Bounderies: the Social Organization of Cultural Difference (1970). Vgl hiezu auch Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 70 ff. 18 Gingrich, Ethnizität für die Praxis, in Wernhart/Zips, Ethnohistorie4 101 (114).
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erlaubt es aber auch, das Vorhandensein von Ethnien situationsbedingt flexibel zu handhaben. So wäre es denkbar, dass sich im historischen Ablauf ein kollektives, ethnisch konnotiertes Bewusstsein auch innerhalb der österr Mehrheitsgesellschaft, die derzeit im kollektiven Bewusstsein einer einheitlichen Nation lebt, bildet. 12 Die Entscheidung des Gesetzgebers für einen bestimmten theoretischen Ansatz ist von Bedeutung, weil sie für das Verständnis des Begriffes „Ethnie“ und damit der Auslegung des Tatbestandes der ethnischen Diskriminierung richtungsweisend ist. Die Bezugnahme auf die ethnische Zugehörigkeit von Personen bzw die ethnische Identität von sozialen Gruppen dient der Bildung kollektiver Identitäten und der Abgrenzung voneinander. Behauptet eine Gruppe im Interaktionsprozess mit anderen ihre Identität, schließt dies immer Symbole für Zugehörigkeit und Ausschluss ein. Dabei sind für die Grenzziehung nicht das „objektive“ Ausmaß und die Qualität der Unterschiede relevant, sondern die Bedeutung, die die Gruppe bestimmten Unterschieden gibt.19 13 Nach der Rsp des EuGH beruht „der Begriff ‚ethnische Herkunft‘ auf dem Gedanken […], dass gesellschaftliche Gruppen insbesondere durch eine Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, kulturellen und traditionellen Herkunft und Lebensumgebung gekennzeichnet sind […].“20 Diese Aufzählung sei nicht taxativ, so sei es bspw möglich das Geburtsland einer Person zu berücksichtigen.21 14 Mithilfe dieser Definitionsansätze lässt sich auch dem Problem näherkommen, ob sich auch eine „Burgenländerin“ oder ein „Ottakringer“ erfolgreich auf den Tatbestand der ethnischen Diskriminierung berufen könnten, wenn diese Personen zB wegen der geographischen Lage ihres Geburts- oder Wohnortes belästigt würden (man denke nur an das Erzählen von Burgenländer-Witzen oder eine Kategorisierung von Bewerbern nach Wohngegend). Angesichts der von den Mat angedeuteten Definition von Ethnien und der Rsp des EuGH wird deutlich, dass das Vorhandensein von sozialen Gruppen notwendig ist, die sich voneinander gegenseitig unter Ausbildung kollektiver Identitäten durch Bezugnahme auf Elemente, wie gemeinsame geschichtliche Erfahrungen, 19 Poulter, Ethnicity, Law and Human Rights (1999) 7. 20 EuGH 6.4.2017, C-668/15, Jyske Finans Rz 17; 16.7.2015, C-83/14, CHEZ Rz 46 (für die Gemeinschaft der Roma). 21 EuGH 6.4.2017, C-668/15, Jyske Finans Rz 18.
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Sprache, Kultur und Abstammungsmythen, abgrenzen. Eine solche Ausbildung kollektiver Identität gegenüber anderen Teilgesellschaften ist zurzeit in Österreich bei Burgenländern oder Ottakringern nicht auszumachen. Dies wäre zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der ethnischen Zugehörigkeit jedoch erforderlich. Das Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit ist damit aber nicht automatisch ausgeschlossen (§ 19 Rz 17 f). Als geschützte ethnische Gruppen können, nach dem eben Gesagten, in Österreich hingegen bspw die Burgenlandkroaten und die Kärntner Slowenen angesehen werden. Anders stellt sich die Lage in Deutschland dar, wo die Existenz zahl- 15 reicher Ethnien anerkannt ist. Darunter neben der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein, Sorben, Friesen, Kurden, Basken, Sinti und Roma22 in Teilen der Lit auch Bayern, Schwaben, Sachsen und Rheinländer.23 West- und Ostdeutsche hat das ArbG Stuttgart jedoch nicht als selbständige Ethnien angesehen. In der Lit ist die Frage umstritten.24 Die Annahme eigenständiger Ethnien für die Bewohner einer Stadt wird aber auch in Deutschland abgelehnt.25 Britische Gerichte haben bspw den Sikhs, Juden, Iren, Sinti und Roma 16 Diskriminierungsschutz aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit zuerkannt; die travellers mit nomadischer Lebensweise wurden nach irischem Recht geschützt.26 Indem die Mat die Konstruktion ethnischer Zugehörigkeit in den Vor- 17 dergrund rücken, ersparen sie den österr Gerichten, Abstammungsstudien zu machen, wie dies bspw britische Gerichte tun mussten, die etwa im Fall der Rastafari zu dem Schluss gekommen sind, es gebe keine ausreichende gemeinsame Abstammung.27 Der OGH hat dement22 Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 21; Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 22 ff. 23 Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 22 ff. AA Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 21. 24 ArbG Stuttgart 17 Ca 8907/09 NZA-RR 2010, 344. Zustimmend Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 15. AA Greiner, DB 2010, 1940 (1940 ff); Mörsdorf, Ungleichbehandlung als Norm 207. 25 Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 16, 24; Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 21. 26 Vgl Schiek, AuR 2003, 44 (46). 27 Vgl die Nachw bei Schiek, AuR 2003, 44 (46).
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sprechend auch festgehalten, das Bestehen tatsächlicher Unterschiede zwischen zwei verschiedenen ethnischen Gruppen sei nicht erforderlich. Stattdessen rückt er unter Verweis auf die Mat die Fremdzuschreibung in den Vordergrund.28 Festzustellen ist lediglich das Selbstverständnis einer sozialen Gruppe als Gemeinschaft mit einer eigenen kulturellen Identität und eine dementsprechende Fremdzuschreibung einer anderen sozialen Gruppe – meist der Mehrheitsgesellschaft, die die anderen als „fremd“ wahrnimmt –, wobei diese Fremdwahrnehmung idR mit Abwertung verbunden ist. 18 Angesichts der Ausführungen in den Mat ist jedoch zu hinterfragen, ob überhaupt eine exakte Abgrenzung verschiedener ethnischer Gruppen erforderlich ist. Da auch eine Benachteiligung als „Ausländer“ und eine Benachteiligung aufgrund einer vermuteten ethnischen Zugehörigkeit – unabhängig davon, ob die Vermutung zutrifft oder nicht – als unmittelbare Benachteiligung erfasst werden (siehe § 19 Rz 5, 15), kann im Rahmen der unmittelbaren Benachteiligung eine Abgrenzung verschiedener ethnischer Gruppen oftmals unterbleiben. Entscheidend ist die Frage, ob der gewählte Anknüpfungspunkt überhaupt unter das Tatbestandsmerkmal ethnische Zugehörigkeit subsumiert werden kann; welche Ethnie betroffen ist, ist hingegen irrelevant.29 19 Erforderlich erscheint eine Abgrenzung jedoch im Rahmen der mittelbaren Benachteiligung, weil die Feststellung einer mittelbaren Diskriminierung die Bildung von Gruppen voraussetzt.30 Damit die Erfassung bestimmter Anforderungen und Kriterien, die kleinere Gruppen besonders treffen, aber im Durchschnitt „Fremde“ nicht stärker treffen als „NichtFremde“ (bspw weil sie zu spezifisch sind), durch das GlBG möglich ist, ist es erforderlich verschiedene Ethnien voneinander abzugrenzen.31 Es reicht nicht „Fremde“ und „Nicht-Fremde“ gegenüberzustellen. 20 Diskutiert werden auch die Frage, ob ein Mensch mehreren ethnischen Gruppen gleichzeitig angehören kann, und die Frage, ob sich die ethnische Zugehörigkeit im Laufe des Lebens verändern kann. UE sind beide Fragen zu bejahen, weil sich die sozialen Faktoren im Laufe 28 OGH 24.7.2013, 9 ObA 40/13t; Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (90 ff). 29 Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (91); Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 74. 30 Barnard/Hepple, CLJ 2000, 562 (568 f). 31 Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (91).
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eines Lebens ändern können und es eben nicht auf die Abstammung ankommen soll.32 Praktisch dürfte dies Frage jedoch nicht besonders relevant sein, weil jedenfalls auch eine Diskriminierung aufgrund einer vermuteten ethnischen Zugehörigkeit verboten ist.33 Wird bspw das Kind spanischer Einwanderer in Österreich benachteiligt, weil es (vermeintlich) kein Österreicher ist, so spielt es keine Rolle, ob die betreffende Person Spanier, Österreicher oder beides ist – es liegt jedenfalls eine unmittelbare Benachteiligung vor. Auch wenn diese Person in Spanien benachteiligt wird, weil sie kein Spanier sei, liegt jedenfalls eine unmittelbare Benachteiligung vor.34 Fraglich ist sodann, ob auch die Mehrheitsbevölkerung vom Diskri- 21 minierungsverbot erfasst und geschützt sein kann. Die Mat erwähnen, dass Personen diskriminiert werden, weil sie von der regionalen Mehrheit als fremd wahrgenommen werden.35 Es ist allerdings nicht klar, ob die Mat mit dieser Bemerkung im Rahmen der Definition von ethnischer Zugehörigkeit den Geltungsbereich des Diskriminierungsverbots einschränken wollten. Die ebenfalls in den Mat getätigte Bemerkung, dass der Begriff der ethnischen Zugehörigkeit weit auszulegen sei, scheint auf das Gegenteil hinzudeuten. Auch der neutral gefasste Text des Diskriminierungsverbots spricht für dieses Ergebnis: Dieses verbietet es, die ethnische Zugehörigkeit als Differenzierungskriterium für Entscheidungen zu verwenden. Es hat nicht das Ziel, bestimmten sozialen Einheiten einen bestimmten rechtlichen Status zuzuschreiben,36 sondern will ein bestimmtes Differenzierungskriterium verbieten (siehe Rz 2). Die hL ist ebenfalls dieser Ansicht.37 Daher kann auch ein Angehöriger der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werden, bspw wenn er in einem Betrieb, in dem hauptsächlich MigrantInnen beschäftigt sind, keinen 32 Vgl die Argumentation bei Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (100 f). Vgl auch Köck, ZAS 2018, 137 (146); Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 17. 33 Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (99); Schlachter in ErfK22 § 1 AGG Rz 4; Gerhartl, RdW 2017, 34 (35). 34 Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (100). 35 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 14. 36 Wie etwa das VolksgruppenG (BGBl 396/1976). 37 Vgl Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 17 GlBG Rz 5; Schindler, DRdA 2003, 523 (526); Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (94 f); Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 19. AA Schiek, AuR 2003, 44 (46).
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Arbeitsplatz bekommt, etwa weil von ihm aufgrund seiner Sprachkundigkeit, seines Wissens um Normen oder Zugang zu Institutionen mehr Widerstand gegen die Arbeitsbedingungen erwartet wird. Diese Auslegung entspricht auch der bisherigen Rsp zur Geschlechterdiskriminierung, wonach Männer genauso wie Frauen von einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfasst sein können, obwohl der Schutz von Frauen primäres Ziel des Gesetzgebers war.38 22 Aus der in den Mat vorgenommenen Definition ethnischer Zugehörigkeit wird ersichtlich, dass die Antidiskriminierungsgründe ethnische Zugehörigkeit und Religion einander überschneiden können. Die Abgrenzung ist für den Geltungsbereich des III. Teils des GlBG von Bedeutung. Weiters, wenn es um den Ausnahmetatbestand des § 20 Abs 2 geht (vgl § 20 Rz 50 ff).
2. Ausnahmen aufgrund der Staatsangehörigkeit 23 Das Diskriminierungsverbot des GlBG gilt grds auch für Drittstaatsangehörige (siehe Rz 4). Gem § 17 Abs 2 GlBG berührt das GlBG jedoch „nicht die Vorschriften und die Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen oder deren Aufenthalt sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen ergibt.“ Diese Bestimmung hat ihre Grundlage in Art 3 Abs 2 RL 2000/43/EG. 24 In der Stammfassung des GlBG war § 17 Abs 2 noch anders formuliert: „Abs. 1 gilt nicht für unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen ergibt.“ Schon zu dieser Formulierung hielten die Mat fest, dass eine auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung nicht untersagt sei, sofern eine solche aus sachlichen Gründen erfolgt und nicht, um zB eine rassistische Vorgangsweise zu verfolgen.39 Da raus würde folgen, dass eine zur Gleichbehandlung verpflichtete Person, die auf das Kriterium der Staatsangehörigkeit Bezug nimmt, eine sachliche Begründung haben muss, die außerdem dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gerecht wird. Die Lit stimmte schon zu § 17 Abs 2 aF dieser Ansicht der Mat zu, denn sie entsprach der Rsp des EuGH zur 38 Für viele EuGH 17.10.1995, C-450/93, Kalanke. 39 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15.
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Auslegung anderer unionsrechtlich geregelter Ausnahmetatbestände.40 Die Mitgliedstaaten haben zwar einen Beurteilungsspielraum, dieser darf allerdings nicht einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Gemeinschaft bestimmt werden.41 Die Tragweite einer Ausnahmebestimmung muss auf das Maß dessen beschränkt werden, was zur Wahrung der Interessen unbedingt notwendig ist, die die Mitgliedstaaten schützen sollen.42 Mit BGBl I 2008/98 hat der Gesetzgeber § 17 Abs 2 novelliert und ihm 25 die heute gültige Formulierung verliehen. Die Mat führen dazu aus, dass schon „nach der geltenden Rechtslage […] die in Umsetzung von Artikel 3 Abs. 2 der Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG ergangene Ausnahmebestimmung des § 17 Abs. 2 – ebenso des § 31 Abs. 2 – in Bezug auf die Staatsangehörigkeit nur [gilt], wenn sie sachlich gerechtfertigt und nicht rassistisch motiviert ist. Dieses rechtspolitische Ziel ist bereits mit der Definition der mittelbaren Diskriminierung, die Rechtfertigungsgründe vorsieht, erreicht. Es ist daher im Sinne der Richtlinie 2004/43/EG ausreichend, bei der Ausnahmebestimmung darauf Bezug zu nehmen, dass die fremden- und arbeitsmarktrechtlichen oder sonstigen ordnungspolitischen Regelungen nicht vom Gleichbehandlungsgebot erfasst sind.“43 Daher bleiben insb die Vorschriften über die Einreise und den Aufent- 26 halt von Drittstaatsangehörigen oder staatenloser Personen und deren Zugang zu Beschäftigung und Beruf unberührt.44 Österreich ist aufgrund des Art 3 Abs 2 der RL 2000/43/EG nicht verpflichtet, seine fremdenrechtlichen Regelungen sowie die Bestimmungen über die Ausländerbeschäftigung zu ändern. Dahinter steht der Gedanke, dass Drittstaatsangehörige grds von den Rechten, die sich aus der Unionsbürgerschaft ergeben, und vom Recht auf Freizügigkeit ausgeschlossen sind. Nicht erfasst von § 17 Abs 2 GlBG und daher rechtfertigungsbedürftig sind insb Ungleichbehandlungen aufgrund der Staatsbürgerschaft bei den Beschäftigungsbedingungen ohne Zusammenhang mit 40 Windisch-Graetz in Rebhahn, GlBG (2005) § 17 Rz 16; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 17 Rz 131 f. 41 Vgl zB EuGH 4.12.1974, 41/74, van Duyn Rz 5/7. 42 EuGH 16.9.2004, C-465/01, Kommission/Österreich Rz 39. 43 ErlRV 415 BlgNR 23. GP 7 f. 44 So schon ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. Vgl auch den Wortlaut von Art 3 Abs 2 RL 2000/43/EG.
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„fremden- und arbeitsmarktrechtlichen oder sonstigen ordnungspolitischen Regelungen“.45 27 Der insofern problematische Ausschluss Drittstaatsangehöriger vom passiven Wahlrecht bei Betriebsratswahlen (§ 53 Abs 1 ArbVG aF) und bei den Arbeiterkammerwahlen (§ 21 AKG aF) wurde mittlerweile aufgehoben (BGBl I 2006/4). Vorausgegangen waren dem Entscheidungen des VfGH und des EuGH, die ua den Ausschluss türkischer Staatsbürger aufgrund Art 10 Abs 1 Assoziationsbeschluss EWG-Türkei 1/80 als unzulässig qualifizierten.46
III. Religion und Weltanschauung 28 Aus der Formulierung des Art 1 RL 2000/78/EG und des § 17 GlBG ergibt sich, dass der Gesetzgeber Religion und Weltanschauung als zusammengehörig erachtet. Während die übrigen geschützten Merkmale durch einen Beistrich getrennt sind, trennt die Begriffe Religion und Weltanschauung ein „oder“.47 Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Merkmalen ist praktisch auch nicht besonders relevant. Es ist daher Mazal zuzustimmen, der Religion und Weltanschauung als Ausprägungen eines einheitlichen Metatatbestands sieht. Entscheidend sei, ob eine Ungleichbehandlung an einen Lebenssachverhalt anknüpft, der dem gemeinsamen Wesenskern der beiden Begriffe entspricht. Zu fragen sei, ob ein existenzieller Begründungszusammenhang vorliegt, der als Leitauffassung vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standorts für das individuelle Lebensverständnis dient.48 29 Wird in der Lit eine Abgrenzung zwischen Religion und Weltanschauung dennoch versucht, so wird von der hL auf den Transzendenzbe45 Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (95 f); WindischGraetz, ecolex 2017, 236 (239 f); Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 17 GlBG Rz 10 f; Schindler, DRdA 2003, 523 (529). Vgl auch ErlRV 415 BlgNR 23. GP 7 f. 46 VfGH 3.12.2003, WI-14/99; EuGH 8.2.2003, C-171/01, Wählergruppe Gemeinsam; 16.9.2004, C-465/01, Kommission/Österreich. Vgl hiezu Kallab in ZellKomm3 § 53 ArbVG Rz 9; IA 607/A BlgNR 22. GP 2. 47 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15; Hopf, ZAS 2018, 112 (113) mwN. 48 Mazal, ZAS 2017, 140 (145). Vgl auch Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 111; Thüsing in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 1 (37); aA Egger, ASoK 2018, 346 (354).
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zug der Religion verwiesen, der bei einer Weltanschauung fehle.49 Diese Abgrenzung verliert ihre vermeintliche Klarheit jedoch spätestens iZm New Religious Movements. Es wird daher mitunter auch auf das Selbstverständnis der betreffenden Gruppe ankommen.50
1. Religion Der Begriff „Religion“ wird von der RL 2000/78/EG nicht definiert. In 30 den Mat zum GlBG wird der Versuch einer Annäherung vorgenommen. Zunächst hält der Gesetzgeber fest, dass Religion nicht auf Kirchen und anerkannte Religionsgemeinschaften beschränkt sei. Es sei jedoch davon auszugehen, dass für eine Religion zumindest ein Bekenntnis, Vorgaben für die Lebensweise und ein Kult vorhanden sein müssen. Religion umfasse jedes religiöse, konfessionelle Bekenntnis, die Zugehörigkeit zu einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft. Es handle sich um ein (Glaubens-)System, das in Lehre, Praxis und Gemeinschaftsformen die letzten (Sinn-)Fragen menschlicher Gesellschaft und Individuen aufgreift und zu beantworten sucht. Entsprechend den jeweiligen Heilsvorstellungen, die ihr zugrunde liegen, und in Relation zur jeweiligen „Unheils“-Erfahrung, hat jede Religion ein „Heilsziel“ und zeigt einen „Heilsweg“. Dieses steht in enger Beziehung zur jeweiligen „Unverfügbarkeit“, die als personale (Gott, Götter) oder nichtpersonale (Weltgesetz, Erkenntnis, Wissen) Transzendenz vorgestellt wird.51 Diese Annäherung wurde in der Lit positiv aufgenommen,52 auch der OGH hat diese Ausführungen Großteils übernommen.53 Der EuGH zieht zur Auslegung dieses Tatbestandselements Art 9 EMRK und Art 10 GRC heran.54
49 Vgl bspw A. Potz, öarr 2011, 210 (220); Melzer-Azodanloo, ZAS 2010, 228 (233); Egger, ASoK 2018, 346 (354) mwN; Eichinger, RdW 2009, 768 (769); Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 1 AGG Rz 6 (Stand 1.12.2021). 50 Thüsing in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 1 (37 ff); Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 34. Vgl auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 39. 51 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 14 f. 52 Gerhartl, RdW 2007, 676 (676); Hopf, ZAS 2018, 112 (114); Windisch-Graetz in Zellkomm3 § 17 GlBG Rz 12 f. 53 OGH 25.5.2016, 9 ObA 117/15v. 54 EuGH 14.3.2017, C-157/15, Achbita Rz 26 ff. So auch Egger, ASoK 2018, 346 (348); Mohr in EuArbR4, RL 2000/78/EG Art 1 Rz 15 f.
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31 In der Lit wurden die Ausführungen der Mat dahingehend erweitert, dass die drei Grundelemente einer Religion der Mythos zur Erklärung der Gestaltung der Welt, der Ritus zur Vergegenwärtigung des Übernatürlichen durch sinnhafte Zeichen und das Ethos zur Vermittlung von Handlungsorientierungen seien.55 Gefordert wird ein Transzendenzbezug, nicht jedoch der Glaube an einen Gott.56 Eine staatliche Anerkennung als Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft ist jedenfalls nicht erforderlich. 32 Bisher wurden von der Rsp der Islam und der römisch-katholische Glaube als Religion anerkannt.57 Die GBK qualifizierte den Glauben der Zeugen Jehovas als Religion.58 Dem Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung wurde der Status als Kirche bzw gleichgestellte Organisation iSv Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG bzw § 20 Abs 2 GlBG zugesprochen.59
2. Weltanschauung 33 Nach den Mat ist der Begriff „Weltanschauung“ eng mit dem Begriff „Religion“ verbunden. Er diene als Sammelbezeichnung für alle religiösen, ideologischen, politischen uä Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen sowie zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis. Im hier verwendeten Zusammenhang seien mit „Weltanschauung“ areligiöse Weltanschauungen gemeint, da religiöse Weltanschauungen mit dem Begriff „Religion“ abgedeckt werden. Weltanschauungen seien keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in der Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Sofern Weltanschauungen Vollständigkeit anstreben, gehören dazu Menschen- und 55 Hopf/Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 18; Kalb/R. Potz/Schinkele, Religionsrecht 2 f; Egger, ASoK 2018, 346 (349). 56 Vgl Egger, ASoK 2018, 346 (350); Hopf/Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 19. Vgl auch Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 31 am Bsp des Buddhismus. 57 EuGH 14.3.2017, C-188/15, Bougnaoui; 14.3.2017, C-157/15, Achbita; 11.9.2018, C-68/17, IR. 58 GBK II/20. 59 EuGH 17.4.2018, C-414/16, Egenberger.
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Weltbilder, Wert-, Lebens- und Moralanschauungen.60 Es darf für den Abschluss eines Arbeitsvertrages zB keine Rolle spielen, welche Gesinnung (zB Atheismus) ein AN hat, sofern nicht ein gesetzlicher Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Erforderlich ist ein gewisser Grad an Verbindlichkeit, Ernsthaftigkeit 34 und Bedeutung der Überzeugung. Außerdem muss es sich um eine umfassende Leitauffassung des Lebens und der Welt als großes Ganzes handeln. Nicht erforderlich ist jedoch, dass es sich bei der betreffenden Anschauung um eine Sicht und Deutung der gesamten Welt handelt. Es reicht aus, wenn sie sich auf (wichtige) Teilbereiche bezieht.61 Einzelne, isolierte Meinungen (zB isolierte kritische Auffassungen über die derzeitige Asylgesetzgebung und -praxis) können hingegen nicht als Weltanschauung qualifiziert werden.62 Auch die ablehnende Haltung gegenüber einem Diensteinteilungssystem63 und punktuelle Kritik an personellen Missständen und die Führung eines Gerichtsprozesses64 sind nicht unter Weltanschauung zu subsumieren. Ebensowenig bloß punktuelle Entscheidungen zur persönlichen Lebensführung, wie etwa die Entscheidung zu Rauchen.65 Auch eine kritische Haltung zu den COVID-19-Bestimmungen kann nach Ansicht des OGH nicht als Weltanschauung qualifiziert werden.66 Als Bsp für Weltanschauungen werden in der Lit Pazifismus und Ve- 35 ganismus genannt.67 Ob Atheismus, Agnostizismus udgl als Weltanschauung zu qualifizieren sind, ist strittig, praktisch aber nicht relevant (§ 19 Rz 22). Keine Weltanschauung sollen nach (wohl zutreffender) Ansicht der GBK alternative Heilmethoden sein,68 wenngleich nicht übersehen werden darf, dass diese Teil bzw Ausübung einer Weltanschauung sein können. 60 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. 61 Vgl Eichinger, RdW 2009, 768 (770) mwN. 62 OGH 24.2.2009, 9 ObA 122/07t. Vgl auch Gerhartl, RdW 2007, 676 (677); Gerhartl, ASoK 2009, 369 (374). 63 OGH 16.4.2020, 1 Ob 39/20x. 64 OGH 28.5.2015, 9 ObA 42/15i. Zur Kritik an Missständen vgl auch OLG Linz 12 Ra 2/15y ARD 6440/10/2015. 65 Gerhartl, ASoK 2012, 162 (167); Felten, ZAS 2009, 204 (206). 66 OGH 25.11.2021, 9 ObA 130/21i. 67 Vgl Egger, ASoK 2018, 346 (353). Krit zu Ernährungsgewohnheiten als Weltanschauung Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 51. 68 GBK II/89/09.
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36 Umstritten ist, ob bzw inwieweit der Begriff „Weltanschauung“ auch politische Überzeugungen beinhaltet. Die Gleichbehandlungsrahmen-RL (2000/78/EG) enthält auf den ersten Blick keinen besonderen Schutz vor Diskriminierungen aufgrund der politischen Überzeugung. Im Unterschied zu Art 14 EMRK wird in die Aufzählung der Diskriminierungsgründe die politische Anschauung zumindest dem Wortlaut nach nicht einbezogen. Thüsing ist der Auffassung, Weltanschauung sei in einem ähnlich umfassenden Sinn wie Religion zu verstehen, sie dürfe nicht nur für Teilaspekte des Lebens Relevanz besitzen. Er konzediert jedoch, dass diese enge Interpretation an Überzeugungskraft verliere, sobald man sich den Richtlinientext in den andern Sprachen ansehe. Begriffe wie „convinzioni personali“ (ital), „conviction“ (franz) oder „overtuiging“ (niederl) scheinen nicht nur große ideologische Entwürfe sondern auch Vorstellungen und Überzeugungen minderen Ranges zu enthalten.69 Der EuGH hat kürzlich betont, dass Religion und Weltanschauung zwei Seiten ein und desselben Diskriminierungsgrundes seien, der von dem Grund der „politischen oder sonstigen Anschauung“ zu unterscheiden sei.70 37 Die Begriffe Religion und Weltanschauung finden sich bereits in Art 9 EMRK, der den Schutz der Gedanken, Gewissens- und Religionsfreiheit garantiert. Grabenwarter/Pabel71 halten diesbezüglich fest, dass nicht jede persönliche Überzeugung vom Schutzbereich des Art 9 umfasst sei: Unter einer Weltanschauung sei eine zusammenhängende Sichtweise grundsätzlicher Lebensfragen, eine Sicht der Welt „als Ganze“ zu verstehen. Die EKMR versteht unter Weltanschauung („belief“) „some coherent view on fundamental problems“72, Pazifismus als Philosophie könne als Weltanschauung betrachtet werden.73 Punktuelle Überzeugungen, die nur Teilbereiche des Lebens betreffen, sind hier also offenkundig nicht erfasst.74 Den darüber hinausgehenden Schutz der Gedanken- und Gewissensfreiheit in Art 9 EMRK hat der Rat in der RL 2000/78/EG nicht übernommen, ebenso wenig wie die Textierungen der Art 14 EMRK und 21 GRCh, welche ausdrücklich Dis69 Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 36 ff. Vgl dazu auch Gerhartl, ASoK 2009, 369 (373); Runggaldier in FS P. Doralt (2004) 511 (524). 70 EuGH 15.7.2021, C-804/18, WABE Rz 47. 71 Grabenwarter/Pabel, EMRK7 (2021) § 22 Rz 122. 72 EKMR 10.3.1981, 8741/79, X./Deutschland. 73 EKMR 12.10.1978, 7050/75, Arrowsmith/Vereinigtes Königreich. 74 IdS auch Thüsing, Sonderheft zu NZA 22/2004, 3 (11).
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kriminierungen wegen „politischer und sonstige Anschauungen“ verbieten. Der österr Gesetzgeber hält in den Mat zunächst fest, dass Weltan- 38 schauung „eng mit Religion zusammenhängt“, erachtet daran anschließend aber auch politische und ideologische Lebensentwürfe als vom Geltungsbereich mitumfasst. IdS müsste sich das Verständnis des Gesetzgebers mit jenem der EKMR bzgl des Pazifismus decken. Dies müsste konsequenterweise aber auch für andere umfassende politischideologische Konzepte wie zB den Marxismus etc gelten. Erfüllt eine politische Einstellung die in Rz 33 ff dargelegten allgemeinen Kriterien, so ist sie daher mit der hL als Weltanschauung zu qualifizieren.75 Für die Parteiprogramme der großen österr Parteien wird dies wohl zu bejahen sein.76 Auch wenn die RL unter Weltanschauung nicht auch politische Überzeugungen versteht, bleibt es dem nationalen Gesetzgeber unbenommen, einen weitergehenden Diskriminierungsschutz vorzusehen.77 UE geben die Mat einen (nicht ganz eindeutigen) Hinweis darauf, dass der österr Gesetzgeber auch ein Diskriminierungsverbot aufgrund politischer Anschauungen normieren wollte. Für dieses Ergebnis spricht nicht zuletzt auch Art 21 GRC, der dem einzelnen das Recht verleiht, nicht aufgrund seiner politischen Anschauungen diskriminiert zu werden. Nach Ansicht des VwGH sind politische Überzeugungen, soweit sie 39 sich nicht auf Einzelfragen beschränken, sondern systemischer Natur sind, „Weltanschauungen“ im innerstaatlichen Verständnis. Damit seien auch Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zur sozialdemo-
75 Vgl Rauch, ASoK 2010, 363 (364); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 48 ff, 103; Egger, ASoK 2018, 346 (352); Risak in FS Löschnigg 325 (329 ff); A. Potz, öarr 2011, 210 (222); Rebhahn, DRdA 2011, 36 (43); Gahleitner ZAS 2007, 148 (150); Krejci, DRdA 2005, 501 (506); Eichinger, RdW 2009, 768 (770 ff); Gerhartl, RdW 2007, 676 (677); Gerhartl, ASoK 2009, 369 (374 f). Weitergehend Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 17 GlBG Rz 14. Krit Schinkele, öarr 2008, 179 (191). AA aus unionsrechtlicher bzw deutscher Perspektive Mohr in EuArbR4 RL 2000/78/EG Art 1 Rz 27; Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 130 ff; Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 36 ff. 76 Vgl Gerhartl, ASoK 2009, 369 (376); Melzer-Azodanloo, ZAS 2010, 228 (234). 77 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 48.
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kratischen Gesinnungsgemeinschaft bzw dem Fehlen einer solchen verboten.78 Die GBK hat sich dieser Ansicht angeschlossen.79 40 Obwohl isolierte Anschauungen (ob politisch oder unpolitisch) nicht als Weltanschauung zu qualifizieren sind und daher nicht durch das GlBG geschützt sind, ist der AN auch in diesen Fällen nicht gänzlich schutzlos. Diese fallen nämlich grds unter die Meinungsfreiheit der Art 10 EMRK und Art 13 StGG. Nach der Rsp des EGMR beinhaltet Art 10 EMRK auch eine Schutzpflicht der Vertragsstaaten, die diese uU dazu verpflichtet Verletzungen durch Private zu verhindern. Dabei hat der Staat für einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen des AN und den Interessen des AG zu sorgen.80 Diese Schutzpflicht erfordert es bei Überwiegen der AN-Interessen (in verfassungskonformer Interpretation) bspw Sanktionen des AG (zB Versetzung, Kündigung) aufgrund einer Meinungsäußerung als rechtswidrig zu qualifizieren.
3. Ausschluss bestimmter Weltanschauungen 41 Schon die EMRK sieht in Art 17 vor, dass keine Bestimmung der EMRK dahin ausgelegt werden darf, dass sie Tätigkeiten oder Handlungen schützt, die auf die Abschaffung oder unrechtmäßige Beschränkung der EMRK-Rechte hinzielt. Fraglich ist, ob vor diesem Hintergrund jene Weltanschauungen und Religionen aus dem Schutzbereich des GlBG herausfallen sollen, welche mit einer demokratischen Gesellschaft nicht vereinbar sind oder die Menschenwürde verletzten. Vorweg ist klarzustellen, dass es dabei nicht darum geht, die Existenz oder Tätigkeit verbotener Gruppierungen zu legalisieren (was das GlBG zweifelsfrei nicht tut81), sondern um die Frage, inwieweit der einzelne AG im Arbeitsverhältnis an solche Umstände anknüpfen darf. 42 Nach der hL sollen zumindest jene Weltanschauungen aus dem Schutzbereich des GlBG herausfallen, die wegen „sitten- oder gesetzwidriger Bräuche und Rituale“ verboten sind. Die Rechtsordnung würde sich nämlich selbst verhöhnen, wenn sie zurückgewiesenen Angehörigen verbotener Gruppierungen Ansprüche aus einer Verletzung des Dis78 VwGH 15.5.2013, 2012/12/0013 iZm § 13 B-GlBG. 79 GBK II/352/18. 80 EGMR 21.7.2011, 28274/08, Heinisch/Deutschland Rz 44, 62 ff; 12.9.2011, 28955/06, Palomo Sanchez/Spanien Rz 58 ff. 81 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 20.
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kriminierungsverbots zugestehen würde.82 Zwingend ist diese Logik jedoch nicht. Für moderne Demokratien ist es vielmehr typisch, dass selbst die Begehung schwerster Straftaten nicht zu einem Entzug aller Rechte führt, der Täter nicht zum Rechtlosen wird. Warum sollte der AG einer Person mit der betreffenden Weltanschauung weniger bezahlen oder diese belästigen dürfen?83 Warum sollte ein AG einen Bewerber ablehnen dürfen, weil er früher einer solchen Weltanschauung angehört hat? Es ist nicht Aufgabe des AG, eine verpönte Weltanschauung seines (potenziellen) AN zu sanktionieren. Außerdem würde diese Möglichkeit auch den Gedanken der Resozialisierung und der Rehabilitierung zuwiderlaufen. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, warum sich ein AN nicht gegen eine Diskriminierung aufgrund einer fälschlicherweise vermuteten derartige Weltanschauung wehren können sollte. All diese unbilligen Ergebnisse wären jedoch die Folge, würde man bestimmte Weltanschauungen aus dem Schutzbereich des GlBG ausschließen. Ist die Weltanschauung nämlich nicht geschützt, so ist ein Anknüpfen an diese jedenfalls zulässig (zumindest aus Sicht des GlBG), ohne dass es auf weitere Überlegungen ankäme. UE ist es daher vorzuziehen diese Fragen auf der Ebene der Rechtfer- 43 tigung zu lösen. Dort kann dann im Einzelfall berücksichtigt werden, ob es einen Zusammenhang zwischen der verpönten Weltanschauung und der Tätigkeit gibt. Dabei kann auch der Rechtfertigungsmaßstab niedriger angesetzt werden, weil es sich eben nicht um ein grundrechtlich geschütztes Verhalten handelt, Art 9 EMRK daher nicht mitzuberücksichtigen ist. Ein besonders strenger Maßstab wird dabei an die Ausübung einer solchen Weltanschauung im beruflichen Kontext anzulegen sein.
IV. Alter Der Begriff des Alters wird in § 17 nicht weiter definiert. Eine systema- 44 tische Auslegung des GlBG ergibt – so sieht etwa § 20 Abs 4 Z 1 eine Rechtfertigung für die Benachteiligung Jugendlicher und älterer AN 82 Krejci, DRdA 2005, 501 (506). Vgl auch Gerhartl, RdW 2007, 676 (677); Melzer-Azodanloo, ZAS 2010, 228 (234); Egger, ASoK 2018, 346 (355). 83 Diesen Wertungswiderspruch könnte man allenfalls vermeiden, indem man mit Gerhartl den Ausschluss der betreffenden Weltanschauungen nur bzgl Einstellung und Beendigung annimmt (Gerhartl, RdW 2007, 676 [677 Fn 15]). Allerdings bleibt offen, wie dieses Ergebnis methodisch erreicht werden kann.
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vor –, dass das Anknüpfen an jedes Lebensalter des Menschen grds diskriminierend sein kann, wenn nicht besondere Rechtfertigungsgründe dafür vorliegen.84 IdS halten die Mat zum GlBG fest, dass alle AN unabhängig von einem Mindest- oder Höchstalter geschützt sein sollen. Der Diskriminierungstatbestand umfasst auch Diskriminierungen aufgrund des jugendlichen Alters.85 Es ist daher auch in der Lit unbestritten, dass das Diskriminierungsverbot – so wie auch die anderen Diskriminierungsverbote – in beide Richtungen wirkt.86 45 Der österr Gesetzgeber folgt damit dem durch die RL 2000/78/EG vorgegebenen Verständnis von Altersdiskriminierung, wie Art 6 Abs 1 lit a belegt, der ebenfalls Jugendliche und ältere AN nennt. Der EuGH hat sich dieser Ansicht ebenfalls angeschlossen.87 Der unionsrechtliche Antidiskriminierungsschutz aufgrund des Alters ist daher wesentlich umfassender als jener des US-amerikanischen ADEA (Age Discrimination in Employment Act), der bloß ältere AN, nämlich ab dem 40. Lebensjahr schützt.88
V. Sexuelle Orientierung 46 Im Gegensatz zu Art 19 AEUV und der RL 2000/78/EG verwendet das GlBG statt des Begriffs der „sexuellen Ausrichtung“ den in der einschlägigen Lit gebräuchlicheren der „sexuellen Orientierung“.89 Die Begriffe sind jedoch synonym zu verstehen.90 Sexuelle Orientierung bezeichnet die Präferenz bei der sexuellen „Objektwahl“.91 Der Begriff 84 Reissner, DRdA 2010, 24 (26); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 53 f; Brodil in Resch, Neuerungen zur Beendigung des Arbeitsvertrages 53 (61); Rebhahn in WiR, Alter und Recht 71 (73); Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 1 AGG Rz 8; Schlachter in ErfK22 § 1 AGG Rz 12. 85 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. 86 Marhold in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 83 (85); Kuras, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, 11 (12); Rebhahn in BAK/ IV/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt 42 (43). 87 EuGH 19.1.2010, C-555/07, Kücükdeveci Rz 28 f. 88 Vgl Wiedemann/Thüsing, NZA 2002, 1234 (1236). 89 Das deutsche AGG spricht hingegen von sexueller Identität (§ 1 AGG). 90 Karl in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 43 (45). 91 Holzleithner, Recht Macht Geschlecht, Legal Gender Studies (2002) 128; Windisch-Graetz, ZAS 2004, 58 (59); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 58; Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 55.
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ist nach den Mat zum GlBG weit auszulegen und wird allgemein als „heterosexuell, homosexuell und bisexuell“ definiert und verstanden.92 Nach den Mat soll vor allem ein Diskriminierungsschutz für schwule und lesbische AN geschaffen werden.93 Auch wenn mangels großer Praxisrelevanz das Anliegen des ME, einen Diskriminierungsschutz auch für Bisexuelle und Heterosexuelle in einer homosexuell geprägten Arbeitswelt zu schaffen, in der RV nicht mehr erwähnt wird, soll der Vollständigkeit wegen darauf hingewiesen werden, dass das Diskriminierungsverbot des GlBG auch solche Fälle jedenfalls erfasst.94 Differenziert wird mitunter zwischen der sexuellen Orientierung als 47 „Status“ und dem diesbezüglichen „Verhalten“.95 Diese zB früher im US-amerikanischen Militär gepflogene Unterscheidung („Don’t ask, don’t tell“) differenziert zwischen „sexueller Orientierung“ als einer abstrakten Präferenz für Personen eines bestimmten Geschlechts, im Unterschied zu einer Neigung oder Intention, sexuelle Akte auszuführen, und „homosexuellem Verhalten“ als einem homosexuellen Akt oder einer Äußerung, die eine Neigung oder Intention zeigt, homosexuelle Akte auszuführen.96 Die RL 2000/78/EG nimmt eine Differenzierung zwischen Status und Verhalten nicht vor. Da die RL weit auszulegen ist, ist davon auszugehen, dass sich das Gebot der Nichtdiskriminierung sowohl auf den Status als auch auf das Verhalten bezieht. Müsste eine homosexuelle Person im Gegensatz zu einer heterosexuellen Person mit (rechtmäßigen) Konsequenzen rechnen, sobald sie ihre Homosexualität nach außen trägt, wäre der Grundsatz der Gleichbehandlung in diesem Bereich so gut wie gar nicht verwirklicht. Es kann der RL nicht unterstellt werden, dass sie in diesem Bereich einen unterschiedlichen Diskriminierungsschutz schaffen wollte. Sofern der Vorschlag der Kommission diesbezüglich einen anderen Wortlaut hatte, ist 92 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 58; Windisch-Graetz, ZAS 2004, 58 (59); Gahleitner, ZAS 2007, 148 (150); Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 55; Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 161; GBK I/24/05-M. 93 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. 94 Windisch-Graetz, ZAS 2004, 58 (59); Karl in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 43 (45). 95 So etwa Hanau/Thüsing, Europarecht und kirchliches Arbeitsrecht 35; offenbar zurückgenommen Thüsing, Sonderheft zu NZA 22/2004, 3 (5). Vgl auch Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 160. 96 Nachw bei Holzleithner, Juridikum 3/98, 48.
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er unbeachtlich: Den Kommissionsentwürfen kommt nicht jene Bedeutung für die Auslegung von Rechtsakten der EU zu wie dies im innerstaatlichen Recht der Fall ist. Hätte der Rat der Kommission in diesem Punkt folgen und eine Einschränkung des Diskriminierungsschutzes bzgl der sexuellen Orientierung vornehmen wollen, wäre ein eindeutiger Hinweis in der RL, etwa in den ErwG, zu erwarten gewesen. In der Entstehungsgeschichte ähnlich hat zunächst auch der österr Ministerialentwurf97 eine Differenzierung zwischen homosexuellem „Status“ und „Verhalten“ enthalten. Diese Differenzierung wurde in der RV fallen gelassen und das GlBG kennt diese Unterscheidung nicht. Der Tatbestand der sexuellen Orientierung des § 17 GlBG ist daher so auszulegen, dass er nicht nur den sexuellen „Status“, sondern auch das sexuelle „Verhalten“ umfasst.98 48 Vom Begriff der sexuellen Ausrichtung/Orientierung ist der Begriff der Geschlechtsidentität zu unterscheiden. Diese bezeichnet das Gefühl, männlich, weiblich oder nicht-binär zu sein. Fällt die Geschlechtsidentität nicht mit dem anatomischen bzw „zugewiesenen“ Geschlecht zusammen, spricht man von Transsexualität.99 Diskriminierungen aufgrund von Transsexualität bzw vollzogenen Geschlechtsumwandlungen werden vom EuGH als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gesehen.100 Generalanwalt Tesauro hält in seinen SA zu dieser Frage fest, dass die Ansicht überholt sei, dass das Recht eine Frau schützt, die gegenüber einem Mann diskriminiert wird, und umgekehrt, diesen Schutz aber demjenigen versagt, der, wieder aufgrund des Geschlechts, ebenfalls diskriminiert wird, und zwar nur deshalb, weil er außerhalb der traditionellen Einteilung Mann/Frau steht.101 Insofern musste bereits nach der alten Rechtslage zB die Kündigung eines/r Transsexuellen, die ihren Grund in 97 70/ME BlgNR 22. GP. 98 EuGH 15.1.2019, C-258/17, E.B.; Holzleithner, öarr 2008, 251 (252 f); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 58; Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 164; Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 1 AGG Rz 9; Mörsdorf, Ungleichbehandlung als Norm 219; differenzierend Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 56, § 3 AGG Rz 17. 99 Holzleithner, Recht Macht Geschlecht, Legal Gender Studies (2002) 128; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 65; Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 55; EuGH 30.4.1996, C-13/94, P./S. Rz 16. 100 EuGH 30.4.1996, C-13/94, P./S. Rz 20; Schrittwieser, DRdA 2014, 613 (613); Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 161. Anders die deutschen Mat (dazu Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 55). 101 GA Tesauro in SA zu C-13/94, P./S. Rz 17.
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eben dieser Transsexualität fand, als eine dem GlBG zuwider laufende Diskriminierung aufgrund des Geschlechts qualifiziert werden. Nach dem bisher Gesagten nicht erfasst vom Verbot der Diskriminie- 49 rung aufgrund der sexuellen Orientierung sind hingegen andere sexuelle Vorlieben. Karl bezieht hingegen auch diese in den Schutzbereich mit ein. Es dürfe nicht übersehen werden, dass die Vielgestalt des sexuellen Status und Verhaltens über die Kategorien heterosexuell, homosexuell und bisexuell hinausgehe.102 Auch Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler plädieren grds für eine über die drei Grundorientierungen (heterosexuell, homosexuell, bisexuell) hinausgehende weite Auslegung dieses Merkmals.103 Baumgärtner weist darauf hin, dass neben den drei „klassischen“ Ausprägungen sieben Varianten „gestörter Sexualpräferenz“ nach ICD-10-GM, Version 2014 existieren: Fetischismus, fetischistischer Transvestitismus, Exhibitionismus, Voyeurismus, Pädophilie, Sadomasochismus und sonstige Störungen der Sexualpräferenz wie Nekrophilie. Zutr weist er darauf hin, dass diese Formen nicht deshalb aus dem Schutz des Gleichbehandlungsrecht ausscheiden können, weil sie „anormal“ seien.104 Menschen, deren sexuelle Orientierung nicht dem entspricht, was die Gesellschaft für „normal“ hält oder noch glaubt tolerieren zu können, bedürfen ganz besonders des Schutzes durch das Nichtdiskriminierungsrecht vor falschen Zuschreibungen und sozialer Hierarchisierung. Daran ändert auch der Hinweis auf verschiedene Normen des gerichtlichen Strafrechts nichts, gibt es doch in diesen Kategorien zahlreiche Verhaltensweisen, die konstituierend für die sexuelle Ausrichtung einer Person sind, ohne als solche bereits strafbar zu sein. Die im Einzelfall berechtigten Interessen können auf Rechtfertigungsebene ausreichend berücksichtigt werden.105 Für dieses Ergebnis spricht auch eine an den Grundrechten orientierte Interpretation. Art 8 EMRK, der das Privat- und Familienleben schützt, erfasst nämlich nicht nur die sexuelle Orientierung ieS, sondern die gesamte sexuelle Sphäre einer Person.106 Der Wortlaut der Richtlinie und des 102 Karl in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 43 (46). AA Mörsdorf, Ungleichbehandlung als Norm 218. 103 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 58. 104 Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 162. 105 Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 162. Vgl auch Schiek in Schiek, AGG § 1 Rz 31. 106 Meyer-Ladewig/Nettesheim in Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK4 (2017) § 8 Rz 24; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 56.
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§ 18
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GlBG lässt diese Auslegung jedenfalls zu, wenngleich er doch eher für eine restriktive Auslegung spricht. 50 Die Diskussion über ein Ausscheiden gesetzwidriger sexueller Vorlieben aus dem Schutzbereich des Gleichbehandlungsrechts107 verläuft entlang derselben Argumentationslinien wie die entsprechende Diskussion beim Merkmal Religion und Weltanschauung (siehe Rz 41 ff). UE gelten die dortigen Ausführungen auch hier sinngemäß. 51 Nicht relevant sind diese Ausführungen für den Tatbestand der sexuellen Belästigung. Egal welche sexuelle Orientierung, Neigung udgl der Belästiger oder der Belästigte hat, erfüllt sexuelle Belästigung in jedem Fall einen Diskriminierungstatbestand aufgrund des Geschlechts.108 Sie fiel daher schon vor der Novelle 2004 in den Geltungsbereich des GlBG.109
Gleichbehandlungsgebot in der sonstigen Arbeitswelt § 18. Aus den im § 17 genannten Gründen darf niemand unmittel-
bar oder mittelbar diskriminiert werden 1. beim Zugang zur Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses, 2. bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer/innen/- oder Arbeitgeber/innen/organisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen, 3. bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit. 1 § 18 GlBG ist im Wesentlichen gleich formuliert wie § 4 GlBG. Vgl daher den Komm zu § 4 GlBG. 107 Vgl dazu Thüsing in MüKoBGB8 § 1 AGG Rz 54; Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler, GlBG2 § 17 Rz 58. 108 Windisch-Graetz, ZAS 2004, 58 (59); vgl daher den Kommentar zu § 6. 109 ErlRV 735 BlgNR 18. GP 33.
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Begriffsbestimmungen
§ 19
Begriffsbestimmungen § 19. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine
Person auf Grund eines in § 17 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. (2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich. (3) Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung einer Person zur Diskriminierung vor. (4) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren ethnischer Zugehörigkeit, deren Religion oder Weltanschauung, deren Alters oder deren sexueller Orientierung diskriminiert wird. Literatur: Vgl die Literaturangaben zu §§ 16 und 17; weiters: Peschek, Sind Miniröcke und kurze Hosen ein arbeitsrechtliches Problem? RdW 1992, 343; Tinhofer, Darf der Arbeitgeber das Tragen von „Personalausweisen“ anordnen? RdW 1994, 16; Firlei, Verstoß gegen branchenübliche Bekleidung, DRdA 2000, 142; Thüsing, Der Fortschritt des Diskriminierungsschutzes im Europäischen Arbeitsrecht, ZfA 2001, 397; Weber, Das Verbot altersbedingter Diskriminierung nach der Richtlinie 2000/78/EG – eine neue arbeitsrechtliche Dimension, AuR 2002, 401; Wiedemann, Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht (2002); Egger, Die neuen Antidiskriminierungsrichtlinien der EU, DRdA 2003, 302; Schiek, Gleichbehandlungsrichtlinien der EU – Umsetzung im deutschen Arbeitsrecht, NZA 2004, 873; Windisch-Graetz, Probleme der Mehrfachdiskriminierung in der Arbeitswelt, DRdA 2005, 238; Risak, Der Einfluss des altersbedingten Absinkens der Arbeitsfähigkeit auf arbeitsvertragliche Pflichten, ZAS 2007, 10; Wege, Religion im Arbeitsverhältnis (2007); von Medem, Kündigungsschutz und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (2008); Wieshaider, Das staatliche Feiertagsrecht als vergessene Umsetzungsmaterie der Richtlinie 2000/78/EG, öarr 2008, 279; Ludwig, Schadenersatz bei intersektioneller Diskriminierung, DRdA 2009, 276; Rupp, Die unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG, RdA 2009, 307; Greiner, Putativ-Diskriminierung wegen Ethnie oder Rasse – der Fall „Minus: Ossi“, DB 2010, 1940; Mazal, Arbeits- und sozialrechtliche Aspekte der eingetragenen Partnerschaft, iFamZ 2010,
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99; Resch, Altersdiskriminierung bei Begründung und Gestaltung des Arbeitsvertrags, RdW 2010, 683; Stadler, Altersdiskriminierung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsvertrags, RdW 2010, 687; Wachter, „Sprachverwirrung“ bei der Altersdiskriminierung, ZESAR 2010, 49; Apostolovski/Apostolovski, Schadenersatzrechtliche Aspekte der Mehrfachdiskriminierung, DRdA 2012, 472; Haberer, Gleichbehandlung im Betrieb (2013); Schramm, Ungewisse und diffuse Diskriminierung (2013); Stupar, EuGH: (Nicht-)Anrechnung von Vordienstzeiten bei anderen AG ist keine Altersdiskriminierung, ZAS 2013, 90; Wakolbinger, Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gemäß § 23 Abs 1 GlBG (2013) (https://www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/Themen/rechtliches/gleichbehandlungsrecht-in-oesterreich/gutachten-zum-gleichbehandlungsrecht.html; zuletzt abgerufen am 7. 3. 2022); Wanderer, Zusätzliche Feiertage aufgrund der Religionszugehörigkeit rechtlich unhaltbar, RdW 2013, 283; Schnabel, Diskriminierungsschutz ohne Grenzen? (2014); Fredman, Intersectional discrimination in EU gender equality and non-discrimi nation law (2016); Karl, Karfreitag: Zulässiges Feiertagsprivileg oder verbotene Diskriminierung? RdW 2016, 615; Kovács, Kopftuchverbot am Arbeitsplatz? ASoK 2016, 440; Mazal, Gleichbehandlung: Diskriminierung oder positive Maßnahme, ZAS 2016, 272; Kalb/Wakolbinger, Das Kopftuch am Arbeitsplatz im Lichte der EuGH-Judikatur, JAS 2017, 154; A. Potz, Die Gretchenfrage an Unternehmen: Wie hast du‘s mit religiösen und weltanschaulichen Zeichen und Kleidungsstücken am Arbeitsplatz? JAS 2017, 257; A. Potz, Das Karfreitagsdilemma: ein Feiertag für alle oder niemanden? ecolex 2017, 743; Schiek, Intersektionelle Diskriminierung vor dem Europäischen Gerichtshof – Ein erster verfehlter Versuch? EuZA 2017, 407; Ulrich, Kopftuchverbote – Neutralitätspolitik von Unternehmen auf dem Prüfstand, öarr 2017, 560; Bertsch/Wiedemann, Karfreitag – frei für alle, JAP 2018/2019, 223; Dullinger, Diskriminierung wegen Religion und Bekleidung, in Kietaibl/Resch, Diskriminierung – Schutz und Folgen im Arbeitsrecht (2018) 17; Karl, Arbeiten im Notariat mit Gesichtsschleier, in FS Bittner (2018) 297; Köhlert, Die neue Rechtsprechung des BAG zur Anforderung „sehr guter“ Deutschkenntnisse in Stellenanzeigen, NZA 2018, 1172; Risak/Gogola, Gleichbehandlung in der Plattformökonomie, juridikum 2018, 435; Burger-Ehrnhofer, Topthema: Streitfall Karfreitag – EuGH zwingt zum Handeln, ASoK 2019, 82; Dullinger, Konfessionsgebundener Karfreitag-Feiertag diskriminierend, ZAS 2019, 183; Dullinger, Die unmittelbare Benachteiligung im GlBG, in GS Rebhahn (2019) 33; Ettl, Karfreitag – Feiertag für niemanden, DRdA-infas 2019, 235; Firneis/Unterrieder, Vom Karfreitag zum „persönlichen Feiertag“, RdW 2019, 249; Friedrich, Der persönliche Feiertag – Grenzen der kollektiven Beanspruchung, ASoK 2019, 202; Gleißner, Neuregelung Karfreitag, ZAS 2019, 95; Glowacka, Die neue Karfreitagslösung – Detailfragen zum neuen persönlichen Feiertag, ASoK 2019, 122; Haider, Karfreitag – Die Saga vom „halben“ Feiertag und sich daraus ergebende Fragestellungen, ARD 6638/4/2019; Haider, Karfreitag: Für kurze Zeit ein Feiertag für alle, ecolex 2019, 352; Löschnigg, Karfreitagsregelung – Diskriminierung aufgrund der Religion, DRdA 2019, 502; Thüsing, Grenzfragen mittelbarer Diskriminierung, in GS Rebhahn (2019) 611; Wiesinger, Der persönliche Feiertag, ZAS 2019, 160; Windisch-Graetz,
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Gleichbehandlung – Gleichheit als Diversität? in Liber Amicorum Mazal (2019) 201; Henle, Die Berücksichtigung des Erscheinungsbildes des Arbeitnehmers bei Personalmaßnahmen des Arbeitgebers (2020); Santagata, Unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen: Schwierigkeiten der Grenzziehung, ZESAR 2020, 253; Weinberg, Ansätze zur Dogmatik der intersektionalen Benachteiligung, EuZA 2020, 60.
Inhaltsübersicht I. Einleitung...................................................................................................... 1 II. Unmittelbare Benachteiligung................................................................... 5 1. Ethnische Zugehörigkeit....................................................................... 14 2. Religion und Weltanschauung.............................................................. 22 3. Alter.......................................................................................................... 35 4. Sexuelle Orientierung............................................................................ 41 III. Mittelbare Benachteiligung........................................................................ 52 1. Ethnische Zugehörigkeit......................................................................... 57 2. Religion und Weltanschauung............................................................... 66 3. Alter............................................................................................................ 71 4. Sexuelle Orientierung.............................................................................. 78 IV. Mittelbare Benachteiligung durch die Arbeitsbedingungen................. 80 V. Mehrfachdiskriminierung........................................................................... 95
I. Einleitung § 19 enthält in Abs 1 und 2 die Definitionen der unmittelbaren und 1 mittelbaren Benachteiligung. Von Benachteiligung wird allgemein gesprochen, wenn der Tatbestand des Abs 1 oder des Abs 2 erfüllt ist, jedoch eine Rechtfertigung gegeben ist oder das Vorliegen einer Rechtfertigung noch nicht geprüft wurde. Diskriminierung bezeichnet im Folgenden eine (mangels Rechtfertigung) unzulässige Benachteiligung.1 § 19 Abs 3 stellt klar, dass auch eine Anweisung zu einer Diskriminie- 2 rung als Diskriminierung zu qualifizieren ist (siehe § 3 Rz 12). Durch BGBl I 2011/7 wurde mit Abs 4 ein Verbot der Diskriminierung 3 durch Assoziierung in § 19 aufgenommen. Diese Novelle war notwendig, da der EuGH in der Rs Coleman2 zu dem Ergebnis gelangte, dass auch eine Benachteiligung einer AN aufgrund der Behinderung ihres Sohnes in den Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG falle (Diskri1 Vgl Wachter, ZESAR 2010, 49 (51). 2 EuGH 17.7.2008, C-303/06, Coleman. Vgl dazu Schnabel, Diskriminierungsschutz ohne Grenzen? 181 ff.
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minierung durch Assoziierung).3 Nach den Mat geht der Begriff Naheverhältnis über familiäre Beziehungen hinaus und erfasst auch ein auf persönlicher Freundschaft und Schutzbefohlenheit basierendes Naheverhältnis. Das Naheverhältnis beziehe sich nicht nur auf bestehende rechtliche Verpflichtungen (zB Fürsorgepflicht der Eltern für ihr Kind oder zwischen Ehegatten) sondern auch auf allgemein verständliche soziale und moralische Beistandspflichten. Erfasst seien demnach Angehörige, Lebenspartner und Freunde. Bei Arbeitskollegen sei nicht von Vorneherein von einem persönlichen Naheverhältnis auszugehen. Hier sei im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob ein persönliches Naheverhältnis vorliegt. Flüchtige Bekanntschaften fielen nicht in den Schutzbereich der Bestimmung.4 Das Erfordernis einer Nahebeziehung wurde jedoch durch das Urteil des EuGH in der Rs CHEZ5 in Frage gestellt. Es scheint vielmehr ausreichend zu sein, dass eine Benachteiligung aufgrund eines sensiblen Merkmals erfolgt und die Person faktisch von dieser Benachteiligung betroffen ist.6 So kann sich auch eine Person, die nicht einmal behauptet Roma zu sein, auf eine unmittelbare Benachteiligung von Roma berufen, wenn sie von dieser Benachteiligung (quasi als „Kollateralschaden“7) faktisch erfasst wird ohne dass es auf ein Naheverhältnis ankommen würde.8 4 § 19 GlBG ist im Wesentlichen § 5 GlBG nachgebildet; vgl daher grds den Kommentar zu § 5.
II. Unmittelbare Benachteiligung 5 Gem § 19 liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn an den genannten Diskriminierungsgrund angeknüpft wird, um Menschen in vergleichbaren Situationen ungleich zu behandeln. ZB stellt man Menschen bestimmter Herkunft, Religionszugehörigkeit, Alter oder sexu3 ErlRV 938 BlgNR 24. GP 5 f. 4 ErlRV 938 BlgNR 24. GP 6. Krit dazu Schnabel, Diskriminierungsschutz ohne Grenzen? 301. 5 EuGH 16.7.2015, C-83/14, CHEZ. 6 Dullinger in GS Rebhahn 33 (44 f). Vgl dazu auch Schnabel (Diskriminierungsschutz ohne Grenzen? 299 ff), die bereits vor dieser Entscheidung davon ausgegangen ist, dass eine Nahe- oder Verwandtschaftsbeziehung nicht erforderlich sei. 7 GA Kokott in SA zu C-83/14, CHEZ Rz 58. 8 EuGH 16.7.2015, C-83/14, CHEZ Rz 49, 55 ff.
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eller Orientierung gerade weil sie diese persönlichen Merkmale oder Überzeugungen haben nicht ein, kündigt sie, hindert sie am beruflichen Aufstieg, zahlt ihnen weniger Entgelt oder hält ihnen Sozialleistungen vor etc. Eine Benachteiligungsabsicht oder ein Verschulden ist dafür nicht erforderlich.9 Ob ein sensibles Merkmal wirklich gegeben ist oder bloß vermutet wird, ist nach den Mat und der hL dabei irrelevant.10 Ebenso ist nicht entscheidend, ob neben dem sensiblen Merkmal weitere Faktoren die Entscheidung beeinflusst haben. Es ist ausreichend, dass das geschützte Merkmal die Entscheidung mitbeeinflusst hat (Motivbündel).11 Dies ist auch dann der Fall, wenn iE von einer Einstellung oder einer Beförderung gänzlich Abstand genommen wird, die Nichteinstellung oder Nichtbeförderung gegenüber dem konkreten Interessent aber durch ein sensibles Merkmal begründet ist.12 Eine unmittelbare Benachteiligung liegt auch vor, wenn zwar nicht di- 6 rekt an das geschützte Merkmal angeknüpft wird, aber an ein Merkmal, das mit diesem untrennbar verbunden ist. So ist eine Benachteiligung aufgrund des Erreichens des gesetzlichen Pensionsantrittsalters als unmittelbare Benachteiligung zu qualifizieren, weil dieses untrennbar mit dem Geschlecht verbunden ist (§ 16 Abs 6 APG iVm § 253 Abs 1 ASVG).13 Eine unmittelbare Benachteiligung wird man dann auch annehmen müssen, wenn ein derartiger Zusammenhang zwar iaR gegeben ist, aber auch vereinzelte Ausnahmen denkbar sind. In der Lit werden einzelne Urteile des BAG bereits in diese Richtung interpretiert.14 Auch bei einer Benachteiligung aufgrund eines Merkmals, das nur ver- 7 bunden mit dem geschützten Unterscheidungsmerkmal vorkommt, aber nicht immer, liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor. Es wer9 Baumgärtner in BeckOGK § 3 AGG Rz 49; Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 12; Schlachter in ErfK22 § 3 AGG Rz 2; Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 8. 10 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 52; Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 12. 11 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 8; Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 16; Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 8. 12 OGH 29.1.2013, 9 ObA 154/12f. 13 Schlachter in ErfK22 § 3 AGG Rz 4, 6; Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 15; Baumgärtner in BeckOGK § 3 AGG Rz 53 f. 14 Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 15 unter Verweis auf BAG 11.8.2009, 3 AZR 23/08, allerding krit hinsichtlich der dadurch erforderlichen Abgrenzung.
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den zwar nicht alle Personen mit dem entsprechenden geschützten Merkmal benachteiligt, aber nur solche (Teilgruppenbenachteiligung).15 So betrifft eine Benachteiligung aufgrund des Tragens eines islamischen Kopftuchs zwar nicht alle Muslime, aber nur Muslime. Daher ist dem EuGH auch zuzustimmen, wenn er bei einer Benachteiligung teilzeitbeschäftigter AN ausnahmsweise eine unmittelbare Benachteiligung angenommen hat, wenn und weil die betreffende Gruppe nur aus Frauen bestehen konnte.16 Entgegen Teilen der Lit kommt es dabei nicht darauf an, dass das betreffende Merkmal der Teilgruppe repräsentativ für das geschützte Merkmal ist. Der Ansicht, keine unmittelbare, sondern nur eine mittelbare Benachteiligung sei gegeben, wenn kahlköpfige Frauen als Verkäuferinnen zurückgewiesen werden, nicht aber kahlköpfige Männer, denn keine Haare zu haben, sei nicht Ausdruck des „Frauseins“,17 ist daher nicht zu folgen. 8 Nach der zutreffenden Judikatur des EuGH liegt eine unmittelbare Benachteiligung jedenfalls auch dann vor, wenn eine Benachteiligungsabsicht gegeben ist. Dass von der Benachteiligung auch Personen ohne das betreffende geschützte Merkmal – quasi als „Kollateralschaden“ – betroffen sind, hindert die Qualifikation nicht (Rz 3). 9 Schließlich kann nach der Judikatur auch eine Gleichbehandlung eine unmittelbare Benachteiligung begründen, wenn eine ungleiche Behandlung geboten gewesen wäre.18 Ein solches Gebot zur Gleichstellung wurde bisher aber nur iZm der Schwangerschaft angenommen.19 10 Voraussetzung jeder unmittelbaren Benachteiligung ist jedoch das Vorliegen einer Benachteiligung und die Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Nicht jede unterschiedliche Behandlung (Differenzierung) führt zu einer Benachteiligung. Voraussetzung einer Benachteiligung im Sin15 Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht3 § 3 Rz 24 ff; Rupp, RdA 2009, 307 (308 f); Dullinger in GS Rebhahn 33 (38 ff); Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 13. 16 EuGH 10.3.2005, C-196/02, Nikoloudi Rz 36. 17 So Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 17; Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht3 § 3 Rz 27. 18 EuGH 3.2.1996, C-342/93, Gillespie Rz 16; 2.10.1997, C-100/95, Kording Rz 14; 11.5.1999, C-309/97, Angestelltenbetriebsrat der WGKK Rz 15; 30.3.2004, C-147/02, Alabaster Rz 45. AA Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 4. 19 Dullinger in GS Rebhahn 33 (37).
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ne des GlBG ist ein objektiver Nachteil, wobei nicht relevant ist, ob dieser durch ein Unterlassen (Nichteinstellung) oder aktives Tun (Beendigung des Arbeitsverhältnisses) entsteht.20 Dass auch der EuGH dieser Ansicht ist, zeigt sich an der Judikatur zum Ausgleich einer Benachteiligung durch anderweitige Vorteile (Rz 11). In diesen Fällen wird zwar differenziert, nicht jedoch benachteiligt – eine Rechtfertigung ist daher nicht erforderlich. In den meisten Fällen ist die Benachteiligung leicht zu erkennen: Das Ausscheiden aus dem Bewerbungsprozess, die Nichteinstellung, das niedrigere Gehalt, das Vorenthalten bestimmter Zuschläge oder Prämien, die Beendigung oder Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses.21 In anderen Fällen ist es fraglich, ob ein solcher Nachteil vorliegt: So geht bspw das BAG davon aus, dass ein Angebot zum Abschluss von Aufhebungsverträgen (inkl Anspruch auf attraktive Abfindung), das nur an jüngere AN gerichtet ist, keine Benachteiligung der Älteren sei, da das Telos des Gleichbehandlungsrechts primär auf den Verbleib der älteren AN im Betrieb ziele und dies erreicht werde. Dies lasse den älteren AN gegenüber schon die Benachteiligung entfallen.22 In wieder anderen Fällen fehlt es an einer Benachteiligung: Durch getrennte Schichten für verschiedene ethnische Gruppen oder Religionen wird zwar aufgrund sensibler Kriterien differenziert, es wird jedoch niemand benachteiligt, wenn die Arbeitsbedingungen in den Schichten dieselben sind (siehe dazu § 21 Rz 7). Auch das bloße Einräumen einer Wahlmöglichkeit ist grds keine Benachteiligung (des Wahlberechtigten),23 und zwar auch nicht im Falle entscheidungsschwacher Personen.24 An einer Benachteiligung kann es grds auch dann fehlen, wenn beste- 11 hende Nachteile durch anderweitige Vorteile ausgeglichen werden. Der EuGH scheint hierbei jedoch von sehr engen Vergleichsgruppen auszugehen, wenn er selbst bei verschiedenen Entgeltbestandteilen eine
20 Schlachter in ErfK22 § 3 AGG Rz 2; Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 2 f; Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 2; Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 149 f; aA Baumgärtner in BeckOGK § 3 AGG Rz 27. 21 Vgl Baumgärtner in BeckOGK § 3 AGG Rz 25. 22 BAG 25.2.2010, 6 AZR 911/08. Krit Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 2; Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 3. 23 Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 3; BAG 17.3.2016, 8 AZR 677/14. 24 Offenbar aA Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 152.
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isolierte Betrachtung fordert.25 Lediglich Bestimmungen, die nicht voneinander loslösbar sind, könnten gemeinsam verglichen werden.26 Abzulehnen ist ein Ausgleich von Nachteilen mit Vorteilen in der Vergangenheit oder der Zukunft27 ebenso wie der Ausschluss einer Benachteiligung, weil diese im (vermeintlichen) Interesse des Benachteiligten liegt.28 12 Das Vorliegen einer unmittelbaren Benachteiligung setzt ferner voraus, dass sich die benachteiligte Person und die Vergleichsperson in einer vergleichbaren Situation befinden. Ob eine solche vergleichbare Situation gegeben ist, ist immer anhand aller diese Situation kennzeichnenden Merkmale zu beurteilen. Die Situationen müssen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein und die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht allgemein und abstrakt sein, sondern muss spezifisch und konkret für die betreffende Differenzierung erfolgen.29 So ist nach der Rsp des EuGH bspw der Ausschluss von Schülern und Studenten von einer Abfertigung bei Fristablauf des Arbeitsvertrages nicht altersdiskriminierend, weil sich Schüler und Studenten, die in den Ferien arbeiten nicht in einer vergleichbaren Situation befinden wie die übrigen AN, weil erstere durch den Fristablauf nicht in wirtschaftliche Unsicherheiten kämen.30 Das Erfordernis einer vergleichbaren Situation ermöglicht es iE Differenzierungen vorzunehmen, die zwar nicht durch 25 EuGH 17.5.1990, 262/88, Barber Rz 33 ff. Vgl auch Baumgärtner in BeckOGK § 3 AGG Rz 30. AA Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 2 (Sachgruppen übergreifender Günstigkeitsvergleich). 26 EuGH 6.4.2000, C-226/98, Jørgensen Rz 32. Die Anforderungen an einen gemeinsamen Vergleich scheinen daher recht hoch zu liegen. Thüsing geht hingegen für den Vergleich von sonstigen Arbeitsbedingungen von der Zulässigkeit einer Gruppenbildung aus, solange ein Maß gegeben ist, Vorteil und Nachteil miteinander zu vergleichen (Europäisches Arbeitsrecht3 § 3 Rz 17). UE ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum bei den übrigen Arbeitsbedingungen anderes gelten soll als bei Entgeltbestandteilen, bei denen ein Vergleich idR sogar einfacher möglich wäre. 27 Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 6; Risak, ZAS 2014, 124 (126). AA Runggaldier, RdW 2006, 512 (513); Marhold in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 83 (86). 28 Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 8. Vgl dazu bspw EuGH 25.7.1991, C-345/89, Stoeckel. 29 EuGH 1.10.2015, C-432/14, O Rz 31 f; 7.2.2019, C-49/18, Escribano Vindel Rz 50; Baumgärtner in BeckOGK § 3 AGG Rz 36. 30 EuGH 1.10.2015, C-432/14, O Rz 32 ff.
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§ 20 GlBG gedeckt sind, aber nach denen dennoch ein Bedürfnis besteht.31 Hierbei ist daher Vorsicht geboten, um nicht § 20 GlBG zu unterlaufen. Unmittelbare Benachteiligungen können nach hA nicht durch bloße 13 sachliche Gründe gerechtfertigt werden (§ 5 Rz 13 ff). Der Diskriminierungstatbestand ist allerdings nicht erfüllt, wenn sich die Personen, die wegen eines in § 17 genannten Grundes ungleich behandelt werden, in keiner vergleichbaren Situation befinden (siehe Rz 12).32 Gem § 20 sind Ausnahmen zulässig, wenn ein Merkmal, das mit einem der Diskriminierungsgründe in Zusammenhang steht, aufgrund der Art der beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt (§ 20 Rz 3 ff).
1. Ethnische Zugehörigkeit Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der ethnischen Zugehö- 14 rigkeit liegt zunächst jedenfalls vor, wenn eine Benachteiligung an die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder an die vermutete Zugehörigkeit zu einer solchen anknüpft.33 So ist bspw die Ablehnung eines Bewerbers, weil dieser Marokkaner ist, als unmittelbare Benachteiligung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit zu qualifizieren. Die Qualifikation als unmittelbare Benachteiligung erfordert jedoch 15 nicht, dass der Benachteiligende auf eine spezifische ethnische Gruppe abstellt. So ist auch eine Benachteiligung aller „Afrikaner“ oder aller „Ausländer“ als unmittelbare Benachteiligung zu qualifizieren, obwohl die erfassten Personen einer Vielzahl ethnischer Gruppen angehören.34 MaW schadet es aus Sicht des GlBG nicht, dass mehrere Ethnien 31 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 17 GlBG Rz 25. Vgl dazu auch Baumgärtner in BeckOGK § 3 AGG Rz 33 ff (für die Vergleichbarkeit iZm der Bemessung des Entgelts). 32 Vgl dazu EuGH 9.12.2004, C-19/02, Hlozek Rz 44 ff; 12.10.2004, C-313/02, Wippel Rz 57 ff. 33 Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (99, 101). 34 BAG 21.6.2012, 8 AZR 346/11; Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 19; Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 76; Schlachter in ErfK22 § 1 AGG Rz 4a. Insofern missverständlich EuGH 6.4.2017, C-668/15, Jyske Finans, weil wiederholt auf eine „bestimmte ethnische Gruppe“ abgestellt wird.
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gleichzeitig benachteiligt werden. Daher wird unmittelbar diskriminiert, wenn in einer Stellenausschreibung „nur Inländer“ gesucht werden bzw sich der Zusatz „keine Ausländer“ findet. 16 Für die Abgrenzung zwischen Anknüpfung an die ethnische Zugehörigkeit und an die Staatsangehörigkeit ist zu fragen, ob tatsächlich die Zugehörigkeit zur Volks- und Kulturgemeinschaft für die Zurückstellung tragend ist.35 Die Aussage eines AG keine „Marokkaner“ oder „Türken“ einstellen zu wollen, wird regelmäßig auf die ethnische Zugehörigkeit und nicht auf die Staatsangehörigkeit abstellen (zumindest wird die Glaubhaftmachung regelmäßig gelingen).36 Stellt der Benachteiligende auf Aussehens, „Gehabe“ oder die Verwendung einer fremden Sprache ab, knüpft er jedenfalls an die ethnische Zugehörigkeit an.37 Dasselbe gilt, wenn auf den Namen des Betroffenen abgestellt wird.38 17 Probleme ergeben sich aber, wenn nicht eine Personengruppe, die sich aus mehreren Ethnien zusammensetzt benachteiligt wird, sondern eine Gruppe, die nicht die nötige Abgegrenztheit besitzt, um als Ethnie qualifiziert zu werden (siehe § 17 Rz 14; „Burgenländer“, „Ottakringer“). Die hL dürfte davon ausgehen, dass eine solche Benachteiligung nicht unter das GlBG falle, weil keine Anknüpfung an ein sensibles Merkmal vorliege.39 18 Diese Ansicht übersieht uE, dass auch eine Benachteiligung, die nur einen Teil einer geschützten Gruppe erfasst als unmittelbare Benachteiligung zu qualifizieren ist, sofern nur Angehörige der geschützten Gruppe benachteiligt werden (siehe Rz 7). Werden aber „echte“ Burgenländer benachteiligt (und nicht einfach nur alle Personen, die im Burgenland ihren Wohnsitz haben), so wird dabei eine Teilgruppe der Österreicher benachteiligt. UE liegt daher eine unmittelbare Benachteiligung vor. Dieses Ergebnis passt auch zum in den Mat genannten Telos der Bestimmung, Gruppen vor einer abwertenden Fremdzuschreibung zu schützen.40 Auch wenn die Burgenländer keine eigene Ethnie sind, wird ihnen bei einer auf sie zugeschnittenen Benachteiligung eine ab35 Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 85.1; BAG 21.6.2012, 8 AZR 364/11. 36 Vgl Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 85.1. 37 LGZRS Wien 30.3.2007, 35 R 68/07w. 38 GBK II/14/06. 39 Vgl bspw Hey in Hey/Forst, AGG2 § 1 Rz 15. 40 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 14.
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wertende Fremdzuschreibung zu Teil; aus der Perspektive des Benachteiligenden sind sie offenbar abgrenzbar. Man könnte auch sagen, nicht nur eine Benachteiligung wegen einer fälschlich vermuteten ethnischen Zugehörigkeit, sondern auch eine Benachteiligung wegen einer bloß vermeintlich existierenden ethnischen Zugehörigkeit ist vom GlBG erfasst.41 Dafür reicht es aus, wenn mit der geographischen Herkunft bestimmte abgrenzbare charakterliche, psychische, sprachliche oder körperliche Merkmale verbunden werden, an die ein Unwerturteil geknüpft wird (ethnisches Vorstellungsbild in der Laiensphäre des Diskriminierenden).42 Dieses Ergebnis wird auch durch einen Blick auf die RL 2000/43/EG gestützt. Erfasst sind Diskriminierungen aufgrund „Rasse“ und ethnischer Herkunft, wobei es sich dabei um zwei verschiedene Phänomene handelt. Menschliche Rassen existieren jedoch nicht, eine Diskriminierung aufgrund der „Rasse“ kann daher immer nur an eine vermeintlich existierende Kategorie anknüpfen, ist aber zweifelsfrei von der RL erfasst.43 Weitere Probleme ergeben sich bei der Erfassung einer Benachteili- 19 gung, die lediglich an einzelne jener Elemente anknüpft, die für die Abgrenzung einer Ethnie relevant sind, oder an Umstände, die überhaupt nicht zum sozial und kulturell geprägten Begriffsverständnis passen. Besonders praxisrelevant sind dabei Benachteiligungen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse und der Hautfarbe.44 Ein Teil der Lit stellt zutr zumindest die Hautfarbe dem Begriff „Rasse“ in der RL gleich, weshalb eine darauf gestützte Benachteiligung unmittelbar an die ethnische Zugehörigkeit anknüpft.45 Hauptargument für diese Ansicht ist ein Blick auf die internationalen Rechtsquellen, die Hautfarbe und „Rasse“ als gleichrangig geschützte Charakteristika nennen und auf die sich die RL stützt.46 41 Dazu ausf Dullinger in Reissner/Mair, Antidiskriminierungsrecht 85 (92 ff). So auch Tichy, öarr 2008, 266 (270); Greiner, DB 2010, 1940 (1941 f). 42 Greiner, DB 2010, 1940 (1942). 43 Vgl dazu auch Greiner, DB 2010, 1940 (1940 ff). 44 Weitere Bsp wären Haartracht, traditionellen Stammestätowierungen oder Gesichtsnarben (Sturm, Der europarechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz 162). 45 Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 69 f; Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 21; Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 14; Mörsdorf, Ungleichbehandlung als Norm 205. 46 Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 67 ff.
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20 Dasselbe gilt uE auch für die Muttersprache, da diese zwar nicht immer, faktisch aber fast immer (vgl dazu Rz 6) mit der ethnischen Zugehörigkeit verknüpft ist.47 21 § 20 GlBG regelt allerdings Ausnahmefälle, in denen Ungleichbehandlungen aufgrund von Merkmalen, die mit der ethnischen Zugehörigkeit zusammenhängen, zu keiner Diskriminierung führen, wenn das geforderte Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt (vgl § 20 Rz 3).
2. Religion und Weltanschauung 22 Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund von Religion oder Weltanschauung liegt insb dann vor, wenn eine Person gerade wegen ihres Bekenntnisses zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung benachteiligt wird. Das Diskriminierungsverbot aufgrund der Religion oder Weltanschauung schließt aber auch den Fall ein, dass eine Person ungünstiger behandelt wird, weil sie sich (ausdrücklich) zu keiner Religion oder Weltanschauung bekennt.48 Die RL verbietet es, Religion als Differenzierungskriterium zu gebrauchen, sei es, dass eine solche ausdrücklich verlangt wird, sei es, dass sie ausdrücklich abgelehnt wird. Geschützt sind dabei sowohl die formale Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft als auch der bloß faktische Glaube.49 Sowohl eine Benachteiligung wegen Zugehörigkeit zur „falschen“ Religion als auch wegen Nichtzugehörigkeit zur „richtigen“ Religion werden erfasst, ebenso die Benachteiligung eines AN, der „zu religiös“ oder „zu wenig religiös“ ist oder der „falschen“ Strömung innerhalb einer Religion angehört.50 Es ist nicht erforderlich, dass der betreffende AN die Religion oder Weltanschauung in einer gewissen Mindestintensität verfolgt. Diese Mindestintensität ist nur bezogen auf die betreffende Anschauung erforderlich, um diese als Religion qualifizieren zu können (§ 17 Rz 30 f). Ist die Qualifikation als Religion einmal geglückt, ist der Anwendungsbereich des GlBG eröffnet und die betreffende Anschauung ist zu ignorieren. Auch ein „Taufscheinchrist“ wird wegen seiner Reli47 Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 80. AA Köck, ZAS 2018, 137 (147); Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 55; LVwG Tirol 14.1.2014, 2013/23/3455-2. 48 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 23. 49 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 204. 50 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 206 f.
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gion benachteiligt, wenn er als Christ benachteiligt wird oder weil er nicht gläubig genug ist. Wenn selbst eine Benachteiligung aufgrund eines vermuteten, tatsächlich aber nicht vorliegenden Merkmals eine unmittelbare Benachteiligung begründet, dann muss eine Benachteiligung wegen eines schwach ausgeprägten Merkmals erst recht eine unmittelbare Benachteiligung begründen.51 MaW wird der religiöse Status einer Person umfassend geschützt. Da 23 die RL 2000/78/EG und dementsprechend auch das GlBG keinen Schutz bestimmter religiöser Gemeinschaften schaffen wollen, ist es in der Praxis für die unmittelbare Benachteiligung idR nicht notwendig, einzelne Gruppen abzugrenzen und zu definieren. Daneben ist auch das benachteiligende Anknüpfen an ein Sichtbarma- 24 chen des religiösen Status durch das Tragen religiöser Symbole als unmittelbare Benachteiligung zu qualifizieren (zB Benachteiligung wegen des Tragens eines Kopftuchs). Nach den Mat fällt das Tragen religiöser Symbole und Kleidungsstücke (zB Turbane der Sikhs) in den Schutzbereich des § 17 GlBG, da aus den Kleidungsstücken eine bestimmte Religionszugehörigkeit der Träger/innen abgeleitet bzw diese als Ausdruck einer bestimmten Religion aufgefasst werden.52 Der Formulierung der Mat ist zu entnehmen, dass der Schutzbereich weit verstanden werden soll. Die hA geht heute daher zutr davon aus, dass eine Benachteiligung aufgrund des Tragens eines religiösen Symbols als unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion zu qualifizieren ist.53 Einerseits trifft eine solche Benachteiligung typischerweise nur Angehörige jener Religion, der das betreffende Symbol entstammt (Benachteiligung einer Teilgruppe). Andererseits ist das Merkmal Religion so auszulegen, dass nicht nur die innere Überzeugung geschützt ist, sondern auch die Ausübung der Religion.54 Wird eine Muslima benachteiligt, weil sie das islamische Kopftuch trägt, so kommt eine solche Be51 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 207; Risak in FS Löschnigg 325 (335 f) für die Mitgliedschaft in einer politischen Partei. AA Egger, ASoK 2018, 346 (349 [Fn 33], 351). 52 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. 53 OGH 25.5.2016, 9 ObA 117/15v; EuGH 14.3.2017, C-188/15, Bougnaoui Rz 34; Berka, DRdA 2017, 247 (251 ff); Hopf, ZAS 2018, 112 (115 ff); Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 17 Rz 15; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 36. 54 Dullinger in Kietaibl/Resch, Diskriminierung – Schutz und Folgen im Arbeitsrecht 17 (21 f).
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nachteiligung zwar nicht allen, aber doch nur Muslimen gegenüber in Betracht (Teilgruppe) und wird an eine Religionsausübung angeknüpft, die vom sensiblen Merkmal Religion umfasst ist.55 Ob das Tragen der betreffenden Symbole religiös verpflichtend ist und/oder als Verpflichtung empfunden wird, ist für keinen der beiden Begründungsansätze entscheidend.56 25 Damit eine nach dem GlBG geschützte Religionsausübung vorliegt, muss der betreffende AN aber subjektiv in der Absicht handeln, seine Religion auszuüben, und das betreffende Verhalten muss objektiv als religiös erkennbar oder einer bestimmten Religion zuordenbar sein (Rz 26). Handelt der AN nicht in der Absicht durch das Tragen des religiösen Symbols seine Religion zum Ausdruck zu bringen, kann er sich einerseits nicht auf den Schutz der Religionsausübung berufen. Andererseits befindet er sich dadurch auch nicht in einer vergleichbaren Lage mit jenen AN, die ihre Religion ausüben wollen. Daher ist weder eine Weisung eine bloß aus modischen Gründen getragene Kreuzkette abzulegen,57 noch das Verbot, Symbole einer Religion zu tragen, der der betreffende AN nicht angehört,58 eine unmittelbare Benachteiligung. 26 Ist das betreffende Verhalten objektiv nach außen hin keiner Religion zuordenbar, so kann zwar eine von Art 9 EMRK geschützte Religionsausübung vorliegen, es mangelt idR jedoch an einer Benachteiligung aufgrund der Religion. Daher ist bspw das allgemeine Verbot weite Kleidung zu tragen auch dann keine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion, wenn der betreffende AN weite Kleidung aus religiösen Gründen tragen will oder muss. Menschen aller Religionen tragen weite Kleidung, alle Religionen und auch nicht religiöse Menschen sind von diesem Verbot faktisch betroffen. Auch eine Benachteiligung von Vegetariern stellt etwa keine unmittelbare Benachteiligung von Buddhisten dar, auch wenn die vegetarische Ernährung eine geschützte Religionsausübung des Buddhismus sein kann.59 Menschen aller Reli55 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 258 ff. 56 OGH 25.5.2016, 9 ObA 117/15v; Berka, DRdA 2017, 247 (252); A. Potz, öarr 2016, 407 (428 f). 57 Mazal, ZAS 2018, 100 (102). Vgl auch Hopf, ZAS 2018, 112 (115). 58 Dullinger in Kietaibl/Resch, Diskriminierung – Schutz und Folgen im Arbeitsrecht 17 (23). 59 EGMR 7.12.2010, 18429/06, Jakobski/Polen Rz 45.
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gionen und auch nicht religiöse Menschen sind Vegetarier und somit potentiell von der Benachteiligung betroffen.60 Eine Kündigung wegen des Einhaltens des Ramadan ist hingegen als unmittelbare Benachteiligung zu qualifizieren, wenn andere Arten des Fastens nicht erfasst sind.61 Dass nicht jede Vorgabe des AG, die dazu führt, dass der AN irgend- 27 eine Religionsausübung zu unterlassen hat, eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion ist, liegt damit auf der Hand.62 Es ist im Einzelfall genau zu untersuchen, ob eine Benachteiligung an die Religionsausübung anknüpft oder ob ein „allgemeines“ nicht diskriminierendes Vorgehen vorliegt. Verbietet der AG bspw einem AN das Aufstellen eines Kreuzes am Schreibtisch, so ist zu differenzieren. Sind generell private Gegenstände am Schreibtisch verboten, so liegt keine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion vor. Soll hingegen nur das Aufstellen des Kreuzes verboten sein, so liegt eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion vor. Das Verbot von Privatverrichtungen während der Arbeit diskriminiert niemanden unmittelbar, das Verbot zu beten diskriminiert jedoch unmittelbar aufgrund der Religion, wenn andere Privatverrichtungen erlaubt sind.63 Entgegen der Judikatur des EuGH64 liegt auch bei einem Verbot, am 28 Arbeitsplatz jegliche sichtbare Zeichen der politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugung zu tragen oder jeglichen sich daraus ergebenden Ritus zum Ausdruck zu bringen (Allgemeine Neutralitätspolitik), eine unmittelbare Benachteiligung vor, weil AN mit einer Religion bzw einer Weltanschauung gegenüber AN ohne Religion und Weltanschauung benachteiligt werden. Letztere können von dem Verbot nicht betroffen sein, es sind daher entgegen der Ansicht des EuGH nicht alle AN gleichermaßen von dem Verbot betroffen.65 Auch den Ausführungen des EuGH zur Rechtfertigung einer allfälligen mittel60 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 295. 61 Vgl dazu GBK II/101/10. Zur arbeitsrechtlichen Relevanz des Fastens vgl Wiesinger, RdW 2013, 218. 62 Vgl zum Zusammenspiel von freiheitsrechtlichen und gleichheitsrechtlichen Aspekten Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 116 ff. 63 Vgl dazu Berka, DRdA 2017, 247 (253); Dullinger in Kietaibl/Resch, Diskriminierung – Schutz und Folgen im Arbeitsrecht 17 (20). 64 EuGH 14.3.2017, C-157/15, Achbita Rz 29 ff. 65 Ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 389 ff; im Ergebnis zustimmend Schinkele, ecolex 2017, 739 (741); Kovács, ASoK 2016, 440 (445). AA Berka,
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baren Benachteiligung ist nicht zu folgen. Die Abwesenheit von Religion und Weltanschauung ist kein legitimes Ziel, sie ist aber jedenfalls nicht verhältnismäßig ieS – zumindest, wenn man die Religionsfreiheit bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ausblendet,66 die nach der Rsp des EGMR auch der Schaffung von Pluralismus und Toleranz dienen soll.67 Mit einem Teil der Lit könnte man darin auch eine (verdeckte) Erfüllung diskriminierender Kundenwünsche (dazu § 20 Rz 19 ff) sehen.68 Der EuGH hat jüngst in der Rs WABE die Anforderungen an eine zulässige allgemeine Neutralitätspolitik erhöht bzw präzisiert.69 29 Im Gegensatz zu einem Verbot der Religionsausübung liegt bei einem Gebot zur Religionsausübung (bspw Weisung ein religiöses Symbol zu tragen) keine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion vor. Ein solches Gebot trifft weder ausschließlich eine bestimmte Religion noch areligiöse AN. Vielmehr werden sich unter den AN jeder Religion und unter den areligiösen AN sowohl Personen finden, die das Befolgen des Gebots ablehnen, als auch Personen, die dem Gebot gleichgültig gegenüberstehen. Allerdings ist ein solches Gebot aus der Perspektive des Persönlichkeitsschutzes einer besonders strengen Rechtfertigungsprüfung zu unterziehen.70 30 Eine unmittelbare Benachteiligung liegt weiters vor, wenn in einer vergleichbaren Situation die Wünsche einer spezifischen Gruppe berücksichtigt werden, die Wünsche der anderen Gruppe jedoch nicht.71 Werden den Angehörigen einer Religion die erforderlichen Pausen für Gebete oder ähnliches zugestanden, den Angehörigen einer anderen Religion vergleichbare Wünsche aber versagt, so wäre dies als unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion zu qualifizieren.72
DRdA 2017, 247 (254); Karl in FS Bittner 297 (300); Gerhartl, RdW 2007, 676 (678). 66 Vgl dazu Berka, DRdA 2017, 247 (257); A. Potz, JAS 2017, 257 (259 ff); Ulrich, öarr 2017, 560 (564 ff). 67 EGMR 25.5.1993, 14307/88, Kokkinakis/Griechenland Rz 31; 15.2.2001, 42393/98, Dahlab/Schweiz; 10.11.2005, 44774/98, Leyla Sahin/Türkei Rz 104. 68 Suppan, JAP 2018/2019, 25 (27 f); Kalb/Wakolbinger, JAS 2017, 154 (162). 69 EuGH 15.7.2021, C-804/18, WABE. 70 Ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 280 f, 371. 71 So zu Recht ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. 72 Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 17 GlBG Rz 16.
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Auch die Auswahl überwiegend christlicher Feiertage und des Sonn- 31 tags als wöchentlicher Ruhetag steht auf den ersten Blick in Verdacht, diskriminierend zu sein. Unabhängig von einer Religionszugehörigkeit erklärt § 7 Abs 2 ARG den 1. 1. (Neujahr), 6. 1. (Heilige Drei Könige), Ostermontag, 1. 5. (Staatsfeiertag), Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. 8. (Mariä Himmelfahrt), 26. 10. (Nationalfeiertag), 1. 11. (Allerheiligen), 8. 12. (Mariä Empfängnis), 25. 12. (Christtag), 26. 12. (Stephanstag) zu Feiertagen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die gewählten Feiertage in Österreich auch kulturell geprägt sind und viele davon mit der Zeit eine von der Religion losgelöste Bedeutung gewonnen haben (insb Ostern, Weihnachten, Neujahr). Religiöse Feiertage anderer Religion konnten eine vergleichbare gesellschaftliche Bedeutung in Österreich nicht erreichen. Sie sind mit den gewählten (christlichen) Feiertagen daher nicht vergleichbar, was eine Diskriminierung ausschließt.73 Unzulässig wäre es hingegen grds, Feiertage nur für die Angehörigen 32 einer bestimmten Religion vorzusehen. Aus diesem Grund war auch § 7 Abs 3 ARG aF unionsrechtswidrig.74 Dieser erklärte den Karfreitag nur für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Methodistenkirche zum Feiertag. Die finanziellen Auswirkungen dieser Ungleichbehandlung liegen nicht nur darin, dass dem AN Entgeltfortzahlung gebührt, ohne dass er eine Arbeitsleistung zu erbringen hat, sondern auch darin, dass er, sollte er an diesen Tagen arbeiten, Zuschläge für Feiertagsarbeit erhält.75 Nachdem der EuGH die diskriminierende Wirkung von § 7 Abs 3 ARG aF festgestellt hatte, wurde dieser vom Gesetzgeber aufgehoben.76 Nun73 Ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 879 ff. Zum gleichen Ergebnis kommt auch Wanderer, RdW 2013, 283 (283). AA Wieshaider, öarr 2008, 279 (281 ff). Vgl zur „Säkularisierung“ christlicher Feste auch Löschnigg, DRdA 2019, 502 (505) mwN. 74 EuGH 22.1.2019, C-193/17, Cresco Investigation Rz 35 ff; Mayr, ecolex 2004, 428 (429 f); Pfeil in ZellKomm3 § 8 ARG Rz 4; Wanderer, RdW 2013, 283 (283); A. Potz, ecolex 2017, 743 (744 f); Burger-Ehrnhofer, ASoK 2019, 82 (84); Dullinger, ZAS 2019, 183 (188 ff); Haider, ARD 6638/4/2019 (5); Haider, ecolex 2019, 352 (352 ff); Bertsch/Wiedemann, JAP 2018/2019, 223 (224 ff). AA Mazal, ZAS 2016, 272 (279 f); Karl, RdW 2016, 615 (615 ff). 75 Zur Bedeutung dieses Umstandes Dullinger, ZAS 2019, 183 (188). 76 BGBl I 22/2019. Problematisch ist dabei vor allem die Bestimmung des § 33a Abs 28, nach der „Bestimmungen in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die nur für Arbeitnehmer, die den evangelischen Kirchen AB und HB,
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mehr steht jedem AN ein „persönlicher Feiertag“ zu (§ 7a ARG).77 Dieser ist aus gleichbehandlungsrechtlicher Sicht unproblematisch.78 Aus gleichbehandlungsrechtlicher Sicht problematisch bleiben jedoch KollV, die Feiertage für AN bestimmter Religionen vorsehen.79 33 Gleichbehandlungsrechtlich problematisch ist auch § 8 ARG, der AN, die während der Wochenend- oder Feiertagsruhe beschäftigt werden, die notwendige Freizeit zur Erfüllung religiöser Pflichten gewährt, wenn dies mit den Erfordernissen des Betriebs vereinbar ist. Durch das Abstellen auf Wochenend- oder Feiertagsruhe nutzt diese Regelung iE nur bestimmten Religionen (insb christlichen) anderen jedoch nicht. Durch das Abstellen auf konkrete religiöse Bedürfnisse befinden sich jedoch alle AN, bei denen solche mit der Arbeitspflicht kollidieren in einer vergleichbaren Lage. Dieser Umstand stützt daher die auf Bestimmungen des AZG und die Fürsorgepflicht gestützte Ansicht, dass bei einer zeitlichen Kollision zwischen religiösen Verpflichtungen des AN und den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen immer eine Interessenabwägung vorzunehmen ist.80 34 Auch in Bezug auf Weltanschauungen ist genau zu prüfen, woran bei der potenziellen Diskriminierung angeknüpft wird. Denkbar sind insb Benachteiligungen allein wegen des „Habens“ einer bestimmten Weltanschauung; wegen der Äußerung dieser Weltanschauung im Privatbereich; wegen der Äußerung am Arbeitsplatz; wegen insistierender Versuche, Arbeitskollegen für die eigene Weltanschauung zu gewinnen; der Altkatholischen Kirche oder der Evangelisch-methodistischen Kirche angehören, Sonderregelungen für den Karfreitag vorsehen, […] unwirksam und künftig unzulässig [sind].“ Einerseits erfasst diese Bestimmung nur den Karfreitag und nicht bspw auch den Versöhnungstag, weil eine Analogie uE mangels einer unbeabsichtigten Lücke ausscheidet (so offenbar auch Gleißner, ZAS 2019, 95; Firneis/Unterrieder, RdW 2019, 249 [250]), andererseits greift diese Bestimmung unmittelbar in KollV ein (vgl dazu bspw Ettl, DRdA-infas 2019, 235 [237 f]; aA Wiesinger, ZAS 2019, 160 [162]). Vgl dazu auch VfGH 10.3.2020, G 228/2019. 77 Vgl dazu Wiesinger, ZAS 2019, 160; Haider, ecolex 2019, 352 (353 f); Friedrich, ASoK 2019, 202; Glowacka, ASoK 2019, 122; Firneis/Unterrieder, RdW 2019, 249. 78 Ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 898 ff. AA Erler, ecolex 2019, 350. 79 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 901 ff. 80 Ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 864 ff, 907 ff. Vgl dazu auch Löschnigg, DRdA 2019, 502 (506).
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wegen eines von der Weltanschauung „geforderten“ Verhaltens gegenüber Arbeitskollegen, Kunden oder Geschäftspartnern. Während in der ersten Variante regelmäßig eine unmittelbare Benachteiligung gegeben sein wird, kann eine solche in den anderen Varianten ausgeschlossen sein, wenn der AG sich bspw auf eine – ungeschriebene oder von ihm aufgestellte – allgemeine Regel beruft, aus der die Benachteiligung „ableitbar“ ist. Eine derartige Regel wäre zB, dass die Loyalität zum AG insb nicht durch öffentliche Kritik am AG und den Grundlinien seiner „(Geschäfts-)Politik“ in Zweifel gezogen werden dürfe. Die Normen zur mittelbaren Diskriminierung geben dann den Rahmen vor, in dem diese Regel (sachliche Rechtfertigung durch rechtmäßiges Ziel) und deren Anwendung (Angemessenheit und Erforderlichkeit zur Zielerreichung) überprüft werden.81
3. Alter Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters liegt jedenfalls 35 dann vor, wenn ein AN aufgrund seines Lebensalters in einer vergleichbaren Situation gegenüber einer anderen Person benachteiligt wird. Grds setzen sich daher Regelungen, die unmittelbar an das Lebensalter der AN anknüpfen, dem Verdacht einer unmittelbaren Diskriminierung aus. IdS halten die Mat fest, dass Vorschriften unzulässig sein sollen, die insb den Einstieg in eine bestimmte Laufbahn nur bis zu einem bestimmten Lebensalter gestatten.82 Als Maßnahmen, die potenziell unmittelbar diskriminieren, kommen 36 in Betracht: Ein AG will nur jüngere oder ältere Personen einstellen;83 er beendet Arbeitsverträge zu AN, weil diese ein bestimmtes Alter erreicht haben oder einen Pensionsanspruch erworben haben;84 er differenziert bei den Leistungen nach dem Lebensalter (zB Geburtstagsprämie). Auch eine Benachteiligung aufgrund der „Pensionsnähe“ bspw beim Entgelt oder der Beförderung sind als unmittelbare Benachteiligung zu qualifizieren.85 Auch die Frage des AG nach dem Lebensalter kann im Rahmen des Einstellungsverfahrens unzulässig sein, so81 Rebhahn, DRdA 2011, 38 (40 f). 82 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. 83 EuGH 12.1.2010, C-229/08, Wolf Rz 28 f; OGH 29.1.2013, 9 ObA 154/12f. 84 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 43 ff; 12.10.2010, C-45/09, Rosenbladt Rz 36 f. 85 GBK II/29.
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lange kein Rechtfertigungsgrund für eine Differenzierung nach dem Alter gegeben ist.86 Allerdings wird dieses regelmäßig aus diversen Urkunden (Zeugnisse udgl) ersichtlich sein.87 Ist der Arbeitsvertrag bereits abgeschlossen, muss der AG die Geburtsdaten seiner AN schon durch die Sozialversicherungsnummer des AN erfahren. 37 Die in der Praxis wohl am häufigsten anzutreffende Form der unmittelbaren Benachteiligung aufgrund des Alters ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Pensionsantrittsalter oder mit Erwerb eines Pensionsanspruchs. Da beide Umstände untrennbar mit dem Alter verbunden sind, liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor.88 38 Aber nicht nur das benachteiligende Anknüpfen an das aktuelle Lebensalter ist als unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters zu qualifizieren. So ist nach der Rsp des EuGH auch eine unterschiedliche Behandlung von Vordienstzeiten nach dem (Lebens-)Alter, mit welchem diese erworben wurden, als unmittelbare Benachteiligung zu werten.89 Auf diese Weise ist eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters zwischen zwei gleich alten Personen möglich. Rebhahn erkennt darin eher eine Ausprägung des Gleichheitssatzes als des Diskriminierungsverbots.90 39 Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters könnte man auch bei einem Anknüpfen an ein bestimmtes Ausmaß an Berufserfahrung sehen. Während das Fehlen (einschlägiger) Berufserfahrung in jedem Lebensalter vorkommen kann (bspw durch berufliche Veränderungen), ist es für einen sehr jungen AN unmöglich über bspw 10 Jahre Berufserfahrung zu verfügen.91 In vergleichbarer Weise hat der EuGH den Ausschluss von AN von einer Entlassungsabfindung allein aus dem Grund, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Entlassung eine Altersrente beziehen können, die ein Mindestalter voraussetzt, als unmittelbare Benachteiligung qualifiziert, weil sich der Ausschluss auf ein Kriterium 86 Weber, AuR 2002, 401 (404); Risak, ZAS 2014, 124 (128). Die GBK scheint die Frage nach dem Alter zumindest als Indiz für eine Diskriminierung zu werten (GBK I/54/06-M). 87 Resch, RdW 2010, 683 (684). 88 OGH 18.8.2016, 9 ObA 106/15a; EuGH 12.10.2010, C-499/08 Andersen Rz 23. 89 EuGH 18.1.2009, C-88/08, Hütter Rz 38. 90 Rebhahn, DRdA 2011, 342 (344). 91 Vgl dazu Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 14.
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stützt, das untrennbar mit dem Alter der AN verbunden ist.92 Auch eine Benachteiligung bei der Entlassungsabfindung aufgrund eines Anspruchs auf eine Volksrente, die ein Mindestalter voraussetzt, wurde als unmittelbare Benachteiligung qualifiziert.93 Bei einem Ausschluss von Personen im Ruhestand von einer Ausschreibung ging der EuGH hingegen vom Vorliegen einer bloß mittelbaren Benachteiligung aus.94 Zu berechtigten Differenzierungen nach dem Alter der AN vgl § 20.
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4. Sexuelle Orientierung Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientie- 41 rung liegt jedenfalls dann vor, wenn die sexuelle Orientierung als solche als Anknüpfungspunkt einer Benachteiligung dient. Dasselbe gilt auch für den Fall, dass nicht an die Orientierung als solche, sondern an das entsprechende Verhalten angeküpft wird (siehe § 17 Rz 47). Für die Frage, ob eine Benachteiligung aufgrund anderer sexueller Präferenzen eine unmittelbare Benachteiligung begründet vgl § 17 Rz 49. In den Mat zum GlBG wird die Auffassung vertreten, dass die Benach- 42 teiligung homosexueller Lebensgemeinschaften gegenüber heterosexuellen Lebensgemeinschaften unzulässig sei. Betriebliche Sozialleistungen dürften daher bspw entweder nur allen eheähnlichen Gemeinschaften zustehen oder nur an Ehepaare geleistet werden.95 Dieser Auffassung ist zweifellos zuzustimmen.96 Weder mangelt es an der Vergleichbarkeit homosexueller und heterosexueller Paare, noch ist eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ersichtlich. In einer unterschiedlichen Behandlung hetero- und homosexueller Lebensgemeinschaften durch einen AG, wie bspw im Sachverhalt Grant geschehen,97 muss daher eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes gesehen werden.98 Dass der EuGH in der Rs Grant keine Benachteiligung feststellen konnte, steht dem nicht entgegen, weil diese E mangels Verbot 92 EuGH 12.10.2010, C-499/08, Andersen Rz 23 f. 93 EuGH 26.2.2015, C-515/13, Ingeniørforeningen i Danmark Rz 15 f. 94 EuGH 2.4.2020, C-670/18, CO Rz 26. 95 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. 96 Egger, DRdA 2003, 302 (305); Winkler, ZAS 2004, 52 (56). 97 EuGH 17.2.1998, C-249/96, Grant. 98 Egger, DRdA 2003, 302 (305); Karl in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 43 (52); Winkler, ZAS 2004, 52 (56); WindischGraetz, ZAS 2004, 58 (60).
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der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zu dem gegebenen Zeitpunkt lediglich aus der Perspektive einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts getroffen wurde. 43 Schwieriger zu beurteilen ist das Anknüpfen an Ehe und Eingetragene Partnerschaft (EP). Nach ErwG 22 RL 2000/78/EG lässt diese Richtlinie die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über den Familienstand und davon abhängige Leistungen unberührt. Dies entspricht der fehlenden Kompetenz des Unionsgesetzgebers, Regelungen im Bereich des Ehe- und Familienrechts zu treffen. Das EU-Recht überlässt es den Mitgliedstaaten, ihr Familien- und Personenstandsrecht nach den nationalen Gepflogenheiten auszugestalten.99 Die Möglichkeiten, heterobzw homosexuelle Partnerschaften neben der Ehe registrieren zu lassen bzw die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare, sind in den einzelnen Mitgliedstaaten von einer großen Vielfalt gekennzeichnet100 und ständigen Veränderungen unterworfen. 44 Selbst wenn Angelegenheiten in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, ist jedoch der vom EuGH herausgearbeitete Grundsatz zu beachten, dass die Mitgliedstaaten bei Ausübung dieser ihrer Befugnisse dennoch das Unionsrecht beachten müssen. IdS lässt zwar das Unionsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt; gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht beachten.101 So fällt etwa die Einhebung der direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; dennoch haben diese ihre Kompetenzen unter Wahrung des Unionsrechts auszuüben und müssen deshalb insb jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen.102 Daher ist auch im Hinblick auf die Regelungskompetenz bezüglich des Familienstandsrechts der Mitgliedstaaten zu überlegen, inwieweit das Unionsrecht dennoch zu beachten ist. 45 Zum Zeitpunkt der Einführung des geschützten Merkmals sexuelle Orientierung gab es in Österreich lediglich die Ehe für verschiedengeschlechtliche Paare und keine EP. Die Mat sahen daher – wie bereits gesagt – vor, dass bspw betriebliche Sozialleistungen entweder allen 99 Karl in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 43 (58); EuGH 10.5.2011, C-147/08, Römer Rz 38. 100 EuGH 31.5.2001, C-122/99 P, C-125/99 P, Schweden/D und Rat Rz 50. 101 EuGH 28.4.1998, C-158/96, Kohll Rz 17 ff. 102 EuGH 14.2.1995, C-279/93, Schumacker Rz 21 ff.
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eheähnlichen Gemeinschaften zustehen müssen oder nur an Ehepaare geleistet werden dürften.103 Eine Privilegierung der Ehe war nach den Mat damit weiterhin zulässig.104 Diese Privilegierung der Ehe könnte jedoch zu einer unmittelbaren Be- 46 nachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung führen, weil diese Privilegierung nur heterosexuellen AN zuteilwird (wenn auch nicht allen), homosexuelle AN davon jedoch ausgeschlossen sind (vgl Rz 7). Die Differenzierung ist dennoch zulässig, sofern zwischen der Ehe und einer sonstigen Lebensgemeinschaft Unterschiede bestehen, die die Vergleichbarkeit dieser Formen des Zusammenlebens ausschließen. Dies ist in Hinblick auf jede Leistung gesondert zu beurteilen. Zu fragen ist, ob mit der Differenzierung den rechtlichen Unterschieden zwischen der Ehe einerseits und einer Lebensgemeinschaft andererseits Rechnung getragen wird. So befasste sich der EuGH in der Rs Maruko mit der Benachteiligung 47 der Lebenspartnerschaft gegenüber der (deutschen) Ehe beim Zugang zu Hinterbliebenenleistungen. Darin liege eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung, falls sich herausstellen sollte – was zu beurteilen Sache des nationalen Gerichts sei – dass Lebenspartnerschaft und Ehe vergleichbar sind.105 In der Rs Römer, der ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag, präzisierte der EuGH diese Anforderung dahingehend, dass die Situationen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein müssen und dass die Prüfung dieser Vergleichbarkeit nicht allgemein und abstrakt sein darf, sondern spezifisch und konkret für die betreffende Leistung erfolgen muss. Der Vergleich der Situationen ist auf eine Analyse zu stützen, die sich auf die Rechte und Pflichten verheirateter Personen und eingetragener Lebenspartner konzentriert, die unter Berücksichtigung des Zwecks und der Voraussetzungen für die Gewährung der im Ausgangsverfahren fraglichen Leistung relevant sind, und darf nicht in der Prüfung bestehen, ob die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe im nationalen Recht allgemein und umfassend rechtlich gleichgestellt ist.106 In der Rs Hay, in der eine Benachteiligung des französischen zivilen Solidaritätspaktes 103 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. 104 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 15. Vgl dazu auch Windisch-Graetz, ZAS 2004, 58 (60 f). 105 EuGH 1.4.2008, C-267/06, Maruko Rz 65 ff. 106 EuGH 10.5.2011, C-147/08, Römer Rz 42 f.
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(PACS) gegenüber der Ehe zu beurteilen war, beurteilte der EuGH die Vergleichbarkeit selbst und bejahte folglich eine unmittelbare Benachteiligung.107 48 Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber für gleichgeschlechtliche Paare die EP eingeführt. Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung kam sodann insb bei einer Benachteiligung der EP gegenüber der Ehe in Betracht.108 Voraussetzung einer Diskriminierung war aber auch hier die Vergleichbarkeit von Ehe und EP. Da die EP trotz einiger Unterschiede (von denen einige mittlerweile aufgehoben wurden)109 der Ehe deutlich näher steht als einer Lebensgemeinschaft, ist grds vom Vorliegen dieser vergleichbaren Lage auszugehen.110 49 Da nach einer Entscheidung des VfGH111 nunmehr beide Rechtsinstitute sowohl gleichgeschlechtlichen als auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen stehen, ist eine Benachteiligung der EP oder der Ehe heute nicht mehr als unmittelbar an die sexuelle Orientierung anknüpfend zu qualifizieren (zum Vorliegen einer mittelbaren Benachteiligung vgl Rz 78).112 Würde hingegen nur die EP sowohl gleichgeschlechtlichen als auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen stehen, die Ehe aber weiterhin nur verschiedengeschlechtlichen Paaren, würde eine unmittelbare Benachteiligung vorliegen.113 Zu beachten ist idZ jedenfalls auch § 3 GlBG, der ein benachteiligendes Anknüpfen an den Familienstand grds ausdrücklich verbietet. 50 Nachteile, die sich daraus ergeben, dass früher keine EP möglich war oder die Ehe geleichgeschlechtlichen Paaren nicht offen stand, begründen keine Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung oder des Alters, sofern die Rechtslage in der Vergangenheit nicht diskriminierend war.114 107 EuGH 12.12.2013, C-267/12, Hay Rz 36 ff. 108 Mit ausf Begründung Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 169; A. Potz, RdW 2008, 405 (408). EuGH 10.5.2011, C-147/08, Römer Rz 52; 12.12.2013, C-267/12, Hay Rz 41, 44. 109 Vgl Schrittwieser, DRdA 2014, 613 (615). 110 Vgl dazu Mazal, iFamZ 2010, 99 (100 f). 111 VfGH 4.12.2017, G 258/2017. 112 Zur deutschen Rechtslage Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 27. 113 EuGH 12.12.2013, C-267/12, Hay Rz 36, 41. 114 EuGH 24.11.2016, C-443/15, Parris.
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Ein weiterer Fall einer unmittelbaren Benachteiligung aufgrund der se- 51 xuellen Orientierung liegt im Falle einer Kürzung der Ruhestandsbezüge durch ein Disziplinarerkenntnis, wenn dieses auf eine Bestimmung des Strafrechts gestützt wird, nach der für einen Volljährigen homosexueller Sex mit Männern unter 18 gerichtlich strafbar ist, während in anderen Fällen das Mindestalter nur 14 Jahre beträgt.115 Daraus folgt uE aber nicht, dass jedes Anknüpfen an eine Vorstrafe als unmittelbare Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung zu qualifizieren wäre. Einerseits knüpfte das Disziplinarerkenntnis nicht an den bloßen Umstand (irgendeiner) Vorstrafe an, sondern an die konkrete Tat, andererseits diskriminierte die entsprechende Strafbestimmung selbst homosexuelle Männer (die Bestimmung wurde vom VfGH wegen Unsachlichkeit aufgehoben116). Weigert sich ein AG daher völlig undifferenziert AN mit Vorstrafen einzustellen, so liegt darin auch dann keine unmittelbare Benachteiligung, wenn der konkrete Bewerber eine Vorstrafe mit Bezug zu seiner sexuellen Orientierung hat.117
III. Mittelbare Benachteiligung Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach 52 neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die eines der in § 17 genannten Merkmale in sich tragen, gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, es gibt eine sachliche Rechtfertigung für das Unterscheidungskriterium und dieses genügt den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Bei der mittelbaren Benachteiligung ist das sensible Merkmal kein Entscheidungskriterium, sie ergibt sich vielmehr aus den faktischen Folgen einer anderweitig getroffenen Entscheidung. Sofern überwiegend gruppenangehörige Personen von der nachteiligen Wirkung betroffen sind, ist zu vermuten, dass gerade die Gruppenzugehörigkeit die maßgebliche Ursache der Benachteiligung ist.118 Auf die Beweggründe des AG und auf einen Kausalzusammenhang zwischen geschütztem Merkmal und benachteiligender Maßnahme kommt es dabei nicht an.119 115 EuGH 15.1.2019, C-258/17, E.B. Rz 59 ff. 116 VfGH 21.6.2002, G 6/02. 117 Offenbar aA Thüsing in MüKoBGB9 § 1 AGG Rz 54. 118 Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 3 AGG Rz 17; Schlachter in ErfK22 § 3 AGG Rz 9; EuGH 16.7.2015, C-83/14, CHEZ Rz 96. 119 Baumgärtner in BeckOGK § 3 AGG Rz 61; Rebhahn/Kietaibl, RW 2010, 373 (388 ff).
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53 Grundlage jeder mittelbaren Benachteiligung ist der Vergleich verschiedener Gruppen.120 Statistische Beweise sieht das Gesetz dafür mittlerweile nicht mehr vor, wenngleich die Verwendung von Statistiken weiterhin zulässig ist.121 Damit wurden die Anforderungen an den Beweis der benachteiligenden Wirkung gesenkt. Die EU-Kommission begründet dies in ihrem Memorandum zur RL 2000/43/EG mit Problemen, die es in manchen Mitgliedstaaten mit der Erhebung von „Rassenstatistiken“ gibt. Die neue Definition lehnt sich an das Verständnis des EuGH von mittelbarer Diskriminierung iZm den Grundfreiheiten an: Der EuGH entschied in der Rs O’Flynn,122 dass eine mittelbare Diskriminierung vorliegt, wenn allgemein anwendbare Regelungen aufgestellt werden, die sich ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeitnehmer auswirken und folglich die Gefahr besteht, diese Personen besonders zu benachteiligen. Es brauche nicht festgestellt zu werden, dass die in Rede stehende Vorschrift in der Praxis einen wesentlich größeren Anteil der Wanderarbeitnehmer betrifft. Es genüge die Feststellung, dass die betreffende Vorschrift geeignet ist, eine solche Wirkung hervorzurufen. Statt des streng statistischen Beweises kann nun auch auf andere Art plausibel gemacht werden, dass eine bestimmte Personengruppe nachteilig betroffen ist. Dafür kann Alltagserfahrung genügen. 54 Verlangt das Gesetz, dass die anscheinend neutralen Kriterien bestimmte Personengruppen in besonderer Weise benachteiligen können, stellt sich die Frage nach der Intensität dieser Betroffenheit. Zu verlangen ist eine enge Korrelation des verwendeten Entscheidungskriteriums mit einem der in § 17 geschützten Merkmale.123 Die Betroffenheit von Personen einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter oder sexuellen Orientierung durch ein anscheinend neutrales Kriterium muss demnach typischerweise höher sein als bei anderen Personen. 55 Im Wesentlichen gelten die gleichen Grundsätze wie bei der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (vgl daher den Komm zu § 5). Eine Abweichung des Gesetzestextes findet sich jedoch in Bezug auf die Vergleichsperson. § 19 Abs 2 stellt nicht wie bei der Geschlechterdiskriminierung darauf ab, dass Personen eines Geschlechts 120 Windisch-Graetz, in Liber Amicorum Mazal 201 (204). 121 Siehe § 5 Rz 30 ff. 122 EuGH 23.5.1996, C-237/94, O’Flynn Rz 18, 21. 123 Siehe § 5 Rz 41.
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gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligt werden, sondern darauf, dass Personen, die einer bestimmten ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen – unspezifiziert – diskriminiert werden. Trotz dieser sprachlichen Unterscheidung muss uE dasselbe gemeint sein: Die Vergleichspersonen, gegenüber denen eine bestimmte Person oder Personengruppe benachteiligt wird, dürfen das betreffende Diskriminierungsmerkmal des § 17 nicht aufweisen. Andernfalls würde das dem Anschein nach neutrale Unterscheidungskriterium eben nicht in besonderer Weise Personen, die eines der in § 17 genannten Merkmale in sich tragen, treffen. Es wäre dann tatsächlich und nicht bloß dem Anschein nach ein neutrales Kriterium. Die diskriminierte Person muss also gegenüber einer Person einer anderen ethnischen Zugehörigkeit, einer anderen Religion oder Weltanschauung, eines anderen Alters oder sexueller Orientierung benachteiligt werden. Zum Sonderfall einer mittelbaren Benachteiligung durch gleiche Ar- 56 beitsbedingungen für alle AN siehe Rz 80 ff.
1. Ethnische Zugehörigkeit Eine allgemein anwendbare Regelung ist – sofern sie nicht gerechtfer- 57 tigt werden kann – diskriminierend, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf AN einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit als auf andere auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie AN einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit besonders benachteiligt.124 Jedenfalls als mittelbare Benachteiligung aufgrund der ethnischen Zu- 58 gehörigkeit ist eine Benachteiligung anknüpfend an die Staatsangehörigkeit zu qualifizieren, weil diese beiden Aspekte stark korrelieren (sofern nicht ohnehin eine unmittelbare Benachteiligung vorliegt, vgl Rz 16).125 Zum Verhältnis Staatsbürgerschaft und GlBG siehe § 17 Rz 23 ff. Sofern man eine Benachteiligung aufgrund der Sprachkenntnisse nicht 59 ohnehin als unmittelbare Benachteiligung erfasst (siehe Rz 20), ist eine solche jedenfalls als mittelbare Benachteiligung aufgrund der ethni124 Vgl EuGH 23.5.1996, C-237/94, O’Flynn. 125 Köck, ZAS 2018, 137 (147).
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schen Zugehörigkeit zu qualifizieren, weil Sprachkenntnisse und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie in vielen Fällen Hand in Hand gehen.126 Verwunderlich erscheint idZ ein Urteil des BAG,127 das ohne überzeugende Begründung und ohne diese Frage dem EuGH vorzulegen, entgegen der hL von der eigenen Judikatur abgewichen ist128 und in einer Benachteiligung aufgrund der Sprachkenntnisse überhaupt keine Benachteiligung aufgrund der Ethnie erkannte. Dieses Urteil ist zurecht auf teils vehemente Kritik in der Literatur gestoßen.129 60 Bei der Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung durch das Erfordernis bestimmter Sprachkenntnisse ist auf die tatsächlichen Erfordernisse der in Aussicht genommenen Beschäftigung abzustellen.130 Perfektes oder gar akzentfreies Deutsch wird nur in absoluten Ausnahmefällen wirklich erforderlich sein. Muttersprache Deutsch ist niemals erforderlich, weil für den AG kein Unterschied zu Deutsch auf muttersprachlichem Niveau besteht.131 61 Auch eine Benachteiligung aufgrund des Geburtslands ist als mittelbare Benachteiligung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit zu qualifizieren. Der EuGH ist in einer nicht das Arbeitsrecht betreffenden Entscheidung zwar zu einem anderen Ergebnis gelangt,132 dass diese Entscheidung aber nicht verallgemeinerbar ist zeigt folgendes Bsp: Sucht ein AG nur Mitarbeiter, die in Europa geboren wurden, so ist offensichtlich, dass die allermeisten „Österreicher“ diese Anforderung erfüllen werden, während ein beachtlicher Teil der „Ausländer“ diese Anforderung nicht erfüllen wird. Es liegt daher unabhängig von den 126 Hey in Hey/Forst, AGG2 § 3 Rz 57 ff; Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 82 f; Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 55; GBK II/228/14. 127 BAG 23.11.2017, 8 AZR 372/16. 128 Nachweise bei Köhlert, NZA 2018, 1172 (1172). 129 Köhlert, NZA 2018, 1172. 130 Hey in Hey/Forst, AGG2 § 7 Rz 87 ff; Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 83; EuGH 28.11.1989, 379/87, Groener Rz 21; GBK I/82/07-M; GBK II/228/14. 131 Vgl Schlachter in ErfK22 § 1 AGG Rz 5; Wakolbinger, Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gemäß § 23 Abs 1 GlBG (2013) 44. AA Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 55. Zur Anforderung „Muttersprache Deutsch“ vgl auch LVwG Innsbruck LVwG2013/23/3455-2 ARD 6394/11/2014. 132 EuGH 6.4.2017, C-668/15, Jyske Finans Rz 26 ff.
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subjektiven Beweggründen des AG eine rechtfertigungsbedürftige mittelbare Benachteiligung vor. Wenig überzeugend ist auch, dass der EuGH bei dem Erfordernis des 62 (deutschen) ersten Staatsexamens nicht einmal von einer mittelbaren Benachteiligung ausgeht. Hier wäre jedenfalls genau zu prüfen gewesen, ob diese Voraussetzung nicht doch von deutschen Bewerbern deutlich häufiger erfüllt wird. Erklären lässt sich dieses Urteil eventuell dadurch, dass die ethnische Zugehörigkeit des in Deutschland lebenden Klägers nicht der Grund dafür war, dass dieser im Ausland studierte, und dass das vorlegende BAG offenbar keinerlei Angaben zur benachteiligenden Wirkung gemacht hatte.133 Auch das Abstellen auf bestimmte kulturelle Fähigkeiten und Kennt- 63 nisse kann mittelbar benachteiligen. Eine Rechtfertigung ist analog zu den Sprachkenntnissen möglich, wenn der Arbeitsplatz solche Fähigkeiten und Kenntnisse erfordert (zB Reiseleiter). Auch eine Benachteiligung aufgrund der Wohnadresse oder Postleit- 64 zahl (vor allem im Bewerbungsverfahren) kann eine mittelbare Benachteiligung verwirklichen. In großen Städten verteilen sich verschiedene ethnische Gruppen idR nicht gleichmäßig auf alle Stadtteile, weshalb die Benachteiligung bestimmter Stadtteile eine oder mehrere Ethnien in besonderer Weise benachteiligen kann. Auch hier ist eine Rechtfertigung insb durch die Erfordernisse des Arbeitsplatzes möglich, bspw die Nähe zum Arbeitsplatz im Falle von Rufbereitschaft. IdZ stellt sich auch die Frage, inwieweit die in Österreich vorherr- 65 schenden Arbeitsbedingungen, die üblicherweise von der Kultur der Mehrheitsgesellschaft geprägt sind, mittelbar Personen anderer ethnischer Zugehörigkeit diskriminieren (vgl Rz 80 ff).
2. Religion und Weltanschauung IdR werden die Rahmenbedingungen für die Erbringung der Arbeits- 66 leistung von der Kultur der Mehrheitsgesellschaft, zusammenfassend könnte man sie in Österreich christlich-mitteleuropäisch nennen, geprägt sein. Angehörige anderer Konfessionen könnten insofern im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen benachteiligt sein. Arbeit am Samstag oder am Freitag belastet Juden oder Moslems. Die Lage der 133 EuGH 15.11.2018, C-457/17, Maniero Rz 45 ff.
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Arbeitszeit und Arbeitspausen kann gläubige Moslems daran hindern, ihre vorgeschriebenen Gebetszeiten einzuhalten. Der Speiseplan der Kantine ist möglicherweise ebenfalls von einem christlichen Weltbild geprägt, sofern es etwa am Freitag statt Fleischspeisen bloß Fisch und Süßspeisen gibt, ansonsten aber jeden Tag Schweinefleisch, was gläubige Moslems beeinträchtigen kann, ganz davon abgesehen, dass gläubige Juden in vielen Kantinen kein koscheres Essen finden werden. Auch Kleidungsvorschriften könnten im Hinblick auf die mittelbare Diskriminierung problematisch sein. So wird sich das Verbot eine Kopfbedeckung zu tragen insb auf Muslimas auswirken.134 Überhaupt kann die Anordnung, eine branchenübliche mitteleuropäische Kleidung zu tragen, mit religiösen Kleidungsvorschriften kollidieren. Dabei werden nicht-christliche Religionen regelmäßig in besonderer Weise betroffen sein. 67 Entscheidend für viele Fälle der potenziellen mittelbaren Benachteiligung aufgrund der Religion ist daher die Frage, ob Arbeitsbedingungen iwS, die für alle AN ident sind und alle AN in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen, als mittelbar benachteiligend qualifiziert werden können, sofern sie die Angehörigen einer bestimmten Religion wesentlich intensiver treffen, als andere AN (siehe Rz 80 ff). Bejaht man diese Frage, so ist davon auszugehen, dass in den eingangs erwähnten Bsp regelmäßig eine mittelbare Benachteiligung vorliegen kann. 68 Aus der Rsp des EuGH, aber auch des EGMR lassen sich Lösungsschemata erarbeiten, um diese Formen mittelbarer Diskriminierung angemessen lösen zu können. Aus der Rs Prais ergibt sich, dass der AG verpflichtet ist, alle sachgerechten Maßnahmen zu treffen, um religiöse Konflikte seiner Mitarbeiter zu vermeiden.135 Der EuGH verlangt im Ergebnis eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Unternehmers an einer funktionierenden Organisation seiner Betriebe und religiösen Interessen seiner AN. Der vom OGH136 entschiedene Fall, dass Gebetsrituale von Moslems während der Arbeitszeit zu einer Kollision mit den betrieblichen Interessen führen, müsste im Anschluss an das Urteil Prais wohl differenzierter begründet werden.
134 Holzleithner, Bekleidungsvorschriften und Genderperformance 49; Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 165 f. 135 EuGH 27.10.1976, 130/75, Prais. 136 OGH 27.3.1996, 9 ObA 18/96.
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Auch der EGMR verlangt im Ergebnis eine solche Interessenabwä- 69 gung. Unabhängig vom Vorliegen einer (mittelbaren) Benachteiligung aufgrund der Religion hat eine solche stattzufinden, wenn der AN durch Vorgaben des AG in seiner Religions(ausübungs)freiheit beschränkt wird. Da diese auch die Befolgung bloßer Gebräuche beinhaltet, ist der Anwendungsbereich denkbar weit. Die Konventionsstaaten haben dabei sicherzustellen, dass zwischen den Interessen des AN und jenen des AG ein angemessener Ausgleich gefunden wird.137 Auch eine Benachteiligungen aufgrund der Geltendmachung eines Ge- 70 wissenskonflikts kann eine mittelbare Benachteiligung sein. Das Gewissen kann zwar unabhängig von Religion und Weltanschauung sein, in der Praxis wird ein Gewissenskonflikt aber häufig religiös oder weltanschaulich geprägt sein.138
3. Alter Wird eine Benachteiligung nicht an das Lebensalter, sondern an dem 71 Anschein nach neutrale Kriterien geknüpft, liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, sofern die Angehörige einer bestimmten Altersgruppe besonders benachteiligt werden. Eine Rechtfertigung der betreffenden Kriterien ist durch ein rechtmäßiges Ziel möglich, wenn die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich sind. Mittelbare Benachteiligungen aufgrund des Alters können ebenso wie 72 mittelbare Benachteiligungen aus anderen Gründen sachlich gerechtfertigt werden, sofern ein legitimes Ziel und Verhältnismäßigkeit gegeben sind. Bei der Ermittlung des legitimen Ziels, das Ungleichbehandlungen rechtfertigen kann, ist auf das Unionsrecht Bedacht zu nehmen. Die RL 2000/78/EG nennt in ErwG 8 als wesentliches Ziel des Diskriminierungsverbots aufgrund des Alters die Erhöhung des Anteils älterer AN an der Erwerbsbevölkerung. In ErwG 25 werden ausdrücklich rechtmäßige Ziele, die Differenzierungen aufgrund des Alters rechtfertigen können, aufgezählt, so insb Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung. In Art 6 der RL 2000/78/EG werden gerechtfertigte Ungleichbehandlungen wegen des Alters genauer geregelt. Der österr Gesetzgeber 137 EGMR 15.1.2013, 48420/10, Eweida Rz 83 ff. 138 Vgl dazu Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 568 ff, 808 ff; OGH 14.9.2021, 8 ObA 59/20i.
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hat zulässige Differenzierungsgründe in § 20 ausführlich geregelt (siehe dazu § 20 Rz 53 ff). 73 Als neutrale Regelungen, die besonders jüngere AN benachteiligen können, sind va Regelungen anzusehen, die an das Dienstalter, die Branchenzugehörigkeit, Vordienstzeiten etc anknüpfen und somit idR eher älteren AN zugutekommen werden. Zur Rechtfertigung in diesen Fällen siehe § 20 Rz 64 ff. 74 Nicht nachvollziehbar ist daher die Ansicht des EuGH, die Anrechnung von Vordienstzeiten bei demselben AG, nicht aber der inhaltlich identischen Erfahrung bei anderen AG sei nicht einmal als rechtfertigungsbedürftige mittelbare Benachteiligung zu qualifizieren. Eine solche Bestimmung könne zwar zu einer Ungleichbehandlung in Abhängigkeit vom Einstellungsdatum bei dem betreffenden AG führen, doch beruhe ein solcher Unterschied weder unmittelbar noch mittelbar auf dem Alter oder auf einem an das Alter anknüpfenden Ereignis. Bei der Einstufung nicht berücksichtigt wird nämlich die etwaige Berufserfahrung, die bei einem anderen AG erworben wurde, und zwar unabhängig vom Alter zum Zeitpunkt der Einstellung. Die Bestimmung beruhe daher auf einem Kriterium, das weder untrennbar mit dem Alter der AN verbunden sei noch mittelbar daran anknüpfe.139 Bereits die Tatsache, dass überhaupt auf das Dienstalter abgestellt wird, begründet jedoch die mittelbare Benachteiligung.140 Welche Dienstzeiten berücksichtigt werden, spielt nur mehr für die Rechtfertigung eine Rolle (§ 20 Rz 66). Allerdings kam der EuGH bei einer vollständigen Anrechnung jener Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft, zu einer Einrichtung der Europäischen Union, zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört, oder zu ähnlichen Stellen zurückgelegt wurden, während alle anderen Vordienstzeiten nur im Ausmaß von bis zu zehn Jahren angerechnet werden und nur sofern sie einschlägig sind, zu dem Ergebnis, dass diese Vorgehensweise die Arbeitnehmerfreizügigkeit verletze.141 139 EuGH 7.6.2012, C-132/11, Tyrolean Airways Rz 29 f; 14.3.2018, C-482/16, Stollwitzer Rz 40. 140 Risak, ZAS 2014, 124 (128). Vgl auch die alternative Argumentation bei Stupar, ZAS 2013, 90 (94). 141 EuGH 8.5.2019, C-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund Rz 67.
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Auch ist der Ansicht des EuGH nicht zu folgen, nach welcher die An- 75 wendung eines niedrigeren Gehaltsschemas für alle Personen, die nach einem bestimmten Stichtag eingestellt wurden, auch dann keine mittelbare Benachteiligung begründe, wenn 70% dieser Personen 25 Jahre oder jünger sind. Dieses Vorgehen, das die Anwendung der neuen Regelung allein von dem objektiven und neutralen Element des Zeitpunkts der Einstellung abhängig macht, habe offensichtlich nichts mit einer Berücksichtigung des Alters der eingestellten Personen zu tun.142 Wie die in der Entscheidung genannten Daten zeigen, ist diese Vorgehensweise eben sehr wohl in der Lage jüngere AN in besonderer Weise zu benachteiligen. Es wäre daher zu fragen gewesen, ob eine solche Stichtagsregelung gerechtfertigt werden kann. Anscheinend neutrale Regelungen, die besonders ältere AN benachtei- 76 ligen können, sind va iZm der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Aktualität einer Ausbildung oder dem Status als Berufsanfänger143 denkbar. So ist bei einer stark an der (insb körperlichen) Leistungsfähigkeit anknüpfenden Entlohnung eine mittelbare Benachteiligung älterer AN möglich.144 Eine Rechtfertigung setzt in diesem Fall voraus, dass die Auswahl der bei der Entgeltfestsetzung berücksichtigten Umstände nicht einseitig ist und auch relevante Umstände, die ältere AN begünstigen können (zB Erfahrung), berücksichtigt werden.145 Auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder sonstige Benach- 77 teiligung) aufgrund häufiger Krankenstände oder eines hohen Entgelts ist geeignet, eine mittelbare Benachteiligung älterer AN zu bewirken. Eine Benachteiligung aufgrund einer kurzen Betriebszugehörigkeit oder der leichteren Kündbarkeit mangels wesentlicher Interessenbeeinträchtigung im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes benachteiligt hingegen jüngere AN mittelbar. Weitere in der Lit diskutierte Fälle sind die Abfertigung „alt“, die sechste Urlaubswoche,146 der allgemeine Kündigungsschutz und die nach Dienstalter gestaffelte Ent142 EuGH 14.2.2019, C-154/18, Horgan und Keegan Rz 24 ff. 143 BAG 24.1.2013, 8 AZR 429/11. 144 Risak, ZAS 2007, 10 (14). 145 Risak, ZAS 2007, 10 (14) unter Verweis auf die Judikatur zu den Leichtlohngruppen (EuGH 1.7.1986, 237/85, Rummler). 146 Die der EuGH aus der Perspektive der Arbeitnehmerfreizügigkeit als unbedenklich qualifizierte (EuGH 13.3.2019, C-437/17, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH).
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geltfortzahlung im Krankheitsfall bzw die nach Dienstalter unterschiedlichen Kündigungsfristen des AG.147 Dass Vorrückungszeiträume nicht gleich lang sind, begründet hingegen für sich genommen noch keine mittelbare Benachteiligung.148
4. Sexuelle Orientierung 78 Eine mittelbare Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung kommt heute insb bei einer Differenzierung zwischen Ehe und EP in Betracht. Obwohl heute beide Rechtsinstitute sowohl gleichgeschlechtlichen als auch verschiedengeschlechtlichen Paaren offen stehen, ist davon auszugehen, dass aufgrund der ehemaligen gesetzlichen Einschränkungen eine Benachteiligung von Personen in einer EP homosexuelle Personen in besonderer Weise zu beeinträchtigen geeignet ist. 79 Diskutiert wird auch die Qualifikation einer Benachteiligung HIV-positiver Personen als mittelbare Benachteiligung aufgrund der sexuellen Orientierung, wenn und weil die Mehrzahl der Neuinfizierten homosexuelle Männer seien.149
IV. M ittelbare Benachteiligung durch die Arbeitsbedingungen 80 Eine besondere Problematik mittelbarer Diskriminierungen stellt sich iZm der Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Sowohl der Gesetzgeber als auch der AG stellen Regelungen über die Arbeitsbedingungen auf, die auf alle AN gleichermaßen anwendbar sind: In Frage kommen etwa Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeiten oder Bekleidungsvorschriften. IdR werden sich diese Regelungen an Vorstellungen und Geschmack der Mehrheitsgesellschaft orientieren und von dieser sozial anerkannt sein. Dies gilt zB für den Stil der Arbeitskleidung, die Sonn- und Feiertagsruhe und den Speiseplan der Kantine. Dies führt dazu, dass Angehörige von Minderheiten, insb ethnisch oder religiös definierter, durch diese allgemeinen Regelungen benachteiligt sein können, wenn die Regelungen ihren sozialen Vorstellungen und Verhal147 Reissner, DRdA 2010, 24 (36); Marhold in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 83 (89). 148 EuGH 21.12.2016, C-539/15, Bowman Rz 24 ff. 149 Schlachter in ErfK22 § 1 AGG Rz 14. Vgl dazu auch EGMR 3.10.2013, 552/10, I.B./Griechenland Rz 70, 73 f.
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tensweisen nicht entsprechen. Als Bsp seien knapp geschnittene Uniformen und Schminkvorschriften genannt, die für viele Frauen der österr Mehrheitsgesellschaft weitgehend unproblematisch sein mögen, für Frauen bestimmter Religionszugehörigkeit allerdings gegen religiöse Kleidungsvorschriften verstoßen und damit uU sogar den Zugang zum Arbeitsmarkt beschränken. Ebenso mag es sich mit der Lage der Arbeitszeiten und Pausenregelungen verhalten: Diese werden etwa idR nicht auf die Bedürfnisse muslimischer AN und die Einhaltung ihrer Gebetszeiten zugeschnitten sein. Gegen eine Erfassung dieser Situationen durch das GlBG werden ver- 81 schiedenste Argumente vorgebracht. Die beiden zentralen Argumente sind einerseits, dass das Gleichbehandlungsrecht nur auf differenzierende Benachteiligungen anwendbar sei, nicht jedoch auf eine Gleichbehandlung aller AN,150 andererseits, dass eine Berücksichtigung von speziellen Bedürfnissen nur im Rahmen der Akkomodierungspflichten (§ 6 Abs 1a BEinstG) geboten bzw möglich sei, diese aber nur im Falle der Behinderung vorgesehen seien.151 Das erste Argument übersieht, dass die gleichbehandlungsrechtlichen 82 RL nach der Rsp des EuGH den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung (bzw Art 21 GRC) konkretisieren, der jedoch nicht nur ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen gleicher Sachverhalte, sondern auch eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte verbietet.152 Dass sich eine Maßnahme formal an alle AN richtet und diese formal gleich behandelt, schließt nicht aus, dass es sich dabei um eine Diskriminierung handeln kann.153 150 Wege, Religion im Arbeitsverhältnis 223 ff, 252 ff; Thüsing, ZfA 2001, 397 (406 ff); von Medem, Kündigungsschutz und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 77; Wiedemann, Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht 5 f. 151 Thüsing in MüKoBGB9 § 3 AGG Rz 30; ders, ZfA 2001, 397 (406). Vgl auch Wege, Religion im Arbeitsverhältnis 241 ff; von Medem, Kündigungsschutz und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 78. 152 Dullinger in GS Rebhahn 33 (37) mwN aus der Rsp des EuGH. 153 Vgl bspw EuGH 16.9.2004, C-400/02, Merida Rz 24 ff. In dieser E qualifizierte der EuGH die für alle AN einheitlich erfolgte Berechnung einer Überbrückungsbeihilfe unter Abzug der (fiktiven) deutschen Lohnsteuer als mittelbar diskriminierend, weil diese einheitliche Berechnung im Ergebnis dazu führte, dass bestimmten Wanderarbeitnehmern eine geringere Nettoersatzrate zustand (Rz 34 f). In der Rs Achbita hielt der EuGH eine mittel-
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83 Das zweite Argument übergeht den Unterschied, den es zwischen der Akkomodierung individueller Interessen und der Beseitigung diskriminierender allgemeiner Regelungen gibt. Während es für einen Anspruch auf Akkomodierung ausreicht, ein individuelles Bedürfnis darzutun, das mit dem geschützten Merkmal in Zusammenhang steht, ist bei der Prüfung der mittelbaren Benachteiligung durch allgemeine Vorgaben für alle AN auf den Vergleich verschiedener Gruppen abzustellen.154 Nur wenn sich erweist, dass eine (geschützte) Gruppe in besonderer Weise benachteiligt werden kann, liegt eine rechtfertigungsbedürftige Benachteiligung vor. Das ist insb dann der Fall, wenn trotz der Tatsache, dass formal alle AN betroffen sind, die Angehörigen der Gruppe deutlich öfter betroffen sind (bspw durch eine Mindestgröße, die formal für alle AN gilt, iE aber Frauen häufiger trifft155) oder die Angehörigen der betreffenden Gruppe im Durchschnitt deutlich intensiver betroffen sind (bspw werden alle AN durch vorgegebene Arbeitszeiten in ihren Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt, gläubige AN nichtchristlicher Religionen werden aber wohl im Durchschnitt besonders intensiv betroffen sein).156 84 Allgemein anwendbare Regelungen, die einzelne Gruppen besonders treffen können, sind einer sachlichen Rechtfertigung zugänglich, wenn sie einem legitimen Ziel dienen und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles verhältnismäßig, dh angemessen und erforderlich sind (§ 19 Abs 2 GlBG). Der EuGH hält diesbezüglich fest, dass das legitime Ziel an den Maßstäben des Unionsrechts zu messen ist.157 Allgemein anwendbare Maßnahmen müssen durch objektive Faktoren gerechtfertigt sein, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund eines geschütz-
bare Benachteiligung durch einheitliche Kleidungsvorschriften für alle AN (allgemeine Neutralitätspolitik) zumindest für möglich, obwohl der AG alle AN exakt gleich behandelte (EuGH 14.3.2017, C-157/15, Achbita Rz 34; vgl dazu auch Windisch-Graetz in Liber Amicorum Mazal 201 [208 f]). 154 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 508 ff. 155 EuGH 18.10.2017, C-409/16, Kalliri Rz 32. 156 Vgl dazu ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 499 ff. Vgl auch Windisch-Graetz in ZellKomm3 § 19 GlBG Rz 2. 157 EuGH 11.6.1987, 30/85, Teuling Rz 16 ff; 13.7.1989, 171/88, Rinner-Kühn Rz 13 ff.
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ten Merkmals zu tun haben.158 Der Rsp des EuGH insb der Rs Bilka159 folgend kann eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein, wenn es dafür objektive wirtschaftliche bt, die einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens dienen. Dieses „wirkliche“ Bedürfnis des Unternehmens ist wiederum von rein wirtschaftlichen Gründen zu unterscheiden (§ 5 Rz 48 ff): Diesbezüglich hat der EuGH sowohl in seiner Judikatur zu den Grundfreiheiten als auch zum Gleichbehandlungsrecht festgehalten, dass rein wirtschaftliche Gründe160 oder bloße Haushaltserwägungen des Staates Ungleichbehandlungen nicht rechtfertigen können.161 Der EuGH hatte sich in der Rs Prais mit der Rechtfertigung von Diffe- 85 renzierungen durch unternehmerische Interessen auseinanderzusetzen: Gem § 27 Beamtenstatut der EG sind Beamte ohne Rücksicht auf Rasse, Glauben oder Geschlecht auszuwählen. Eine Bewerberin jüdischen Glaubens klagte, weil sie am Samstag, für den das Auswahlverfahren angesetzt war, aufgrund religiöser Vorschriften nicht arbeiten durfte. Die Bekl wandte ein, es sei undurchführbar, organisatorische Maßnahmen zu setzen, um allen möglicherweise in Europa vertretenen Konfessionen und Gebräuchen gerecht zu werden. Ein Prüfungstermin für alle Kandidaten zum gleichen Zeitpunkt mit den gleichen Prüfungsfragen sei jedoch aus Gleichheitserwägungen notwendig. Der EuGH nimmt eine Interessenabwägung vor: Der AG hat grds religiösen Hindernissen Rechnung zu tragen, sofern er rechtzeitig von der Bewerberin darauf aufmerksam gemacht wird. Setzt die Stellenwerberin den AG davon nicht rechtzeitig in Kenntnis, muss der AG die religiösen Hindernisse der Stellenwerberin nicht mehr berücksichtigen, insb wenn bereits andere Stellenwerber für diesen Termin eingeladen worden sind. Die Verpflichtung des AG, religiöse Verpflichtungen der AN zu berücksichtigen, ist nach Ansicht des EuGH begrenzt: Dem Gleichbehandlungsgebot aufgrund der Religion stehen organisatorische Verpflichtungen des AG entgegen. Der AG ist aber bei Kenntnis der religiösen Verpflichtungen seiner Mitarbeiter (oder Stellenwerber) verpflichtet, alle
158 EuGH 9.2.1999, C-167/97, Seymour-Smith Rz 60; 24.2.1994, C-343/92, Roks Rz 33. 159 EuGH 13.5.1986, 170/84, Bilka. 160 EuGH 28.4.1998, C-120/95, Decker Rz 39. 161 EuGH 24.2.1994, C-343/92, Roks Rz 35; 21.7.2011, C-159/10, Fuchs und Köhler Rz 74.
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sachgerechten Maßnahmen zu treffen, um religiöse Konflikte seiner Mitarbeiter zu vermeiden.162 Auch der EGMR hatte sich mit derartigen Konstellationen schon zu befassen. Die Grundrechte der EMRK beschränken nicht nur die Möglichkeiten des Staates in die geschützten Grundrechte einzugreifen, sondern verpflichten darüberhinausgehend die Staaten auch bestimmte Eingriffe durch (private) Dritte zu verhindern (Schutzpflicht des Staates). Die Staaten müssen für einen fairen Ausgleich der beteiligten Interessen sorgen.163 Betroffen können im arbeitsrechtlichen Kontext hiervon insb die Lage der Arbeitszeit, Bekleidungsvorschriften oder Gewissenskonflikte des AN164 sein.
87 Sowohl im gleichbehandlungsrechtlichen als auch im grundrechtlichen Kontext kommt bei allgemein anwendbaren Maßnahmen, die Angehörige bestimmter Ethnien oder Religionen benachteiligen können, den Unternehmerinteressen an der Gestaltung der Arbeitsorganisation ein hoher Stellenwert zu. Das Zusammenleben und Wirtschaften einer Gesellschaft kann nur unter bestimmten Rahmenbedingungen funktionieren. Auch eine multikulturelle Gesellschaft braucht Regelungen – im vorliegenden Zusammenhang bezogen auf den Arbeitsprozess –, die ein möglichst effizientes Erwirtschaften von Arbeitsergebnissen möglich machen. Dazu gehört ua die Koordinierung der Arbeitskräfte in zeitlicher und örtlicher Hinsicht. Der Gesetzgeber regelt einen Teil dieser Rahmenbedingungen, ua durch das AZG und das ARG, indem er gesetzliche Feiertage festlegt (siehe dazu Rz 31). Die konkretere Koordination der Arbeitsprozesse wird den Arbeitsvertragsparteien bzw dem AG überlassen, der diese Koordinierung kraft seines Weisungsrechts durchführt. 88 Das Vorliegen persönlicher Weisungen ist ja gerade ein ausschlaggebendes Kriterium für die AN-Eigenschaft, die neben Anordnungen über Arbeitsort, Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten auch Vorschriften über das persönliche Erscheinungsbild des AN enthalten können. Ein Spannungsverhältnis zwischen den Persönlichkeitsrechten der AN und der Privatautonomie des Unternehmers, seinen Betrieb entsprechend seinen Vorstellungen zu organisieren, hat schon vor der Ausdehnung des Antidiskriminierungsrechts bestanden. In der Lit 162 EuGH 27.10.1976, 130/75, Prais. 163 EGMR 15.1.2013, 48420/10, Eweida Rz 84. 164 Ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 568 ff.
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wurde dazu schon bisher die Ansicht vertreten, dass der hohe Stellenwert des Persönlichkeitsschutzes besonders intensive Rechtfertigungen für ein auf Treuepflicht und betriebliche Koordinierung gestütztes Weisungsrecht erfordere.165 Dieser Befund muss umso mehr für jene Grundrechtspositionen gelten, die im Wege der neuen Diskriminierungsbestimmungen in Bezug auf Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen sind. Das Spannungsverhältnis zwischen den unternehmerisch-organisatori- 89 schen Bedürfnissen des AG und den Interessen des AN auf eine diskriminierungsfreie Arbeitsumwelt ist also im Anschluss an die Judikatur des EuGH und des EGMR durch eine Interessenabwägung zu lösen. Die unternehmerisch-organisatorischen Interessen an einem möglichst reibungslosen Arbeitsablauf können iSd Rs Prais in einem ersten Schritt als legitimes Ziel, das mittelbare Benachteiligungen rechtfertigen kann, angesehen werden. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Maßnahmen, die diesem Ziel dienen sollen, auch verhältnismäßig sind. Auf dieser Ebene fließt die Interessenabwägung ein. Bei der Interessenabwägung wird je nach Betroffenheit der beteiligten Personen zu entscheiden sein, wobei die Intensität der Betroffenheit zu gewichten ist. AN werden von allgemein anwendbaren Maßnahmen, die das Nach- 90 Außen-Tragen von Religion und Weltanschauung, ethnischer Zugehörigkeit, Alter oder sexueller Orientierung beschränken, umso intensiver betroffen, je zentraler die Äußerung an die Persönlichkeit oder die Glaubenslehre geknüpft ist. Dazu zählen uE religiöse Symbole wie Kreuze, religiöse Kopfbedeckungen, das Äußern religiöser oder politischer Meinungen. Gebietet daher die Religion das Tragen bestimmter Symbole wie Kopftücher oder Turbane, wird deren Verbot im Rahmen einer allgemeinen Kleidungsvorschrift regelmäßig nicht gerechtfertigt werden können. Bei der Gewichtung der Intensität der Betroffenheit ist auch zu berücksichtigen, ob dem AN durch die allgemein anwendbare Vorschrift der Zugang zum Arbeitsmarkt bzw zur Berufsausübung versperrt wird. Gebietet eine Religion das Tragen bestimmter Kleidungsstücke, wird für die betreffenden Personen durch allgemeine Kleidungsvorschriften, die den religiösen Vorschriften zuwiderlaufen, der Zugang zum Arbeitsmarkt beschränkt. 165 Firlei, DRdA 2000, 142 (145 f); Peschek, RdW 1992, 343; Tinhofer, RdW 1994, 16 (16 ff).
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91 Auf der Seite des AG ist zu berücksichtigen, welche – ökonomisch tragbaren – Gestaltungsmöglichkeiten der AG in Bezug auf die Arbeitsbedingungen hat. Sind wie in der Rs Prais bereits alle Bewerber zu einem Prüfungstermin geladen, ohne dass eine der Bewerberinnen den Unternehmer auf ihre religiös bedingten Schwierigkeiten, an diesem Tag zu erscheinen, hingewiesen hat, ist dem Unternehmer eine Bedachtnahme auf religiöse Verpflichtungen der Bewerberin – etwa durch eine nachträgliche Verschiebung des Termins – nicht mehr zumutbar. Wäre der Unternehmer rechtzeitig informiert worden, wäre es ihm wohl ohne weiters zumutbar gewesen, den Prüfungstermin auf einen anderen Wochentag zu legen. IdS kann man dem AG bei der Gestaltung des Speiseplans der Betriebsküche zumuten, auch Speisegebote von Muslimen zu berücksichtigen, indem nicht jeden Tag ausschließlich Schweinefleisch oder auch vegetarische Speisen gekocht werden. Sind die an den AG herangetragenen AN-Wünsche allerdings zu vielfältig, was im Extremfall denkbar ist, wenn AN verschiedenster religiöser Bekenntnisse und ethnischer Zugehörigkeiten in einem Unternehmen beschäftigt sind, kann die Verpflichtung des AG an organisatorische Grenzen stoßen, was wiederum eine einheitliche Regelung für alle rechtfertigen würde. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass es dem AG zumutbar ist, die viel diskutierten Gebetspausen zu ermöglichen, liegt bspw in der Gewährung von Rauchpausen.166 92 Aber auch die Erhaltung des Betriebsfriedens kann allgemeine Anordnungen rechtfertigen: Werden Symbole dazu genutzt, andere zu provozieren oder haben Äußerungen den Sinn, andere zu belästigen – etwa gegen deren Willen zu missionieren – ist eine Weisung, religiöse oder politische Äußerungen zu unterlassen, gerechtfertigt.167 Das in der Entscheidung des OGH168 herangezogene Argument, ein betender Moslem errege Anstoß bei der Belegschaft, kann nach der geltenden Rechtslage aber keine Benachteiligungen rechtfertigen. Denn in dem behaupteten Unmut der Belegschaft kommen genau jene Vorurteile zum Ausdruck, die das Antidiskriminierungsrecht bekämpfen will. 93 Die Berücksichtigung von AN-Interessen, die sich aus ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung, ihrem Alter oder ihrer eth166 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 868 mwN. 167 IdS zu politischen Äußerungen schon zur alten Rechtslage Aicher in Rummel, ABGB (1983) § 16 Rz 26. 168 OGH 27.3.1996, 9 Ob A 18/96.
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nischen Zugehörigkeit ergeben, wird daher in einem gewissen, aber nicht unbeschränkten Ausmaß vom AG verlangt. IdS wurde bereits zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der neuen Diskriminierungsverbote festgehalten, dass der AN auch im dienstlichen Bereich eine Privatsphäre hat, die es ihm grds gestattet, seine Kleidung zu wählen.169 Seine Tätigkeit im Unternehmen, aber auch die Art des Unternehmens selbst, können allerdings Einschränkungen rechtfertigen. Ein auf jeden Fall hinreichender Grund für Bekleidungsvorschriften ist der gesetzlich vorgeschriebene Arbeitnehmerschutz, wonach der AG etwa lange Röcke bei der Arbeit an Maschinen verbieten darf, wenn die Gefahr des Verfangens in beweglichen Teilen besteht.170 Allgemeine Kleidungsvorschriften können auch im Hinblick darauf gerechtfertigt sein, dass Kunden – etwa in Kaufhäusern oder Restaurants – die AN schnell erkennen können bzw auch um ein gewisses Bild des Unternehmens iS einer Marketing-Maßnahme nach außen zu transportieren.171 Nach der Rsp hat der AG das Recht, eine branchenübliche Kleidung zu verlangen: Das Verbot, eine Goldkette anstelle einer Krawatte zu tragen, ist insoweit gerechtfertigt, als dies massiv dem Verständnis der Bevölkerung vom Erscheinungsbild eines männlichen Bankbeamten widerspricht.172 Einem Busfahrer kann allerdings nicht verboten werden, ein rosa Haarband zu tragen.173 Aufgrund der neuen Diskriminierungsverbote ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kriterien der Branchenüblichkeit, der Vereinbarkeit mit dem Verständnis der Bevölkerung oder der Marketing-Interessen des Unternehmers nicht ihrerseits diskriminierend sind. Eine Kleidungsvorschrift, die keine weit geschnittene Kleidung für islamische Frauen zulässt, weil diese in den Augen der Kunden einen „traditionellen“, der westlichen Modernität widersprechenden Eindruck hervorrufen könnte, kann zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund der Religion oder ethnischen Zugehörigkeit führen. Versteht man „Branchenüblichkeit“ dagegen iSv Eleganz oä, wird dieses Kriterium zulässig sein, da es durchwegs elegante Versionen ethnisch oder religiös geprägter Kleidung gibt. Dass sich das Verständnis von Eleganz möglicherweise an westlichen Vorstellungen orientiert, kann als Kompromiss iSe Interessenausgleiches verstanden werden. 169 Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 16 ABGB Rz 42. 170 Peschek, RdW 1992, 343. 171 Brodil/Dullinger in Kozak, ABGB § 16 Rz 78. 172 OGH 11.2.1999, 8 ObA 195/98d. 173 OGH 24.9.2015, 9 ObA 82/15x.
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94 Auf eine relativ neue Quelle potenzieller Diskriminierungen haben kürzlich Risak/Gogola hingewiesen. In bestimmten Branchen kommt es zunehmend zu (benachteiligenden) Personalmaßnahmen auf der Basis von Kundenbewertungen. Diese geben eine alle AN gleichbehandelnde Objektivität vor, die Ihnen wohl in vielen Fällen nicht zukommt, spiegeln sich doch in der Bevölkerung verbreitete Vorurteile und Vorbehalte zwangsläufig in diesen Ratings wider. Daraus kann im Einzelfall eine mittelbare Benachteiligung erwachsen.174
V. Mehrfachdiskriminierung 95 Eigene Überlegungen müssen im Hinblick auf Mehrfachdiskriminierungen iwS angestellt werden. Dies ist praktisch zunächst deshalb schwierig, weil es keine einheitliche Terminologie gibt.175 Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Benachteiligungen auf mehr als einem Merkmal basieren können. Begriffe wie „Mehrfachdiskriminierung“, „kumulative Diskriminierung“, „mehrdimensionale Diskriminierung“, „kombinierte Diskriminierung“ und „intersektionelle Diskriminierung“ werden dabei häufig synonym bzw von unterschiedlichen Autoren in unterschiedlicher Weise verwendet.176 Die folgenden Ausführungen folgen der Terminologie Fredmans,177 wobei sich als Überbegriff „Mehrfachdiskriminierung“ etabliert hat178 und daher auch hier beibehalten werden soll. 96 Weder die RL noch die Stammfassung des GlBG verwenden einen oder mehrere dieser Begriffe oder gehen ausdrücklich auf die dahinterliegenden Phänomene ein (mit Ausnahme der Zuständigkeit der Senate der GBK). Die Mat erwähnen die Mehrfachdiskriminierung hingegen ausdrücklich. 179 Seit 2008 nehmen § 12 Abs 13 und § 26 Abs 13 GlBG ausdrücklich Bezug auf die Mehrfachdiskriminierung und sehen die Berücksichtigung derselben bei der Bemessung des Schadenersatzes vor. Zur Begründung führen die Mat aus, in der Praxis komme es öfters vor, 174 Risak/Gogola, juridikum 2018, 435 (438 ff). 175 Ludwig, DRdA 2009, 276 (277). 176 Fredman, Intersectional discrimination 20. 177 Fredman, Intersectional discrimination 20. 178 Apostolovski/Apostolovski, DRdA 2012, 472 (473). Gelegentlich auch mehrdimensionale Diskriminierung (Weinberg, EuZA 2020, 60 [61]). 179 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 23. Für einen Überblick über die Rechtslage in anderen Staaten vgl Fredman, Intersectional discrimination 51 ff.
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dass Personen in ein und demselben Sachverhalt auf Grund mehrerer Diskriminierungsgründe diskriminiert werden, zB wird eine Frau mit dunkler Hautfarbe nicht eingestellt, weil sie eine Frau und dazu noch dunkelhäutig ist.180 Nach Fredman181 lassen sich grob drei Formen unterscheiden, in denen 97 sich diese Art von Diskriminierung manifestiert. Die erste liegt vor, wenn eine Person in unterschiedlichen Situationen aus verschiedenen Gründen diskriminiert wird (sequentielle Mehrfachdiskriminierung). Denkbar ist bspw, dass ein und dieselbe AN bei der Festsetzung des Entgelts aufgrund des Geschlechts diskriminiert wird und gänzlich unabhängig davon aufgrund einer Behinderung durch andere AN oder Kunden belästigt wird. Es werden durch zwei voneinander unabhängige Verhaltensweisen zwei verschiedene Diskriminierungen gesetzt. Eine zweite Erscheinungsform liegt vor, wenn eine Person gleichzeitig 98 aus zwei verschiedenen Gründen diskriminiert wird (additive Mehrfachdiskriminierung). Eine lesbische Frau kann zB Belästigungen ausgesetzt sein, weil sie eine Frau und weil sie homosexuell ist.182 Diese Art von Diskriminierung ist sozusagen „additiv“, da jede einzelne Diskriminierung unabhängig voneinander nachgewiesen werden kann. Die dritte Erscheinungsform unterscheidet sich insofern, als sie nicht 99 einfach die Addition zweier Ursachen von Diskriminierung ist, sondern zu einem Resultat führt, das qualitativ anders ist (intersektionelle Diskriminierung). Schwarze Frauen können zB auf eine Art und Weise diskriminiert werden, die sich qualitativ sowohl von der Diskriminierung unterscheidet, die weiße Frauen erleiden, als auch von der, die schwarze Männer erleiden. Schwarze Frauen teilen gewisse Erfahrungen mit weißen Frauen und gewisse Erfahrungen mit schwarzen Männern, in wichtigen Punkten unterscheiden sie sich aber auch. Weiße Frauen können in diesem Fall einerseits Opfer geschlechtsbezogener Diskriminierung, andererseits aber auch Nutznießerinnen oder Urheberinnen von Rassismus sein. Umgekehrt können schwarze Männer von Rassismus betroffen, gleichzeitig jedoch Nutznießer oder Urheber von Sexismus sein.183 Ein weiteres Bsp für eine intersektionelle Diskri180 ErlRV 415 BlgNR 23. GP 7. 181 Fredman, Intersectional discrimination 20. Vgl auch Ludwig, DRdA 2009, 276 (277); Schiek, EuZA 2017, 407 (413 ff). 182 Vgl dazu auch Weinberg, EuZA 2020, 60 (62). 183 Fredman, Intersectional discrimination 20.
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minierung wäre die Stigmatisierung aufgrund des Tragens religiöser Symbole wie des Kopftuchs einer Muslima, des Turbans eines Sikh oder der Kippa eines Juden (vgl dazu auch Rz 24 f). So ist etwa die Stigmatisierung aufgrund des Tragens des islamischen Kopftuchs Anknüpfungspunkt für religiöse, ethnische und Geschlechterdiskriminierung zugleich.184 100 Aus rechtlicher Perspektive sollen sich vor allem die beiden ersten Formen einerseits von der intersektionellen Diskriminierung andererseits unterscheiden. Sowohl gegen sequentielle als auch gegen additive Mehrfachdiskriminierung könne innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens vorgegangen werden, da jede Manifestierung von Diskriminierung als auf einem einzigen Merkmal beruhend behandelt werden kann. Dem ist grds zuzustimmen. Die Behandlung der intersektionellen Diskriminierung habe sich aufgrund ihres synergetischen Charakters jedoch als weitaus schwieriger erwiesen. Für sich allein genommen scheine keines der Merkmale diskriminierend zu sein: Da weiße Frauen nicht weniger günstig behandelt werden als Männer, liege scheinbar keine geschlechtsbezogene Diskriminierung vor, und da schwarze Männer nicht weniger günstig behandelt werden als weiße, liege scheinbar auch keine rassistische Diskriminierung vor.185 Hier ist jedoch zu differenzieren. 101 Soweit es um eine umittelbare Benachteiligung geht, beruht diese Ansicht uE auf einem falschen Verständnis der unmittelbaren Benachteiligung. Wie bereits in Rz 7 dargelegt (Problem der Teilgruppenbenachteiligung), erfordert die Qualifikation als unmittelbare Benachteiligung keineswegs, dass alle Personen einer bestimmten Merkmalsausprägung benachteiligt werden. Auch wer nur jede zweite Person einer bestimmten Hautfarbe benachteiligt (in diesem Bsp nur die weiblichen Personen) benachteiligt (selbstverständlich) unmittelbar aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit (siehe auch Rz 19). Eine unmittelbare Benachteiligung liegt hier auch deshalb vor, weil der Benachteiligende (in Benachteiligungsabsicht, dazu Rz 8) direkt auf ein geschütztes Merkmal abstellt. Schließlich ist in diesen Fällen das geschützte Merkmal eindeutig auch kausal für die Benachteiligung. Wäre die benachteiligte Person männlich oder hätte sie eine andere Hautfarbe, würde sie nicht benach184 Schiek, NZA 2004, 873 (876); Windisch-Graetz, DRdA 2005, 238 (238); Tichy, öarr 2008, 266 (274). 185 Fredman, Intersectional discrimination 20 f.
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teiligt.186 Die Bildung zahlreicher neuer Gruppen ist für die Anwendung des GlBG daher nicht erforderlich. Der spezifische Charakter der intersektionellen Benachteiligung ist sodann auf der Ebene der Rechtsfolgen zu berücksichtigen (siehe § 12 Rz 61 f). Geht es jedoch um die mittelbare Benachteiligung, so trifft dieser Be- 102 fund teilweise zu. Der EuGH hat in der Rs Parris entschieden, dass eine mittelbare Benachteiligung nur vorliegt, sofern sich die erforderliche Benachteiligung in besonderer Weise in Bezug auf ein geschütztes Merkmal ergibt. Ergibt sie sich hingegen erst bei einer Kombination zweier oder mehr Merkmale, liege keine mittelbare Benachteiligung vor. So liegt bspw keine Benachteiligung aufgrund eines geschützten Merkmals vor, wenn zwar homosexuelle Personen über einem bestimmten Alter mittelbar benachteiligt werden, aber weder homosexuelle Personen insgesamt, noch ältere Personen insgesamt in besonderer Weise benachteiligt sind.187 Hier ergeben sich tatsächlich Schutzlücken für jene Fälle, in denen sich die benachteiligende Wirkung erst aus dem Zusammenspiel mehrerer geschützter Kriterien ergibt.188 Wie relevant dieses Schutzdefizit praktisch ist, lässt sich jedoch kaum sagen, weil dafür notwendige Daten sehr oft nicht vorhanden sind. Fälle von Mehrfachdiskriminierung sind einfach festzustellen, wenn 103 der AG ausdrücklich an mehrere Diskriminierungsgründe anknüpft. Macht ein Unternehmer in der Stellenausschreibung deutlich, dass er weder Frauen noch AusländerInnen einzustellen gedenkt, ist die Mehrfachdiskriminierung offenkundig. Stellenausschreibungen wie „Suche Sekretärin über 40“ oder Inserate, in denen etwa „männliche, inländische Arbeitskräfte“ gesucht werden, diskriminieren nach dem eben Gesagten unmittelbar mehrfach, etwa aufgrund des Geschlechts und des Alters bzw der ethnischen Zugehörigkeit.189 Ebenso liegt eine unmittelbare mehrfache Diskriminierung vor, wenn eine Person unter Bezugnahme auf mehrere in § 17 genannte Diskriminierungsgründe belästigt wird. Dasselbe gilt nach dem eben Gesagten auch, wenn zwar sowohl Frauen 104 als auch „Ausländer“ eingestellt werden, aber keine „ausländischen“ 186 So iE auch Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 171 f. 187 EuGH 24.11.2016, C-443/15, Parris Rz 79 ff; krit Jacobs, RdA 2018, 263 (264); aA Schiek, EuZA 2017, 407 (413 ff); Weinberg, EuZA 2020, 60 (70). 188 Für Bsp vgl Fredman, Intersectional discrimination 39 ff. 189 Windisch-Graetz, DRdA 2005, 238 (239).
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Frauen. Ein weiteres Bsp aus der britischen und US-amerikanischen Lit sind Fälle, in denen in einem Unternehmen weiße Frauen und Männer gleich hohe Beförderungschancen haben – Männer, denen eine südländische Herkunft zugeschrieben wird, inbegriffen – jedoch die Beförderungschancen von Frauen, denen eine südländische Herkunft zugeschrieben wird, auffällig schlechter sind als die der anderen Beschäftigten. Während in der Lit teilweise gefragt wird, ob die betroffenen Frauen südländischer Herkunft eine „spezifisch geschützte Gruppe“ darstellen könnten,190 hat Schindler191 nachgewiesen, dass das Gleichbehandlungsrecht keine spezifischen Gruppen definieren und schützen will, sondern verbietet, bestimmte Merkmale als Differenzierungskriterien zu verwenden. Daher liegt zweifelsohne eine unzulässige Mehrfachdiskriminierung vor, wenn das Vorliegen mehrerer unzulässiger Differenzierungskriterien Motiv für die Benachteiligung war. Wird eine Person deswegen schlechter behandelt, weil sie eine Frau einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit ist, sind beide Merkmale in ihrer Kombination kausal für die Benachteiligung. Die betroffene Person wird aus mehreren in § 17 genannten Gründen schlechter behandelt als eine andere Person, bei der eines dieser Merkmale nicht vorliegt und erfüllt somit den in § 19 Abs 1 genannten Tatbestand der unmittelbaren, oder wenn sich die Benachteiligung erst nach einer statistischen Auswertung ergibt, der mittelbaren Benachteiligung. Eine solche Auslegung trägt dem Faktum Rechnung, dass gerade Personengruppen, bei denen mehrere Diskriminierungsgründe zusammentreffen, oft am unteren Rand sozialer Hierarchien anzutreffen sind.192 105 Ebenfalls komplex ist die Rechtslage in Fällen, bei denen ausdrücklich bloß an ein Kriterium angeknüpft wird, mittelbar (oder gar unmittelbar) jedoch auch andere Diskriminierungstatbestände verwirklicht sein können. 106 Das Verbot des islamischen Kopftuchs ist nach hA als unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion zu qualifizieren (siehe Rz 24). Liegen darin aber auch Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und des Geschlechts? Zweifellos wird das Verbot, das islamische Kopftuch zu tragen, auch eine mittelbare Benachteiligung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bedeuten, da es zwar durchaus 190 Schiek, NZA 2004, 873 (876). 191 Schindler, DRdA 2003, 523 (526). 192 Windisch-Graetz, DRdA 2005, 238 (240).
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Muslimas der österr Mehrheitsgesellschaft gibt, die das islamische Kopftuch tragen, dieses jedoch in weitaus überwiegender Zahl bei Frauen mit Migrationshintergrund bzw anderer ethnischer Zugehörigkeit zu finden ist. Das Kopftuchverbot kann sich daher seinem Wesen nach eher auf Personen anderer ethnischer Zugehörigkeit auswirken, wodurch die Gefahr besteht, dass es diese Personen besonders benachteiligt.193 Problematischer ist die Frage nach einer Benachteiligung aufgrund des 107 Geschlechts. Mit der Weisung, das islamische Kopftuch abzulegen, werden ausschließlich Frauen getroffen, da Männer kein islamisches Kopftuch tragen. Fraglich ist daher, ob folgend der Logik der Teilgruppenbenachteiligung sogar eine unmittelbare Frauendiskriminierung zu sehen ist, weil durch dieses Verbot nur Frauen getroffen werden können. Thüsing wendet dagegen ein, es seien Vorbehalte gegenüber der Religion und nicht gegenüber des Geschlechts für diese Benachteiligung entscheidend und es liege daher nur eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion vor.194 Gegen eine Verallgemeinerung der Judikatur zur Schwangerschaft für diese Frage wird eingewendet, die Schwangerschaft sei ein besonders schutzbedürftiger Zustand, der nicht verallgemeinerbar sei.195 Diese Ansicht übersieht, dass der EuGH eine solche Verallgemeinerung mittlerweile bereits selbst vorgenommen hat (Rz 7). UE ist daher mit Holzleithner vor dem Hintergrund, dass das Kopftuch nicht nur ein religiös sondern auch geschlechtlich konnotiertes Kleidungsstück ist, davon auszugehen, dass hier eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion und des Geschlechts gegeben ist.196 Der Fall der sexuellen Belästigung einer Person, die eines der in § 17 108 genannten Merkmale aufweist, erfüllt zweifelsfrei zunächst den Diskriminierungstatbestand aufgrund des Geschlechts gem § 6 GlBG. Welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass die betroffene Person eine bestimmte ethnische Zugehörigkeit, Religion, Alter oder sexuelle Orientierung aufweist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Eine Mehrfachdiskriminierung liegt vor, wenn gerade in der ethnischen und/oder reli193 Windisch-Graetz, DRdA 2005, 238 (239 f). 194 Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht3 § 3 Rz 25 f. 195 Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 148 f. 196 Holzleithner, Bekleidungsvorschriften und Genderperformance 48 ff; aA Ludwig, DRdA 2009, 276 (276 f); Weinberg, EuZA 2020, 60 (64).
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giösen Zugehörigkeit oder im besonderen Alter des Opfers ein zusätzliches Motiv für die Auswahl des Belästigungsopfers liegt. Kann der Täter aufgrund der besonderen Merkmale des Belästigungsopfers etwa damit rechnen, dass die belästigte Person über die Belästigung nicht reden wird, weil sie sonst von ihrem Umfeld gezwungen würde, den Arbeitsplatz aufzugeben (was in der Praxis zB bei islamischen Frauen vorkommen soll), liegt in dieser Annahme ein zusätzliches Motiv, das zur Qualifikation einer solchen sexuellen Belästigung als Mehrfachdiskriminierung führt.197 109 Die Frage, ob eine Mehrfachdiskriminierung vorliegt, ist ua für die Zuständigkeit innerhalb der Gleichbehandlungskommission von Bedeutung. Liegt neben einer Diskriminierung aufgrund eines in § 17 genannten Kriteriums auch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor, ist gem § 1 Abs 3 GBK/GAW-Gesetz der Senat I der Gleichbehandlungskommission zuständig. Sie ist aber insb auch für die Bemessung des Schadenersatzes von Bedeutung (vgl § 26).198 Bei der Rechtfertigung ist für jedes betroffene Merkmal gesondert zu prüfen, ob eine ausreichende Rechtfertigung gegeben ist.199 Das schließt uE aber (insb bei der intersektionellen Diskriminierung) nicht aus, die Tatsache der Mehrfachdiskriminierung bei der Rechtfertigungsprüfung zu berücksichtigen – insb bei der Prüfung der Angemessenheit.
Ausnahmebestimmungen § 20. (1) Bei Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im
Zusammenhang mit einem der in § 17 genannten Diskriminierungsgründe steht, liegt keine Diskriminierung vor, wenn das betreffende Merkmal auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.
197 Windisch-Graetz, DRdA 2005, 238 (240). 198 Vgl OGH 22.9.2010, 8 ObA 63/09m; Gahleitner, ZAS 2007, 148 (155); Apostolovski/Apostolovski, DRdA 2012, 472 (474). 199 Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 231. AA Weinberg, EuZA 2020, 60 (71 ff).
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(2) Eine Diskriminierung auf Grund der Religion oder Weltanschauung liegt in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen oder anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, nicht vor, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. (3) Eine Diskriminierung auf Grund des Alters liegt nicht vor, wenn die Ungleichbehandlung 1. objektiv und angemessen ist, 2. durch ein legitimes Ziel, insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung, gerechtfertigt ist und 3. die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. (4) Ungleichbehandlungen nach Abs. 3 können insbesondere einschließen 1. die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmer/inne/n und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen, 2. die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder des Dienstalters für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundenen Vorteile, 3. die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand. (5) Eine Diskriminierung auf Grund des Alters liegt auch nicht vor bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit durch Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder 617
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Gruppen oder Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen, sofern dies nicht zu Diskriminierungen auf Grund des Geschlechtes führt. Literatur: Vgl die Literaturangaben zu §§ 16, 17, 19; weiters: Reichold, Europa und das deutsche kirchliche Arbeitsrecht, NZA 2001, 1054; Linsenmaier, Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, 22; Runggaldier/Kreil, Richtlinienwidrigkeit des Senioritätsprinzips? RdW 2003, 394; Belling, Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie im Hinblick auf das kirchliche Arbeitsrecht, NZA 2004, 885; Rebhahn, Dürfen ältere ArbeitnehmerInnen vom Arbeitsrecht bevorzugt oder benachteiligt werden? in IV/AK/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt (2004) 42; Thüsing, Religion und Kirche in einem neuen Anti-Diskriminierungsrecht, JZ 2004, 172; Schinkele, Religionsfreiheit und europäisches Antidiskriminierungsrecht – einige grundsätzliche Überlegungen, öarr 2008, 179; Windisch-Graetz, Antidiskriminierung und Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, öarr 2008, 228; Wolfsgruber, Altersdiskriminierung durch geringere Entlohnung von minderjährigen Arbeitnehmern? ecolex 2008, 1039; Kreil, Rechtfertigungsgründe in der Rechtsprechung zur Altersdiskriminierung, ZAS 2010, 206; Radlingmayr, Customer Preferences und arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote, ZAS 2010, 192; Wachter, “Sprachverwirrung” bei der Altersdiskriminierung, ZESAR 2010, 49; Eichinger, Keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei Auflösungsvereinbarung mit pensionsberechtigter 61-jähriger Arbeitnehmerin, ASoK 2011, 450; Rebhahn, Altersdiskriminierung in der Judikatur des EuGH, wbl 2011, 173; Schrammel, Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung bei sozialrechtlicher Differenzierung, in Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht? (2012) 75; Wachter, Österreichische Judikatur zur Altersdiskriminierung im Jahre 2011, in Wachter, Jahrbuch Altersdiskriminierung 2012, 29; Windisch-Graetz, Das Alter im Arbeitsrecht, in WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht, Alter und Recht (2012) 197; Wachter, Die Zwangspensionierungspraxis des ORF - eine verbotene Altersdiskriminierung? in Wachter, Jahrbuch Altersdiskriminierung 2014, 247; Krömer, Reform zur Beseitigung der Altersdiskriminierung selbst altersdiskriminierend, ZAS 2015, 323; Novara, Bewerberauswahl nach Kundenwünschen? NZA 2015, 142; Schrammel, Altersdiskriminierung bei der Bestimmung des Vorrückungsstichtages, DRdA 2015, 232; Wolf, Kostenneutrale Sanierung diskriminierender Lohnsysteme? in Kozak, EuGH und Arbeitsrecht (2015) 95; Rothballer, Berufliche Anforderungen im AGG (2016); Auer-Mayer, Altersdiskriminierung durch Kündigung von Arbeitnehmern bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension? wbl 2017, 185; Felten, Altersdiskriminierung: Kündigung bei vorzeitiger Alterspension, EvBl 2017, 318; Rauch, Pensionierung und Arbeitsrecht, ASoK 2017, 377; Berka, Zu den Grenzen glaubensbezogener Loyalitätsobliegenheiten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen, DRdA 2019, 318; Dullinger, Zur Entlohnung von Urlaubsersatzkräften gem § 19 Abs 5 PTSG, DRdA 2019, 448; Thüsing, Zulässige Ungleichbehandlung weibli-
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cher und männlicher Arbeitnehmer – Zur Unverzichtbarkeit i.S. des § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB, RdA 2001, 319; Brokes/Ettl, Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bei Erreichen eines bestimmten Lebens- bzw Pensionsalters, DRdA-infas 2020, 188.
Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung.............................................................................................. 1 II. Wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung.................... 3 1. Allgemeines.............................................................................................. 6 2. Kundenwünsche...................................................................................... 19 3. Weitere Fallgruppen................................................................................ 27 III. Ausnahmen für Kirchen und gleichgestellte Organisationen.............. 31 1. Kirchen und gleichgestellte Organisationen...................................... 33 2. Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und gleichgestellten Organisationen....................................................................................... 40 3. Beschränkung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip................... 43 4. Vorrang der Religion gegenüber anderen Diskriminierungsverboten?.................................................................................................. 50 IV. Ausnahmen in Bezug auf das Alter........................................................... 53 1. Wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung.............. 53 2. Legitime Ziele der Sozialpolitik............................................................ 56 a. Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung.................................. 61 b. Festsetzung eines Mindestalters und dienstzeitabhängige Ansprüche............................................................................................ 64 c. Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung....................... 74 d. Beendigung bei Erreichen eines bestimmten Alters...................... 77 3. Ausnahmen für Betriebspensionssysteme........................................... 88
I. Vorbemerkung § 20 GlBG sieht Rechtfertigungsmöglichkeiten (bzw Ausnahmebe- 1 stimmungen1) für unmittelbare Benachteiligungen vor und dient der Umsetzung der Art 4 Abs 1 und 2 und Art 6 RL 2000/78/EG. Neben der allgemeinen Rechtfertigungsmöglichkeit des § 20 Abs 1 GlBG existieren besondere Rechtfertigungsmöglichkeiten für das Alter (§ 20 Abs 3 bis 5 GlBG) und die Religion oder Weltanschauung (§ 20 Abs 2 GlBG). Neben diesen Rechtfertigungsmöglichkeiten ist zu berücksichtigen, 2 dass die RL 2000/78/EG nach ihrem Art 2 Abs 5 einzelstaatliche Maßnahmen nicht berührt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die 1 Vgl dazu § 5 Rz 14.
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Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Diese Bestimmung ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu setzen, die an die einzelnen in § 17 angeführten Gründen anknüpfen. Dass sich die RL ausschließlich an die Mitgliedstaaten richtet und Art 2 Abs 5 ausdrücklich formuliert, dass einzelstaatliche Maßnahmen zugunsten der genannten Rechtsgüter nicht berührt werden sollen, spräche dafür, dass sich ein privater AG nicht auf Art 2 Abs 5 berufen kann.2 Nach der Rsp des EuGH können sich jedoch auch Kollektivvertragsparteien auf diese Bestimmung berufen, vorausgesetzt diese wurde hinreichend konkret in nationales Recht umgesetzt.3 Die Regelung kann auch zur Auslegung der Ausnahmebestimmungen des § 20 herangezogen werden. Ob ein Merkmal in Verfolgung eines rechtmäßigen Zwecks eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt, kann unter Heranziehung der in Art 2 Abs 5 genannten Rechtsgüter ermittelt werden. Diese Bestimmung ist den Schrankenregelungen der Art 8 bis 11 EMRK nachgebildet. Die Judikatur des EGMR zu diesen die Grundrechte einschränkenden Bestimmungen kann daher durchaus zur Auslegung des Art 2 Abs 5 RL 2000/78/EG herangezogen werden. Es ist den Mitgliedstaaten daher unbenommen, bestimmte religiöse und weltanschauliche Gruppierungen im Interesse der genannten Schutzgüter beschränkenden Regelungen zu unterwerfen. Werden daher etwa religiöse Gruppierungen wie Scientology oder bestimmte politische Betätigungen – sofern man politische Anschauungen überhaupt unter die RL subsumiert (§ 17 Rz 38) – wie die Wiederbetätigung iSd VerbotsG (StGBl 13/1945) gesetzlichen Beschränkungen unterworfen, ist dies auch im Anwendungsbereich der RL unionsrechtskonform. Für die Frage, inwiefern der AG an diese Beschränkungen anknüpfen kann vgl § 17 Rz 42 f.
II. W esentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung 3 Das benachteiligende Anknüpfen an ein bestimmtes Kriterium, das eine unmittelbare Benachteiligung begründet, kann eine gerechtfertigte 2 GA Cruz Villalon in SA zu C-447/09, Prigge Rz 51. 3 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 59 ff.
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Entscheidungsgrundlage sein und damit keine Diskriminierung begründen, sofern es sich bei diesem Kriterium 1. um eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung handelt, 2. dabei ein legitimer Zweck verfolgt wird und 3. das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet wird. ErwG 18 RL 2000/43/EG hält fest, dass die Bezugnahme auf ein sol- 4 ches Kriterium nur unter sehr begrenzten Bedingungen gerechtfertigt sein kann. Auch die Mat zum GlBG halten fest, dass eine Ungleichbehandlung nur unter ganz besonderen, außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt sein könne, da die Gleichbehandlung ein grundlegendes Prinzip darstelle.4 Dem entspricht die Rsp des EuGH, der regelmäßig festhält, dass Ausnahmen eng auszulegen sind.5 Außerdem wurde der Ausnahmetatbestand des § 20 Abs 1 gleichlau- 5 tend wie jener der Gleichbehandlungs-RL 76/207/EWG idF RL 2002/73/EG formuliert. In ErwG 11 RL 2002/73/EG wird auf die Judikatur des EuGH in den Rs Johnston, Sirdar und Kreil verwiesen.6 In diesen Urteilen hat der EuGH gezeigt, wo er den Anwendungsbereich für diese Ausnahmebestimmung sieht: Im Interesse der öffentlichen Sicherheit darf das Tragen von Schusswaffen Männern vorbehalten werden, wenn die Gefahr besteht, dass bewaffnete Frauen öfter Ziele von Angriffen würden und dadurch die Waffen in die Hände der Angreifer fallen könnten (Johnston). Der Arbeitsplatz eines Koches in einer Eliteeinheit der Armee darf Männern vorbehalten werden, wenn wegen der zur Gewährleistung der Kampfkraft aufgestellten Regel der sogenannten „allseitigen Verwendbarkeit“ Frauen von diesem Truppenteil vollständig ausgeschlossen sind. Auch in diesem Verfahren spielten Erwägungen der äußeren und inneren Sicherheit eine Rolle (Sirdar). Der Dienst mit der Waffe darf für Frauen aber nicht grds ausgeschlossen werden (Kreil). Der Verweis auf diese Urteile zeigt, dass nach der RL sowohl die legitimen Ziele, zu deren Gunsten Ausnahmen getroffen werden können, als auch die entscheidende Anforderung äußerst eng 4 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 16. Vgl auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 5. 5 Vgl bspw EuGH 15.5.1986, 222/84, Johnston Rz 36; 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 56, 72. 6 EuGH 15.5.1986, 222/84, Johnston; 26.10.1999, C-273/97, Sirdar; 11.1.2000, C-285/98, Kreil.
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gesehen werden sollen. Die Urteile beziehen sich ausschließlich auf den Bereich der äußeren und inneren Sicherheit eines Staates und die (angenommene) körperliche Unterlegenheit von Frauen. Ob diese Urteile sinnvoll auf die Verhältnisse in der Privatwirtschaft übertragen werden können, war zunächst fraglich, mittlerweile gibt es dazu jedoch weitere Anhaltspunkte in der Judikatur des EuGH, die zu einer gewissen Ausweitung der Rechtfertigungsmöglichkeiten geführt haben.
1. Allgemeines 6 Nach Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG stellt „eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung [dar], wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt“. Demnach muss nach der Rsp des EuGH nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen.7 Liegt eine Benachteiligung aufgrund mehrerer Merkmale vor, so ist die Rechtfertigung für jedes Merkmal gesondert zu prüfen.8 7 Obwohl der Gesetzgeber diesen Ausnahmetatbestand positiv formuliert hat, wird iS einer teleologischen Interpretation auch der umgekehrte Fall des Fehlens eines bestimmten Merkmals vom Tatbestand erfasst sein: Wenn gerade das Fehlen eines bestimmten Merkmals, das etwa mit der Religion oder Weltanschauung zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung ist, darf der AG differenzierende Anordnungen treffen. So kann die Anordnung an einen Therapeuten, ein bestimmtes religiöses Symbol nicht zu tragen, gerechtfertigt sein (siehe Rz 22). 8 Einen rechtmäßigen Zweck erkannte der EuGH bspw in der Sicherstellung der Einsatzbereitschaft und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Berufsfeuerwehr (unter Berufung auf ErwG 18 RL 2000/78/ 7 EuGH 12.1.2010, C-229/08, Wolf Rz 35; 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 66; 13.11.2014, C-416/13, Vital Perez Rz 36; 14.3.2017, C-188/15, Bougnaoui Rz 37; 15.11.2016, C-258/15, Salaberria Sorondo Rz 33. 8 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 1.
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EG),9 der Sicherung des Flugverkehrs10 und der Sicherung der Einsatzbereitschaft und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Polizei.11 Als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung akzeptier- 9 te der EuGH dabei eine besonders ausgeprägte körperliche Eignung für die Berufsausübung im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst,12 besondere körperliche Fähigkeiten für die Ausübung des Berufs des Verkehrspiloten13 und das Vorhandensein besonderer körperlicher Fähigkeiten für die Ausübung des Berufs eines Polizeibeamten.14 Den Zusammenhang zwischen dem Grund, auf den die Ungleichbe- 10 handlung gestützt wird, und dem mit diesem Grund im Zusammenhang stehenden geschützten Merkmal bejahte der EuGH insb für das Erfordernis einer erhöhten körperlichen Eignung und das Alter.15 Für die Verhältnismäßigkeit ist zu prüfen, ob die gewählte Ungleich- 11 behandlung zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist.16 Dabei ist zu berücksichtigen, dass es in ErwG 23 RL 2000/78/EG heißt, dass unter „sehr begrenzten Bedingungen“ eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein kann, wenn ein Merkmal, das mit einem geschützten Merkmal zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Art 4 Abs 1 RL 2000/78/EG ist, soweit er es ermöglicht, vom Diskriminierungsverbot abzuweichen, eng auszulegen.17 So kann zwar für den Feuerwehrdienst, der besonders hohe körperliche Anforderungen mit sich bringt, ein Höchstalter bei der Einstellung von 30 Jahren vorgesehen werden, nicht jedoch bei der Ein9 EuGH 12.1.2010, C-229/08, Wolf Rz 37 ff. 10 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 68 f. 11 EuGH 13.11.2014, C-416/13, Vital Perez Rz 44; 15.11.2016, C-258/15, Salaberria Sorondo Rz 37 f. 12 EuGH 12.1.2010, C-229/08, Wolf Rz 40. 13 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 67. 14 EuGH 13.11.2014, C-416/13, Vital Perez Rz 41; 15.11.2016, C-258/15, Salaberria Sorondo Rz 34 f. 15 EuGH 12.1.2010, C-229/08, Wolf Rz 41; 13.11.2014, C-416/13, Vital Perez Rz 37; 15.11.2016, C-258/15, Salaberria Sorondo Rz 34. 16 EuGH 12.1.2010, C-229/08, Wolf Rz 42; 13.11.2014, C-416/13, Vital Perez Rz 45; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 7. 17 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 71 f; 13.11.2014, C-416/13, Vital Perez Rz 46 f; 7.11.2019, C-396/18, Cafaro Rz 66 f.
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stellung für die örtliche Polizei.18 Für Polizeibeamte mit körperlich fordernden Aufgaben kommt ein Höchstalter bei Einstellung hingegen wieder in Betracht.19 Entgegen der Vorgehensweise des EuGH wäre in all diesen Fällen aber eigentlich auch zu prüfen, inwiefern nicht auch eine Beendigung bei Abfall der Leistung oder Erreichen eines bestimmten Alters, ab dem dies zu vermuten ist, als gelinderes Mittel ausreichen würde.20 12 Ein Höchstalter für Piloten, das niedriger als international üblich und erforderlich ist, ist nicht verhältnismäßig,21 obwohl ein Höchstalter für Piloten bei richtiger Ausgestaltung grds zulässig ist.22 Haben die Piloten Einsätze im Auftrag der nationalen Sicherheit zu absolvieren, die höhere körperliche Anforderungen mit sich bringen, kann jedoch auch ein niedrigeres Höchstalter gerechtfertigt sein.23 13 Unmittelbare Folge der Anforderung der Verhältnismäßigkeit ist, dass nicht auf ein sensibles Merkmal abgestellt werden kann, wenn ein Abstellen auf andere Kriterien möglich, aber aufwendiger ist.24 So darf bspw nicht auf eine Mindestgröße (mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts) abgestellt werden, wenn stattdessen auf körperliche Fitness und Kraft abgestellt werden kann.25 Andererseits dürfen auch hier die Anforderungen nicht überspannt werden. So ist ein (durch wissenschaftliche Untersuchungen fundiertes) Höchstalter für Piloten selbst dann zulässig, wenn eine individuelle Überprüfung jedes einzelnen Piloten grds möglich wäre.26 14 Muss das Merkmal eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung für eine bestimmte Berufstätigkeit sein, so präzisieren die Mat, dass damit spezifische berufliche Anforderungen gemeint sind, die unbedingt notwendig für die Ausführung der betreffenden Tätigkeit sind. Als Beispiel wird der Fall eines/r Schauspielers/in genannt, der/die aus 18 EuGH 13.11.2014, C-416/13, Vital Perez Rz 53 ff. 19 EuGH 15.11.2016, C-258/15, Salaberria Sorondo Rz 40 ff. 20 Rebhahn, wbl 2011, 173 (175 f); Risak, ZAS 2014, 124 (127). 21 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 75. 22 EuGH 5.7.2017, C-190/16, Fries Rz 38 ff. 23 EuGH 7.11.2019, C-396/18, Cafaro Rz 65 ff. 24 Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 19.Vgl auch Rothballer, Berufliche Anforderungen im AGG 122 f. 25 EuGH 18.10.2017, C-409/16, Kalliri Rz 37 ff. 26 EuGH 5.7.2017, C-190/16, Fries Rz 59 ff.
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Gründen der Authentizität einer bestimmten ethnischen Gruppe angehören soll.27 In der Lit wird dieser Fall für den Diskriminierungsgrund des Alters adaptiert: Bei der Besetzung einer Theaterrolle als jugendlicher Liebhaber darf ein junger Schauspieler engagiert werden.28 Diese unbedingte Notwendigkeit darf aber nicht überspannt werden. 15 Natürlich kann jede Rolle von jedem Schauspieler gespielt werden – man denke an das griechische Theater, bei dem auch Frauenrollen von männlichen Schauspielern verkörpert wurden. Es kommt demnach nicht darauf an, dass die betreffende Tätigkeit ohne die vorgenommene Benachteiligung objektiv schlicht undurchführbar wäre. Es kommt darauf an, dass die ordnungsgemäße Leistungserbringung von dem zu rechtfertigenden Kriterium abhängig ist.29 Eine wesentliche und entscheidende Anforderung liegt demnach nicht vor, wenn nur ein zeitlich oder wertungsmäßig untergeordneter Teil der Leistung betroffen ist.30 Kann sich der AG auf ein über die Erwerbstätigkeit hinausgehendes Grundrecht stützen (bspw die Kunstfreiheit), ist eine weitergehende Rechtfertigung möglich.31 Als Testfrage schlägt Thüsing folgende Überlegung vor: Wäre die Stelle 16 dauerhaft unbesetzt geblieben, wenn sich nur AN ohne das geforderte Differenzierungsmerkmal beworben hätten?32 Obwohl diese Testfrage auf den ersten Blick passend erscheint, zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass sie der Judikatur des EuGH nicht entspricht. Würden sich keine jüngeren Bewerber für eine Beschäftigung bei der Feuerwehr, der Polizei oder als Pilot (siehe Rz 8 ff) finden, würde man wohl ältere Bewerber einstellen, anstatt die jeweiligen Dienstleistungen entfallen zu lassen. 27 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 16. Krit Körber-Risak in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht (37. Lfg, 2021) VIII Rz 72. 28 Schmidt/Senne, RdA 2002, 80 (83); Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 28. 29 Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 8 AGG Rz 4; Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 6; Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 180. 30 Schlachter in ErfK22 § 8 AGG Rz 6; Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 8 AGG Rz 4; Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 6; Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 180. Die GBK nimmt die Beurteilung anhand des „Normalfalles“ vor. „Sonderfälle“ bleiben unberücksichtigt (GBK II/228/14). 31 Vgl zur Bedeutung der Grundrechte für die Rechtfertigung auch Rothballer, Berufliche Anforderungen im AGG 101 ff. 32 Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 7. So auch Radlingmayr, ZAS 2010, 192 (195).
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17 Das zeigen auch zwei weitere E des EuGH anschaulich auf: Die unmittelbare Benachteiligung von Männern beim Zugang zum Beruf der Hebamme ist aufgrund der besonderen Beziehung zwischen Patientin und Hebamme gerechtfertigt.33 Für den Fall, dass sich keine weiblichen Hebammen finden, würde man aber wohl eher Männer ausbilden, als auf die Ausbildung von Hebammen zu verzichten. Entsprechend hat der VfGH eine unmittelbare Bevorzugung von Frauen beim Zugang zu Kassenverträgen für Frauenheilkunde zugelassen.34 Außerdem rechtfertige es die besondere Eigenart der Aufseherposten in Haftanstalten und die Bedingungen, unter denen die Beteiligten ihre Tätigkeit ausüben, diese Posten in Männergefängnissen hauptsächlich Männern und in Frauengefängnissen hauptsächlich Frauen vorzubehalten. Der Grund für diese unmittelbare Bezugnahme auf das Geschlecht, der aus dem Urteil nicht ausdrücklich hervorgeht, wird va im Schutz der Privatsphäre der Häftlinge zu suchen sein.35 Insofern missverständlich sind daher auch die Ausführungen des EuGH in der Rs Achbita (siehe Rz 26), nach welchen solche subjektiven Umstände nicht als Rechtfertigung taugen würden. 18 Auch der OGH dürfte davon ausgehen, dass die Anforderungen an die wesentliche und entscheidende Voraussetzung nicht überspannt werden dürfen, wenn er das Unterlassen der Gesichtsverhüllung für eine Notariatsmitarbeiterin als wesentlich und entscheidend qualifiziert.36
2. Kundenwünsche 19 Da wie gezeigt auch subjektive Erwägungen zu einer Rechtfertigung gem § 20 Abs 1 GlBG führen können, ist zu prüfen, ob eine Rechtfertigung durch Kundenwünsche und/oder -erwartungen möglich ist. Diskutiert wird bspw inwieweit im Dienstleistungsbereich auf Personen mit einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit zurückgegriffen werden kann, etwa mit der Begründung, Angehörige einer bestimmten ethnischen Gruppe könnten gewisse Tätigkeiten am effektivsten für Angehörige derselben ethnischen Gruppe leisten. Im US-amerikanischen Recht und in Großbritannien wird etwa die Bezugnahme auf eine bestimmte ethnische Zugehörigkeit für die Tätigkeit in Restaurants, die 33 EuGH 8.11.1983, 165/82, Kommission/Vereinigtes Königreich Rz 20. 34 VfGH 9.12.2014, V 54/2014. 35 EuGH 30.6.1988, 318/86, Kommission/Frankreich Rz 12 ff. 36 OGH 25.5.2016, 9 ObA 117/15v.
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die Küche bestimmter Regionen vertreten, für zulässig erachtet. Liegt in diesen Fällen tatsächlich ein unionsrechtlich zulässiges Auswahlkriterium vor, das für die Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende Anforderung darstellt, die einen legitimen Zweck erfüllt und verhältnismäßig ist? In den genannten Fällen steht hinter der bewussten Auswahl von Mitarbeitern einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit ein unternehmerisches Konzept. Dieses orientiert sich im Wesentlichen an Kundenerwartungen, wodurch die unternehmerische Tätigkeit möglichst erfolgreich sein soll. IdS hat der OGH im Bereich der Geschlechterdiskriminierung das Verkaufskonzept eines Unternehmers, nach dem die Verkäufer von Herrenmode diese auch tragen sollen, und daher nur Männer beschäftigt werden können, als sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung betrachtet.37 Aufgrund des mittlerweile geänderten Rechtfertigungsmaßstabs ist diese Entscheidung jedoch nicht mehr verallgemeinerbar. Außerdem ist offensichtlich, dass mit derartigen Argumentationsmustern eine Vielzahl an Benachteiligungen gerechtfertigt werden könnte, was dem Ausnahmecharakter des § 20 Abs 1 GlBG (siehe Rz 4 f) zuwiderlaufen würde. In der Lit werden verschiedene Auffassungen vertreten: Während ein 20 Teil der Lit einer Rechtfertigung durch Kundenwünsche und -erwartungen grds ablehnende gegenübersteht,38 will ein anderer Teil eine solche Rechtfertigung unter Umständen zulassen. Schlachter erachtet bspw ein unternehmerisches Konzept mit enger Verbindung zur Leistung als ausreichend (zB modische Beratung Jugendlicher durch junge AN). Das Konzept muss für den Unternehmenserfolg entscheidend sein. Irgendwelche Vorlieben der Kunden (bspw junge Stewardessen) genügen aber auch nach dieser Ansicht nicht.39 Thüsing differenziert danach, ob bereits der Kundenwunsch diskriminierend ist oder legitim. Ob die Diskriminierung beim AG oder bei den Kunden ihren Ausgang nimmt, könne für das Gleichbehandlungsrecht nicht entscheidend sein. Im Falle der Bestandsgefährdung des AG sei jedoch eine Ausnahme zu machen.40
37 OGH 12.1.2000, 9 ObA 318/99a. 38 Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 8 AGG Rz 5; Thüsing, RdA 2001, 319 (323 f). 39 Schlachter in ErfK22 § 8 AGG Rz 5. 40 Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 16 f. Vgl auch GBK II/228/14.
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21 Eine Kernfrage liegt zunächst im Verständnis des Kriteriums eines „legitimen Zwecks“. Auf das Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit (und die übrigen sensiblen Merkmale) darf nur unmittelbar Bezug genommen werden, um einen Zweck zu erfüllen, der unionsrechtlich als legitim angesehen wird. Die Judikatur des EuGH bietet Anhaltspunkte, die hier dienlich sein können. In seiner Judikatur zu den Grundfreiheiten hält der EuGH regelmäßig fest, dass wirtschaftliche Zwecke allein, Einschränkungen solcher grundlegender Rechte nicht rechtfertigen können. Legitime Zwecke, die Einschränkungen des Diskriminierungsverbots rechtfertigen können, lassen sich aber schon aus der RL 2000/43/EG selbst herausarbeiten: Sinn und Zweck der RL ist ua, günstige Bedingungen für die Entstehung eines Arbeitsmarktes zu schaffen, der soziale Integration fördert; Diskriminierungen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, wie ethnischer Minderheiten, sollen hintangehalten werden.41 Dazu kommen weitere vom EuGH generell akzeptierte Rechtfertigungsgründe, etwa der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung oder der Arbeitnehmerschutz. MaW: Die Erfüllung von Kundenwünschen kann einen legitimen Zweck verfolgen, wenn ein besonderes öffentliches oder sozialpolitisches Interesse an der optimalen Erfüllung der Aufgabe besteht, die das Gleichbehandlungsinteresse zu überspielen geeignet ist.42 22 Daraus lassen sich Rechtfertigungen der Bevorzugung von Angehörigen einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit für Dienstleistungen für Angehörige derselben ethnischen Gruppe ableiten: Schafft die gleiche ethnische Zugehörigkeit von Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger etwa ein Vertrauensverhältnis, das für den Gesundheitszustand (psychischen Zustand) der betroffenen DienstleistungsempfängerInnen förderlich ist – zB in der Arbeit mit Folteropfern – dient dies dem Schutz der Gesundheit und der persönlichen Integrität der Betroffenen und damit einem vom EuGH stets akzeptierten Rechtfertigungsgrund. Vergleichbar wäre die Therapie von Opfern religiöser Verfolgung, die wünschen, nicht mit einem bestimmten religiösen Symbol konfrontiert zu werden.43 23 Werden in Restaurantbetrieben bevorzugt Köche und Kellner aus bestimmten Regionen eingestellt, ist zu unterscheiden. Ist dabei die fach41 ErwG 9 RL 2000/43/EG. 42 Roloff in BeckOK Arbeitsrecht § 8 AGG Rz 5. 43 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 331.
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liche Qualifikation das entscheidende Auswahlkriterium – etwa wenn der indische Bewerber die indischen Speisen am besten zubereiten kann – liegt schon keine unmittelbare Benachteiligung vor. Ist das Auswahlkriterium jedoch ein rein äußerliches, das am Aussehen der Person anknüpft, um ein Marketingkonzept zu verwirklichen, in das die ethnische Zugehörigkeit des AN integriert wird, liegt eine unmittelbar benachteiligende Auswahl von Personen vor, die uE nicht gerechtfertigt werden kann, da sie in erster Linie Klischeevorstellungen der Kunden bedient.44 IdZ ist auch die Auffassung des EGMR von Bedeutung, die überkommenen Traditionen der Bevölkerung seien kein legitimer Zweck für Einschränkungen des Diskriminierungsverbots.45 Fraglich ist, ob in diesem Fall mit dem Argument der Förderung der Integration ethnischer Minderheiten in den Arbeitsmarkt eine sachliche Rechtfertigung einer Bevorzugung Angehöriger ethnischer Minderheiten bei der Einstellung gesehen werden könnte. Dazu ist Folgendes festzuhalten: Die RL verfolgt die Entstehung eines Arbeitsmarktes, der die soziale Integration fördert. Das Anknüpfen an eine soziale Integration bedeutet uE, dass eine übergreifende Integration von Angehörigen jeder ethnischen Zugehörigkeit (auch der europäisch-österreichischen) in jeden Bereich des Arbeitsmarktes erfolgen soll. Eine Bevorzugung ethnischer Minderheiten idS, dass sie bevorzugt Angehörige der eigenen ethnischen Gruppe beschäftigen dürfen, würde in Konsequenz zu einem Recht auf Bildung kulturell definierter Nischen führen, ein Recht, das den RL und dem GlBG nicht entnommen werden kann. Auch der EuGH-Judikatur kann ein solches Recht iS eines Rechtfertigungsgrundes nicht entnommen werden. Gerade im Gegenteil zeigen die Anstrengungen der EU und der Mitgliedstaaten im Bereich der Geschlechtergleichbehandlung, dass das Aufbrechen von abgegrenzten Sektoren und eine gegenseitige Durchlässigkeit von großer Bedeutung für einen diskriminierungsfreien Arbeitsmarkt und eine ebensolche Gesellschaft sind. Positive Maßnahmen gem § 22 zur Förderung der sozialen Integration von Angehörigen bestimmter ethnischer Minderheiten in den Arbeitsmarkt sind jedoch zulässig (vgl dazu den Komm zu § 8).
44 Ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 327 ff; Radlingmayr, ZAS 2010, 192 (195 f). 45 EGMR 22.2.1994, 16213/90, Burghartz/Schweiz; 28.10.1987, 8695/79, Inze/ Österreich.
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24 Im Ergebnis kommt es daher auf die Hintergründe hinter den Kundenwünschen an. Sind diese legitim (bspw Schutz der Intimsphäre46) oder kann an die Kunden ausnahmsweise nicht der gleiche Maßstab angelegt werden (bspw traumatisierte Personen), sind Kundenwünsche ausnahmsweise als Rechtfertigung zulässig. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, ob sich die Kunden auf ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut berufen können.47 25 Eine weitere Ausnahme ist dort zu machen, wo Kunden oder Geschäftspartner sich nicht im Einflussgebiet der unionsrechtlichen Gleichbehandlungsvorschriften befinden. Entsendet der AG bspw AN in Gebiete außerhalb Europas und werden in diesen Gebieten Personen bestimmter Religionen, ethnischer Zugehörigkeiten etc nicht als Geschäftspartner akzeptiert, kann der AG dies bei der Auswahl der zu entsendenden Person berücksichtigen.48 26 Der EuGH scheint eine Rechtfertigung durch Kundenwünsche ungeachtet seiner in Rz 17 dargestellten Judikatur generell für unzulässig zu halten. Der Begriff „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ iSd Bestimmung verweise auf eine Anforderung, die von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist. Er könne sich hingegen nicht auf subjektive Erwägungen wie den Willen des AG, besonderen Kundenwünschen zu entsprechen, erstrecken.49 Der OGH hält zumindest unbestimmte Erwartungen von Klienten für unbeachtlich, zumal das Antidiskriminierungsrecht bezwecke, allfällige Vorurteile zu überwinden. Diffuse Vorbehalte reichen für eine Rechtfertigung gem § 20 Abs 1 GlBG jedenfalls nicht aus.50
3. Weitere Fallgruppen 27 Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, ob in besonderen Fällen auch die Nichtmitgliedschaft zu missionierenden Sekten Bedingung für das Ar46 BAG 8 AZR 536/08 NJW 2009, 3627; Schlachter in ErfK22 § 8 AGG Rz 2; Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 12. 47 Radlingmayr, ZAS 2010, 192 (195 ff); Novara, NZA 2015, 142 (144 ff) mwN. 48 Ausf Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 333 ff; Thüsing, RdA 2001, 319 (324). 49 EuGH 14.3.2017, C-188/15, Bougnaoui Rz 37; Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 17. Vgl auch EuGH 10.7.2008, C-54/07, Feryn. 50 OGH 25.5.2016, 9 ObA 117/15v.
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beitsverhältnis sein kann: Nach der dt Rsp kann schon die Gefahr der einseitigen Beeinflussung mit den Ideen von „Scientology“ einen wichtigen Grund darstellen, um ein Dienstverhältnis zu beenden, wenn die Arbeitsaufgabe in der individuellen psychologischen Beratung von Personen in akuten Krisensituationen besteht, dh in Situationen, die das Entstehen besonderer Abhängigkeitsverhältnisse und Beeinflussbarkeit fördern.51 Zwar wird damit ein legitimer Zweck verfolgt (Verhinderung des Ausnutzens einer Krisensituation eines Patienten), um dem Ausnahmecharakter des § 20 Abs1 GlBG gerecht zu werden und nicht bestimmte Religionen pauschal unter Generalverdacht zu stellen, wird man aber auch hier konkrete Anhaltspunkte fordern müssen.52 Mit Karl kann pädophilen AN ein Arbeitsplatz in der Kinderbetreu- 28 ung verweigert werden, weil für die Tätigkeit mit Kindern eine nichtpädophile Veranlagung eine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung darstellt, um dem Schutz der Kinder und damit einem rechtmäßigen Zweck gerecht zu werden.53 Zu einem anderen Ergebnis wird man kommen, wenn sich dieselbe Person auf einen Arbeitsplatz etwa am Hochofen bewirbt. Die Diskriminierung beruht in solchen Fällen auf Feindseligkeit, Angst und moralischer Verurteilung.54 Nach der Rsp des OGH ist das Verbot einen Gesichtsschleier zu tragen 29 durch das Erfordernis der Kommunikation mit dem AG, den Kollegen und den Kunden gerechtfertigt.55 Denkbar wäre unter besonderen Umständen auch eine Rechtfertigung durch Sicherheitsgründe. Hinsichtlich des Tragens religiöser Symbole (Turban, Kopftuch, Ketten udgl) kommt grds auch eine Rechtfertigung durch Notwendigkeiten des technischen Arbeitnehmerschutzes in Betacht. Allerdings liegt in diesen Fällen meist schon keine unmittelbare Benachteiligung vor.56 51 LAG Berlin 13 Sa 19/97 NZA-RR 1997, 422. 52 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 211 f; krit ggü dem Abstellen auf die bloße Mitgliedschaft auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 45. 53 Karl in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 43 (49); Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 162.1; Radlingmayr, ZAS 2010, 192 (195). 54 Baumgärtner in BeckOGK § 1 AGG Rz 162.1. 55 OGH 25.5.2016, 9 ObA 117/15v. Im Ergebnis zust Berka DRdA 2017, 247 (255 f). 56 Dullinger in Kietaibl/Resch, Diskriminierung – Schutz und Folgen im Arbeitsrecht 17 (27 f). Vgl bspw GBK II/27/07.
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30 Weitere Bsp für Rechtfertigungen gem § 20 Abs 1 GlBG können der US-amerikanischen Rsp entnommen werden: Eine Fluggesellschaft kann verlangen, dass ihre Piloten für einen Flug nach Mekka Muslime sind, weil das saudi-arabische Recht nur Muslimen den Zutritt zur Heiligen Stadt erlaubt; eine Schlachterei, die koscheres Fleisch zubereitet, kann vom Schlachter verlangen, dass er Jude ist, weil andernfalls eine Anerkennung des Fleisches als koscher fraglich wäre.57
III. A usnahmen für Kirchen und gleichgestellte Organisationen 31 § 20 Abs 2 GlBG sieht eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot für berufliche Tätigkeiten in Kirchen oder anderen öffentlichen oder privaten Organisationen vor, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht: Ungleichbehandlungen sind zulässig, sofern – nach der Religion oder Weltanschauung differenziert wird, und diese – nach der Art der Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung – eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. 32 Das GlBG macht mit der Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 2 von der Ermächtigung des Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG Gebrauch. Angesichts dieser Ausnahmebestimmung zeigen sich verschiedene Auslegungsprobleme. Dabei ist festzuhalten, dass Art 4 Abs 2 RL 2000/78/ EG die Mitgliedstaaten ermächtigt, die Ausnahmebestimmungen zugunsten von Kirchen und gleichgestellten Organisationen entsprechend den zum Zeitpunkt der Annahme der RL bestehenden einzelstaatlichen Gepflogenheiten zu gestalten. Zum Hintergrund des Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG hält ErwG 24 fest, die Europäische Union habe in ihrer der Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügten Erklärung Nr 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften ausdrücklich anerkannt, dass sie den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, achtet und ihn nicht beeinträchtigt und dass dies in gleicher Weise für den Status von weltan57 Nachw bei Thüsing, ZfA 2001, 397 (407).
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schaulichen Gemeinschaften gilt. Die Mitgliedstaaten können in dieser Hinsicht spezifische Bestimmungen über die wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderungen beibehalten oder vorsehen, die Voraussetzung für die Ausübung einer diesbezüglichen beruflichen Tätigkeit sein können.
1. Kirchen und gleichgestellte Organisationen § 20 Abs 2 übernimmt den Wortlaut des Art 4 Abs 2 der RL 2000/78/ 33 EG, ohne zu definieren, zugunsten welcher Organisationen die Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 2 gelten soll. Die Begriffe des Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG sind unionsrechtlich autonom auszulegen, daher ist auch § 20 Abs 2 im Hinblick auf dieses Begriffsverständnis auszulegen. In ErwG 24 RL 2000/78/EG wird festgehalten, dass die EU den Status von Kirchen, religiösen Vereinigungen oder Gemeinschaften und weltanschaulichen Gemeinschaften achtet. Bereits durch diesen unscharf formulierten Wortlaut wird deutlich, dass der Begriff von Kirchen und den gleichgestellten Organisationen weit zu verstehen ist. Auch aus der Entwicklung des Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG wird von einem Teil der Lit abgeleitet, dass der Geltungsbereich für die Ausnahmebestimmung sehr weit gezogen sei:58 Die ursprüngliche Formulierung des Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG war zunächst deutlich enger. In Anlehnung an die Tendenzschutzklausel der RL über den Europä ischen Betriebsrat, sollten nur öffentliche oder private Organisationen, die in den Bereichen der Religion oder des Glaubens im Hinblick auf Erziehung, Berichterstattung und Meinungsäußerung unmittelbar und überwiegend eine bestimmte weltanschauliche Tendenz verfolgen, Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot aufgrund von Religion und Weltanschauung gewährt werden können. Der Wortlaut des nunmehr in Geltung stehenden Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG enthält eine solche tätigkeitsbezogene Einschränkung nicht mehr.59 Auch die Rechtsform der Organisation ist unerheblich. Die Mat zu 34 § 20 Abs 2 halten fest, dass auch die Nutzung von eigenständigen Unternehmensformen in Ausführung der berechtigten Zwecke die oben genannten Kirchen und Organisationen nicht von der Anwendung der Ausnahmebestimmung ausschließen, wenn das Ethos untrennbar mit
58 Vgl Thüsing, JZ 2004, 172 (176). 59 Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (230).
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dem Unternehmenszweck verbunden ist.60 Das sieht auch der EuGH so, der auch Kapitalgesellschaften grds von Art 4 Abs 2 RL 2000/78/ EG erfasst sieht. Erwägungen zur Rechtsnatur und zur Rechtsform der betreffenden Körperschaft sollen keine Auswirkungen auf die Frage haben, ob diese Vorschrift anwendbar ist.61 35 Unter Ethos versteht man die von sittlichen und moralischen Normen geprägte verantwortungsbewusste Grundhaltung eines Einzelnen oder einer Gruppe,62 die tragenden Grundsätze ihrer Glaubens- und Sittenlehre.63 Aufbauend auf dieser allgemeinen Definition kann man jene Organisationen als vom Geltungsbereich erfasst sehen, deren Leitbilder und Unternehmensziele auf religiösen oder weltanschaulichen Grundsätzen fußen. Daher müssen Organisationen und Unternehmen, die von derart geistig-ideellen Zielsetzungen geprägt sind, von rein wirtschaftlichen Unternehmen abgegrenzt werden können. Fraglos werden die Religionsgemeinschaften und Organisationen, die in einem Zusammenschluss von Gleichgesinnten bestehen, die es sich zum Ziel setzen, nach diesen Idealen zu leben und diese zu verkünden, von der Ausnahmebestimmung erfasst sein. Es können aber auch Unternehmungen erfasst sein, die mit der Religionsgemeinschaft oder der gleichgestellten Organisation in einem ausreichend engen Zusammenhang stehen, und in denen sich ebenfalls das besondere Ethos verwirklicht. Die Unternehmung muss sich zumindest partiell als „Wesens- und Lebensäußerung“ der Kirche oder gleichgestellten Organisation darstellen, was nicht nur für karitative und erzieherische Einrichtungen zu bejahen ist, sondern auch für missionarische Werke, einschlägige Presseagenturen und Wissenschaftseinrichtungen.64 Daher fallen etwa Schulen kirchlicher Rechtsträger, Krankenanstalten65 und Altersoder Pflegeheime, deren Rechtsträger eine Kirche oder ein Orden ist, in den Geltungsbereich der Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 2. In diesen Bereichen kommt die besondere Werthaltung der religiösen oder weltanschaulichen Vereinigung zum Ausdruck.66 60 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 16; Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (231). 61 EuGH 11.9.2018, C-68/17, IR Rz 39 ff. 62 Brockhaus-online, Ethos (zuletzt abgerufen am 7.3.2022). Vgl auch Hopf/ Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 12. 63 Schinkele, öarr 2018, 382 (396). 64 Reichold, NZA 2001, 1054 (1059). 65 EuGH 11.9.2018, C-68/17, IR. 66 Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (230).
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Ausgeschlossen sind dagegen rein gewerbliche Betätigungen, was zB 36 im konfessionellen Krankenhaus dazu führen kann, dass ausgegliederte „Service-GmbHs“ ohne diakonischen Auftrag, also etwa zur Kantinenbewirtschaftung, Reinigung oder Grundstücksverwaltung, eine kirchliche Grundfunktion nicht mehr erfüllen.67 Die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr allein schadet aber nicht, solange sich die fragliche Einrichtung bei ihrem Wirken an einer Glaubens- oder Sittenlehre orientiert.68 Der Unternehmensinhaber ist für die Beurteilung, ob das konkrete 37 Unternehmen einen religiösen oder weltanschaulich fundierten Zweck verfolgt, nicht maßgeblich. Eine Bierbrauerei in der Rechtsform einer GmbH kann zu keiner Ausnahme nach § 20 Abs 2 führen, nur weil ein Orden Gesellschafter ist. Es genügt auch nicht, dass das in Frage stehende Unternehmen selbst nur die Aufgabe hat, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung religiöser oder weltanschaulicher Zwecke einer Kirche oder gleichgestellten Organisation zu schaffen, also indirekt einer ideellen Zielsetzung dient.69 Nicht unter § 20 Abs 2 GlBG fällt auch ein Notariat. Dass ein Notariat eine Organisation sei, deren Ethos auf dem Grundsatz der Objektivität und der strikten Unparteilichkeit beruht, reiche nicht aus. Maßgebend ist nicht irgendein Ethos, sondern nur ein Ethos, der auf religiösen (oder weltanschaulichen) Grundsätzen fußt, das sei bei einem Notariat offenkundig nicht der Fall.70 Ob eine Organisation auf einem religiösen oder weltanschaulichen 38 Ethos gegründet ist, muss aufgrund einer zweifachen Zuordnung geprüft werden. Zunächst wird das Selbstverständnis der Organisation von maßgebender Bedeutung dafür sein. Die betreffende Organisation muss sich aber auch nach dem objektiven Verständnis der Rechtsgemeinschaft aufgrund nach außen tretender Kriterien wie Inhalt und äußerem Erscheinungsbild als religiöse oder weltanschaulich geprägte Organisation darstellen.71 Entscheidend ist die Zwecksetzung des Un67 Reichold, NZA 2001, 1054 (1059). 68 Berka, DRdA 2019, 318 (321 f). 69 Vgl Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 132 Rz 17 (Stand 1.8.2003, rdb.at). 70 OGH 25.5.2016, 9 ObA 117/15v. 71 Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (231). Vgl zum konfessionellen Tendenzschutz gem § 132 ArbVG Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG
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ternehmens bzw der Organisation, genauer die vom Unternehmensinhaber mit dem Unternehmen nach der nach außen in Erscheinung tretenden und damit objektiv erkennbaren Zweckwidmung verfolgten Ziele. Die subjektive Zweckwidmung des Unternehmers allein kann daher keine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot begründen.72 39 Subsumiert man unter den Begriff Weltanschauung auch politische Ansichten – was die Mat andeuten (vgl § 17 Rz 38) – kommt die Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 2 auch bei Organisationen wie politischen Parteien zur Anwendung.73
2. Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und gleichgestellten Organisationen 40 § 20 Abs 2 ermöglicht Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot, sofern eine Kirche oder gleichgestellte Organisation Religion oder Weltanschauung einer Person als Entscheidungskriterium verwendet. In der Praxis wird sich diese Frage in erster Linie bei der Einstellung von Personen stellen, aber auch bei der Beendigung, etwa wenn die betreffende Person ihre Religionszugehörigkeit beendet oder wechselt.74 Nach der Religion oder Weltanschauung eines AN wird aber auch dann differenziert, wenn auf Ansichten und Verhaltensweisen, die religiös oder weltanschaulich relevant sind, Bezug genommen wird. Daher darf eine Kirche oder gleichgestellte Organisation AN auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage kündigen, wenn deren Ansichten und Verhaltensweisen mit dem Verständnis der jeweiligen Religion oder Weltanschauung nicht vereinbar sind (vgl aber Rz 50 ff). Der Wortlaut des § 20 Abs 2 lässt diese weite Interpretation zu. Die RL 2000/78/EG deckt diese Interpretation, da sie in Art 4 Abs 2 Kirchen und gleichgestellte Organisationen ermächtigt, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen zu verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig iSd Ethos der Organisation verhalten (siehe auch Rz 49). 41 In Österreich gewährleistet Art 15 StGG jeder gesetzlich anerkannten Kirche und Religionsgesellschaft nicht nur das Recht der gemeinsamen § 132 Rz 17, 33 (Stand 1.8.2003, rdb.at). Krit hinsichtlich der objektiven Kriterien Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 15. 72 Vgl auch VwGH 2087/65 ZAS 1967, 114 (Mayer-Maly). 73 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 13. 74 Für die diesbezüglichen Besonderheiten vgl Schinkele, öarr 2008, 179 (204).
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öffentlichen Religionsausübung, sondern auch die selbständige Ordnung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten. Zu diesen inneren Angelegenheiten zählt insb die Möglichkeit, zu bestimmen, was die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihre Verkündigung erfordert, was die Glaubens- und Sittenlehre verlangt,75 zu beurteilen, ob eine Äußerung gegen die Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre verstößt und welches Gewicht diesem Verstoß beizumessen ist.76 Besondere Loyalitätspflichten seitens der AN sind ein typisches Merkmal kirchlicher Arbeitsverhältnisse, welches sich aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ergibt.77 Diese werden nicht nur nach nationalen Rechtsordnungen anerkannt, sondern auch durch den EGMR. Der EGMR hat in der Rechtssache Rommelfanger bspw das Interesse der Kirchen an einer spezifischen Werthaltung ihrer AN – in der Sache ging es um die Haltung eines Arztes zu Schwangerschaftsabbrüchen – akzeptiert.78 In jüngeren E hat der EGMR jedoch auch die Grenzen dieses Grundsatzes aufgezeigt.79 Allerdings dürfen die Loyalitätsobliegenheiten nicht unverhältnismä- 42 ßig sein.80 Auch die österr Gerichte überprüfen die Entscheidungen der Kirchen dahingehend, ob sie nicht willkürlich bzw sachfremd sind.81 Sie messen die kirchlichen Entscheidungen am allgemeinen Willkürverbot, den guten Sitten und dem ordre public.82 Diese Einschränkungen der Loyalitätsverpflichtungen müssen sich nunmehr auch an unionsrechtlichen Schranken messen lassen.
3. Beschränkung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip § 20 Abs 2 enthält weitreichende Beschränkungen der Ausnahme vom 43 Diskriminierungsverbot. Eine Differenzierung nach Religion oder Weltanschauung ist jedoch nur zulässig, wenn die Religion oder Weltanschauung nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Aus75 OGH 26.11.1974, 4 Ob 41/74; 9.7.1987, 6 Ob 611/87 mwN. 76 OGH 12.4.1995, 9 ObA 31/95. 77 ZB OLG Wien 7 Ra 221/00x ARD 5181/38/2001; OGH 12.4.1995, 9 ObA 31/95. 78 EKMR 6.9.1989, 12242/86, Rommelfanger/Deutschland. 79 EGMR 23.9.2010, 425/03, Obst/Deutschland. 80 EKMR 6.9.1989, 12242/86, Rommelfanger/Deutschland. 81 OGH 12.4.1995, 9 ObA 31/95. 82 OLG Wien 7 Ra 221/00x, ARD 5181/38/2001.
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übung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Diese Anforderungen lassen sich als Anwendung des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips zusammenfassen.83 Anders als in § 20 Abs 1 muss die Religion oder Weltanschauung keine entscheidende berufliche Anforderung darstellen. Es genügt, wenn die Religion oder Weltanschauung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung widerspiegelt. Abs 2 ist daher als lex specialis zu Abs 1 zu verstehen.84 44 Die Ausnahme vom Diskriminierungsverbot ist tätigkeitsbezogen. Daher muss auch innerhalb einer Kirche oder gleichgestellten Organisation je nach Art der konkreten Tätigkeit und den Umständen ihrer Ausübung entschieden werden, ob das Vorliegen einer bestimmten Religion oder Weltanschauung tatsächlich erforderlich ist. Es wird sich dabei vor allem um Tätigkeiten handeln, im Rahmen welcher Glaubensinhalte vermittelt werden, wie zB ReligionslehrerInnen, KatechetInnen, PastoralassistentInnen, BeraterInnen, journalistische MitarbeiterInnen, EntwicklungshelferInnen, KünstlerInnen etc.85 Fraglich ist, ob § 20 Abs 2 anwendbar ist, wenn das Verkünden von Glaubensinhalten nicht im Vordergrund steht, die Tätigkeit aber von persönlichem Kontakt zu Dritten geprägt ist (zB SekretärInnen, KindergartenpädagogInnen, ÄrztInnen, Krankenpflegepersonal). Argumentiert wird, dass auch in diesen Fällen an das Kriterium der Religion oder Weltanschauung angeknüpft werden dürfe, weil auch hier Werthaltungen vermittelt werden können. Dies treffe insb auch für LehrerInnen zu, die nicht Religion oder Ethik unterrichten. In jedem Unterrichtsfach können religiöse oder weltanschauliche Grundhaltungen der Lehrperson einfließen.86 Inwiefern in der Praxis bspw im Chemie- oder Physikunterricht, durch medizinisches Personal, das überwiegend im OP arbeitet, oder Sekretariatskräfte mit jeweils nur ganz kurzem Kontakt zum Gegenüber wirklich religiöse oder weltanschauliche Grundhaltungen vermittelt werden können, ist jedoch sehr fragwürdig. Ist die Tätigkeit dagegen in keiner Weise darauf gerichtet, persönliche Werte und Anschauungen zu kommunizieren, ist ein Anknüpfen an Religion oder 83 Reichold, NZA 2001, 1054 (1059). 84 Reichold, NZA 2001, 1054 (1059, Fn 60). 85 Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (233). 86 Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (233).
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Weltanschauung jedenfalls nicht gerechtfertigt (Reinigungspersonal, HaustechnikerInnen etc).87 Die Entscheidung, ob für eine bestimmte Tätigkeit nach Religion oder 45 Weltanschauung differenziert werden darf, treffen die staatlichen Gerichte. Umstritten war jedoch, ob die staatlichen Gerichte auch darüber entscheiden, ob die Religion oder Weltanschauung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung angesichts des Ethos der Kirche oder Organisation darstellt. Diese Frage wurde durch den EuGH in der Rs Egenberger geklärt. Bei der Auslegung von Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG seien nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die damit verfolgt werden, und insb auch seine Entstehungsgeschichte. Art 4 Abs 2 RL 2000/78/ EG knüpfe die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung seinem Wortlaut nach daran, dass die Religion oder Weltanschauung nach der Art der fraglichen Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Kriterien ginge jedoch völlig ins Leere, wenn sie ausschließlich der Kirche oder der Organisation vorbehalten wäre. Zur Bestärkung verweist der EuGH auf ErwG 29, Art 9 (Verpflichtung Verfahren vorzusehen) und 10 (Beweislast) RL 2000/78/EG sowie Art 47 GRC (wirksamer Rechtsschutz). Demgegenüber stehen Art 17 AEUV (Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften) und Art 10 GRC (Religionsfreiheit), wobei Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG die Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen dem Recht auf Autonomie der Kirchen und der anderen Organisationen und dem Recht auf Gleichbehandlung der AN zum Ziel habe. Die Bestimmung nenne auch die Kriterien, die im Rahmen der zur Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den möglicherweise widerstreitenden Rechten vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen sind. Komme es zu einem Rechtsstreit, müsse eine solche Abwägung aber gegebenenfalls von einer unabhängigen Stelle und letztlich von einem innerstaatlichen Gericht überprüft werden können.88 87 Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (233). 88 EuGH 17.4.2018, C-414/16, Egenberger Rz 44 ff; 11.9.2018, C-68/17, IR Rz 43 ff. So auch schon Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (234). Umstritten ist war dies insb in Deutschland (vgl dazu bspw Thüsing in MüKoBGB9 § 9 AGG Rz 11 ff mwN).
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46 Aufgabe der mitgliedstaatlichen Gerichte ist es im Rahmen der erforderlichen Abwägung nicht, die Legitimität des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation als solches zu beurteilen;89 gleichwohl haben sie darüber zu wachen, dass das Recht der AN, nicht aufgrund der Religion oder der Weltanschauung diskriminiert zu werden, nicht verletzt wird. In ganz außergewöhnlichen Fällen – welche das sein sollen legt der EuGH freilich nicht dar – soll auch das Ethos hinterfragt werden können. 47 Zunächst entscheiden die „Art“ der fraglichen Tätigkeiten und die „Umstände“ ihrer Ausübung, ob eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ vorliegt. Die Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung hänge also vom objektiv überprüfbaren Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen der vom AG aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit ab. Ein solcher Zusammenhang könne sich entweder aus der Art dieser Tätigkeit ergeben – zB wenn sie mit der Mitwirkung an der Bestimmung des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation oder einem Beitrag zu deren Verkündigungsauftrag verbunden ist – oder aus den Umständen ihrer Ausübung, zB der Notwendigkeit, für eine glaubwürdige Vertretung der Kirche oder Organisation nach außen zu sorgen. 48 Darüber hinaus muss diese berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Kirche oder Organisation „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ sein. „Wesentlich“ bedeute, dass nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Zugehörigkeit zu der Religion bzw das Bekenntnis zu der Weltanschauung aufgrund der Bedeutung der betreffenden beruflichen Tätigkeit für die Bekundung dieses Ethos oder die Ausübung des Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie notwendig erscheinen muss. Durch das Kriterium „rechtmäßig“ solle sichergestellt werden, dass die die Zugehörigkeit zu der Religion bzw das Bekenntnis zu der Weltanschauung betreffende Anforderung nicht zur Verfolgung eines sachfremden Ziels ohne Bezug zu diesem Ethos oder zur Ausübung des Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie dient. Der Ausdruck „gerechtfertigt“ impliziere, dass es der Kirche oder Organisation obliege, im Licht der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls darzutun, dass die geltend gemachte Gefahr einer 89 An dieser Stelle verweist der EuGH auf EGMR, 12.6.2014, 56030/07, Fernández Martínez/Spanien Rz 129.
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Beeinträchtigung ihres Ethos oder ihres Rechts auf Autonomie wahrscheinlich und erheblich ist, so dass sich eine solche Anforderung tatsächlich als notwendig erweist. Bei alldem sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten und zu prüfen, ob die fragliche Anforderung angemessen ist und nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgeht.90 Nicht ausdrücklich geregelt ist in § 20 Abs 2 GlBG, dass der AG seine 49 AN zu dem Ethos entsprechender Loyalität verpflichten kann. Aufgrund Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG, der es ermöglicht, AN zu verpflichten, sich loyal und aufrichtig iSd Ethos der Organisation zu verhalten, ist jedoch davon auszugehen, dass § 20 Abs 2 GlBG auch diesen Aspekt umfasst.91 Mit einer spezifischen Ausformung hatte sich der EuGH in der Rs IR zu befassen. Inhaltlich ging es um religiöse Loyalitätspflichten der AN gegenüber ihrem AG, die für jene AN, die der dem AG entsprechenden Konfession angehören, strenger waren als für andere AN. Auch eine solche Ungleichbehandlung bei den Anforderungen eines loyalen und aufrichtigen Verhaltens iSd Ethos des AG, die sich ausschließlich auf die Konfession der AN stützt, habe die unter Rz 48 dargestellten Kriterien einzuhalten. Bei Tätigkeiten wie Beratung und medizinische Pflege in einem Krankenhaus und Leitung der Abteilung „Innere Medizin“ als Chefarzt erscheint die Akzeptanz des römisch-katholischen Eheverständnisses für die Bekundung des Ethos des AG nicht notwendig. Dies wird dadurch bekräftigt, dass Stellen, die medizinische Verantwortung und Leitungsaufgaben umfassen und der betreffenden Stelle ähneln, mit AN besetzt wurden, die nicht katholischer Konfession sind und folglich nicht derselben Anforderung, sich loyal und aufrichtig iSd Ethos des AG zu verhalten, unterworfen waren.92
4. Vorrang der Religion gegenüber anderen Diskriminierungsverboten? Zu fragen bleibt, wie sich die Rechtfertigungsmöglichkeit des § 20 50 Abs 2 GlBG gegenüber Benachteiligungen aufgrund anderer geschütz90 EuGH 17.4.2018, C-414/16, Egenberger Rz 61 ff; 11.9.2018, C-68/17, IR Rz 50 ff. 91 Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (231 f); Schinkele, öarr 2008, 179 (196 f). 92 EuGH 11.9.2018, C-68/17, IR Rz 56 ff. AA zum letzten Argument Berka, DRdA 2019, 318 (323).
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ter Merkmale als Religion oder Weltanschauung verhält. Im Zentrum dieser Diskussion steht die Frage, ob insb die Kirchen von ihren Mitarbeitern Loyalität idS verlangen dürfen, dass diese ihre Homosexualität nicht ausleben, ob es den Kirchen also erlaubt ist, nach homosexuellem Status bzw Verhalten zu differenzieren. Ob Homosexualität der kirchlichen Sittenlehre entspricht, konnte bisher nach nationalem Recht die einzelne Kirche selbst entscheiden. So entschied bspw das BAG, dass auch die im außerdienstlichen Bereich ausgeübte homosexuelle Praxis eines kirchlichen AN eine Vertragspflichtverletzung darstellen kann.93 Die besondere Problematik liegt im vorliegenden Fall darin, dass AG, die arbeitsvertragsrechtliche Konsequenzen wegen praktizierter Homosexualität setzen, eine bestimmte, der Religion entsprechende Verhaltensweise einfordern, dh Loyalität mit der religiösen Lehre einfordern, dabei aber unmittelbar an die sexuelle Orientierung anknüpfen. 51 Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG hält fest, dass eine Ungleichbehandlung nach Religion und Weltanschauung keine Diskriminierung aus einem anderen Grund rechtfertigt. Innerhalb des Unionsrechts kommt dem Antidiskriminierungsrecht ein zentraler Stellenwert zu. Nach Art 6 EUV achtet die Union die Grundrechte, wie sie vor allem auch in der EMRK gewährleistet sind. Die Grundrechte sind integrierter Bestandteil des primären Unionsrechts. Das Diskriminierungsverbot, wie es in der RL 2000/78/EG festgelegt ist, muss daher weit verstanden werden. Ausnahmen sind nach der Rsp des EuGH eng auszulegen.94 Die in Art 4 Abs 2 der RL enthaltene Ausnahmebestimmung bezieht sich nur auf eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung. Der dritte Satz dieser Bestimmung ermöglicht die Einforderung einer besonderen Loyalität der AN durch die Kirchen nur im Rahmen der übrigen Bestimmungen der RL.95 Um diese Einschränkung nicht inhaltsleer zu machen, kann man sie nur so verstehen, dass die übrigen Diskriminierungstatbestände nicht berührt werden sollen. Es kann daher bloß eine Loyalität auf einer „niedrigeren Stufe“ verlangt werden, die keine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung beinhaltet, ebenso nicht aufgrund der Rasse
93 BAG 2 AZR 524/81 NJW 1984, 1917. 94 Vgl bspw EuGH 15.5.1986, 222/84, Johnston Rz 36; 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 56, 72. 95 Vgl dazu Holzleithner, öarr 2008, 251 (257, 261).
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oder ethnischen Herkunft iSd RL 2000/43/EG.96 Es ist daher höchst zweifelhaft, ob der EuGH Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung bei kirchlichen Mitarbeitern akzeptieren würde.97 Eine Lösung dieser Problemstellung über § 20 Abs 1 scheidet aus, weil keine wesentliche und entscheidende Voraussetzung gegeben ist.98 Anders könnte dies bei Trägern geistlicher Ämter sein, da man dies- 52 bezüglich die Auffassung vertreten kann, dass sie nicht in den Geltungsbereich der RL 2000/78/EG fallen. Eine durch Weihe verliehene Funktion bzw Würde mag eine andere Rechtsqualität als ein Arbeitsverhältnis haben. Wer in ein besonderes Rechtsverhältnis zur Kirche tritt, um in der Nachfolge Christi zu leben, ist zumindest nach innerstaatlichem Recht nicht AN der Kirche.99 Pastoren und Rabbiner sollen hingegen auch nach österr Recht AN sein.100
IV. Ausnahmen in Bezug auf das Alter 1. Wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung Das Alter kann nach § 20 Abs 1 zulässiges Differenzierungsmerkmal 53 sein, wenn es aufgrund einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingung ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt, und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt (vgl § 20 Rz 1 ff). In einem solchen Fall können unmittelbare Benachteiligungen gerechtfertigt werden. Als Bsp dafür kann ein Schauspieler herangezogen werden, der aus Gründen der Authentizität einen jugendlichen Liebhaber spielen soll;101 die künstlerische Freiheit kann hier als legitimer Zweck dienen. Praktisch größere Bedeutung kommt aller96 Windisch-Graetz, ZAS 2004, 58 (62); Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (232). AA Schinkele, öarr 2008, 179 (200); vermittelnd Holzleithner, öarr 2008, 251 (264 f). 97 Vgl auch Däubler, RdA 2003, 204 (208); Belling, NZA 2004, 885 (887); aA Thüsing, JZ 2004, 172 (179), der zwischen homosexuellem Status und Verhalten unterscheidet. 98 Windisch-Graetz, öarr 2008, 228 (235). AA Schinkele, öarr 2008, 179 (201 f); Thüsing in MüKoBGB9 § 8 AGG Rz 36. 99 OGH 16.7.1998, 10 ObS 204/98t; 28.2.1996, 9 ObA 12/96; Schinkele, öarr 2008, 179 (190). 100 P. Krömer, öarr 2010, 198 (200 f). 101 Brodil in Resch, Neuerungen zur Beendigung des Arbeitsvertrages 53 (64).
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dings Altersgrenzen zu, wie sie etwa für Piloten, Fluglotsen, Bus- und LKW-Fahrer, Feuerwehrleute uä Berufe geregelt sind.102 Diese Altersgrenzen stellen idR auf notwendige Fähigkeiten für die Berufsausübung ab, die regelmäßig mit dem Lebensalter in Verbindung stehen (siehe Rz 10). Der rechtmäßige Zweck der Altersbeschränkung liegt bei diesen Berufen in einem öffentlichen Schutzbedürfnis von Passagieren, Passanten und den betreffenden AN selbst. Vgl dazu Rz 8 ff. 54 Grds kein legitimer Zweck kann dagegen in einem unternehmerischen Konzept gesehen werden, das auf jugendliche Dynamik setzt.103 Allerdings wird man auch hier unterscheiden müssen: Soll Mode für Jugendliche am Laufsteg präsentiert werden, wird man dafür als authentische „Schauspieler“ junge AN einsetzen dürfen. Soll ein Produkt ausschließlich junge Leute ansprechen, könnte die Präsentation gegenüber den Kunden durch junge AN nach Rebhahn gerechtfertigt sein, keinesfalls aber die Beschäftigung ausschließlich junger AN im Backoffice.104 UE kann auch die Beschäftigung junger AN im Verkauf von Produkten, die Jugendliche ansprechen sollen, nur gerechtfertigt werden, wenn der AG auch eine gewisse Beratungstätigkeit erwartet, die nur junge AN erbringen können (zB welche Mode in welchen Szene-Lokalen angesagt ist). Allerdings sollte der AG dann wohl auf einschlägige Kenntnisse abstellen, worin allenfalls eine mittelbare aber keine unmittelbare Benachteiligung liegen würde. Ein Grenzfall ist die Beschäftigung sogenannter „store models“. Hierbei sollen die AN im Verkauf gleichzeitig die Mode präsentieren.105 UE liegt darin aber keine wesentliche und entscheidende Voraussetzung, weil der Schwerpunkt der Tätigkeit der Verkauf ist. Im Übrigen kann die Bevorzugung jüngerer AN mit dem „jungen Image“ des Unternehmens oder des Produktes nicht gerechtfertigt werden. Das Image des Unternehmens ist nicht relevant, denn gerade gegen solche Verfestigungen der kollektiven Wahrneh-
102 Wiedemann/Thüsing, NZA 2002, 1234 (1237). 103 Pfeil in Resch, Pensionsreform und Schutz älterer Arbeitnehmer 71 (86); Marhold in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 83 (88 f). 104 Rebhahn in BAK/IV/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt 42 (54). Anders wohl Marhold in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 83 (89). 105 Henle, Erscheinungsbild des Arbeitnehmers 182.
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mung wendet sich das Verbot der Altersdiskriminierung.106 Im übrigen vgl Rz 19 ff zu Kundenwünschen und -erwartungen. Eine Differenzierung nach dem Alter kann auch nicht dadurch gerecht- 55 fertigt werden, dass ältere AN teurer seien als junge. Kostenargumente iS rein wirtschaftlicher Gründe können eine Differenzierung nicht rechtfertigen (§ 5 Rz 48 ff).107 Befürchtete höhere Krankenstände können hier genauso wenig ins Treffen geführt werden wie nach Alter differenzierende kollektive Regelungen, die für ältere AN höhere Ansprüche vorsehen.
2. Legitime Ziele der Sozialpolitik § 20 Abs 3 und 4 enthalten weitreichende Ausnahmen vom Verbot der 56 Differenzierung aufgrund des Alters. Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen des § 20 Abs 3 und 4 den Wortlaut der RL unverändert übernommen (Art 6 Abs 1 RL 2000/78/EG). Der sonst für das Antidiskriminierungsrecht geltende Grundsatz, dass unmittelbare Benachteiligungen grds nicht durch bloß sachliche Gründe gerechtfertigt werden können, wird durch Art 6 RL 2000/78/EG bzw § 20 weitgehend durchbrochen.108 Notwendig ist hier nämlich nicht eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung, sondern es genügt, dass legitime Ziele der Sozialpolitik auf verhältnismäßige Weise verfolgt werden – ein Rechtfertigungsmaßstab, der ansonsten nur für die Rechtfertigung einer mittelbaren Benachteiligung ausreicht. § 20 Abs 3 und 4 findet darüber hinaus auch auf mittelbare Benachteiligungen Anwendung. Dies ergibt sich bereits aus den in den genannten Gesetzesstellen aufgezählten Möglichkeiten einer Rechtfertigung, die sowohl unmittelbarer (Mindestanforderungen an das Alter, Höchstalter) als auch mittelbarer Natur (berufliche Bildung, Dienstalter, Berufserfahrung) sind. Hervorzuheben ist, dass für die Rechtfertigung einer ansonsten vorliegenden mittelbaren Diskriminierung ein generalisierendes Prinzip zugrunde liegen muss, das im Fall von Einzelfallentscheidungen uU schwer zu beweisen ist. Bei Verwendung von Vertragsschablonen oder bei soge106 Rebhahn in BAK/IV/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt 42 (54). 107 Brodil in Resch, Neuerungen zur Beendigung des Arbeitsvertrages 53 (64). Vgl dazu auch EuGH 11.11.2014, C-530/13, Schmitzer Rz 41; 8.5.2019, C-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund Rz 40; 21.7.2011, C-159/10, Fuchs und Köhler Rz 69 ff. 108 Schmidt/Senne, RdA 2002, 80 (85).
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nannten freien BV wird das generalisierende Prinzip dagegen leichter feststellbar sein.109 57 Gem § 20 Abs 3 liegt keine Diskriminierung vor, wenn eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters durch ein legitimes Ziel, insb aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung gerechtfertigt ist. Zusätzlich muss die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen sein, weiters müssen die Mittel zur Zielerreichung angemessen und erforderlich sein. Nach der Judikatur des EuGH erfasst diese Rechtfertigungsmöglichkeit (Art 6 Abs 1 RL 2000/78/EG) – auch wenn die Aufzählung der legitimen Ziele nicht erschöpfend ist – nicht jegliches legitime Ziel. Erfasst werden sozialpolitische Ziele, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung in Zusammenhang stehen.110 Eine Benachteiligung, die der Flugsicherheit dienen soll, fällt bspw nicht darunter.111 Fällt das verfolgte Ziel nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung, so ist die allgemeine Rechtfertigung des § 20 Abs 1 oder Art 2 Abs 5 RL 2000/78/EG heranzuziehen,112 weshalb auch beim sensiblen Merkmal Alter die Abgrenzung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung relevant sein kann. 58 Der EuGH hat auch entschieden, dass die Ziele, die als „rechtmäßig“ iSd Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78 angesehen werden können, im Allgemeininteresse stehende Ziele sind, die sich von rein individuellen Beweggründen, die der Situation des AG eigen sind, wie Kostenreduzierung oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, unterscheiden, ohne dass allerdings ausgeschlossen werden kann, dass eine nationale Rechtsvorschrift bei der Verfolgung der genannten rechtmäßigen Ziele den AG einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt.113
109 Pfeil in Resch, Pensionsreform und Schutz älterer Arbeitnehmer 71 (99, Fn 85). 110 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 80 ff; 5.3.2009, C‑388/07, Age Concern England Rz 46; 18.6.2009, C‑88/08, Hütter Rz 41; Wachter in Wachter, Jahrbuch Altersdiskriminierung 2014, 279 (284). AA Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler, GlBG2 § 20 Rz 28. 111 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge Rz 80 ff. 112 EuGH 13.9.2011, C-447/09, Prigge. 113 EuGH 21.7.2011, C-159/10, Fuchs und Köhler Rz 52; 5.3.2009, C-388/07, Age Concern England Rz 46.
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§ 20 Abs 4 enthält in einer nicht abschließenden Aufzählung Möglich- 59 keiten differenzierender Regelungen, die unter den eben genannten Voraussetzungen zu keiner Diskriminierung führen sollen. Bei der Auswahl der verfolgten Ziele und bei der Festlegung der Maßnahmen zu ihrer Erreichung kommt den Mitgliedstaaten und gegebenenfalls den Sozialpartner auf nationaler Ebene ein weiter Ermessensspielraum zu.114 Dabei können mehrere Ziele parallel verfolgt werden115 und die verfolgten Ziele können sich auch im Laufe der Zeit ändern und das betreffende Vorgehen damit aus anderen Gründen rechtmäßig sein.116 Auch ist es nicht erforderlich, dass eine nationale Regelung das angestrebte Ziel genau angibt. Fehlt es an einer solchen Angabe, so ist allerdings wichtig, dass andere – aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete – Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können.117 Aus dieser Rsp leitet der OGH ab, dass die nahezu wortgleiche Übernahme des Art 6 RL 2000/78/EG durch § 20 Abs 3 und 4 ohne weitere Präzisierung zulässig ist.118 Teile der Lit beurteilen diese Vorgehensweise als zumindest zweifelhaft.119 Auch Maßnahmen eines einzelnen AG können durch diese Ziele ge- 60 rechtfertigt werden, sofern sie diesen in nachvollziehbarer Weise dienen. Die Ausführungen des EuGH sind dahin zu deuten, dass im Rahmen des nationalen Rechts als legitim anerkannte sozialpolitische Ziele auch bei der Prüfung zu berücksichtigen sind, ob individuelle Arbeitgebermaßnahmen altersdiskriminierend sind.120 Eine „Arbeitgeberpolitik“, Arbeitsverhältnisse bei Erreichung des Pensionsalters aufzulösen, hat somit den gleichen Stellenwert wie eine zwischen den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung, die eine automatische Beendigung
114 EuGH 16.10.2007, C-411/05, Palacios de la Villa Rz 68; 5.3.2009, C-388/07, Age Concern England Rz 51; 22.11.2005, C‑144/04, Mangold Rz 63. 115 EuGH 21.7.2011, C-159/10, Fuchs und Köhler Rz 44. 116 EuGH 21.7.2011, C-159/10, Fuchs und Köhler Rz 40 ff. 117 EuGH 16.10.2007, C-411/05, Palacios de la Villa Rz 56 f; 5.3.2009, C-388/07, Age Concern England Rz 43 ff. 118 OGH 18.8.2016, 9 ObA 106/15a. Zust Tinhofer, ZAS 2014, 131 (136). 119 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 24 mwN. 120 Eichinger, ASoK 2011, 450 (459); Köck, ZAS 2018, 137 (145).
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der Arbeitsverhältnisse vorsieht.121 Eine Rechtfertigung nach § 20 Abs 3 und 4 ist daher auch bei (generellen) Maßnahmen eines einzelnen AG möglich.122 a. Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung 61 § 20 Abs 4 ermöglicht besondere Regelungen, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, von älteren AN oder Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern. Nach dem Alter benachteiligende Maßnahmen können gerechtfertigt sein, wenn sie geeignet sind, Jugendliche in das Arbeitsleben einzugliedern oder ältere AN dort zu halten (oder quasi erneut einzugliedern).123 Problematisch ist die Bezugnahme auf Personen mit Fürsorgepflichten. Unter Fürsorgepflichten sind vermutlich Unterhaltsverpflichtungen, möglicherweise aber auch aus der Personensorge folgende Pflichten zu verstehen. Wie die berufliche Eingliederung bzw der Schutz von Personen mit Fürsorgepflichten durch Regelungen, die unmittelbar oder mittelbar am Alter anknüpfen, gewährleistet werden kann, ist nicht ersichtlich. Schmidt/Senne kommen daher überzeugend zu dem Ergebnis, dass Regelungen, die bestimmte Altersgruppen unmittelbar oder mittelbar bevorzugen, überwiegend wohl nicht geeignet sein werden, die Beschäftigung von Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern.124 62 Praktisch besonders relevant sind Versuche durch eine punktuelle Schlechterstellung beim Bestandsschutz iwS oder beim Entgelt die Einstellung ganz junger AN oder älterer AN zu fördern. So verfolgt nach der Rsp des EuGH bspw die uneingeschränkte Möglichkeit, mit älteren AN befristete Arbeitsverträge abzuschließen, ein legitimes Ziel, wenn sie bezweckt, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer AN zu fördern, weil diese erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder einen Arbeitsplatz zu finden.125 Allerdings geht diese Möglichkeit nach 121 Schrammel in Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht? 75 (89); Köck, ZAS 2018, 137 (145). 122 OGH 18.8.2016, 9 ObA 106/15a. Zust Rauch, ASoK 2017, 377 (381); Felten, EvBl 2017, 318 (322). So auch Windisch-Graetz in WiR, Alter und Recht 197 (209). AA Wachter in Wachter, Jahrbuch Altersdiskriminierung 2012, 29 (37 f). 123 Vgl dazu Kreil, ZAS 2010, 206 (213). 124 Schmidt/Senne, RdA 2002, 80 (85, Fn 56). So auch Brodil in Resch, Neuerungen zur Beendigung des Arbeitsvertrages 53 (65). 125 EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold Rz 55 ff.
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Auffassung des EuGH insofern über das Erforderliche hinaus, als sie das Alter des betroffenen AN als einziges Kriterium für die Befristung des Arbeitsvertrags festlegt, ohne dass die Erforderlichkeit dessen nachgewiesen wäre.126 Problematisch könnte vor diesem Hintergrund bspw § 105 Abs 3b ArbVG sein, da hier AN nur aufgrund des Lebensalters bei Einstellung iZm dem allgemeinen Kündigungsschutz schlechter gestellt werden, ohne dass andere Umstände (wie etwa Dauer oder Risiko der Arbeitslosigkeit) berücksichtigt werden. Auch die Nichtberücksichtigung von vor Vollendung des 25. Lebens- 63 jahrs liegende Beschäftigungszeiten des AN bei der Berechnung der Kündigungsfrist verfolgt legitime Ziele iSd § 20 Abs 3 und 4, weil es jüngeren AN regelmäßig leichter falle und schneller gelinge, auf den Verlust ihres Arbeitsplatzes zu reagieren, ihnen größere Flexibilität zugemutet werden könne und für jüngere AN deren Einstellung fördere, indem sie die personalwirtschaftliche Flexibilität erhöhten.127 Die Maßnahme ist jedoch nicht angemessen, weil sie nicht berücksichtigt, wie alt der AN bei der Beendigung ist.128 Vergleichbar ist die Möglichkeit, mit einem AN, der noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der Art der zu erbringenden Leistungen einen Gelegenheitsarbeitsvertrag schließen und diesen AN entlassen zu können, sobald er das 25. Lebensjahr vollendet hat. Sie ist angesichts erheblicher Probleme junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt auch angemessen und geht nicht über das Notwendige hinaus.129 Auch gesonderte (niedrigere) Lohngruppen für noch nicht volljährige AN können dem legitimen Ziel dienen, ihre Einstellung zu fördern. In der Judikatur wurden dahingehende Versuche jedoch in zwei Fällen als unzulässig erkannt.130 Anders beurteilte der OGH jedoch die Benachteiligung von minderjährigen Lehrlingen gegenüber volljährigen Lehrlingen bei der Überstundenvergütung. Da letztere durch den AG deutlich flexibler eingesetzt werden dürfen, liege keine vergleichbare Situation vor.131 Auch der Ausschluss von Ferialarbeitern aus KollV wird von der Judikatur 126 EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold Rz 62 ff. 127 EuGH 19.1.2010, C-555/07, Kücükdeveci Rz 35 f. 128 EuGH 19.1.2010, C-555/07, Kücükdeveci Rz 40. 129 EuGH 19.7.2017, C-143/16, Abercrombie & Fitch Rz 29 ff. 130 OLG Wien 9 Ra 67/06y ARD 5852/5/2008 und 9 Ra 104/07s ARD 5854/8/2008. AA Wolfsgruber, ecolex 2008, 1039 (1042). 131 OGH 7.2.2008, 9 ObA 76/07b. AA Reissner, DRdA 2010, 24 (35); krit Kreil, ZAS 2010, 206 (209); Windisch-Graetz in WiR, Alter und Recht 197 (203).
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unter Verweis auf die Unterschiede zu dauernd im Berufsleben stehenden AN gebilligt.132 Da die Vergleichbarkeit immer in Hinblick auf den konkreten Anspruch zu beurteilen ist, ist ein pauschaler Ausschluss freilich höchst problematisch. Irgendeine Bestimmung wird sich idR finden lassen, für die dauernd im Arbeitsleben stehende AN und Ferialarbeiter vergleichbar sind.133 b. Festsetzung eines Mindestalters und dienstzeitabhängige Ansprüche 64 Im Rahmen der sonstigen Voraussetzungen des § 20 Abs 3 sind Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile zulässig. Die Mat halten dazu fest, dass sowohl Berufserfahrung, die für den AG durch die Arbeitsleistung des AN von Bedeutung ist, als auch Betriebstreue, die eine Bindung an den Betrieb bedeutet und die den AG davor schützt, ständig neue AN einstellen und einschulen zu müssen, zulässige Unterscheidungskriterien sind.134 Die Betriebstreue findet sich zwar nicht ausdrücklich als legitimes Ziel in der RL genannt, da die Ziele jedoch nicht abschließend angeführt werden, ist das Abstellen auf die Betriebstreue durchaus möglich.135 65 In Österreich haben Entgeltregelungen, die an das Dienstalter anknüpfen, insb in den Angestelltenkollektivverträgen lange Tradition. Dabei wird insb durch die sogenannten Biennalvorrückungen bewirkt, dass Angestellte im Alter zwischen 50 und 54 Jahren etwa doppelt so viel verdienen wie jene im Alter zwischen 20 und 24 Jahren.136 Gelinge es dem AG oder den Kollektivvertragsparteien jedoch darzulegen, dass sich die Lohn- und Gehaltstafeln an den Kriterien der Berufserfahrung oder Betriebstreue orientieren, so wäre dies eine grds zulässige Diffe132 OGH 20.8.2008, 9 ObA 66/07g. Krit Reissner, DRdA 2010, 24 (35) in Hinblick auf § 2b AVRAG. Vgl aber auch EuGH 1.10.2015, C-432/14, O Rz 32 ff. 133 Reissner, DRdA 2010, 24 (35); Dullinger, DRdA 2019, 448 (450 f). 134 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 16. 135 Kreil, ZAS 2010, 206 (207); Brodil in Resch, Neuerungen zur Beendigung des Arbeitsvertrages 53 (64); EuGH 30.9.2003, C-224/01, Köbler Rz 79 ff; 13.3.2019, C-437/17, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH Rz 33. 136 Nachw bei Kuras, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, 11 (19).
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renzierung, auch wenn diese im Ergebnis ältere AN mittelbar gegenüber jüngeren bevorzugt.137 Die Mat heben jedoch zutreffend hervor, dass ausschließlich an das (Lebens)Alter anknüpfende Lohn- oder Gehaltstafeln als unzulässige Diskriminierung zu werten sind.138 Im Hinblick auf die notwendige Rechtfertigung ist zu berücksichtigen, 66 welche Zeiten angerechnet werden: Werden ausschließlich Zeiten, die im aktuellen Arbeitsverhältnis oder bei demselben AG zurückgelegt worden sind, für die Entgeltsteigerungen angerechnet, steht offenbar die Abgeltung von Betriebstreue im Vordergrund.139 Auf die gesammelte Berufserfahrung kann es hingegen nicht ankommen, weil diese auch durch einschlägige Tätigkeiten bei anderen AG gesammelt werden kann. Betriebstreue und damit stabile Arbeitsverhältnisse zu fördern, ist als legitimes Ziel zu qualifizieren. Auch der EuGH hat die Möglichkeit einer Rechtfertigung durch die Belohnung von Betriebstreue grds anerkannt.140 Beschäftigte mit zunehmender Seniorität können – unabhängig von ihrem wachsenden Fachwissen – zB wegen ihres wachsenden Einblicks in Betriebsinterna sowie als Stabilitätsfaktoren im Betriebsgefüge und gegenüber Kunden, die den Wechsel ihres Ansprechpartners oftmals wenig schätzen, zunehmend wertvoll werden.141 Diesem Ziel kann (nur) eine Regelung dienen, die bloß Dienstzeiten im Unternehmen anrechnet.142 Voraussetzung einer Rechtfertigung ist jedoch ein angemessenes Verhältnis zwischen Betriebszugehörigkeit und dem dadurch erlangten Vorteil. Dabei ist sowohl auf die Bedeutung des AN für den AG (bspw Schlüsselpositionen, Tätigkeiten mit sehr langer Einarbeitungszeit) als auch auf die Gegebenheiten in der Branche des AG zu achten (hohe Fluktuation, Fachkräftemangel etc). Fraglich ist, ob auch die Förderung der Branchentreue ein legitimes Ziel sein kann, das etwa durch Anrechnung von Zeiten in der gesamten Branche erreicht werden soll. Neben der Honorierung von Berufserfahrung könnte etwa in „sterbenden“ Branchen auch das Interesse der Kollek137 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 16. 138 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 16. 139 Kreil, ZAS 2010, 206 (207); EuGH 30.9.2003, C-224/01, Köbler Rz 79 ff; 13.3.2019, C-437/17, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH Rz 33. 140 EuGH 30.9.2003, C-224/01, Köbler Rz 79 ff; 13.3.2019, C-437/17, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach GmbH Rz 33. 141 Runggaldier/Kreil, RdW 2003, 394 (395). 142 So auch EuGH 15.1.1998, C-15/96, Schoening-Kougebetopoulou Rz 27.
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tivvertragsparteien, AN vom Abwandern in attraktivere Bereiche abzuhalten, ein legitimes Ziel darstellen. 67 Werden alle einschlägigen Dienstzeiten berücksichtigt, steht offenbar die Abgeltung der einschlägigen Berufserfahrung im Vordergrund. Diese kann jedoch nur dann angemessen sein, wenn wirklich alle einschlägigen Vordienstzeiten angerechnet werden.143 Eine Rechtfertigung durch Honorierung der Betriebstreue scheidet dann jedoch aus.144 68 Zur Honorierung von Berufserfahrung ist der EuGH145 der Ansicht, dass das Dienstalter Hand in Hand mit der dienstlichen Erfahrung gehe, die den AN grds zu einer besseren Erfüllung seiner Aufgaben befähigt. Während der EuGH in der Rs Danfoss146 noch ganz allgemein die Ansicht vertreten hat, dass es daher dem AG freistehe, die Anciennität bei der Entlohnung zu berücksichtigen, ohne dass er ihre Bedeutung für die Ausführung der dem AN übertragenen spezifischen Aufgaben darlegen muss, differenziert er in der Rs Nimz: Es sei darauf zu achten, welche Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die die Ausübung dieser Tätigkeit nach einer bestimmten Zeit verschafft.147 Wendet man diese Rsp auf die Altersdiskriminierung an, stellt eine Differenzierung der Vergütung nach der Betriebszugehörigkeit bei einfachen mechanischen Tätigkeiten eher eine unzulässige mittelbare Altersdiskriminierung dar als bei qualifizierten Tätigkeiten.148 Nach der Rs Cadman geht zwar das Dienstalter mit der Berufserfahrung einher, und diese befähige den AN im Allgemeinen, seine Arbeit besser zu verrichten. Liefert der AN jedoch Anhaltspunkte, die geeignet sind, ernstliche Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass im vorliegenden Fall der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters zur Erreichung des genannten Zieles geeignet ist, sei es Sache des AG, zu beweisen, dass das, was idR gilt, nämlich dass das Dienstalter mit der Berufserfahrung einhergeht und dass diese den AN
143 EuGH 5.12.2013, C-514/12, SALK; 30.11.2000, C-195/98, ÖGB. 144 EuGH 5.12.2013, C-514/12, SALK Rz 37 ff. 145 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss Rz 24. Vgl zur Entwicklung der Rsp Mazal, ecolex 2011, 250 (251 ff); Risak, ZAS 2014, 124 (128 f). 146 EuGH 17.10.1989, 109/88, Danfoss Rz 24. 147 EuGH 7.2.1991, C-184/89, Nimz Rz 14. Vgl auch EuGH 2.10.1997, C-1/95, Gerster Rz 39. 148 Linsenmaier, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, 22 (29).
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befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten, objektiv betrachtet auch in Bezug auf den fraglichen Arbeitsplatz zutrifft.149 Bei genauerer Betrachtung existieren jedoch zahlreiche Fälle, in denen 69 eine Rechtfertigung scheitern muss. Insb bei wenig anspruchsvollen Tätigkeiten ist es schwer vorstellbar, dass über eine Einarbeitungsphase hinaus gesteigerte Erfahrung zu einer objektiv immer besseren Leistung führt.150 Auch ist analog zur Judikatur zur Geschlechtsdiskriminierung (siehe § 3 Rz 113) zu fordern, dass auch Umstände, die jüngere AN bevorzugen können, Berücksichtigung finden müssen (aktuellere Ausbildung in sehr innovativen Branchen, Erfahrung bei verschiedenen AG etc). Andererseits muss das Verhältnis zwischen Dienstzeit und Gehaltssteigerung angemessen sein. Es stellt sich die Frage, inwieweit eine wiederholte Erhöhung des Entgelts mit dem Ansteigen des Dienstalters objektiv, angemessen und erforderlich ist, inwieweit sie also dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht. Rebhahn hält die in der Praxis vorkommenden 50%igen Einkommensunterschiede aufgrund des Dienstalters als für zu hoch, sie seien etwa mit einem Drittel zu begrenzen.151 Mayr differenziert bezüglich verschiedener Phasen des Dienstalters: Während zu Beginn der Dienstzeit ein Anwachsen von Berufserfahrung zu entlohnen sei, müssten jene Biennalsprünge, die über den letztmöglichen Zeitpunkt, der durch steigende Berufserfahrung rechtfertigbar ist, gekürzt werden.152 UE ist eher letzterer Ansicht zu folgen. Der beruflichen Qualifikation wird bei der Bemessung des Entgelts das größte Gewicht zukommen, während andere Kriterien wie der Erwerb sozialer Kompetenzen von untergeordneter Bedeutung sind. Der Erfahrungszuwachs und die daraus resultierende Verbesserung der Arbeitsleistung muss der Gehaltssteigerung entsprechen, was insb bei hohen Biennalsprüngen auch nach vielen Jahren der Beschäftigung regelmäßig nicht der Fall sein wird.153
149 EuGH 3.10.2006, C-17/05, Cadman Rz 35 ff. Vgl dazu Runggaldier, ZAS 2007, 156 (159). 150 Kreil, ZAS 2010, 206 (207); Mazal, ecolex 2011, 250 (253); Risak, ZAS 2014, 124 (129). 151 Rebhahn in BAK/IV/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt 42 (52). Vgl auch Risak, ZAS 2014, 124 (129); Reissner, DRdA 2010, 24 (30). 152 Mayr, ASoK 2003, 289 (296 f). 153 Reissner, DRdA 2010, 24 (30); Resch, RdW 2010, 683 (686). Vgl auch die Bedenken von Mazal, ecolex 2011, 250 (253 f).
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70 Werden dagegen Zeiten jeglicher Berufstätigkeit oder auch noch Schulund andere Ausbildungszeiten etc berücksichtigt, steht offenbar die Honorierung von Lebenserfahrung bzw eines bestimmten Lebensalters im Vordergrund. Die Honorierung von „Lebenserfahrung“ ist jedoch kein zulässiges Regelungsziel.154 Damit die Ungleichbehandlung dem (legitimen) Ziel der Honorierung beruflicher Erfahrung dienen kann ist daher mit Rebhahn zu verlangen, dass die Tätigkeit zusätzliche Qualifikation mit sich bringt, also eine Erfahrung, die für die gerade zu entlohnende Tätigkeit immer noch relevant ist. Unter beruflicher Erfahrung kann somit nicht schon jede frühere Tätigkeit an sich verstanden werden.155 Daraus wird idR folgen, dass die Arbeitsleistung eines AN mit vielen Jahren beruflicher Erfahrung nicht dieselbe ist wie jene eines AN mit geringer einschlägiger Erfahrung, auch wenn sie prima facie dieselbe Tätigkeit verrichten. Werden in einer Einstufungsregelung allerdings Zeiten herangezogen, die keine zusätzliche Qualifikation bringen können, können sie nicht mit dem Ziel, Berufserfahrung zu honorieren, abgegolten werden.156 Dazu passend entschied der EuGH, dass eine unterschiedliche Vergütung aufgrund des Lebensalters bei Einstellung nicht gerechtfertigt werden kann. Weder ein (angeblich) höherer finanzieller Bedarf älterer AN noch die Absicht einer praktikableren Form der Typisierung von AN, bei der ihre Berufserfahrung pauschal berücksichtigt werde, taugen als Rechtfertigung.157 71 Im Anschluss an verschiedenste arbeitsrechtliche Gesetze knüpfen va Kollektivvertragsparteien an das Zurücklegen einer bestimmten Dienstzeit an, so bezüglich des Urlaubs, der Entgeltfortzahlung bei Krankheit, der Abfertigung alt oder der Kündigungsfristen. Auch hier ist zunächst danach zu fragen, welche Zeiten berücksichtigt werden und ob damit zu Recht ein legitimer Zweck verfolgt wird. Erhöht sich der Anspruch auf Erholungsurlaub nach 25 Dienstjahren (iSd § 2 UrlG), wobei ein wesentlicher Teil der im Inland zurückgelegten Dienst- und Ausbildungszeiten angerechnet wird, kann als Rechtfertigungsgrund ein typischerweise erhöhtes Erholungsbedürfnis nach 25 Jahren Erwerbstätigkeit angenommen werden.158 Der EuGH dürfte 154 Schmidt/Senne, RdA 2002, 80 (88). 155 Rebhahn in BAK/IV/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt 42 (51 f). 156 Rebhahn in BAK/IV/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt 42 (52). 157 EuGH 8.9.2011, C-297/10, Hennigs und Mai Rz 60 ff; 19.6.2014, C-501/12, Specht Rz 44 ff. 158 So auch Pfeil in Resch, Pensionsreform und Schutz älterer Arbeitnehmer 71 (98).
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derartig verallgemeinernden und wenig treffsicheren Überlegungen aber kritisch gegenüberstehen.159 Denkbar wäre daher auch eine Rechtfertigung über die Betriebstreue, was sich allerdings wieder mit der Anrechnung diverser Zeiten widerspricht. Regelt der KollV über das gesetzliche Ausmaß hinaus Erholungsansprüche, für die nur in der jeweiligen Branche zurückgelegte Dienstzeiten angerechnet werden, könnte dies gerechtfertigt sein,160 wenn etwa eine Branche von Schwerstarbeit geprägt ist und das dadurch erhöhte Erholungsbedürfnis oder gesundheitliche Abnutzungen berücksichtigt werden. Nach Ansicht des VwGH ist ein mit steigendem Dienstalter ansteigender Urlaubsanspruch – konkret nach § 65 BDG aF – iSd Rs Cadman durch die Honorierung von Berufserfahrung gerechtfertigt. Soweit § 65 Abs 1 BDG für das Ausmaß des Erholungsurlaubes auf das „Dienstalter“ iSd Abs 6 leg cit (das auch Zeiträume berücksichtigt, die beim Vorrückungsstichtag außer Betracht bleiben) abstellt, liege darin keine Honorierung der Berufserfahrung des Beamten, sondern werde damit dem Rekreationsbedürfnis des Beamten Rechnung getragen, das grds mit zunehmendem Alter steige, aber auch durch besondere Gegebenheiten, auf die etwa § 72 BDG 1979 Bedacht nimmt, in erhöhtem Ausmaß gegeben sein könne.161 In der aktuellen Fassung stellt § 65 BDG direkt auf das Lebensalter ab. Längere Kündigungsfristen bei älteren AN können mit dem Ziel der beruflichen Eingliederung älterer AN bzw deren Schutz gerechtfertigt werden,162 gerade im Hinblick auf ihre erschwerte Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt. Auch die Erhöhung der Abfertigung alt entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit kann gerechtfertigt werden: Egal welcher Theorie zur Abfertigung alt man anhängt, die Erhöhung kann durch die dadurch abgegoltene Betriebstreue oder die ihr zukommende Überbrückungsfunktion gerechtfertigt werden.163 159 Vgl zB EuGH 18.1.2009, C-88/08, Hütter Rz 46 ff; 22.11.2005, C-144/04, Mangold Rz 64 f. 160 AA Rebhahn in BAK/IV/WKO/ÖGB, Alternsgerechte Arbeitswelt 42 (53), der darin eine sinnlose Branchentreue sieht. 161 VwGH 14. 12. 2006, 2005/12/0235; krit Kreil, ZAS 2010, 206 (209 f). 162 Pfeil in Resch, Pensionsreform und Schutz älterer Arbeitnehmer 71 (99); Marhold in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 83 (90). 163 Marhold in Tomandl/Schrammel, Arbeitsrechtliche Diskriminierungsverbote 83 (90).
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72 Besondere Probleme hat die Nichtberücksichtigung jener Vordienstzeiten, die vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs absolviert wurden, verursacht. Sie kann zwar den legitimen Zweck verfolgen, Personen mit allgemeiner Sekundarschulbildung nicht gegenüber Personen mit beruflicher Bildung zu benachteiligen, einen Anreiz für den längeren Besuch der Sekundarschule zu schaffen und die Ausbildung von Lehrlingen für den öffentlichen Dienst nicht zu verteuern und damit die Eingliederung von Jugendlichen, die diese Art von Ausbildung abgeschlossen hätten, in den Arbeitsmarkt zu fördern.164 Diese Ziele erscheinen jedoch auf den ersten Blick widersprüchlich. Eines dieser Ziele soll nämlich sein, die Schüler dazu zu veranlassen, eine allgemeinbildende statt eine berufsbildende Sekundarschule zu besuchen. Ein anderes Ziel soll die Bevorzugung der Einstellung von Personen mit beruflicher Bildung gegenüber derjenigen von Personen mit allgemeiner Schulbildung sein.165 Da sich die Regelung nicht darauf beschränkt, die Berufserfahrung zu vergüten, sondern eine Ungleichbehandlung danach vornimmt, in welchem Alter diese Erfahrung erworben wurde, steht ein solches Alterskriterium in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ziel des AG, die erworbene Berufserfahrung zu honorieren. Die Regelung ist außerdem auch nicht treffsicher genug, um angemessen zu sein.166 Anders ist die Nichtanrechnung von Schulzeiten, die vor dem 18. Geburtstag absolviert wurden, zu beurteilen. Sie dient der Vereinheitlichung des Zeitpunkts des Beginns der Leistung von Beiträgen zum Versorgungssystem zu jenem Zeitpunkt, der dem Mindestalter für die Aufnahme in den Staatsdienst entspricht. Es soll allen dem Beamtenpensionssystem angeschlossenen Personen ermöglicht werden, im selben Alter mit der Beitragsleistung zu beginnen und Anwartschaften auf eine volle Pension zu erwerben. Da dies aber nur gilt, wenn ein besonderer Pensionsbeitrag geleistet wird, der den fehlenden Beiträgen entspricht, ist diese Vorgehensweise auch angemessen.167 Auch die Nichtanrechnung von Vordienstzeiten, die vor Vollendung des 15. Lebensjahres erworben wurden, ist vor dem Hin-
164 EuGH 18.1.2009, C-88/08, Hütter Rz 40, 42. 165 Vgl dazu aber Rebhahn, DRdA 2011, 342 (345), der diesen vermeintlichen Widerspruch auflöst. 166 EuGH 18.1.2009, C-88/08, Hütter Rz 46 ff. 167 EuGH 21.1.2015, C-529/13, Felber Rz 30 ff.
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tergrund des KJBG und der allgemeinen Schulpflicht nach einer E des OGH zulässig.168 Dass die Reparatur eines altersdiskriminierenden Systems zahlreiche 73 komplexe Probleme mit sich bringen kann, zeigen zahlreiche Entscheidungen der letzten Jahre. Im Kern geht es dabei darum, finanzielle Überlegungen den Haushalt betreffend, den Schutz wohlerworbener Rechte und den Grundsatz der Gleichbehandlung pro futuro in Einklang zu bringen.169 Praktisch ist die Reparatur von immenser Bedeutung, da alle Arbeitsverhältnisse – auch jene, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2000/78/EG abgeschlossen wurden – von den Rechtsfolgen einer diskriminierenden Lohngestaltung erfasst sind.170 c. Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung Die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund von 74 spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt des Ruhestandes, ist ebenfalls eine Maßnahme, die nicht zu einer Altersdiskriminierung führt. Die Mat halten diesbezüglich allerdings fest, dass die lange Ausbildung allein oder das Durchlaufen einer vorgesehenen gesamten Laufbahn nicht als Rechtfertigung für ein Höchstalter angesehen werden können. Zulässig sei jedoch zB die Festsetzung einer Höchstdauer für die Geltung von Verträgen für selbständige und unselbständige Arbeit mit dem regulären gesetzlichen Pensionsalter, wenn und soweit diese dem notwendigen und sachlich begründeten Interesse von Patienten (Höchstalter für Vertragsärzte) oder sonst schutzwürdigen Personen dient.171 Eine Höchstaltersgrenze für die Zulassung zu einer Vertragsstelle eines gesetzlichen Sozialversicherungsträgers hat der OGH als nicht gerecht168 OGH 7.2.2008, 9 ObA 38/07i. AA Windisch-Graetz in WiR, Alter und Recht 197 (202); Kulmer, RdW 2009, 785 (787); krit Kreil, ZAS 2010, 206 (215); Reissner, DRdA 2010, 24 (35). 169 EuGH 8.9.2011, C-297/10, Hennigs und Mai; 9.9.2015, C-20/13, Unland; 19.6.2014, C-501/12, Specht; 28.1.2015, C-417/13, Starjakob; 11.11.2014, C-530/13, Schmitzer; 14.3.2018, C-482/16, Stollwitzer; 8.5.2019, C-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund; 8.5.2019, C-396/17, Leitner. Vgl dazu auch Krömer, ZAS 2015, 323 mzwN; Schrammel, DRdA 2015, 232; Wolf in Kozak, EuGH und Arbeitsrecht (2015) 95; Rebhahn, wbl 2012, 481, 552. 170 OGH 24.9.2012, 9 ObA 70/12b mwN. 171 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 16.
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fertigt angesehen. Dieses Mittel sei nicht geeignet, die kontinuierliche medizinische Versorgung sicherzustellen, jedenfalls aber nicht erforderlich, da gelindere Maßnahmen denkbar seien.172 Die Einstellung kann jedoch dann rechtmäßig verweigert werden, wenn der AN ein rechtmäßig festgelegtes Höchstalter für das Ausscheiden aus dem Vertrag überschritten hat.173 75 Bewirbt sich jemand für einen Posten mit langer Ausbildungszeit (zB Berufspilot) können ebenfalls Höchstaltersgrenzen festgesetzt werden.174 Der AG darf uE Altersgrenzen für Ausbildungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen derart vorsehen, dass er von der gewährten Bildungsmaßnahme durch die daran anschließende Tätigkeit des AN noch profitieren kann. Dabei wird man dem AG jenen Zeitraum zugestehen müssen, für den er zulässigerweise Ausbildungskostenrückersatz verlangen darf. Das sind gem § 2d AVRAG max vier Jahren (in besonderen Fällen max acht Jahre). 76 Das Höchstalter von 30 Jahren für den Zugang zum Beruf eines Beamten der örtlichen Polizei verfolgt keine beschäftigungspolitischen Ziele, wenn es nicht darauf abzielt, neue Einstellungen zu fördern, ungeachtet der Tatsache, dass es ggf darauf abzielt eine ausgeglichene Altersstruktur zu schaffen. Zielt das Höchstalter jedoch auf die spezifischen Ausbildungsanforderungen des betreffenden Arbeitsplatzes und auf die Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand, werden rechtmäßige Ziele verfolgt. Das Höchstalter von 30 Jahren ist idZ aber nicht erforderlich bzw unverhältnismäßig.175 d. Beendigung bei Erreichen eines bestimmten Alters 77 Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Rechtfertigung unmittelbarer Altersdiskriminierungen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.176 Sei es eine Arbeitgeberkündigung, weil der betreffende AN einen Pensionsanspruch erworben hat oder zumindest das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreicht hat, sei es eine Befristung des Arbeitsver172 OGH 18.7.2011, 6 Ob 246/10k. 173 OGH 22.10.2014, 1 Ob 195/14d. 174 Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung2 144. 175 EuGH 13.11.2014, C-416/13, Vital Perez Rz 59 ff. 176 Für einen Überblick über die umfangreiche Judikatur vgl Brokes/Ettl, DRdA-infas 2020, 188; Tinhofer, ZAS 2014, 131.
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hältnisses mit dem Pensionsantrittsalter. Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die Rechtfertigung der Benachteiligung aufgrund des Alters. Liegt hingegen (auch) eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vor, bspw weil Frauen mit Vollendung des 60. Lebensjahres gekündigt werden, Männer aber erst mit Erreichen des 65. Geburtstages, richtet sich die Rechtfertigung auch nach den (bei der unmittelbaren Benachteiligung deutlich strengeren) Bestimmungen des ersten Teils des GlBG (siehe § 3 Rz 160). Die Beendigung von Arbeitsverträgen älterer AN kann dem legitimen 78 Ziel dienen, jüngeren AN den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern und eine sachgerechte Personal- und Nachwuchsplanung zu ermöglichen.177 Nach Ansicht des EuGH ist daher die Befristung eines Arbeitsvertrages mit dem Erwerb einer Altersrente grds zulässig, wobei nach ErwG 14 RL 2000/78/EG diese nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand berührt. Der EuGH stellte in der E Palacios de la Villa für die Angemessenheit der Maßnahme insb darauf ab, dass die einschlägige Regelung nicht nur auf ein bestimmtes Alter abstellt, sondern auch den Umstand berücksichtigt, dass den Betroffenen am Ende ihrer beruflichen Laufbahn ein finanzieller Ausgleich in Gestalt einer Altersrente zugutekommt, deren Höhe nicht als unangemessen betrachtet werden kann.178 In der Rs Rosenbladt entschied der EuGH hingegen, dass die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht als übermäßige Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der betroffenen AN anzusehen sei, weil nicht nur auf das Alter abgestellt werde, sondern auch auf den Einkommensersatz in Gestalt einer Altersrente,179 wobei das nach der E in der Rs Fuchs und Köhler auch dann gelten soll, wenn durch den Bezug der betreffenden Rente ein erheblicher finanzieller Nachteil im Vergleich zum Weiterbezug des Entgelt entsteht.180 Schließlich kann nach der E in der Rs Hörnfeldt eine Rechtfertigung selbst dann vorliegen, wenn die betreffende Person noch keinen Rentenanspruch erworben hat, solange es eine Art „Garantierente“ gibt.181
177 So auch OGH 18.8.2016, 9 ObA 106/15a; 26.1.2017, 9 ObA 13/16a. 178 EuGH 16.10.2007, C-411/05, Palacios de la Villa Rz 73. 179 EuGH 12.10.2010, C-45/09, Rosenbladt Rz 43 ff; 16.10.2007, C-411/05, Palacios de la Villa Rz 62 ff. 180 EuGH 21.7.2011, C-159/10, Fuchs und Köhler Rz 66. 181 EuGH 5.7.2012, C-141/11, Hörnfeldt Rz 42 ff.
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79 Auch ein Höchstalter für Vertragszahnärzte, das darauf gerichtet ist, innerhalb der Berufsgruppe der Vertragszahnärzte die Berufschancen zwischen den Generationen zu verteilen, ist als legitime Maßnahme der Beschäftigungspolitik zu qualifizieren.182 Die Anwendung einer Altersgrenze kann die Beschäftigung jüngerer Berufsangehöriger begünstigen. Die Festlegung dieser Altersgrenze auf 68 Jahre erscheint hinreichend weit fortgeschritten, um als Endpunkt der Zulassung als Vertragszahnarzt zu dienen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Zahl der Vertragszahnärzte ohne diese Regelung überhöht wäre.183 Auch die Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse von Universitätsprofessoren mit Vollendung des 68. Lebensjahrs qualifizierte der EuGH grds als zulässig, um die Förderung von Einstellungen im Bereich der Hochschulbildung durch das Angebot von Professorenstellen an jüngere Personen zu ermöglichen.184 Ebenso wurde die zwangsweise Versetzung von Beamten auf Lebenszeit (hier Staatsanwälten) in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahrs – vorbehaltlich der Möglichkeit, höchstens bis zur Vollendung des 68. Lebensjahrs weiterzuarbeiten, wenn es im dienstlichen Interesse liegt – mit dem Ziel der Schaffung eines „günstigen Altersaufbaus“, Planbarkeit des Ausscheidens und der Beförderung von Beamten vom EuGH gebilligt. Bei einer Rente iHv 72% des Letztbezugs und der Möglichkeit einer anderen Tätigkeit nachzugehen, sei diese Vorgangsweise angemessen.185 80 Der OGH erkannte im Fall eines Vertragsbediensteten, der aufgrund eines ungünstigen Versicherungsverlaufs nur einen niedrigen Pensionsanspruch erworben hatte, die Kündigung aufgrund des Pensionsanspruchs als rechtmäßig. Die Festlegung des Pensionsalters beruhe auf einer politischen Bewertung und diene nicht nur dazu, das Arbeitseinkommen im erforderlichen Ausmaß zu ersetzen, wenn das Risiko „Alter“ dazu führt, dass dem AN die Arbeit nicht mehr zugemutet werden kann, sondern verfolge zweifelsohne auch den Zweck, jungen Menschen, deren Existenz anderweitig noch nicht gesichert ist, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Dabei handle es sich um ein auch mit der Rechtfertigungsbestimmung der Richtlinie in Deckung zu bringendes sozialpolitisches Ziel. Der Anspruch auf Regelpension sei allgemein als ausreichend zu erachten, um die Deckung der Lebenshaltungskos182 EuGH 12.1.2010, C-341/08, Petersen Rz 65 ff. 183 EuGH 12.1.2010, C-341/08, Petersen Rz 70 ff. 184 EuGH 18.11.2010, C-250/09, Georgiev Rz 45 ff. 185 EuGH 21.7.2011, C-159/10, Fuchs und Köhler Rz 67 f.
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ten des betroffenen AN zu gewährleisten. Dass der Kläger im vorliegenden Fall nur eine Mindestpension zu erwarten habe, sei ausschließlich auf seine subjektiven Verhältnisse zurückzuführen, das heißt den Umstand, dass er auf Grund seines überlangen Studiums nur geringere Versicherungszeiten erwerben konnte als es allgemein im Arbeitsleben der Fall ist. Daraus allein vermag aber noch keine Unverhältnismäßigkeit abgeleitet zu werden.186 Während diese E grds nicht zu beanstanden ist, ist mit Reissner daraufhinzuweisen, dass die Beendigung dann unverhältnismäßig wäre, wenn der gekündigte AN zwar das Regelpensionsalter erreicht hat, aber keinen Pensionsanspruch erworben hat – insb dann, wenn nur mehr wenige Versicherungsmonate fehlen oder der Grund dafür bspw in einem späten Zuzug nach Österreich liegt.187 Keine Rechtfertigung ist nach Ansicht des OGH gegeben, wenn an den 81 Erwerb eines Anspruchs aus der Korridorpension oder eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer angeknüpft wird. Wenn in bestimmten Fällen vor Erreichung der Regelaltersgrenze die Möglichkeit des Bezugs einer vorzeitigen Alterspension besteht, wird damit idR der Schutz der wohlerworbenen Rechte von AN, etwa wegen einer langen Versicherungsdauer und früher bestehender, für den AN günstigerer Regelungen bezweckt, nicht jedoch als sozialpolitisches Ziel ein Abbau älterer AN zugunsten jüngerer. Eine Regelung oder eine Maßnahme eines einzelnen AG, die die Kündigung eines AN vor Erreichung des Regelpensionsalters vorsieht, kann nicht schon deshalb sozial gerechtfertigt sein, weil der AN Anspruch auf eine Korridorpension oder eine Pension bei langer Versicherungsdauer hat. Vielmehr läuft ein solcher „erzwungener“ Pensionsantritt dem seit vielen Jahren verfolgten sozialpolitischen Ziel der Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters zuwider.188 Steht fest, dass Arbeitsplätze abgebaut werden, kann sich der AG den 82 Wertungen des § 105 Abs 3c ArbVG (Sozialvergleich) folgend bei der 186 OGH 18.10.2006, 9 ObA 131/05p. Vgl auch OGH 4.11.2010, 8 ObA 74/10f; 26.1.2017, 9 ObA 13/16a. 187 Reissner, DRdA 2010, 24 (34). 188 OGH 18.8.2016, 9 ObA 106/15a. Vgl dazu auch Schrammel in Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht? 75 (90 ff). Felten weist freilich zutreffend darauf hin, dass es primär der Gesetzgeber selbst ist, der dieses Ziel konterkariert. Eine Rechtertigung sei daher nicht ausgeschlossen, es sei vielmehr die gesamte Situation der betroffenen Person zu berücksichtigen (EvBl 2017, 318 [322 f]; vgl dazu auch Auer-Mayer wbl 2017, 185 [188 ff]).
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Auswahl der zu kündigenden AN davon leiten lassen, dass jene gekündigt werden sollen, für die dies die geringste soziale Härte darstellt. Dieses Ziel steht auch mit der Beschäftigungspolitik und dem Arbeitsmarkt in Zusammenhang, werden doch jene AN stärker geschützt, die auf den Erhalt des Arbeitsplatzes typischerweise stärker angewiesen sind. Dabei kann auch auf einen Anspruch auf Korridorpension abgestellt werden, sofern der AG ein „Gesamtkonzept“ verfolgt189 und nicht das Vorliegen eines Pensionsanspruchs das alleinige Auswahlkriterium ist.190 Aus diesem Grund ist auch die Judikatur des OGH, nach der bei der Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit an die wesentliche Interessenbeeinträchtigung ein strengerer Maßstab anzulegen ist, wenn der gekündigte AN Anspruch auf eine Regelpension hat,191 nicht zu beanstanden. 83 Dass eine Beendigung aus einer vor der Umsetzung der RL 2000/78/ EG abgeschlossenen Befristung resultiert ändert nichts am Vorliegen einer Benachteiligung.192 Hat ein Bewerber ein rechtmäßig festgelegtes Höchstalter für das Ausscheiden aus dem Vertrag bereits im Zeitpunkt der Bewerbung überschritten, kann die Einstellung rechtmäßig verweigert werden.193 84 Der EuGH hatte sich mit zwei weiteren Themenkomplexen zu befassen: 85 Eine Regelung eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit, nach der bei AN, die älter als 54 Jahre sind und denen betriebsbedingt gekündigt wird, die ihnen zustehende Abfindung auf der Grundlage des frühestmöglichen Rentenbeginns berechnet wird und diesen AN im Vergleich zur Standardberechnungsmethode, nach der sich die Abfindung insb nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet, eine geringere als die sich nach der Standardmethode ergebende Abfindungssumme, mindestens jedoch die Hälfte dieser Summe, zu zahlen ist, ist als unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung zu qualifi189 OGH 25.6.2013, 9 ObA 113/12a. Vgl dazu auch Wachter in Wachter, Jahrbuch Altersdiskriminierung 2014, 247 (254 ff), der insb die Vermengung von Kündigungsschutz und Rechtfertigung der Benachteiligung kritisiert. 190 OGH 18.8.2016, 9 ObA 106/15a. 191 OGH 4.11.2010, 8 ObA 74/10f mwN; 26.1.2017, 9 ObA 13/16a. Vgl dazu Schrammel in Rebhahn, Grundrechte statt Arbeitsrecht? 75 (77) mwN. 192 EuGH 12.9.2013, C-614/11, Kuso Rz 28 ff; OGH 26.6.2014, 8 ObA 69/13z. 193 OGH 22.10.2014, 1 Ob 195/14d.
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zieren. Die Regelung verfolgt die rechtmäßigen Ziele der Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft, den Schutz der jüngeren AN sowie die Unterstützung bei ihrer beruflichen Wiedereingliederung und trägt zugleich der Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel eines Sozialplans Rechnung. Darüber hinaus ist das Ziel, zu vermeiden, dass eine Entlassungsabfindung Personen zugutekommt, die keine neue Stelle suchen, sondern ein Ersatzeinkommen in Form einer Altersrente beziehen wollen, als legitim anzusehen. Die Regelung erscheint auch nicht unangemessen. Wird bei der Anwendung der alternativen Berechnungsmethode jedoch auf die Möglichkeit, eine vorzeitige Altersrente wegen einer Behinderung zu erhalten, abgestellt, so liegt darin nach der Rsp des EuGH eine mittelbare Benachteiligung aufgrund einer Behinderung, die nicht gerechtfertigt werden kann.194 In der österr Lit wird die Bezugnahme auf das Alter in Sozialplänen 86 mitunter kritisch gesehen. Sofern altersbedingte Abfindungszahlungen überhaupt durch § 20 Abs 3 gerechtfertigt werden können, müssten diese jedenfalls auf jene Altersbandbreiten bezogen werden, innerhalb derer erfahrungsgemäß/statistisch tatsächlich erkennbar höheres Alter zu schlechteren Arbeitsmarktchancen führt. Zu berücksichtigen sei sodann auch die Nähe zur Pension und ein damit unterschiedlicher Überbrückungsbedarf.195 Der zweite Themenkomplex umfasst das Vorenthalten eines Freistel- 87 lungsgehalts bzw einer Entlassungsabfindung gegenüber älteren AN. Kann der betreffende Beamte mit 65 Jahren bereits eine Pension beziehen, obwohl er das gesetzliche Höchstalter von 70 Jahren noch nicht erreicht hat, ist das verfolgte Ziel, die Verfügbarkeit der Beamten zu gewährleisten und nur jene Beamten zu schützen, die eines Schutzes bedürfen, rechtmäßig. Das Vorgehen geht aber über das zur Zielerreichung Notwendige hinaus, weil auch jene Beamte, die nicht mit 65 ausscheiden wollen, kein Freistellungsgehalt erhalten und diese damit gezwungen sein könnten eine niedrigere Altersrente anzunehmen als die, die sie beanspruchen könnten, wenn sie bis in ein höheres Alter berufstätig blieben.196 Auch in einer weiteren Rs kam der EuGH zum Schluss, dass eine Entlassungsabfindung nur für AN ohne Anspruch auf Alters194 EuGH 6.12.2012, C-152/11, Odar Rz 36 ff. 195 Köck, ZAS 2018, 137 (145). 196 EuGH 26.9.2013, C-476/11, HK Danmark Rz 51 ff.
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rente zwar ein legitimes Ziel verfolge (Schutz von AN mit langer Betriebszugehörigkeit und ihrer beruflichen Wiedereingliederung). Die Rechtfertigung gelinge aber nur, wenn es möglich ist, vorübergehend auf die Altersrente zu verzichten und eine Entlassungsabfindung zu erhalten, um die berufliche Laufbahn weiter zu verfolgen.197 Im Falle einer Entlassungsabfindung, die den Übergang älterer AN mit langer Betriebszugehörigkeit in eine neue Beschäftigung erleichtern soll, und von deren Bezug jene AN, die eine Volksrente beziehen können, ausgeschlossen waren, weil sich diese im Allgemeinen dafür entscheiden, aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden und eine doppelte Entschädigung verhindert werden soll, ging der EuGH hingegen von einer Rechtfertigung aus. Steht den betreffenden AN eine Volksrente ohne Minderung aufgrund eines vorzeitigen Ruhestandes zu und beträgt die Entlassungsabfindung nur ein bis drei Monatsentgelte, geht der Ausschluss jener Personen, die gar nicht beabsichtigen, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, nicht über das zur Zielerreichung Erforderliche hinaus. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Rente durch Zuschläge noch weiter steigen könnte.198
3. Ausnahmen für Betriebspensionssysteme 88 § 20 Abs 5 dient der Umsetzung des Art 6 Abs 2 RL 2000/78/EG und sieht bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Möglichkeit der Festsetzung von Altersgrenzen vor, solange dies nicht zu Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts führt (vgl § 3 Rz 168 ff). Art 6 Abs 2 RL 2000/78/EG gestattet, eine Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung wegen des Alters vorzusehen und ist daher eng auszulegen.199 Unterschiedliche Altersgrenzen dürfen gem § 20 Abs 5 vorgesehen werden: – für die Mitgliedschaft bei Betriebspensionssystemen – für den Bezug von Altersrenten und Leistungen bei Invalidität – unterschiedliche Altersgrenzen für Kategorien von Beschäftigten – für versicherungsmathematische Berechnungen 89 Trotz gewisser Sprachunterschiede hinsichtlich Art 6 Abs 2 RL 2000/78/EG legen der Wortlaut, die Systematik und das Telos der RL 197 EuGH 12.10.2010, C-499/08, Andersen Rz 29, 34, 47. 198 EuGH 26.2.2015, C-515/13, Ingeniørforeningen i Danmark Rz 17 ff. 199 EuGH 16.6.2016, C‑159/15, Lesar Rz 24.
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nach Ansicht des EuGH nahe, dass diese Vorschrift nur für betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit gilt, die die Risiken von Alter und Invalidität abdecken. Ebenso gilt die Bestimmung nur für die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Verwendung von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen.200 Nicht anwendbar ist diese Bestimmung daher auf eine Staffelung der Arbeitgeberbeiträge nach dem Lebensalter der Beschäftigten. Eine Rechtfertigung durch Art 6 Abs 1 RL 2000/78/EG ist aber auch hier grds möglich.201 Auch auf ein Freistellungsgehalt, das weder eine Altersrente noch eine Leistung bei Invalidität ist, ist die Bestimmung nicht anwendbar, selbst wenn dieses Teil eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit sein sollte.202 Ohne Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz dürfen daher Al- 90 tersgrenzen für die Mitgliedschaft bei Betriebspensionssystemen, für den Bezug von Altersrenten und Leistungen bei Invalidität und für versicherungsmathematische Berechnungen vorgesehen werden. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung soll nicht erforderlich sein.203 Dabei liegt es auf der Hand, dass insb ein Höchsteintrittsalter eine wesentliche Bedeutung auch für den Pensionserwerb hat, weil damit – neben einer Wartezeit – idR auch eine gewisse Mindestzeit der Beitragsleistung verbunden ist. Auf Grund der im Unionsrecht vorgegebenen und national umgesetzten Regelung, dass Alterskriterien für den Erwerb von Betriebspensionen nicht per se diskriminierend sind, ist somit auch die Einbeziehung des Höchsteintrittsalters in die Voraussetzungen für den Erwerb einer Betriebspension nicht rechtswidrig.204 Aber auch die Nichtberücksichtigung einer Erwerbstätigkeit bspw vor Vollendung des 18. Lebensjahrs kann durch § 20 Abs 5 gerechtfertigt werden.205
200 EuGH 26.9.2013, C-476/11, HK Danmark Rz 40 ff; 26.9.2013, C-546/11, Dansk Jurist- og Økonomforbund Rz 35 ff; 16.6.2016, C‑159/15, Lesar Rz 25. 201 EuGH 26.9.2013, C-476/11, HK Danmark Rz 40 ff. AA Mohr in EuArbR4 RL 2000/78/EG Art 6 Rz 71. 202 EuGH 26.9.2013, C-546/11, Dansk Jurist- og Økonomforbund Rz 35 ff. 203 Mohr in EuArbR4 RL 2000/78/EG Art 6 Rz 72 unter Verweis auf EuGH 24.11.2016, C‑443/15, Parris. 204 OGH 25.6.2007, 9 ObA 48/06h. 205 OGH 28.11.2018, 9 ObA 47/18d.
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91 Der Ausschluss überlebender eingetragener Lebenspartner von Leistungen aus einem betrieblichen Versorgungssystem, wenn die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht geschlossen wurde, bevor das Mitglied das 60. Lebensjahr vollendet hat, ist auch dann gerechtfertigt, wenn es dem Mitglied nach nationalem Recht nicht möglich war, vor Erreichen dieser Altersgrenze eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu schließen.206
Belästigung § 21. (1) Eine Diskriminierung nach § 17 liegt auch vor, wenn eine
Person 1. vom/von der Arbeitgeber/in selbst belästigt wird, 2. durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen, 3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder 4. durch Dritte außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (§ 18) belästigt wird. (2) Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Verhaltensweise, die mit einem der Gründe nach § 17 im Zusammenhang steht, gesetzt wird, 1. die die Würde der betroffenen Person verletzt oder dies bezweckt, 2. die für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und 3. die ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. (3) Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung zur Belästigung einer Person vor. (4) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren ethnischer Zugehörigkeit, deren Religion oder Weltanschauung, deren Alters oder deren sexueller Orientierung belästigt wird. 206 EuGH 24.11.2016, C‑443/15, Parris Rz 69 ff.
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Belästigung
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Die Regelung über Belästigungen iZm der ethnischen Zugehörigkeit, 1 Religion oder Weltanschauung, Alter oder sexueller Orientierung ist weitgehend § 7 nachgebildet. Der Wortlaut des § 21 lehnt sich teilweise auch am Wortlaut der Art 2 Abs 3 der RL 2000/43/EG und 2000/78/ EG an. Die Mat betonen, dass § 21 inhaltlich § 7 entsprechen soll.1 Vgl daher grds die Komm zu § 7. Belästigungen iZm der ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Welt- 2 anschauung, Alter oder sexueller Orientierung finden in vielfältiger Form statt.2 Das denkbare Spektrum reicht von sprachlichen Äußerungen (zB Witzen, Bezeichnungen) über Gesten bis zum Verbreiten von schriftlichen Äußerungen, Bildern oder sonstigem Material.3 Der geforderte Zusammenhang liegt vor, wenn die konkrete belästigende Verhaltensweise der Tatsache, dass ein geschütztes Merkmal vorliegt, zugerechnet werden kann. Das Erfordernis des „Zusammenhangs“ darf dabei, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen hintanzuhalten, zu erreichen, nicht zu eng gesehen werden.4 Die belästigende Person wird häufig nicht unmittelbar an dem geschützten Merkmal anknüpfen, sondern auf eine bestimmte Eigenschaft, eine Handlung, eine Verhaltensweise oder einen Zustand abstellen, der mit dem Merkmal verbunden ist. Wollte man nur auf das Merkmal selbst abstellen, würde der Schutz vor Diskriminierung wegen des zu kleinen, leicht umgehbaren Anwendungsbereichs verfehlt. Der Zusammenhang kann daher auch durch Eigenschaften, Handlungen, Verhaltensweisen oder Zustände hergestellt werden, die mit dem Merkmal in Verbindung gebracht werden können.5 Eine Belästigung iSd § 21 Abs 1 liegt vor, wenn das Verhalten für die 3 betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist, durch dieses Verhalten die Würde des Betroffenen verletzt wird oder dies beabsichtigt wird und ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld geschaffen wird oder dies be1 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 17. 2 Für einen Überblick über mögliche Erscheinungsformen vgl Gahleitner, ZAS 2007, 148. 3 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 17; OGH 26.11.2013, 9 ObA 110/13m; Gerhartl, RdW 2014, 142 (142). 4 OGH 24.7.2013, 9 ObA 40/13t; 27.2.2012, 9 ObA 21/12x; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 21 Rz 9. 5 OGH 2.4.2009, 8 ObA 8/09y; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 9.
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zweckt wird.6 Sowohl hinsichtlich der Qualifikation der Verhaltensweise (unerwünscht, unangebracht oder anstößig) als auch bei der Wirkung auf das Umfeld (einschüchternd, feindselig, entwürdigend, beleidigend oder demütigend) reicht es jeweils aus, wenn alternativ („oder“) eine der Tatbestandsvarianten verwirklicht wird.7 Sowohl die Verletzung der Würde, als auch die Schaffung eines negativen Umfelds bedürfen einer gewissen Mindestintensität der Belästigung.8 Die Mat führen aus, sie „müssen schwerwiegend sein und insgesamt eine störende oder feindselige Arbeitsumgebung bewirken.“9 Zwar können auch einmalige Vorkommnisse ein solches negatives Umfeld schaffen, soll diese Voraussetzung aber nicht völlig in dem Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Würde aufgehen, ist bei einmaligen Vorkommnissen eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen und nicht automatisch vom Vorliegen einer Belästigung auszugehen.10 Was die von § 21 geforderte Mindestintensität anbelangt, so kann diese auch für mehrer Merkmale gesamthaft betrachtet vorliegen, auch wenn diese bei isolierter Betrachtung noch nicht gegeben wäre.11 Liegen sämtliche Voraussetzungen einer Belästigung vor, sieht § 26 Abs 11 Schadenersatzansprüche vor. Nach der problematischen Rechtsprechung des OGH können mit einem geschützten Merkmal in Zusammenhang stehende Verhaltensweisen (hier die Bezeichnungen „Dauerexperiment ethnischer Kleidung“ und „Vermummung“), die die Anforderungen an eine Belästigung nicht erfüllen, dennoch zu einer „Bestärkung“ einer anderweitig erfolgten Diskriminierung führen. Dies hat sodann Auswirkungen für die Bemessung des Schadenersatzanspruchs.12 Nicht zu verwechseln ist dieser Ansatz mit der zutreffenden Feststellung, dass eine Handlung grds eine Belästigung und eine anderweitige Benachteiligung gleichzeitig verwirklichen kann.13 6 Vgl dazu Mazal, ecolex 2009, 460 (461); Majoros, ZAS 2013, 75 (80). 7 OGH 2.4.2009, 8 ObA 8/09y; 27.2.2012, 9 ObA 21/12x. 8 OGH 27.2.2012, 9 ObA 21/12x; Gerhartl, RdW 2014, 142 (142); Majoros, ZAS 2013, 75 (78 f). 9 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 17. 10 So iE auch OGH 27.2.2012, 9 ObA 21/12x; Köck, ZAS 2018, 137 (142 f); Majoros, ZAS 2013, 75 (80); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 20 Rz 11. 11 GBK I/595b/14-M. 12 OGH 25.5.2016, 9 ObA 117/15v. Krit dazu Körber-Risak/Schnabl, ARD 6507/4/2016, 4. 13 Rebhahn, DRdA 2011, 38 (41).
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Der OGH ging bspw bei häufig iZm konkreter Kritik an der Arbeit der 4 AN erfolgten Äußerungen, in denen auf ihre polnische Herkunft in herabsetzender und beleidigender Weise Bezug genommen wurde von einer Belästigung aus.14 Im Fall eines Lehrlings, die mehrmals als „Scheiß Tschuschin; dumm; keine Ahnung vom Leben“ und „deppert“ beschimpft wurde, war das Vorliegen einer Belästigung iZm der ethnischen Zugehörigkeit im Revisionsverfahren gar nicht mehr strittig.15 Das OLG Innsbruck qualifizierte die einmalige Aussage „Ich schmeiße dir das Rührei auf den Kopf, du hässlicher Neger“ als Belästigung. Aufgrund der Schwere der inkriminierten Aussage sei trotz der Einmaligkeit ein negatives Umfeld geschaffen worden.16 Vom OLG Wien wurden folgende Verhaltensweisen gegenüber einer Kassiererin als Belästigung qualifiziert: die Aussagen „Die Depperte läutet schon wieder“ und ähnliche Aussagen; Äußerungen, es sei kein Renommee für das Unternehmen, „wenn so eine Alte (wie die Klägerin) an der Kasse sitze“. Weiters wurde über „die Alte (gemeint die Klägerin) an der Kassa“ gelästert und sinngemäß gemeint, wegen der Klägerin verliere man Kunden.17 Das OLG Linz verneinte das Vorliegen einer Belästigung durch Beschwichtigungsversuche eines Geschäftsführers in Folge einer anderen Belästigung, bei denen der Belästigte aufgefordert wurde nicht so empfindlich zu sein und erklärt wurde, dass „Neger“ in Österreich kein Schimpfwort sei. Das Motiv, auch im Interesse des Belästigten einen Ausgleich zwischen den Betroffenen herbeizuführen, schließe trotz verfänglicher Wortwahl eine Belästigung aus.18 Das LG Salzburg erkannte in der wiederholten Beleidigung eines offen homosexuellen Mannes ua als „Arschficker“, durch Fragen wie, ob er nicht „irgendjemanden von hinten ficken möchte?“, das Vorstellen des Belästigten als „der Schwule“ und dem wiederholten Verspotten aufgrund der hohen Stimme eine Belästigung aufgrund der sexuellen Orientierung.19 Beispiele aus der Spruchpraxis der GBK sind das Zeigen rassistischer 5 Bilder und Fotos;20 die Aussage, dass „alle Kolumbianerinnen Schlampen wären“, abwertende Äußerungen über die südamerikanische Her14 OGH 24.7.2013, 9 ObA 40/13t. 15 OGH 22.9.2010, 8 ObA 63/09m. 16 OLG Innsbruck 14.4.2017, 15 Ra 13/17z. Zust Köck, ZAS 2018, 137 (142 f). 17 OLG Wien 10 Ra 29/18k ARD 6629/8/2018. 18 OLG Linz 23.1.2011, 12 Ra 79/11s. 19 LG Salzburg 14.7.2006, 18 Cga 120/05t. 20 GBK I/62/06-M.
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kunft, die Aufforderung „ihr kubanisches Blut im Zaum [zu] halten“ und die (unzutreffende) Aussage, sie sei schon vom Sprachlichen her mit ihrer Arbeit überfordert;21 abfällige Äußerungen über die Religion und der damit in Widerspruch stehenden sexuellen Orientierung der Belästigten;22 abfällige Äußerungen über das Alter der Belästigten, wie etwa „Ein alter Besen soll kein Kind mehr auf die Welt bringen!“ oder nach der Fehlgeburt „Eine alte Schachtel braucht eh kein Kind!“;23 das beharrliche Erfragen der sexuellen Orientierung im Bewerbungsgespräch;24 die Aussage jemand wirke „zu gay“ in Kombination mit einem weiteren mit der sexuellen Orientierung konnotierten Vorfall;25 die negative Bezugnahme auf die Herkunft der AN durch die Frage, ob ihr das in Ungarn nicht beigebracht worden sei;26 die Bezeichnung muslimischer, kopftuchtragender Frauen als „Alibabaweiber“, die Äußerung gegenüber Kunden lieber „mit 10 Affen als mit diesen depperten Weibern“ zusammenzuarbeiten, die Verwendung des Begriffs „TschuschInnen“ und die Äußerung, dass sie deshalb „Eicha Volk hosse“ als sie von einer kopftuchtragenden Kundin genervt gewesen sei;27 die Beschimpfung als „Asylantin“;28 die Bezeichnung “mein kleines Scheißerle” für eine AN mit dunkler Hautfarbe;29 unaufgeforderte Stellungnahme zur Religion der Belästigten in Verbindung mit der Aufforderung sich trotz Fastens im Ramadan mit den anderen AN an einen Tisch zu setzen und die Verwendung eines (europäischen) Vornamens in der Absicht die ethnische Herkunft der Belästigten zu negieren;30 das Thematisieren der schwarzen Hautfarbe iZm einer sexuellen Belästigung iVm Äußerungen über angeblich für schwarze Männer typische körperliche Merkmale;31 die wiederholte Bezeichnung als „Tschuschin“ und „Zigeunerin“;32 die Aussage: „Du Alte, wie lange brauchst du
21 GBK I/230/09-M. 22 GBK I/672/16-M. 23 GBK I/236/09. 24 GBK I/376/11-M. 25 GBK I/746/17-M. 26 GBK I/595b/14-M. 27 GBK I/644/15-M. 28 GBK I/375/11-M. 29 GBK I/150/08-M. 30 GBK I/283/10-M. 31 GBK I/503/13-M. 32 GBK I/677/16-M.
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denn, dass du vier Getränke herstellst“;33 die Verwendung der Phrase „etwas russisch erledigen“ gegenüber einer in Russland geborenen AN;34 abfällige Äußerungen über Osteuropäer/innen als billige Arbeitskräfte und über die Deutschkenntnisse der AN;35 abfällig Äußerungen über die schlechten Kochkünste von Deutschen und die Wienerisch-Kenntnisse der AN;36 das Lächerlichmachen der Religiosität der AN;37 die Einladung zu einem „Weiberabend“ unter Kolleginnen iVm der Aussage „wir sehen dich alle nicht als Mann an, weil du ja eine Schwuchtel bist“ und bezugnehmend auf eine Operation die Aussage, dass es „kein Wunder sei, dass er eine Operation am Arschloch hätte und der Grund dafür offensichtlich sei, dass er so oft von seinem Freund in den Arsch gefickt“ worden wäre;38 wiederholtes negatives „Gerede hinter deren Rücken“ in einer herabwürdigenden Weise, durch das die AN mit ihrem fortgeschrittenen Alter konfrontiert wurde;39 der iZm einem schon lange währenden Konflikt gefallene Ausspruch „Hast Du Lust auf türkische Bakterien?“;40 die Aussage „Ihr Ausländer, Ihr Schweine! Ihr macht das immer so! Du Jugo, Du Scheißdreck! Wir werden Euch aus Österreich vertreiben! Gib mit Deine Daten, ich werde Dich vernichten!“ im Zuge eines Verkehrsunfalls;41 die Aussage „Fahr heim, dort hinunter, wo du hingehörst, …, du bist hier Gast und kein Österreicher, ein Arschloch bist Du“;42 der Begriff „Negersau“,43 nicht aber die Bezeichnung „Schwarzer“;44 Beschimpfungen wie „arabisches Arschloch“ und „Kameltreiber“;45 die Aussage „Scheiß Ausländer! Scheiß Nigger! Ihr nehmt uns unsere Arbeitsplätze weg und sollt aus unserem Land verschwinden! Was machst du denn hier in diesem Land – du hast hier gar nichts zu suchen! Du bist ein
33 GBK I/287/10-M. 34 GBK I/101/07-M. 35 GBK I/389/11-M. 36 GBK I/390/11-M. 37 GBK I/256/10-M. 38 GBK I/697/16-M. 39 GBK II/340/17. 40 GBK II/16. 41 GBK II/19/06. 42 GBK II/13. 43 GBK II/11. 44 GBK II/317/17. 45 GBK II/2
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Dieb und stiehlst Autos.“ gegenüber einem Taxifahrer;46 die Aussage „dass Ausländer froh sein sollten, wenn sie überhaupt hier arbeiten dürften, da in ihrem Heimatland alles viel schlimmer sei“;47 Beleidigungen als „Schwuchtel“ oder „Homo“ und Nachäffen durch „übertrieben homosexuelles Gehabe“;48 Thematisierung der vermuteten sexuellen Orientierung vor mehreren Zuhörern;49 die Aussage „Schwule brauchen sich auch nicht in der Öffentlichkeit zu küssen“ und „So ein Verhalten hätte in der damaligen Zeit zu Konsequenzen geführt“, nicht jedoch die Aussage, dass „Männer in der Öffentlichkeit nicht zu tanzen (bräuchten), da sich dies nicht schicke“ (alle Aussagen iVm einem provozierenden Grinsen);50 die Bezeichnung als „schwule Drecksau“ und die Aussage, dass der Betroffene „in den Prater gehen soll, um sich dort einen Jungen zu kaufen“;51 „Scheiß Türken“;52 „Scheiß Albaner“ iVm weiteren herabwürdigenden Verhaltensweisen;53 die Beschimpfung als „Arschloch, Schwarzer, Trottel“ in Kombination mit einem Tritt in den Hintern;54 die Aussage „Du kannst ja nicht einmal Deutsch sprechen, du Trottel du“ iVm weiteren Beleidigungen und Drohungen;55 die Aussage „Wenn du so nicht weiterarbeiten kannst, dann geh doch zurück in deine Heimat!” in Verbindung mit anderen „Feindseligkeiten“ und die Aussage „Wenn es Dir hier nicht passt, dann bitte geh heim“ bzw „Geh zurück, wo Du hergekommen bist“;56 die Bezeichnung eines Tschetschenen als „Scheiß-Russe“;57 die wiederholte Verwendung der Begriffe „Jugo“ und „Tschusch“;58 das herablassende Hinweisen einer Person auf ihre (angeblich) mangelnden Deutschkenntnisse aufgrund ihres „nicht-österreichisch“ klingenden Namens;59 die Benennung mit den deutschen Vornamen „Heidi“ und „Kathi“ und die Aufforderung, die 46 GBK II/21/06. 47 GBK II/24/07. 48 GBK II/N-150/11. 49 GBK II/134/11. 50 GBK II/N-136/11. 51 GBK II/48/08. 52 GBK II/51/08. 53 GBK II/52/08. 54 GBK II/82/09. 55 GBK II/N-130/11. 56 GBK II/N-162/12 57 GBK II/N-175/12. 58 GBK II/259/15. 59 GBK II/337/17.
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türkische Herkunft zu verleugnen und sich als Österreicherin auszugeben;60 das Erzählen von „Schwulenwitzen“, nicht jedoch das bloße Zitieren von Filmpassagen, das Diskutieren des „Produkts Conchita Wurst“ oder die bloße Frage, ob jemand auf Grund seines Namens einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder einer bestimmten ethnischen Gruppe angehöre.61 Die abschließende Beurteilung dieser Bsp ist in einigen Fällen aufgrund 6 der Schwere der Verhaltensweisen recht einfach möglich. In anderen Fällen ergibt sich die geforderte Mindestintensität erst aus einer Gesamtschau diverser Aspekte und ist auf den ersten Blick nicht leicht nachvollziehbar. Die GBK ist sichtlich bemüht, getätigte Aussagen nicht isoliert zu betrachten, sondern immer in ihrem Kontext und in ihrer Gesamtheit. Dabei werden mitunter auch Aussagen, die in anderem Kontext vergleichsweise unproblematisch wären, im Ergebnis zu einer Belästigung. Nimmt man den Schutz vor Belästigung ernst, führt an diesem Umstand jedoch kein Weg vorbei. Dass daraus diffizile Probleme bei der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung entstehen, versteht sich von selbst. Insb in jenen Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht und keine Zeugen verfügbar sind, scheint die GBK die Anforderungen an die Glaubhaftmachung teilweise sehr niedrig anzusetzen. Auch die vom Gesetz geforderte Mindestintensität wird von der GBK sehr niedrig angesetzt (bzw nicht immer ausdrücklich begründet), auch vor dem Hintergrund der zutreffenden Rsp des OGH, dass auch einmalige verbale Vorfälle ausreichen können,62 mitunter wohl zu niedrig. Auffällig ist auch, dass jene Aussagen und Handlungen, die letztlich den Sachverhalt in den Anwendungsbereich des GlBG bringen, sehr oft – und insb wenn es sich um Arbeitskollegen handelt – von einer generell konfliktbeladenen Beziehung begleitet werden. Ein Sonderfall einer Belästigung liegt schließlich vor, wenn – wie dies in 7 der deutschen Lit diskutiert wird – die Belegschaft nach verschiedenen Ausprägungen eines geschützten Merkmals getrennt wird (siehe § 19 Rz 10). Als Bsp werden getrennte Schichten für türkische und kurdi-
60 GBK II/79/09. 61 GBK II/258/15. Bezüglich der Frage nach der Religion vgl auch GBK II/N192/13. 62 OGH 26.11.2013, 9 ObA 110/13m.
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sche AN genannt.63 Bei einer solchen Trennung der AN kann es sich zweifellos um eine unerwünschte Verhaltensweise des AG handeln und der Zusammenhang mit dem sensiblen Merkmal ist offensichtlich. Fraglich ist, ob die Würde der betroffenen AN verletzt wird und ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld geschaffen wird. Diese Frage ist jedenfalls zu bejahen, wenn aus den konkreten Umständen ersichtlich ist, dass sich die Maßnahme eigentlich gegen eine bestimmte Religion oder eine bestimmte ethnische Gruppe richtet und diese damit herabgesetzt wird. Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, sprechen gute Gründe für eine Qualifikation als Belästigung. Einerseits die Erfahrungen mit der separate but equal-Doktrin in der Vergangenheit im Fall der Ethnie, andererseits die Tatsache, dass ein solches Vorgehen im Fall der Religion wohl immer als gegen eine bestimmte Religion oder doch zumindest gegen Religion im Allgemeinen gerichtet wahrgenommen werden wird. Diese Auslegung wird auch von Art 1 Abs 1 lit a ILO Übereinkommen 111 gestützt. Dieser verbietet nämlich nicht nur Benachteiligungen aufgrund der Religion, sondern auch bloße Differenzierungen und damit jedenfalls religiöse Segregation.64 Auch ErwG 8 und 11 RL 2000/43/ EG können so verstanden werden.
Positive Maßnahmen § 22. Die in Gesetzen, in Verordnungen, in Instrumenten der kollektiven Rechtsgestaltung oder in generellen mehrere Arbeitnehmer/ innen umfassende Verfügungen des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin getroffenen spezifischen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung im Berufsleben, mit denen Benachteiligungen wegen eines Diskriminierungsgrundes nach § 17 verhindert oder ausgeglichen werden, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Gesetzes. Dies gilt auch für Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung im Berufsleben in den in § 18 genannten Bereichen. 1 Die Regelung über die Zulässigkeit positiver Maßnahmen dient der Umsetzung der Art 5 bzw 7 der RL 2000/43/EG und 2000/78/EG. Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung des § 22 auf die Formulierung der beiden Antidiskriminierungsrichtlinien zurückgegriffen, weil Art 7 63 Thüsing, Europäisches Arbeitsrecht3 § 3 Rz 17. 64 Dullinger, Religiöse Bedürfnisse Rz 214 ff.
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Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung
§ 23
Abs 2 B-VG die in § 17 aufgezählten Diskriminierungsgründe nicht umfasst und ein entsprechender Verweis und damit eine einheitliche textliche Gestaltung nicht möglich war.1 § 22 entspricht inhaltlich § 8,2 weshalb hinsichtlich der inhaltlichen De- 2 terminanten auf die Kommentierung zu § 8 verwiesen wird. Feiertage für Angehörige nur bestimmter Religionen können nicht als 3 positive Maßnahme qualifiziert werden, wenn nur manchen Religionen ihr wichtigster Feiertag zugestanden wird, anderen Religionen hingegen nicht. Damit würde quasi innerhalb der positiven Maßnahme unmittelbar diskriminiert.3 Denkbar wäre allenfalls ein Freistellungsanspruch für alle Angehörigen von Religionen, die nicht oder nur sehr eingeschränkt von den christlichen Feiertagen profitieren. Fraglich wäre dann aber immer noch die Zulässigkeit des Anspruchs auf doppelten Lohn bei Arbeit an dem betreffenden Tag.
Gebot der diskriminierungsfreien Stellenaus schreibung § 23. (1) Der/die Arbeitgeber/in oder private/r Arbeitsvermittler/in
gemäß den §§ 2 ff des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, oder eine mit der Arbeitsvermittlung betraute juristische Person öffentlichen Rechts darf einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebes (Unternehmens) in diskriminierender Weise ausschreiben oder durch Dritte ausschreiben lassen, es sei denn, das betreffende Merkmal stellt auf Grund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. (2) Der/die Arbeitgeber/in oder private Arbeitsvermittler/in gemäß den §§ 2 ff des Arbeitsmarktförderungsgesetzes oder eine mit der Arbeitsvermittlung betraute juristische Person öffentlichen Rechts ist verpflichtet, in der Ausschreibung das für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz geltende kollektivvertragliche oder das 1 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 17. 2 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 17. 3 Vgl EuGH 22.1.2019, C-193/17, Cresco Investigation Rz 67 f.
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durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geltende Mindestentgelt anzugeben und auf die Bereitschaft zur Überzahlung hinzuweisen, wenn eine solche besteht. Dies gilt sinngemäß für Arbeitsverträge in Wirtschaftsbereichen, in denen es kein kollektivvertraglich oder durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geregeltes Mindestentgelt gibt, ausgenommen Arbeitnehmer/innen gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 Arbeiterkammergesetz 1992, BGBl. Nr. 626/1991. In der Stellenausschreibung ist jenes Entgelt anzugeben, das als Mindestgrundlage für die Arbeitsvertragsverhandlungen zur Vereinbarung des Entgelts dienen soll. 1 Das Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung ist in den RL 2000/43/EG und 2000/78/EG zwar nicht ausdrücklich angeführt, dennoch hat der österr Gesetzgeber diesen Diskriminierungstatbestand parallel zur Regelung über die geschlechtsneutrale Stellenausschreibung auch für die in § 17 genannten Diskriminierungsgründe geregelt. Gerade durch diskriminierende Stellenausschreibungen kann nämlich der Zugang zu Beruf und Beschäftigung auf Grund des Einflusses der Wortwahl auf das Bewerbungsverhalten potenzieller Bewerber/innen und die damit verbundene allfällige Abstandnahme von einer Bewerbung wesentlich behindert werden. Dies widerspricht den Intentionen der beiden Antidiskriminierungsrichtlinien.1 Durch § 23 sollte daher ein Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung eingeführt werden, das analog der Bestimmung des § 9 gestaltet ist. Vgl daher auch den Komm zu § 9. Unabhängig von § 23 ist eine diskriminierende Stellenausschreibung auch ein wichtiges Indiz dafür, dass bei einer Einstellung ein geschütztes Merkmal zumindest mitursächlich war, was wiederum in vielen Fällen für die Glaubhaftmachung einer Diskriminierung ausreicht.2 2 Die Intention des Gesetzgebers entspricht jener Judikatur des EuGH, nach der auch öffentlichen Äußerungen eines AG über seine Einstellungspolitik diskriminierend sein können, auch wenn es keine identifizierbare beschwerte Person gibt, die behauptet, sie sei Opfer dieser Diskriminierung geworden. So qualifizierte der EuGH in der Rs Feryn gestützt auf Erw 8 RL 2000/43/EG die öffentliche Äußerung eines AG, er werde keine AN einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse 1 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 17. 2 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 17 Rz 80; Pieper, RdA 2018, 337 (338).
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Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung
§ 23
einstellen als unmittelbar diskriminierend, weil sie offenkundig bestimmte Bewerber ernsthaft davon abhalten kann, ihre Bewerbungen einzureichen, und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindert.3 Nicht ganz konsequent ist es uE daher, dass der EuGH dem AG die Möglichkeit einräumt, sich durch den Beweis, dass die tatsächliche Einstellungspolitik den Äußerungen nicht entspricht, freizubeweisen.4 In der Rs Asociaţia Accept bekräftigte der EuGH diese Ansicht5 und entschied, dass die im Zuge eines Interviews getätigte Aussage, keine homosexuellen Spieler einstellen zu wollen, ausreiche, um eine konkrete Diskriminierung bei der Einstellung glaubhaft zu machen.6 Auch in der Rs NH kam der EuGH zum Ergebnis, dass eine unmittelbare Diskriminierung durch die Aussage, keine homosexuellen Personenen einstellen und beschäftigen zu wollen, auch ohne Zusammenhang mit einer konkreten Einstellung in den Anwendungsbereich der RL 2000/78/ EG falle, solange diese mit der Einstellungspolitik eines bestimmten AG tatsächlich in Zusammenhang gebracht werden kann.7 Auch der OGH anerkennt – abgeleitet aus dem ideellen Schadenersatz- 3 anspruch gem § 26 Abs 5 Z 2 und gestützt auf die Rs Feryn – das Recht, sich „diskriminierungsfrei“ am Arbeitsmarkt zu bewerben. Es gehe darum, dass den betroffenen Personengruppen nicht der Eindruck vermittelt werden soll, dass sie aufgrund der sie spezifisch treffenden Merkmale am Arbeitsmarkt ohnehin „keine Chancen“ hätten, und sie so von Bewerbungen abgehalten werden.8 Eine Verletzung des Gebots der diskriminierungsfreien Stellenaus- 4 schreibung liegt nicht vor, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Diese Ausnahme entspricht im Wesentlichen § 20 Abs 1. Ein Hinweis auf die Rechtfertigungsmöglichkeit bei mittelbarerer Benachteiligung findet sich hingegen nicht. In der Lit wird daher diskutiert, ob das Gebot der diskriminierungsfreien Stellen3 4 5 6 7 8
EuGH 10.7.2008, C-54/07, Feryn Rz 21 ff. EuGH 10.7.2008, C-54/07, Feryn Rz 29 ff. EuGH 25.4.2013, C-81/12, Asociaţia Accept Rz 36. EuGH 25.4.2013, C-81/12, Asociaţia Accept Rz 40 ff. EuGH 23.4.2020, C-507/18, NH Rz 43. OGH 27.2.2019, 9 ObA 118/18w; 23.4.2009, 8 ObA 11/09i.
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§ 23
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ausschreibung mittelbare Diskriminierungen überhaupt erfasst.9 Diese Frage ist uE zu bejahen.10 Nach der Logik des GlBG schließt das Vorliegen einer Rechtfertigung schon den Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung aus (§ 19 Abs 2). Ein Verweis auf die Rechtfertigung bei mittelbarer Benachteiligung war daher nicht erforderlich. Entgegen der Ansicht des LVwG Tirol11 ist bei bloß mittelbar benachteiligenden Ausschreibungen daher aber auch der entsprechende Rechtfertigungsmaßstab anzulegen.12 Auch Anforderungen, die gem § 20 Abs 2 (Religion oder Weltanschauung) oder § 20 Abs 3 und 4 (Alter) gerechtfertigt sind, dürfen in ein Stelleninserat aufgenommen werden.13 5 Mit einer in der Praxis häufigen Formulierung in Stelleninseraten hatte sich das LVwG Wien zu befassen. Der Hinweis auf die Erwartung, in ein „junges, dynamisches Team“ aufgenommen zu werden, sei als mittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters zu qualifizieren.14 Diese Formulierung ist tatsächlich geeignet, bei Interessenten den Eindruck hervorzurufen, dass jüngere Menschen gesucht werden, zumal wohl eher jüngere Menschen in ein junges, dynamisches Team passen.15 Zuzustimmen ist daher jedoch Köck, der darauf hinweist, dass hier keine mittelbare, sondern eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters vorliegt.16 Dass kein konkretes Alter genannt wird, sondern nur das Adjektiv „jung“ verwendet wird, kann eine unmittelbare Benachteiligung nicht ausschließen. Das hat auch das BAG in einem vergleichbaren Fall so gesehen.17 Nach Ansicht der GBK muss die Formulierung „junges, dynamisches Team“ aber nicht immer ein Indiz für das Vor9 Köck, ZAS 2018, 137 (147 f). 10 So auch LVwG Wien 19.1.2017, VGW-001/010/8356/2016; Hopf/Mayr/ Eichinger/Erler, GlBG2 § 23 Rz 3; Wakolbinger, Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gemäß § 23 Abs 1 GlBG (2013) 7 (https://www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/documents/340065/441424/ Gutachten+März+2013+final.pdf/145aa4ed-5690-43a9-8b3a-76a2174d3827? execution=e1s5; 7.3.2022). 11 LVwG Tirol 14.1.2014, 2013/23/3455-2. 12 So auch Köck, ZAS 2018, 137 (147 f); Wakolbinger, Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gemäß § 23 Abs 1 GlBG 9 f. 13 Wakolbinger, Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellen ausschreibung gemäß § 23 Abs 1 GlBG 10 f. 14 LVwG Wien 19.1.2017, VGW-001/010/8356/2016. 15 Krit Köck, ZAS 2018, 137 (146). 16 Köck, ZAS 2018, 137 (146). 17 BAG 11.8.2016, 8 AZR 406/14.
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liegen einer Altersdiskriminierung sein (wenngleich dies nichts an der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung ändert).18 Noch unklar ist, ob die Hinweise auf ein „dynamisches Team“ und ein „junges, dynamisches Unternehmen“ als diskriminierend qualifiziert werden können.19 Geht man von einem durchschnittlichen Erklärungsempfänger aus, wird das in beiden Fällen zu bejahen sein, wobei dies im letzteren Fall eindeutiger ist als in ersterem.20 Vorsicht ist auch bei der Angabe von Vordienstzeiten geboten. Kann 6 das Stelleninserat so verstanden werden, dass Personen gesucht werden, die nicht über mehr als die geforderten Vordienstzeiten verfügen, liegt darin idR eine mittelbare Benachteiligung aufgrund des Alters.21 Die Anforderung einer zwei bis dreijährigen Berufserfahrung kann – insb iZm einer Frage nach der Bereitschaft unter einem jüngeren Vorgesetzten zu arbeiten im Bewerbungsgespräch – auf eine Einstellungsdiskriminierung aufgrund des Alters hindeuten.22 Damit wäre auch die entsprechende Stellenanzeige rechtswidrig. Auch der Hinweis „Ideal für Berufseinsteiger!“ und die Anforderung an Flexibilität oder die Bezeichnung einer Stelle als „Junior“ können den Eindruck erwecken, dass nur jüngere Personen gesucht werden.23 Auch das Merkmal „erste Berufserfahrung“ ist problematisch, weil ältere Menschen iaR über mehr als „erste Berufserfahrung“ verfügen.24 Auch der Hinweis, ausschließlich Bewerber mit deutscher Mutterspra- 7 che zu suchen (vgl dazu § 19 Rz 20, 60), wurde mangels Rechtfertigung vom LVwG Tirol zurecht als Verstoß gegen das Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gewertet.25 Generell gilt, dass nur jene Sprachkenntnisse in die Stellenausschreibung aufgenommen werden dürfen, deren Vorliegen bei der Einstellung auch verlangt werden darf (dazu § 19 Rz 60). Auch die Ausschreibung (nur) in einer Sprache, deren Beherrschen keine legitime Anforderung ist, ist diskriminie18 GBK I/153/08-M. 19 Pieper, RdA 2018, 337 (347, 349). 20 AA BAG 23.11.2017, 8 AZR 604/16. 21 Kreil, ZAS 2010, 206 (210); BAG 18.8.2009, 1 ABR 47/08. 22 GBK I/28/05-M. 23 GBK II/35/07; BAG 15.12.2016, 8 AZR 454/15. Vgl zur Ausschreibung für „Young Professionals“ auch Pieper, RdA 2018, 337 (347 f) 24 LVwG Wien 19.1.2017, VGW-001/010/8356/2016. 25 LVwG Tirol 14.1.2014, 2013/23/3455-2.
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rend.26 Das gilt jedoch nicht für Ausschreibungen in deutscher Sprache, da es dem AG nicht zumutbar ist, seine Stellenausschreibungen in unzählige Sprachen zu übersetzen. 8 Problematisch kann auch das in letzter Zeit verstärkt zu beobachtende Vorgehen sein, Bewerber über Plakate und Videos anzusprechen, sofern auf diesen Plakaten und in diesen Videos Personen zu sehen sind.27 Sind bspw nur junge oder mitteleuropäisch aussehende Personen zu sehen, kann dies Bewerber mit anderen Ausprägungen dieser geschützten Merkmale von einer Bewerbung abhalten. Natürlich ist es nicht möglich, alle denkbaren Varianten geschützter Merkmale abzubilden, fehlt es bei den abgebildeten Personen aber grundlegend an Diversität oder ist die Abbildung geeignet bereits bestehende Klischees zu verfestigen, so ist uE von einer diskriminierenden Stellenausschreibung auszugehen. Unbeachtlich ist dabei, ob Fotos/Videos realer Personen verwendet werden oder karikatur- oder comicähnliche Bilder von Personen, solange eine Zuordnung der Abbildung zu bestimmten Merkmalsausprägungen möglich ist.28
Strafbestimmungen § 24. (1) Wer als Arbeitsvermittler/in entgegen den Bestimmungen
des § 23 Abs. 1 einen Arbeitsplatz in diskriminierender Weise ausschreibt, ist auf Antrag eines/einer Stellenwerbers/Stellenwerberin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen. (2) Wer als Arbeitsvermittler/in entgegen den Bestimmungen des § 23 Abs. 2 in die Stellenausschreibung die in Abs. 2 angeführten 26 Wakolbinger, Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gemäß § 23 Abs 1 GlBG 44 f. 27 Vgl zu diesem Problem Geiblinger, ASoK 2015, 140 unter Hinweis auf UVS Wien 13.12.2012 UVS-06/22/8000/2013-3, wonach Bilddarstellungen in Stellenausschreibungen, die stark mit dem Attribut der Jugendlichkeit assoziiert werden oder auf denen ausschließlich sehr junge Menschen in einer Arbeitssituation präsentiert werden, unzulässig seien. 28 Vgl für das Geschlecht Geiblinger, ASoK 2015, 140 (140 f).
680
Strafbestimmungen
§ 24
Angaben nicht aufnimmt, ist auf Antrag eines/einer Stellenwerbers/ Stellenwerberin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin beim ersten Verstoß von der Bezirksverwaltungsbehörde zu ermahnen und bei weiteren Verstößen mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen. (3) Wer als Arbeitgeber/in 1. entgegen den Bestimmungen des § 23 Abs. 1 einen Arbeitsplatz in diskriminierender Weise ausschreibt oder 2. entgegen den Bestimmungen des § 23 Abs. 2 in die Stellenausschreibung die darin angeführten Angaben nicht aufnimmt, ist auf Antrag eines/einer Stellenwerbers/Stellenwerberin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin beim ersten Verstoß von der Bezirksverwaltungsbehörde zu ermahnen und bei weiteren Verstößen mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen. (4) In einem auf Antrag des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt oder des/der Regionalanwalts/Regionalanwältin eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren ist diese/r Partei. Dem/der Anwalt/Anwältin oder dem/der Regionalanwalt/ Regionalanwältin steht das Recht auf Beschwerde gegen Bescheide und Einspruch gegen Strafverfügungen zu. § 24 regelt die § 10 nachgebildeten Strafsanktionen sowie die Parteistel- 1 lung des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt oder eines/einer Regionalvertreters/Regionalvertreterin in dem auf seinen/ihren Antrag eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren sowie das Recht auf sowie Einspruch gegen Strafverfügungen.
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§§ 25, 26
Kletec�ka / Köck
Entlohnungskriterien § 25. Betriebliche Einstufungsregelungen und Normen der kollek-
tiven Rechtsgestaltung haben bei der Regelung der Entlohnungskriterien den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit oder eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, zu beachten und dürfen keine Kriterien vorschreiben, die zu einer Diskriminierung wegen eines in § 17 genannten Grundes führen. 1 Diese Bestimmung entspricht § 11. Vgl daher den Komm zu § 11. Es handelt sich dabei um einen Sonderfall der mittelbaren Diskriminierung, der in keinem direkten Verhältnis zum Arbeitsvertrag steht. Mit dieser Bestimmung soll eine Verdeutlichung des Diskriminierungsverbotes bei der Entgeltfestsetzung durch KollV oder BV herbeigeführt werden.1 Aufgrund der umfassenden Bindung der Kollektivvertragsund Betriebsvereinbarungsparteien an das GlBG2 würde dieser Zweck auch durch § 17 Abs 1 Z 2 (Gleichbehandlung bei der Festsetzung des Entgelts) erreicht, es handelt sich daher wohl um eine Klarstellung.3
Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehand lungsgebotes § 26. (1) Ist das Arbeitsverhältnis wegen Verletzung des Gleichbe-
handlungsgebotes des § 17 Abs. 1 Z 1 nicht begründet worden, so ist der/die Arbeitgeber/in gegenüber dem/der Stellenwerber/in zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. Der Ersatzanspruch beträgt 1. mindestens zwei Monatsentgelte, wenn der/die Stellenwerber/in bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte, oder 2. bis 500 Euro, wenn der/die Arbeitgeber/in nachweisen kann, dass der einem/einer Stellenwerber/in durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird. 1 ErlRV 307 BlgNR 22. GP 17. 2 OGH 25.6.2007, 9 ObA 48/06h. 3 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 25 Rz 1 f.
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Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes
§ 26
(2) Erhält ein/e Arbeitnehmer/in wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 17 Abs. 1 Z 2 durch den/die Arbeitgeber/ in für gleiche Arbeit oder für eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, ein geringeres Entgelt als ein/e Arbeitnehmer/in, bei dem/der eine Diskriminierung wegen eines in § 17 genannten Grundes nicht erfolgt, so hat er/sie gegenüber dem/der Arbeitgeber/in Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (3) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 17 Abs. 1 Z 3 hat der/die Arbeitnehmer/in Anspruch auf Gewährung der betreffenden Sozialleistung oder Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (4) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 17 Abs. 1 Z 4 hat der/die Arbeitnehmer/in Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechenden betrieblichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (5) Ist ein/e Arbeitnehmer/in wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 17 Abs. 1 Z 5 nicht beruflich aufgestiegen, so ist der/die Arbeitgeber/in gegenüber dem/der Arbeitnehmer/in zum Ersatz des Vermögensschadens und zu einer Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung verpflichtet. Der Ersatzanspruch beträgt, 1. die Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate, wenn der/ die Arbeitnehmer/in bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufgestiegen wäre, oder 2. bis 500 Euro, wenn der/die Arbeitgeber/in nachweisen kann, dass der einem/einer Arbeitnehmer/in durch die Diskriminierung entstandene Schaden nur darin besteht, dass die Berücksichtigung seiner/ihrer Bewerbung verweigert wird. (6) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 17 Abs. 1 Z 6 hat der/die Arbeitnehmer/in Anspruch auf Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen wie ein/e Arbeitnehmer/in, bei dem/der eine Diskriminierung wegen eines in § 17 genannten Grundes nicht erfolgt, oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (7) Ist das Arbeitsverhältnis vom/von der Arbeitgeber/Arbeitgeberin wegen eines in § 17 genannten Grundes oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach 683
§ 26
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diesem Gesetz gekündigt oder vorzeitig beendigt worden oder ist das Probearbeitsverhältnis wegen eines solchen Grundes aufgelöst worden (§ 17 Abs. 1 Z 7), so kann die Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses bei Gericht angefochten werden. Ist ein befristetes, auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegtes Arbeitsverhältnis wegen eines in § 17 genannten Grundes oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz durch Zeitablauf beendet worden, so kann auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses geklagt werden. Lässt der/die Arbeitnehmer/in die Beendigung gegen sich gelten, so hat er/sie Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (8) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 18 Z 1 hat die betroffene Person Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechenden Berufsberatungs-, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (9) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 18 Z 2 hat die betroffene Person Anspruch auf Mitgliedschaft und Mitwirkung in der betroffenen Organisation sowie auf Inanspruchnahme der Leistungen der betreffenden Organisation oder Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (10) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 18 Z 3 hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (11) Bei einer Belästigung nach § 21 hat die betroffene Person gegenüber dem/der Belästiger/in und im Fall des § 21 Abs. 1 Z 2 auch gegenüber dem/der Arbeitgeber/in Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens. Soweit der Nachteil nicht nur in einer Vermögenseinbuße besteht, hat die betroffene Person zum Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung Anspruch auf angemessenen, mindestens jedoch auf 1 000 Euro Schadenersatz. (12) Insoweit sich im Streitfall die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 17, 18, oder 21 beruft, hat er/sie diesen glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt es bei Berufung auf §§ 17 oder 18 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der 684
Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes
§ 26
Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne der §§ 19 Abs. 2 oder 20 vorliegt. Bei Berufung auf § 21 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen. (13) Liegt eine Mehrfachdiskriminierung vor, so ist darauf bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung Bedacht zu nehmen. (14) Die Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung ist so zu bemessen, dass dadurch die Beeinträchtigung tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird und die Entschädigung der erlittenen Beeinträchtigung angemessen ist sowie Diskriminierungen verhindert. Die unionsrechtliche Grundlage für § 26 bilden die AR-RL (2000/43/ 1 EG) und die R-GB-RL (2000/78/EG). Die AR-RL betrifft die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Die R-GB-RL bezweckt die Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung (diese wird mit dem GlBG nicht umgesetzt; vgl Einl Rz 17), des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf. Der über die Arbeitswelt hinausgehende Bereich der AR-RL wird mit dem III. Teil des GlBG umgesetzt (zu den Rechtsfolgen siehe §§ 38 ff). Beide RL sind – was den Schadenersatz anbetrifft – auf der älteren Entwicklungsstufe stehen geblieben. Sie schreiben ähnlich wie die alte GlbRL (76/207/ EWG) lediglich vor, dass Vorkehrungen für eine Geltendmachung der Ansprüche aus der RL in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren zu treffen sind (Art 7 AR-RL, Art 9 R-GB-RL). In Übereinstimmung mit der Rsp des Gerichtshofs zur GlbRL aF wird weiters normiert, dass die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen (Art 15 AR-RL, Art 17 R-GB-RL). Anders als bei der Gleichbehandlung der Geschlechter besteht daher 2 hier keine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass den Diskriminierten der ihnen zugefügte Schaden ersetzt wird. Der österr Gesetzgeber hat aber begrüßenswerter Weise hinsichtlich des Schadenersatzes diese Differenzierung der RLen nicht übernommen und den Schadenersatz in § 26 und § 12 gleich ausgestaltet. Aus legistischen Gesichtspunkten hätte 685
§ 27
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man daher besser überhaupt an der Technik der RV4 festgehalten und beide Bereiche in einem Paragraphen geregelt (siehe § 12 Rz 11). Trotz der hinsichtlich des Schadenersatzes differenzierenden RL sind auf Grund des Motives des nationalen Gesetzgebers, beide Bereiche gleich zu behandeln, auch dort keine Unterschiede zu machen, wo die Anordnung eines Ersatzes nach dem Gesetzeswortlaut zweifelhaft ist (zB bei diskriminierungsfreier Ausschreibung, §§ 23 f, siehe § 12 Rz 63). Wegen der Verpflichtung, eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion vorzusehen (Art 15 AR-RL, Art 17 R-GB-RL), folgt dies für die erstmalige diskriminierende Stellenausschreibung durch den AG, für welche § 24 Abs 2 nur eine Verwarnung vorsieht, auch aus einer richtlinienkonformen Interpretation. 3 Für die Kommentierung zu § 26 kann weitestgehend auf jene zu § 12 verwiesen werden. Dies betrifft auch die Gesetzesgenese. Im Zuge der Novelle 2011 wurde auch hier (Abs 11) der einheitliche Mindestersatz in Höhe von damals € 720 eingeführt, der im Zuge der Novelle 2011 auf die einheitlichen € 1.000 für Belästigungen erhöht wurde, sodass seither auch bei diskriminierenden Belästigungen kein Unterschied mehr besteht.
Benachteiligungsverbot § 27. Als Reaktion auf eine Beschwerde darf ein/e Arbeitnehmer/in
durch den/die Arbeitgeber/in innerhalb des betreffenden Unternehmens (Betriebes) oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden. Auch ein/e andere/r Arbeitnehmer/in, der/die als Zeuge/Zeugin oder Auskunftsperson in einem Verfahren auftritt oder eine Beschwerde eines/einer anderen Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin unterstützt, darf als Reaktion auf eine solche Beschwerde oder auf die Einleitung eines solchen Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden. § 26 gilt sinngemäß. 1 Siehe die Kommentierung zu § 13. Der unionsrechtliche Hintergrund liegt in Art 11 R-GB-RL und Art 9 AR-RL, jeweils unter dem Titel der „Viktimisierung“. 4 307 BlgNR 22. GP.
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Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen
§§ 28, 29
Förderungsmaßnahmen § 28. Die Richtlinien über die Vergabe von Förderungen des Bundes
an Unternehmen haben Förderungen nur für Unternehmen vorzusehen, die die Bestimmungen des II. Teils beachten. Vgl die Kommentierung zu § 14.
1
Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen § 29. (1) Ansprüche nach § 26 Abs. 1 und 5 sind binnen sechs Mona-
ten gerichtlich geltend zu machen. Die Frist zur Geltendmachung der Ansprüche nach § 26 Abs. 1 und 5 beginnt mit der Ablehnung der Bewerbung oder Beförderung. Ansprüche nach § 26 Abs. 11 sind binnen eines Jahres gerichtlich geltend zu machen. Für Ansprüche nach § 26 Abs. 2, 3, 4, 6, 8, 9 und 10 gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 1486 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. (1a) Eine Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses gemäß § 26 Abs. 7 ist binnen 14 Tagen ab ihrem Zugang bei Gericht anzufechten; eine Feststellungsklage nach § 26 Abs. 7 zweiter Satz ist binnen 14 Tagen ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf bei Gericht einzubringen. Ansprüche nach § 26 Abs. 7 letzter Satz sind binnen 6 Monaten ab Zugang der Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probearbeitsverhältnisses oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf gerichtlich geltend zu machen. (2) Die Einbringung des Antrages oder das Einlangen eines Verlangens eines Organs der Gleichbehandlungsanwaltschaft auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes oder ein amtswegiges Tätigwerden der Kommission zur Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bewirken die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung. (3) Wird dem/der Arbeitnehmer/in nachweislich 1. ein Prüfungsergebnis der Kommission im Einzelfall oder 2. ein Schreiben der Geschäftsführung der Kommission, aus dem hervorgeht, dass die Voraussetzungen für die Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes im Einzelfall nicht bzw. nicht mehr vorliegen, zugestellt, beendet die Zustellung die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung. Nach der Zustellung steht dem/der 687
§ 29
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Arbeitnehmer/in zur Erhebung der Klage zumindest noch eine Frist von drei Monaten offen. War die ursprüngliche Frist kürzer, so steht dem/der Arbeitnehmer/in nur diese offen. (4) Ansprüche nach § 26, die neben einem in diesem Bundesgesetz erfassten Diskriminierungsgrund auch auf den Diskriminierungsgrund der Behinderung gestützt werden, können nur nach vorheriger Durchführung eines Schlichtungsverfahrens beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen gerichtlich geltend gemacht werden. Für die Geltendmachung dieser Ansprüche gelten die §§ 7k, 7n und 7o Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1970. 1 Siehe die Kommentierung zu § 15. Auf diese kann grundsätzlich zur Gänze verwiesen werden. Der unionsrechtliche Hintergrund ergibt sich hier aus den Art 9 R-GB-RL bzw Art 7 AR-RL, die ihrerseits mit Art 17 GB-RL inhaltsgleich sind. 2 Die in der Stammfassung des GlBG noch enthaltene Abweichung von § 15 dahingehend, dass Ansprüche aus einer Belästigung hier in sechs Monaten verjährten, wurde durch die Novelle 2008 zugunsten der grundsätzlich einheitlichen einjährigen Verjährungsfrist bei Belästigungen aufgegeben; eine der Sonderverjährung in § 15 Abs 1 Satz 3 für sexuelle Belästigung entsprechende längere dreijährige Frist (eingeführt durch die Novelle 2013) besteht hier nicht.1 3 Eine geringfügige terminologische Abweichung gegenüber § 15 ergibt sich auch in Abs 2: Hier wurde die in § 15 Abs 2 durch die Novelle 2013 vorgenommene Vereinfachung, die aus der geänderten Terminologie des GBK/GAW-G resultierte (s dazu § 15 Rz 15) nicht übernommen. Inhaltliche Bedeutung hat diese Abweichung keine.
1 S dazu schon oben § 15 Rz 1 Fn 1 und die rechtspolitische Kritik bei Hopf/ Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 29 Rz 3.
688
Geltungsbereich
§ 30
III. Teil: Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen 1. Abschnitt Geltungsbereich § 30. (1) Für das Merkmal des Geschlechts gelten die Bestimmun-
gen dieses Abschnittes für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, sofern dies in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fällt. (2) Für das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit gelten die Bestimmungen dieses Abschnittes für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, sowie für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses 1. beim Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, 2. bei sozialen Vergünstigungen, 3. bei der Bildung, sofern dies in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fällt. (3) Die Bestimmungen dieses Abschnittes gelten nicht für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung oder für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen im Sinne des Abs. 1, die 1. in den Bereich des Privat- und Familienlebens fallen, 2. den Inhalt von Medien und Werbung betreffen. (4) Soweit für Versicherungsverträge das Versicherungsvertragsgesetz, BGBl. Nr. 2/1959, und das Versicherungsaufsichtsge689
§ 30Lee setz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015, besondere Regelungen enthalten, sind diese anzuwenden. Materialien: Zum GlBG 2004: 307 BlgNR 22. GP; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. RLVorschlag Antirassismus (25.11.99), KOM(1999) 566 endgültig, 1999/0253 (CNS). Zur GlBG-Novelle 2008: 415 BlgNR 23. GP; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (05.11.03), 2003/0265 (CNS). Zur GlBG-Novelle 2011: 938 BlgNR 24. GP; Bericht des Gleichbehandlungsausschusses 1047 BlgNR 24. GP. Zum VersRÄG 2006: 1428 BlgNR 22. GP. Zum VersRÄG 2013: 2005 BlgNR 24. GP. Literatur: Posch in Rebhahn, Kommentar zum Gleichbehandlungsgesetz GlBG und GBK-GAW-G (2005) § 30; Rebhahn, Kommentar zum Gleichbehandlungsgesetz GlBG und GBK-GAW-G (2005); Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit durch reflexiven Diskriminierungsschutz. Autonomie, Freiheit und Gerechtigkeit im Vertragsrecht Englands, Deutschlands und der Europäischen Union1 (2010); Lobinger, Vertragsfreiheit und Diskriminierungsverbote. Privatautonomie im modernen Zivil- und Arbeitsrecht, in Repgen/Hense/Isensee/Lobinger (Hrsg), Vertragsfreiheit und Diskriminierung, Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte (2010) 99–180; Repgen, Antidiskriminierung - Die Totenglocke des Privatrechts läutet, in Repgen/ Hense/Isensee/Lobinger (Hrsg), Vertragsfreiheit und Diskriminierung, Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte (2010) 11–98; Effer-Uhe, Gleichbehandlung in Versicherungsverträgen - zum Urteil des EuGH vom 01.03.2011 in der Rechtssache C-236/09 (Association Test-Achats), in Schulze (Hrsg), Non-discrimination in European private law (2011) 109–129; Leible, Prinzipien und Konzepte des Diskriminierungsschutzes im Europäischen Privatrecht, in Schulze (Hrsg), Non-discrimination in European private law (2011) 27–53; Schulze, Non-discrimination in European private law (2011); Tobler, Case note on Case C-236/09, Test-Achats, Common Market Law Review, 2011, 48; di Torella, Gender equality after Test Achats, ERA Forum, 2012, 13, 59–69; Grünberger, Personale Gleichheit. Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Zivilrecht, Univ. Köln., Habil.-Schr., 20111 (2013); Philipp/ Meier/Apostolovski/Starl/Schmidlechner, Intersektionelle Benachteiligung und Diskriminierung. Soziale Realitäten und Rechtspraxis (2014); Schiek/Mulder, Intersektionelle Diskriminierung und EU-Recht. Eine kritische Reflektion, in Philipp/Meier/Apostolovski/Starl/Schmidlechner (Hrsg), Intersektionelle Benachteiligung und Diskriminierung (2014) 43–72; Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gü-
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Geltungsbereich
§ 30
tern und Dienstleistungen (05.05.15), 2015, COM(2015) 190 final; Mangold, Demokratische Inklusion durch Recht. Antidiskriminierungsrecht als Ermöglichungsbedingung der demokratischen Begegnung von Freien und Gleichen, Habilitationsschrift am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main (2016); Council of the European Union, Progress Report on the Proposal for a Council Directive on implementing the principle of equal treatment between persons irrespective of religion or belief, disability, age or sexual orientation. from the Presidency to the Permanent Representations Committee (Part 1) / Council (01.07.17); Beclin, Gutachtliche Stellungnahme zur Frage der Haftpflichtigen und der Verantwortung für Dritte nach dem III. Teil des GlBG, 2010, https://www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/gutachten-zumgleichbehandlungsrecht (11. 7. 2019); Gantner, Big Data in HealthCare as a driv ing force in progress and Innovation, HealthCare Futurists GmbH, healthcare futurists.com/sites/default/files/Data-Driven%20HealthCare%20-%20Tobi as%20Gantner%20English.pdf (4. 7. 2019); Gerken/Sohn, Gleichbehandlung durch Diskriminierung, Centrum für Europäische Politik, cep.eu/Studien/cepStandpunkt_Unisex-Urteil/cepStandpunkt_Gleichbehandlung_durch_Diskri minierung.pdf (4. 7. 2019); Jisa, Rechtsgutachten. Überlegungen zum Diskriminierungsverbot aus ethnischen Gründen im Rahmen der schulischen (Aus)Bildung unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgesetzes, frauen-familien-jugend. bka.gv.at/frauen/gleichbehandlung/gleichbehandlungs-komissionen/gleichbe handlungskommission/senat-III/gutachten.html (13. 6. 2019); Werberat, EthikKodex der Werbewirtschaft, werberat.at/layout/ETHIK_KODEX_2_2019.pdf (5. 4. 2019); Werberat, Selbstregulierung, werberat.at/entscheidungsgremium. aspx (5. 4. 2019); Holzleithner, Konsum aus Perspektive der Legal Gender Studies, in Heiss/Loacker (Hrsg), Grundfragen des Konsumentenrechts (2020); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021).
Inhaltsübersicht I. Allgemeines................................................................................................... 1 1. Historisches.............................................................................................. 4 2. Systematische Bedeutung...................................................................... 7 II. Geltungsbereich............................................................................................ 12 1. Gemeinsamer Geltungsbereich für die Merkmale Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit........................................................................ 13 2. Engerer Geltungsbereich für das Merkmal Geschlecht.................... 21 3. Weitergehender Geltungsbereich für das Merkmal ethnische Zugehörigkeit.......................................................................................... 26 4. Versicherungsverträge........................................................................... 29
I. Allgemeines Der Teil III regelt die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Ge- 1 schlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in Bereichen außerhalb der Arbeitswelt (zum Geltungsbereich der Arbeitswelt vgl die Ausfüh691
§ 30Lee rungen zu § 1 Rz 19–47). Zu den rechtlichen Vorgaben durch das internationale Recht und das EU-Recht vgl die Ausführungen vor § 1 Rz 3–14 und zu § 16 Rz 3–14. Der UN-Sozialpakt (ICESCR)1 sieht in Art 2 Abs 2 die Gewährleistung der im Sozialpakt vorgesehenen Rechte ohne Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe oder des Geschlechts etc vor; davon sind ua der Zugang zu medizinischer Versorgung (Art 12) und zur Bildung (Art 13) erfasst. Für den Teil III im Besonderen bedeutsam sind etwa die Bestimmungen in der Antirassismus-Konvention (ICERD)2 über den diskriminierungsfreien Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (Art 5 lit e), die ausdrücklich das Recht auf Wohnung (Z iii) und das Recht „auf öffentlichen Gesundheitsschutz, auf ärztliche Betreuung, soziale Sicherheit und Sozialleistung“ (Z iv) erwähnen. Weiters sieht ICERD in Art 5 lit f „das Recht, jeden Ort zu betreten oder jede Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, die für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch bestimmt sind, wie Verkehrsmittel, Hotels, Gaststätten, Kaffeehäuser, Theater und Parks“ vor. Art 13 CEDAW3 regelt die Beseitigung von Diskriminierung von Frauen „in anderen Bereichen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens“ und erwähnt als Beispiele Familienbeihilfen (lit a), die Aufnahme von Bankdarlehen, Hypotheken oder Finanzkrediten (lit b) sowie die Teilnahme an Freizeitbeschäftigungen, Sport und allen Aspekten des kulturellen Lebens (lit c). Art 12 CEDAW sieht den diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsfürsorgediensten, einschließlich der Dienste im Zusammenhang mit der Familienplanung, vor. 2 Die Bestimmungen zur Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt ergingen in Umsetzung der GüterGleichbehandlungs-RL 2004/113/EG4, die auf der Grundlage der Er1 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. UNSozialpakt, ICESCR, BGBl Nr 590/1978. 2 Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung. Antirassismus-Konvention, ICERD, BGBl Nr 377/1972. 3 Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. CEDAW, BGBl Nr 443/1982. 4 Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, Antirassismus-RL 2000/43/EG, ABl L 2000/180, 22.
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Geltungsbereich
§ 30
mächtigungsnorm Art 19 Abs 1 AEUV (vgl Ausführungen vor § 16 Rz 3) erlassen wurde. Ebenfalls auf Grundlage des Art 19 Abs 1 AEUV wurde die Antirassismus-RL 2000/43/EG erlassen, deren Umsetzung im Bereich außerhalb der Arbeitswelt durch Teil III des GlBG erfolgt. Zum Begriff der ethnischen Zugehörigkeit vgl die Ausführungen zu 3 § 17 Rz 7–27 und zum Begriff des Geschlechts vgl die Ausführungen zu § 3 Rz 35–40a.
1. Historisches Auf EU-rechtlicher Ebene wurde mit der Richtlinie 2000/43/EG eine 4 Regelung über die Gleichbehandlung ohne Unterschied der „Rasse oder ethnischen Herkunft“ eingeführt (vgl die Ausführungen vor § 16 Rz 4–5; zu den Begriffen vgl die Ausführungen zu § 17 Rz 7–27). In Umsetzung dieser Vorgaben wurde mit dem GlBG 20045 in Teil III ein Abschnitt eingeführt, der die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen regelte. Die Gleichbehandlung im Bereich der Arbeitswelt wird in Teil II geregelt. Mit der Richtlinie 2004/113/EG wurde das Verbot der Diskriminie- 5 rung aufgrund des Geschlechts im Zusammenhang mit der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen eingeführt. Dieses wurde mit der Gesetzesnovelle 20086 als Teil IIIa mit den §§ 40a bis 40h in innerösterreichisches Recht umgesetzt. Anlässlich der Gesetzesnovelle 20117 wurden die seinerzeitigen Teile III und IIIa unter dem jetzigen Teil III konsolidiert. Die EU-rechtlichen Vorgaben in den Richtlinien 2000/43/ EG und 2004/113/EG wurde in weiten Teilen wörtlich übernommen. Die Regierungsvorlage zur Gesetzesnovelle 2011 enthielt den Vor- 6 schlag, den persönlichen Geltungsbereich des neuen Teil III auf die übrigen persönlichen Merkmale Religion und Weltanschauung, Alter und
5 BGBl I Nr 66/2004. 6 Bundesgesetz mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden. GlBG Novelle 2008, BGBl I 2008/98. 7 Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden. GlBG-Novelle 2011, BGBl I Nr 7/2011.
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§ 30Lee sexuelle Orientierung zu erweitern.8 Die Gesetzesnovelle wurde jedoch schließlich ohne diese Erweiterung beschlossen. Dies wurde damit begründet, dass es auch auf EU-Ebene noch keinen Konsens über eine solche Ausweitung des Diskriminierungsschutzes gibt9. Zu dem Zeitpunkt lag bereits ein Kommissions-Vorschlag von 2008 für eine Richtlinie vor, die eben eine solche Erweiterung der Diskriminierungsverbote außerhalb der Arbeitswelt auf die übrigen persönlichen Merkmale vorsah. Mangels eines Konsenses wurde diese bisher jedoch noch nicht verabschiedet.10
2. Systematische Bedeutung 7 Gegen den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz allgemein wird die Fundamentalkritik geäußert, dass diese einen massiven Eingriff in die Privatautonomie darstelle. Den Einzelnen sollte es unbenommen sein, beim Abschluss von Verträgen frei zu bestimmen, mit wem sie eine Vertragsbeziehung eingehen wollen oder eben nicht.11 Die Verfolgung von verteilungs- und integrationspolitischer Ziele sei dem Privatrecht fremd.12 (vgl in der Einleitung § Rz 40–41)
8 Regierungsvorlage zur GlBG-Novelle 2011, 938 BlgNR 24. GP. 9 Vgl Bericht des Gleichbehandlungsausschusses zur GlBG-Novelle 2011, 1047 BlgNR 24. GP. 10 Council of the European Union, Progress Report on the Proposal for a Council Directive on implementing the principle of equal treatment between persons irrespective of religion or belief, disability, age or sexual orientation. from the Presidency to the Permanent Representations Committee (Part 1) / Council (01.07.17), Interinstitutional File 2008/0140 (CNS). 11 Repgen etwa hört mit dem Antidiskriminierungsrecht die Totenglocke des Privatrechts läuten und spricht von „‚Folterinstrumenten‘ der Antidiskriminierungsverfechter“; Repgen, Antidiskriminierung – Die Totenglocke des Privatrechts läutet, in Repgen/Hense/Isensee/Lobinger (Hrsg), Vertragsfreiheit und Diskriminierung, Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte (2010) 11–98 (81) Für eine Zusammenfassung der Kritik siehe Leible, Prinzipien und Konzepte des Diskriminierungsschutzes im Europäischen Privatrecht, in Schulze (Hrsg), Nondiscrimination in European private law (2011) 27–53 (28). 12 Lobinger, Vertragsfreiheit und Diskriminierungsverbote, in Repgen/Hense/ Isensee/Lobinger (Hrsg), Vertragsfreiheit und Diskriminierung, Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte (2010) 99–180 (153).
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§ 30
In Bezug auf die Merkmale Geschlecht und Behinderung in der Ar- 8 beitswelt wird selbst von Gegnern des Antidiskriminierungsrechts (teilweise) zugestanden, dass andere Mittel wie etwa der Abbau von Vorurteilen, staatliche Unterstützungs-, Ausgleichs- und Anreizsysteme nicht zur Kompensation der Benachteiligungen ausreichen würden.13 In diesem begrenzten Rahmen lassen sich also auch für Kritiker Diskriminierungsverbote als gerechtfertigt denkbar erscheinen. Mit dem GlBG 200414 wurde jedoch in Umsetzung der Antirassismus-RL 2000/43/EG15 der Diskriminierungsschutz für das Merkmal ethnische Herkunft sogar auf Bereiche außerhalb der Arbeitswelt ausgeweitet. Für das Merkmal Geschlecht erfolgte dies mit der Gesetzesnovelle 2008 (BGBl I Nr 98/2008) in Umsetzung der RL 2004/113/EG.16 Gegen diesen Vorwurf ist zu beachten, dass es dem Privatrecht keines- 9 wegs fremd ist, der Privatautonomie Schranken zu setzen, so etwa im Konsumentenschutzrecht, Mietrecht, Erbrecht, Wettbewerbsrecht etc. Dementsprechend hat Lauber etwa darauf hingewiesen, dass ein Verständnis von Vertragsfreiheit allein als „negatives Freiheitsrecht und als Abwehrrecht gegenüber dem Staat zu eng und informationsarm ist.“17 Sie bezeichnet die Vertragsfreiheit als „immanent gebundene Freiheit“, deren „Ausübung mit der Ausübung der Vertragsfreiheit des anderen zusammenpassen muss.“18 Gemeint ist damit, dass Diskriminierungsverbote Angehörigen traditionell benachteiligter Gruppen erst eine Auswahl an Handlungsmöglichkeiten eröffnet, wodurch man erst von Vertragsfreiheit sprechen kann. Weiters hat Grünberger aus den zahlreichen Gleichbehandlungsgeboten des Privatrechts einen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz im Privatrecht abgeleitet, „nach dem ein Privatrechtssubjekt die Ungleichbehandlung einer anderen Person grundsätzlich mit sachlichen 13 Siehe Lobinger in Repgen/ Hense/ Isensee/ Lobinger, 159. 14 BGBl I Nr 66/2004. 15 Antirassismus-RL 2000/43/EG. 16 Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, Güter-Gleichbehandlungs-RL 2004/113/EG, Abl L 2004/373, 37. 17 Lauber, Paritätische Vertragsfreiheit durch reflexiven Diskriminierungsschutz. Autonomie, Freiheit und Gerechtigkeit im Vertragsrecht Englands, Deutschlands und der Europäischen Union1 (2010) 95. 18 Lauber (2010), 98.
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§ 30Lee Gründen zu rechtfertigen hat (allgemeines Gleichbehandlungsgebot) und bestimmte Gründe eine Ungleichbehandlung grundsätzlich nicht rechtfertigen können (Diskriminierungsverbot).“19 Mangold wiederum weist ebenfalls darauf hin, dass „in allen Privatrechtsordnungen verschiedenste Formen von Beschränkungen und Vorgaben bis hin zu Kontrahierungszwängen bekannt“ seien und eine vollkommen ungebundene und unbeschränkte Vertragsfreiheit gar nie existiert habe.20 Die demokratische Verfassungsordnung setze ein Antidiskrimnierungsrecht voraus, dass privatautonome Handlungen beschränken könne, wobei die Bindung an die Diskriminierungsverbote umso strenger sei, je öffentlicher eine privatautonome Handlung ist. In die öffentliche Sphäre fallen demnach die Teilnahme am allgemeinen Marktgeschehen, „weil hier demokratische Öffentlichkeit stattfindet und die Zulassung von Diskriminierung gerade aufgrund der Öffentlichkeit besonders weitreichende Wirkungen hat.“21 10 In diesem Sinne verweist Erwägungsgrund Nr 12 der RL 2000/43/EG auf die Bedeutung der Teilhabe für eine demokratische und tolerante Gesellschaft hin. Die Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der ethnischen Herkunft sollte „über die Gewährleistung des Zugangs zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit hinausgehen und auch Aspekte wie Bildung, Sozialschutz, einschließlich sozialer Sicherheit und der Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen mit abdecken.“ Für das Merkmal Geschlecht stellen die Erwägungsgründe Nr 9 und 10 der RL 2004/113/EG fest, dass Diskriminierungen außerhalb des Arbeitsmarktes „dieselben negativen Auswirkungen haben und ein Hindernis für eine vollständige, erfolgreiche Eingliederung von Männern und Frauen in das wirtschaftliche und soziale Leben darstellen.“ 11 Auf EU-Ebene werden außerhalb der Arbeitswelt lediglich die persönlichen Merkmale ethnische Herkunft, Geschlecht und Behinderung22 19 Grünberger, Personale Gleichheit. Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Zivilrecht, Univ Köln., Habil-Schr, 20111 (2013) 749. 20 Mangold, Demokratische Inklusion durch Recht. Antidiskriminierungsrecht als Ermöglichungsbedingung der demokratischen Begegnung von Freien und Gleichen, Habilitationsschrift am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main (2016) 146; vgl auch Leible in Schulze. 21 Mangold (2016), 309–310. 22 Vgl die am 27.6.209 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefrei-
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vor Diskriminierung geschützt; die anderen Merkmale Religion und Weltanschauung, Alter und sexuelle Orientierung hingegen nicht. Auf nationaler österreichischer Bundesebene wird zumindest für das Merkmal Behinderung durch das BGStG die Gleichbehandlung beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geregelt, sofern die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes gegeben ist. Dort, wo diese nicht gegeben ist, ist auf die jeweiligen Landesgesetze zu verweisen. Der mangelnde Konsens auf EU-Ebene über eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes für diese Merkmale auf den Bereich außerhalb der Arbeitswelt wurde auf Bundes-Ebene als Begründung genommen, die anfangs im Rahmen der Gesetzesnovelle 2011 angedachte Erweiterung des Geltungsbereichs im innerösterreichischen Recht doch nicht zu realisieren (vgl oben Rz 6). Schiek und Mulder sprechen daher von „Hierarchien zwischen den einzelnen Diskriminierungs gründen“.23 Auch zwischen der Antirassismus-RL 2000/43/EG und der Güter-Gleichbehandlungs-RL 2004/113/EG sowie in deren österreichischen Umsetzung besteht insofern eine Art Hierarchie des Schutzes, als der sachliche Geltungsbereich für das Merkmal ethnische Zugehörigkeit weiter gefasst ist als für das Merkmal Geschlecht (vgl unten Rz 21–25).
II. Geltungsbereich So wie auch die Teile I und II des GlBG, gilt der 1. Abschnitt des Teil 12 III für jene Materien, die in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fallen. Für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern siehe Art 10ff B-VG.
heitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, die von den Mitgliedstaaten bis 28.6.2022 durch Erlass der entsprechenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften umzusetzen und ab 28.6.2025 anzuwenden ist. Diese Richtlinie dient der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen. 23 Schiek/Mulder, Intersektionelle Diskriminierung und EU-Recht, in Philipp/ Meier/Apostolovski/Starl/Schmidlechner (Hrsg), Intersektionelle Benachteiligung und Diskriminierung. Soziale Realitäten und Rechtspraxis (2014) 43– 72 (65).
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§ 30Lee 1. Gemeinsamer Geltungsbereich für die Merkmale Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit 13 Teil III regelt das Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich der persönlichen Merkmale Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit. Zum Merkmal Geschlecht vgl die Ausführungen zu § 3 Rz 35–40a und zum Merkmal ethnische Zugehörigkeit vgl die Ausführungen zu § 17 Rz 7–27. 14 Gemeinsam ist den Merkmalen Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit der sachliche Geltungsbereich des Zugangs zu Gütern und Dienstleistungen. Jedenfalls geschützt sind also KonsumentInnen, die Güter und Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchten. Etwas missverständlich ist der Hinweis in den Gesetzesmaterialien, dass die Merkmale „keine Rolle spielen dürfen bei Entscheidungen über den Zugang zu Waren und Dienstleistungen oder darüber, ob eine Person als Anbieter von Waren und Dienstleistungen auftreten darf.“24 Der Wortlaut von Art 1 RL 2004/113/EG und Art 3 Abs 1 lit h RL 2000/43/EG („Diskriminierungen beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“) könnte ebenfalls dahingehend verstanden werden, dass auch AnbieterInnen von Gütern und Dienstleistungen vor Diskriminierungen geschützt sein sollen. Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut des Art 3 RL 2004/113/EG25 bzw § 30 Abs 1 und 2, dass die Diskriminierungsverbote für AnbieterInnen von Gütern und Dienstleistungen gelten (dh diese sind Normadressaten).26 Nicht geschützt in Teil III werden Personen, die Güter und Dienstleistungen im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit anbieten möchten; diese fallen gegebenenfalls in den Geltungsbereich von Teil I mit dem Merkmal Geschlecht (§§ 1 Abs 3, 3 und 427) bzw Teil II mit dem Merkmal ethnische Zugehörigkeit (§16 Z 4). Als LeistungsbezieherInnen 24 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. RL-Vorschlag Antirassismus (25.11.99), KOM(1999) 566 endgültig, 1999/0253 (CNS), 9; Erläuterungen zur Regierungsvorlage, ErlRV 307 BlgNR 22. GP, Regierungsvorlage zu GlBG 2004, 21. 25 „gilt diese Richtlinie für alle Personen, die Güter und Dienstleistungen bereitstellen …“ 26 Vgl Beclin, Gutachtliche Stellungnahme zur Frage der Haftpflichtigen und der Verantwortung für Dritte nach dem III. Teil des GlBG vom zu, 11. 27 In Umsetzung von Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit
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können auch Selbständige vor Diskriminierungen unter dem III. Teil geschützt sein, zB wenn eine Taxifahrerin einen Automechaniker mit der Reparatur ihres Autos beauftragen möchte. In den Geltungsbereich fallen Handlungen im Verhältnis zwischen 15 LeistungsanbieterInnen und LeistungsbezieherInnen. Dabei müssen sich LeistungsanbieterInnen das Verhalten ihrer Gehilfen nach den Regeln der Gehilfenhaftung (§§ 1313a–1315 ABGB) anrechnen lassen.28 Siehe die Ausführungen zu § 31 Rz 16–17. Nicht abschließend geklärt ist auch die Frage nach der Haftung Dritter für Handlungen, die sie im Zusammenhang mit dem Zugang zu Leistungen setzen, wie etwa im Falle von Belästigungen durch andere KundInnen. Siehe die Ausführungen zu § 31 Rz 5. Güter sind im Sinne der Bestimmungen der EU–Verträge über den 16 freien Warenverkehr zu verstehen (Erwägungsgrund 11 der RL 2004/113/EG). Güter sind alles, was einen Geldwert hat und Gegenstand von Handelsgeschäften sein kann.29 Dienstleistungen sind im Sinne von Art 57 AEUV zu verstehen (Erwägungsgrund 11 der RL 2004/113/EG). Art 57 AEUV definiert Dienstleistungen als: „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen.“30 Dh jede Leistung, mit der der Erbringer am Wirtschaftsleben teilnimmt, kann eine Dienstleistung im Sinne dieses Teil III darstellen. Darunter fallen beispielsweise gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeiten. Die Erläuterungen zum Kommissionsvorschlag zur RL 2004/113/ EG nennt als Beispiele für Güter und Dienstleistungen den Zugang zu Gebäuden, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, alle Arten von Wohnungen, einschließlich Mietwohnungen und Hotelunterkünfte, Dienstleistungen in den Bereichen Banken, Versicherungen und sonstige Fiausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates, Selbständige-RL 2010/41/EU, ABl L 2010/180, 1. 28 Im Ergebnis dementsprechend auch die GBK; vgl GBK, Wohnungsvermietung „keine Ausländer“, 4; 2006, GBK III/8, Gemüsestand 2006, 9. 29 Vgl EuGH 10.12.1968, RS 7/68, Kommission v. Italien, 642. 30 EuGH 11.4.2000, C-51/96, C-191/97, Christelle Deliège gegen Ligue francophone de judo et disciplines associées ASBL, Ligue belge de judo ASBL, Union européenne de judo (C-51/96) und François Pacquée (C-191/97), Rz 55.
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§ 30Lee nanzdienstleistungen, Transportmittel und Dienstleistungen sämtlicher Berufssparten und Branchen.31 Unter den Begriff der Dienstleistung fallen beispielsweise die Vermittlung von nicht berufsmäßigen FahrerInnen mit Personen, die innerstädtische Wegstrecken zurücklegen möchten über ein SoftwareTool (Interface);32 der Spitzensport sowie die Organisation von Spitzensport durch Sportverbände grundsätzlich Dienstleistungen;33 oder Tätigkeiten von Mitgliedern einer religiösen/weltanschaulichen Gemeinschaft im Gegenzug für Kost, Logis und Taschengeld eine Dienstleistung.34 Die Dienstleistung muss nicht unbedingt von der Person bezahlt werden, der sie zugutekommt.35 Weitere Beispiele für Güter und Dienstleistungen wären Restaurants, Kaffeehäuser, Fitnesscenter, Diskotheken, Hotels, Geschäfte, Finanzdienstleistungen von Banken oder Versicherungen etc. Nicht darunter fällt die Ausstellung von Personenstandsurkunden durch staatliche Behörden.36 Erfasst ist grundsätzlich auch Wohnraum (Art 3 Abs 1 lit h RL 2000/43/EG und implizit Erwägungsgrund 16 RL 2004/113/ EG). Mit der GlBG-Novelle 201137 wurde zur Klarstellung der Wortlaut „einschließlich Wohnraum“ aufgenommen (Abs 1 und 2). 17 Auch Gesundheitsdienstleistungen fallen grundsätzlich unter den gegenständlichen Begriff der Dienstleistungen.38 Allerdings ist für das 31 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (05.11.03), 2003/0265 (CNS), 15–16. 32 Vgl EuGH 20.12.2017, C-434/15, Asociación Profesional Elite Taxi v. Uber Systems Spain SL. 33 EuGH, C-51/96, C-191/97, Deliége, 46 und 56. 34 EuGH 5.10.1988, Rs 196/87, Udo Steymann vs Staatssecretaris van Justitie, 12. 35 EuGH 12.7.2001, C-157/99, B.S.M. Smits, verheiratete Geraets, vs Stichting Ziekenfonds VGZ und H.T.M. Peerbooms vs Stichting CZ Groep Zorgverzekeringen, Rz 57; 26.4.1988, Rs 352/85, Bond van Adverteerders und andere v. Niederländischer Staat, Rz 16. 36 EuGH 12.5.2011, C-391/09, Malgožata Runevič-Vardyn und Łukasz Paweł Wardyn v. Vilniaus miesto savivaldybės administracija und andere, Rz 45–48. 37 BGBl I Nr 7/2011. 38 Vgl GBK Jänner 2016, GBK III/178/15, Gipsraum, wobei in dem konkreten Fall eine Diskriminierungs aufgrund der ethnischen Herkunft von der GBK verneint wurde.
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persönliche Merkmal Geschlecht zu beachten, dass solche Leistungen, die in den Bereich der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit fallen, nicht von der RL 2004/113/EG und auch nicht vom III. Teil des GlBG erfasst sind (Abs 1, vgl auch unten Rz 26–27 zum Sozialschutz). Stattdessen werden diese Bereiche von der Richtlinie 79/7/EWG zur Geschlechtergleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit39 erfasst40 und fallen außerhalb des sachlichen Geltungsbereichs des GlBG. Die Diskriminierungsverbote gelten irrespektive der rechtlichen Aus- 18 gestaltung, dh unabhängig davon, ob es sich um ein öffentlich-rechtliches oder privatrechtliches Verhältnis handelt. Sie gelten für deren Anbahnung und Begründung, zB Einlass in Diskotheken, Aufenthalt und Konsumation in Gastronomiebetrieben, Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, Hotelübernachtungen, Eröffnung eines Girokontos bei einer Bank, Kurse, Wohnungsmiete, Wohnungskauf etc. Sie gelten auch außerhalb von Rechtsverhältnissen bei der Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen, zB öffentlich zugängliche Gebäude, Benützung von Toilettenanlagen in öffentlichen Gebäuden. Die Güter und Dienstleistungen müssen „der Öffentlichkeit zur Ver- 19 fügung stehen“, dh an einen unbestimmten Adressatenkreis gerichtet sein.41 Dies ist etwa bei öffentlichen Inseraten in Zeitungen oder Internet-Plattformen der Fall. Die in einem Fall geübte Praxis, dass VormieterInnen ihre NachmieterIn vermitteln konnten, wurde von der GBK als ein an die Öffentlichkeit gerichtetes Angebot von Wohnraum aufgefasst. In dem Fall wurde die Wohnung zunächst im Bekanntenkreis der Vormieterin und in der Folge über ein ÖH-Inserat durch die Vormieterin angeboten.42 Bei der Auslegung, was nicht mehr als öffentliche Zurverfügungstellung gilt, ist zu beachten, dass Ausnahmen vom individuellen Recht 39 Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, Soziale Sicherheit RL 79/7/EWG. 40 Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (05.05.15), 2015, COM(2015) 190 final, 4. 41 Erläuterungen zur Regierungsvorlage (9), 415 BlgNR 23. GP. 42 GBK, Wohnungsvermietung, 7.
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§ 30Lee auf Gleichbehandlung eng auszulegen sind.43 Daher wäre zB das Anbieten von Gegenständen durch MitarbeiterInnen eines größeren Unternehmens auf einem internen „schwarzen Brett“ mE jedenfalls von den Diskriminierungsverboten erfasst. Wenn hingegen eine Person privat im engeren Freundes- oder Familienkreis eine Leistung anbietet, wäre dies nicht vom Geltungsbereich erfasst, weil der Personenkreis ein begrenzter wäre. Posch weist darauf hin, dass ein diskriminierendes Angebot im Freundeskreis unwahrscheinlich wäre, weil das Angebot an den bestimmen Freundeskreis „selbst“ erfolgen müsste und es aber dadurch sinnlos wäre, weil man ja weiß, dass es im Freundeskreis keine Angehörigen ethnischer Minderheiten gibt bzw so es sie gäbe, eine diskriminierende Einschränkung zweifelhaft wäre.44 Ein mE dennoch denkbares Beispiel wäre, dass eine Person im Familienkreis ihr gebrauchtes Auto zum Kauf anbietet mit dem Zusatz, dass dies nicht für den einen Schwager gelte aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit. 20 Für das Merkmal Geschlecht wurde diese Ausnahme vom Gleichbehandlungsgebot für den Bereich des Privat- und Familienlebens in Abs 3 Z 1 explizit ausformuliert. Die Europäische Kommission spricht von Situationen, in denen sich die Nähe zur Privatsphäre der Person, die Güter oder Dienstleistungen anbietet, stärker auf die Wahl des Vertragspartners auswirkt als die üblichen wirtschaftlichen Erwägungen.45 Beispiele sind die Vermietung einer Ferienwohnung an ein Familienmitglied oder die Überlassung privaten Wohnraums (vgl Ausführungen zu § 36 Rz 6).46
2. Engerer Geltungsbereich für das Merkmal Geschlecht 21 Das Diskriminierungsverbot aufgrund des Merkmals Geschlecht gilt ausdrücklich nicht in Bezug auf den Inhalt von Medien und Werbung (§ 30 Abs 3 Z 2; siehe auch Art 3 Abs 3 RL 2004/113/EG). Im Kommissionsvorschlag zur RL 2004/113/EG wird dies mit der Vermeidung ei43 Vgl EuGH 17.10.1995, C-450/93, Kalanke v. Freie Hansestadt Bremen, Rz 21; Hopf-Mayr-Eichinger in Hopf/Mayr/Eichinger, Gleichbehandlungsgesetz (2009) § 30 Rz 11. 44 Posch in Rebhahn, Kommentar zum Gleichbehandlungsgesetz GlBG und GBK-GAW-G (2005) § 30 Rz 24. 45 Europäische Kommission, Bericht, 4–5. 46 Europäische Kommission, Vorschlag für RL 2004/113, 15.
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nes Konflikts mit anderen Grundfreiheiten wie der Pressfreiheit und Pluralität der Medien erklärt.47 Eine solche Ausnahme findet sich für das Merkmal ethnische Herkunft nicht. Impliziert ist dadurch eine Hierarchie der Merkmale ethnische Herkunft und Geschlecht, wobei das Merkmal ethnische Herkunft in den Genuss eines stärkeren Diskriminierungsschutzes kommt. Damit hat der Gesetzgeber die klare Zielsetzung der Geschlechtergleichheit in zahlreichen primärrechtlichen Bestimmungen der EU (Art 2 EUV, Art 3 Abs 3 Satz 2 EUV, Art 8 AEUV, Art 10 AEUV) und den Gleichstellungsauftrag an die Organe und Institutionen der EU und der Mitgliedstaaten (Art 21 EGRC, Art 23 EGRC) verfehlt. Dem österreichischen Gesetzgeber wäre es unbenommen gewesen, einen über die RL 2004/113/EG weitergehenden Diskriminierungsschutz zu gewähren (Art 7 Abs 1 RL 2004/113/EG); der verfassungsrechtliche Auftrag befindet sich in Art 7 Abs 1 und 2 B-VG. Der Senat III der Gleichbehandlungskommission (GBK), der zur Prü- 22 fung von Beschwerden über Diskriminierungen zuständig ist, die in den Teil III des GlBG fallen, legte im Pokerturnier-Fall Abs 3 Z 2 derart aus, dass die in Werbeprospekten getätigte Ankündigung einer Diskriminierung (freier Eintritt und gratis-Prosecco nur für Frauen) von dieser Ausnahme erfasst sei. Angesichts der EuGH-Entscheidung in Feryn ist allerdings mE fraglich, ob eine derart weite Auslegung dieser Ausnahmebestimmung angemessen ist (vgl Ausführungen zu § 32 Rz 6–9). Schutz gegen geschlechterdiskriminierende Inhalte von Medien und 23 Werbung bieten lediglich das ORF-Gesetz48 und das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz49, die Grundsätze der inhaltlichen Programmgestaltung50 sowie inhaltliche Anforderungen an kommerzielle Kom47 Europäische Kommission, Vorschlag für RL 2004/113, 16. 48 Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk. (ORF-Gesetz, ORFG), BGBl Nr 379/1984. 49 Bundesgesetz über audiovisuelle Mediendienste. (Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz – AMD-G), BGBl I Nr 84/2001. 50 § 10 Abs 1 ORF-Gesetz: „Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten“, und Abs 2: „Die Sendungen dürfen nicht zu Hass auf Grund von Rasse, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion und Nationalität aufreizen“. Ähnlich § 30 Abs 1 AMD-G: „Audiovisuelle Mediendienste müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren
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§ 30Lee munikationen51 enthalten. Ein beschränkter Schutz besteht in solchen Fällen, wo Betroffene im Zusammenhang mit dem Zugang zu Gütern und Dienstleistungen geschlechterdiskriminierenden Inhalten ausgesetzt werden. Dies kann als Belästigung und somit als Diskriminierung geltend gemacht werden (vgl Ausführungen zu § 35). 24 Ansonsten besteht gegen geschlechterdiskriminierende Inhalte in Medien und Werbung lediglich die Möglichkeit, eine Beschwerde beim österreichischen Werberat einzubringen. Der Werberat ist eine Einrichtung zur Selbstregulierung der Werbewirtschaft (Medien, Agenturen, Auftraggeber) und besteht aus Vertretern der Werbebranche und Fachpersonen aus anderen Disziplinen und Spezialgebieten (Anwälte, Mediziner und Psychologen).52 Der Werberat entscheidet auf Grundlage des Ethik-Kodex der Werbewirtschaft, der in Pkt 1.1 den Schutz der Menschenwürde und in Pkt 1.2 ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts enthält.53 In seinen Entscheidungen kann der Werberat dazu auffordern, dass die diskriminierende Werbung gestoppt wird bzw dass in Hinkunft sensibler vorgegangen werden sollte. Diese Entscheidungen sind jedoch nicht rechtsverbindlich, stellen lediglich „soft law“ dar und bieten keinen Schadenersatz für die Betroffenen oder finanzielle Sanktionen. Holzleithner berichtet, dass der Antisexismusbeirat, der dem Werberat 2011 zur Seite gestellt wurde zurzeit mangels Finanzierung nicht aktiv ist.54 Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten“, und Abs 2: „Audiovisuelle Mediendienste dürfen nicht zu Hass auf Grund von Rasse, Geschlecht, Religion, Behinderung und Nationalität aufreizen.“ 51 § 13 Abs 3 ORF-Gesetz: „Kommerzielle Kommunikation darf nicht […] 2. Diskriminierungen nach Rasse oder ethnischer Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion oder Glauben oder Staatsangehörigkeit oder sexueller Ausrichtung enthalten“. Ähnlich § 31 AMD-G Abs 3: „Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht 1. die Menschenwürde verletzen, 2. Diskriminierungen nach Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Nationalität, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung enthalten oder fördern“. 52 Werberat, Selbstregulierung, werberat.at/entscheidungsgremium.aspx (5.4.2019). 53 Werberat, Ethik-Kodex der Werbewirtschaft, werberat.at/layout/ETHIK_ KODEX_2_2019.pdf (5.4.2019). 54 Stand Juli 2019; Holzleithner, Konsum aus Perspektive der Legal Gender Studies, in Heiss/Loacker (Hrsg), Grundfragen des Konsumentenrechts (1.40 FN 148).
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Der Bereich der Bildung ist durch Art 3 Abs 3 RL 2004/113/EG eben- 25 falls aus dem sachlichen Geltungsbereich für das Merkmal Geschlecht ausgenommen. Im GlBG ergibt sich der Ausschluss des Bereichs Bildung für das Merkmal Geschlecht aus dem Wortlaut von § 30 Abs 3 und va § 31 Abs 3, der für das Merkmal ethnische Zugehörigkeit „darüberhinaus“ die Diskriminierung bei der Bildung verbietet.
3. Weitergehender Geltungsbereich für das Merkmal ethnische Zugehörigkeit Für das Merkmal ethnische Zugehörigkeit ist der Geltungsbereich mit 26 Abs 2 Z 1–3 weiter definiert. Die darin genannten Bereiche des Sozialschutzes, der sozialen Vergünstigungen und der Bildung fallen zwar eindeutig in die alleinige Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten, doch wird durch das Unionsrecht gefordert, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass es in diesen Bereichen nicht zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit kommt. Zum Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, des Z 1 findet sich in den Gesetzesmaterialien die Aussage, dass sich dieser auf Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme beziehe, deren Leistung nicht Entgelt umfasse, und auf Vergünstigungen des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben.55 Die Einschränkung auf nicht-monetäre Leistungen wurde allerdings nicht in den Wortlaut des Gesetzes übernommen und würde überdies der Ausgestaltung und Zwecksetzung vieler Sozialleistungen widersprechen. Der EuGH hat zumindest nicht ausgeschlossen, dass ein Wohn geld,56 eine Fahrpreisermäßgigung für Studierende57grundsätzlich unter den Begriff der „sozialen Sicherheit, Sozialhilfe und Sozialschutz“ fallen könnte. Unter den Sozialschutz fallen zB Mutterschaftsbeihilfen.58 Man beachte, dass im Zusammenhang mit dem Verbot der rassistischen Diskriminierung eine exakte Unterscheidung zwischen Sozialschutz bzw sozialer Sicherheit einerseits und sozialer Vergünstigung 55 ErlRV 307 BlgNR 22. GP, 21. 56 In dem Fall ging es ua um die Auslegung von Art 11 Abs 1 lit d Richtlinie 2003/109EG; EuGH 24.4.2012, C-571/10, Servet Kamberaj v. Istituto per l’Edilizia sociale della Provincia autonoma di Bolzano (IPES) u.a., 81. 57 EuGH 4.10.2012, C-75/11, Europäische Kommission v. Republik Österreich, Rz 44–46. 58 EuGH 10.3.1993, C-111/91, Kommission v. Luxemburg, Rz 30.
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§ 30Lee andererseits59 nicht notwendig ist, weil beide Arten der Sozialleistungen in den Schutzbereich der RL 2000/43/EG und des GlBG fallen. 27 Für ArbeitnehmerInnen, die Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten sind, normiert Art 7 Abs 2 VO 492/201160 (früher VO 1612/6861) ungeachtet des Wohnsitzes die Gleichbehandlung mit inländischen ArbeitnehmerInnen in Bezug auf soziale Vergünstigungen. Die in diesem Zusammenhang entwickelte Auslegung des Begriffs der sozialen Vergünstigung ist auch für die Auslegung im Zusammenhang mit der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG relevant.62 Der EuGH definierte in dem Zusammenhang soziale Vergünstigungen als Vorteile wirtschaftlicher oder kultureller Art, die entweder von öffentlichen Stellen oder von privaten Einrichtungen in den Mitgliedstaaten gewährt werden. Darunter fallen beispielsweise Fahrpreisermäßigungen für kinderreiche Familien,63 zinslose Geburtsdar lehen,64 Geburtsbeihilfen und Mutterschaftsbeihilfen,65 Erziehungs geld,66 Ersatz von Bestattungskosten67, Stipendien für Studien oder Forschungen im Ausland, die im Rahmen eines bilateralen Abkommens vergeben werden,68 Ausbildungsförderung für Studium im Aus 59 Wie sie etwa in EuGH 27.3.1985, C-249/83, Vera Hoeckx v. Openbaar Centrum voor Maatschappelijk Welzijn Kalmthout in Zusammenhang mit Verordnung 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, VO 1408/71 getroffen wird. 60 Verordnung 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, Freizügigkeits-VO. 61 Verordnung (EWG) Nr 1612/68 des Rates vom 15.10.1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, Freizügigkeits-VO (alt). 62 Europäische Kommission, Vorschlag, 8; vgl ErlRV 307 BlgNR 22. GP, 21. 63 EuGH 30.9.1975, 32/75, Anita Cristini v. Société Nationale des Chemins de Fer Français, 10/13. 64 EuGH 14.1.1982, 65/81, Francesco Reina, Letizia Reina v. Landeskreditbank Baden-Württenberg, Rz 13. 65 EuGH, C-111/91, Kommission v. Italien, 6 und 30. 66 EuGH 12.5.1998, C-85/96, María Martínez Sala v. Freistaat Bayern, Rz 28; 18.7.2007, C-213/05, Wendy Geven v. Land Nordrhein-Westfalen, Rz 13; 18.7.2007, C-212/05, Gertraud Hartmann v. Bayern, Rz 26. 67 EuGH 26.5.1996, C-237/94, John O’Flynn v. Adjudication Officer, Rz 14. 68 EuGH 27.9.1988, 235/87, Annunziata Matteucci v. Communauté française de Belgique u.a., Rz 16.
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Geltungsbereich
§ 30
land,69 das Recht für nationale Minderheiten, unter bestimmten Voraussetzungen in Strafverfahren die eigene Sprache zu benützen,70 Überbrückungsgeld für junge Arbeitslose,71 Preisnachlässe auf Eintrittskarten für kulturelle oder andere Veranstaltungen, verbilligte Mahlzeiten in der Schule für Kinder aus einkommensschwachen Familien.72 Studienbeihilfen,73 auf Bedürftigkeit abstellende Sozialhilfe,74 besondere Altersbeihilfe.75 Im Gegensatz zur Freizügigkeits-VO, die lediglich den Begriff der so- 28 zialen Vergünstigung enthält, beziehen die Antirassismus-RL 2000/43/ EG und somit auch der gegenständliche § 30 Abs 2 Z 3 GlBG zusätzlich und ausdrücklich den Bereich Bildung in den Geltungsbereich ein. „Bildung“ ist im Sinne Art 2 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK und Art 14 EGRC zu verstehen. Der Begriff Bildung in Teil III ist von den Begriffen der Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung gem § 1 Abs 1 Z 2, die mit der Arbeitswelt verknüpft sind, zu unterscheiden. Das Schulwesen gemäß Art. 14 und 14a B-VG ist Teil des Bildungswesens. In den Geltungsbereich des Teil III fallen somit die in die unmittelbare Bundeskompetenz fallenden Schulen, inklusive berufsbildende Pflichtschulen gem §§ 46–51 Schulorganisationsgesetz, die Erwachsenenbildung, die außerschulische Jugenderziehung, Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen.76 Schü69 EuGH 13.11.1990, C-308/89, Carmina di Leo v. Land Berlin, Rz 14. 70 EuGH, 137/84, Ministère public v. Robert Heinrich Maria Mutsch, Rz 16–17. 71 EuGH 20.05.1985, Rs 94/84, Office national de l’emploi v. Joszef Deak, Rz 27. 72 ErlRV 307 BlgNR 22. GP, 21. 73 EuGH 14.12.2016, C-238/15, Maria do Céu Bragança Linares Verruga u.a. v. Ministre de l’Enseignement supérieur et de la Recherche, Rz 40; 21.6.1988, Rs 39/86, Sylvie Lair v. Universität Hannover, Rz 28; 26.2.1992, C-3/90, M. J. E. Bernini v. Minister van Onderwijs en Wetenschappen, Rz 23; 20.6.2013, C-20/12, Elodie Giersch u.a. v. Großherzogtum Luxemburg, Rz 38–40; 15.12.2016, C‑401/15 bis C‑403/15, Noémie Depesme u.a. v. Ministre de l’Enseignement supérieur et de la recherche, Rz 38; 3.7.1974, 9/74, Donato Casagrande v. Landeshauptstadt München, Rz 4. 74 EuGH 27.3.1985, Rs 122/84, Kenneth Scrivner und Carol Cole v. Centre public d’aide sociale Chastre, Rz 27; vgl C-249/83, Hoeckx, Rz 14. 75 EuGH 6.6.1985, Rs 157/84, Maria Frascogna v. Caisse des dépôts et consignations, Rz 25. 76 Vgl Jisa, Rechtsgutachten. Überlegungen zum Diskriminierungsverbot aus ethnischen Gründen im Rahmen der schulischen (Aus)Bildung unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgesetzes, 3–4.
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§ 30Lee lerInnen befinden sich in einem besonderen Rechtsverhältnis, das im Fall öffentlicher Bildungseinrichtungen durch einen Hoheitsakt und im Fall von privaten Bildungseinrichtungen durch einen Vertrag des bürgerlichen Rechts begründet wird.77 Dabei ist zu beachten, dass Diskriminierungen bereits aufgrund schulrechtlicher Normen (§ 2 Schulorganisationsgesetz) verboten sind. Der Bereich Bildung umfasst sowohl die Bildungsleistung selbst (Kurse, Lehrveranstaltungen) als auch die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen und Stipendien78. Die Kompetenzen der Mitgliedstaaten in Bezug auf Lehrinhalte, Gestaltung des Bildungssystems, Vielfalt der Kulturen und Sprachen bleiben voll gewahrt.79 Die Diskriminierungsverbote gelten sowohl für den öffentlichen Sektor als auch für den privaten Sektor. Damit fallen sowohl öffentliche als auch private Schulen, Universitäten, Fachhochschulen, Musikschulen, Konservatorien, aber auch private Bildungseinrichtungen wie beispielsweise ARS, WIFI oder BFI in den Geltungsbereich.
4. Versicherungsverträge 29 Im Versicherungsbereich wurde die RL 2004/113/EG durch das Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 200680 im Versicherungsvertragsgetz (VersVG)81 und Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)82 umgesetzt. Die versicherungsrechtlichen Bestimmungen sind insofern lex specialis zum GlBG. Das GlBG ist auf alle anderen Sachverhalte in Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Abwicklung eines Versicherungsvertrags, die nicht in den Anwendungsbereich des VersVG bzw VAG fal77 Vgl Jisa, Rechtsgutachten, 4. 78 Europäische Kommission, Vorschlag, 8; EuGH 11.9.2018, C-457/17, Heiko Jonny Maniero v. Studienstiftung des deutschen Volkes e. V., Rz 39–40. 79 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag, 8; ErlRV 307 BlgNR 22. GP, 21. 80 Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz 1958 und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden. Versicherungsrechts-Änderungsgesetz 2006, VersRÄG 2006 (Art 1 Abs 4 und 6), BGBl I Nr 95/2006. 81 Bundesgesetz vom 2. Dezember 1958 über den Versicherungsvertrag. Versicherungsvertragsgesetz, VersVG, BGBl Nr 2/1959. 82 Früher Bundesgesetz vom 18. Oktober 1978 über den Betrieb und die Beaufsichtigung der Vertragsversicherung. Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG, BGBl Nr 569/1978, mittlerweile ersetzt durch Bundesgesetz über den Betrieb und die Beaufsichtigung der Vertragsversicherung. Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, VAG 2016, BGBl I Nr 34/2015.
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len, anwendbar.83 Die alleinige Zuständigkeit der Finanzmarktaufsichtsbehörde für die Kontrolle der Versicherungstarife bleibt unberührt.84 In Umsetzung von Art 5 Abs 3 RL 2004/113/EG gilt für alle Versiche- 30 rungsverträge, die nach dem 30. 11. 2007 geschlossen wurden, dass die Kosten und Risiken der medizinischen Betreuung und Behandlung im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, der Entbindung und der Mutterschaft in der Krankenversicherung nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen zwischen Frauen und Männern führen dürfen (§ 178b Abs 5 iVm § 191c Abs 9 VersVG). Diese Aufwendungen und Risiken sind unter den Versicherungsnehmern „geschlechtsneutral“ aufzuteilen. Das gilt sowohl für die Kosten und Risiken im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen als auch für (medizinische) Betreuungsmaßnahmen, etwa für Schwangerschaftskurse und andere Betreuungsleistungen vor der Geburt, für die Entbindung selbst sowie für die ärztliche und medizinische Nachsorge und Betreuung der Mutter und des Kindes nach diesem Zeitpunkt.85 Dh Männer und Frauen befinden sich insofern in einer versicherungstechnischen Solidaritätsbeziehung. Holzleithner merkt zu der Richtigkeit dieser Reglung treffend an, dass nicht so getan werden könne, „als hätten Männer, obwohl sie Kinder zeugen, mit Schwangerschaften nichts zu tun.“86 Ursprünglich enthielt § 9 Abs 2 VAG eine sogenannte Öffnungsklau- 31 sel, die es erlaubte, unterschiedliche Prämien für Frauen und Männer zu verlangen, „wenn das Geschlecht ein bestimmender Faktor in einer Risikobewertung ist, die auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten“ beruhte. Diese Regelung gründete sich auf Art 5 Abs 2 RL 2004/113/EG, die aber in der Folge durch den EuGH in Test-Achats mit 21. 12. 2012 für ungültig erklärt wurde.87 Dem folgend wurde die Öffnungsklausel mit VersRÄG 2013 aufgehoben.88 Es darf somit die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht bei 83 Vgl ErlRV 415 BlgNR 23. GP (9). 84 ErlRV 415 BlgNR 23. GP (9). 85 Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu VersRÄG 2006 (8), 1428 BlgNR 22. GP. 86 Holzleithner in Heiss/Loacker, 1.17. 87 EuGH 1.3.2011, C-236/09, Association belge des Consommateurs Test-Achats ASBL, Yann van Vugt, Charles Basselier v. Conseil des ministres, Rz 32–33. 88 Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz und das BundesBe-
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§ 30Lee der Berechnung von Prämien und Leistungen bei Versicherungsverträgen nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen für Frauen und Männer führen (sogenannte „Unisex-Regel“).89 32 Die Kritik gegen solche Unisex-Versicherungsprämien lautet, dass damit „Frauen die ‚Männerrisiken‘ und Männer die ‚Frauenrisiken‘ mittragen und mitfinanzieren müssten“.90 Als Gegenargument könnte ins Treffen geführt werden, dass die Teilung in binär-geschlechtlich definierte Risikogruppen nicht notwendig und selbstverständlich sein muss, nur weil sie gängig ist. Holzleithner etwa weist darauf hin, dass zB die Unterscheidung zwischen Brustkrebs als weiblichem Risiko und Prostatakrebs als männlichem Risiko nicht notwendig und stattdessen eine allgemeine Formulierung möglich sei, dass beide Geschlechter gefährdet sind, an Krebs zu erkranken.91 Außerdem schreibe bereits Art 5 Abs 3 RL 2004/113/EG vor, dass Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft nicht zu unterschiedlichen Prämien führen dürfen, was auf eine grundsätzlich gemischtgeschlechtliche Risikogemeinschaft hinweise.92 Desweiteren ist vor dem Hintergrund des grundlegenden Konzepts der Versicherung als Verringerung bzw Beseitigung des einzelnen Risikos durch die kollektive Risikoübernahme das Argument, dass das Geschlecht ein nützlicher Indikator zur besseren Risikoberechnung sei, für sich genommen kein ausreichendes. Ebenso ist das damit verbundene Argument der „gerechteren Preisgestaltung“ (dh dass die Versichehindertengleichstellungsgesetz geändert werden. VersicherungsrechtsÄnderungsgesetz 2013, VersRÄG 2013, BGBl I Nr 12/2013. 89 Vgl Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu VersRÄG 2013 (3), 2005 BlgNR 24. GP Vgl die (teilweise kritische) Rezeption durch zB Effer-Uhe, Gleichbehandlung in Versicherungsverträgen – zum Urteil des EuGH vom 1.3.2011 in der Rechtssache C-236/09 (Association Test-Achats), in Schulze (Hrsg), Non-discrimination in European private law (2011) 109–129; di Torella, Gender equality after Test Achats, ERA Forum 2012, 59; Tobler, Case note on Case C-236/09, Test-Achats, Common Market Law Review 2011. 90 Gerken/Sohn, Gleichbehandlung durch Diskriminierung. Die Rechtsfehler im Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 2011, das geschlechtsabhängige Versicherungsbeiträge und -leistungen für EU-rechtswidrig erklärt, Centrum für Europäische Politik, cep.eu/Studien/cepStandpunkt_Unisex-Urteil/cepStandpunkt_Gleichbehandlung_durch_Diskriminierung.pdf (4.7.2019), 8. 91 Holzleithner in Heiss/ Loacker, 1.16. 92 Holzleithner in Heiss/ Loacker, 1.17.
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rungsnehmer möglichst ein ihrem Risikoprofil entsprechende Prämien zahlen) hinterfragenswert. Niedrigere Versicherungsprämien mögen im Interesse jener sein, die sich als Teil der risikoarmen Gruppe wähnen. Allerdings wäre zu bedenken, dass die Mitgliedschaft in der begünstigten Gruppe nur kontingent sein könnte. Konsequenterweise müsste man nämlich immer weitere und feinere Differenzierungen von individuellen Risikoindikatoren zulassen, die letztlich zu einer Erodierung des Konzepts der Versicherung als Übertragung des individuellen Risikos auf ein Kollektiv führen würde. Zwar ist die Information über das Geschlecht der VersicherungsnehmerIn nach wie vor ein leicht zu erlangender und daher äußerst praktischer Datenpunkt. Doch birgt die fortschreitende Digitalisierung das Potential, dass eine Vielzahl und Vielfalt von risikorelevanten Datenpunkten über VersicherungsnehmerInnen ebenfalls leicht zur Verfügung stehen. „Big data health care“ könnte nicht nur zur effektiveren und selbstbestimmteren medizinischen Versorgung dienen,93 sondern auch ungeahnte Möglichkeiten für maßgeschneiderte Versicherungsprodukte für individuelle Risikoprofile bieten, die auf Grundlage der Vielfalt von Daten über jegliche mögliche Risikofaktoren (zB tägliche Kalorien-, Alkohol-, Bewegungsbilanz, familiäre Biographien, genetisches Profil) erstellt werden, wobei diese Daten selbstverständlich freiwillig von den KundInnen zur Verfügung gestellt werden, weil sie sonst befürchten müssen, keinen oder nur einen sehr ungünstigen Versicherungsvertrag abschließen zu können. Dies wäre eine Re-Individualisierung des Risikos, was der Grundidee der Versicherung zu widersprechen scheint. Will man die Treffsicherheit von Risikoanalysen nicht derart auf die Spitze treiben, muss man begründen können, wieso bestimmte Faktoren (zB Geschlecht) zulässig und andere nicht zulässig (zB tägliche Kalorienbilanz, ethnische Herkunft) sein sollen. Wieso sollten Argumente der Privatsphäre, des Datenschutzes, der Nichtdiskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft schwerer wiegen als der Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund des Geschlechts?
93 Gantner, Big Data in HealthCare as a driving force in progress and Innovation. From in-Vitro Diagnostic to in-Algorithmo-Diagnostic, HealthCare Futurists GmbH, healthcarefuturists.com/sites/default/files/Data-Driven% 20HealthCare%20-%20Tobias%20Gantner%20English.pdf (4.7.2019).
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§ 31Lee
Gleichbehandlungsgebot § 31. (1) Auf Grund des Geschlechts, insbesondere unter Bezug-
nahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, oder der ethnischen Zugehörigkeit darf niemand unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, diskriminiert werden. Diskriminierungen von Frauen auf Grund von Schwangerschaft oder Mutterschaft sind unmittelbare Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts. (2) Ziel ist die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie der Abbau von sonstigen Diskriminierungen. (3) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit darf darüber hinaus niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden 1. beim Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, 2. bei sozialen Vergünstigungen, 3. bei der Bildung. (4) Abs. 1 und 3 berühren nicht die Vorschriften und die Bedingungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen oder deren Aufenthalt sowie eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen ergibt. Materialien: Zum GlBG 2004: ME GlBG-Novelle 179/ME 24; GP 307 BlgNR 22. GP. Zur GlBG-Novelle 2001: 938 BlgNR 24. GP; Bericht des Gleichbehandlungsausschusses 1047 BlgNR 24. GP. Literatur: Smutny/Hopf, Mobbing - Auf dem Weg zum Rechtsbegriff? Eine Bestandsaufnahme, DRdA, 2003, 2, 110; Reischauer, § 1313a, in Rummel (Hrsg), ABGB (Stand 1.1.2004); Rummel, ABGB (Stand 1.1.2004); Posch, Gleichbehandlung und Überlassung. OGH 26. 8. 2004, 8 Ob A 3/04f, ZAS 2005/44, 2005, 6, 263; di Torella/McLellan, Research paper on the implementation across the Member States of Directive 2004/113/EC on the principle of equal treatment between men and women in the access to and supply of goods and services, in Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments (Hrsg), Richtlinie 2004/113/EG zum geschlechtergerechten Zugang zu Gütern und Dienstleistungen; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission. Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-236/09 (Test-Achats) (22.12.11), K(2011) 9497; Karasz, Glosse zu LG St. Pölten 21 R 16/13f vom 31. 1. 2013. Diskriminierung
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Gleichbehandlungsgebot
§ 31
aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Gewährung sozialer Vergünstigungen, DRdA 2014/15, 2, 137–142; Holzleithner, Bekleidungsvorschriften und Genderperformance. Gutachten für die Gleichbehandlungsanwaltschaft, 21.10.2015, gleichbehandlungsanwaltschaft.at/DocView.axd?CobId=61160 (9. 12. 2016); Ludwig, Spruchpraxis der Gerichte, in Ali-Pahlavani/Mittendorfer (Hrsg), Gleichbehandlung. Anspruch und Wirklichkeit am Beispiel ethnischer Diskriminierung (2012) 65–76; Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Richtlinie 2004/113/EG zum geschlechtergerechten Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Bewertung der europäischen Umsetzung (2017); Beclin, Gutachtliche Stellungnahme zur Frage der Haftpflichtigen und der Verantwortung für Dritte nach dem III. Teil des GlBG; 2010, https://www.gleich behandlungsanwaltschaft.gv.at/gutachten-zum-gleichbehandlungsrecht (11. 7. 2019); Heiden/Wersig, Preisdifferenzierung nach Geschlecht in Deutschland, antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Ex pertisen/Expertise_Preisdifferenzierung_nach_Geschlecht.pdf?__blob=publica tionFile&v=2 (4. 7. 2019); House of Commons, High Heels and Workplace Dress Codes: Government Response to the First Joint Report of the Petitions Committee and the Women and Equalities Committee of Session 2016–17, pu blications.parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmpetitions/291/291.pdf (10. 7.2019); Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen, Diskriminierung im österreichischen Bildungswesen, diskriminierungsfrei.at/wp-con tent/uploads/2018/06/4_5827922925889520712.pdf (13. 6. 2019); Jisa, Rechtsgutachten. Überlegungen zum Diskriminierungsverbot aus ethnischen Gründen im Rahmen der schulischen (Aus)Bildung unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgesetzes, frauen-familien-jugend.bka.gv.at/frauen/gleichbehandlung/ gleichbehandlungs-komissionen/gleichbehandlungskommission/senat-III/gut achten.html (13. 6. 2019); Mochizuki, Men force feet into high heels as Japan’s #KuToo movement seeks to build on media attention, japantimes.co.jp, japan times.co.jp/news/2019/06/10/national/social-issues/men-force-feet-high-heelsjapans-kutoo-movement-seeks-build-media-attention/#.XP_TK0xuKdI (11. 6. 2019); Holzleithner, Konsum aus Perspektive der Legal Gender Studies, in Heiss/Loacker (Hrsg), Grundfragen des Konsumentenrechts (2020); Hopf/ Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021); Welser/Zöchling-Jud, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Schuldrecht Besonderer Teil, Erbrecht15 (2021).
Inhaltsübersicht I. Regelungszweck........................................................................................... 1 II. Verbot der Diskriminierung....................................................................... 3 1. Diskriminierungsverbote in Bezug auf Güter und Dienstleistungen................................................................................................. 6 2. Diskriminierungsverbote in Bezug auf weitere Bereiche................. 18 3. Ausnahme Drittstaatsangehörige und Staatenlose........................... 21
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§ 31Lee
I. Regelungszweck 1 Mit der GlBG-Novelle 20111 wurde eine Zielerklärung in Abs 2, ähnlich des § 2, eingefügt (vgl die Ausführungen zu § 2). Das deklarierte Ziel der Diskriminierungsverbote des § 31 ist die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie der Abbau von sonstigen Diskriminierungen. Auffallend ist, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Geschlecht den Begriff der „Gleichstellung“ verwendet, während für das ethnische Merkmal lediglich der Begriff „Diskriminierung“ zu gelten scheint. 2 Die etwas ungewöhnlich anmutende Wortwahl von „sonstige Diskriminierung“ in Bezug auf die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit erklärt sich aus der Historie des Gesetzgebungsprozesses und kann als Redaktionsfehler angesehen werden. Der ursprüngliche Ministerialentwurf2 und die Regierungsvorlage3 sahen in § 31 Abs 1 noch eine Erweiterung der Diskriminierungsverbote auf die persönlichen Merkmale Religion oder Weltanschauung, Alter, sexuelle Orientierung vor, die später fallen gelassen wurde (vgl die Ausführungen zu § 30 Rz 6).4 Die Formulierung, dass der Abbau von „sonstigen Diskriminierungen“ das Ziel ist, bezog sich ursprünglich also auf alle Diskriminierungen aufgrund der sonstigen persönlichen Merkmale außer Geschlecht und wurde nach Streichung des erweiterten Merkmalkatalogs nicht mehr angepasst.
II. Verbot der Diskrimiminierung 3 Das Diskriminierungsverbot richtet sich in erster Linie an die AnbieterInnen von bestimmten Leistungen im Verhältnis zu Personen, welche die Leistung in Anspruch nehmen möchten (vgl Kommentare zu § 30 Rz 15). Dabei ist ein breiter Maßstab anzusetzen. So sind etwa auch Hausverwaltungen, die von einer Wohnungseigentumsgemeinschaft 1 Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden. GlBG-Novelle 2011, BGBl I Nr 7/2011. 2 Ministerialentwurf – Begutachtungsentwurf Erläuterungen, EB zu ME GlBG-Novelle 179/ME 24. GP. 3 Regierungsvorlage zur GlBG-Novelle 2011, 938 BlgNR 24. GP. 4 Bericht des Gleichbehandlungsausschusses zur GlBG-Novelle 2011, 1047 BlgNR 24. GP.
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Gleichbehandlungsgebot
§ 31
beauftragt sind, im Verhältnis zu MieterInnen einer der WohnungseigentümerInnen in Angelegenheiten, die das ganze Haus betreffen, vom Diskriminierungsverbot erfasst.5 Nicht geklärt ist die Frage, ob LeistungsanbieterInnen eine Pflicht auf 4 Abhilfe gegen Diskriminierungen durch Dritte im Zuge oder im Zusammenhang mit der Leistungserbringung zukommt. Beispielsweise hatte in einem Fall der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBA) jemand auf ein Wartehäuschen eines öffentlichen Verkehrsmittels ein Graffiti mit dem Schriftzug „Nigger“ und der Darstellung eines Gesichts mit dunkler Hautfarbe, breiter Nase und dicken Lippen angebracht. Trotz mehrmaligen Ersuchens durch einen regelmäßigen Benützer des Verkehrsmittels, das rassistische Graffiti zu entfernen, blieb das Verkehrsunternehmen zunächst untätig, bis die GBA intervenierte.6 Da der Fall einvernehmlich beigelegt wurde, blieb die Rechtsfrage unbeantwortet. In einem Fall, in dem ein möglicherweise diskriminierendes Verhalten eines Passagiers eines Linienflugzeugs gegenüber anderen Passagieren geprüft wurde, merkte die GBK an, das Unternehmen habe diesfalls „alle zur Abwehr von Belästigungen […] notwendigen, möglichen und angemessenen Maßnahmen (z.B. Platztausch) zu setzen, um Passagiere vor solchen Angriffen zu schützen“7 und begründete das mit den vertraglichen Fürsorgepflichten. Tatsächlich verpflichten die (vor-)vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten8 LeistungsanbieterInnen, ihre Leistungen so zu erbringen, dass die Rechtsgüter der LeistungsbezieherInnen nach Tunlichkeit vor Schaden bewahrt und beschützt bleiben.9 Daher ist richtigerweise davon auszugehen, dass diskriminierende Verhaltensweisen von anderen KundInnen oder Dritten die jeweils be5 GBK, GBK III/40/09, Hausverwaltung Wohnungeigentumsgemeinschaft, 16–17. 6 Gleichbehandlungsanwaltschaft, Belästigung durch rassistisches Graffiti, gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at/documents/340065/452894/Fall_des_ Monats_November_2015+final.pdf/f069564f-a85b-4477-9f54-a5cb74557b75 (12.4.2019), Rz 9. 7 GBK, GBK III/32/07, Flugpassagiere, 9. 8 Vgl Welser/Zöchling-Jud, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Schuldrecht Besonderer Teil, Erbrecht14 (2015) 5–6 und 16–21. 9 Vgl OGH 8Ob60/72; 6 Ob 507/85; 6 Ob 115/99a; Ob 195/07. Vgl auch Posch, Gleichbehandlung und Überlassung. OGH 26.8.2004, 8 Ob A 3/04f, ZAS 2005/44 2005, 263 (268); Smutny/Hopf, Mobbing – Auf dem Weg zum Rechtsbegriff? Eine Bestandsaufnahme, DRdA 2003, 110 (115).
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§ 31Lee troffenen Personen in ihrem (nicht zuletzt aus § 31 ergebenden) individuellen Recht auf Nicht-Diskriminierung beim Zugang zu bestimmten Leistungen verletzen. Ähnlich der Fürsorgepflicht von ArbeitgeberInnen gegenüber ihren ArbeitnehmerInnen, die sie zum Schutz gegen Diskriminierungen verpflichten, trifft LeistungserbringerInnen eine Pflicht, notwendige und angemessene Vorkehrungen zu treffen, um solche Diskriminierungen zu vermeiden bzw zu unterbinden.10 SchülerInnen, die sich in Bildungseinrichtungen gegenüber ihren MitschülerInnen diskriminierend verhalten, sind als Dritte anzusehen. Ein solches Verhalten könnte als von der Aufsichtspflicht der Schule miterfasst angesehen werden.11 Im Fall von Privatschulen, könnte sich eine Interventionspflicht der Schule aufgrund ihrer vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten ergeben. 5 Nicht abschließend geklärt ist auch die Frage nach der Haftung Dritter für Handlungen, die sie im Zusammenhang mit dem Zugang zu Leistungen setzen. Zu denken ist in erster Linie an Fälle der Belästigung im Verhältnis zwischen Leistungsbezieherinnen, dh zwischen KundInnen. Wenn etwa auf einem Linienflug ein Passagier gegenüber anderen Passagieren ein diskriminierendes Verhalten setzt, ist die GBK der Meinung, dass das GlBG in diesem Verhältnis nicht anwendbar ist.12 Allerdings ist aus dem weit gefassten Wortlaut der §§ 31 und 35 eine solche Einschränkung der Anwendbarkeit der Diskriminierungsverbote auf die LeistungserbringerInnen nicht ersichtlich. Außerdem hat die betroffene Person gem § 38 ausdrücklich „gegenüber dem/der Belästiger/ 10 In diesem Sinne auch Hopf-Mayr-Eichinger in Hopf/Mayr/Eichinger, Gleichbehandlungsgesetz (2009) § 35 Rz 9. Den Bedenken von di Torella und McLellan, dass den LeistungserbringerInnen dadurch eine zu große Last aufgebürdet würde, kann entgegnet werden, dass sich aus den Schutzpflichten ohnehin nur die Pflicht zu notwendigen und angemessenen Maßnahmen ergibt, die im Einzelfall zu prüfen sind. Vgl di Torella/McLellan, Research paper on the implementation across the Member States of Directive 2004/113/ EC on the principle of equal treatment between men and women in the access to and supply of goods and services, in Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments (Hrsg), Richtlinie 2004/113/EG zum geschlechtergerechten Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Bewertung der europäischen Umsetzung (I-16). 11 Siehe Jisa, Rechtsgutachten. Überlegungen zum Diskriminierungsverbot aus ethnischen Gründen im Rahmen der schulischen (Aus)Bildung unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgesetzes, 8. 12 GBK, GBK III/32/07, Flugpassagiere, 8.
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in Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens.“ Hätte der Gesetzgeber die Erstreckung der Haftpflichtigen auf Dritte im Teil III nicht gewollt, hätte er dies durch eine engere Formulierung der §§ 35 bzw 38 zum Ausdruck bringen müssen.13 Die deliktische Haftung Dritter ergibt sich dabei direkt aus §§ 31 iVm 35.14 Richtigerweise sind Dritte, die diskriminierende Handlungen im Zusammenhang mit dem Zugang zu Leistungen setzen, vom Diskriminierungsverbot erfasst.
1. Diskriminierungsverbote in Bezug auf Güter und Dienstleistungen § 31 verbietet die Diskriminierung beim Zugang zu und bei der Ver- 6 sorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Geschützt werden somit Personen, die solche Leistungen in Anspruch nehmen möchten, sich in der Position von LeistungsbezieherInnen befinden (vgl die Ausführungen zu § 30 Rz 14). Rassistische Beleidigungen durch einen Konditor gegenüber einer Person mit dunklerer Hautfarbe auf der Straße ohne Bezug zur Erbringung von konkreten Leistungen sind nicht vom Diskriminierungsverbot erfasst. Wenn dann aber in der Konditorei ein anderer Kunde versucht, die Situation zu deeskalieren, indem er dieser Person ein Getränk anbietet und der Konditor sich weigert, der Person das Getränk zu servieren, und die Person des Geschäfts verweist, stellt dies eine verbotene Diskriminierung dar.15 Für die Begriffe der Güter und Dienstleistungen sowie der Zurverfü- 7 gungstellung für die Öffentlichkeit vgl die Ausführungen zu § 30 Rz 16–20. Für die geschützten persönlichen Merkmale wird auf die Ausführungen über das Geschlecht zu § 3 Rz 35–40a und über die ethnische Zugehörigkeit zu § 17 Rz 7–27. Auch Diskriminierungen unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat, sind als Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu qualifizieren. Dazu siehe die Ausführungen zu §§ 3 und 4. 13 Siehe Beclin, Gutachtliche Stellungnahme zur Frage der Haftpflichtigen und der Verantwortung für Dritte nach dem III. Teil des GlBG vom zu, 11; im Ergebnis auch Hopf-Mayr-Eichinger in Hopf/Mayr/Eichinger, Gleichbehandlungsgesetz (2009) § 34 Rz 13. 14 Beclin, Gutachtliche, 13. 15 GBK 2005, GBK III/2/2005, Konditorei, 4.
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§ 31Lee 8 In Art 4 Abs 1 lit a RL 2004/113/EG wird explizit festgestellt, dass eine Schlechterstellung aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt. Dieser ausdrückliche Hinweis wurde in § 31 Abs 1 Satz 2 übernommen. Auffallend ist, dass eine vergleichbare Regelung für den Bereich der Arbeitswelt in § 5 Abs 1 fehlt. Nichtsdestotrotz sind ungünstigere Behandlungen aufgrund von Schwangerschaft und Mutterschaft in ständiger Rechtsprechung des EuGH als Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts anerkannt. In diesem Sinne stellt Art 2 Abs 2 lit c Gleichbehandlungs-RL (Neufassung) 2006/54/EG ausdrücklich fest, dass „jegliche ungünstigere Behandlung im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG“ eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt (vgl die Ausführungen zu § 3 Rz 39–40). Die unterschiedliche Behandlung von Schwangerschaft und Mutterschaft in Teil I und Teil III kann somit durch die historische Genese erklärt werden. § 5, als Teil des „älteren“ Bestandes des GlBG, beruhte zur Zeit der Ersterlassung 2004 noch auf RL 76/207EWG, die keinen Verweis auf Diskriminierungen aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft enthielt. Somit dürfte es der Gesetzgeber als nicht notwendig erachtet haben, einen expliziten Verweis in das GlBG aufzunehmen. Zum Zeitpunkt, als das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt im Zuge der Novelle 200816 aufgenommen wurde, enthielt die EU-rechtliche Grundlage, Art 4 Abs 1 lit a RL 2004/113/EG, einen expliziten Verweis auf Schwangerschaft und Mutterschaft. Dieser wurde bei der Umsetzung in innerstaatliches Recht (zunächst in § 40b, nunmehr § 31 Abs 1) übernommen. Angesichts der klaren Judikaturlinie des EuGH in diesem Punkt wäre das strenggenommen nicht unbedingt notwendig gewesen; dennoch stellt es eine willkommene Klarstellung dar. Beispiele für Diskriminierungen wären etwa Cafés, die stillende Mütter des Lokals verweisen bzw belästigen; einer Bank, die einer Kundin, die selbständig erwerbstätig ist, einen Kredit verweigert, weil sie schwanger ist; oder VermieterInnen von Wohnungen, die Schwangere aufgrund der Tatsache, dass sie Kinder bekommen werden, ablehnen.17 16 Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden. GlBG-Novelle 2008, BGBl I Nr 98/2008. 17 Vgl GBK, GBK III/187/15, Keine Mietwohnung für Schwangere.
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Verboten ist die unmittelbare und mittelbare Diskriminierung auf- 9 grund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit außerhalb der Arbeitswelt Zu den Begriffen der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierung vgl die Ausführungen zu §§ 5 und 32. Der Senat III der Gleichbehandlungskommission (GBK), der für Be- 10 schwerden im Bereich des Teil III, 1. Abschnitt zuständig ist, veröffentlicht seine Einzelfallprüfungsergebnisse in anonymisierter Form auf der Website des Bundeskanzleramtes (§ 1 Abs 2 Z 3 und § 12 Abs 7 GBK/GAW-Gesetz18). Bislang hatte sich der Senat III der GBK hauptsächlich mit Fällen über Dienstleistungen zu befassen. Unter diesen finden sich zahlreiche Beschwerden über ethnische Dis- 11 kriminierungen im Zusammenhang mit Einlassverweigerungen in Diskotheken.19 Weitere Beispiele für ethnische Diskriminierungen: Eine Abendgesellschaft wurde von einem Lokal während der Konsumation unterbrochen und rausgeworfen, begleitet von antisemitischen Beschimpfungen.20 Ein Fahrradverleih weigerte sich, eine Frau indischer Herkunft zu bedienen und sagte ihr, sie solle dorthin zurückgehen, wo sie herkomme.21 Die mitarbeitende Frau eines Gemüsemarktstand-Betreibers beschimpfte eine Romni tschechischer Herkunft, die Gemüse kaufen wollte, mit den Worten: „Ab in die Heimat.“22 Ein Immobilienmakler verweigerte die Vermittlung einer Mietwohnung, weil der Interessent italienischer Staatsbürger war23. Die Frau des Wohnungseigen18 Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft. GBK/GAW-Gesetz, BGBl Nr 108/1979 idF BGBl Nr 577/1980. 19 Vgl für viele GBK November 2007, III/18/06, „Genug Stress mit Ausländern“; Mai 2007, GBK III/9/05, Diskothek trotz Anzug mit Krawatte; GBK III/41/09, Diskothek – Ausweis; GBK III/47/09, Diskothek – Angebliche Privatparty Vgl auch die Beschreibung der unveröffentlichten Fälle ZRS Wien 30.3.2007, 35 R 68/07w, BG St. Pölten 29.1.2010, GZ 4 C 480/09x, ZRS Wien 30.8.2010, GZ 36 R 198/10z, HG Wien 19.1.2011, 1 R 129/10g und HG Wien 14.9.2011, 60 R 101/10y in Ludwig, Spruchpraxis der Gerichte, in Ali-Pahlavani, Zohreh, Mittendorfer, Cornelia (Hrsg), Gleichbehandlung. Anspruch und Wirklichkeit am Beispiel ethnischer Diskriminierung 65–76. 20 GBK Juli 2007, GBK III/15/06, „Judenbeidl“. 21 GBK, GBK III/12/06, Zweiradcenter. 22 GBK 2006, GBK III/8, Gemüsestand 2006. 23 GBK 2006, GBK III/6/05, Wohnungsvermietung. Vgl andere Wohnraum-Fälle; GBK III/188/15, Wohnungsmakler hat etwas gegen Tschetschenen; GBK III/133/13, Vermieterin von Wohngemeinschaft; GBK III/108/12, Atelier.
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§ 31Lee tümers, die bei allen Gesprächen als Vermieterin auftrat, lehnte einen potentiellen Nachmieter für eine Wohnung ab, da dieser türkischer Herkunft war und sie im Haus keine „Ausländer“ haben wollte, sei es mit oder ohne österreichischer Staatsbürgerschaft.24 Ein Mitarbeiter einer Imbissstube forderte drei Personen sudanesischer Herkunft und dunkler Hautfarbe mit Handzeichen auf, das Lokal zu verlassen. Auf Nachfragen sagte eine Kellnerin, dass es Anweisung des Chefs sei, „keine ‚Schwarzen‘ niedersetzen“ zu lassen, „da diese Drogen verkauften“.25 Eine Autowerkstätte weigerte sich, einen Reparaturauftrag anzunehmen, weil der potentielle Kunde senegalesischer Herkunft mit dunkler Hautfarbe war.26 Ein Lokal verweigerte zunächst einer Person mit dünklerer Hautfarbe, die zu einer Geburtstagsfeier eingeladen war, den Zutritt. Nachdem es den Zutritt auf Intervention der anderen Gäste der Geburtstagsgesellschaft genehmigte, merkte es an, dass es normalerweise angemeldet werden müsse, wenn „Ausländer“ mitkommen.27 Ein Hotel verweigerte die vorab versprochene Gepäckaufbewahrung sowie die Reparatur der Heizung und des Warmwassers für das Zimmer einer Familie indischer Herkunft.28 Eine Vermieterin von Ferienwohnungen bestätigte die Reservierung, erhielt die Überweisung der gewünschten Anzahlung und schickte dann eine E-Mail, in der es lautete: „Ich wollte noch fragen sind sie jüdischer Abstammung dann kann ich sie leider nicht nehmen.“29 Eine Pizzeria zog seine Zusage, genügend Tische für eine Geburtstagsgesellschaft frei zu haben, zurück, nachdem sie erfuhr, dass einer der Teilnehmer eine dünklere Hautfarbe hatte.30 Keine Diskriminierung stellte die Einlassverweigerung eines Sikhs in ein Gerichtsgebäude dar, weil er seinen Kirpan, einen 12cm langen, spitzen Dolch, aus religiösen Gründen nicht ablegen wollte. Die GBK prüfte eine ethnische mittelbare Diskriminierung und kam zu dem Schluss, dass das Waffenverbot in Gerichtsgebäuden aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt war und somit keine verbotene Diskriminierung vorlag.31 24 GBK, Wohnungsvermietung „keine Ausländer“. 25 GBK 2006, GBK III/5/05, Imbissstube. 26 GBK 2006, GBK III/4/05, Autowerkstätte. 27 GBK, GBK III/23/07, Ausländer anmelden bei Reservierungen. 28 GBK, GBK III/106/12, Rassistisches Hotel. 29 GBK, GBK III/180/15, Ferienwohnung. Vgl auch andere Hotel-Fälle; GBK III/134/13, Hotel „will keine Afghanen“. 30 GBK, GBK III/24/07, Pizzeria. 31 GBK 2005, GBK III/1, Dolch im Gerichtsgebäude.
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Beispiele für Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts sind unter- 12 schiedliche Eintrittspreise in Diskotheken für Männer und Frauen,32 unterschiedliche Preise für Männer und Frauen für ein Wochenendpaket in einem Hotel,33 oder unterschiedliche Preise für Frauen und Männer beim Friseur,34 billigere Eintrittskarten für Fußballspiele für Frauen35 oder eine niedrigere Altersgrenze für Fahrpreisermäßigungen öffentlicher Verkehrsmittel für Seniorinnen als für Senioren.36 Zwar ist die Preisgestaltung den Unternehmen grundsätzlich freigestellt, doch sind solche unterschiedliche Behandlungen, insbesondere wenn sie unmittelbar am Geschlecht der KundInnen ansetzen, anhand objektiver und sachlich gerechtfertigter Kriterien daraufhin zu prüfen, ob sie unzulässige Diskriminierungen darstellen, die Männer und Frauen in einer vergleichbaren Situation unterschiedlich behandeln. Pauschalisierungen, die auf stereotypen Geschlechtervorstellungen beruhen, sind regelmäßig ein Indikator für das Vorliegen einer Diskriminierung. So versuchte in dem Fall des Wochenendpakets das Hotel, die unterschiedlichen Pauschalpreise durch das unterschiedliche Konsumationsverhalten von Männern und Frauen zu begründen. Die GBK sah eine solche Mischkalkulation grundsätzlich als zulässig an, merkte jedoch an, dass sie in diesem Fall auf geschlechterstereotype Weise erfolgte. Zudem dürfe diese lediglich für die interne Preiskalkulation verwendet werden und sich nicht in geschlechtsspezifischen Preisen niederschlagen. Die unterschiedlichen Preise waren daher eine unzulässige Diskriminierung.37 Dabei verwies die GBK auf die Entscheidung des EuGH im Fall Test-Achats, dass die Berücksichtigung des Faktors Geschlechts in die versicherungsmathematische Risikokalkulation erlaubte, aber eine grundsätzlich geschlechtsneutrale Ausgestaltung der Versicherungsprämien verlangte.38 Ebenso ist bei Friseurtarifen die Begründung, dass Haarschnitte und die damit verbundenen 32 Vgl für viele GBK, III/48/09, Diskothek freier Eintritt für Frauen; GBK III/110/12, Diskothek günstiger Eintrittspreis für Frauen. 33 GBK, GBK III/140/13, Hotel Wochenendpaket. 34 GBK, GBK III/229/18, Friseur Website. 35 VfGH 11.12.2009, A1/09, Fußballtickets. 36 VfGH 15.12.2010, V39/10 ua, Senioren-Fahrpreisermäßigung. 37 GBK, GBK III/140/13, Hotel, 5. 38 EuGH 1.3.2011, C-236/09, Association belge des Consommateurs Test-Achats ASBL, Yann van Vugt, Charles Basselier v. Conseil des ministres, Rz 30 Vgl Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission. Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen
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§ 31Lee Beratungsgespräche und Föhnfrisuren für Frauen zeitaufwendiger seien als für Männer in ihrer geschlechterstereotypen Pauschalisierung unzulässig. Preisdifferenzierungen wären nur insofern zulässig, als sie aufgrund objektiver und sachlich gerechtfertigter Kriterien, wie etwa Haarlänge, Art des Haarschnitts, allfällige Anwendungen und Zeitaufwand erfolgten.39 13 Häufig anzutreffen sind Produkte, die zielgruppenspezifisch für Männer bzw Frauen entwickelt und vermarktet werden (Stichwort „Gender Marketing“). Beispielsweise sind viele Duschgels und Seifen in der männlich-frischen Variante in schwarz/blau/grüner Verpackung oder der weiblich-floralen Variante in rosa/violett/pastellfarbenen Verpackung erhältlich. Weitere gängige Beispiele sind Rasierklingen oder Kinderspielzeug, die sich in Gestaltung und Marketing stark an Geschlechterklischees orientieren bzw teilweise auch explizit durch die Produktbeschriftung einem Geschlecht zugeordnet werden.40 Oft sind spezifisch für Frauen konzipierte Produkte auch teurer als die äquivalenten „Männerprodukte“ („Gender Pricing“),41 wodurch die Frage nach einer möglichen Geschlechterdiskriminierung relevant wird. Es steht männlichen und weiblichen KonsumentInnen frei, Produkte, die für das jeweils andere Geschlecht konzipiert wurden, zu kaufen und zu benützen. Daher könnte zunächst der Schluss naheliegen, dass in solchen Fällen kein antidiskriminierungsrechtlich relevanter Sachverhalt vorliegt. Allerdings würde das übersehen, dass die Produktgestaltung und -vermarktung gezielt „an Geschlechterrollen und die gesellschaftliche Bedeutung der Kategorie Geschlecht“ anknüpft, wodurch die im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-236/09 (Test-Achats) (22.12.11), K(2011) 9497 endgültig. 39 Vgl GBK, Gutachten zu Friseurdienstleistungen, frauen-familien-jugend. bka.gv.at/dam/jcr:ec533ec8-ebe1-4695-af10-0b539c0d0de2/gbk_iii_ga_62_ 10.pdf (10.7.2019), 7; GBK April 2010, GBK III/50/09, Friseur Werbeprospekt; GBK III/229/18, Friseur Website. 40 Vgl Heiden/Wersig, Preisdifferenzierung nach Geschlecht in Deutschland. Forschungsbericht. Eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/pu blikationen/Expertisen/Expertise_Preisdifferenzierung_nach_Geschlecht. pdf?__blob=publicationFile&v=2 (4.7.2019), 147–148 Holzleithner, Konsum aus Perspektive der Legal Gender Studies, in Heiss/Loacker (Hrsg), Grundfragen des Konsumentenrechts (1.25–1.30). 41 Vgl Heiden/Wersig, Preisdifferenzierung.
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KonsumentInnen sogar meistens auf Preisvergleiche zwischen „männlichen“ und „weiblichen“ Produkten verzichten.42 Wo Produkte, die ausdrücklich für Frauen designiert sind, teurer sind als die geschlechtsneutrale oder männliche Version, liegt daher eine unmittelbare Diskriminierung vor.43 Die Abgrenzung zur mittelbaren Diskriminierung wird nicht immer eindeutig sein. Heiden/Wersig sehen dort, wo keine ausdrückliche Geschlechterdesignierung vorliegt, sondern ein Produkt über andere Gestaltungselemente (Farben, Sujets, Form der Verpackung44 udgl) „subtiler“ gegendert wird, eine mittelbare Diskriminierung vor.45 Holzleithner weist aber darauf hin, dass auch in solchen Fällen Begriffe verwendet werden können, die direkt auf ein Geschlecht veweisen, wie etwa der Begriff „Venus“ auf Produkten für Frauen.46 Wo eine Preisdifferenzierung für Produkte den Verdacht einer mittelbaren Diskriminierung regt, kann sie dennoch durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sein, wenn die Mittel dafür angemessen und erforderlich sind (§ 32 Abs 2). Heiden/Wersig nennen als Beispiele höhere Produktions- bzw Materialkosten oder Preinachlässe zur Lagerräumung.47 Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Zusammenhang 14 mit einer Bekleidungsvorschrift wurde von der GBK im Fall eines Kabarettveranstalters verneint, der für männliche Besucher das Tragen eines Sakkos vorschrieb und notwendigenfalls ein Leihsakko dafür zur Verfügung stellte. Zwar wurden Männer und Frauen in dem Fall unterschiedlich behandelt, weil die Sakkopflicht nicht für weibliche Besucherinnen galt, doch sah die GBK dies als gerechtfertigt an, weil der Veranstalter ein Ambiente mit einem „Mindestmaß an Eleganz“ schaffen wollte und sich dabei an „gesellschaftlich anerkannte Bekleidungskonventionen“ orientierte. Zudem galt das Erfordernis der „entspre-
42 Heiden/Wersig, Preisdifferenzierung, 149. 43 Vgl Heiden/Wersig, Preisdifferenzierung, 150; Holzleithner in Heiss/Loacker, 1.48. 44 Beispielsweise ist die Kartonverpackung von Lego Friends nicht nur in einem rosa-lila Farbschema gehalten, sondern auch tailliert, während Lego Ninjago in einer regulären rechteckigen Kartonverpackung mit schwarzem Farbschema verkauft wird (Stand 5.7.2019). 45 Heiden/Wersig, Preisdifferenzierung, 150. 46 Holzleithner in Heiss/Loacker, 1.48. 47 Heiden/Wersig, Preisdifferenzierung, 176.
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§ 31Lee chenden Kleidung“ auch für Frauen, nur eben nicht in Form eines Sakkos.48 Bei Bekleidungsvorschriften, die für Männer und Frauen unterschiedlich gestaltet sind, ist generell zu beachten, dass sie aufgrund ihres Ansetzens am Merkmal Geschlecht regelmäßig eine genauere Untersuchung wert sind und Hinweise auf gesellschaftliche Bekleidungskonventionen nicht als solche zur Rechtfertigung von unterschiedlichen Bekleidungsvorschriften geeignet sind.49 Zum einen sind Kleidungsvorschriften regelmäßig mit einengenden, stereotypen und teilweise sexualisierenden Geschlechtervorstellungen verbunden;50 und zum anderen besteht das berechtigte Interesse von intergeschlechtlichen, trans*geschlechtlichen und non-binary Personen, ihre Kleidung ihrem Identitätsgeschlecht entsprechend frei zu wählen.51 Komplex gestaltet sich die Untersuchung deswegen, weil in Bekleidungskonventionen regelmäßig unterschiedliche gesellschaftliche Dimensionen und Normen einfließen und miteinander verflochten sind (dh neben dem Geschlecht zB auch Schichtzugehörigkeit, Milieu, Bildung, Ethnie, Religion, Berufszweige, Weltanschauungen, regionale Verortung, Sprache, Ausprägungen von Körperlichkeiten etc). Das Aufbrechen von Geschlechternormen, die in diese multiplen Dimensionen gesellschaftlicher Normen eingebettet sind, kann daher nicht isoliert erfolgen, sondern erfordert eine Gesamtbetrachtung. 15 Für geschlechtergetrennt angebotene Güter und Dienstleistungen wird auf die Ausführungen zu §§ 33 und 34 verwiesen. 48 GBK, GBK III/156/14, Sakkozwang, 7–8. 49 Siehe OGH 24.9.2015, 9 ObA 82/15x, Haarband; der OGH sah im Tragen eines rosafarbenen Haarbandes durch einen männlichen Buslenker keinen hinreichenden Kündigungsgrund. 50 Vgl die Kontroversen über Vorschriften, dass Frauen Stöckelschuhe zu tragen haben; Mochizuki, Men force feet into high heels as Japan’s #KuToo movement seeks to build on media attention, japantimes.co.jp, japantimes. co.jp/news/2019/06/10/national/social-issues/men-force-feet-high-heels-ja pans-kutoo-movement-seeks-build-media-attention/#.XP_TK0xuKdI (11.6.2019); House of Commons, High Heels and Workplace Dress Codes: Government Response to the First Joint Report of the Petitions Committee and the Women and Equalities Committee of Session 2016–17, publications. parliament.uk/pa/cm201617/cmselect/cmpetitions/291/291.pdf (10.7.2019). 51 Siehe Holzleithner, Bekleidungsvorschriften und Genderperformance. Gutachten für die Gleichbehandlungsanwaltschaft, 21.10.2015, insb 46.
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Den AnbieterInnen von Gütern und Dienstleistungen ist das Verhal- 16 ten ihrer MitarbeiterInnen,52 ihrer mithelfenden Familienangehörigen53 und nach außen als Vermieterin auftretende EhepartnerInnen54 anzurechnen. Dies ergibt sich aus der Gehilfenhaftung gem § 1313a ABGB, die jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn eine Hauptleistungspflicht verletzt wird. Beclin nennt das Beispiel, dass eine Person belästigt wird, die in die Obhut gerade der/des Leistungsanbieters/in gegeben wurde, zB eine minderjährige Person, die vom Taxilenker belästigt wird.55 Dies ist auch der Fall, wenn die MitarbeiterInnen über den Zugang zu den angebotenen Leistungen entscheiden. Wenn MitarbeiterInnen der LeistungserbringerInnen sich nicht willens und kooperativ zur Leistungserbringung bzw -zugänglichmachung zeigen, indem sie (potentielle) KundInnen belästigen, betrifft das den Zugang zu den angebotenen Leistungen und somit die Hauptleistung, wofür die LeistungsanbieterInnen gem § 1313a ABGB haften. Eine Belästigung von KundInnen durch zB ein/e VerkäuferIn kommt einer Leistungsverweigerung gleich.56 Verfehlt ist daher die Schlussfolgerung der GBK, dass die rassistisch motivierte Fahrscheinkontrolle durch den angestellten Busfahrer dem Verkehrsunternehmen nicht anzurechnen sei, weil das Unternehmen regelmäßig Schulungen durchführe, „in denen auch auf ethnische Belange eingegangen wird.“57 Dies deshalb, weil es sich hier nicht, wie vom Busunternehmen offenbar behauptet, um einen Fall der deliktischen Haftung einer juristischen Person handelt, in der das Unternehmen für das Verhalten von MitarbeiterInnen, die nicht verfassungsmäßige Organmitglieder sind, nur im Rahmen des § 1315 ABGB bzw bei Überwachungsverschulden oder Organisationsmangel haftet.58 Vielmehr handelt es sich um ein (vor-)vertragliches Verhältnis, in dem § 1313a ABGB zur Anwendung kommt.59 Der Busfahrer übte eine 52 GBK, GBK III/45/09, Diebstahlsverdacht. 53 GBK, GBK III/8, Gemüsestand. 54 GBK, Wohnungsvermietung, 4. 55 Beclin, Gutachtliche, 24. 56 Vgl Beclin, Gutachtliche, 25. 57 GBK, GBK III/39/08, Ethnisch motivierte Fahrscheinkontrolle, 13. 58 Vgl OGH 8 Ob 160/76; 8 Ob 569/76; 8 Ob 137/77; 1 Ob 624/77; 2 Ob 136/78; 6 Ob 695/79; 1 Ob 35/79; 7 Ob 56/83; 1 Ob 8/85; 8 Ob 30/85; 7 Ob 50/86; 1 Ob 687/86 (1 Ob 688/86); 7 Ob 271/00d; 9 Ob 79/06t; 7 Ob 170/11t; 7 Ob 185/11y; 1 Ob 155/14x. 59 Vgl Reischauer, § 1313a, in Rummel (Hrsg), ABGB (Stand 1.1.2004) (Rz 2).
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§ 31Lee Zugangskontrollfunktion aus, was sich nicht zuletzt daran zeigte, dass er durch das Nicht-Wegfahren des Buses die Mitnahme des Passagiers verweigern konnte. Das Verkehrsunternehmen muss sich in dem Fall das diskriminierende Verhalten ihres Busfahrers anrechnen lassen wie ihr eigenes. (Vgl die Ausführungen zu § 3 Rz 3.) 17 Eine Haftung gem § 1313a ABGB setzt einen sachlichen Zusammenhang mit der Interessenverfolgung des Geschäftsherrn voraus; lediglich gelegentlich einer Verwendung der Gehilfen gesetzte Handlungen sind den Geschäftsherren nicht gem § 1313a ABGB zurechenbar.60 Ein sachlicher Zusammenhang liegt zB vor, wenn ein Fahrlehrer eine Fahrschülerin in dem engen Raum eines Fahrzeugs sexuell belästigt, weil sich diesfalls eine durch die Interessenverfolgung der Fahrschule geschaffene erhöhte Gefahr verwirklicht.61 Dieselbe Argumentation kann ins Treffen geführt werden, wenn ein Handwerker, der die Waschmaschine in der Wohnung der Kundin reparieren soll, die Kundin dabei sexuell belästigt.62 Die Interessenverfolgung des Installateurunternehmens (Einnahmen durch Reparaturarbeiten von großen Geräten in Privathaushalten) eröffnet eine erhöhte Gefahr, die sich durch die sexuelle Belästigung des Mitarbeiters verwirklicht hat. Vgl in diesem Zusammenhang auch Reischauer, der eine Haftung des Inhabers eines Seniorenpflegeheims für den Diebstahl des Sparbuchs eines Insassen durch eine Pflegerin bejaht, weil die vom bestohlenen Insassen eingebrachten Gegenstände aufgrund der vertraglich vorzunehmenden Leistungen dem Pflegeheim und seinen MitarbeiterInnen geradezu ausgesetzt wären.63 Dieselbe Überlegung wäre mE auch auf den Fall des Handwerkers in der Wohnung anzuwenden, weil die Kundin aufgrund der vertraglich vorzunehmenden Leistung (Reparatur der Waschmaschine) darauf angewiesen ist, dass der ausführende Handwerker sie nicht belästigt, dh sie ist diesem geradezu ausgesetzt, um die Leistung überhaupt beziehen zu können.
60 Vgl Reischauer in Rummel, Rz 3 61 Beclin, Gutachtliche, 25. 62 Vgl Gleichbehandlungsanwaltschaft, Beispiele aus der Beratung, gleichbe handlungsanwaltschaft.gv.at/beispiele-aus-der-beratung (11.6.2019) AA Reischauer in Rummel, Rz 3, bei dessen Beispiel es sich aber um eine Vergewaltigung der Kundin durch den Handwerker handelt. 63 Reischauer in Rummel, Rz 3.
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Gleichbehandlungsgebot
§ 31
2. Diskriminierungsverbote in Bezug auf weitere Bereiche Der Diskriminierungsschutz für das Merkmal ethnische Zugehörigkeit 18 erstreckt sich zusätzlich auf die Bereiche Sozialschutz, soziale Vergünstigungen und Bildung (Abs 3). Darunter fällt beispielsweise der Fall einer Behörde, die eine außerordentliche Befristung von Sozialleistungen für eine Familie auferlegte, deren Mitglieder alle seit Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen, weil die Vornamen der Kinder nach den orthographischen Regeln der slowenischen Sprache geschrieben wurden. Zudem forderte die Behörde für die Verlängerung der Sozialleistungen das Ausfüllen von mehreren Formularen, Staatsbürgerschaftsnachweise, Schulbesuchsbestätigungen und Kindergartenbestätigungen, obwohl sie dies von anderen Familien mit österreichischer Staatsbürgerschaft nicht verlangte.64 Für den Bereich Bildung finden sich im Bericht der Initiative für ein 19 diskriminierungsfreies Bildungswesen zahlreiche Beispiele für Diskriminierungen von LehrerInnen gegenüber SchülerInnen, zB rassistische Beschimpfungen in unzähligen Varianten, Aufhetzen der MitschülerInnen gegenüber einer Schülerin bzw einem Schüler, antisemitischen Witzen, Ausstellen einer Empfehlung für die Hauptschule trotz exzellenter Noten (weil das Kind nicht „einem deutschen Kind einen Platz im Gymnasium wegnehmen“ solle).65 Zulässig ist die Auswahl der SchülerInnen nach dem Bekenntnis und 20 nach der Sprache (sowie die Geschlechtertrennung) für Privatschulen, deren Schulerhalter eine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft, eine nach deren Recht bestehende Einrichtung oder ein anderer Rechtsträger ist, sofern er nicht öffentlich-rechtlichen Charakter hat (§ 4 Abs 3 Schulorganisationsgesetz).
3. Ausnahme Drittstaatsangehörige und Staatenlose Nicht vom Diskriminierungsverbot erfasst sind gem § 31 Abs 4 unter- 21 schiedliche Behandlungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sofern es sich um Drittstaatsangehörige oder staatenlose Personen handelt. Eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der Staatsbürgerschaft darf 64 GBK, GBK III/34/08, Sozialleistungen. 65 Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen, Diskriminierung im österreichischen Bildungswesen. Bericht 2017, diskriminierungsfrei.at/wpcontent/uploads/2018/06/4_5827922925889520712.pdf (13.6.2019).
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§ 31Lee nur aus sachlichen Gründen erfolgen und gerät andernfalls in Verdacht, eine unzulässige Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft zu sein.66 (Vgl die Ausführungen zum Merkmal ethnische Herkunft zu § 17 Rz 23–27.) Beispielsweise verweigerte eine Bank, die bereits eine aufrechte Geschäftsbeziehung mit einem in Österreich ansässigen und arbeitenden iranischen Staatsbürger unterhielt, diesem ein zusätzliches Kreditgeschäft aufgrund seiner Staatsbürgerschaft. Die GBK sah dies als unmittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit an.67 Und in einem Fall, wo ein Versicherungsunternehmen eine Auslandsreiseversicherung verkaufte, die nicht für das Reisezielland galt, dessen Staatsbürgerschaft die Versicherungsnehmerin hatte, sah die GBK eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit.68 22 Die Abgrenzung zwischen Nationalität eines Drittstaates und ethnischer Zugehörigkeit in der Judikatur ist jedoch nicht konsistent. Im Fall Kamberaj69 wurde einem langfristig in Italien aufenthaltsberechtigten albanischen Staatsbürger ein Antrag auf Wohngeld abgewiesen, weil das Drittstaatsangehörigen zugewiesene Mittelkontingent ausgeschöpft war. Der EuGH stellte fest, dass die Ungleichbehandlung nicht in den Anwendungsbereich der Antirassismus-RL 2000/43/EG fiel und wendete stattdessen die Daueraufenthalts-RL 2003/109/EG an. Im Gegensatz dazu kam das LG St. Pölten in dem Fall eines langfristig aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsbürgers, dessen Antrag auf Pendlerhilfe aufgrund seiner Drittstaatsangehörigkeit abgelehnt wurde, zu dem Ergebnis, dass dieser aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert wurde.70 Das Gericht verwies darauf, dass „Angehörige anderer Nationen (zB ‚Türken‘ in Wien bzw Österreich) unschwer als Ethnie beurteilt werden können“.71
66 Vgl Erläuterungen zur Regierungsvorlage, ErlRV 307 BlgNR 22. GP, Regierungsvorlage zu GlBG 2004, 15. 67 GBK, GBK III/152/14, Bankgeschäft. 68 GBK, GBK III/60/10, Auslandsreiseversicherung. 69 EuGH 24.04.2012, C-571/10, Servet Kamberaj v. Istituto per l’Edilizia sociale della Provincia autonoma di Bolzano (IPES) u.a., Rz 48–50. 70 Karasz, Glosse zu LG St. Pölten 21 R 16/13f vom 31.1.2013. Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Gewährung sozialer Vergünstigungen, DRdA 2014/15, 137. 71 Karasz, DRdA 2014/15, 138.
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Gleichbehandlungsgebot
§ 31
Im Fall Jyske Finans wiederum verlangte ein dänisches Kreditinstitut in 23 Bezug auf einen Kreditantrag für einen KFZ-Kauf zusätzlich eine Kopie des Reisepasses bzw der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers, weil dessen Geburtsort außerhalb der EU bzw eines EFTA-Staates (in Bosnien und Herzegowina) lag.72 Der EuGH verwies auf seine Entscheidung im Fall CHEZ, in dem er festgestellt hatte, dass der Begriff der ethnischen Herkunft sich über den Bezug auf eine Reihe von Faktoren (zB Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, kulturelle und traditionelle Herkunft) definiere73 und ergänzte nun, dass das Geburtsland zwar eines davon darstellen könne, aber für sich alleine keine Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe begründen könne.74 Daher sei die Behandlung, die alleine aufgrund des Geburtslandes erfolgte, laut EuGH keine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit. Der EuGH vermischt in seiner Begründung in Jyske Finans unter- 24 schiedliche Ebenen. Denn auf der allgemein konzeptuellen Ebene, die erfassen möchte, was unter dem sozial wirksamen Begriff der „ethnischen Herkunft“ gemeinhin gemeint ist (dh: „Was versucht dieser Begriff zu erfassen?“), kann tatsächlich auf die in der Entscheidung CHEZ demonstrativ aufgezählten Kriterien zurückgegriffen werden. Auf dieser Ebene kann die Frage gestellt werden, ob eine Person (von anderen, von der jeweiligen Gruppe oder von der Person selbst) einer bestimmten ethnischen Gruppe zugerechnet wird. Hingegen kommt es auf der spezifisch antidiskriminierungsrechtlichen Ebene des Erkennens von Diskriminierungshandlungen darauf an, ob der für die Handlung vorgebrachte (Rechtfertigungs-)Grund entweder für sich diskriminierend ist bzw stellvertretende Funktion für das Merkmal ethnische Herkunft hat. Auf dieser Ebene interessiert, ob und auf welche Weise eine Handlung versucht, am Merkmal ethnische Herkunft anzuknüpfen. Dieser Anknüpfungsversuch kann offensichtlich und unmittelbar durch explizite Benennung der ethnischen Zugehörigkeit als Handlungskriterium erfolgen. Sie kann aber auch über die Nennung nur eines Handlungskriteriums erfolgen, das möglichst effektiv für das Merkmal ethnische Herkunft einstehen soll bzw diesen Effekt hat. Auf 72 EuGH 6.4.2017, C-668/15, Jyske Finans A/S v. Ligebehandlingsnævnet. 73 EuGH, C-83/14, CHEZ Razpredelenie Bulgaria AD v. Komisia za zashtita ot diskriminatsia, third parties: Anelia Nikolova, Darzhavna Komisia za energiyno i vodno regulirane, Rz 46. 74 EuGH, C-668/15, Jyske Finans, Rz 17–20.
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§ 32Lee dieser Ebene kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Kriterium des Geburtslandes eine solche diskriminierende Funktion haben kann. Dh der EuGH in Jyske Finans erkannte auf der allgemein konzeptuellen Ebene richtig, dass die Zuschreibung einer „ethnischen Herkunft“ gemeinhin unter Bezuganhme auf mehrere Kriterien erfolgt. Allerdings unterlag er dem Irrtum, diese Vorgehensweise auf die spezifisch antidiskriminierungsrechtliche Ebene zu übertragen, auf der zu beurteilen ist, ob die Handlung ethnisch/rassistisch diskriminierend war oder nicht. So kam der EuGH zu dem irrtümlichen Schluss, dass das Abstellen alleine auf ein Kriterium (Geburtsland) nicht ausreiche, um eine ethnische Diskriminierung festzustellen. Richtigerweise schließt der Umstand, dass eine Person keiner bestimmten ethnischen Minderheitengruppe zuzurechnen ist, nicht aus, dass über das Kriterium des Geburtslandes eine Diskriminierungshandlung aufgrund der ethnischen Herkunft gesetzt wurde.75
Begriffsbestimmungen § 32. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 31 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. (2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines Geschlechts oder Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich. (3) Eine Diskriminierung liegt auch bei Anweisung einer Person zur Diskriminierung vor. (4) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts oder deren ethnischer Zugehörigkeit diskriminiert wird. 75 Vgl auch die Entscheidung des OGH, dass die Fremdzuschreibung einer ethnischen Zugehörigkeit genügte, um eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit festzustellen; OGH 24.7.2013, 9 ObA 40/13t, Polnische Küchengehilfin 2013. AA ArbG Stuttgart 15.4.2010, 17 Ca 8907/09, „Ossi“-Fall.
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Begriffsbestimmungen
§ 32
Materialien: Zur GlBG-Novelle 2008: Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit - EP, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (KOM(2003) 657 – C5-0654/2003 – 2003/0265(CNS)) (16.03.04). Literatur: Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung. Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU2 (2014); Ludwig/Frey, „Kein Eintritt für Flüchtlinge“. Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, VbR 2016, 26; Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Richtlinie 2004/113/EG zum geschlechtergerechten Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Bewertung der europäischen Umsetzung (2017); Greif, Rassistische Diskriminierung ohne Opfer. Anmerkung zu VwGH 24. 4. 2018, Ro 2017/03/0016-3, ÖJZ 22/2018, 1029–1032.
Inhaltsübersicht I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Ankündigung einer Diskriminierung....................................................... 5
I. Allgemeines Die Legaldefinitionen der unmittelbaren und mittelbaren Diskriminie- 1 rung, einschließlich der Anweisung zur Diskriminierung und der Diskriminierung aufgrund eines Naheverhältnisses, werden hier nahezu wortgleich jenen in § 5 für den I. Teil und in § 19 für den II. Teil nachgebildet. Es wird daher auf die dortigen Ausführungen verwiesen. Das Europäische Parlament weist im Zusammenhang mit dem Merk- 2 mal Geschlecht darauf hin, dass mittelbare Diskriminierungen im Zusammenhang mit Gütern und Dienstleistungen noch unterbelichtet sind. Überall dort, wo Güter und Dienstleistungen für Frauen schwerer zugänglich sind als für Männer, kann eine mittelbare Diskriminierung vorliegen. Wenn es zB keine funktionierenden Aufzüge oder Rolltreppen gibt und steile Treppen benutzt werden müssen, kann es für Frauen mit Kinderwagen oder für Schwangere sehr schwierig oder unmöglich sein, zu Zügen, Bussen, U-Bahnen oder Bahnsteigen zu gelangen und einzusteigen.1
1 Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Richtlinie 2004/113/ EG zum geschlechtergerechten Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Bewertung der europäischen Umsetzung 19.
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§ 32Lee Die Benachteiligung von Frauen allgemein und beim Zugang zu bestimmten Gütern und Dienstleistungen im Besonderen sind multikausal und ineinander verwoben. So tragen Diskriminierungen im Arbeitsleben zu finanziellen Benachteiligungen von Frauen bei, was wiederum Auswirkungen auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen hat, wobei der Mangel an (leistbaren) Kinderbetreuungseinrichtungen Teil der Ursache für die überwiegend von Frauen erbrachte unbezahlte Betreuungsarbeit ist, was sich wiederum auf ihre Stellung im Erwerbsleben auswirkt etc.2 Das Antidiskriminierungsrecht alleine ist nicht dazu geeignet, all diese Schwierigkeiten zu lösen. Vielmehr bedarf es dafür Lösungsansätze auf multiplen Ebenen (durch wirtschafts-, sozial-, gesundheits-, bildungs-, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen). AnbieterInnen von Gütern und Dienstleistungen können nicht für jeden erschwerten Zugang zu ihren Leistungen verantwortlich gemacht werden. Die Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung setzt vielmehr einen inneren Zusammenhang zwischen der besonderen Benachteiligung bestimmter Personen(gruppen) und der fraglichen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren voraus. Dort, wo diese durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung des Zieles angemessen und erforderlich sind, fehlt der nötige innere Zusammenhang zur Benachteiligung und es liegt keine mittelbare Diskriminierung vor. 3 AnbieterInnen von Gütern und Dienstleistungen steht es trotz des Diskrimnierungsverbots grundsätzlich frei, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen. Auch hier gilt, dass es keine Diskriminierung darstellt, wenn es sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung gibt. Allerdings können diskriminierende Gründe nicht sachlich sein, dh, dass LokalbetreiberInnen grundsäztlich nicht einfach pauschal ganze Gruppen von Personen ausschließen dürfen, sondern nur zielgerichtet gegen konkrete Fehlverhalten Maßnahmen setzen darf.3 Allerdings kann es dort, wo individuell-konkrete Maßnahmen nicht zur gewünschten Abhilfe eines Fehlverhaltens führen, gerechtfertigt sein, eine generelle Lösungsstrategie anzuwenden, die auf einer unterschiedlichen Behandlung von Personengruppen beruht. Zu denken ist da etwa an den Fall der Frauen-PC-Arbeitsplätze in der Bücherei, 2 Vgl Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, Geschlechtergerechten Zugang 18 Abb 1. 3 Ludwig/Frey, „Kein Eintritt für Flüchtlinge“. Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, VbR 2016 (49).
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Begriffsbestimmungen
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die geschaffen wurden, weil Männer wiederholt Frauen belästigt hatten und alternative Strategien dem keinen Einhalt gebieten konnten. (Vgl die Ausführungen zu § 33 Rz 5 und 24.) Eine Anweisung zu diskriminieren im Bereich des III. Teils wäre bei- 4 spielsweise die Anordnung eines Diskothekenbetreibers an die TürsteherInnen, Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen abzuweisen.4 Eine Diskriminierung aufgrund eines Naheverhältnisses lag etwa vor, als einer ethnisch gemischten Gruppe von FreundInnen der gemeinsame Einlass in die Diskothek verweigert wurde und von den Türstehern nur jenen, die der ethnischen Mehrheitsgruppe angehörten, Einlass geboten wurde.5 Diese hätten also die Diskothek betreten dürfen, aber eben nicht gemeinsam mit ihren FreundInnen. Sie wurden aufgrund ihres Naheverhältnisses zu ihren FreundInnen, die nicht der ethnischen Mehrheitsgruppe zugezählt wurden, schlechter behandelt als andere Gäste, die den Abend gemeinsam mit ihren FreundInnen in der Diskothek verbringen durften. Ebenfalls eine Diskriminierung aufgrund eines Naheverhältnisses war die Weigerung der Vermietung einer Wohnung gegenüber dem Interessenten österreichischer Herkunft, dessen Ehefrau kenianischer Herkunft war.6
II. Ankündigung einer Diskriminierung Auf einen Aspekt ist an dieser Stelle gesondert einzugehen angesichts 5 des Prüfungsergebnisses des Senat III der Gleichbehandlungskommission (GBK) im Pokerturnier-Fall.7 Der Veranstalter eines Pokerturniers hatte dieses mit dem Begriff „Ladies free“ beworben. In den Werbeprospekten wurde angekündigt, dass Frauen, im Gegensatz zu Männern, kein „Buy-In“ bezahlen müssten und ein gratis Glas Prosecco erhalten würden. Aufgrund der geringen Resonanz der Gäste kamen aber letztlich alle erschienenen Gäste, sowohl männliche als auch weibliche, in den Genuss der begünstigenden Behandlung. Die GBK sah in der bloßen Ankündigung einer Diskriminierung keine Verletzung des Dis4 Vgl GBK Mai 2007, GBK III/9/05, Diskothek Anweisung, 6. 5 LG ZRS Wien 10.12.2015, 36 R 292/15f, Diskothek Naheverhältnis. 6 Zusätzlich zur unmittelbaren Diskriminierung gegenüber der Ehefrau als Interessentin; GBK, GBK III/93/12, Mietwohnung ethnisch-gemischtes Ehepaar. Vgl auch GBK III/105/12, Mietwohnung ethnisch-gemischtes Ehepaar Nr. 2. 7 GBK 9.4.2015, GBK III/163/15, Pokerturnier.
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§ 32Lee kriminierungsverbots, da § 30 Abs 3 Z 2 Inhalte von Medien und Werbung aus dem Geltungsbereich herausnehmen.8 6 Diese Schlussfolgerung der GBK könnte Fragen über die Vereinbarkeit mit der Entscheidung des EuGH in Feryn9 aufwerfen. In Feryn stellte der EuGH fest, dass eine Diskriminierung auch dann vorliegen kann, wenn keine konkrete betroffene Person identifiziert werden kann, und eine öffentliche über die Medien getätigte Ankündigung, keine „Immigranten“ einzustellen, bereits eine verbotene direkte Diskriminierung darstellt. Die Aussage des EuGH (die öffentliche Ankündigung durch die Medien ist bereits eine Diskriminierung) und jene der GBK (die bloße Ankündigung einer Diskriminierung in Medien und Werbung ist keine Diskriminierung) scheinen einander zu widersprechen.10 Angesichts der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Interpretation nationaler Rechtsnormen11 und der Auslegungshoheit des EuGH über das Unionsrecht (Art 267 AEUV), ist auch für das österreichische GlBG davon auszugehen, dass eine öffentliche Ankündigung einer diskriminierenden Leistung dazu geeignet ist, eine verbotene Diskriminierung iSd § 32 iVm § 31 darzustellen. 7 Denkbar wäre das Gegenargument, dass sich der Ausschluss der bloßen Ankündigung in Bezug auf das Merkmal Geschlecht aus dem Gesetzeswortlaut des § 30 Abs 3 Z 2 bzw Art 3 Abs 3 RL 2004/113/EG ergebe, während es für das Merkmal ethnische Zugehörigkeit keine entsprechende Ausnahmebestimmung gibt. Dh das Argument wäre, dass die bloße Ankündigung einer diskriminierenden Leistung durch Werbung und Medien in Bezug auf das Merkmal ethnische Zugehörigkeit verboten wäre, hingegen in Bezug auf das Merkmal Geschlecht zulässig wäre, solange die tatsächliche Leistungserbringung diskriminierungsfrei erfolgt. 8 Diesem Gegenargument wäre zu entgegnen, dass eine systematische Betrachtung es nahe legt, dass der Begriff der Diskriminierung nur im 8 GBK, GBK III/163/15, Pokerturnier, 4. 9 EuGH 10.7.2008, C-54/07, Centrum voor gelijkheid van kansen en voor racismebestrijding v. Firma Feryn NV, 25. 10 Vgl auch Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung. Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU2 (2014) 79. 11 Vgl EuGH 10.4.1984, Rs 14/83, Sabine von Colson und Elisabeth Kamann v. Land Nordrhein-Westfalen, Rz 26; 13.11.1990, C-106/89, Marleasing SA v. La Comercial Internacional de Alimentacion SA, Rz 8.
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Begriffsbestimmungen
§ 32
Bereich außerhalb der Arbeitswelt in Bezug auf das Geschlecht nicht ein anderer, eingeschränkterer, sein kann als in allen anderen Bereichen bzw in Bezug auf alle anderen persönlichen Merkmale. Vielmehr wäre mE die Ausnahmebestimmung in § 30 Abs 3 Z 2 einheitlich im Lichte des unionsrechtlichen Diskriminierungsbegriffs dahingehend eng auszulegen,12 dass Inhalte von Medien und Werbung nur soweit vom Geltungsbereich des Diskriminierungsverbots ausgeschlossen sind, als sie den Inhalt per se betreffen; dh Werbesujets zum Beispiel, die mit sexistischen Klischees operieren, wären vom Geltungsbereich ausgenommen, während die Ankündigung einer Diskriminierung beim Zugang zu (vom Werbe-/Medieninhalt verschiedene) Gütern und Dienstleistungen eine Diskriminierung beim Zugang zu ebendiesen Gütern und Dienstleistungen darstellen und nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 30 Abs 3 Z 2 fallen. Nach dieser Auffassung wäre bereits die Ankündigung einer „Ladies free“-Aktion in der Art des PokerturnierFalls der GBK als Diskriminierung einzustufen, weil bereits die Ankündigung der Diskriminierung potentielle Interessenten davon abhalten können, sich um die angebotenen Leistungen zu bemühen.13 Zudem sind Ausnahmen vom individuellen Recht auf Gleichbehandlung eng auszulegen.14 Dies entspricht auch der Auffassung des Ausschusses für die Rechte 9 der Frau und Chancengleichheit des Europäischen Parlaments („FEMM-Ausschuss“), der richtigerweise darauf hinweist, dass es unlogisch wäre, die Diskriminierung in Bezug auf Güter und Dienstleistungen zu untersagen, aber gleichzeitig zu gestatten, dass mit der Andeutung eben dieser Art von Diskriminierung um die Leistungen geworben wird. Der FEMM-Ausschuss ist der Auffassung, dass „Werbung betreffend die Konditionen für den Zugang zu und die
12 Ausnahmen vom individuellen Recht auf Gleichbehandlung sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen; vgl EuGH 15.5.1986, 222/84, Marguerite Johnston v. Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary, Rz 36; 17.10.1995, C-450/93, Kalanke v. Freie Hansestadt Bremen, Rz 21; 11.11.1997, C-409/95, Marschall v. Land Nordrhein-Westfalen, Rz 32; 19.3.2002, C-476/99, H. Lommers v. Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij, Rz 39. 13 Vgl EuGH 10.7.2008, C-54/07, Feryn, Rz 25. 14 EuGH, C-450/93, Kalanke, Rz 21; C-409/95, Marschall, Rz 32; C-476/99, Lommers, Rz 39.
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§ 33Lee Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“ nicht unter die Ausnahmebestimmung fällt.15 10 Dass die Identifikation einer bestimmten Person, die von der diskriminierenden Handlung betroffen ist, nicht notwendig ist, damit eine Diskriminierung vorliegt, hat außerdem der VwGH im Fall des FacebookPostings festgestellt. Eine Lokalbetreiberin hatte auf der öffentlichen, dh uneingeschränkt zugänglichen, Facebook-Seite des Lokals und über dessen Twitter-Account gepostet, dass das Lokal „wieder Asylantenfrei [sic]“ sei. Für den VwGH war entscheidend, dass diese Postings nicht anders verstanden werden konnten, als dass die solcherart umschriebenen Personen im Lokal nicht erwünscht seien und „jedenfalls mit einer ungünstigeren Behandlung rechnen mussten“, weshalb von einer unmittelbaren Diskriminierung auszugehen war.16
Ausnahmebestimmungen § 33. Die Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen, ein-
schließlich Wohnraum, ausschließlich oder überwiegend für Personen eines Geschlechts ist keine Diskriminierung, wenn dies dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, also durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Materialien: Zur GlBG-Novelle 2008: 415 BlgNR 23. GP; ME GlBG-Novelle 142/ME 23. GP; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (05.11.03), 2003/0265 (CNS); Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit - EP, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (KOM(2003) 657 – C5-0654/2003 – 2003/0265(CNS)) (16.03.04). 15 Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit - EP, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (KOM[2003] 657 – C50654/2003 – 2003/0265[CNS]) (16.03.04), 14. 16 VwGH 24.4.2018, Ro 2017/03/0016, Facebook-Posting „asylantenfrei“, Rz 23; Greif, Rassistische Diskriminierung ohne Opfer. Anmerkung zu VwGH 24.4.2018, Ro 2017/03/0016-3, ÖJZ, 1029.
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Literatur: MacKinnon, Sexual Harassment of Working Women (1979); MacKinnon, Toward a Feminist Theory of the State1 (1991); Holtmaat, Netherlands, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-segregated Services (2008); Meenan, Ireland, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-segregated Services (2008) 44–47; NumhauserHenning, Sweden, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-segregated Services (December 2008) 73–75; Zielinska, Poland, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-segregated Services (2008) 63–67; Connell, Masculinities2 (2012); GBK, Gutachten Geschlechtsspezifische Preisgestaltung in Gastronomiebetrieben (2015); Bourdieu, Die männliche Herrschaft3 (2016); Shin, Sex and Gender Segregation in Competitive Sport. Internal and External Normative Perspectives, Law and Contemporary Problems, 2017, Vol. 80 (4), 47–61; Lee, Gleichheit und reziproke Anerkennung. Die Schaffung von Frauenräumen durch das geschlechtergetrennte Anbieten von Gütern und Dienstleistungen im Lichte der Gleichheit und im Kontext der Geschlechterdekonstruktion (2019); Lee, Sex-Segregated Services. Their Place in European Anti-Discrimination Law and their Relationship to Positive Action Measures, ELRev, 2019, Vol 44 (5), 646–662.
Inhaltsübersicht I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Fallkonstellationen....................................................................................... 3 1. Unterschiedliche Konditionen.............................................................. 4 2. Nach Geschlechtern getrennte Bereiche............................................. 5 3. Gesonderte Angebote für Angehörige eines Geschlechts................ 9 III. Abgrenzung zwischen §§ 33 und 34.......................................................... 15 1. Die Schwierigkeit.................................................................................... 15 2. „Empowerment“..................................................................................... 21 3. Schutz vor sexueller Belästigung......................................................... 24 4. Schutz der Intim- und Privatsphäre.................................................... 25 5. Gewaltschutz........................................................................................... 27 6. Überschneidungen.................................................................................. 30
I. Allgemeines In Umsetzung des Art 4 Abs 5 RL 2004/113/EG erlaubt § 33 unter 1 bestimmten Voraussetzungen die unterschiedliche Behandlung von Personen aufgrund ihres Geschlechts, indem Güter und Dienstleistungen entweder nur für Frauen bzw nur für Männer oder überwiegend für Frauen bzw Männer bereitgestellt werden. Es muss ein legitimes Ziel für das geschlechtsspezifische Angebot vorliegen, weiters müssen die Mittel zur Erreichung angemessen und erforderlich sein. Beispiele für legitime Ziele werden in Erwägungsgrund 16 der RL 2004/113/ EG aufgezählt: der Schutz von Opfern sexueller Gewalt, der Schutz der Privatsphäre und des sittlichen Empfindens, die Förderung der Gleich737
§ 33Lee stellung oder der Interessen von Männern und Frauen, die Vereinsfreiheit oder sportliche Tätigkeiten. 2 In den Erläuterungen zum Kommissionsvorschlag für RL 2004/113/ EG findet sich die Erklärung, dass bestimmte Waren und Dienstleistungen auf die Benutzung durch Angehörige eines Geschlechts zugeschnitten sind, wie etwa die Reservierung bestimmter Öffnungszeiten in Schwimmbädern für Angehörige eines Geschlechts oder die Mitgliedschaft in privaten Klubs. Andere werden je nach Geschlecht der KundInnen auf unterschiedliche Weise erbracht. Die Kommission geht davon aus, dass sich Männer und Frauen in solchen Fällen nicht in einer vergleichbaren Situation befinden und möchte für diese mit dieser Bestimmung klarstellen, dass die Richtlinie einer unterschiedlichen Behandlung nicht entgegensteht.1 Der Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit des Europäischen Parlaments merkte in seinem Bericht zum Richtlinienvorschlag an, dass diese Regelung überhaupt überflüssig sei: „Wenn Männer und Frauen, die unterschiedlich behandelt werden, ‚sich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden‘, ist diese ‚per se‘ kein Fall einer Diskriminierung.“2 Dessen Vorschlag, diese Bestimmung deswegen überhaupt aus der Richtlinie zu streichen, setzte sich jedoch nicht durch.
II. Fallkonstellationen 3 In den Prüfungsergebnissen des Senats III der GBK lassen sich im Groben drei Fallkonstellationen unterscheiden, die in diesem Zusammenhang zur Prüfung gelangen. Die erste betrifft Leistungen, die sowohl Männern als auch Frauen angeboten werden, allerdings zu unterschiedlichen Konditionen. Das sind etwa sogenannte Ladies‘ Nights in Diskotheken, an denen Frauen gratis oder verbilligter Eintritt gewährt 1 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (05.11.03), 2003/0265 (CNS), 16. 2 Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit – EP, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (KOM(2003) 657 – C50654/2003 – 2003/0265(CNS)) (16.03.04), 11 und 27.
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wird, oder Fahrpreisermäßigungen nur für Frauen. Die zweite Fallkonstellation betrifft Bereiche, die nach Geschlechtern getrennt sind, wie etwa Toiletten, Umkleideräume, Stellplätze für Frauen auf Parkplätzen oder Frauenbereiche in Fitnesscentern. Die dritte Fallkonstellation betrifft gesonderte Angebote für Angehörige eines Geschlechts wie etwa Frauenhäuser, Herrenclubs, Burschengruppen, Mädchentreffes, Frauenfitnesscenter, Barbershops, Lesben- bzw Schwulentreffs, FrauenPCs in Büchereien, Frauenwohnprojekte etc.
1. Unterschiedliche Konditionen Leistungen, die sowohl Frauen als auch Männern, aber zu unter- 4 schiedlichen Konditionen, angeboten werden, fallen nicht unter § 33. Zu denken ist etwa an unterschiedliche Eintrittspreise für Frauen und Männer. Preisgestaltungen, die nach Geschlecht unterscheiden, können schon alleine deshalb nicht geschlechtsspezifischen Angebote gem § 33 darstellen, da die zur Debatte stehenden Angebote sowohl Frauen als auch Männern angeboten werden, während § 33 mit solchen Leistungen befasst ist, die nur ausschließlich oder überwiegend Angehörigen eines Geschlechts angeboten werden. Bei einem ermäßigten Eintrittspreis handelt es sich um keine eigenständige Dienstleistung.3 Sie könnten aber gegebenenfalls positive Maßnahmen gem § 34 darstellen. Vgl dazu die Ausführungen zu § 34.
2. Nach Geschlechtern getrennte Bereiche Im Fall der Frauen-PCs wurden 4 (von insgesamt 49 allgemein zur Ver- 5 fügung stehenden) PCs in einer Bücherei für die ausschließliche Nutzung durch Frauen reserviert.4 Diese Maßnahme wurde eingeführt, weil es gehäuft zu verbalen sexuellen Belästigungen an Mädchen und Frauen durch Männer gekommen war. Ein verstärkter Personaleinsatz durch die Bücherei hatte das Problem nicht lösen können. Die FrauenPCs wurden vor allem von Mädchen und Frauen mit muslimischem 3 Vgl GBK, Gutachten Geschlechtsspezifische Preisgestaltung in Gastronomiebetrieben (2015), 9–10; GBK Oktober 2013, GBK III/120/13, Diskothek X, 7; GBK III/110/12, Diskothek günstiger Eintrittspreis für Frauen, 12; VfGH 15.12.2010, V39/10 ua, Senioren-Fahrpreisermäßigung, 2.4. In diesem Sinne auch Burri/McColgan, Sex-segregated Services (December 2008) 16. 4 GBK 19.11.2009, GBK III/44/09, Frauen-PCs in Bücherei.
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§ 33Lee Hintergrund stark frequentiert. Die GBK sah die Frauen-PCs gem § 33 als zulässig an, weil sie unter den gegebenen Umständen geeignet und angemessen waren, den Schutz der Privatsphäre und des sittlichen Empfindens zu erreichen. 6 Im Fall eines gemischt-geschlechtlichen Fitnesscenters beschwerte sich ein männlicher Kunde über einen Frauenbereich, der ca 10–15% der Gesamtfläche des Fitnesscenters umfasst und nur Trainingsgeräte enthielt, die im allgemeinen Bereich in zweifacher Ausführung vorhanden waren.5 Die GBK folgte der Argumentation des Betreibers des Fitnesscenters dass der Frauenbereich notwendig und angemessen war, weil sich Frauen häufig durch „gaffende Blicke“ der Männer beeinträchtigt fühlten und dadurch auch schüchterne Frauen und Mädchen in einem geschützten Rahmen trainieren konnten. Die Geschlechtertrennung erfolgte in Verfolgung des legitimen Ziels des Schutzes der Privatsphäre und des sittlichen Empfindens. Das Angebot wurde auch als verhältnismäßig angesehen, da der Frauenbereich lediglich 10–15% der Gesamtfläche betrug. Bei starker Besucherfrequenz war selbst ohne Reservierung eines Frauenbereichs nicht sichergestellt, dass für die männlichen Kunden niemals Wartezeiten für Trainingsgeräte entstehen würden. Durch den Frauenbereich würde somit kein gravierender Nachteil für Männer entstehen. 7 Zahlenmäßige Überlegungen zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit waren auch in einem Fall aus den Niederlanden entscheidend, in dem ein Taxiunternehmen eines seiner 40 Taxis für weibliche Kundinnen reservierte. Die niederländische Gleichbehandlungskommission sah sie als zulässig an, weil Frauen sich vor allem abends alleine in einem Taxi, womöglich mit einem männlichen Taxifahrer, unwohl fühlen können und aufgrund der Zahlenrelation (1:40) keine ungebührliche Beeinträchtigung der männlichen Kunden zu erwarten war.6 8 Im Zusammenhang mit dem Argument der Privat- und Intimsphäre ist ein Fall aus Irland bemerkenswert. Dort war der Frauenbereich des Fitnesscenters vom allgemeinen Bereich komplett einsehbar und nach Ansicht des irischen Equality Tribunal nicht geeignet, dem Schutz der
5 GBK, GBK III/174/15, Frauenbereich im Fitnesscenter. 6 Holtmaat, Netherlands, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-segregated Services (December 2008) (60).
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Privatsphäre und des Sittlichkeitsempfindens zu dienen, und daher unzulässig.7 Der Schutz der Privat- bzw Intimsphäre und des sittlichen Empfindens war auch ein legitimes Ziel im Fall der Damensauna, die einmal wöchentlich stattfand.8 Bezüglich der Preisgestaltung merkte die GBK jedoch an, dass bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden müsse, dass Männer an einem Tag gänzlich von der Sauna ausgeschlossen waren, während Frauen der Zugang an allen Wochentagen offen stand.
3. Gesonderte Angebote für Angehörige eines Geschlechts Hierunter fallen zB Frauenhäuser, Kurse für Frauen, Mädchentreffs, 9 Burschengruppen, Herrenclubs, Männerberatungsstellen, Lesben- bzw Schwulentreffs oder Frauen-Fitnesscenter. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wird hinsichtlich des Schutz vor sexueller oder häuslicher Gewalt ausdrücklich festgestellt, dass Frauenhäuser geeignet sind, den Schutzzweck zu erreichen und „als Mittel zur Erreichung dieses Ziels auch angemessen – dh durch den Ausschluss von Männern vom Zutritt zu dieser Einrichtung nicht überschießend – und auch erforderlich, um Frauen einen adäquaten Schutz zu gewährleisten“ sind.9 Im Fall eines Frauenwohnprojekts war die Aufnahme in den projekt- 10 führenden Verein Voraussetzung für den Abschluss eines Mietvertrags für eine Wohnung. Aufgenommen wurden nur Frauen, aber Männer waren insofern nicht komplett ausgeschlossen, als sie in der Anlage wohnen durften bzw im Fall fehlender weiblicher Bewerberinnen auch einen Mietvertrag erhalten hätten. 10 Das Projekt diente zur gegenseitigen und solidarischen Unterstützung von Frauen durch Frauen, das vor allem älteren Frauen und jungen alleinerziehenden Müttern ein soziales Netzwerk bot. Kleine, individuell zu nutzende Wohnflächen wurden durch Gemeinschaftsräume ergänzt. Bei der Auswahl der Mieterinnen war neben dem Geschlecht auch die Identifizierung mit dem 7 Meenan, Ireland, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-Segregated Services (December 2008) 44–47 (45). 8 GBK, GBK III/191/16, Sauna. Siehe Besprechung des Falls in Gleichbehandlungsanwaltschaft, Fall des Monats November 2016, Fitnesscenter 2016. Beachte die Argumentation des Saunabetreibers in einem ähnlichen Fall in den Niederlanden, dass es keinen Bedarf für Männertage in der Sauna gab; Holtmaat in Burri/McColgan, 60. 9 Erläuterungen zur Regierungsvorlage (9), 415 BlgNR 23. GP. 10 GBK 17.9.2009, GBK III/42/09, Frauenwohnprojekt, 3.
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§ 33Lee Projekt von Bedeutung.11 Die exklusive Aufnahme von Frauen in in den Verein war durch das legitime Ziel der Vereinsfreiheit (Erwägungsgrund 16 RL 2004/113/EG) gerechtfertigt. Die Einschränkung der Mietverträge auf Frauen war ebenfalls durch das legitime Ziel, ein sicheres, gewaltfreies, solidarisches und soziales Leben förderndes Umfeld für Frauen zu schaffen gerechtfertigt.12 Auch in diesem Fall war ein zahlenmäßiges Argument der Verhältnismäßigkeit von Bedeutung; durch den bautragenden Verein wurden insgesamt mehr als 20.000 Wohnungen angeboten und lediglich 38 für Frauen im Rahmen des Projekts. 11 Weitere Beispiele wären zB ein Lesbenabend in einem Nachtclub, der einen geschützten Raum für lesbische Frauen schafft;13 Herrenclubs, Burschenschaften, Mädelschaften oder Frauenvereine aufgrund der Vereinsfreiheit;14 Aus Polen wird berichtet, dass ein Frauencafé vom polnischen Gericht als zulässig angesehen wurde, dessen Tische nach eigenen Angaben hoch genug für Beine, die mit hohen Absätzen beschuht waren, und dessen Stühle groß genug für stärker gebaute Frauen und deren Handtaschen waren. Frauen sollten offen und ungestört über frauenspezifische Themen reden können. Männer wurden dort nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern mussten eine Spaßperücke aufsetzen.15 Die von den Betreibern angeführten Argumente der hohen Absätze und Handtaschen sind jedoch mE angesichts der stereotypen Geschlechterbilder eher als problematisch anzusehen. 12 Das Bedürfnis, im sozialen Kontext die Gesellschaft von Personen des gleichen Geschlechts zu suchen, wird also grundsätzlich als legitimes Ziel angesehen. Dies könnte im Lichte des Ziels der Geschlechtergleichheit, in der Männer und Frauen gleichberechtigt und selbstverständlich mit- und nebeneinander den Aktivitäten des Lebens nachgehen, als problematisch angesehen werden. Die Schaffung und Aufrechterhaltung von geschlechtersegregierten Räumen mag sogar als Wider11 GBK, GBK III/42/09, Frauenwohnprojekt, 9. 12 GBK, GBK III/42/09, Frauenwohnprojekt, 28. 13 Numhauser-Henning, Sweden, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-segregated Services (December 2008) 73–75. 14 Meenan, Ireland, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-segregated Services (December 2008) 44–47. 15 Zielinska, Poland, in Burri/McColgan (Hrsg), Sex-segregated Services (December 2008) 63–67.
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spruch zum Grundsatz der Geschlechtergleichheit erscheinen. Allerdings sollte über die zielstrebige Verfolgung von Gleichheitsidealen nicht übersehen werden, dass nach wie vor gesellschaftliche Realitäten bestehen, die nicht der Idealvorstellung der Geschlechtergleichheit entsprechen, die ein Bedürfnis nach Räumen des reinen Menschseins hervorrufen können, in denen man frei von den vergeschlechtlichenden Blicken von Angehörigen des anderen Geschlechts ist (vgl auch die Ausführungen unten zu Rz 31). Dass es viele Frauen und Männer gibt, die ein solches Bedürfnis nicht verspüren, ist unerheblich. Die Frage ist, ob jenen, denen das Unter-Sich-Sein ein Anliegen ist, solche Räume grundsätzlich generell vorenthalten werden sollen oder nicht. ME kann das Bedürfnis, mit Personen des gleichen Geschlechts unter sich zu sein nicht per se pauschal als illegitim abqualifiziert werden.16 Im Spannungsverhältnis zwischen dem Ideal der selbstverständlich gelebten Geschlechtergleichheit und der Realität einer geschlechterbinär strukturierten Gesellschaft bedarf es stattdessen einer umsichtigen Abwägung im Einzelfall. Diese Abwägung ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Anhand der einzelnen konkreten Gegebenheiten ist etwa zu prüfen, ob womöglich stereotype und essenzialisierende Geschlechterrollen festgeschrieben werden könnten. ZB sind Frauenveranstaltungen in Kombination mit den Themen Mode/Kosmetik/ Schönheits-OPs hinterfragenswert, wenn dadurch impliziert würde, dass Frauen jedenfalls von solchen Themen angezogen werden, wohingegen sie für Männer grundsätzlich uninteressant seien. Umgekehrt wäre zu hinterfragen, ob nicht ein wesentliches Charakteristikum eines Herrenklubs17 der Aufbau und die Pflege von Netzwerken ist, die katalysatorisch auf das berufliche und gesellschaftliche Fortkommen wirken, von denen Frauen ausgeschlossen wären.18 16 Vgl Lee, Gleichheit und reziproke Anerkennung. Die Schaffung von Frauenräumen durch das geschlechtergetrennte Anbieten von Gütern und Dienstleistungen im Lichte der Gleichheit und im Kontext der Geschlechterdekonstruktion, Dissertation Universität Wien (2019) 147–148. 17 Dies betrifft nicht kleine Klubs, die als dem Privatleben angehörig angesehen werden können, da die Richtlinie nur auf Güter und Dienstleistungen Anwendung findet, die der Öffentlichkeit angeboten werden (Art 3 Abs 1 RL 2004/113/EG). 18 Für weitere Beispiele vgl Lee, Sex-Segregated Services. Their Place in European Anti-Discrimination Law and their Relationship to Positive Action Measures, ELRev 2019, Vol 44 (5), 646–662.
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§ 33Lee 13 Ob die geschlechtsspezifische Gestaltung von Gütern und Dienstleistungen aus primär unternehmerisch-wirtschaftlichen Überlegungen ein zulässiges Angebot gem § 33 sein könnte, ist derzeit ungeklärt. Beispielsweise bieten Barber Shops Haarschnitte, Bartpflege, teilweise auch Haarentfernungen etc exklusiv für Herren an. In einem männlich kodierten Ambiente können Männer unter sich sein und sich einem „männlichen“ Schönheitsprogramm widmen. Es geht nicht um einen Ausgleich der Benachteiligung von Männern beim Zugang zu Friseurleistungen (daher stellen sie jedenfalls keine positiven Maßnahmen gem § 34 dar). Vielmehr geht es darum, dass Männer in Barber Shops nicht mit weiblich konnotierten Düften, Interieur und Personen konfrontiert sind. Im Gegensatz zu einem Herrenklubs oder Burschenschaften können sich Barber Shops nicht auf die Vereinsfreiheit berufen, weil sie keine Vereine, sondern kommerzielle Unternehmen sind, die durch Gendermarketing kommerzielle Interessen verfolgen. Gegen die Zulässigkeit von Barber Shops könnte man eventuell argumentieren, dass sie durch stereotype Geschlechterbilder dem Gleichstellungszweck des GlBG und dem Grundsatz der Geschlechtergleichheit, das fest in der europäischen und österreichischen Rechtsordnung verankert ist, entgegenstehen. Dem könnte man entgegenhalten, dass Angebote gem § 33 eben gerade andere Ziele als die Geschlechtergleichstellung verfolgen dürfen, solange sie legitim sind. Ob sie legitim sind, kann nicht am Maßstab der Gleichheitsförderung gemessen werden, weil das zirkulär und nicht vom Wortlaut des § 33 gedeckt wäre. Man könnte argumentieren, dass offensichtlich eine Nachfrage bei den Konsumenten für Barbershops besteht, und die unternehmerische Rationalität es gebietet, sich dieses Marktsegments anzunehmen. Mehr Gewicht als die rein unternehmerische Rationalität, die alleine mE nicht ausreicht, könnte das Argument des real bestehenden Bedürfnisses von Männern sein, unter sich zu sein während sie Körperpflege betreiben. Allerdings könnte der Ausschluss von solchen Frauen, die ebenfalls die Leistungen von Barber Shops in ihrer ganzen „Männlichkeit“ gerne beziehen würden, weil es ihrem Selbstverständnis bzw ihrer Identität entspricht, möglicherweise unverhältnismäßig sein. 14 Überlegungen über unterschiedliche körperliche Eigenschaften von Männern und Frauen könnten zu dem Schluss führen, dass die Fairness es gebiete, gewisse sportliche Veranstaltungen getrennt anzubieten. Dh die Geschlechtertrennung würde dazu dienen, Frauen überhaupt die Chance zu eröffnen, an Wettkämpfen (va in höheren Ligen) erfolg744
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reich teilzunehmen. Darin eine positive Maßnahme gem § 34 zu sehen wäre jedoch verfehlt, weil es nicht darum geht, gesellschaftliche Benachteiligungen auszugleichen oder zu verhindern (siehe die Ausführungen zu § 34 Rz 5–7). Stattdessen ist die Überlegung naheliegender, dass im Sinne der sportlichen Fairness physiologisch ähnlich gebaute Menschen im Wettbewerb aufeinandertreffen sollten. Das würde auch erklären, weshalb es teilweise innerhalb der Geschlechterkategorien unterschiedliche Gewichtsklassen gibt.19 Ein fairer sportlicher Wettkampf wäre ein legitimes Ziel iSd § 33. Damit ist jedoch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit nicht beantwortet. Es ist nämlich keineswegs klar, ob es nicht alternative Möglichkeiten der Kategorienbildung im Sport geben könnte, wie etwa nach Gewichtsklassen unabhängig vom Geschlecht. Faktoren wie Lungenkapazität, Verteilung von Muskel- und Fettmasse udgl könnten ebenfalls berücksichtigungswürdig sein. Dabei wäre zu prüfen, inwieweit individuelles Training Einfluss auf diese Faktoren haben kann, was wiederum zu der Frage führt, ob dies letztlich zur Benachteiligung der fleißigen Vieltrainierenden führen könnte.20 Ob es alternative Lösungen zur Geschlechtertrennung bei (manchen) sportlichen Veranstaltungen geben könnte, dh, ob die derzeit gängige Lösung erforderlich und angemessen ist, wäre anhand empirischer Daten in Bezug auf die einzelnen Sportarten genauer zu überprüfen.
III. Abgrenzung zwischen §§ 33 und 34 1. Die Schwierigkeit Sowohl §§ 33 als auch 34 ermöglichen Unterscheidungen nach dem Ge- 15 schlecht bei der Versorgung mit und dem Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Während Angebote an Personen beiderlei Geschlechts zu unterschiedlichen Konditionen nicht in den Anwendungsbereich des § 33 fallen können, stellt sich in Bezug auf die anderen Fallkonstellationen, in denen Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder überwiegend Angehörigen eines bestimmten Geschlechts vorbe19 ZB Österreichischer Judoverband, Alters- und Gewichtsklassen, oejv.com/ wissenswertes/gewichtsklassen/ (25.6.2019). 20 Eine hilfreiche prägnante Übersicht zu dem Thema bietet Shin, Sex and Gender Segregation in Competitive Sport. Internal and External Normative Perspectives, 80 Law and Contemporary Problems, Law and Contemporary Problems 2017, 47.
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§ 33Lee halten werden, die Frage nach der Abgrenzung zwischen den geschlechtsspezifischen Angeboten gem § 33 und den positiven Maßnahmen gem § 34. In der Literatur finden sich keine eindeutigen Aussagen dazu.21 Eine historische Interpretation von § 33 und Art 2 Abs 4 RL 2004/113/EG zeugt von der Prämisse, dass die geschlechtsspezifischen Angebote gar keine Diskriminierungen darstellen.22 Das klärt aber das Verhältnis zwischen diesen und den positiven Maßnahmen nicht, weil zum einen aus den tatsächlich verabschiedeten Regelungen nicht hervorgeht, ob diese Prämissen auch für das geltende Recht relevant sind, und zum anderen weil auch für positive Maßnahmen in Teilen der Literatur die Position vertreten wird, dass positive Maßnahmen ebenfalls keine Diskriminierungen darstellen. Dh nach dieser Ansicht stünde nur fest, dass beide Arten von Maßnahmen keine Diskriminierung darstellen, aber nicht, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. (Vgl die Ausführungen zu §§ 8 und 34.) 16 Im Fall des Frauenwohnprojekts (vgl Ausführungen oben Rz 10) ist bemerkenswert, dass die GBK das Projekt nur anhand des ex-§ 40d (nun § 33) GlBG als geschlechtsspezifisches Angebot für zulässig befand und gar nicht prüfte, ob es sich um eine positive Maßnahme gem § 34 (ex-40e) GlBG handeln könnte. Gleichzeitig verwies sie aber auf die Notwendigkeit, „strukturelle Benachteiligungen von Frauen beim Zugang zu Wohnraum auszugleichen und deren berechtigte Interessen zu fördern.“23 Trotz des Aspekts des Ausgleichs von Benachteiligungen, welches ein entscheidendes Tatbestandsmerkmal der positiven Maßnahmen darstellt, wurde diese Bestimmung nicht geprüft. Im Gegensatz dazu zählen Wladasch und Liegl das Wohnprojekt zu den positiven Maßnahmen, ohne die Frage nach einer möglichen Anwendbarkeit von § 33 GlBG zu stellen.24 21 Siehe aber Lee, ELRev 2019, 646; Lee (2019), 146–177. 22 BM f. Wirtschaft und Arbeit, Ministerialentwurf – Gesetzestext. zu GlBGNovelle 2008, ME GlBG-Novelle 142/ME 23. GP;Europäische Kommission, Vorschlag für RL 2004/113, 1; Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit – EP, FEMM-Ausschussbericht EP zu Richtlinie 2004/113, 11 und 27. 23 GBK, GBK III/42/09, Frauenwohnprojekt 2009, 29. 24 Wladasch/Liegl, Positive Maßnahmen. Ein Handbuch zur praxistauglichen Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung von strukturellen Diskriminierungen und zur Herstellung von mehr Chancengleichheit (2009) 10.
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Eine Unterscheidung zwischen den geschlechtsspezifischen Angebo- 17 ten gem § 33 und positiven Maßnahmen gem § 34 andererseits kann sinnvollerweise über den Zweck getroffen werden.25 Zwar wird in Erwägungsgrund 16 der RL 2004/113/EG26 neben einer Reihe von legitimen Zielen auch das Ziel der Gleichstellung erwähnt, doch wird im Hauptteil der Richtlinie bzw des GlBG für positive Maßnahmen gem § 34 ausdrücklich das spezielle Ziel der Gleichstellung vorgegeben, während § 33 allgemein auf „ein rechtmäßiges Ziel“ verweist. Tatsächlich gibt es Fälle, bei denen die unterschiedlichen Zwecksetzun- 18 gen klar voneinander unterscheidbar sind. Beispielsweise dienen Herrenklubs und Burschenschaften in erster Linie dazu, dass Männer ihre Freizeit untereinander verbringen und sich dabei vernetzen können. Der Ausschluss von Frauen dabei verfolgt nicht das Ziel der Geschlechtergleichstellung, sondern beruht stattdessen auf der Pflege von „traditionellen Werten“, zu denen auch stereotype Geschlechtervorstellungen gehören mögen. Solche Männerräume sind daher keine positiven Maßnahmen gem § 34, sondern geschlechtsspezifische Angebote gem § 33, deren legitimes Ziel die Vereinsfreiheit ist. Umgekehrt ist bei speziellen Frauenberatungseinrichtungen oder -kursen, die zur Förderung der (Re-)Integration von Frauen in dem Arbeitsmarkt dienen, eindeutig der Zweck der Geschlechtergleichstellung erkennbar.27 In anderen Fällen könnte eine Unterscheidung der Ziele zunächst 19 nicht so eindeutig erscheinen, was damit zu tun haben mag, dass AnbieterInnen manchmal selber nur vage Vorstellungen über die Zielsetzung der Geschlechtertrennung haben. Oft scheinen geschlechtergetrennte Räume auch unterschiedlichen Zwecken dienlich zu sein. ZB können geschlechtergetrennte Bereiche in Fitnesscentern, Saunen und Schwimmbädern dem Schutz der Privatsphäre, dem Schutz vor sexuellen oder sonstigen Belästigungen dienen. Dabei könnte überdies überlegt werden, dass durch die Geschlechtertrennung die Teilnahme von Frauen an sozialen, sportlichen, gesundheitlich wertvollen Aktivitäten gefördert und daher das Ziel der Geschlechtergleichstellung ebenfalls eine Rolle spielt. Auch Frauencafés könnten, ähnlich wie die Herren25 Ausführlicher in Lee (2019), 146–177; Lee, ELRev 2019, 646. 26 Auf welche auch die Regierungsvorlage verweist; ErlRV 415 BlgNR 23. GP (9). 27 Vgl AMS, Das AMS Frauenprogramm, ams.at/arbeitsuchende/frauen (24.6.2019).
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§ 33Lee clubs, dazu dienen, dass Frauen mit- und untereinander ihre Freizeit verbringen und sich vernetzen. Andererseits könnte das Argument ins Treffen geführt werden, dass öffentliche und soziale Räume nach wie vor männlich dominiert sind, und solche Frauenräume deswegen die Teilhabe von Frauen an öffentlichen Räumen fördern, wodurch ein Gleichstellungszweck vorliegt. 20 Der Zweck der Geschlechtergleichstellung kann in solchen Beispielen (neben den anderen Zwecken) von tragender Bedeutung erscheinen, weil das Geschlecht ein wesentliches strukturierendes Element der Gesellschaft ist und die unterschiedlichsten Aspekte unseres Lebens durchzieht.28 Dennoch ist es mE möglich und notwendig, nach den eigentlichen, wesentlichen bzw primär verfolgten Zweck zu fragen und eine Differenzierung zu treffen.
2. „Empowerment“ 21 Um einen möglichen Einwand der Essenzialisierung bzw Pauschalisierung vorwegzunehmen, ist generell darauf hinzuweisen, dass mit der Beschreibung der speziellen Vulnerabilitäten und Bedürfnisse von manchen/vielen Frauen nicht alle Frauen gemeint sein können, weil es zahlreiche Frauen gibt, die selbstbewusst und autonom durchs Leben schreiten. Vielmehr ist damit angesprochen, dass es eine spezifische strukturelle Situiertheit als Frau und zahlreiche Frauen gibt, auf welche die oben beschriebenen Vulnerabilitäten als Frauen zutreffen und dass die beschriebenen Maßnahmen diesen gerecht werden sollen. 22 Frauenräume, die dezidiert dem „Empowerment“ durch die Vermittlung von Fertigkeiten, der Entwicklung von Selbstbewusstsein bzw der Überwindung von einschränkenden Vorstellungen über Geschlechterrollen dienen, verfolgen das legitime Ziel der Gleichstellung und sind als positive Maßnahmen iSd § 34 anzusehen. Darunter fallen etwa die oben erwähnten Frauenberatungsstellen, Frauenkurse des AMS oder Mädchentreffs. (Zur Frage der Angemessenheit und Erforderlichkeit siehe die Ausführungen zu § 34.) 23 Anders gelagert sind Burschengruppen und Männerberatungsstellen, die in einem Männerraum Hilfestellung über ein breites Themen28 Vgl Bourdieu, Die männliche Herrschaft3 (2016) 161; MacKinnon, Toward a Feminist Theory of the State1 (1991) 218.
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spektrum anbieten, zB Beziehungsprobleme, Gewalt, Missbrach, Männlichkeit, Vaterschaft, Arbeitslosigkeit, Sexualität, Isolation uvm.29 Der Männerraum bietet einen geschützten Rahmen, in dem von stereotpyn Idealvorstellungen der Männlichkeit abgewichen und die Auseinandersetzung mit Opfererfahrungen, psychischen, emotionalen, sexuellen und gesundheitlichen Problemen stattfinden kann. Da Männlichkeit va in Abgrenzung an Weiblichkeit definiert wird,30 erleichtert die Abwesenheit von Frauen das Ausprobieren von Verhaltensweisen, die von der traditionell verstandenen Männlichkeit abweicht. Dh es kann leichter fallen, sich Schwäche und Verletzlichkeit einzugestehen und Hilfe anzunehmen. Insofern können solche Männerräume zum Abbau von hierarchischen Geschlechterverhältnissen beitragen. Allerdings macht dies aus ihnen keine positive Maßnahme gem § 34, weil sie keine strukturellen Benachteiligungen von Männern als Männer bekämpfen. Die Probleme und Benachteiligungen ergeben sich für die Männer nicht aufgrund ihres Mann-Seins, denn die spezifische Situierung als Mann in der Gesellschaft ist immer noch eine hierarchisch übergeordnete gegenüber Frauen, intergeschlechtliche Personen oder Trans*Personen. Vielmehr kommen hier andere Benachteiligungsdimensionen der finanziellen und/oder sozialen Umstände, tatsächliche oder zugeschriebene Zugehörigkeiten zu ethnischen oder sexuellen Minderheitengruppen, Erfahrungen der häuslichen Gewalt oder des sexuellen Missbrauchs zum Tragen. Das schließt eine intersektionelle Betrachtung nicht aus; dh die Wahrnehmung und Bekämpfung der sich aus dem Zusammenwirkung und Ineinandergreifen dieser unterschiedlichen Benachteiligungsdimensionen ergebenden spezifischen Benachteiligungsformen ist dennoch notwendig und wichtig. Es bedeutet lediglich im Zusammenhang mit der Frage nach der Unterscheidung zwischen §§ 33 und 34 nach dem verfolgten Zweck, dass solche Männerräume nicht die Gleichstellung der Männer durch den Ausgleich einer Benachteiligung von Männern als Männer verfolgen. Es wäre auch verfehlt, die statistisch erwiesene erhöhte Gewaltbereitschaft von Männern als solche als Benachteiligung von Männern aufgrund ihres Mannseins aufzufassen, der mit positiven Maßnahmen entgegenzuwirken wäre. 29 Vgl Männerberatung Wien, Männerberatung Wien, www.maenner.at (25.6. 2019). 30 Vgl Connell, Masculinities2 (2012) 70 und 74; Bourdieu (2016), 147.
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§ 33Lee Stattdessen ist das entscheidende Element in diesem Fall das UnterSich-Sein, das eine effektivere Auseinandersetzung mit den genannten sozialen und psychischen Problemen ermöglicht. Das ist ein legitimes Ziel iSv § 33 (vgl auch die Ausführungen oben in Rz 12). Die Geschlechtertrennung ist für die Schaffung eines Männerraums erforderlich. Sie ist auch angemessen, weil es für Frauen zahlreiche alternative Angebote gibt.31
3. Schutz vor sexueller Belästigung 24 PC-Arbeitsplätze in einer Bücherei,32 die für Frauen reserviert sind, stellen eine positive Maßnahme gem § 34 dar. Wiederholte sexuelle Belästigungen von jungen Frauen und Mädchen durch Männer bei den PC-Arbeitsplätzen konnten trotz eines vermehrten Personaleinsatzes der Bücherei nicht wirksam bekämpft werden. Sexuelle Belästigungen, die im Übrigen als Diskriminierungen gelten (§ 35), benachteiligen Frauen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen und behindern die gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Bereitstellung von 4 der 49 PCs für Frauen war der Versuch der Bücherei, dem sozial-strukturellen Phänomen der Benachteiligung von Frauen durch sexuelle Belästigungen, das sich dort konkret manifestiert hatte, durch eine generelle Maßnahme entgegenzuwirken. Im Gegensatz dazu meinte die GBK, dass die Frauen-PCs geschlechtsspezifische Angebote gem § 33 seien, die dem legitimen Ziel des Schutzes der Privatsphäre und des sittlichen Empfindens der Frauen dienten (siehe oben Rz 5).33 Diese Argumentationsweise der GBK übersieht jedoch zum einen, dass Belästigungshandlungen von Männern gegen Frauen eine Diskriminierung darstellen und die Frauen-PCs der Bekämpfung dieser Benachteiligung dienten. Zum anderen ist der Rekurs auf das sittliche Empfinden der Frauen insofern problematisch, als er mit dem Risiko verbunden ist, dass daraus ein Argument konstruiert werden könnte, dass die Frauen dann eben nicht so überempfindlich sein sollten und die Belästigungshandlungen doch ganz harmlos seien. Die Definition von 31 Vgl Caritas der Erzdiözese Wien, Mädchentreff, caritas-wien.at/hilfe-ange bote/asyl-integration/ausbildung/maedchentreff/ (25.6.2019); Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen, Beratungsstellen, netz werk-frauenberatung.at/index.php (25.6.2019). 32 GBK, GBK III/44/09, Frauen-PCs. 33 GBK, GBK III/44/09, Frauen-PCs, 12.
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sexueller Belästigung als Diskriminierung, und zwar unabhängig von männlichen Maßstäben des Sittlichkeitsempfindens für Frauen, in der die hierarchisierenden Geschlechterbeziehungen zum Ausdruck kommen, ist eines der wesentlichen Errungenschaften im Antidiskriminierungsrecht.34 Dadurch ist eine Bezugnahme auf die Sittlichkeit für die Geltendmachung von Gleichstellungsansprüchen nicht mehr notwendig. Richtigerweise sind die Frauen-PCs der Bücherei daher als positive Maßnahmen gem § 34 anzusehen. (Zur Erfoderlichkeit und Angemessenheit siehe die Ausführungen zu § 34.)
4. Schutz der Intim- und Privatsphäre Räume, in denen Leute sich entkleiden, umkleiden oder (halb-)nackt 25 aufhalten, können zum Schutz der Privat- und Intimsphäre sowie des sittlichen Empfindens geschlechtergetrennt angeboten werden; sie stellen Angebote gem § 33 dar. Der Körper wird üblicherweise von Kleidung umhüllt und dabei vor der Außenwelt geschützt. Das Ablegen dieser Schutzschicht bedeutet in der Regel ein erhöhtes Empfinden der Verletzbarkeit und Verletzlichkeit, das mit einem Bedürfnis nach Schutz und Respektierung der persönlichen Integrität einhergeht. Bei diesem Schutzbedürfnis gibt es individuelle, regionale und kulturelle Unterschiede (das nackte geschlechtergemischte Saunieren würde etwa in Großbritannien auf Unverständnis stoßen, während es hierzulande durchaus üblich ist). In weiten Teilen der westlichen Gesellschaften hat sich im Umgang mit diesem Thema die räumliche Trennung von (halb-) nackten Körpern in der Öffentlichkeit entlang der Geschlechtergrenze etabliert. Das Erfordernis des Schutzes der Intim- und Privatsphäre erwächst 26 nicht aus einer strukturellen Benachteiligung von Frauen beim Zugang zu Saunen, Umkleideräumen udgl, das durch Frauensaunen ausgeglichen werden müsste. Diese Räume stellen keine positiven Maßnahmen gem § 34 dar. Es geht auch nicht darum, alle Männer unter einen Generalverdacht zu stellen, dass sie jedenfalls regelmäßig (halb-)nackte Frauen sexuell belästigen würden. Vielmehr geht es um das Unbehaglichkeitsgefühl, das mit der Nacktheit in Anwesenheit von Angehörigen des anderen Geschlechts einhergeht, das im Übrigen auch umge34 Wesentlich MacKinnon, Sexual Harassment of Working Women (1979) 174 und 192.
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§ 33Lee kehrt für Männer gelten mag. Es ist Ausdruck für ein Bedürfnis nach dem Schutz der Privat- und Intimsphäre, das jeder Mensch hat – wenn auch in individuell unterschiedlichen Ausprägungen.
5. Gewaltschutz 27 Man könnte die besondere Vulnerabilität von Frauen für häusliche Gewalt als Ausdruck ihrer systematischen Benachteiligung als Frauen ansehen und daher versucht sein, Frauenhäuser als Mittel zum Ausgleich dieser Benachteiligung zu sehen. Allerdings dienen Frauenhäuser nicht der Bekämpfung der Ursachen dieser größeren Vulnerabilität (zB finanzielle und emotionale Abhängigkeitsverhältnisse, Gewaltpräventionsarbeit), sondern bieten Schutz in einer akuten Gewaltsituation. Dies stellt ein eigenes legitimes Ziel dar, das über jenes von positiven Maßnahmen hinausgeht. Frauenhäuser sind daher keine positive Maßnahme gem § 34. 28 Die körperlichen, geistigen und emotionalen Verletzungen, die durch häusliche Gewalt zugefügt werden, gehen weit über das, was als Belästigung oder sexuelle Belästigung unter die Definition von Diskriminierung fällt, hinaus. Zwar ist diese Gewalt Ausdruck der gesellschaftlichhierarchisch nach wie vor untergeordneten Stellung von Frauen, doch verbietet es die Schwere der Gewalt, diese allein im antidiskriminierungsrechtlichen Sinne zu deuten.35 Dass Frauenhäuser explizit als ein Beispiel eines legitimen Zieles in Erwägungsgrund 16 der RL 2004/113/ EG und der Regierungsvorlage genannt werden, lässt ebenfalls darauf schließen, dass diese geschlechtsspezifische Angebote gem § 33 darstellen. 29 Die gleichen Überlegungen gelten für Frauenparkplätze, die als Präventionsmaßnahme gegen potentielle Gefahrensituationen und der Steigerung des subjektiven Sicherheitsempfindens von Frauen dienen. Zwar könnte man erwägen, dass über sichere Parkplätze die gleichberechtigte Teilnahme von Frauen am gesellschaftlichen Leben gefördert wird und deshalb von einer positiven Maßnahme gem § 34 ausgehen. Doch auch hier ist zu beachten, dass die Übergriffe, vor denen Schutz geboten werden soll, potentiell strafrechtliche Qualität haben und weit über den Anwendungsbereich des Antidiskriminierungs35 Lee (2019), 167.
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rechts hinaus gehen. Eine rein antidiskriminierungsrechtliche Behandlung wäre unangebracht.
6. Überschneidungen Das oben angesprochene Frauenwohnprojekt verfolgte als Ziel die 30 Schaffung einer solidarischen Frauenwohngemeinschaft,36 und kann als Variante des Bedürfnisses unter sich zu sein, beschrieben werden. Die Zusammensetzung der MieterInnen und die architektonische Gestaltung waren darauf ausgelegt, ein soziales Netzwerk zu schaffen, das die Isolationsgefahr bei älteren alleine lebenden Frauen bekämpfen, den gesundheitlichen und psychischen Belastungen von alleinerziehenden Frauen entgegenwirken und einen Übergang in ein autonomes Leben für Frauen mit Gewalterfahrungen bieten sollte. Das Projekt verfolgte das legitime Ziel einer solidarischen Frauenwohngemeinschaft und war ein geschlechtsspezifisches Angebot gem § 33, wie auch von der GBK festgestellt (siehe oben Rz 16). Darüberhinaus diente das Wohnprojekt jedoch auch der Gleichstellung, weil die statistisch nachweisbaren finanziellen Benachteiligungen (besonders für alleine lebende ältere Frauen) und Benachteiligungen, die sich aus dem Umstand ergeben, dass sie immer noch den weit überwiegenden Teil der Alleinerzieherinnen stellen, ebenfalls wesentlicher Ansatzpunkt des Projekts war. Es diente dem Ausgleich dieser strukturellen Benachteiligungen von Frauen und stellte somit auch eine positive Maßnahme gem § 34 dar. Es ist also möglich, dass es Überschneidungen zwischen den durch ein geschlechtsspezifisches Angebot verfolgten Zielen gibt, dh sowohl das Gleichstellungsziel als auch andere legitime Ziele verfolgt werden, und daher §§ 33 und 34 anwendbar sind. Auch Frauentreffs oder Mädchentreffs können neben dem Empower- 31 ment im Dienste der Geschlechtergleichstellung (siehe die Ausführungen zu § 34 Rz 12) auch schlicht einen Raum zur Freizeitgestaltung bieten, in dem sie unter sich bleiben können. Das Bedürfnis des UnterSich-Seins ist grundsätzlich eines, das von der Rechtsordnung als legitim angesehen wird. In diesen Räumen sollen hierarchische Geschlechtervorstellungen und deren sanktionierender Durchsetzung durch Burschen und Männer draußen bleiben, Mädchen und Frauen 36 GBK, GBK III/42/09, Frauenwohnprojekt.
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§ 34Lee sollen ungestört ihre Freizeit dort verbringen können. Die männliche Dominanz des öffentlichen Raums bedeutet, dass es für manche Mädchen und Frauen schwierig sein kann, kostenlose Räume zur Freizeitgestaltung außerhalb des (elterlichen) Heims zu finden, in denen sie frei von urteilenden und sanktionierenden männlichen Blicken schlicht Mensch sein können (und nicht in erster Linie Mädchen bzw Frauen, die sich auf bestimmte Art zu benehmen haben).37 Vgl auch die Ausführugen oben in Rz 12. Das mag angesichts des Gleichstellungsziels des gleichberechtigten Neben- und Miteinanders von Mädchen und Burschen (bzw Frauen und Männern) in allen Lebensbereichen zunächst sonderlich erscheinen. Doch solange diese Gleichstellung trotz idealer Wunschvorstellungen de facto nicht besteht und sich dadurch ein echtes Bedürfnis nach solchen Frauenräumen ergibt, besteht das Unter-Sich-Sein in geschützten kostenlosen Räumen der Freizeitgestaltung als eigenes legitimes Ziel gem § 33 neben dem Ziel der Gleichstellung. Sofern und soweit nicht nur Freizeiträume zum Unter-Sich-Sein, sondern auch weitere Förderungsmaßnahmen (zB Kurse, Beratungen, Workshops udgl) angeboten und in Anspruch genommen werden, stellen diese Räume zusätzlich positive Maßnahmen gem § 34 dar.
Positive Maßnahmen § 34. Die in Gesetzen, in Verordnungen oder auf andere Weise getroffenen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung, mit denen Benachteiligungen auf Grund eines in § 31 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Gesetzes. Literatur: Spitthöver, Frauen und Freiraum, in Dörhöfer (Hrsg), Stadt – Land – Frau, Forum Frauenforschung (1990) 81–103; Paravicini, Public Spaces as a Contribution to Egalitarian Cities, in Terlinden (Hrsg), City and Gender, Schriftenreihe der Internationalen Frauenuniversität „Technik und Kultur“ (2003) 57–80; Leaper/Ayres, A Meta-Analytic Review of Gender Variations in Adults’ Language Use. Talkativeness, Affiliative Speech, and Assertive Speech, Personality and 37 Vgl in Bezug auf Parkgestaltungen Stadt Wien, Geschlechtssensible Freiraumgestaltung – Geschäftsbereich Bauten und Technik, wien.gv.at/stadtentwicklung/alltagundfrauen/pdf/raum-la.pdf (27.6.2019).
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Positive Maßnahmen
§ 34
Social Psychology Review, 2007, 4, 328–363; AMS/WIFO, Gleichstellungsindex Arbeitsmarkt vom 2017 zu Eine Analyse des Geschlechterverhältnisses in Österreich; Becker, Raum. Feministische Kritik an Stadt und Raum, in Becker/Kortendiek/Budrich (Hrsg), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung2, Geschlecht & Gesellschaft (2008) 798–811; Becker/Kortendiek/Budrich, Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie2 (2008); Karpowitz/Mendelberg/Tali/Shaker, Gender Inequality in Deliberative Participation, Am. Polit. Sci. Rev., 2012, 03, 533–547; Mendelberg/Karpowitz/Oliphant, Gender Inequality in Deliberation. Unpacking the Black Box of Interaction, Perspect. polit., 2014, 01, 18–44; GBK, Gutachten zu Transportmitteln und Freizeiteinrichtungen, GBK III 37/08; GBK, Gutachten Geschlechtsspezifische Preisgestaltung in Gastronomiebetrieben (2015); Lee, Sex-Segregated Services. Their Place in European Anti-Discrimination Law and their Relationship to Positive Action Measures, ELRev 2019, Vol 44 (5), 646–662.
Inhaltsübersicht I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Unterschiedliche Konditionen als positive Maßnahme......................... 3 III. Frauenräume als positive Maßnahme....................................................... 5
I. Allgemeines Diese Regelung dient der Umsetzung von Art 6 RL 2004/113/EG und 1 entspricht inhaltlich dem § 8. Sie übernimmt weitgehend den Wortlaut der unionsrechtlichen Vorlage, die durchgehend einheitlich mit den Regelungen für das Merkmal ethnische Herkunft (Art 5 RL 2000/43) und das Merkmal Geschlecht im Bereich der Arbeitswelt (Art 157 Abs 4 AEUV, Art 3 RL 2006/54/EG) gestaltet ist. Inhaltlich grundlegend ist auf die Ausführungen zu §§ 8 und 22 zu verweisen. Zur Abgrenzung der positiven Maßnahmen gem § 34 von den ge- 2 schlechtsspezifischen Angeboten gem § 33 siehe die Ausführungen zu § 33 Rz 15–31.
II. U nterschiedliche Konditionen als positive Maßnahme Derzeit gibt es noch keine EuGH-Judikatur zu positiven Maßnahmen 3 im Zusammenhang mit Gütern und Dienstleistungen. Der VfGH stellte zu Fahrpreisermäßigungen für SeniorInnen für öffentliche Verkehrs755
§ 34Lee mittel1 fest, dass diese aufgrund der pauschalen Altersgrenze für Frauen ab dem 60. Lebensjahr und für Männer ab dem 65. Lebensjahr keine zulässige positive Maßnahme waren. Da das tatsächliche Pensionsantrittsalter nicht dem gesetzlichen entsprach, konnte der nötige Konnex zwischen den unterschiedlichen Altersgrenzen und einer höheren sozialen Bedürftigkeit nicht festgestellt werden. Außerdem war keine spezifische Benachteiligung von Frauen im Rahmen der Beförderung im öffentlichen Verkehrswesen erkennbar, die durch eine frühere Gewährung der Fahrpreisermäßigung hätte ausgeglichen werden können.2 Erwähnenswert ist der Fall über ermäßigte Fußballtickets für Frauen,3 in dem der VfGH die Frage nach einer positiven Maßnahme nicht beantwortete, weil der Kläger keinen Schaden nachweisen konnte. Es war nämlich keineswegs klar, dass eine Gleichbehandlung bei den Ticketpreisen dazu geführt hätte, dass alle Tickets billiger geworden und nicht umgekehrt alle Ticketpreise auf das höhere Niveau angehoben worden wären. 4 In einigen GBK-Fällen wurden Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts mit einer positiven Maßnahme gem § 34 argumentiert. Im Fall der sogenannten Ladies Nights in Diskotheken, bei denen nur Frauen verbilligt oder gratis Eintritt bzw Getränke angeboten wurden, argumentierten die Diskothekenbetreiber regelmäßig mit der finanziell benachteiligten Stellung von Frauen (Stichwort „Gender Pay Gap“). Die speziellen Angebote, so wurde argumentiert, sollten als positive Maßnahme dieser Benachteiligung entgegenwirken. Die GBK folgte dieser Begründung nicht und erkannte richtigerweise, dass die Diskothekenbetreiber durch das Anwerben von weiblicher Kundschaft den abendlichen Diskothekenbesuch für männliche Kunden attraktiver gestalten wollten. Frauen wurden also in erster Linie als „Lockvögel“ für männliche Kundschaft benützt, um den wirtschaftlichen Interessen der Diskothekenbetreiber zu dienen. 4 Anders formuliert, handelt es sich
1 VfGH 15.12.2010, V39/10 ua, Senioren-Fahrpreisermäßigung. 2 Vgl GBK 8.1.2009, GBK III 37/08, Gutachten zu Transportmitteln und Freizeiteinrichtungen, 15–16. 3 VfGH 11.12.2009, A1/09, Fußballtickets. 4 GBK Oktober 2013, GBK III/120/13, Diskothek X; III/48/09, Diskothek freier Eintritt für Frauen; GBK III/110/12, Diskothek günstiger Eintrittspreis für Frauen; GBK, Gutachten Geschlechtsspezifische Preisgestaltung in Gastronomiebetrieben (2015).
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Positive Maßnahmen
§ 34
bei solchen Fällen um eine wirtschaftlich motivierte Ausnützung eines sexualisierten Frauenbilds.5
III. Frauenräume als positive Maßnahme Viele positive Maßnahmen im Bereich der Güter und Dienstleistungen 5 funktionieren über die Schaffung eines geschützten Frauenraumes. So wie etwa das oben erwähnte geförderte Wohnprojekt für Frauen (vgl Ausführungen zu § 33 Rz 10, 16, 30). Die bevorzugte Vergabe von Mietverträgen an Frauen war erforderlich, um der Benachteiligungen von Frauen in Bezug auf sicheren Wohnraum entgegenzuwirken. Sie war auch angemessen, angesichts des verschwindend kleinen Anteils von 38 Wohnungen im Projekt gegenüber den rund 20.000 sonstigen Wohnungen des Bauträgers – man bedenke, dass darin die geförderten Wohnungen aller anderen Wohnungsvermieter auf dem Wohnungsmarkt noch nicht eingerechnet sind. Weitere Beispiele für positive Maßnahmen sind Frauenförderungskurse und -programme, wie beispielsweise das Programm „FiT: Frauen in Handwerk und Technik“ des AMS, das Frauen den Zugang zu traditionell männlich konnotierten technischen Berufen erleichtern soll,6 oder der Kurs „Wiedereinstig mit Zukunft“ der die Reintegration von Frauen in der Arbeitswelt nach einer durch Familiengründung bedingten Berufsunterbrechung fördert.7 Im Zusammenhang mit der Schaffung von Frauenräumen ist zu beden- 6 ken, dass Raum ein ungleich verteiltes Gut ist. Das zeigt sich sowohl in der flächenmäßigen Verteilung8 als auch in dem Phänomen, dass 5 Vgl Lee, Sex-Segregated Services. Their Place in European Anti-Discrimination Law and their Relationship to Positive Action Measures, ELRev 2019, Vol 44 (5), 646–662. 6 AMS, FiT – Frauen in Handwerk und Technik, ams.at/arbeitsuchende/ka renz-und-wiedereinstieg/so-unterstuetzen-wir-ihren-wiedereinstieg/fit--frauen-in-technik-und-handwerk (17.6.2019). 7 AMS, Wiedereinstieg mit Zukunft, ams.at/arbeitsuchende/frauen/wiederein stieg-mit-zukunft (17.6.2019). 8 Siehe den Überblick in Becker, Raum, in Becker/Kortendiek/Budrich (Hrsg), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie2, Geschlecht & Gesellschaft (2008) 798–811, in dem nicht nur auf die flächenmäßige Verteilung, sondern auch auf benachteiligend wirkende Siedlungsstrukturen und Mobilitätskonzepte hingewiesen wird. Über die Verfüg-
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§ 34Lee Männer in gemischtgeschlechtlicher Interaktion und Konversation überproportional viel Raum – iSv physischer Ausbreitung, Redezeit9 sowie zugeschriebenem Einfluss10 – einnehmen. Die gezielte Schaffung von Frauenräumen, in denen Frauen „Raum einehmen“ können, zu Wort kommen können und auch frauenspezifische Themen (zB Umgang mit sexueller Belästigung in männerdominierten Arbeitsplätzen, Schwangerschaft, Geburt, häusliche Gewalt, Missbrauchserfahrungen) besprechen können, dient dem Ausgleich für diese Benachteiligungen. Selbstverständlich gibt es genügend Frauen, die keine Schwierigkeiten haben, sich gegenüber Männern durchzusetzen und ihren gebührenden Raum einzunehmen. Die hier relevanten positiven Maßnahmen sind jedoch an die Zielgruppe jener zahlreichen Frauen gerichtet, die besonders von einem Frauenraum profitieren können, die sich in gemischt-geschlechtlichen Kursen mit ihren Wortmeldungen zurückhalten würden. Wenn bestimmte frauenspezifische Themen, die zum Teil auch die Privat- und Intimsphäre betreffen in einem gemischt-geschlechtlichen Raum nicht oder nicht effektiv angesprochen werden können und der eigentliche Zweck der Kurse nicht oder nur mangelhaft erreicht werden kann, dann ist die Geschlechtertrennung erforderlich und angemessen im Verhältnis zu den tatsächlichen Benachteiligungen von Frauen. 7 Letztlich wird für die Verhältnismäßigkeit von geschlechtergetrennten positiven Maßnahmen entscheidend sein, ob es auch alternative Angebarkeit von Raum für Frauen, siehe auch Spitthöver, Frauen und Freiraum, in Dörhöfer (Hrsg), Stadt - Land - Frau. Soziologische Analysen, feministische Planungsansätze, Forum Frauenforschung (1990) 81–103. Zur unterschiedlichen Beanspruchung von öffentlichem Raum, siehe etwa Paravicini, Public Spaces as a Contribution to Egalitarian Cities, in Terlinden (Hrsg), City and Gender. International Discourse on Gender, Urbanism and Architecture, Schriftenreihe der Internationalen Frauenuniversität „Technik und Kultur“ (2003) 57–80 (70). 9 Vgl Leaper/Ayres, A Meta-Analytic Review of Gender Variations in Adults’ Language Use. Talkativeness, Affiliative Speech, and Assertive Speech, Personality and Social Psychology Review 2007, 328 (353); Karpowitz/Mendelberg/Tali/Shaker, Gender Inequality in Deliberative Participation, Am Polit Sci Rev 2012, 533 (538); für das Phänomen der vermehrten negativen Unterbrechungen siehe Mendelberg/Karpowitz/Oliphant, Gender Inequality in Deliberation. Unpacking the Black Box of Interaction, Perspect polit 2014, 18 (23). 10 Vgl Karpowitz/Mendelberg/Tali/Shaker, Am Polit Sci Rev 2012, 542.
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Belästigung und sexuelle Belästigung
§ 35
bote gibt, die Männern mit ähnlichem Förderungsbedürfniss gerecht werden. ZB könnten manche der immer noch äußerst kleinen Zahl von Männern, die nach einer Berufsunterbrechung zur Kinderbetreuung wieder ins Arbeitsleben einsteigen möchten,11 ebenfalls Unterstützung bei der Rückkehr ins Arbeitsleben benötigen. Diese sollten Zugang zu entsprechenden alternativen Angeboten haben.12 Wo eine gewisse Vielfalt von Angeboten gegeben ist, wird die Verhältnsimäßigkeit in der Regel gegeben sein. Aus dem Gleichstellungszweck ergibt sich, dass das letztendlich angestrebte Ziel immer sein sollte, dass Frauen und Männer generell gleichberechtigt nebeneinander gleichermaßen von Beratungs- und Schulungsmaßnahmen profitieren können. In jenen Fällen, in denen diese Gleichstellung de facto (noch) nicht besteht und es Frauen gibt, deren Benachteiligungen effektiv durch Frauenräume entgegengewirkt werden können, sind solche positive Maßnahmen als zulässig anzusehen.
Belästigung und sexuelle Belästigung § 35. (1) Unerwünschte, unangebrachte oder anstößige Verhaltens-
weisen, die im Zusammenhang mit einem der Gründe nach § 31 oder der sexuellen Sphäre stehen, und bezwecken oder bewirken, 1. dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird und 2. ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird, gelten als Diskriminierung. (2) Eine Diskriminierung liegt auch vor 1. bei Anweisung zur Belästigung oder sexuellen Belästigung oder 2. wenn die Zurückweisung oder Duldung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung durch die belästigte Person zur Grundlage einer diese Person berührenden Entscheidung gemacht wird. 11 AMS/WIFO, Gleichstellungsindex Arbeitsmarkt vom 2017 zu Eine Analyse des Geschlechterverhältnisses in Österreich, 61–62. 12 Vgl EuGH 19.3.2002, C-476/99, H. Lommers v. Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij, Rz 44.
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§ 35Lee (3) Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn eine Person auf Grund ihres Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Geschlechts oder wegen deren ethnischer Zugehörigkeit belästigt oder sexuell belästigt wird. 1 § 35 übernimmt weitgehend den Wortlaut von Art 2 Abs 3 RL 2000/43/ EG sowie Art 2 lit c und d RL 2004/113/EG. Die Definition der (sexuellen) Belästigung wurde auf EU-Ebene für alle Merkmale in und außerhalb der Arbeitswelt vereinheitlicht (vgl auch Art 2 Abs 1 lit c und d RL 2006/54/EG für das Merkmal Geschlecht; Art 2 Abs 2 RL 2000/78/EG für die Merkmale Religion bzw Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Ausrichtung). Die innerösterreichischen Formulierungen in §§ 6, 7 und 21 sind hingegen unverändert geblieben. Eine systematische Betrachtung ergibt, dass diese Begriffe innerhalb und außerhalb der Arbeitswelt im GlBG sowie im EU-Antidiskriminierungsrecht einheitlich auszulegen sind. Es ist daher auf die Ausführungen zu §§ 6, 7 und 21 zu verweisen. 2 Zur Frage nach der Haftung der LeistungserbringerInnen für Belästigungen durch ihre MitarbeiterInnen gem § 1313a ABGB siehe die Ausführungen zu § 31 Rz 16–17. 3 Beispiele für Belästigungen aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit sind etwa Mitarbeiterinnen eines Geschäfts, die eine Frau afrikanischer Herkunft und dunklerer Hautfarbe des Diebstahls verdächtigten, ihr auf die Straße folgten und verlangten, dass sie wieder ins Geschäft zurückkäme. Nachdem sich der Verdacht als falsch erwiesen hatte, forderten die Mitarbeiterinnen die Frau ohne Entschuldigung auf, das Geschäft zu verlassen und beschimpften sie mit den Worten „Neger“ bzw „Nigger“.1 Ein Mitarbeiter einer Bar beschimpfte Kunden als „Scheißitaliener“.2 Eine Partnervermittlungsagentur verweigerte einer Kundin den Rücktritt vom Vertrag und beschimpfte sie als „Balkanese“ und „dumme Polin“.3 Ein Hotel beschimpfte Gäste indischer Herkunft mit den Worten: „Ihr verdammten, schmutzige Leute aus den Dritte-WeltLändern“ und: „Ihr braune Leute sei dumme Arschlöcher und wisst nichts.“4 Eine Belästigung könnte auch durch KursleiterInnen im Rah1 2 3 4
GBK, GBK III/45/09, Diebstahlsverdacht. GBK, GBK III/81/11, „Scheißitaliener“. GBK, GBK III/49/09, Partnervermittlung. GBK, GBK III/106/12, Rassistisches Hotel, 14.
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Gebot des diskriminierungsfreien Inserierens von Wohnraum
§ 36
men von Kursen in Form von bösen Blicken, Anschreien, Ignorieren oder Lustigmachen erfolgen.5 Eine Diskriminierung aufgrund des Gechlechts durch Belästigung 4 stellte die GBK etwa im Fall eines Lokals fest, das einen venezianischen Spiegel zwischen der Damen- und der Herrentoilette installiert hatte, wodurch je nach Lichteinstellung die Herren während des Urinierens den Waschbereich der Damentoilette beobachteten bzw die Damen aus dem Waschbereich die Herren beim Urinieren beobachteten.6 Beispiele sexueller Belästigungen im Zusammenhang mit Leistungser- 5 bringungen sind etwa der Masseur, der im Zuge einer Ganzkörpermassage seine Klientinnen körperlich sexuell belästigte;7 oder der Handwerker, der eine Waschmaschine in der Wohnung der Kundin reparieren sollte sie durch Berührungen sexuell belästigte;8 ein Fahrlehrer, der seiner Fahrschülerin gegenüber anzügliche Bemerkungen machte, sie anwies, an einer „schönen“ Stelle am Waldrand zu halten, und sie am Oberschenkel und Nacken berührte.9
Gebot des diskriminierungsfreien Inserierens von Wohnraum § 36. Niemand darf Wohnraum in diskriminierender Weise inserie-
ren oder durch Dritte inserieren lassen. Eine Diskriminierung liegt nicht vor, wenn die Anforderung an das betreffende Merkmal durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Eine Diskriminierung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn durch die Bereitstellung von Wohnraum ein besonderes Nahe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Materialien: Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 938 BlgNR 24. GP. 5
6 7 8 9
Vgl GBK Juni 2008, GBK III/29/07, Kurs für Studienberechtigungsprüfung. Allerdings wurde in dem konkreten Fall der Sachverhalt als nicht gegeben erachtet. GBK, GBK III/127/13, Venezianischer Spiegel in Toilette. GBK, III/179/15, Sexuelle Belästigung bei Massage. Gleichbehandlungsanwaltschaft, Beispiele aus der Beratung, gleichbehand lungsanwaltschaft.gv.at/beispiele-aus-der-beratung (11.6.2019). GBK, GBK III/71/10, Fahrschule.
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§ 36Lee Literatur: Wakolbinger, Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gemäß §§ 23 Abs 1 GlBG im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (März 2013); Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung. Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU2 (2014); Hopf/Mayr/Eichinger/ Erler, GlBG2 (2021).
1 Diese Regelung wurde durch die Gesetzesnovelle 20111 eingefügt, obwohl ein Verbot von diskriminierenden Wohnungsinseraten weder durch RL 2004/113/EG noch RL 2000/43/EG explizit vorgegeben ist. Der Gesetzgeber sah dies als notwendig an, da Diskriminierungen bereits bei Inseraten beginnen und Formulierungen wie „keine Ausländer/innen“ odgl regelmäßig anzutreffen sind.2 2 Tatsächlich wäre ein ausdrückliches Verbot des diskriminierenden Inserierens nicht notwendig gewesen, weil bereits die öffentliche Ankündigung einer Diskriminierung ohne Identifizierung konkret betroffener Individuen als Diskriminierungen gelten, wie der EuGH im Fall Feryn in Bezug auf ein Stelleninserat3 und der VwGH im Zusammenhang mit einem Facebook-Posting einer Lokalbetreiberin festgestellt hat.4 Siehe die Ausführungen zu § 32 Rz 6–10. 3 Nicht vom Verbot erfasst sind Verlage oder Betreiber von Internetplatformen, in denen die Inserate erscheinen.5 Der Wortlaut in § 36 bezieht sich ausdrücklich auf Wohnraum, wodurch man geneigt sein könnte zu schließen, dass Inserate für Geschäftsräumlichkeiten nicht vom Diskriminierungsverbot erfasst seien.6 Allerdings fallen Geschäftsräumlichkeiten als sonstige Güter und Dienstleistungen ohnehin in den Geltungsbereich der Diskriminierungsverbote. Aus der Judikatur ergibt sich, dass bereits die öffentliche Ankündigung einer Diskriminierung 1 Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz, das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz geändert werden. GlBG-Novelle 2011, BGBl I Nr 7/2011. 2 Vgl Erläuterungen zur Regierungsvorlage (10), 938 BlgNR 24. GP. 3 Vgl EuGH 10.7.2008, C-54/07, Centrum voor gelijkheid van kansen en voor racismebestrijding v. Firma Feryn NV, Rz 25. 4 VwGH 24.4.2018, Ro 2017/03/0016, Facebook-Posting „asylantenfrei“, Rz 23. 5 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG-Novelle 2011 § 36 Rz 3; Heidinger/Kasper, Antidiskriminierung. Rechtliche Gleichbehandlung in Österreich und in der EU2 (2014) 70. 6 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger § 36 Rz 4; Heidinger/Kasper (2014), 70.
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Gebot des diskriminierungsfreien Inserierens von Wohnraum
§ 36
– auch im Zusammenhang mit der Versorgung und dem Zugang zu sonstigen Gütern und Dienstleistungen – bereits eine unzulässige Diskriminierung darstellt. Ein diskriminierendes Inserat für Geschäftsräumlichkeiten ist somit bereits vom Diskriminierungsverbot in § 31 erfasst.7 Siehe auch die Ausführungen zu § 32 Rz 6–10. Unter den Begriff des Wohnraums können neben Wohnungen und 4 Häuser auch Zimmer in Wohngemeinschaften, Hotelzimmer, Betten in Jugendherbergen, Ferienwohnungen udgl fallen. Die Vertragsform (Miete, Kauf, Pacht, Leasing etc), mit welcher der Raum zur Verfügung gestellt wird/würde, ist ebenfalls unerheblich.8 Eine genaue Abgrenzung zwischen Wohnräumen und anderen Arten von Räumen bzw zwischen Wohnräumen und anderen Arten von Gütern und Dienstleistungen erübrigt sich in Wahrheit jedoch. Das diskriminierende Inserieren bezüglich aller Arten von Gütern und Dienstleistungen ist als Diskriminierung beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen bereits gem § 31 verboten. Vgl die Ausführungen oben zu § 32 Rz 6–10. § 36 enthält eine Ausnahmeregelung, wodurch eine Ungleichbehand- 5 lung im Inserat durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein kann, wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. In der Regierungsvorlage wird das damit begründet, dass Fälle, in denen besondere Rücksicht auf Bedürfnisse einer bestimmten Bevölkerungsgruppe genommen wird, wie etwa im Frauenwohnprojekt9 (vgl Ausführungen zu §§ 33 Rz 10, 16, 30 und 34 Rz 5), weiterhin möglich sein sollen.10 Als weiteres Beispiel der Ausnahmeregelung wird die Fallkonstellation 6 genannt, in der Wohnraum im gleichen Haus, das auch von den VermieterInnen bzw deren Angehörigen bewohnt wird, vermietet wird. Im Gesetzestext ist die Rede von einem „besondere[n] Nahe- oder Vertrauensverhältnis“. Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit dem Merkmal Geschlecht in Wahrheit obsolet, weil sich für diese Fallkon7 In diesem Sinne auch Wakolbinger, Gutachten zum Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung gemäß §§ 23 Abs 1 GlBG im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (März 2013), 7. 8 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG-Novelle 2011 Rz 4–5; Heidinger/Kasper (2014), 70 9 GBK 17.9.2009, GBK III/42/09, Frauenwohnprojekt. 10 ErlRV 938 BlgNR 24. GP (10).
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§ 36Lee stellationen bereits aus Art 3 Abs 1 RL 2004/113/EG und § 30 Abs 3 Z 1 eine Ausnahme für den Bereich des Privat- und Familienlebens ergibt, die genau solche Fälle abdecken soll (vgl die Ausführungen zu § 30 Rz 20). 7 Interessanter ist diese Ausnahmeregelung für das Privat- und Familienleben im Zusammenhang mit dem Merkmal ethnische Zugehörigkeit, weil es für dieses Merkmal keine entsprechende ausdrückliche Ausnahmeregelung in § 30 oder der RL 2000/43/EG gibt. Nach dem Wortlaut von § 36 erscheint es, dass beispielsweise ein Inserat für ein Zimmer in einer Wohnung oder einem Haus, in welchem der/die VermieterIn selbst auch wohnt, mit dem Zusatz: „keine AusländerInnen“ grundsätzlich einer Rechtfertigung zugänglich wäre. Sollte das bedeuten, dass sich überzeugte RassistInnen auf ihre Weltanschauung und Privatsphäre berufen können, um ein rassistisches Inserat für ihr Untermietzimmer zu rechtfertigen?11 Angesichts des Umstands, dass weder die unionsrechtliche Vorgabe in RL 2000/43/EG noch die Definition des Geltungsbereichs in § 30 eine entsprechende Ausnahmeregelung in Bezug auf das Privat- und Familienleben enthalten, ist in einer systematischen, europarechtskonformen, teleologische Interpretation der überschießende Wortlaut des § 36 derart eng auszulegen,12 dass die Anwendung auf das Merkmal ethnische Zugehörigkeit weitestgehend ausgeschlossen ist. Jedenfalls ist bei der Beurteilung, ob ein Ziel legitim ist sowie ob die Differenzierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit angemessen und erforderlich ist, ein äußerst enger Maßstab anzulegen.
11 Vgl den Fall des tiefreligiösen christlichen Konditors, der sich geweigert hatte, eine Hochzeitstorte für eine Hochzeit eines gleichgeschlechtlichen Paares zu verkaufen; US Supreme Court 4.6.2018, No 16–111, Masterpiece Cake shop, Ltd. v. Colorado Civil Rights Commission. 12 Ausnahmen vom individuellen Recht auf Gleichbehandlung sind grundsätzlich eng auszulegen; vgl EuGH 17.10.1995, C-450/93, Kalanke v. Freie Hansestadt Bremen, Rz 21; 11.11.1997, C-409/95, Marschall v. Land NordrheinWestfalen, Rz 32; 19.3.2002, C-476/99, H. Lommers v. Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij, 39.
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Strafbestimmungen
§ 37
Strafbestimmungen § 37. (1) Wer Wohnraum entgegen den Bestimmungen des § 36 in diskriminierender Weise inseriert, ist auf Antrag eines/einer Interessenten/Interessentin, des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen oder des/der Regionalanwaltes/Regionalanwältin beim ersten Verstoß von der Bezirksverwaltungsbehörde zu ermahnen und bei weiteren Verstößen mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen. (2) In einem auf Antrag des/der Anwalts/Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen oder des/der Regionalanwaltes/Regionalanwältin eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung des § 36 ist dieser/diese Anwalt/Anwältin oder dieser/diese Regionalanwalt/Regionalanwältin Partei. Diesem/ dieser Anwalt/Anwältin oder diesem/dieser Regionalanwalt/Regionalanwältin steht das Recht auf Beschwerde gegen Bescheide und Einspruch gegen Strafverfügungen zu. Literatur: Ludwig/Frey, „Kein Eintritt für Flüchtlinge“. Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, VbR 2016, 26
Diese Regelung sieht eine Verwaltungsstrafe für das diskrimierende In- 1 serieren von Wohnraum vor. Er ist nahezu wortgleich der Strafbestimmung für diskriminierende Stelleninserate in § 10 Abs 1 und 4 nachgebildet, weshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird. Im Zusammenhang mit der Ermahnung beim erstmaligen Verstoß gem 2 § 37 Abs 1 hat das LVwG Vorarlberg festgestellt, dass diese als lex specialis vorrangig anzuwenden ist gegenüber der allgemeinen Bestimung des § 45 Abs 1 letzter Satz VStG, die ebenfalls eine Möglichkeit zur Ermahnung vorsieht.1 Eine weitere verwaltungsstrafrechliche Regelung befindet sich in 3 Art III Abs 1 Z 3 EGVG.2 Wer „einen anderen aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung diskriminiert oder ihn hindert, 1 LVerwG Vorarlberg 14.7.2014, LVwG-1-388/R4-2014, Wohnungsinserat „bevorzugt an Inländer“. 2 Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl I Nr 87/2008.
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§ 38
Kletec�ka / Köck
Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch bestimmt sind“, begeht demnach eine Verwaltungsübertretung.3 4 Weiters sieht § 87 Abs 1 Z 3 GewO vor, dass von der Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen ist, wenn „der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt“.4 Zu diesen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen gehört das Gebot der Nicht-Diskriminierung gem Art III Abs 1 Z 3 EGVG.5
Rechtsfolgen der Verletzung des Gleich behandlungsgebotes § 38. (1) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 31 hat
die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. (2) Bei einer Belästigung oder sexuellen Belästigung nach § 35 hat die betroffene Person gegenüber dem/der Belästiger/in Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens. Soweit der Nachteil nicht nur in einer Vermögenseinbuße besteht, hat die betroffene Person zum Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung Anspruch auf angemessenen, mindestens jedoch auf 1 000 Euro Schadenersatz. (3) Insoweit sich im Streitfall die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 31 oder 35 beruft, hat er/ sie diesen glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt es bei Berufung auf § 31 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 32 Abs. 2 oder des § 33 vorliegt. Bei Berufung auf § 35 obliegt es 3 Vgl VwGH 24.4.2018, Ro 2017/03/0016, Facebook-Posting „asylantenfrei“. 4 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl Nr 194/1994. 5 Vgl Ludwig/Frey, „Kein Eintritt für Flüchtlinge“. Diskriminierungsschutz beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, VbR 2016 (48).
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Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes
§ 38
dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen. (4) Die Einbringung eines Antrages auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes oder ein amtswegiges Tätigwerden der Kommission zur Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bewirken die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung. (5) Wird dem/der von der Diskriminierung Betroffenen nachweislich 1. ein Prüfungsergebnis der Kommission im Einzelfall oder 2. ein Schreiben der Geschäftsführung der Kommission, aus dem hervorgeht, dass die Voraussetzungen für die Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes im Einzelfall nicht bzw. nicht mehr vorliegen, zugestellt, beendet die Zustellung die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung. Nach der Zustellung steht dem/der Betroffenen zur Erhebung der Klage zumindest noch eine Frist von drei Monaten offen. War die ursprüngliche Frist kürzer, so steht dem/der Betroffenen nur diese offen. (6) Ansprüche nach Abs. 1 und 2, die auch auf den Diskriminierungsgrund der Behinderung gestützt werden, können nur nach vorheriger Durchführung eines Schlichtungsverfahrens beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen gerichtlich geltend gemacht werden. Für die Geltendmachung dieser Ansprüche gelten die §§ 10 und 11 des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 82/2005. (7) Die Höhe der Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung ist so zu bemessen, dass dadurch die Beeinträchtigung tatsächlich und wirksam ausgeglichen wird und die Entschädigung der erlittenen Beeinträchtigung angemessen ist sowie Diskriminierungen verhindert. Literatur: B. Beclin, Gutachtliche Stellungnahme zur Frage der Haftpflichtigen und der Verantwortung für Dritte nach dem III. Teil des GlBG, Homepage der Gleichbehandlungsanwaltschaft, https://www.gleichbehandlungsanwaltschaft. gv.at/dam/jcr:521dece7-b5ca-4175-a568-c5a695bc8a25/Gutachtliche%20Stel lungnahme%20zur%20Frage%20der%20Haftpflichtigen.pdf.
Siehe allgemein die Kommentierungen zu §§ 12 und 26, insb § 12 1 Rz 1–15 und 53 ff, § 26 Rz 1–3, sowie zur Beweislast § 12 Rz 56 ff. Es 767
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besteht lediglich ein sehr allgemeiner unionsrechtlicher Hintergrund in Art 8 Abs 2 Güter-GB-RL und Art 15 AR-RL. Ein spezieller unionsrechtlicher Hintergrund besteht betreffend die Beweiserleichterung in Art 9 Güter-GB-RL und in Art 8 AR-RL. Da der III. Teil Diskriminierungen nur außerhalb der Arbeitswelt erfasst, erübrigen sich die auf die einzelnen Phasen des Dienstverhältnisses abstellenden Differenzierungen der §§ 12 und 26. Der Gesetzgeber hat hier auch von Beginn an den Schadenersatz als alleinige Rechtsfolge vorgesehen, und zwar ausnahmslos in Form des Vermögensschadens und der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung. Es besteht lediglich eine Sonderregel, und zwar zugunsten einer Mindestschadenersatz von nunmehr (seit der Novelle 2011) € 1.000,– bei Belästigung. Der Gesetzgeber hat hier auf Erfüllungsansprüche (Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands) verzichtet. Man muss daher annehmen, dass solche Ansprüche bzw Rechtsfolgen hier auch nicht bestehen. Durch die Bestimmungen der Novelle 2011 wurden in Abs 4–5 gleichlautende Bestimmungen über die Fristenhemmung für die Geltendmachung von Ansprüchen eingeführt, wie in den Teilen I. und II. (§§ 15, 29 jeweils Abs 2–3). Die Regelung hat hier aber insofern eine andere Bedeutung als in den §§ 15 und 29, weil § 38 ausschließlich Schadenersatzansprüche gewährt und keine kurzen (14-tägige, sechs-monatige oder 12-monatige) Fristen vorsieht wie die §§ 15, 29. Für diese Schadenersatzansprüche des § 38 greift also stets die allgemeine Verjährungsbestimmung des § 1489 ABGB ein, sodass die Ansprüche in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger verjähren. Diese Frist kann dann durch die Abs 4–5 gehemmt werden. Zur Auslegung dieser Hemmungsregeln siehe § 15 Rz 15 ff. 2 Spezielle Probleme wirft § 38 hinsichtlich der Frage des Haftenden auf. Die Frage, wer wofür haftet und wen eine Abhilfeverpflichtung trifft, ist deutlich weniger genau geregelt, als im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, sodass die Zurechnungsfragen komplexer und unklarer sind.1 Dazu kommt, dass außerhalb des Arbeitsverhältnisses die für das Arbeitsverhältnis typische polare Beziehung zwischen AG einerseits und AN andererseits aufgelockert ist. Richtiger Weise sollte aber auch hier – wie im Arbeitsverhältnis – das Diskriminierungsverbot als primär 1 Dazu im Detail § 31 Rz 3–5 u 17, sowie ausführlich bei B. Beclin, Stellungnahme.
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Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes
§ 38
gegen den Anbieter der Leistung gesehen werden, der (auch im vorvertraglichen Kontext) in der Folge für die Handlungen seiner Gehilfen via § 1313a ABGB (per analogiam) einzustehen hat (s auch § 31 Rz 16 f u § 12 Rz 13 ff). Das Diskriminierungsverbot bezieht sich speziell auf Situationen des vertraglichen Leistungsaustauschs oder dessen Anbahnung, sodass die Haftung des Leistungsanbieters, auch für seine Gehilfen, sachgerecht ist. Auch hier ist allerdings bei der Belästigung aufgrund der gesetzlich vorgesehenen direkten Haftung des Belästigers gem Abs 2 eine Haftung des Leistungsanbieters für einen dazwischentretenden Belästiger nicht ohne weiteres gegeben (s für das Arbeitsverhältnis zur Frage der Haftung des AG im Detail § 12 Rz 15 mwH auf die Rsp). Für nicht zutreffend halten wir hingegen die Ansicht von B. Beclin,2 wonach das Diskriminierungsverbot des § 31 (auch) eine direkte (als deliktisch bezeichnete) Haftung jeder Person, die in den Zugang zur relevanten Leistung involviert ist, auslöst. Das ist konzeptionell mit dem an einen vertraglichen Kontext anknüpfenden Diskriminierungsverbot nicht gut vereinbar. Abs 6 betreffend die Mehrfachdiskriminierung, die eine Diskriminie- 3 rung wegen einer Behinderung einschließt, entspricht nun (Novelle 2008) den §§ 15, 29 jeweils Abs 4 (Zwangsschlichtungsverfahren), allerdings wird hier auf die §§ 10, 11 BGStG verwiesen anstatt auf die §§ 7k, 7n und 7o BEinstG. Das ist konsequent, weil ja das BGStG die Diskriminierung aufgrund einer Behinderung außerhalb des Arbeitsverhältnisses regelt. Im Übrigen sind die verwiesenen Bestimmungen im BGStG und im BEinstG sehr ähnlich. Zu beachten ist allerdings, dass auch nach dem BGStG bei Belästigung eine Verjährungsfrist von einem Jahr gilt (§ 10 Abs 3 BGStG). Das bedeutet, dass bei einer Mehrfachbelästigung der Aspekt der Belästigung wegen einer Behinderung bereits verjährt sein kann, sodass die Mehrfachbelästigung nur noch im Sinn einer „Einfach“-Belästigung geltend gemacht werden kann. Zu dem Zusammenspiel mit dem Schlichtungsverfahren näher bei § 15 Rz 18 f. Abs 7 betreffend die Höhe des immateriellen Schadens entspricht (seit 4 der Novelle 2013) §§ 12, 26 jeweils Abs 14. Auf die dazu bestehende Rsp wird daher in gewissem Umfang verwiesen werden können, s § 12 Rz 65 ff.
2 Stellungnahme 2–10; ähnlich offenbar zu § 31 Rz 6 aE.
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§ 39
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5 Bemerkenswert ist allerdings, dass die klarstellende Spezialregel für die Höhe des Schadenersatzes bei Mehrfachdiskriminierungen in §§ 12, 26 jeweils Abs 13 (s § 12 Rz 61 f) hier nicht aufgenommen wurde. Eine Erklärung für diese Fehlen liefern die Mat nicht. Da diese Bestimmung ohnehin weitgehend deklaratorisch ist, sollte das Fehlen in § 38 nichts ausmachen und eine Lückenschließung durch Analogie1 nicht nötig sein, aber auch nicht schaden. Rsp dazu liegt unter § 38 noch keine vor.
Benachteiligungsverbot § 39. Als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung ei-
nes Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes darf der/die Einzelne nicht benachteiligt werden. Auch eine andere Person, die als Zeuge/Zeugin oder Auskunftsperson in einem Verfahren auftritt oder die Beschwerde unterstützt, darf als Reaktion auf eine solche Beschwerde oder die Einleitung eines solchen Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht benachteiligt werden. § 38 gilt sinngemäß. 1 Siehe die Kommentierung zu § 13. Die Bestimmung ist gänzlich parallel zu § 13 (und § 27) strukturiert. Der unionsrechtliche Hintergrund liegt in den Art 10 Güter-GB-RL und Art 9 AR-RL, jeweils unter dem Titel der Viktimisierung. Die Regelung entstammt unmittelbar § 36 der Stammfassung des GlBG, die eine grundsätzliche Regelung zum Benachteiligungsverbot nach dem Muster von § 13 enthielt. Seit der Novelle 2008 werden in Satz 2 auch die unterstützenden Dritten (Zeugen etc) erfasst. Seit der Novelle 2011 ist die Bestimmung als § 39 Teil des III. Teiles. 2 Anders als § 13 erwähnt diese Bestimmung nicht speziell die Entlassung bzw Kündigung als Benachteiligungsmaßnahme, sondern enthält lediglich ein allgemeines Benachteiligungsverbot. Der Grund dafür mag gewesen sein, dass, weil Teil III. Diskriminierungen außerhalb der Arbeitswelt erfasst, die spezielle Regelung für Entlassungen und Kündigungen als nicht erforderlich anzusehen ist, weil die Beendigung der Vertragsbeziehung nicht die typische Benachteiligungshandlung sein mag und hier die Leistungsverweigerung oder ungünstigere Bedingungen im Vordergrund stehen mögen. Es sollte aber klar sein, dass dennoch auch die Beendigung der Vertragsbeziehung als Benachteiligungs1 So aber Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 38 Rz 19.
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Geltungsbereich
§§ 40, 40a
handlung in Frage kommt. Zu den in Frage kommenden Benachteiligungshandlungen wird man in ähnlich abwägender Weise, wie das der OGH1 auch für das Arbeitsverhältnis getan hat, vorgehen müssen. Dh es ist ein objektiver Maßstab anzulegen, und es ist zu fragen, ob die Reaktion der anderen Seite den Charakter einer Repressalie hat. Zu weiteren Sanktionen siehe auch Art III Abs 1 Z 3 EGVG (Diskrimi- 3 nierung als Verwaltungsübertretung) und § 87 Abs 1 GewO 1994 (Diskriminierung als Problem der Zuverlässigkeit des Gewerbeinhabers).
Förderungsmaßnahmen § 40. Die Richtlinien über die Vergabe von Förderungen des Bundes
an natürliche oder juristische Personen haben Förderungen nur für natürliche oder juristische Personen vorzusehen, die die Bestimmungen des III. Teils beachten. Vgl die Kommentierung zu § 14. Die Regelung des § 40 geht allerdings 1 über die §§ 14 und 28 insofern hinaus, als sie nicht nur Unternehmer, sondern alle natürlichen und juristischen Personen umfasst.
2. Abschnitt Grundsätze für die Regelung der Gleichbehand lung ohne Unterschied der ethnischen Zugehö rigkeit in sonstigen Bereichen Für die Regelung der Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen, soweit dies in die Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes fällt, werden die folgenden Grundsätze aufgestellt:
Geltungsbereich § 40a. Die Bestimmungen dieses Abschnittes gelten für Rechtsver-
hältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses 1 OGH 9 ObA 113/11z.
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§§ 40b, 40c
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1. beim Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, 2. bei sozialen Vergünstigungen, 3. bei der Bildung, 4. beim Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum, sofern dies in die Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes fällt.
Gleichbehandlungsgebot, Begriffsbestimmungen, Rechtsfolgen § 40b. §§ 31 bis 35 und 38 bis 39 sind anzuwenden.
Verpflichtung zur Schaffung oder Benennung einer unabhängigen Stelle § 40c. (1) Zur Förderung, Analyse, Beobachtung und Unterstüt-
zung der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen sind durch Landesgesetzgebung unabhängige Stellen zu schaffen oder zu benennen. (2) Durch Landesgesetzgebung ist sicherzustellen, dass es zu den Zuständigkeiten der in Abs. 1 genannten Stellen gehört 1. jene Personen, die sich im Sinne des Abs. 1 diskriminiert fühlen, zu beraten und zu unterstützen, 2. unabhängige Untersuchungen zum Thema Diskriminierung durchzuführen, 3. unabhängige Berichte zu veröffentlichen und Empfehlungen zu allen die Diskriminierung berührenden Fragen abzugeben. Literatur: Schöpfer, Versäumnisse des Staates bei der Bekämpfung von Rassismus in Österreich, juridikum 2005, 174; Ulrich, Gleichstellung und Antidiskriminierung, in Poier/Wieser (Hrsg), Steiermärkisches Landesrecht III – Besonderes Verwaltungsrecht (2011), 587; Weichselbaum, Antidiskriminierung, in Pürgy (Hrsg), Das Recht der Länder II/1 (2012) 149; Frank, Antidiskriminierung auf Landesebene, juridikum 2015, 35.
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Verpflichtung zur Schaffung oder Benennung einer unabhängigen Stelle
§ 40c
Bundessache ist in manchen Angelegenheiten aufgrund des Art 12 Abs 1 1 B-VG nur die Gesetzgebung in Grundsätzen, während die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung Landessache ist. Durch die Novelle BGBl I 2019/14 ist dieser Katalog allerdings deutlich verkürzt worden. Nunmehr finden sich in Art 12 Abs 1 B-VG nur noch zwei Tatbestände: „1. Armenwesen; Heil- und Pflegeanstalten“ und „2. Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Art. 10 fällt.“ Dasselbe Kompetenzmodell sieht Art 20 Abs 4 für die Pflicht zur Auskunftserteilung sowie Art 14 Abs 3 für bestimmte Fragen des Schulwesens vor. Die vier ehemals in Art 12 als Z 2, 3, 4 und 6 enthaltenen Tatbestände wurden durch die Novelle BGBl I 2019/14 gestrichen, sie wurden teilweise dem Art 10 unterstellt (zB Bevölkerungspolitik, außergerichtliche Vermittlung von Streitigkeiten in den Angelegenheiten des Zivil- und Strafrechtswesens), teilweise fallen sie nun mangels einer eigenen Regelung unter die Generalklausel des Art 15 (zB Bodenreform, natürliche Heilvorkommen). Weitere Kompetenzen zur Grundsatzgesetzgebung finden sich in Art 14 und 14a (Schul- und Erziehungswesen sowie landund forstwirtschaftliches Schul- und Erziehungswesen). In den in seine Grundsatzgesetzgebungskompetenz fallenden Angele- 2 genheiten kann der Bundesgesetzgeber auch Diskriminierungsverbote erlassen, weil diese nicht Inhalt eines gesonderten Kompetenztatbestandes sind, sondern zum Inhalt der jeweiligen Regelungsmaterie zählen. Der Bundesgesetzgeber ist aufgrund der Antidiskriminierungs-RL 2000/43/EG und der Richtlinie betreffend die Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen 2004/113/EG daher auch verpflichtet, entsprechende Grundsatzbestimmungen zu erlassen. Am ehesten könnte ein Verbot ethnischer Diskriminierung bei Armenwesen (Sozialhilfe), Heil- und Pflegeanstalten sowie Auskunftsanspruch relevant werden. Diese Bereiche sind auch von § 40a grds abgedeckt. § 40a gilt nicht nur für privatrechtliche, sondern auch für öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse. Dies folgt schon aus dem Wortlaut, der nicht differenziert, und aus der Vorgabe der RL; die Verwirklichung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten darf durch die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht grds nicht beeinträchtigt werden. Wenngleich die RL 2004/113 ein Verbot der Diskriminierung nach dem Geschlecht beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gebietet und ein solches auch mit der Novelle 2008 im (damaligen) Teil IIIa des GlBG umgesetzt wurde, hat der Gesetzgeber keine den Bestimmungen des III. Teils 773
§ 40c
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zur Ethnie entsprechenden Grundsatzbestimmungen für die Diskriminierung nach dem Geschlecht erlassen; vielmehr sah der damalige § 40a Abs 3 Z 1 ausdrücklich eine Ausnahme für alle Rechtsverhältnisse vor, die in die Regelungskompetenz der Länder fallen. Auch bei der Zusammenführung von Teil III und IIIa durch die Novelle 2011 wurde keine derartige Bestimmung ergänzt. Grund für diese Aussparung ist laut den Materialien,1 dass im Bereich des Zugangs zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, einschließlich Wohnraum, Kompetenzen zur Ausführungsgesetzgebung der Länder nicht ersichtlich sind. Deshalb beschränkt die Grundsatzgesetzgebung sich weiterhin auf das Merkmal der Ethnie, da der Geltungsbereich hier über diesen Bereich hinausgeht (Sozialschutz, soziale Vergünstigungen und Bildung, vgl Art 3 Abs 1 lit e–h der RL 2000/43/EG). Unverständlich ist allerdings, warum in § 40a Z 4 trotzdem der Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum, sofern dies in die Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes fällt, genannt werden – wenn doch nach Meinung des Gesetzgebers in diesen Bereichen ohnehin keine Ausführungskompetenz der Länder existiert. 3 § 40b verweist für den Inhalt des Diskriminierungsverbotes auf die §§ 31 bis 35 sowie 38 bis 39. Allerdings sind die §§ 31 bis 35 sowie 38 und 39 in dem von § 40a genannten Bereichen nach dem Kompetenzmodell der Verfassung gerade nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfen der Ausführung durch das Landesgesetz. Das GlBG verwendet also dieselben Normen einmal als unmittelbar anwendbares Bundesrecht und das andere Mal als bloße Grundsatzbestimmungen. Das führt zur Frage, ob die in § 40b enthaltene Grundsatzgesetzgebung zu konkret ist – oder ob die §§ 31 bis 35 sowie 38 und 39 zu wenig konkret für eine unmittelbare Anwendung sind. Im ersten Fall könnte § 40b verfassungswidrig sein, im zweiten Fall könnten es die §§ 31 sowie 38 f sein. In Anbetracht der Vorgaben durch das Unionsrecht sind aber wohl beide Regelungen mit dem B-VG vereinbar, weil der Bund durch die RL zu der in § 40b enthaltenen Regelungsdichte verpflichtet war. 4 Die §§ 31 bis 35 sowie 38 bis 39 sind im Geltungsbereich des § 40a nicht unmittelbar anwendbar. Unmittelbar anwendbar ist nur das einschlägige Landesgesetz. Bei der Auslegung und Anwendung des Landesgesetzes sind jeweils das Unionsrecht und die Grundsatzbestimmungen des 1 ErläutRV 938 BlgNR 24. GP 10.
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Verpflichtung zur Schaffung oder Benennung einer unabhängigen Stelle
§ 40c
Bundes zu berücksichtigen. In manchen Bundesländern gab es zur Zeit der Vorauflage (Mai 2005) noch kein Ausführungsgesetz (zB Burgenland, Salzburg), und in den Bundesländern wurde die Umsetzungsfrist jedenfalls überschritten, wenngleich dies bei manchen wohl auch auf ein „Zuwarten“ auf entsprechende Regelungen auf Bundesebene zurückzuführen und insofern nachvollziehbar war.2 Dementsprechend wurde Österreich vom EuGH wegen Nichtumsetzung verurteilt.3 Nunmehr verfügt jedes Bundesland über ein Ausführungsgesetz: – Kärntner Landes-Gleichbehandlungsgesetz (K-LGlBG, LGBl 2021/70); – Burgenländisches Antidiskriminierungsgesetz (Bgld ADG, LGBl 2005/84); – OÖ Antidiskriminierungsgesetz (LGBl 2005/50); – NÖ Antidiskriminierungsgesetz (NÖ ADG 2017, LGBl 2017/24, welches das NÖ Antidiskriminierungsgesetz LGBl 9290, außer Kraft setzt); – Salzburger Gleichbehandlungsgesetz (S.GBG, LGBl 2006/31); – (Steiermärkisches) Landes-Gleichbehandlungsgesetz (L-GBG, LGBl 2004/66); – Tiroler Antidiskriminierungsgesetz (TADG, LGBl 2005/25); – (Vorarlberger) Antidiskriminierungsgesetz (ADG, LGBl 2005/17); – Wiener Antidiskriminierungsgesetz (LGBl 2004/35). Auffallend ist, dass diese Landesgleichbehandlungsgesetze sich zT erheblich von dem im GlBG angelegten Modell unterscheiden. In allen davon ist ein „Leveling-Up“ in der Form vorgesehen, dass auch im Bereich außerhalb von Beschäftigung, Aus- und Weiterbildung sämtliche Diskriminierungsverbote zu beachten sind.4 In der Steiermark erscheint die Umsetzung der §§ 40a ff allerdings unvollständig, wenn sich § 32 des steiermärkischen L-GlBG nur an „Organe des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände“ richtet und damit private Anbieter etwa von Gütern und Dienstleistungen nicht erfasst. Der ansonsten, etwa in § 23 Burgenländisches Antidiskriminierungsgesetz, enthaltene Zusatz, dass das Gleichbehandlungsgebot auch für die Tätigkeiten von natürlichen und juristischen Personen in Angelegenheiten, die der Gesetzgebungskompetenz des Landes unterliegen, gilt, fehlt dort. 2 Frank, juridikum 2015, 35. 3 EuGH 4.5.2005, C-335/04, Komm/Österreich. 4 Vgl etwa § 3 Tiroler Antidiskriminierungsgesetz; § 1 Vorarlberger Antidiskriminierungsgesetz, § 14 Kärntner Landes-Gleichbehandlungsgesetz.
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Teil IV
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IV. Teil: Grundsätze für die Regelung der Gleichbehandlung im Arbeitsleben in der Land- und Forstwirtschaft Für die Regelung der Gleichbehandlung im Arbeitsleben in der Land- und Forstwirtschaft werden gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 6 des Bundesverfassungsgesetzes die folgenden Grundsätze aufgestellt: [Die Bestimmungen der Grundsatzgesetzgebung werden nicht abgedruckt.] Literatur: Bussjäger/Wachter, Die Situation der beruflichen Interessenvertretung für Landarbeiter in Wien und im Burgenland, Jahrbuch Agrarrecht 2020, 267; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021).
1 Für die Regelung des Arbeitsrechts in der Land- und Forstwirtschaft war der Bund bis zur Novelle durch BGBl I 2019/14 nur zur Regelung der Grundsätze zuständig, während die Länder zur Ausführungsgesetzgebung zuständig waren. Es handelte sich dabei um eine völlig anachronistische Kompetenznorm, weshalb eine Änderung schon seit langem wünschenswert schien. Um eine zusätzliche Facette reicher wurde die diffizile kompetenzrechtliche Situation dadurch, dass die Regelung der beruflichen Interessenvertretungen auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft nach der Generalklausel des Art 15 Abs 1 B-VG in die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung fällt.1 Der IV. Teil des GlBG – und damit die §§ 41 bis 58 – enthielten die für die Umsetzung des Unionsrechts erforderlichen Grundsatznormen. Eine gesonderte Regelung neben den §§ 40a bis c war notwendig, weil außerhalb des Arbeitslebens nur die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und dem Geschlecht verboten wird. Die §§ 41 ff waren nach dem Kompetenzmodell der Verfassung nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedurften der Ausführung durch das Landesgesetz. Inhaltlich waren/sind sie aber oft nicht weniger konkret als das unmittelbar anwendbare Bundesrecht der §§ 1 bis 40. 2 Mit der Novelle BGBl I 2019/14 wurde die Zuständigkeit für Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um landund forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt, in Art 11 Abs 1 Z 9 B-VG übertragen. Ebenso ist das Bundesverfassungsgesetz vom 2. Juni 1948, betreffend die Zuständigkeit des Bundes auf dem Ge1 Bussjäger/Wachter, Jahrbuch Agrarrecht, 267 (269).
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Gleichbehandlung in der Land- und Forstwirtschaft
Teil IV
biete des Arbeiterrechtes sowie des Arbeiter- und Angestelltenschutzes und der Berufsvertretung, BGBl Nr 1948/139, außer Kraft getreten. Damit obliegt in diesem Bereich die Gesetzgebung dem Bund und nur die Vollziehung den Ländern. Die Übergangsvorschrift des Art 151 Abs 63 Z 4 B-VG sieht vor, dass die Novellierung von Art 11 und 12 mit 1. 1. 2020 in Kraft tritt. Die Bestimmung sieht weiters vor, dass in den Angelegenheiten des bisherigen Art 12 erlassene Grundsatzgesetze „außer Kraft treten“. Damit sollten die §§ 41 ff seit 1. 1. 2020 nicht mehr in Kraft sein, da es sich ausdrücklich um auf den mit der Novelle außer Kraft tretenden Art 12 Abs 1 Z 6 B-VG aufbauende Grundsatzbestimmungen handelt. Allerdings wurden die Grundsatzbestimmungen auch nach der Novelle unverändert im RIS belassen.2 Dies ist mglw auf ein Redaktionsversehen zurückzuführen, welches allerdings selbst nach der durch COVID-19 bedingten Novelle zum GlBG BGBl I 2020/16 im März/April 2020 beibehalten wurde.3 In den Materialien zur Novelle BGBl I 2019/14 fehlt ein ausdrücklicher Hinweis auf das GlBG. Als zweite wesentliche Übergangsregelung ordnet Art 151 Abs 63 Z 4 3 B-VG an, dass in Angelegenheiten des bisherigen Art 12 erlassene Landesgesetze, je nachdem, ob die Gesetzgebung in diesen Angelegenheiten auf Grund der Bestimmungen der Kompetenznovelle Bundessache oder Landessache ist, entweder für das Land, in dem sie erlassen worden sind, Bundesgesetze werden oder weiter Landesgesetze bleiben. Damit bestanden nach wie vor (wenngleich nunmehr als Bundesgesetze) neun unterschiedliche Regime des Gleichbehandlungsrechts für Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft. Diese waren: – Burgenländische Landarbeitsordnung 1977, LGBl 1977/27 – Kärntner Landarbeitsordnung 1995, LGBl 1995/97 – NÖ Landarbeitsordnung 1973, LGBl 9020-0 – OÖ Landarbeitsordnung 1989, LGBl 1989/25 – Salzburger Landarbeitsordnung 1995, LGBl 1996/7 – Steiermärkische Landarbeitsordnung 2001, LGBl 2002/39 – Tirol: Landarbeitsordnung 2000, LGBl 2000/27 – Vorarlberg: Land- und Forstarbeitsgesetz, LGBl 1997/28 – Wiener Landarbeitsordnung 1990, LGBl 1990/33 2 Abgerufen am 7.3.2022. 3 Nach Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 41 Rz 2 sei „in Zukunft damit zu rechnen, dass der IV. Teil entfallen wird“.
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Teil IV
Rebhahn / Windisch-Graetz
4 Am 9. 7. 2020 ist ein Ministerialentwurf für ein neues Landarbeitsgesetz im Nationalrat eingelangt, welches am 1. 1. 2021 in Kraft treten sollte, sich aber noch etwas verzögerte. Der Entwurf sah eine Zusammenführung der neun Bundesgesetze im Landarbeitsrecht in einem einheitlichen Bundesgesetz vor. Dabei sollten ausdrücklich die Bestimmungen zur Gleichbehandlung, die „bisher“ im IV. Teil des GlBG geregelt wurden, als 15. Teil in das neue Gesetz übernommen werden.4 Am 1. 7. 2021 ist das Bundesgesetz über das Arbeitsrecht in der Land - und Forstwirtschaft (LAG 2021) in Kraft getreten,5 welches in seinem 15. Teil die Bestimmungen des GlBG im Wesentlichen, aber gemeinsam für die Diskriminierung nach dem Geschlecht und den sonstigen Merkmalen mit Ausnahme der Behinderung, nachbildet. Dabei wurde aber ebenfalls nicht ausdrücklich angeordnet, dass der IV. Teil des GlBG außer Kraft tritt oder das GlBG (anders als das BEinStG) überhaupt geändert wird – mglw davon ausgehend, dass die Bestimmungen des IV. Teils eben bereits mit 1. 1. 2020 außer Kraft getreten sind. Die Mat wiederholen die schon im ME enthaltene Aussage, die Bestimmungen zur Gleichbehandlung, die bisher im IV. Teil des Gleichbehandlungsgesetzes geregelt wurden, würden in das neue Gesetz übernommen.6 5 Man wird zusammengefasst davon ausgehen können, dass der IV. Teil des GlBG nicht mehr in Kraft ist. Eine Kompetenz des Bundes zur Erlassung von Grundsatzgesetzgebung im Bereich des Arbeitsrechts in der Land- und Forstwirtschaft besteht nicht mehr und die Anordnung des Art 151 Abs 63 Z 4 B-VG, wonach eben die in den Angelegenheiten des bisherigen Art 12 erlassenen Grundsatzgesetze außer Kraft treten, ist uE eindeutig. Man wird auch die 2020 erfolgte, covid-bedingte GlBG-Novelle nicht so verstehen können, dass sie als lex posterior eine Weitergeltung der (nun kompetenzwidrigen) Bestimmungen des IV. Teils anordnen will. Zwar sieht der neu eingefügte § 60 GlBG vor, die Fristverlängerung gelte sinngemäß auch für Arbeitnehmer, die den Landarbeitsordnungen der Bundesländer und in Vorarlberg dem Landund Forstarbeitsgesetz sowie dem Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz BGBl Nr 280/1980 unterliegen, die zum Zeitpunkt des Gesetzes in Kraft sind. Diese Gesetze sind nach der Kompetenzvertei4 ME 36 BlgNR 27. GP 1. 5 BGBl I 2021/78. 6 ErläutRV 687 27. GP 1.
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Gleichbehandlung in der Land- und Forstwirtschaft
Teil IV
lung allerdings Bundesgesetze, können daher auch durch Bundesrecht geändert werden. Für das Verständnis, dass die Grundsatzbestimmungen des GlBG außer Kraft sein sollen, spricht auch, dass § 60 selbst seinen die Landarbeitsordnungen betreffenden Teil nicht als Grundsatzgesetz bezeichnet. Ebenso ist kein Grund ersichtlich, an der ordnungsgemäßen Kundmachung und damit Wirksamkeit der Novelle BGBl I 2019/14 zu zweifeln. Selbst wenn der IV. Teil entgegen dieser Beurteilung noch in Kraft ist, so verfügt er über keinen Anwendungsbereich mehr, da er zuvor durch die nun als Bundesgesetze geltenden Ausführungsbestimmungen und nun durch das LAG 2021 verdrängt wird und als Grundsatzgesetz nicht unmittelbar angewendet werden will. Es wäre schon aus Gründen der Übersichtlichkeit wünschenswert, diesen immerhin 17 Paragraphen umfassenden Teil, wie es bereits dem BGBl I 2019/14 entsprechen würde, zu streichen.
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§§ 59, 60, 61
Kletec�ka / Köck
V. Teil: Schlussbestimmungen Verweisungen § 59. Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
Bestimmungen in Zusammenhang mit COVID-19 § 60. Der Fortlauf einer am 16. März 2020 laufenden oder nach die-
sem Tag zu laufen beginnenden 14-tägigen Frist nach §§ 15 Abs. 1a oder 29 Abs. 1a wird bis 30. April 2020 gehemmt. Dies gilt sinngemäß auch für Arbeitnehmer, die den Landarbeitsordnungen der Bundesländer und in Vorarlberg dem Land- und Forstarbeitsgesetz sowie dem Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz BGBl. Nr. 280/1980 unterliegen, die zum Zeitpunkt des Gesetzes in Kraft sind. 1 § 60 sah in der Stammfassung des GlBG eine Pflicht zur Auflage des Gesetzes im Betrieb vor. Die Bestimmung wurde durch das Deregulierungsgesetz 20171 gestrichen. 2 Der freigewordene § 60 wurde 2020 durch das 2. COVID-19-Gesetz2 für eine temporäre Fortlaufshemmung der 14-tägigen Klagsfristen bei den Erfüllungsansprüchen im Fall einer Beendigungsdiskriminierung (Anfechtung; Feststellung der Entfristung) gemäß den Abs 1a in den §§ 15, 29 aufgrund der COVID-19-Krise genutzt. Zur zeitlichen Geltung dieser Sondernorm siehe § 63 Abs 11. Eine Verlängerung durch Verordnung hat nicht stattgefunden.
Begründungspflicht des Gerichtes § 61. In einem gerichtlichen Verfahren wegen Verletzung des
Gleichbehandlungsgebotes hat sich das Gericht mit einem Gutachten oder einem Prüfungsergebnis der Gleichbehandlungskommission im Einzelfall zu befassen und ein davon abweichendes Urteil zu begründen. 1 BGBl I 2017/40. 2 BGBl I 2020/16.
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Dialog mit Nichtregierungsorganisationen
§§ 62, 62a
Literatur: Hopf, Begründungspflicht des Gerichtes nach § 61 GlBG: Eine Schnittstelle zur Gleichbehandlungskommission, DRdA 2007, 3.
Auf Grund der allgemeinen Begründungspflicht der Gerichte dürfte 1 der Sinn dieser erst durch den Gleichbehandlungsausschuss aufgenommenen Bestimmung1 vor allem darin liegen sicherzustellen, dass sich die Gerichte mit Gutachten und Prüfungsergebnissen der Gleichbehandlungskommission im Einzelfall und konkret befassen. Die Nichtbeachtung des § 61 stellt einen Verfahrensmangel dar,2 der einen Berufungsgrund bilden kann. Rsp zu dieser Bestimmung liegt nur am Rande vor. Der OGH hat einerseits klargestellt, dass als Verfahrensmangel eine Verletzung bereits in der Berufung zu rügen wäre.3 Gleichzeitig wird die Bestimmung als „keine Besonderheit“ betreffend die gerichtliche Begründungspflicht dargestellt. Dass sich ein Gericht nicht mit einem Gutachten befassen muss, das noch nicht vorliegt,4 versteht sich von selbst.
Nebenintervention § 62. Der Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskri-
minierungsopfern kann, wenn es ein/e Betroffene/r verlangt, einem Rechtsstreit zur Durchsetzung von Ansprüchen nach diesem Bundesgesetz als Nebenintervenient (§§ 17 bis 19 ZPO) beitreten. Literatur: Schöpfer, Versäumnisse des Staates bei der Bekämpfung des Rassismus in Österreich, juridikum 2005, 174; Zlatojevic, Rechtsschutz im Antidiskriminierungsbereich, in Salzburger Menschenrechtsbericht (2005) 20 (22); Frey, Die Rolle von NGOs bei der Bekämpfung von Diskriminierung, juridikum 2008, 53 (54).
Siehe dazu zum GBK/GAW-Gesetz Einl Rz 13 und § 12 Rz 6.
Dialog mit Nichtregierungsorganisationen § 62a. Der Bundeskanzler/die Bundeskanzlerin führt mindestens
ein Mal pro Jahr einen Dialog mit Nichtregierungsorganisationen, deren Zielsetzung es ist, Diskriminierungen im Sinne dieses Gesetzes 1 Vgl 499 BlgNR 22. GP. 2 Zurückhaltender Hopf, DRdA 2007, 9. 3 OGH 8 ObA 26/11y. 4 So in OGH 9 ObA 183/07p.
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§ 63
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zu bekämpfen und die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu fördern. Materialien: Novelle 2013: ErläutRV 2300 BlgNR 24. GP 4. Literatur: Zlatojevic, Rechtsschutz im Antidiskriminierungsbereich, in Salzburger Menschenrechtsbericht (2005) 20; Frey, Die Rolle von NGOs bei der Bekämpfung von Diskriminierung, juridikum 2008, 53.
1 Die Bestimmung wurde durch die Novelle 2013 in das GlBG eingeführt. Unionsrechtlicher Hintergrund ist Art 12 AR-RL, Art 14 R-GBRL und Art 11 Güter-GB-RL, jeweils betreffend die Förderung des Dialogs der Regierungen der Mitgliedstaaten mit Nichtregierungsorganisationen.
In-Kraft-Treten § 63. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 2004 in Kraft.
(2) Die Ausführungsgesetze der Bundesländer zu den im III. Teil, 2. Abschnitt und im IV. Teil geregelten Grundsätzen sind binnen sechs Monaten ab dem der Kundmachung folgenden Tag zu erlassen. (3) §§ 12 Abs. 12, 22, 26 Abs. 12, 35 Abs. 3, 41, 44 Abs. 1 und 2, 48, 49 Abs. 3, 51 Abs. 9 sowie 58 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2005 treten mit 1. Juli 2004 in Kraft, §§ 15 Abs. 4, 29 Abs. 4 sowie 35 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2005 treten mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Die Ausführungsgesetze zu §§ 41, 44 Abs. 1 und 2, 48, 49 Abs. 3, 51 Abs. 9 und 58 sind binnen sechs Monaten ab dem der Kundmachung folgenden Tag zu erlassen. (4) §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 2, 8, 12 Abs. 1 Z 1, 7, 8, 11 und 13, 13 letzter Satz, 15 Abs. 1 und 1a, 17 Abs. 2, 21 Abs. 2, 22, 26 Abs. 1 Z 1, 7, 8, 11 und 13, 27, 29 Abs. 1 und 1a, 31 Abs. 2, 35 Abs. 2, 5 und 6, 36, der IIIa. Teil sowie §§ 46 Abs. 2, 47 Abs. 2, 51 Abs. 1 Z 1, 7, 8 und 10 sowie § 52 letzter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2008 treten mit 1. August 2008 in Kraft. Die Ausführungsgesetze zu §§ 46 Abs. 2, 47 Abs. 2, 51 Abs. 1 Z 1, 7, 8 und 10 sowie § 52 letzter Satz sind binnen sechs Monaten ab dem der Kundmachung folgenden Tag zu erlassen. (5) Das Inhaltsverzeichnis, § 5 Abs. 4, § 6 Abs. 4, § 7 Abs. 4, § 9, § 10 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Abs. 4, § 11a, § 12 Abs. 11 letzter Satz, § 19 782
In-Kraft-Treten
§ 63
Abs. 4, § 21 Abs. 4, § 23, § 24 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Abs. 4, § 26 Abs. 11 letzter Satz, der III. Teil sowie § 44 Abs. 4, § 46 Abs. 4, § 47 Abs. 4, § 49 Abs. 3 und 4, § 51 Abs. 8 letzter Satz, § 58, die Überschrift zu § 63 und § 64, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 treten mit 1. März 2011 in Kraft. § 10 Abs. 2 und Abs. 3 Z 2 sowie § 24 Abs. 2 und Abs. 3 Z 2 treten mit 1. Jänner 2012 in Kraft. Der IIIa. Teil tritt mit Ablauf des 28. Februar 2011 außer Kraft. Die Ausführungsgesetze zu § 44 Abs. 4, § 46 Abs. 4, § 47 Abs. 4, § 49 Abs. 3 und 4, § 51 Abs. 8 letzter Satz und § 58 sind binnen sechs Monaten ab dem der Kundmachung folgenden Tag zu erlassen. (6) Für Arbeitgeber/innen, die dauernd mehr als 1 000 Arbeitnehmer/innen beschäftigen, tritt die Verpflichtung zur Erstellung eines Einkommensberichts nach § 11a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 mit 1. März 2011 in Kraft; der Bericht ist für das Jahr 2010 zu erstellen. Der Bericht für das Berichtsjahr 2010 ist bis spätestens 31. Juli 2011 in der in § 11a Abs. 3 geregelten Weise zu übermitteln bzw. aufzulegen. Für Arbeitgeber/innen, die dauernd weniger als 1 001, aber mehr als 500 Arbeitnehmer/innen beschäftigen, tritt die Verpflichtung zur Erstellung eines Einkommensberichts nach § 11a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 mit 1. Jänner 2012 in Kraft; der Bericht ist für das Jahr 2011 zu erstellen. Für Arbeitgeber/innen, die dauernd weniger als 501, aber mehr als 250 Arbeitnehmer/innen beschäftigen, tritt die Verpflichtung zur Erstellung eines Einkommensberichts nach § 11a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 mit 1. Jänner 2013 in Kraft; der Bericht ist für das Jahr 2012 zu erstellen. Für Arbeitgeber/innen, die dauernd weniger als 251, aber mehr als 150 Arbeitnehmer/innen beschäftigen, tritt die Verpflichtung zur Erstellung eines Einkommensberichts nach § 11a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 mit 1. Jänner 2014 in Kraft; der Bericht ist für das Jahr 2013 zu erstellen. (7) § 10 Abs. 4, § 24 Abs. 4 und § 37 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2013 treten mit 1. Jänner 2014 in Kraft. (8) Das Inhaltsverzeichnis, § 1 Abs. 1 Z 2 und 4, § 3, § 4, § 9 Abs. 2, § 10, § 12 Abs. 14, § 15 Abs. 1 und 2, § 16 Abs. 1 Z 2 und 4, § 18 Z 1 und 3, § 23 Abs. 2, § 24 Abs. 1 bis 4, § 26 Abs. 14, § 31 Abs. 1, § 37, § 38 Abs. 4, 6 und 7, § 43 Abs. 1, § 49 Abs. 4 letzter Satz, § 51 Abs. 11, § 62, § 62a sowie § 64 Abs. 1 Z 1 und 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2013 treten mit 1. August 2013 in Kraft. Die Ausfüh783
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rungsgesetze zu § 43 Abs. 1, § 49 Abs. 4 letzter Satz und § 51 Abs. 11 sind binnen sechs Monaten ab dem der Kundmachung folgenden Tag zu erlassen. (9) § 30 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 34/2015 tritt mit 1. Jänner 2016 in Kraft. (10) Das Inhaltsverzeichnis in der Fassung des Deregulierungsgesetzes 2017, BGBl. I Nr. 40/2017, tritt mit 1. Juli 2017 in Kraft. § 60 samt Überschrift tritt mit Ablauf des 30. Juni 2017 außer Kraft. (11) § 60 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2020 tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Dauert die COVID-19 Krisensituation über den 30. April 2020 hinaus an, so hat die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend durch Verordnung den in § 60 festgesetzten Endtermin 30. April 2020 zu verlängern, nicht jedoch über den 31. Dezember 2020 hinaus. Literatur: Vonkilch, Das intertemporale Privatrecht (1999); Kodek, § 5 ABGB, in Rummel/Lukas (Hrsg), ABGB4 (2015); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021).
1 Das neue GlBG ist mit 1. 7. 2004 in Kraft getreten. Diese Norm betrifft den zeitlichen Bedingungsbereich, also die Frage nach welchen Normen ein Sachverhalt zu beurteilen ist. Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück – außer das Gesetz ordnet anderes an.1 Das GlBG ist daher erst auf Sachverhalte anzuwenden, die sich ab dem 1. 7. 2004 ereignet haben. Auf Sachverhalte, die bereits am 30. 6. 2004 abgeschlossen waren, ist nicht das GlBG 2004 anzuwenden, sondern das alte GlBG. Bei Sachverhalten, die sich vor wie nach dem 1. 7. 2004 ereignet haben, ist primär vom Sachverhalt nach dem 1. 7. 2004 auszugehen. Ereignisse vor diesem Datum dürfen für eine Beurteilung nach dem neuen GlBG nur insoweit herangezogen werden, als die Rechtslage vor dem 1. 7. 2004 in Bezug auf Verbotsnorm und Rechtsfolge nicht weniger streng war als heute. Die Unterscheidung dürfte heute jedoch zunehmend von geringerer Bedeutung sein. 2 Mit dem Inkrafttreten des neuen GlBG wurde den Vorschriften des alten GlBG – das nun offiziell in GBK/GAW-G umgetauft wurde – materiell derogiert. Sachverhalte, die sich vor dem 1. 7. 2004 ereignet haben, sind aber nach wie vor nach dem alten Recht zu beurteilen. Der zeitliche Rechtsfolgenbereich der alten Vorschriften wurde durch das Inkrafttreten des neuen GlBG nicht beendet, sodass Klagen für die 1 Vgl zB OGH 24.4.2003, 8 ObA 190/02b.
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In-Kraft-Treten
§ 63
„Altsachverhalte“ weiter nur nach dem alten GlBG zu beurteilen sind. Fraglich ist die Beurteilung von Altfällen dann, wenn die alte Rechtslage – in Bezug auf die Rechtsfolgen – den Anforderungen des (damaligen) Gemeinschaftsrechts, hier also von RL, nicht genügte. Grds werden dafür weiter die allg Regeln zur richtlinienkonformen Interpretation gelten, sodass man nicht einfach das neue Recht heranziehen kann. Nach diesen allg Regeln sind RL zwischen Privaten zwar nicht zu Lasten eines Privaten unmittelbar anzuwenden. Jedoch hat das österr Gericht alle zur Verfügung stehenden Mittel des nationalen Rechts einzusetzen, um die RL zur Geltung zu bringen. Insb hat das Gericht bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die RL umsetzen wollte und diesen Willen für eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung zu nutzen (vgl § 1 Rz 16 f). Soweit man aber eine hinreichend konkrete RL zwischen Privaten unmittelbar anwendet, wird man auch in den späteren innerstaatlichen Bestimmungen eine Konkretisierung der RL – hier durch das nationale Recht – sehen können, die dann auch für die Altsachverhalte herangezogen werden kann. In Bezug auf solche Altsachverhalte kann die jüngere Rsp des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Diskriminierungsverbote auch zwischen Privaten, welche sich maßgeblich auf die GRC stützt, noch nicht greifen. Fraglich ist, ob die in manchen Entscheidungen2 herangezogenen allgemeinen Rechtsgrundsätze auf solche Altsachverhalte anwendbar sind, mangels Einschränkung der zeitlichen Wirkung dieser Rsp wird man dies bejahen können. Sonderprobleme treten bei Betriebspensionen auf, soweit eine Benach- 3 teiligung aufgrund eines der missbilligten Kriterien bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes nicht verboten war. Probleme können insb in Bezug auf eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Alters auftreten (etwa wenn eine Betriebspension nur für Personen in Betracht kommt, die bei Vollendung des 45. Lebensjahres bereits 5 Dienstjahre haben). Die Grundfragen zum zeitlichen Geltungsbereich wurden an sich schon bei der Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes erörtert (§ 3 Rz 179 ff). Ein neues Diskriminierungsverbot gilt danach nicht für alle Leistungen, die nach seinem Inkrafttreten zu erbringen sind, sondern idR (nur) für die Anwartschaftszeiten nach dem Inkrafttreten und die darauf entfallenden Leistungen.3 Nur diese Auffassung berücksich2 EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold. 3 Vgl zB EuGH 6.10.1993, C-109/91, Ten Över, Rz 17 ff.
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§ 64
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tigt angemessen, dass Ansprüche auf Betriebspensionen im Laufe des Arbeitslebens nach und nach entstehen, also nur die Zahlung – nicht aber das Entstehen des Anspruches – hinausgeschoben ist. Sollte eine bestehende Betriebspensionsregelung aufgrund des Alters diskriminieren, so können die ArbN eine diskriminierungsfreie Behandlung daher nur in Bezug auf Dienstzeiten nach dem 1. 7. 2004 verlangen. Insoweit ist eine diskriminierungsfrei berechnete Teilpension zu berechnen; für die Zeiten davor gelten die alten (diskriminierenden) Regeln (was entweder zu einer Teilpension oder zum Fehlen eines Anspruches führen kann). 4 § 63 Abs 2 sowie die jeweils letzten Sätze von Abs 3, Abs 4, Abs 5 und Abs 8 beziehen sich nur auf die Grundsatzbestimmungen, die hier nicht kommentiert werden. 5 Der mit der Novelle 2011 hinzugekommene Abs 6 regelt das gestaffelte Inkrafttreten der Verpflichtung zur Erstellung eines Einkommensberichts (siehe dazu § 11a). Die Bestimmung normiert eine dauernde Beschäftigung als Voraussetzung; man wird diesen Begriff iS vergleichbarer Bestimmungen des ArbVG, insb § 35 ArbVG, auslegen können.1 6 Abs 11 hat den zuvor außer Kraft getretenen § 60 mit neuem Inhalt (Fristenhemmung aufgrund der COVID-19-Pandemie) wiedereingeführt. Von der Verordnungsermächtigung ist bislang kein Gebrauch gemacht worden.
Vollziehung § 64. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind betraut 1. hinsichtlich der §§ 14, 28 und 40 der/die jeweils für die Förderungen zuständige Bundesminister/in, 2. hinsichtlich der §§ 61 und 62 der/die Bundesminister/in für Justiz, 2a. hinsichtlich des § 62a der/die Bundeskanzler/in 3. im Übrigen der/die Bundesminister/in für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. (2) Mit der Wahrnehmung der dem Bund nach Art. 15 Abs. 8 B-VG hinsichtlich des III. Teiles, 2. Abschnitt, zustehenden Rechte ist der/die Bundesminister/in für Arbeit, Soziales und Konsumen1 Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 11a Rz 28.
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Vollziehung
§ 64
tenschutz betraut. Mit der Wahrnehmung der dem Bund nach Art. 15 Abs. 8 B-VG hinsichtlich des IV. Teiles zustehenden Rechte ist hinsichtlich des § 54 Abs. 3 der/die Bundesminister/in für Justiz, im Übrigen der/die Bundesminister/in für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betraut. § 64 Abs 1 enthält die übliche Vollzugsklausel. Eine Vollzugsklausel 1 legt im Allgemeinen fest, welcher Bundesminister für die Vollziehung bestimmter Normen zuständig ist; es geht um die Befugnis zu Weisungen, zum Erlass von hoheitlichen Verwaltungsakten und die Zuständigkeit als Rechtsmittelbehörde. Allerdings hängen die konkreten Befugnisse zum großen Teil von der näheren Ausgestaltung des Gesetzes ab. Im Fall des GlBG werden die meisten Bestimmungen dieses Gesetzes – nämlich alle außer den §§ 10, 11a Abs 5 und 14 sowie deren Parallelbestimmungen (§§ 24, 28, 37 und 40) – von den ordentlichen Gerichten vollzogen. Diesbezüglich kommen keinem Bundesminister die oben genannten Befugnisse zu, auch nicht jenem der Justiz. Soweit die ordentlichen Gerichte zur Vollziehung im Einzelfall zuständig sind, greift auch die Ermächtigung des Art 18 Abs 2 B-VG zum Erlass von Durchführungsverordnungen nicht ein. Die Betrauung eines/r Bundesministers/in mit der Vollziehung „im Übrigen“ in Z 3 ist daher letztlich nur in Bezug auf die §§ 10, 24 und 37 praktisch relevant. Wenig verständlich ist die Anordnung in Z 2, weil auch die §§ 61 und 62 von den Gerichten zu vollziehen sind. Und die Anordnung der Z 1 betrifft keine Vollziehung ieS, weil die Förderungen idR in Privatrechtsform vergeben werden. Die für die Förderungen zuständigen Bundesminister haben die §§ 14, 28 und 40 also nicht zu vollziehen, sondern eher zu befolgen. § 64 Abs 2 bezieht sich nur auf die Grundsatzbestimmungen, die hier nicht kommentiert werden. Diese Bestimmung dürfte trotz der geänderten Kompetenzlage durch BGBl I 2019/14 keiner Änderung bedürfen, weil der darin angesprochene Art 15 Abs 8 B-VG ebenso für Kompetenzen nach Art 11 B-VG gilt.
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Bundesgesetz über die Gleichbehand lungskommission und die Gleichbehand lungsanwaltschaft – GBK/GAW-Gesetz BGBl 1979/108 idF BGBl 1985/290, 1990/410, 1992/833, 1994/370, I 1998/44, I 2001/98, I 2001/129, I 2004/66, I 2005/82, I 2008/2, I 2008/98, I 2011/7, I 2013/107
Vor § 1 §§-Angaben ohne nähere Bezeichnung beziehen sich auf das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-G), BGBl 1979/108 idF BGBl I 2013/107. Die nachstehend angeführten Literaturhinweise gelten für sämtliche §§ des GBK/GAW-G. Zusätzliche Spezialliteratur wird vor den einzelnen §§ angeführt. Geschlechtergerechter Sprachgebrauch: Die Kommentierung ist paragraphenweise wechselnd einmal in der ausschließlich weiblichen Form und das andere Mal in der ausschließlich männlichen Form abgefasst. Diesem Konzept folgend sind die Einleitung sowie die §§ 2, 4, 5, 9, 11, 13, 15, 24 in der weiblichen Form, die §§ 1, 3, 8, 10, 12, 13, 16 in der männlichen Form kommentiert. Nicht genannte §§ enthalten entweder keine personenbezogenen Bezeichnungen oder sind nicht kommentiert. Bezeichnungen, bei denen es auf ein bestimmtes Geschlecht ankommt1 – das betrifft die Anwältin für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, und die Regionalanwältinnen als die Regionalvertreterinnen für den Bereich der Gleichbehandlung von Frauen und Männern nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2013/107 – sind durch Fettdruck kenntlich gemacht.
1 Mit BGBl I 2013/107 wurde die Voraussetzung weibliches Geschlecht für die Funktion des Anwalts/der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt (Teil I GlBG) beseitigt.
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GBK/GAW-GesetzHattenberger Literatur: Martinek, Gleichbehandlungsgebot und Gleichbehandlungskommission, in Gedächtnisschrift für Sir Otto Kahn-Freund (1980); Mayer-Maly, Die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer, DRdA 1980, 261; ders, Gleichbehandlungsgesetz (1981); Berger, Die Gleichbehandlung von Mann und Frau im österreichischen Recht, in Frauendorf (Hrsg), Die Stellung der Frau im sozialen Rechtsstaat (1982) 100; Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht (1991); Mayer, Gleichbehandlungsgesetz und Rechtsschutzstaat, ZAS 1992, 37; Bei, VfGH: § 2b GleichbG teilweise rechtsstaatswidrig, DRdA 1994, 532; Hainz, Gleichbehandlungskommission und Förderungsausschluss, ecolex 1994, 558; Stolzlechner, Anm zu VfGH 3.3.1994, G 116/93-6, DRdA 1995/16; Bei/Novak, Das Gleichbehandlungsgesetz, in Aichhorn (Hrsg), Frauen und Recht (1997); Bei, Art 6 Gleichbehandlungs-Richtlinie – effektiver Rechtsschutz bei Folgediskriminierung, DRdA 1999, 159; Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz (2001); Naderhirn, Die geplante Neuregelung des Gleichbehandlungsgesetzes, RdW 2003, 635; dies, Die Neuregelung der Gleichbehandlung, RFG 2004/4, 186; Sturm, Richtlinienumsetzung im neuen Gleichbehandlungsgesetz und Gleichbehandlungskommissions-/Gleichbehandlungsanwaltschaftsgesetz, DRdA 2004, 574; Winkler, Die neuen europäischen Gleichbehandlungsregeln, ZAS 2004, 10; Ritzberger-Moser, Gleichbehandlung und Versicherungen, zuvo 2008, 95 (98); WindischGraetz in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021); BMSG (Hrsg), Lose-Blatt-Sammlung „Anträge an die Gleichbehandlungskommission“, abrufbar auf der Homepage des BKA unter https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-undgleichstellung/gleichbehandlungskommissionen/gleichbehandlungskommission/ gbk-senat-i.html; 4. 12. 2021; Einzelprüfungsergebnisse, Gutachten und sonstige Veröffentlichungen der Senate der Gleichbehandlungskommission unter https:// www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/gleichbehand lungskommissionen/gleichbehandlungskommission.html, 4. 12. 2021.
Inhaltsübersicht I. Legistik........................................................................................................... 1 II. Paralleles Rechtsschutzangebot................................................................. 5 III. Historische Entwicklung............................................................................ 7 IV. Unionsrechtliche Vorgaben........................................................................ 11 V. Auffälligkeiten.............................................................................................. 14
I. Legistik 1 Das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-G) ist – legistisch betrachtet – die novellierte und umbenannte Fassung des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben aus 1979. Diese Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes aus 1979 besteht – grob gesprochen – zum einen darin, dass die materiell-rechtli790
Vor § 1
GBK/GAW-Gesetz
chen Bestimmungen herausgelöst und in das einen wesentlich erweiterten Anwendungsbereich umfassende GlBG, BGBl I 2004/66, integriert wurden. Zum anderen wurde die Erweiterung des Anwendungsbereichs des GlBG (und das ist nur konsequent) in den Regelungen über den Rechtsschutz nachvollzogen. Die GBK ist seither zuständig, neben Fragen der Geschlechterdiskriminierung weitere Diskriminierungsgründe wie die ethnische Zugehörigkeit, die Religion, die Weltanschauung, das Alter oder die sexuelle Orientierung in der Arbeitswelt aufzugreifen. Sie ist zudem berufen, sich mit allen die Diskriminierung berührenden Fragen aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit und (seit den Novellen BGBl I 2008/98 und BGBl I 2011/7) auch des Geschlechts in näher bezeichneten „sonstigen Bereichen“ (Teil III, 1. Abschnitt GlBG) zu befassen. In gleichem Maße wurde die sachliche Zuständigkeit der GAW ausgeweitet. Der gewählten legistischen Methode der Novellierung gebührt mE 2 aus mehreren Gründen gesonderte Erwähnung. Formell betrachtet blieben 2004 vom ehemaligen Gleichbehandlungsgesetz aus 1979 nur der leicht abgeänderte und (bis zur Novelle BGBl I 2008/2) in den Absätzen 1a und 1b Verfassungsbestimmungen enthaltende § 10 sowie die um einen achten Absatz erweiterte In-Kraft-Tretens-Bestimmung des § 21 übrig; alle anderen Bestimmungen wurden neu formuliert. So besehen wurde das Gleichbehandlungsgesetz aus 1979 als Hülle für ein neues Gesetz verwendet. Dieses „neue“ Gesetz startete aber gleich schon mit „Alters-„ oder besser: „Novellierungserscheinungen“, von Anfang an fanden sich darin Absatzbezeichnungen wie 1a und 1b,2 und Lücken,3 und auch die Gesetzessystematik leidet. Da dieses Gesetz um den „fest stehenden“ § 10 „herumgebaut“ wurde, mussten Aufgabenbestimmungen auseinander gerissen werden. So enthält § 8 die generalklauselartige Umschreibung der Aufgaben der GBK, Spezialbefugnisse finden sich dann erst in den §§ 11 bis 13. Des Weiteren wurde die Bestimmung betreffend die Geschäftsordnung in § 9 von den inhaltlich nahe liegenden Regelungen über die Geschäftsführung der Kommission (§ 14), über die Ausschüsse des Senates (§ 15) und über die Anwendung des AVG 2 Im eben erwähnten § 10. 3 Die §§ 17 bis 20 fehlen überhaupt, weil gemäß Art 2 Z 7 BGBl I 2004/66 der bisherige II. Teil betreffend Grundsätze gemäß Art 12 Abs 1 Z 6 B-VG für die Regelung der Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben in der Land- und Forstwirtschaft entfällt. Seit dem Inkrafttreten von BGBl I 2013/107 fehlen auch die §§ 6 und 7.
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GBK/GAW-GesetzHattenberger (§ 16) getrennt. Die Rechtsstellung der Mitglieder der GBK ist in § 10, also fernab der Regelungen über die Organisation der Kommission in § 2, geregelt, während jene der Mitglieder der GAW in der Organisationsbestimmung enthalten sind.4 Der mutmaßliche Grund für die gewählte Gesetzgebungstechnik dürfte darin liegen, dass die Abs 1a und 1b des § 10 damals noch Verfassungsbestimmungen waren und sein mussten und die für ihre Beschlussfassung im Rahmen eines neuen Gesetzes notwendige Verfassungsmehrheit nicht gesichert schien, zumal die Regierungsparteien im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht über die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügten. Der vorgefundene Verfassungskonsens zu § 10 Abs 1a und 1b des GlBG 1979 wurde daher als Ausgangs- und Fixpunkt des „neuen“ GBK/GAW-G genommen, um nicht das Gesetzgebungsvorhaben insgesamt mangels Verfassungsmehrheit in zwei Einzelpunkten in Frage zu stellen. 3 Das GBK/GAW-Gesetz wurde seit dem Inkrafttreten am 1. Juli 2004 mehrfach novelliert. Zwei der insgesamt fünf Novellen erfolgten im Gleichschritt mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs des GlBG um das geschützte Merkmal Geschlecht in sonstigen Bereichen (BGBl I 2008/98 und BGBl I 2011/7). Davon abgesehen sind Eckpunkte der Weiterentwicklung des Gesetzes seit 2004: – die organisatorische Eingliederung der Gleichbehandlungskommission und der Anwaltschaft (wiederum)5 beim Bundeskanzleramt (BGBl I 2008/98); – die Einführung einer Kollisionsregel, wenn im Falle von Mehrfachdiskriminierung auch der Diskriminierungsgrund Behinderung geltend gemacht wird (BGBl I 2005/82); – der Entfall der Verfassungsbestimmungen in § 10 aufgrund des Ersten Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetzes (BGBl I 2008/2). Unter einem wurde das B-VG um eine Bestimmung ergänzt, die die Befreiung von der Weisungsbindung durch einfaches Gesetz erlaubt. Dass die Anwälte und Anwältinnen sowie die Mitglieder der GBK weisungsfrei agieren, wurde durch BGBl I 2011/7 auch im Gesetz explizit gemacht (§§ 3 Abs 3, 4 Abs 2 und 10 Abs 1a) und korrespondierend dazu ein Aufsichtsrecht der Bundeskanzlerin eingefügt (§§ 3 Abs 8, 4 Abs 2 und 10 Abs 1c); 4 Im Zeitpunkt des Inkrafttretens waren das die §§ 4, 5, 6 jeweils Abs 1; seit BGBl I 2013/107 § 3. 5 Die GBK war schon zwischen 1.5.1998 und 30.6.2004 dem BKA eingegliedert (BGBl I 1998/44).
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– die Straffung der Vorschriften über die Anwaltschaft für Gleichbehandlung durch Zusammenführung der Regelungen in einer Bestimmung (§ 3 idF BGBl I 2013/107); korrespondierend dazu auch die Vereinheitlichung der Terminologie durch den Entfall der „Stellvertreterinnen“ und die Klarstellung, dass allen Anwältinnen die gleichen Rechte zukommen; – die Einführung eines Auskunftsrechts des Senates gegenüber dem in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung über die Beitragsgrundlage bei vermuteter Entgeltdiskriminierung, wenn diese Auskunft für die Entscheidung über die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes unbedingt erforderlich ist (§ 10 Abs 2a, BGBl I 2011/7); – die Straffung des Verfahrens durch die Einführung von Fristen für die Ausfertigung von Gutachten und Einzelfallprüfungsergebnissen (§§ 11 Abs 3 und 12 Abs 7; BGBl I 2008/98); – die nunmehr explizite Zuständigkeit der GBK zur Schlichtung von Konflikten (§ 14 Abs 3a, BGBl I 2013/107); – die Pflicht zur Veröffentlichung auch der Tatsache, dass eine Arbeitgeberin oder die Verantwortliche der Verpflichtung zur Berichtslegung nicht ausreichend nachgekommen ist (§ 13 Abs 4, BGBl I 2011/7); – die Einführung des Grundsatzes, dass bei behaupteter sexueller Belästigung die Befragungen abgesondert zu erfolgen haben, wobei eine gemeinsame Befragung durchzuführen ist, wenn sie von einer Seite beantragt wird und beide Seiten zustimmen (§ 14 Abs 4, BGBl I 2013/107); – die Klarstellung durch den Gesetzgeber, dass der GBK keine hoheitlichen Befugnisse zukommen (§ 16 Abs 1, BGBl I 2011/7); – die „sang- und klanglose“ Abschaffung der Voraussetzung „weibliches Geschlecht“ hinsichtlich der Funktion „des Anwalts oder der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt“ durch BGBl I 2013/107 sowie – die Aufhebung der Vertraulichkeit von Sitzungen der Senate; gleichzeitig wurde § 17 AVG für das Verfahren der Senate für anwendbar erklärt. Dieser sieht auch die Möglichkeit der Ausnahme von der Akteneinsicht aus bestimmten Gründen vor (BGBl I 2011/7). Zudem wurden durch die Gesetzesänderungen der letzten 17 Jahre 4 auch einige der in der Vorauflage genannten legistischen Unzulänglichkeiten korrigiert. Einzelne redaktionelle Versehen (zB die Wortwieder793
GBK/GAW-GesetzHattenberger holung in § 11 Abs 1) oder der offenkundig zu eng gewählte Begriff „Betrieb“ in § 13 Abs 3 harren noch einer Korrektur. Nach wie vor offen ist auch eine Bereinigung der In-Kraft-Tretens-Regelung in § 21. Klammert man die Bestimmung des § 10 von der Betrachtung aus, so beziehen sich sieben der insgesamt dreizehn Absätze auf Bestimmungen, die seit der Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes durch BGBl I 2004/66 nicht mehr in Kraft sind.
II. Paralleles Rechtsschutzangebot 5 Mit der Einrichtung der GBK und der GAW wird neben der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vor den Arbeits- und Zivilgerichten ein zweiter Rechtsschutzweg eröffnet. Dieser Rechtsschutz besteht in der Gewährung von Beratungs- und Unterstützungsleistungen für mutmaßliche Diskriminierungsopfer, der Vermittlung und Schlichtung zwischen den Streitparteien sowie in der Bildung eines öffentlichen Bewusstseins durch die Veröffentlichung von anonymisierten Gutachten und Einzelfallentscheidungen zu Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes. Wenngleich auch die Befugnisse und die von der GBK und der GAW erzeugbaren rechtlichen Wirkungen vergleichsweise begrenzt sind, so sollte ihre Bedeutung nicht zu gering geschätzt werden, weisen sie doch gegenüber einem Gerichtsprozess auch achtenswerte Vorteile auf: So erfolgt die Inanspruchnahme der GBK und der GAW relativ formfrei und unbürokratisch. Das kann die Schwierigkeiten der Rechtsdurchsetzung in einem aufrechten Dienstverhältnis doch mildern. Durch das Streben nach einer vermittelnden Lösung kann eine, das aufrechte Arbeitsverhältnis uU stark belastende Zuspitzung der Standpunkte hintan gehalten werden.6 Auch das Kostenrisiko entfällt und nicht zuletzt dürfte nach Ansicht mancher der informelle und vertrauliche Rahmen eines Verfahrens vor der GBK aus der Sicht der Antragstellerinnen bei „schwerer wiegenden“ Diskriminierungsfällen (wie etwa dem Vorwurf der sexuellen Belästigung) der Sensibilität der Angelegenheit eher gerecht werden als ein Gerichtsverfahren.7 Letzteres Argument vermag nicht vorbehaltlos zu überzeugen. Es ist doch zumindest fraglich, ob ein (seit der Novelle BGBl I 2013/107 immer noch) siebenköpfiges 6 Vgl Mayer-Maly 59 und 63; ders, DRdA 1980, 263 f. 7 Vgl dazu Smutny/Mayr 385 mit Hinweis auf den Gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des GlBG nach § 10a GlBG (1999) Band I, 71.
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Gremium in jenen Angelegenheiten, die den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person betreffen, den Rahmen bietet, der der Intimität der Sache und der Verletzlichkeit Betroffener angemessen ist. Es entspricht mE eher der Lebenserfahrung, dass mit zunehmender Größe des Gremiums die Bereitschaft, Höchstpersönliches vorzubringen und offen zu legen, abnimmt. Die verschiedenen Wege der Rechtsdurchsetzung – einerseits der 6 Rechtsschutz vor den Arbeits- und Zivilgerichten im Wege der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Verletzung der Gleichbehandlungsgebote, andererseits jener vor der GBK, der gemäß § 12 auch kombiniert sein kann mit einer Feststellungsklage vor Gericht – sind miteinander lose – wenn auch im Vergleich zur Rechtslage vor dem GBK/GAW-G nunmehr etwas intensiver – verbunden. Diese Verbindung besteht zum einen darin, dass gemäß § 15 und § 29 jeweils Abs 2 und § 38 Abs 4 GlBG die – wie auch immer geartete – Einleitung eines Verfahrens vor der GBK auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung bewirkt. Es handelt sich dabei um eine Fortlaufshemmung, die den Weiterlauf der Frist hindert, wobei nach Beendigung des Verfahrens vor der Kommission der verbliebene Anteil der Frist ablaufen muss.8 Diese Verbindung besteht des Weiteren darin, dass die im jeweiligen Senat der GBK vertretenen Interessenvertretungen gemäß § 12 Abs 4 sowie unter weiteren Voraussetzungen auch die Anwältinnen gemäß § 12 Abs 5 beim zuständigen Gericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen können. Voraussetzung eines solchen Antrages ist es, dass zuvor einem Auftrag der GBK nicht entsprochen wurde. Ein solcher Antrag hemmt den Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist sowie kollektivvertraglicher Verfallfristen bis zum Ende des Monats nach Eintritt der Rechtskraft solcher Urteile. Nicht zuletzt besteht diese Verbindung auch darin, dass das Gericht gemäß § 61 GlBG verpflichtet ist, sich mit einem Gutachten oder einem Prüfungsergebnis der GBK im Einzelfall zu befassen und ein abweichendes Urteil zu begründen hat. Von den genannten „Berührungspunkten“ abgesehen stehen die beiden Rechtswege beziehungslos nebeneinander. Das bedeutet, dass Verfahren parallel geführt werden können, dass also sowohl das Gericht als auch die Kommission sich zeitgleich oder auch zeitlich versetzt mit derselben Frage beschäf8 Smutny/Mayr 526.
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GBK/GAW-GesetzHattenberger tigen können. Weder ist das gerichtliche Verfahren bis zu einer Kommissionsentscheidung zu unterbrechen, noch muss die Kommission mit ihrer Entscheidung bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens zuwarten. Das bedeutet des Weiteren, dass ein und dieselbe Frage von den unterschiedlichen Institutionen auch unterschiedlich bewertet werden kann.9
III. Historische Entwicklung 7 Die mehr als 40-jährige Geschichte eines „Sonderrechtsschutzes“ nach dem GlBG lässt folgende Tendenzen erkennen. Die sachliche Zuständigkeit der GBK und der GAW hat eine beachtliche Ausweitung erfahren. Sie ist die nur allzu logische Konsequenz der Ausweitung der Diskriminierungsgründe und der Diskriminierungsbereiche im GlBG. Diese Zuständigkeit war bis zum GlBG 2004 und dem GBK/GAW-G auf Fragen der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts begrenzt. Beginnend mit der Berufung zur Behandlung von Fragen der Geschlechterdiskriminierung in Bezug auf die Entgeltfestsetzung (§ 4 GlBG, BGBl 1979/108) wurden zunehmend weitere Aspekte des Arbeitsverhältnisses wie die Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, sowie Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung auf betrieblicher Ebene (BGBl 1985/290), die Begründung des Arbeitsverhältnisses, der berufliche Aufstieg, die sonstigen Arbeitsbedingungen und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BGBl 1990/410) einbezogen. Mit dem Gleichbehandlungsgesetz 2004 wurde der Aufgabenkreis um die Diskriminierungsgründe ethnische Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, Alter und sexuelle Orientierung „in der Arbeitswelt“ erweitert. Und diese „Arbeitswelt“ umfasst nicht nur die Gleichbehandlungsgebote im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis, sondern auch die sog „sonstige Arbeitswelt“. Darüber hinaus sind Kommission und Anwaltschaft seit Inkrafttreten des BGBl I 2004/66 auch zuständig, die Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit betreffende Fragen in bestimmt bezeichneten „sonstigen Bereichen“ aufzugreifen. Eine neuerliche Ausweitung des Zuständigkeitsbereiches erfolgte sodann noch durch die Novellen 9 Vgl dazu Mayer-Maly 58; Smutny/Mayr 386 f mwN zur Judikatur; Hopf/ Mayer/Eichinger/Erler, GlBG2 Vor § 1 GBK/GAW-G – Einleitung Rz 4; Ritzberger-Moser, zuvo 2008, 95 (98); Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/GAW-G § 1 Rz 2 f mwN.
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BGBl I 2008/98 und BGBl I 2011/7. Der Aufgabenbereich der beiden Institutionen in den „sonstigen Bereichen“ wurde etappenweise auch auf den Diskriminierungsgrund des Geschlechts erweitert. Die Entwicklung des Sonderrechtsschutzes nach dem Gleichbehand- 8 lungsgesetz zeigt auch eine fortschreitende Institutionalisierung. Der 1979 eingerichteten GBK wurde mit der Novelle 1990 (BGBl 1990/410) eine Gleichbehandlungsanwältin „voran“ und „zur Seite“ gestellt. Die Schaffung einer Gleichbehandlungsanwältin war durch das Bedürfnis nach einer Personifizierung des Rechtsschutzes in Fragen der Geschlechterdiskriminierung motiviert. Der Grund für die bis dahin relativ geringe Inanspruchnahme der GBK wurde darin gesehen, dass das Herantreten an eine doch relativ anonyme Kommission insb mit sensiblen Fragestellungen zuweilen eine unüberwindbare psychologische Barriere darstellen dürfte.10 Die mit Beratungs- und Unterstützungsaufgaben betraute Gleichbehandlungsanwältin sollte einerseits die Funktion einer „Mittlerin“ zwischen Betroffenen und Kommission übernehmen. Ihr wurde aber auch die Aufgabe der Vermittlung im Vorfeld eines Kommissionsverfahrens übertragen. So kann die Anwältin Arbeitgeberinnen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme auffordern. Davon abgesehen ist sie am Verfahren der GBK durch Teilnahme- (Sitz in der Kommission), Rede- und Antragsrechte beteiligt. Der spezifische Rechtsschutz nach dem Gleichbehandlungsgesetz er- 9 fährt gegen Ende der 90er Jahre sodann noch eine Regionalisierung. Es erwies sich alsbald, dass die Beratungs- und Unterstützungsleistungen der Gleichbehandlungsanwältin nicht bundesweit im geforderten und angemessenen Ausmaß erbracht werden können. Um dem Bedarf nach einer flächendeckenden „Versorgung“ nachzukommen wurde die Bundeskanzlerin mit der Novelle aus 1998 (BGBl I 1998/44), ermächtigt, durch Verordnung Regionalbüros einzurichten und deren örtlichen Wirkungsbereich festzusetzen. Dem damals noch engeren Anwendungsbereich des GlBG entsprechend war der Aufgabenbereich der Regionalbüros auf Fragen der Gleichbehandlung aufgrund des Geschlechts im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschränkt. Die Verordnungsermächtigung wurde zwar bereits 2004 auf weitere Diskriminierungsgründe erstreckt, dessen ungeachtet waren bis 30. 6. 2017 die 10 AB 1411 BlgNR 17. GP 4; auch der OGH qualifizierte die Anwaltschaft als „Ansprechstelle“ und nicht als Vertretung im eigentlichen Sinn, OGH 2.6.1999, 9 ObA 30/99 = RdW 1999, 671 (Eichinger); ZAS 2000/12 (Eichinger); DRdA 2000/24 (Sulzbacher).
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GBK/GAW-GesetzHattenberger Regionalbüros ausschließlich für Fragen der Gleichbehandlung aufgrund des Geschlechts zuständig (BGBl II 1998/356; BGBl II 2000/341 und BGBl II 2002/442). Mit der VO BGBl II 2017/126 wurde der Zuständigkeitsbereich der Regionalbüros auf sämtliche im GlBG genannte Bereiche und Diskriminierungsgründe erweitert. Aktuell sind vier Regionalbüros eingerichtet: in Linz mit dem örtlichen Wirkungsbereich des Landes Oberösterreich, in Innsbruck für die Bundesländer Vorarlberg, Tirol und Salzburg, in Klagenfurt für das Land Kärnten und in Graz für den örtlichen Wirkungsbereich des Landes Steiermark.11 10 Während die Entwicklung des Rechtsschutzes nach dem Gleichbehandlungsgesetz über die Jahre hinweg einen deutlichen Zugewinn an Aufgaben und Institutionen erkennen lässt, wurden die Rechtswirkungen, die Entscheidungen der GBK erzeugen können, reduziert. So wurde zunächst durch die 1. Novelle zum GlBG 1985 (BGBl 1985/290) § 2b eingefügt, welcher bestimmte, dass Förderungsrichtlinien des Bundes den Ausschluss von Unternehmen vorzusehen hätten, die den Aufträgen der GBK nicht nachkommen. Weigerte sich demnach ein Unternehmen, dem Vorschlag der GBK über die Beendigung der Diskriminierung zu folgen, war es von richtlinienförmig erfassten Förderungen des Bundes ausgeschlossen. Diese Bestimmung, die mE durchaus geeignet ist, die Befolgungsbereitschaft der Unternehmen gegenüber Vorschlägen der GBK zu erhöhen, wurde 1994 durch ein Erkenntnis des VfGH aufgehoben.12 In dieser Entscheidung stellte der VfGH zunächst fest, dass den genannten Vorschlägen der Kommission keine Bescheidqualität zukomme.13 Es sei aber mit Rücksicht auf das verfassungsgesetzlich vorgesehene Rechtsschutzsystem unzulässig, Verwaltungsakte mit erheblichen Rechtswirkungen als unbekämpfbare Akte zu konstruieren, weil damit das verfassungsgesetzlich vorgesehene Rechtsschutzsystem leer laufen würde.14 Heute sind hinsichtlich der Vergabe von Förderungen die §§ 14, 28 und 40 GlBG einschlägig. 11 § 1 der VO betreffend die Einrichtung von Regionalbüros der Anwaltschaft für Gleichbehandlung in den Bundesländern (BGBl II 2017/126). 12 VfGH 3.3.1994, G 116/93-6, kundgemacht mit BGBl 1994/371 = DRdA 1994, 423 = DRdA 1995/16 mit Anm Stolzlechner; weiters dazu Bei, DRdA 1994, 532; Hainz, ecolex 1994, 558. 13 Diese Auffassung wurde des Weiteren vertreten in den Entscheidungen VfGH 3.3.1994, B 969/92; VfGH 12.12.1996, B 2903/95; VfGH 29.11.2010, B 1952/08; VfGH 8.12.2010, B 966/09; VfGH 28.2.2011, B 1689/10. 14 Vgl dazu Mayer, ZAS 1992, 39.
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Eine Minderung der Rechtswirkungen der Beschlüsse der GBK ergibt sich dann mE auch noch daraus, dass Gutachten über Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes gemäß § 11 Abs 3 und rechtskräftige Gerichtsurteile, mit denen eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes im Einzelfall festgestellt wird, gemäß § 12 Abs 6 seit In-Kraft-Treten des GlBG und des GBK/GAW-G 2004 „nur noch“ in anonymisierter Form publiziert werden dürfen. Diese Verpflichtung zur Anonymisierung ist mit Rücksicht darauf, dass gegen „Entscheidungen“ der GBK kein den Grundsätzen des Rechtsstaates entsprechender Rechtsschutz vorgesehen ist, verfassungsrechtlich geboten, zumal durch eine namentliche Veröffentlichung der Ruf eines Unternehmens doch erheblich beeinträchtigt werden kann.15 Durch die Anonymisierung entfällt nun aber der mit der Veröffentlichung unzweifelhaft verbundene, auch spezialpräventive Sanktionscharakter, wodurch die Bedeutung der Arbeit der GBK auf die Schlichtung und die Bildung eines öffentlichen Bewusstseins reduziert wurde.16 Die Verpflichtung zur Veröffentlichung in anonymisierter Form besteht seit der Novelle BGBl I 2008/98 nunmehr auch für Einzelfallprüfungsergebnisse (§ 12 Abs 7).17 Zu veröffentlichen ist auch der Umstand, dass eine Arbeitgeberin oder Verantwortliche der Verpflichtung zur Berichtslegung gem § 13 Abs 1 nicht nachgekommen ist. Seit Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2013/107 ist überdies auch eine nicht ausreichende Berichtslegung auf der Homepage des BKA bekannt zu machen.
IV. Unionsrechtliche Vorgaben Mit der Novellierung des GlBG wurde der unionsrechtlichen Ver- 11 pflichtung zur Umsetzung mehrerer RL nachgekommen.18 Es sind dies – die RL 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse 15 Mayer, ZAS 1992, 39 f; Hainz, ecolex 1994, 559. 16 In den Materialien zum GlBG 1979 wurde stets nur die Bewusstseinsbildungsfunktion der Tätigkeit der GBK betont; IA 138A vom 24.1.1979, II4651 BlgNR 14. GP, abgedruckt in Smutny/Mayr 1309 und 1310. 17 https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/ gleichbehandlungskommissionen/gleichbehandlungskommission/gbk-se nat-i.html, 7.12.2021. 18 Siehe zur Historie auch Konstatzky/Sporrer, 15 Jahre Equality Bodies – 27 Jahre Gleichbehandlungsanwaltschaft Österreich, juridikum 2018, 197.
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oder der ethnischen Herkunft, ABl L 180 vom 19. 7. 2000, 22 (im Folgenden kurz: AntirassismusRL); die RL 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl L 303 vom 2. 12. 2000, 16 (im Folgenden kurz: RahmenRL); die RL 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der RL 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl L 269 vom 5. 10. 2002, 15 (im Folgenden kurz: ÄnderungsRL). Diese wurde durch die konsolidierte RL 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, ABl L 204 vom 26. 7. 2006, 23 (im Folgenden kurz: ChancengleichheitsRL) abgelöst; die RL 2004/113/EG vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ABl L 373 vom 21. 12. 2004, 37 (im Folgenden kurz: Erweiterte GleichbehandlungsRL); die RL 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2019 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates, ABl L 180 vom 15. 7. 2010, 1 (im Folgenden kurz: SelbständigenRL).
Die genannten RL enthalten über weite Strecken einheitliche, den Rechtsschutz betreffende Vorgaben, die im Folgenden kursorisch vorgestellt werden sollen: 12 So sind die Mitgliedstaaten regelmäßig verpflichtet, die Geltendmachung der Ansprüche aus den RL auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sicher zu stellen.19 Ebenso regelmäßig ist es in die Ent19 Art 7 Abs 1 AntirassismusRL, Art 9 Abs 1 RahmenRL, Art 8 Abs 1 Erweiterte GleichbehandlungsRL, Art 17 Abs 1 ChancengleichheitsRL, Art 9 Abs 1 SelbständigenRL.
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scheidungskompetenz der Mitgliedstaaten gestellt, darüber hinaus die Einrichtung eines Schlichtungsverfahrens vorzusehen.20 Sicher zu stellen haben die Mitgliedstaaten des Weiteren, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den in ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinien zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung mit deren Einwilligung an den zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können.21 Mit Ausnahme der Erweiterten GleichbehandlungsRL und der SelbständigenRL verlangen alle Richtlinien gleichermaßen das Ergreifen von geeigneten Maßnahmen, um den Dialog zwischen den Sozialpartnern22 und den Dialog mit geeigneten Nichtregierungsorganisationen23 mit dem Ziel der Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu fördern. Art 13 der AntirassismusRL, Art 20 der ChancengleichheitsRL und Art 11 der SelbständigenRL verlangen dann noch die Bezeichnung einer oder mehrerer Stellen, deren Aufgabe es ist, die Verwirklichung der Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts oder aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu fördern, zu analysieren, zu beobachten und zu unterstützen. Der Aufgabenbereich dieser Stellen muss a) die unabhängige Unterstützung der Diskriminierungsopfer bei der Beschwerdeführung wegen einer Diskriminierung, b) die Durchführung von unabhängigen Untersuchungen zum Thema Diskriminierung, c) die Veröffentlichung von unabhängigen Berichten und die Vorlage von Empfehlungen zu allen Aspekten, die mit diesen Diskriminierungen im Zusammenhang stehen sowie d) den Austausch von verfügbaren Informationen auf geeigneter Ebene mit entsprechenden europäischen Einrichtungen, umfassen. Für den zuletzt genannten 20 Art 7 Abs 1 AntirassismusRL, Art 9 Abs 1 RahmenRL, Art 8 Abs 1 Erweiterte GleichbehandlungsRL, Art 17 Abs 1 ChancengleichheitsRL, und Art 9 Abs 1 SelbständigenRL: „... wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten ...“. 21 Art 7 Abs 2 AntirassismusRL, Art 9 Abs 2 RahmenRL, Art 8 Abs 3 Erweiterte GleichbehandlungsRL, Art 17 Abs 2 ChancengleichheitsRL und Art 9 Abs 2 SelbständigenRL. 22 „Sozialer Dialog“, Art 11 AntirassismusRL, Art 13 RahmenRL und Art 21 ChancengleichheitsRL. 23 Art 12 AntirassismusRL, Art 14 RahmenRL und Art 22 ChancengleichheitsRL.
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GBK/GAW-GesetzHattenberger Informationsaustausch auf unionrechtlicher Ebene wurde 2010 das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen gegründet.24 13 Auf die Umsetzung dieser Vorgaben des Richtlinienrechts im GBK/ GAW-G wird im Detail bei den einzelnen Bestimmungen einzugehen sein. In diesem Zusammenhang soll nur ein grober Überblick über die Art der Umsetzung gegeben werden: Die gebotene Beteiligung von Verbänden, Organisationen oder anderen juristischen Personen am Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren wird durch § 62 GlBG derart umgesetzt, dass der „Klagsver band“25 einem Rechtsstreit zur Durchsetzung von Ansprüchen als Nebenintervenient beitreten kann. Das in § 12 Abs 2 den potentiellen Diskriminierungsopfern eingeräumte Recht, sich im Verfahren vor der GBK durch eine Person ihres Vertrauens, insb durch eine Vertreterin einer Interessenvertretung oder Nichtregierungsorganisation, vertreten zu lassen, ist demgegenüber nicht als Umsetzung dieser „Beteiligungspflicht“ in einem „Verwaltungsverfahren“ zu verstehen, da in einem Verfahren vor der GBK zum einen mE keine „Ansprüche“ durchgesetzt werden und zum anderen das Verfahren vor der Kommission wohl insgesamt nicht als ein Verwaltungsverfahren iSd der Richtlinie zu verstehen sein dürfte. Die geforderte Institutionalisierung des sozialen Dialogs wurde durch die Novelle BGBl I 2013/107 durch Einfügung des § 62a in das GlBG umgesetzt. Die Aufgabe der Durchführung von unabhängigen Untersuchungen zu Diskriminierungsthemen, der Veröffentlichung von unabhängigen Berichten zu allen Diskriminierungsaspekten sowie der unabhängigen Unterstützung möglicher Diskriminierungsopfer ist gemäß § 5 Abs 2 der GAW übertragen. Seit die GAW durch die Novelle BGBl I 2011/7 explizit weisungsfrei gestellt ist, kommt ihr unzweifelhaft auch jene Rechtsstellung zu, die es ihr ermöglicht, die unionsrechtlich gebotene unabhängige Beratungs-, Untersuchungs- und Berichtstätigkeit auszuüben.26
24 https://european-union.europa.eu/institutions-law-budget/institutions-andbodies/institutions-and-bodies-profiles/eige_de, 4.12.2021. 25 Nähere Informationen über den Klagsverband unter https://www.klagsver band.at/, 4.12.2021. 26 Zur Frage der Weisungsbindung nach alter Rechtslage siehe die Ausführungen unter § 3 Rz 4 und § 10 Rz 2 ff.
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V. Auffälligkeiten Zunächst fällt die organisationsrechtliche Dominanz der BKin27 auf. 14 Diese „beginnt“ schon mit der Einrichtung der GBK beim BKA.28 Die Betrauung mit der Vorsitzführung und der Stellvertretung ist für alle drei Senate Sache der BKin (§ 2 Abs 6), ebenso wie die Enthebung von Senatsmitgliedern oder die Ersatzbestellung von Mitgliedern für den Fall, dass eine entsendungsberechtigte Institution ihr Recht zur Entsendung von Mitgliedern nicht ausübt (§ 2 Abs 7). Auch die GAW ist beim BKA einzurichten. Die Gleichbehandlungsanwältinnen werden von der BKin bestellt und von dieser auch unter bestimmten Voraussetzungen ihres Amtes enthoben (§ 3 Abs 4 und 7). Und nicht zuletzt ist auch die mit Verordnung vorzunehmende Einrichtung von Regionalbüros sowie die Bestellung von Regionalanwältinnen Sache der BKin (§ 4 Abs 1). Diese Dominanz ist insofern bemerkenswert, als die Zuständigkeit der Kommission ja nunmehr über die Gleichbehandlung der Geschlechter hinaus auch auf andere Diskriminierungsgründe in einer „erweiterten Arbeitswelt“ (diese erfasst nicht mehr „bloß“ das Dienstverhältnis, sondern auch die sog „sonstige“ Arbeitswelt, § 1 Abs 1 Z 2–4 iVm § 4 GlBG; § 16 Abs 1 Z 2–4 iVm § 18 GlBG) sowie auf sonstige Bereiche (III. Teil, 1. Abschnitt GlBG) erstreckt wurde. Senat II ist für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters, der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt, Senat III für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit 27 Bis zur Novelle BGBl I 2008/98 war die GBK organisatorisch beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen angesiedelt. Mit der Bundesministeriengesetz-Novelle BGBl I 2007/6 wurden der Bundeskanzlerin ua auch die „Koordination der Angelegenheiten der Frauen- und Gleichstellungspolitik“, die „Angelegenheiten der Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt“, die „Angelegenheiten der Gleichbehandlungskommission und der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen …“ übertragen (Z 14 und 16 des Teils 2 der Anlage zu § 2). Im aktuellen BMinG (Fassung BGBl I 2021/148) sind das die Z 24, 26 und 27 des Teils 2 der Anlage 2 zu § 2. 28 Dabei ist zu beachten, dass die sachliche Leitung auch der Angelegenheiten der GBK und der GAW mit Entschließung des Bundespräsidenten, BGBl II 2022/3 auf die BMin für Frauen, Familie, Integration und Medien im BKA übertragen wurde (sog „Kanzleramtsministerin“). Wenn also im Folgenden die BKin genannt wird, dann ist darunter die Kanzleramtsministerin zu verstehen.
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§ 1 GBK/GAW-GesetzHattenberger in sonstigen Bereichen zuständig. Diese Zuordnung zum BKA ist insofern bemerkenswert, als mit der Vollziehung des GlBG von wenigen Ausnahmen abgesehen die Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz29 betraut ist (§ 64 Abs 1 Z 3 GlBG). Durch die pauschale Betrauung mit den Angelegenheiten der GBK und der GAW ist demnach der BKin auch die Zuständigkeit für andere Diskriminierungsgründe zugewachsen. 15 Das GBK/GAW-G weist den mit den Fragen der Gleichbehandlung der Geschlechter befassten Institutionen eine Vorrangstellung zu. Diese Vorrangstellung zeigt sich darin, dass in Fällen der Mehrfachdiskriminierung (§ 1 Abs 3) der für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt zuständige Senat I mit der Verfahrensführung betraut ist. Es ist auch die Vorsitzende eben dieses Senates I, welche die Tätigkeit der GBK zu koordinieren hat (§ 1 Abs 4). Dieselbe Funktion kommt der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt hinsichtlich der Tätigkeit der GAW zu (§ 3 Abs 4). Sie hat die Gesamttätigkeit der GAW zu koordinieren.
Gleichbehandlungskommission § 1. (1) Beim Bundeskanzleramt ist eine Gleichbehandlungskom-
mission (GBK) einzurichten. (2) Die Gleichbehandlungskommission besteht aus drei Senaten. Die Senate sind für folgende Bereiche zuständig: 1. Senat I für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt (Teil I des Gleichbehandlungsgesetzes – GlBG, BGBl. I Nr. 66/2004); 2. Senat II für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt (Teil II GlBG); 3. Senat III für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen (Teil III, 1. Abschnitt GlBG). (3) Betrifft ein von der Gleichbehandlungskommission zu behandelnder Fall sowohl die Gleichbehandlung von Frauen und Män29 Gemäß § 1 Abs 1 Z 4 iVm § 17 BMinG BGBl 1986/76 idF BGBl I 2021/148 ist das nunmehr die BMin für Arbeit.
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nern in der Arbeitswelt als auch die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt, so ist Senat I zuständig. Er hat dabei auch die Bestimmungen über die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt (Teil II GlBG) anzuwenden. (4) Der/die Vorsitzende des Senates I hat die Tätigkeit der Gleichbehandlungskommission zu koordinieren. (5) Wird in einem an die Gleichbehandlungskommission gerichteten Antrag oder Verlangen eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ausschließlich oder auch wegen einer Diskriminierung auf Grund einer Behinderung geltend gemacht, so ist die Gleichbehandlungskommission nicht zuständig und hat die Behandlung dieses Antrags oder dieses Verlangens mangels Zuständigkeit abzulehnen. In der Ablehnung ist auf die Zuständigkeit des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen für die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach den Bestimmungen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 82/2005, oder des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, und die damit verbundene Klagshemmung ausdrücklich hinzuweisen. Abs 5 durch BGBl I 2005/82 angefügt. Abs 1 und Abs 2 Z 3 wurden durch BGBl I 2008/98 geändert. Abs 2 Z 3 wurde durch BGBl I 2011/7 neu gefasst. Literatur: Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht (1927); Winkler, Der Bescheid. Ein Beitrag zur Lehre vom Verwaltungsakt (1956); Mayer, Lebensmittelüberwachung und mittelbare Bundesverwaltung, ÖZW 1977, 97; Raschauer B., Die obersten Organe der Landesverwaltung, in FS Antoniolli (1979) 375; Rill, Zum Verwaltungsbegriff, in FS Antoniolli (1979) 35; Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3 (1987); Schäffer, Weinaufsicht und mittelbare Bundesverwaltung, ZfV 1988, 361; Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht (1991); Potacs, Devisenbewirtschaftung (1991); Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung (1993); Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 (1996); Rebhahn, Staatshaftung wegen mangelnder Gefahrenabwehr (1997); Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2 (1999); Schragel, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz3 (2003); Wieser, Art 77 B-VG, in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), RillSchäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht (9. Lfg 2012); Mayer/KucskoStadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 (2015); Raschauer B., Allgemeines Verwaltungsrecht6 (2021), aktualisiert und überarbeitet von Ennöckl/Raschauer N./Wessely.
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§ 1 GBK/GAW-GesetzHattenberger Inhaltsübersicht I. Rechtliche Qualifikation............................................................................. 1 1. Einleitung................................................................................................. 1 2. Verwaltungsorgan.................................................................................. 2 3. Behörde?................................................................................................... 3 4. Vollziehung des GlBG als nicht-hoheitliche Verwaltung................. 6 II. Einrichtung beim BKA............................................................................... 8 III. Gliederung in Senate, Mehrfachdiskriminierung................................... 9
I. Rechtliche Qualifikation 1. Einleitung 1 Die Rechtsnatur der GBK wurde in der Vergangenheit zT rhetorisch variantenreich umschrieben. Sie sei materiell betrachtet ein „Stück verrechtlichter Sozialpartnerschaft“, formell gesehen ein Verwaltungsorgan des Bundes, hingegen keine Verwaltungsbehörde.1 Martinek2 umschrieb die GBK funktional, nämlich als „staatliche Vermittlungsund Schlichtungsstelle ohne Befugnis zur Zwangsschlichtung, die im Vorfeld der Gerichtsbarkeit die vielschichtigen Phänomene sachfremder Ungleichbehandlung aufdecken und durch Vorschläge und Gutachten zur Verwirklichung der Gleichbehandlung beitragen soll“. Sie könne keinen Verwaltungszwang ausüben und keine Verwaltungsstrafen verhängen. Auch der Typus der gesetzlichen Einrichtung sui generis wurde bemüht.3 Alle diese Charakterisierungen bringen richtige (materielle oder formelle), aber eben unterschiedliche Aspekte zum Ausdruck. Zur hartnäckig zitierten und von Mayer-Maly kreierten Charakterisierung als „verrechtlichte Sozialpartnerschaft“4 sei angemerkt, dass die Verrechtlichung der Sozialpartnerschaft zum einen keine singuläre Erscheinung ist – es existieren zahlreiche Einrichtungen, deren Mitglieder zum Teil auch von den Sozialpartnern beschickt werden.5 Zum anderen sollte der Anteil der Verwaltungsorgane des Bundes 1 2 3 4
Mayer-Maly 59; Eichinger, Frau 325. Gleichbehandlungsgebot 553. Bei/Novak in Aichhorn, Frau & Recht 83 (154). Das sei nach Mayer-Maly insofern bemerkenswert, als die Sozialpartnerschaft sich stets darum bemühte, eine Verrechtlichung zu vermeiden. 5 Nur beispielhaft erwähnt seien die Kommission zur langfristigen Pensionssicherung nach § 108e ASVG (mit BGBl I 2017/29 aufgehoben), die Gentechnikkommission nach § 81 Gentechnikgesetz, die Wettbewerbskommis-
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in der Zusammensetzung nicht übersehen werden. Zwar stellen die Sozialpartner in den Senaten I und II mit nunmehr vier6 Vertretern noch die Mehrheit, angesichts der von diesen Institutionen vertretenen, typischerweise gegenläufigen Interessen bleibt jedoch zu bedenken, dass mit Rücksicht auf die für die Beschlussfassung erforderliche einfache Mehrheit (§ 14 Abs 3) die Verwaltungsorgane des Bundes gemeinsam mit „einer Seite“ der Interessenvertretungen Beschlüsse fassen können. In Senat III sind die Vertreter der Sozialpartner mit zwei von sieben deutlich in der Minderheit. Für die juristische Qualifikation der GBK sind mE zwei Aspekte von Bedeutung: zum einen die Zuordnung der GBK zur Staatsfunktion Verwaltung, zum anderen die – mit Rücksicht auf die geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen – nunmehr eindeutig beantwortbare Frage, ob die GBK eine Behörde ist.
2. Verwaltungsorgan Die Zuordnung der Tätigkeit staatlicher Organe zu einer der drei 2 Staatsfunktionen – Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit – ist primär durch organisatorische Elemente bestimmt. Inhalt, Zweck und Form staatlichen Handelns kommen nur nachgeordnete Bedeutung zu. Zu den Verwaltungsorganen zählen all jene, die weder Organe der Gesetzgebung noch der Gerichtsbarkeit sind.7 Die GBK ist beim BKA eingerichtet. Aus dieser organisatorischen Eingliederung in den Geschäftsapparat eines obersten Organs der Bundesverwaltung ergibt sich ihre Zuordnung zur Staatsfunktion Verwaltung.8 Und es ist gefestigte Auffassung, dass das Handeln eines Organs der (Bundes-)Verwaltung im organisatorischen Sinn stets zur Verwaltung gehört, ungeachtet dessen, ob es normativer oder nicht-normativer, öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist.9 Diese Qualifikation wird mE auch
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sion nach § 16 Wettbewerbsgesetz oder die Preiskommission nach § 9 Preisgesetz. Bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2013/107 waren es jeweils acht Vertreterinnen. Rill in FS Antoniolli 35 (45); Adamovich/Funk, Verwaltungsrecht3 21; Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 8. In VfGH 12.12.1996, B 2903/95, B 2934/95, B 3662/95 qualifizierte der VfGH die GBK als beim BKA eingerichtete Dienststelle, die in organisationsrechtlicher Hinsicht jedenfalls Teil einer Verwaltungsbehörde sei. Rill in FS Antoniolli 35 (47); Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 14.
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§ 1 GBK/GAW-GesetzHattenberger dadurch nicht in Frage gestellt, dass die „Dienststelle Gleichbehandlungskommission“ nicht den BK bei der Wahrnehmung seiner Kompetenzen unterstützt, sondern eigene Zuständigkeiten wahrnimmt. Die Zuordnung der GBK zur Staatsfunktion Verwaltung ist nun insb insofern von Relevanz, als der Verwaltung durch Art 20 Abs 1 B-VG der Grundsatz der Bindung an Weisungen vorgegeben ist.10 Darüber hinaus interessiert die Maßgeblichkeit sonstiger für die Verwaltung geltender Funktionsgrundsätze wie zB die Amtsverschwiegenheit nach Art 20 Abs 3 B-VG (§ 3 Rz 11) und die Anwendbarkeit des Amtshaftungsgesetzes (dazu unten Rz 7).
3. Behörde? 3 Für die Qualifikation eines Organs als Behörde kommt es zunächst darauf an, dass dieses Organ von der Rechtsordnung mit Hoheitsgewalt, dh mit der Befugnis zu heteronomer Rechtsetzung, ausgestattet wurde. Eine Einrichtung ist daher nur dann Verwaltungsbehörde, wenn ihr von der Rechtsordnung die Befugnis zur Erlassung von Verordnungen, Bescheiden oder Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt eingeräumt wurde.11 Es gilt daher, die der GBK übertragenen Befugnisse auf die Einräumung von hoheitlichen Befugnissen hin zu untersuchen. Die Tätigkeit der GBK mündet in Gutachten (§ 11), Vorschläge zur Verwirklichung der Gleichbehandlung oder Aufforderungen, die Diskriminierung zu beenden (§ 12 Abs 3) oder Verlangen zur Berichterstattung (§ 13 Abs 1). Eine ausdrückliche Ermächtigung zur Setzung von Hoheitsakten wie einer Verordnung oder eines Bescheides sehen die genannten Ermächtigungsnormen nicht vor. Diese Feststellung ist allein freilich für die Beurteilung der Behördenqualität noch nicht ausreichend, zumal es für die Einräumung von Hoheitsgewalt ganz unbestritten nicht auf die Bezeichnung, sondern auf die mit einem Verwaltungshandeln verbundenen Wirkungen ankommt. So hat der VfGH in einem Erkenntnis zu Aufträgen der GBK12 ausgesprochen, dass es dem Gesetzgeber verwehrt sei, Verwaltungsakte, die erhebliche Rechtswirkungen haben, 10 Zur Weisungsbindung eingehend § 10 Rz 2 ff. 11 Merkl, Verwaltungsrecht 306; Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 138 und 689; Winkler, Bescheid 38, 70, 74; Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz 549 uvm. 12 VfGH 3.3.1994, G 116/93-6 = DRdA 1995/16 mit Anm Stolzlechner.
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als unbekämpfbare Verwaltungsakte zu konstruieren, weil dadurch das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem leer laufen würde. Dem Gebot zu verfassungskonformer Interpretation entsprechend müsse ein solcher, seiner Qualität nach zweifelhafter Verwaltungsakt als bekämpfbarer Bescheid ausgelegt werden.13 Selbst unter Beachtung dieser Argumente kommt der GBK (zunächst) keine Behördenqualität zu, zumal die genannten Akte keine erheblichen Rechtswirkungen entfalten. Die Folge einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ist bei Gutachten ihre Veröffentlichung in anonymisierter Form auf der Homepage des BKA (§ 11 Abs 3). Wird einem Vorschlag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung oder der Aufforderung zur Beendigung der Diskriminierung im Einzelfall nicht Folge geleistet, so ermächtigt das die im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen oder unter näheren Voraussetzungen auch bestimmte Mitglieder der GAW, eine Klage auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes einzubringen. Stellt das Gericht rechtskräftig eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes fest, so ist dieses Urteil – wiederum in anonymisierter Form – auf der Homepage des BKA zu veröffentlichen (§ 12 Abs 6). Und wird dem Verlangen auf Berichterstattung iSd § 13 nicht oder nicht ausreichend entsprochen, so „droht“ Gleichartiges. Der Umstand der Nichtbefolgung oder der nicht ausreichenden Befolgung der Verpflichtung zur Berichtslegung ist zu veröffentlichen; die Verpflichtung zur Anonymisierung ist hier allerdings nicht vorgesehen. Was nun die Entscheidungen der Kommission nach den §§ 11 und 12 anbelangt, ist wohl unzweifelhaft, dass diese keine als erheblich zu qualifizierenden Rechtswirkungen entfalten.14 Bei einer Veröffentlichung nach § 13 ist das nicht von vornherein klar. Man könnte in der Veröffentlichung der Tatsache, dass eine für die vermutete Diskriminierung verantwortliche Person der Aufforderung zur Berichtslegung nicht (ausreichend) nachkommt, eine Beeinträchtigung ihres guten Rufes er13 Mayer, ZAS 1992, 39; diese Konsequenz hat der VfGH im genannten Erkenntnis allerdings nicht gezogen, vgl Hainz, ecolex 1994, 559; in VfGH 12.12.1996, B 2903/95 qualifizierte der VfGH hingegen eine Entscheidung der GBK als Bescheid aufgrund ihres Duktus und ihrer Entscheidungsform. Mangels Kompetenz zu hoheitlicher Gestion wurde der „Bescheid“ aufgehoben. 14 Dass die Vorschläge und Aufforderungen nach § 12 Abs 3 nicht in Bescheidform zu erlassen sind, hat der VfGH schon in der Entscheidung vom 12.12.1996, B 2903/95 klargestellt.
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§ 1 GBK/GAW-GesetzHattenberger blicken.15 Als erheblich würde ich diese Rechtswirkung allerdings nicht einstufen, zumal der Vorwurf dahin geht, eine Person oder ein Unternehmen sei nicht bereit, mit der GBK zu kooperieren. Ein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift wird damit nicht behauptet. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass diese Entscheidungen der GBK mangels erheblicher Wirkungen nicht als Bescheide zu deuten sind.16 4 Bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2011/7 konnte die Behördenqualität der GBK mit guten Gründen mit § 16 begründet werden.17 Dieser erklärt nämlich bestimmte Vorschriften des AVG – ua auch die jeweils mit Verfahrensanordnung auszusprechende Verweigerung der Akteneinsicht gemäß § 17 Abs 4 AVG und die Ladung von Personen gemäß § 19 Abs 4 AVG – für anwendbar.18 Mit der genannten Novelle wurde allerdings § 16 um die Anordnung erweitert, dass der GBK hoheitliche Befugnisse, die in den verwiesenen Bestimmungen des AVG geregelt sind, nicht zukommen. Damit werde – so die Erläuterungen RV 938 BlgNR 24. GP – „der mangelnde Behördencharakter der GBK klargestellt“. Hat man die Frage der Behördenqualität verneint, so bedeutet das nicht, das einzelne Akte der GBK nicht als Bescheid gedeutet werden können. Der VfGH sprach aus, dass es der GBK zwar an hoheitlichen Befugnissen ermangle,19 dessen ungeachtet sei die Entscheidung aufgrund von Duktus und Erscheinungsform als (freilich rechtswidriger) Bescheid zu werten.20 5 Die mittlerweile als eher schwach einzuschätzenden Möglichkeiten der GBK, auf das Verhalten der für eine Diskriminierung verantwortlichen Personen einzuwirken, haben in der Vergangenheit zuweilen die Forderung nach einer Stärkung ihrer Position durch die Übertragung von Bescheidbefugnissen laut werden lassen. So wurde etwa die Einrichtung als (mittlerweile nicht mehr dem Rechtsbestand angehörende) Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag nach Art 133 Z 4 B-VG 15 In diese Richtung allerdings noch zu einer anderen Rechtslage, Mayer, ZAS 1992, 39 f; Hainz, ecolex 1994, 559. 16 Vgl auch VfGH 3.3.1994, B 969/92 und VfGH 12.12.1996, B 2903/95, B 2934/95, B 3662/95. 17 So auch der VwGH vom 17.3.2011, 2011/03/0063. Da die GBK § 19 AVG anzuwenden hat, ist sie mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet (die Entscheidung erging zu § 16 alte Fassung). 18 Siehe dazu die Ausführungen in der ersten Auflage § 1 Rz 4 f. 19 Es ging um die Feststellung einer sexuellen Belästigung. 20 VfGH 12.12.1996, B 2903/95.
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vorgeschlagen, der dann auch die Entscheidung über die Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes übertragen werden könnte. Des Weiteren erwogen wurde die Einrichtung von Sukzessivzuständigkeiten.21
4. Vollziehung des GlBG als nicht-hoheitliche Verwaltung Die Tätigkeit der GBK ist – wie ausgeführt – eine nicht-hoheitliche. 6 Dabei ist die Bezeichnung „nicht-hoheitlich“ mE gegenüber der gebräuchlichen Charakterisierung als „Privatwirtschaftsverwaltung“ vorzuziehen. Dies aus folgendem Grund: Die Unterscheidung zwischen der Hoheits- und der Privatwirtschaftsverwaltung ist eine formenorientierte.22 Bedient sich der Staat der hoheitlichen Handlungsformen Bescheid, Verordnung oder Befehls- und Zwangsakte, so liegt Hoheitsverwaltung vor. Unter Privatwirtschaftsverwaltung wird ein Verwaltungshandeln in den Formen des Privatrechts verstanden und regelmäßig der Vertrag als Beispiel genannt.23 Nun wird damit aber mE suggeriert, dass sich auch die sog Privatwirtschaftsverwaltung „positiv“ bestimmen ließe. Das ist mE angesichts der Vielfalt des Handelns nicht möglich. „Privatwirtschaftsverwaltung“ ist wohl jedes Verwaltungshandeln, das nach Abzug der hoheitlichen und schlicht-hoheitlichen Verwaltung – also einem Verwaltungshandeln in Zusammenhang mit Hoheitsakten24 – „übrig bleibt“ und insofern nur negativ bestimmbar. Abgesehen davon ist mE die Tätigkeit der GBK gerade eine, die für Private zwar wohl möglich, aber jedenfalls nicht typisch ist.25 Die Zuschreibung, dass der Staat wie ein Privater handelt, passt für die klassischen Bereiche der Privatwirtschaftsverwaltung wie zB die fiskalischen Hilfsgeschäfte, nicht aber für die Tätigkeit der GBK. Und diese Tätigkeit ist auch keine, die man als ein „Wirtschaften“ des Staates ansehen würde. Der Begriff der nicht-hoheitlichen Verwaltung trifft daher mE besser.26 21 Vgl dazu Smutny/Mayr 388 mwN. 22 Der VfGH in ständiger Rsp beginnend mit VfSlg 3262/1957. 23 Statt vieler Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 684 ff; Korinek/Holoubek, Privatwirtschaftsverwaltung 9 ff mwN. 24 Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 715 ff. 25 Erstellen von Gutachten zu Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften, Schlichtungstätigkeit. 26 Vgl auch Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 721.
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§ 1 GBK/GAW-GesetzHattenberger 7 Die Qualifikation der Tätigkeit der GBK als eine nicht-hoheitliche ist für die Frage der Anwendbarkeit des Amtshaftungsgesetzes von Bedeutung. Das AHG gilt unbestritten nur für hoheitliches Tun oder Unterlassen sowie für Akte, die in einem Zusammenhang mit einer hoheitlichen Tätigkeit stehen.27 Das Handeln der GBK unterliegt nicht dem Haftungsregime des AHG.
II. Einrichtung beim BKA 8 Ursprünglich war die GBK beim Bundesministerium für soziale Verwaltung eingerichtet.28 Gleiches galt ab BGBl 1990/410 auch für die Anwältin für Gleichbehandlungsfragen. Mit BGBl I 1998/44 wurden GBK und GAW erstmals in die Zuständigkeit des BKA übertragen. Die Stammfassung des GBK/GAW-G richtete die GBK und die GAW beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen ein. Mit BGBl I 2008/98 wurden GBK und GAW wiederum dem Bundeskanzleramt organisatorisch unterstellt. Damit wurde die durch die Bundesministeriengesetz-Novelle 200729 vorgenommene Zuständigkeitsänderung auch im GBK/GAW-G nachvollzogen. Die Z 14 bis 16 des Teiles 2 der Anlage zu § 2 BMinG weisen „die Koordination in Angelegenheiten der Frauen- und Gleichstellungspolitik“, die „Koordination in Angelegenheiten des Gender Mainstreaming“ und „Angelegenheiten der Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt; Angelegenheiten der Gleichbehandlungskommission und der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen; Angelegenheiten der Bundes-Gleichbehandlungskommission und der Interministeriellen Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen“ dem BKA zu. Diese Zuständigkeitsordnung ist auch aktuell noch gültig.30 Mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 1. März 2007, BGBl II 2007/49 wurden diese Agenden der Bundesministerin im Bundeskanzleramt übertragen.31 De facto blieben demnach die Zuständigkeiten gemäß GBK/GAW-G beim Frauenminister. Dem 27 „Schlichte Hoheitsverwaltung“, „hoheitliche Realakte“; vgl Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 699 ff; Adamovich/Funk, Verwaltungsrecht3 439 f; Antoniolli/Koja, Verwaltungsrecht3 766; Rebhahn, Staatshaftung 88; Schragel, Amtshaftungsgesetz3 103 ff. 28 § 3 Gleichbehandlungsgesetz, BGBl 1979/108. 29 BGBl I 2007/6. 30 Z 24 bis 27 des Teils 2 der Anlage zu § 2, BMinG idF BGBl I 2021/148. 31 Entschließung des BPräs BGBl II 2022/3.
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solcherart bestellten Kanzleramtsminister kommt die rechtliche Stellung eines zuständigen Ministers zu. Die für diese Agenden zuständige Organisationseinheit im BKA wird von ihm eigenverantwortlich geleitet.32
III. G liederung in Senate, Mehrfach diskriminierung Die organisationsrechtliche Struktur der GBK folgt der Dreiteilung 9 des Diskriminierungsschutzes des GlBG. Senat I ist für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt (Teil I des GlBG) zuständig, Senat II für die Gleichbehandlung in der Arbeitswelt ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung (Teil II des GlBG) und Senat III für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in den sonstigen Bereichen (Teil III des GlBG). Die Argumente, die gegen diese Teilung des Diskriminierungsschutzes sprechen – wie die Frage, ob es nicht aus Gründen der Sachlichkeit geboten wäre, die Verwirklichung der Gleichbehandlung in der Arbeitswelt in einem zu regeln, oder anders formuliert: der Ungleichbehandlung auf Grund des Geschlechts durch die Aufspaltung des Schutzes vor Diskriminierung in der Arbeitswelt keinen besonderen Rang zuzuweisen –, wirken demnach auf organisationsrechtlicher Ebene fort. Die Vorteile einer Trennung der Senate sieht der Gesetzgeber darin, dass auf die Besonderheiten der Materien eingegangen und entsprechendes Fachwissen gesammelt werden kann.33 Für den Fall der Mehrfachdiskriminierung, dh eine ungünstigere Be- 10 handlung in einer vergleichbaren Situation stützt sich auf mehr als einen Diskriminierungsgrund,34 ordnet das Gesetz die Zuständigkeit des Senates I an, der dann auch die für den Senat II geltenden Bestimmungen anzuwenden hat. Auch durch diese Bestimmung wird die schon erwähnte Vorrangstellung der für die Geschlechtergleichbehandlung zuständigen Institutionen deutlich. Diese wird in den Materialien mit der Begründung gerechtfertigt, dass dadurch die „Erfahrung und Ex32 Wieser in Kneihs/Lienbacher, B-VG Art 77 Rz 25. 33 RV 307 BlgNR 22. GP 23. 34 ZB Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit; vgl GlBG § 3 Rz 51.
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§ 2 GBK/GAW-GesetzHattenberger pertise der bereits bestehenden GBK in Gleichbehandlungsangelegenheiten genutzt werden“ könne.35 Durch die Einrichtung einer gemeinsamen Anlaufstelle werde dem Problem der Mehrfachdiskriminierung „kund/inn/enfreundlich“ begegnet. Schließlich könnten die Mehrkosten in Grenzen gehalten werden, zumal die Nutzung bereits bestehender Einrichtungen Synergieeffekte erwarten ließe. Die dem Vorsitzenden des Senates I zugewiesene Aufgabe der Koordinierung der Tätigkeit der GBK betrifft – wie sich aus den Materialien erhellt – „vor allem die Postzuteilung“.36 11 Mit der Novelle BGBl I 2005/82 wurde § 1 um einen fünften Absatz erweitert. Dieser regelt die Abgrenzung der Zuständigkeit der GBK von jener des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen. Demnach ist die Zuständigkeit des Bundesamtes immer dann gegeben, wenn (auch) der Diskriminierungsgrund der Behinderung geltend gemacht wird.37 Die GBK hat einen an sie gerichteten Antrag oder ein Verlangen auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes, in dem auch oder ausschließlich eine Diskriminierung auf Grund einer Behinderung geltend gemacht wird, mangels Zuständigkeit abzulehnen und auf die Zuständigkeit des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen hinzuweisen. § 1 Abs 5 ist mit 1. 1. 2006 in Kraft getreten.
Zusammensetzung der Senate § 2. (1) Jeder Senat hat aus dem/der Vorsitzenden und weiteren Mit-
gliedern zu bestehen. (2) Dem Senat I haben als weitere Mitglieder anzugehören: 1. ein Mitglied, das von der Wirtschaftskammer Österreich entsendet wird; 2. ein Mitglied, das von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte entsendet wird; 3. ein Mitglied, das von der Vereinigung der Österreichischen Industrie entsendet wird; 4. ein Mitglied, das vom Österreichischen Gewerkschaftsbund entsendet wird; 5. ein Mitglied, das vom/von der Bundeskanzler/in bestellt wird; 35 RV 307 BlgNR 22. GP 23. 36 RV 307 BlgNR 22. GP 7. 37 Windisch-Graetz in ZellKomm3 GBK/GAW-G § 2 Rz 5 f.
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Zusammensetzung der Senate
§ 2 GBK/GAW-Gesetz
6. ein Mitglied, das vom/von der Bundesminister/in für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bestellt wird. (3) Dem Senat II haben als weitere Mitglieder anzugehören: 1. ein Mitglied, das von der Wirtschaftskammer Österreich entsendet wird; 2. ein Mitglied, das von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte entsendet wird; 3. ein Mitglied, das von der Vereinigung der Österreichischen Industrie entsendet wird; 4. ein Mitglied, das vom Österreichischen Gewerkschaftsbund entsendet wird; 5. ein Mitglied, das vom/von der Bundeskanzler/in bestellt wird; 6. ein Mitglied, das vom/von der Bundesminister/in für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bestellt wird. (4) Dem Senat III haben als weitere Mitglieder anzugehören: 1. ein Mitglied, das von der Wirtschaftskammer Österreich entsendet wird; 2. ein Mitglied, das von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte entsendet wird; 3. ein Mitglied, das vom/von der Bundeskanzler/in bestellt wird, 4. ein Mitglied, das vom/von der Bundesminister/in für Wirtschaft, Familie und Jugend bestellt wird, 5. ein Mitglied, das vom/von der Bundesminister/in für Justiz bestellt wird, 6. ein Mitglied, das vom/von der Bundesminister/in für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bestellt wird. (Anm.: Abs 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2008/98) (6) Den Vorsitz hat jeweils ein/e vom/von der Bundeskanzler/in betraute/r Bedienstete/r des Bundes zu führen. Eines der weiteren Mitglieder, das Bedienstete/r des Bundes ist, ist vom/von Bundeskanzler/in mit der Stellvertretung des/der Vorsitzenden zu be trauen. Vor der Betrauung der Vorsitzenden der Senate und deren Stellvertreter/innen sind die jeweils entsendungsberechtigten Interessenvertretungen zu hören. (7) Für jedes weitere Senatsmitglied ist mindestens ein Ersatzmitglied zu entsenden bzw. zu bestellen. Die Funktionsdauer der Mitglieder und deren Ersatzmitglieder beträgt vier Jahre. Wiederentsendung bzw. Wiederbestellung sind zulässig. Bei Verzicht, Wi815
§ 2 GBK/GAW-GesetzHattenberger derruf der Entsendung oder Bestellung, grober Verletzung oder dauernder Vernachlässigung der Pflichten sind die Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder vom/von der Bundeskanzler/in vor Ablauf der Funktionsdauer von ihrer Funktion zu entheben. Im Bedarfsfall ist ein Senat durch Neuentsendungen bzw. Neubestellungen für den Rest der Funktionsdauer zu ergänzen. Wird das Entsendungsrecht bzw. das Bestellungsrecht nicht binnen zwei Monaten nach Aufforderung ausgeübt, so hat der/die Bundeskanzler/in die betreffenden Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder zu bestellen. (8) Die von einer Interessenvertretung entsendeten Mitglieder und deren Ersatzmitglieder haben vor Antritt ihrer Funktion dem/ der Vorsitzenden die gewissenhafte und unparteiische Ausübung ihrer Tätigkeit zu geloben. (9) Bei der Entsendung von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern sollen mindestens 50 % Frauen berücksichtigt werden. Jedes der Bundesministerien, die ein Mitglied bestellen, soll zumindest eine Frau als Mitglied oder Ersatzmitglied bestellen. Abs 2 Z 6, Abs 4, 6 und 7 wurden durch BGBl I 2008/98 geändert. Abs 5 wurde durch BGBl I 2008/98 aufgehoben. Abs 2, 3 und 4 wurden durch BGBl I 2013/107 neu gefasst. Abs 9 wurde durch BGBl I 2013/107 geändert.
1 Mit BGBl I 2013/107 wurden die Senate deutlich verkleinert. Die Zahl der Mitglieder wurde in Senat I von zwölf auf sieben, in Senat II von elf auf sieben und in Senat III von zuletzt dreizehn1 auf sieben reduziert. Diese Verkleinerung ging fast ausschließlich2 zu Lasten der Sozialpartner, die statt zwei regelmäßig nur mehr ein Mitglied entsenden. Abgesehen davon wurde in Senat III die Beteiligung der Ministerien deutlich dezimiert.3 Die Verkleinerung wurde zum einen mit Ressourcenknappheit bei den entsendeberechtigten Organisationen, zum anderen auch mit dem Umstand begründet, dass ein derart großes Gremium nicht den geeigneten Rahmen bietet, um für die Betroffenen zum Teil höchst sensible Themen zu verhandeln.4 Eine doch deutliche Reduktion der Mitgliederzahl wird diesem Anliegen gewiss gerecht, ob ein Gremium 1 Seit BGBl I 2008/98. 2 Eine Reduktion von zwei auf eins ist auch für das Bestellungsrecht der BKin vorgesehen. 3 Eine Entsendung durch die Ministerinnen für Bildung, Wissenschaft und Inneres ist seither nicht mehr vorgesehen. 4 RV 2300 BlgNR 24. GP 5.
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Zusammensetzung der Senate
§ 2 GBK/GAW-Gesetz
von sieben Personen einen diesbezüglich angemessenen Rahmen schafft, ist mE dennoch fraglich. Nicht zuletzt erhofft man sich von kleineren Senaten eine Verkürzung der Verfahrensdauer.5 Gemeinsam ist der Zusammensetzung der drei Senate, dass sie regel- 2 mäßig, wenn auch in unterschiedlichen Kräfteverhältnissen, „dreigliedrig“ vorgesehen ist.6 Vertreten sind die Verbände der ANinnen und AGinnen sowie die staatliche Verwaltung. Die Regelung der Zusammensetzung der Senate wurde nicht zum Anlass genommen, um die von den RL geforderten Maßnahmen zur Förderung des Dialogs mit den Nichtregierungsorganisationen7 zu institutionalisieren. Ihnen kommt hinsichtlich der Besetzung der Senate weder ein Entsendungsnoch ein Vorschlags- oder Anhörungsrecht zu. Die Zusammensetzung der Senate weist Gemeinsamkeiten und Un- 3 terschiede auf. Seit Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2013/107 mit 1. Jänner 2014 bestehen alle Senate einheitlich aus sieben Mitgliedern, einer Vorsitzenden und sechs weiteren Mitgliedern. Entsendungs- und Bestellrechte für die Senate I und II sind nunmehr identisch. Das ist mit Rücksicht darauf, dass die Agenden der Gleichbehandlung der Geschlechter nunmehr zum BKA ressortieren und beide Senate „für die Arbeitswelt“ zuständig sind auch konsequent. In den Senaten I und II sind jeweils vier Vertreterinnen der Sozialpartner vorgesehen. ANinnen- und AGinnen-Seite sowie gesetzliche und freiwillige Interessenvertretungen sind gleichermaßen vertreten. In Senat III ist der Einfluss der Sozialpartner deutlich geringer. Nur die gesetzlichen ANinnenund AGinnen-Verbände entsenden jeweils eine Vertreterin, die weiteren vier Mitglieder werden von der BKin, der BMin für Wirtschaft, Familie und Jugend,8 der BMin für Jusitz und der BMin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz9 bestellt. Diese deutlich reduzierte Liste der bestellberechtigten Ministerinnen hat eine geradezu beliebige Liste der Bestellberechtigten abgelöst.10 Die relativ starke Vertretung 5 RV 2300 BlgNR 24. GP 5. 6 So auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/GAW-G § 2 Rz 6. 7 Art 12 AntirassismusRL, Art 14 RahmenRL und Art 21 ChancengleichheitsRL. 8 Nunmehr BMin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (§ 1 Abs 1 Z 6 iVm § 17 BMinG). 9 Nunmehr BMin für Arbeit (§ 1 Abs 1 Z 6 iVm § 17 BMinG). 10 Nach den Erl RV 307 BlgNR 22. GP 24 waren es die „dafür zuständigen Ministerien“.
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§ 2 GBK/GAW-GesetzHattenberger der Verbände in den Senaten I und II11 wurde anlässlich der Erlassung des GlBG 1979 damit begründet, dass die von der Kommission zu behandelnden Angelegenheiten in allen Fällen die Interessen der AGinnen und ANinnen berührten. Aus diesem Grund sei eine möglichst der Sozialpartnerschaft angeglichene Zusammensetzung geboten.12 Und nach Smutny/Mayr13 sollten mit der sozialpartnerschaftlichen Zusammensetzung wohl Bedenken betreffend eines Eingriffs in die Kollektivvertragsautonomie zerstreut werden. Dies trifft allerdings nur für einen Teilbereich des Prüfumfanges der GBK zu, nämlich die Prüfung von KV-Bestimmungen. Besondere fachliche Voraussetzungen – wie etwa Erfahrung in der Vollziehung des GlBG – sind nicht verlangt. Dies erscheint insofern bemerkenswert, als die Senate der GBK mit der Beantwortung von Rechtsfragen betraut sind. Sie erstatten Gutachten oder prüfen im Einzelfall, ob eine Verletzung der Gleichbehandlungsgebote iSd des GlBG vorliegt. Die Mitglieder der GBK werden von den jeweiligen Interessenvertretungen unmittelbar entsandt. Nach der früheren Rechtslage14 wurden die Mitglieder der GBK vom Bundeskanzler auf Vorschlag der Interessenvertretungen bestellt. Dieser Bestellmodus wurde vom VfGH aufgehoben. Es sei nicht zulässig, die obersten Organe der Vollziehung an die Willenserklärungen anderer zu binden.15 4 Mit der Vorsitzführung ist jeweils eine Bedienstete des Bundes zu betrauen. Die Betrauung steht für alle Senate der BKin zu, die zuvor die jeweils entsendungsberechtigten Interessenvertretungen zu hören hat. 5 Die dominierende Rolle der BKin zeigt sich auch darin, als das Entsendungs- oder Bestellungsrecht auf sie übergeht, wenn es von der entsendeberechtigten Institution nicht innerhalb von zwei Monaten nach Aufforderung ausgeübt wird. Abs 7 nennt mehrere Gründe, bei deren Vorliegen Mitglieder von ihrer Funktion zu entheben sind. Auch die Enthebung ist Sache der BKin. Diesbezüglich fällt auf, dass eine Enthebung auch dann stattfinden muss, wenn die Entsendung oder Bestel11 Auch nach der Verkleinerung der Senate sind die Sozialpartner immer noch in der Mehrheit. Das Verhältnis hat sich nur zu ihren Ungunsten verschoben, nämlich von 8:4 auf 4:3. 12 IA 138 A vom 24.1.79, II-4651 BlgNR 14. GP. 13 Smutny/Mayr 384. 14 Bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl I 1998/44. 15 VfGH 3.10.1989, G 55/89; RV 842 BlgNR 20. GP 6.
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Zusammensetzung der Senate
§ 2 GBK/GAW-Gesetz
lung unbegründet widerrufen wird. Dadurch zeigt sich doch eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit der Einflussnahme auf die Mitglieder der Senate.16 Fraglich ist, ob die Enthebung bescheidförmig zu erfolgen hat oder ob 6 es sich um einen Akt nicht-hoheitlicher Verwaltung handelt. Zwar ist die Bescheidform nicht ausdrücklich vorgesehen, doch spricht mE die Verwendung des Wortes „entheben“ für eine Ermächtigung zu einseitig-befehlendem Handeln.17 Und dazu ist noch anzumerken, dass in der Rechtsordnung häufig die Ermächtigung zur Bescheiderlassung nicht ausdrücklich, sondern durch den Gebrauch bestimmter Begriffe (zB „bestimmen“, „entscheiden“, „verfügen“) eingeräumt wird. Die Deutung als Bescheid hat aus der Sicht der Abberufenen den Vorteil, dass die Anrufung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts offen stünde. Gegen eine Bescheidqualifikation könnte allenfalls eingewendet werden, dass die Ermächtigung zu hoheitlichem Handeln stets mit hinreichender Deutlichkeit vorgenommen werden muss, dass dies hier nicht der Fall und im Zweifel Privatwirtschaftsverwaltung anzunehmen sei.18 Wenn man diesen Grundsatz auch für die Aktdeutung anerkennt19 – und dafür spricht, dass auch ein individueller Verwaltungsakt iSd zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen zu deuten ist –, dann wäre die Enthebung als nicht-hoheitliches Handeln zu werten. Dieser Auslegungsgrundsatz ist allerdings für Betroffene nachteilig, weil sie damit des öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes verlustig gehen. Und dieser öffentlich-rechtliche Rechtsschutz bietet Vorteile wie etwa geringere Kosten oder den Amtswegigkeitsgrundsatz. Wie schon angedeutet meine ich, dass hier die Ermächtigung zu hoheitlichem Handeln durch den Begriff „entheben“ hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Die Enthebung erfolgt daher mE mit Bescheid.
16 Zu den Enthebungsgründen Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/ GAW-G § 2 Rz 13. 17 Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 697. 18 VfSlg 3262/1957; VfSlg 5355/1966; VfSlg 7717/1975; VfGH 26.2.1985, G 77/84; VfGH 13.6.1989, A 14/88; VfGH 6.10.2008, B 991/08 ua; OGH 24.11.1988, 6 Ob 694/88 = JBl 1990, 169; OGH 29.1.1992, 1 Ob 47/91; OGH 21.9.1993, 1 Ob 18/93; OGH 30.7.1996, 7 Ob 556/95; OGH 24.11.1988, 6 Ob 694/88; OGH 13.7.1993, 4 Ob 82/93; Raschauer B., Verwaltungsrecht6 Rz 694 ff; vgl auch die Nachweise bei Koja, Verwaltungsrecht3 34. 19 VfGH 26.2.1985, G 77/84.
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§ 3 GBK/GAW-GesetzHattenberger Es heißt dann noch weiter im Gesetzestext, dass „im Bedarfsfall“ ein Senat durch Neuentsendungen bzw Neubestellungen zu ergänzen ist. Der verschiedenste Deutungen zulassende Terminus „Bedarfsfall“ darf mE nicht als Ermächtigung zu beliebigem Handeln gedeutet werden, sondern ist einschränkend dahingehend zu interpretieren, dass jedes Ausscheiden eines Mitgliedes einen solchen Bedarfsfall darstellt, der zur Ergänzung der Senate verpflichtet. 7 Die in Abs 9 verbürgte Aufforderung zu geschlechterparitätischer Beschickung der Senate hat bloß Appellcharakter (arg „soll“); ihre Nichtbeachtung bleibt ohne Sanktion. Seitdem auch die Sozialpartner nur mehr ein Mitglied entsenden, ist das Erreichen der (bloß angestrebten) 50%-Quote noch um einiges schwieriger geworden, weil es des Zusammenwirkens aller entsendungs- bzw bestellberechtigten Stellen bedarf. In legistischer Hinsicht hätte man in Abs 9 mit einem Satz auskommen können. Der Substanz nach ist die Aufforderung an die Sozialpartner und die Ministerinnen dieselbe. 8 Abs 5, der im Fall der Beratung über Förderungsrichtlinien oder Förderungsmaßnahmen eines Bundesministeriums die Beiziehung eines weiteren Mitglieds des betreffenden Ministeriums anordnete, wurde mit BGBl I 2008/98 aufgehoben, da seit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung im Jahr 1985 noch die davon Gebrauch gemacht worden sei. Es könnten im Bedarfsfall ohnedies Fachexpertinnen beigezogen werden.20
Anwaltschaft für Gleichbehandlung § 3. (1) Beim Bundeskanzleramt ist eine Anwaltschaft für Gleichbe-
handlung (Gleichbehandlungsanwaltschaft – GAW) einzurichten. (2) Die Anwaltschaft für Gleichbehandlung besteht aus: 1. dem/der Anwalt/Anwältin a. für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt (Teil I GlBG); b. für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt (Teil II GlBG); 20 RV 435 BlgNR 23. GP 11.
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Anwaltschaft für Gleichbehandlung
§ 3 GBK/GAW-Gesetz
c. für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen (Teil III, 1. Abschnitt GlBG); 2. der erforderlichen Zahl von weiteren Anwälten/Anwältinnen gemäß Z 1; 3. den Regionalanwälten /Regionalanwältinnen (§ 4); 4. der erforderlichen Zahl von Mitarbeiter/inne/n. (3) Die Mitglieder der Anwaltschaft für Gleichbehandlung (Abs. 2 Z 1 bis 3) sind in Ausübung ihrer Tätigkeit weisungsfrei, selbständig und unabhängig. (4) Die Mitglieder der Anwaltschaft für Gleichbehandlung sind nach Anhörung der für die Gleichbehandlungskommission entsendungsberechtigten Interessenvertretungen vom/von der Bundeskanzler/in zu bestellen. Der/die Bundeskanzler/in hat Bedienstete des Bundes mit diesen Funktionen zu betrauen. Der/die Bundeskanzler/in hat jeweils eine/n der für die in Abs. 2 Z 1 genannten Bereiche bestellten Anwälten/Anwältinnen mit der Koordination dieses Bereichs zu betrauen. Der/die mit der Koordination des Bereichs Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt betraute Anwalt/Anwältin hat die Gesamttätigkeit der Anwaltschaft für Gleichbehandlung zu koordinieren. (5) Die Funktionen nach Abs. 2 Z 1 bis 3 ruhen 1. ab der Einleitung eines Disziplinarverfahren bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss und 2. während der Zeit a) der Ausübung einer anderen Funktion in der Anwaltschaft für Gleichbehandlung, wobei sich das Ruhen auf die vorher ausgeübte Funktion bezieht, b) der Suspendierung, c) der Außerdienststellung, d) einer Karenzierung oder eines Urlaubs von mehr als drei Monaten und e) der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes. (6) Die Funktionen nach Abs. 2 Z 1 bis 3 enden 1. mit der rechtskräftigen Verhängung einer Disziplinarstrafe, 2. mit der Versetzung ins Ausland, 3. mit der Versetzung in eine andere Dienststelle, 4. mit dem Ausscheiden aus dem Bundesdienst, 5. durch Verzicht, 821
§ 3 GBK/GAW-GesetzHattenberger 6. mit einer 36 Monate überschreitenden Karenzierung. (7) Der/die Bundeskanzler/in hat ein Mitglied der Anwaltschaft für Gleichbehandlung von seiner Funktion zu entheben, wenn es 1. aus gesundheitlichen Gründen das Amt nicht mehr ausüben kann oder 2. die ihm obliegenden Amtspflichten grob verletzt oder dauernd vernachlässigt hat. (8) Der/die Bundeskanzler/in ist berechtigt, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung der Anwaltschaft für Gleichbehandlung zu unterrichten. Die Anwaltschaft für Gleichbehandlung ist verpflichtet, die vom/von der Bundeskanzler/in verlangten Auskünfte zu erteilen. § 3 wurde durch BGBl I 2013/107 neu gefasst und fasst die Bestimmungen der früheren §§ 4, 5 und 6 zusammen. Literatur: Korinek, Wirtschaftliche Selbstverwaltung (1970); Koja, Die rechtliche Stellung der Codexkommission, ZfV 1979, 94; Korinek, Beiräte in der Verwaltung, in FS Antiniolli (1979) 463; Rill, Zum Verwaltungsbegriff, in FS Antoniolli (1979) 35; Mayer, Zur Frage der Weisungsgebundenheit von Amtssachverständigen, ÖZW 1983, 97; Pesendorfer, Zur Weisungsgebundenheit des sachverständigen und wissenschaftlichen Dienstes einer Gebietskörperschaft, ZfV 1983, 230; Rill, Grenzen der Ausgliederung behördlicher Aufgaben aus der unmittelbaren Staatsverwaltung, ÖBA 1996, 748; Raschauer B., Art 20/1 B-VG, in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht – Kommentar (3. Lfg 2000).
Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung zu den §§ 3 bis 5................................................................ 1 II. Unionsrechtliche Bezüge............................................................................ 3 III. Rechtsnatur, Unabhängigkeit und „Position“ der Anwaltschaft........ 4 IV. Organisation................................................................................................. 6 V. Weibliches Geschlecht keine Voraussetzung mehr für die Funktion des Anwalts für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt......................................................................................... 10 VI. Sonstiges........................................................................................................ 11
I. Vorbemerkung zu den §§ 3 bis 5 1 § 3 richtet die Anwaltschaft für Gleichbehandlung ein. Er bestimmt ihre Mitglieder und ihre Rechtsstellung, ihre Bestellung sowie das Ruhen und Enden ihrer Funktionen. § 4 enthält Regelungen zu den Regionalbüros und § 5 regelt die Aufgaben und Befugnisse einerseits der Anwaltschaft (Abs 2), anderseits der Anwälte. Eine zusammenschau822
Anwaltschaft für Gleichbehandlung
§ 3 GBK/GAW-Gesetz
ende Betrachtung der §§ 3 bis 5 des Gesetzes ergibt folgendes Bild: Die Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen ist ein Organ mit eigenen Befugnissen, jenen nämlich, die in Abs 2 des § 5 explizit der Anwaltschaft zugewiesen werden. Die GAW besteht aber gleichzeitig noch aus weiteren („Teil-“)Organen wie den Anwälten und den Regionalanwälten;1 („Teil-“)Organen deshalb, weil diesen eigene Kompetenzen zugeordnet sind. Bei näherer, inhaltlicher Betrachtung der Aufgabenzuweisungen erweist sich diese Trennung der Kompetenzbereiche als fragwürdig. So ist die Ermächtigung zur Durchführung unabhängiger Untersuchungen, der Veröffentlichung unabhängiger Berichte sowie zur Abgabe von Empfehlungen ausdrücklich nur der GAW übertragen. Ein sachlicher Grund für diese Zuordnung zum „Gesamtorgan“ fehlt mE. Untersuchungen und Berichte werden doch sinnvoller Weise wiederum von den für die einzelnen Diskriminierungsbereiche zuständigen Anwälten durchzuführen sein, weil diese jeweils auf ihrem Gebiet Fachwissen ansammeln konnten, das es in Untersuchungen und Berichten zu verwerten gilt. Nur im Falle einer Mehrfachdiskriminierung bedarf es der Koordinierung zwischen den Teilorganen, die gemäß § 3 Abs 4 letzter Satz vom Anwalt des Bereichs Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt zu leisten ist. Alle anderen Aufgaben wie die Beratung und Unterstützung, die Teilnahme an den Sitzungen der Senate, die Aufforderung zur Abgabe von Stellungnahmen, die Einholung von Auskünften über die sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage, die Einleitung eines Verfahrens vor der GBK oder die Durchführung von Ermittlungstätigkeiten sind den Anwälten aufgegeben. Die Aufteilung der Kompetenzen auf Gesamtorgan und Teilorgane erscheint mir weder konsequent noch sinnvoll. Es ist fraglich, ob es des „Konstruktes“ Anwaltschaft überhaupt bedarf, welcher „Mehrwert“ gegenüber der Summe der für die verschiedenen Diskriminierungsbereiche zuständigen Anwälte damit erreicht wird. Und für das Vorgehen „der Anwaltschaft“ als Organ sind die gesetzlichen Vorgaben äußerst rudimentär. Lediglich die Zuständigkeit für die Koordination der Gesamtätigkeit ist geregelt. 2 Eine Anwaltschaft als Organ mit eigenen Befugnissen war in den Vorläuferregelungen nicht vorgesehen (wenngleich sich die Bezeichnung in der Praxis – allerdings für die bloß „eingliedrige“ Organisation [der 1 Manchmal auch als Mitglieder der Anwaltschaft bezeichnet (zB § 5 Abs 1).
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§ 3 GBK/GAW-GesetzHattenberger Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern] – schon längst etabliert hat.2 Das auf Fragen der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts begrenzte GlBG 1979 richtete aufgrund einer Novelle aus 1990 (BGBl 1990/410), eine Anwältin für Gleichbehandlungsfragen ein. Mit BGBl I 1998/44 wurde sodann der damals für Fragen der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zuständige Bundeskanzler ermächtigt, durch Verordnung Regionalbüros der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen einzurichten. Motivation für die Einrichtung der Anwältin und später der Regionalbüros war die als ungenügend empfundene Inanspruchnahme der GBK. Diese sollte gleichsam durch Anwältinnen personifiziert werden. Durch eine direkte Ansprechstelle sollte die allenfalls gegenüber einer „anonymen“ GBK bestehende psychologische Barriere leichter überwindbar, und damit ein Beitrag zur Effektuierung des Rechtsschutzes geleistet werden.3 Diese für Fragen der Gleichbehandlung der Geschlechter zuständigen Einrichtungen bestehen auch nach dem GBK/GAW-G weiter. Zur Anwaltschaft gehören aber – wiederum der Dreiteilung des Diskriminierungsschutzes Rechnung tragend – überdies auch Anwälte und Regionalanwälte, die Aufgaben des Diskriminierungsschutzes aus anderen Diskriminierungsgründen in der Arbeitswelt (Teil II GlBG) sowie in sonstigen Bereichen (Teil III GlBG) übernehmen. Die Regelungen betreffend die GAW wurden durch die Novelle BGBl I 2013/107 im größeren Stil umgebaut, erheblich gestrafft und in legistischer Hinsicht mE deutlich verbessert. Organisation und Aufgaben der (Mitglieder der) GAW wurden konsequent voneinander getrennt. Erstere ist nunmehr in § 3, zweitere sind in § 5 zu finden. Die Aufgabenumschreibung wurde für alle drei Anwälte in einem Paragraphen (nämlich § 5) zusammengefasst, wodurch zwei §§ entbehrlich wurden.4 Der frühere § 7, der die Regionalbüros regelte, wurde in erheblich schlankerer Form zu § 4. Die §§ 6 und 7 konnten mit Wirkung 1. 1. 2014 daher entfallen. Die Novelle sieht auch eine Vereinfachung insofern vor, als die „Stellvertreter“ der Anwälte sowie die „Regionalvertreter“ eliminiert wurden. Es gibt fortan nur mehr die Anwälte und Regionalanwälte in erforderlicher Zahl, die
2 Vgl beispielsweise Smutny/Mayr zu § 3, wo dieser Begriff ganz selbstverständlich und durchgehend verwendet wird. 3 IA 427, II-11433 BlgNR 17. GP, abgedruckt bei Smutny/Mayr 1334 ff und AB 1411 BlgNR 17. GP, 1346 ff (1352); so auch OGH 2.6.1999, 9 ObA 30/99. 4 Es entfallen nunmehr die §§ 6 und 7.
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Anwaltschaft für Gleichbehandlung
§ 3 GBK/GAW-Gesetz
allesamt mit denselben Rechten und Aufgaben ausgestattet sind.5 Wenn im Folgenden daher von Rechten und Pflichten der Anwälte die Rede ist, dann sind die Regionalanwälte mit der Einschränkung auf ihren örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich stets mitgemeint. Zu erwähnen ist des Weiteren, dass die Mitglieder der Anwaltschaft seit 1. März 2011 ihre Tätigkeit expressis verbis weisungsfrei ausüben.6
II. Unionsrechtrechtliche Bezüge Mehrere RL7 verpflichten die Mitgliedstaaten, Stellen zu bezeichnen, 3 deren Aufgabe es ist, die Verwirklichung der Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung auf Grund des Geschlechts oder aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu fördern, zu analysieren, zu beobachten und zu unterstützen. Der Aufgabenkreis dieser Stellen muss a) die unabhängige Unterstützung der Diskriminierungsopfer bei der Beschwerdeführung wegen einer Diskriminierung, b) die Durchführung von unabhängigen Untersuchungen zum Thema Diskriminierung sowie c) die Veröffentlichung von unabhängigen Berichten und die Vorlage von Empfehlungen zu allen Aspekten, die mit diesen Diskriminierungen im Zusammenhang stehen, umfassen. Die unter Punkt b) und c) genannten Aufgaben werden durch § 5 Abs 2 der GAW übertragen. Seit dem Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2011/7 ist das Attribut der Unabhängigkeit der Anwälte unbestritten gegeben (unten Rz 4).
III. R echtsnatur, Unabhängigkeit und „Position“ der Anwaltschaft Hinsichtlich der Frage der rechtlichen Qualifikation der GAW gilt das 4 zur GBK Gesagte (§ 1 Rz 1 ff). Die (ebenfalls) beim BK eingerichtete GAW ist ein Organ der Verwaltung, sie ist aber mangels Kompetenz zur Setzung hoheitlicher Akte – die Gleichbehandlungsanwaltschaft ist zuständig zu beraten, und zu unterstützen (§ 5 Abs 1) sowie unabhängige Untersuchungen zum Thema Diskriminierung durchzuführen, 5 § 4 Abs 2. 6 §§ 4, 5 und 5 jeweils Abs 1 letzter Satz, BGBl I 2011/7; nunmehr § 3 Abs 3. 7 Art 13 der AntirassismusRL, Art 20 der ChancengleichheitsRL, Art 12 Erweiterte GleichbehandlungsRL sowie Art 11 SelbständigenRL.
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§ 3 GBK/GAW-GesetzHattenberger unabhängige Berichte zu veröffentlichen sowie Empfehlungen zu allen die Diskriminierung berührenden Fragen abzugeben (§ 5) – keine Behörde. Das gilt (selbstredend) auch für die drei Anwälte als deren Teilorgane. Die Zuordnung der GAW zur Staatsfunktion Verwaltung hat zur Folge, dass grundsätzlich auch die durch die Verfassung vorgegebenen Bindungen der Verwaltung zu beachten sind. In diesem Zusammenhang ist die in Art 20 Abs 1 B-VG vorgesehene Weisungsbindung von Interesse. Ihre Geltung auch in Bezug auf die Mitglieder der GAW war in der Vergangenheit umstritten, mE aber zu bejahen.8 Bis zum Inkrafttreten des Ersten Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetzes am 1. 1. 2008 konnten Verwaltungsorgane nur durch eine verfassungsgesetzliche Bestimmung weisungsfrei gestellt werden. Da es für die GAW an einer solchen verfassungsrechtlichen Ausnahmeregelung fehlte, galt für sie der Grundsatz der Weisungsbindung.9 Seit 1. 1. 2008 können bestimmte, in Art 20 Abs 2 B-VG gelistete Verwaltungsorgane aber auch durch eine einfachgesetzliche Anordnung von der Bindung an Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe freigestellt werden.10 Genannt werden ua auch Organe „mit Schieds-, Vermittlungs- und Interessenvertretungsaufgaben“ (Z 3) und Organe „soweit dies nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union geboten ist“ (Z 8). Mit Rücksicht auf die unter Rz 2 genannten RL-Bestimmungen ist die GAW eine unionsrechtlich gebotene Stelle zur Förderung der Gleichbehandlung.11 Da nun einfachgesetzliche Vorschriften des GBK/GAW-G – nämlich die §§ 4, 5 und 6 jeweils Abs 1 letzter Satz GBK/GAW-G – seit 1. 7. 200412 vorsehen, dass die Anwälte „in Ausübung dieser Tätigkeit selbständig und unabhängig“ sind, könnte man annehmen, dass seither13 Unionsrechtskonformität gegeben ist. Das ist allerdings insofern fraglich, als Art 20 Abs 2 B-VG die Entbindung von Weisungen durch einfaches Gesetz auch davon abhänging macht, dass „durch Gesetz ein der Aufgabe des weisungsfreien Organs angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe“ vorzusehen ist. Ein solches fehlte aber. Da mE das geforderte Aufsichtsrecht als Bedingung der Weisungsfreiheit anzusehen ist, stellte sich die Unionsrechtskonformität nicht schon mit In8 Ausführlicher dazu in der 1. Auflage § 3 Rz 4 und Rz 10. 9 AA Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/GAW-G § 3 Rz 4. 10 Näher dazu auch Windisch-Graetz in ZellKomm3 GBK/GAW-G § 3 Rz 5. 11 So jedenfalls RV 938 BlgNR 24. GP 11. 12 Dem Inkrafttreten des GBK/GAW-G, BGBl I 2004/66. 13 Dem Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2008/2 mit 1.1.2008.
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Anwaltschaft für Gleichbehandlung
§ 3 GBK/GAW-Gesetz
krafttreten der Novelle BGBl I 2008/2 ein. Vielmehr wurde die Unionsrechtswidrigkeit erst durch die Novelle BGBl I 2011/7 saniert, mit der zum einen die Rechtsstellung der Anwälte noch explizit um das Wort „weisungsfrei“ ergänzt wurde und zum anderen korrespondierend dazu dem BK das Recht eingeräumt wurde, „sich über Gegenstände der Geschäftsführung der Anwaltschaft zu unterrichten“. Die GAW ihrerseits ist seither verpflichtet, die vom BK verlangten Auskünfte zu erteilen.14 Mit Rücksicht auf die der Anwaltschaft für Gleichbehandlung zugewie- 5 senen Aufgaben, lässt sich das Verhältnis der GAW zur GBK wie folgt beschreiben: Abs 2 des § 5 ordnet ihr die Aufgabe der „Beratung und Unterstützung von Personen“ zu, „die sich im Sinne des GlBG diskriminiert fühlen“. Diese Beratungs- und Unterstützungsleistung wird primär, aber nicht notwendig, im Vorfeld eines Verfahrens vor der GBK stattfinden. Die Anwaltschaft ist ferner durch § 5 Abs 2 ermächtigt, unabhängige Untersuchungen zum Thema Diskriminierung durchzuführen, weiters unabhängige Berichte zu veröffentlichen sowie Empfehlungen zu allen die Diskriminierung berührenden Fragen abzugeben. Diese Aufgabe ist eine von der Tätigkeit der GBK unabhängige.15
IV. Organisation Die GAW besteht zunächst aus drei Anwälten: das sind der Anwalt für 6 die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt (Teil I GlBG), der Anwalt für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt (Teil II GlBG) und der Anwalt für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in den sonstigen Bereichen (Teil III GlBG). Zur GAW gehören zudem die erforderliche Zahl von weiteren Anwälten, die Regionalanwälte sowie die weiteren Mitarbeiter. Die Aufgabe der Koordination der Tätigkeit der GAW ist nunmehr zweifach geregelt. Die Aufgabe der Koordination der Gesamttätigkeit der Anwaltschaft ist – der im Gesetz durchgängig vorgesehenen Sonderstellung der mit Fragen der Gleichbehandlung von
14 Damals § 3 Abs 5a, heute § 3 Abs 8. 15 Zum Verhältnis der Anwälte zur GBK siehe den Kommentar zu § 4 Rz 5.
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§ 3 GBK/GAW-GesetzHattenberger Frauen und Männern befassten Institutionen entsprechend – dem Anwalt für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern übertragen. 7 Die Anwälte sind vom BK zu bestellen (Abs 4). Den Interessenvertretungen ist eine Mitwirkung in Form eines Anhörungsrechtes eingeräumt. Wenn es im Gesetz heißt, dass die Bestellung „nach Anhörung der jeweils entsendungsberechtigten Interessenvertretungen“ vorzunehmen ist, so ist der Begriff der „jeweils entsendungsberechtigten Interessenvertretungen“ auslegungsbedürftig, zumal Entsendungsrechte der Interessenvertretungen im Zusammenhang mit den Mitgliedern der GAW gar nicht vorgesehen sind. Die Bedeutung dieser Wortfolge dürfte aber insofern erschließbar sein, als die Vorgängerbestimmung16 ein gleichlautendes Anhörungsrecht der Interessenvertretungen vorsah, dort aber klar gestellt war, dass es sich um die in der GBK vertretenen Interessenvertretungen handelt. Wenn nun den „jeweils entsendungsberechtigten Interessenvertretungen“ ein Anhörungsrecht zukommt, so können damit nur die in § 2 genannten entsendungsberechtigten Institutionen gemeint sein. In Bezug auf den Anwalt für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt sind das die im Senat I vertretenen Interessenvertretungen (§ 2 Abs 2). Für den Anwalt für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen sind das die im Senat III vertretenen Organisationen, also „nur“ die Wirtschaftskammer Österreich und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte. 8 Die §§ 3 und 5 bedienen sich bei der Regelung der Organisation und der Aufgaben einer unterschiedlichen Terminologie. Einmal ist von der „Anwaltschaft für Gleichbehandlung“ die Rede (zB § 5 Abs 2), andere Male von den Mitgliedern der Anwaltschaft (zB § 3 Abs 3 und 4, § 5 Abs 1) und zuweilen auch von „einem“ Anwalt (§ 5 Abs 2 und 5) oder „dem“ Anwalt jeweils im Singular (§ 5 Abs 4, 6 und 7). Der Begriff der „Mitglieder der Anwaltschaft für Gleichbehandlung“ dürfte nun insofern klar sein, als damit neben allen Anwälten auch die Mitarbeiter erfasst sein dürften. Sie genießen dieselbe Rechtsstellung wie die Anwälte auch und sind auch für die Beratung und Unterstützung von Personen zuständig, die sich diskriminiert fühlen. Fraglich ist, ob das Gesetz aber bestimmte Aufgaben nur „dem Anwalt“ vorbehalten wollte, oder ob nicht alle Anwälte dieselben Befugnis haben sollen. Dem Wortlaut des § 3 Abs 2 zufolge ist nämlich zwischen einerseits dem Anwalt 16 § 3a Abs 1 GlBG aus 1979 idF BGBl 1990/410 und BGBl I 1998/44.
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Anwaltschaft für Gleichbehandlung
§ 3 GBK/GAW-Gesetz
(Singular) für die unterschiedlichen Bereiche gemäß § 3 Abs 2 Z 1 lit a bis c und den weiteren Anwälten gemäß § 3 Abs 2 Z 2 zu unterscheiden. Demzufolge wären bestimmte Aufgaben allein dem Anwalt zugewiesen und nur ein Teilbereich den weiteren Anwälten. Gegen dieses Verständnis sprechen zum einen systematische, zum anderen auch Zweckmäßigkeitserwägungen. So ist zunächst zu bedenken, dass gemäß § 3 Abs 4 dritter Satz der BK gehalten ist, einen der für die unterschiedlichen Bereiche bestellten Anwälte mit der Koordination des jeweiligen Bereichs zu betrauen. Daraus ist zu schließen, dass allen Anwälten eines Bereichs dieselbe Rechtsstellung zukommen soll. Oder mit anderen Worten: Es bedürfte dieser Anordnung nicht, wenn die Kompetenzen zwischen dem Anwalt und den weiteren Anwälten unterschiedliche wären, denn die Koordinationsaufgabe wäre dann wohl genuin die Aufgabe des Anwalts. Davon abgesehen ist die Aufgabenfülle, die dem Anwalt zugewiesen ist, allein kaum zu stemmen. Auch aus diesem Grund ist mE eher anzunehmen, dass sämtliche einem oder dem Anwalt zugewiesenen Aufgaben allen Anwälten gleichermaßen zukommen. Abs 5, 6 und 7 sehen Gründe für eine zeitweilige oder auch endgültige 9 Beendigung der Funktion der Anwälte und Regionalanwälte vor, wobei die Ruhensgründe in Abs 5 und die Endigungsgründe (Abs 6) schon kraft Gesetzes eintreten. Abs 7 nennt Gründe, bei deren Vorliegen der BK zur Enthebung verpflichtet ist. Ob dieser Akt der Enthebung ein hoheitlicher ist, ist fraglich, mE aber mit Rücksicht auf den Wortlaut (arg „entheben“) zu bejahen.17 Die Qualifikation als Hoheitsakt eröffnet die Wege des öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes.
V. W eibliches Geschlecht keine Voraussetzung mehr für die Funktion des Anwalts für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt Die Funktion der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen bzw etwas 10 später der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt war von Anbeginn einer Person weiblichen
17 Eingehender § 2 Rz 6 mwN.
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§ 3 GBK/GAW-GesetzHattenberger Geschlechts vorbehalten.18 Das Gleiche galt dann in weiterer Folge für die Regionalanwältinnen als Leiterinnen der Regionalbüros der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern.19 Diese unterschiedliche Behandlung der Geschlechter wurde in den Materialien20 ausführlich begründet.21 Darin ist zu lesen, dass die Bezugnahme auf das weibliche Geschlecht „im Lichte der Judikatur des VfGH als gleichheitskonform anzusehen“ sei: „Eine rechtliche Differenzierung nach dem Geschlecht ist dann zulässig, wenn objektive Gründe vorliegen, die eine unterschiedliche Behandlung der Geschlechter sachlich rechtfertigen. In Bezug auf die Beratung von Arbeitnehmern durch eine weibliche Ombudsperson liegt diese sachliche Rechtfertigung darin, dass historisch und aktuell das Problem geschlechterspezifischer Diskriminierung am Arbeitsmarkt fast ausschließlich Frauen trifft. Eine Beratung und Betrauung wegen sexueller Belästigung erfordert einen noch intensiveren zeitlichen und persönlichen Einsatz als andere Beteiligungen, weil die psychischen Belastungen sehr massiv sein können. In dieser Situation kommt es auf das besondere Einfühlungsvermögen der Beratenden an. Nach den bisherigen Erfahrungen können sexuell belästigte Frauen ihre Konfliktsituation am ehesten im Rahmen einer Beratung mit einer Expertin aufarbeiten.“ Diese Argumentation konnte nicht überzeugen. Das „Mengenargument“, wonach nämlich historisch und aktuell deutlich mehr Frauen Opfer geschlechterspezifischer Diskriminierung sind, trifft wohl nach wie vor zu, es ist aber in diesem Zusammenhang unangebracht. Dass sich angesichts der einem Diskriminierungsfall eigenen Sensibilität Frauen eher Personen des eigenen Geschlechts anvertrauen, muss umgekehrt ebenso gelten. Mit anderen Worten: beide Geschlechter sind unverzichtbare Voraussetzungen einer sachgerechten Organisation des Anwaltes für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt. Insofern war die Bedingung „weibliches Geschlecht“ für die Funktion der Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt nach meinem Dafürhalten verfassungsrechtlich bedenklich.22 Mit der 18 So schon § 3a GlBG idF BGBl 1990/410 und später § 3 Abs 2 Z 1 und § 4 GBK/GAW-G. 19 § 7 Abs 1 idF vor BGBl I 2013/107. 20 RV 307 BlgNR 22. GP 24 f. 21 Vgl auch Windisch-Graetz in ZellKomm3 GBK/GAW-G § 5 Rz 1. 22 Der Vorschlag, die „Anwaltschaft für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen“ geschlechterparitätisch zu besetzen, wurde schon vor geraumer
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Regionalbüros
§ 4 GBK/GAW-Gesetz
Novelle BGBl I 2013/107 ist diese Bevorzugung der Personen weiblichen Geschlechts entfallen. Bemerkenswert ist, dass diese Änderung ohne jeglichen Aufhebens – soll heißen: kommentarlos – erfolgte. Und in diesem Kontext ist noch anzumerken, dass das Anstreben einer nach Geschlechtern ausgewogenen Bestellung von Anwälten nicht vorgesehen ist. Im Vergleich zu den Bestimmungen zur Zusammensetzung der GBK (§ 2 Abs 9) ist das doch erwähnenswert.
VI. Sonstiges Mitglieder der GAW sind mit Aufgaben der Verwaltung betraut, denn 11 sie nehmen ihnen durch Gesetz übertragene staatliche Funktionen wahr, die weder Gesetzgebung noch Gerichtsbarkeit sind.23 Sie sind daher auch gemäß Art 20 Abs 3 B-VG zur Verschwiegenheit über alle ihnen aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Dabei ist es nicht von Relevanz, dass die Mitglieder der GAW nicht zur Setzung von verbindlichen Verwaltungsakten berufen sind. Art 20 Abs 3 B-VG ist weit zu interpretieren und erfasst alle Organe, die Verwaltungsaufgaben besorgen.24
Regionalbüros § 4. (1) Wenn es zur Verbesserung der Beratung und Unterstützung von Personen in Fragen der Gleichbehandlung im Sinne des GlBG erforderlich ist, kann der/die Bundeskanzler/in durch Verordnung in den Ländern Regionalbüros der Anwaltschaft für Gleichbehandlung einrichten und Regionalanwälte/Regionalanwältinnen für die in § 3 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c genannten Bereiche bestellen. In der Verordnung ist der örtliche und sachliche Wirkungsbereich eines Regionalbüros festzulegen. Sind für ein Regionalbüro mehrere Regionalanwälte/Regionalanwältinnen bestellt, so ist eine/r von ihnen mit der Koordination des Regionalbüros zu betrauen. (2) Soweit in diesem Gesetz oder im GlBG Aufgaben sowie Rechte und Pflichten der Anwälte/Anwältinnen geregelt werden, gelten Zeit gemacht, vgl Eichinger, Frau 333; in diese Richtung auch Smutny/Mayr 407. 23 Vgl zum Begriff Verwaltung Rill in FS Antoniolli 35 (38 ff). 24 In Bezug auf Beiräte Korinek in FS Antiniolli 463 (476 ff).
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§ 4 GBK/GAW-GesetzHattenberger diese Bestimmungen auch für Regionalanwälte/Regionalanwältinnen in ihrem Wirkungsbereich. § 4 wurde durch BGBl 2013/107 neu gefasst und ersetzt den früheren § 7.
1 Die Institution des Regionalbüros wurde mit der Novelle 1998 (BGBl I 1998/44) in das GlBG 1979 eingefügt, weil sich erwies, dass die Beratungs- und Unterstützungstätigkeit der Anwältin für Gleichbehandlungsfragen – eine Einrichtung, die durch die Novelle 1990, BGBl 1990/410 geschaffen wurde und deren Zuständigkeit auf den Diskriminierungsgrund des Geschlechts beschränkt war – nicht bundesweit gleichmäßig und im als erforderlich empfundenen Ausmaß erbracht werden konnte. Diese Institution wird im GBK/GAW-G weiter geführt. Sie war ursprünglich in § 7 des Gesetzes geregelt. Mit BGBl I 2013/107 wurden die Regelungen über die Regionalbüros in den § 4 verschoben und deutlich verschlankt. Rechtsstellung und Kompetenzen der Regionanwältinnen sind nunmehr mit jenen der Anwältinnen identisch (§ 4 Abs 3). Nur der örtliche Wirkungsbereich ist ein eingeschränkter. 2 Regionalanwältinnen sind Verwaltungsorgane, denen keinerlei behördliche Befugnisse zukommen.1 Seit Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2011/7 sind sie auch weisungsfrei gestellt.2 3 Die Einrichtung von Regionalbüros erfolgt im Verordnungswege und liegt im Ermessen der BKin (arg „kann“). Der Ermessensübung sind mit der Bedingung, dass die Errichtung von Regionalbüros „zur Verbesserung der Beratung und Unterstützung […] erforderlich sein“ muss, kaum Grenzen gesetzt. Diese Bedingung wird geradezu regelmäßig erfüllt sein. Jedes (weitere) Regionalbüro wird die Beratung und Unterstützung von Personen in Gleichbehandlungsfragen verbessern. In der Verordnung ist regelmäßig der örtliche und sachliche Wirkungsbereich der Regionalbüros festzulegen. Mit dem „sachlichen Wirkungsbereich“ sind die in § 3 Abs 2 Z 1 lit a bis c genannten Bereiche gemeint.3 Trotz einer durchaus weiten Verordnungsermächtigung waren 1 Siehe dazu die näheren Ausführungen zu § 1 Rz 2 und 3 und § 3 Rz 4. 2 Siehe dazu § 3 Rz 4. 3 Die früher geltende Unterscheidung zwischen den Regionalbüros der Anwältin für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen und weiteren Regionalbüros der Anwaltschaft wurde mit BGBl I 2013/107 aufgegeben. Zur Vorläuferregelung s die 1. Auflage § 7 Rz 4.
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Aufgaben der Anwaltschaft
§ 5 GBK/GAW-Gesetz
bis 30. 6. 2017 die Regionalbüros ausschließlich für Fragen der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zuständig (BGBl II 1998/356; BGBl II 2000/341 und BGBl II 2002/442). Mit der VO BGBl II 2017/126 wurde der Zuständigkeitsbereich der Regionalbüros auf sämtliche im GlBG genannten Bereiche und Diskriminierungsgründe erweitert. Aktuell sind vier Regionalbüros eingerichtet: in Linz mit dem örtlichen Wirkungsbereich des Landes Oberösterreich, in Innsbruck für die Bundesländer Vorarlberg, Tirol und Salzburg, in Klagenfurt für das Land Kärnten und in Graz für den örtlichen Wirkungsbereich des Landes Steiermark.4 Mit dem Begriff des „Regionalbüros“ dürfte analog zur GAW die Zusammenfassung aller Regionalanwältinnen und der weiteren Mitarbeiterinnen gemeint sein. Und ebenfalls analog zur GAW hat die BKin im Falle mehrerer Regionalanwältinnen eines Regionalbüros eine mit der Koordination zu betrauen. Die den Regionalanwältinnen zukommenden Aufgaben sind seit BGBl 4 I 2013/107 mit jenen der Anwältinnen identisch.
Aufgaben der Anwaltschaft für Gleich behandlung § 5. (1) Die Mitglieder der Anwaltschaft für Gleichbehandlung sind
in ihrem gesetzlichen Wirkungsbereich zuständig für die Beratung und Unterstützung von Personen, die sich im Sinne des GlBG diskriminiert fühlen. Die Anwälte/Anwältinnen können zu diesem Zweck Sprechstunden und Sprechtage abhalten. (2) Die Anwaltschaft für Gleichbehandlung kann unabhängige Untersuchungen zum Thema der Diskriminierung durchführen sowie unabhängige Berichte veröffentlichen und Empfehlungen zu allen die Diskriminierung berührenden Fragen abgeben. (3) Ein Anwalt oder eine Anwältin ist berechtigt, an den Sitzungen der Senate der Gleichbehandlungskommission und ihrer Arbeitsausschüsse teilzunehmen. Ihm/ihr ist auf Verlangen das Wort zu erteilen. (4) Der/die Anwalt/Anwältin kann, falls erforderlich, auf Grund einer behaupteten Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes den/ 4 § 1 der VO betreffend die Einrichtung von Regionalbüros der Anwaltschaft für Gleichbehandlung in den Bundesländern (BGBl II 2017/126).
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§ 5 GBK/GAW-GesetzHattenberger die Arbeitgeber/in oder den sonst Verantwortlichen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme auffordern. Sie kann auch weitere Auskünfte vom/von der Arbeitgeber/in, vom Betriebsrat oder von den Beschäftigten des betroffenen Betriebes oder von sonst Verantwortlichen oder von weiteren Auskunftspersonen einholen. Diese sind verpflichtet, dem/der Anwalt/Anwältin die für die Durchführung seiner/ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. (5) Vermutet ein/e für Teil I GlBG oder für Teil II zuständige/r Anwalt/Anwältin die Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes gemäß § 3 Z 2 oder § 17 Abs. 1 Z 2 GlBG, kann er/sie die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung um Auskunft über die sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage sowie über die Beitragsgrundlage nach dem Betrieblichen Mitarbeiterund Selbständigenvorsorgegesetz – BMSVG, BGBl. I Nr. 100/2002, von Personen ersuchen, deren Einkommen für die Entscheidung über die vermutete Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes unbedingt erforderlich sind. Der/die Anwalt/Anwältin hat hiezu Namen, Geburtsdatum und Versicherungsnummer der betroffenen Personen sowie Namen der Arbeitgeber/innen der betroffenen Personen bekannt zu geben. Die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung sind verpflichtet, dem/der Anwalt/Anwältin die für die Durchführung seiner/ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung haften nicht für Nachteile, die bei der Erfüllung ihrer Auskunftspflichten auf Grund von Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten der in ihren Anlagen enthaltenen Daten entstehen. Der/die Anwalt/Anwältin ist verpflichtet, über diese ihm/ihr im Rahmen der Auskunftserteilung bekannt gewordenen Daten Verschwiegenheit zu bewahren. Als Ausnahme davon darf der/die Anwalt/Anwältin diese ihm/ihr im Rahmen der Auskunftserteilung bekannt gewordenen Daten in anonymisierter Form an die von der vermuteten Diskriminierung betroffene Person weitergeben, wenn damit die von der Diskriminierung betroffene Person die Diskriminierung verfolgen kann. (6) Wenn der/die Anwalt/Anwältin die Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes vermutet und dem Senat die behaupteten Umstände glaubhaft macht, hat der Senat ein Verfahren gemäß § 11 oder § 12 einzuleiten. Der Senat hat sich mit einem solchen vorgelegten Fall in seiner nächsten Sitzung, jedoch bis spätestens innerhalb eines Monats, zu befassen. Wenn sich die Entscheidung des Se834
Aufgaben der Anwaltschaft
§ 5 GBK/GAW-Gesetz
nates in einem vom/von der Anwalt/Anwältin vorgelegten Fall nicht mit deren Auffassung deckt, so findet § 12 Abs. 5 Anwendung. (7) Der Senat kann den/die Anwalt/Anwältin mit der Durchführung der Ermittlungstätigkeit beauftragen. Der/die Anwalt/ Anwältin kann im Auftrag des Senates die betrieblichen Räume betreten und in die Unterlagen der Betriebe Einsicht nehmen. Auf Verlangen sind ihm/ihr Abschriften oder Ablichtungen dieser Unterlagen oder Auszüge davon zur Verfügung zu stellen. Der/die Anwalt/Anwältin gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 lit. a und b hat bei seiner/ihrer Ermittlungstätigkeit den Betriebsrat zur Mitwirkung heranzuziehen. Vor Besichtigung hat er/sie den/die Arbeitgeber/in so rechtzeitig zu verständigen, dass diese/r oder eine von ihm/ihr namhaft gemachte Person an der Besichtigung teilnehmen kann. § 5 wurde durch BGBl I 2013/107 neu gefasst. Literatur: Amon-Konrath/Gutschlhofer, Vergleichsverhandlungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft – Kriterien für einen wirksamen, angemessenen und abschreckenden Schadenersatz, DRdA 2009, 543; Matt, Das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission – Update 2011, DRdA 2011, 582; RitzbergerMoser, Neues aus der Gesetzgebung, ZAS 2011, 141; Konstatzky/Purth, Gleichbehandlungsstellen: think global, act local, juridikum 2019, 295.
Die Aufgaben der GAW und der drei Anwältinnen gemäß § 3 Abs 2 Z 1 1 lit a bis c wurden durch BGBl I 2013/107 in § 5 zusammengeführt. Die ältere Rechtslage zählte die Aufgaben je und je für die einzelnen Anwältinnen der Reihe nach in den §§ 4 bis 6 auf. Diese Zusammenführung ist in legistischer Hinsicht zu begrüßen; zum einen, weil damit wortidente Wiederholungen und sachlich nicht begründete Differenzierungen vermieden werden,1 zum anderen erleichtert die Einheitlichkeit des Aufgabenkatalogs dessen Erfassung. Dessen ungeachtet enthält § 5 keinen abschließenden Katalog von Aufgaben. Weitere ergeben sich aus den §§ 11 und 12 sowie einzelnen Bestimmungen des GlBG. Bei gesamthafter Betrachtung der der Anwaltschaft und den Anwältin- 2 nen zugewiesenen Befugnisse kann ihre Position als eine dreifache angesehen werden. Die Anwältinnen sind zum einen „Anwältinnen“ potentieller Diskriminierungsopfer, die sie zu beraten und zu unterstützen haben; die Anwaltschaft ist zum zweiten „Anwältin“ der Gebote zur Gleichbehandlung in den unterschiedlichen Bereichen, weil ihr „Verfolgungsrechte“ auch unabhängig vom Willen Diskriminie1 Siehe dazu § 4 Rz 4 in der ersten Auflage.
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§ 5 GBK/GAW-GesetzHattenberger rungsbetroffener eingeräumt sind; und die Anwältinnen sind zum dritten „verlängerter Arm“ der GBK, in deren Auftrag sie Ermittlungen zu führen haben (§ 5 Abs 7). Sie üben ihre Funktionen zu einem guten Teil „außerhalb“ eines Kommissionsverfahrens aus, wie etwa die Beratungs-, Unterstützungs- und Schlichtungstätigkeit2 oder die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Verletzung des Gebotes zu geschlechtsneutraler Stellenausschreibung (§§ 10 und 24 GlBG) oder wegen eines diskriminierenden Inserierens von Wohnraum gemäß § 37 GlBG. Sie sind aber auch am Verfahren vor der GBK auf unterschiedlichste Weise beteiligt.3 Zu diesen Befugnissen nun im Einzelnen: 3 Ganz im Sinne der ihnen zukommenden Position als Ansprechperson und Mittlerin zwischen Diskriminierungsopfer und Kommission ist es Aufgabe der Anwältinnen, Personen, die sich diskriminiert fühlen, zu beraten und zu unterstützen. Zu diesem Zweck können – und das ist geradezu selbstverständlich – Sprechstunden und Sprechtage abgehalten werden. Im Vorfeld eines möglichen Kommissionsverfahrens bewegt sich auch das Einholen von schriftlichen Stellungnahmen von AGinnen oder sonst Verantwortlichen sowie von weiteren Auskünften von AGinnen, vom Betriebsrat, von den Beschäftigten des betroffenen Betriebes, von sonst Verantwortlichen und von weiteren Auskunftspersonen, wenn eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes behauptet wird. Die in Abs 4 normierte Auskunftspflicht der genannten Personen und Institutionen ist im Fall ihrer Nichtbeachtung allerdings sanktionslos. 4 § 5 Abs 2 weist der Anwaltschaft4 die kraft Unionsrecht geforderte Aufgabe zu, unabhängige Untersuchungen durchzuführen und unabhängige Berichte zu veröffentlichen sowie Empfehlungen zu allen Aspekten, die mit diesen Diskriminierungen im Zusammenhang stehen, vorzulegen.5 Seit dem Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2011/7 ist das Attribut der Unabhängigkeit der Anwältinnen unbestritten gegeben.6 2 Vgl dazu Amon-Konrath/Gutschlhofer, DRdA 2009, 543 (544). 3 Zum Beitrag der GAW für den sozialen Zusammenhalt siehe Konstatzky/ Purth, juridikum 2019, 295 ff. 4 Und nicht den Anwältinnen. 5 Art 13 der AntirassismusRL, Art 12 Erweiterte GleichbehandlungsRL, Art 20 der ChancengleichheitsRL, Art 11 SelbständigenRL. 6 Siehe § 3 Rz 4.
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Aufgaben der Anwaltschaft
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Nach Abs 3 ist eine7 Anwältin berechtigt, an den Sitzungen der Sena- 5 te der GBK und ihrer Arbeitsausschüsse teilzunehmen. Diesbezüglich ist zu bemerken, dass das GBK/GAW-G zwei Typen von Ausschüssen kennt – zum einen den Arbeitsausschuss, der gemäß § 11 Abs 2 vom Senat zur Vorbereitung der Beschlussfassung eingesetzt werden kann, wenn ein Gutachten Diskriminierungen in Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung betrifft. Zum anderen kennt es die Ausschüsse nach § 15, denen der Senat die Behandlung (und somit „Entscheidung“) von Verletzungen des Gleichbehandlungsgebotes im Einzelfall übertragen kann. Stellt man nun allein auf den Wortlaut des Abs 3 ab, so hieße das, dass das Teilnahmerecht der bezeichneten Mitglieder der GAW auf die vorbereitenden Arbeitsausschüsse nach § 11 Abs 2 beschränkt bliebe. Dieses Ergebnis entspricht mE nicht den Anforderungen der Zweckmäßigkeit oder anders formuliert: weder finden sich sachliche Gründe für eine Beschränkung auf einen bestimmten Ausschusstyp, noch lässt sich begründen, dass zwar die Teilnahme an Sitzungen des Senats, nicht aber an jenen der dieselben Angelegenheiten entscheidenden Ausschüsse gestattet sein soll. Mit Rücksicht auf diese Argumente dürfte der Begriff „Arbeitsausschuss“ in Abs 10 wohl auch die Ausschüsse gemäß § 15 mitumfassen.8 Die Feststellung, ob eine Diskriminierung bei der Festsetzung des Ent- 6 gelts vorliegt, setzt regelmäßig das Wissen um die Einkommensverhältnisse anderer voraus. Um die diesbezüglich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen wurde mit BGBl I 2011/7 den Anwältinnen ein Recht auf Auskunft bei den Trägern der Sozialversicherung über die sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage und jene nach BMSVG eingeführt.9 Dabei handelt es sich um eine wichtige Begleitmaßnahme zu jenen Vorgaben, die seit der Novelle 2011 die Einkommenstransparenz stärken sollen.10 Dieses Auskunftsrecht steht ihnen zu, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
7 Mit der Novelle BGBl I 2013/107 wurde das Recht der Teilnahme auf eine (Zahlwort) Anwältin eingeschränkt. Das gilt auch im Fall von Mehrfachdiskriminierungen, RV 2300 BlgNR 24. GP 6. 8 Siehe auch § 15 Rz 2. 9 Näher dazu Matt, DRdA 2011, 582 (582 f). 10 Einkommensbericht gem § 11a GlBG, Mindestentgelt bei Stelleninseraten gem § 9 Abs 2 GlBG; s Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/GAW-G § 5 Rz 5 ff; Ritzberger-Moser, ZAS 2011, 141 (145 f).
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§ 5 GBK/GAW-GesetzHattenberger – die Anwältin vermutet das Vorliegen einer Entgeltdiskriminierung gemäß § 3 Z 2 oder § 17 Abs 1 Z 2 GlBG und – die Auskunft über das Einkommen betroffener Personen ist für die Entscheidung über die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes unbedingt erforderlich. Da es sich beim Einkommen einer Person um ein personenbezogenes Datum iSd Art 4 Z 1 DSGVO handelt – die Information ist auf eine natürliche Person rückführbar – ist das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG und Art 8 GRC zu beachten.11 Mit Abs 5 wurde die dafür erforderliche gesetzliche Grundlage gemäß § 1 Abs 2 DSG geschaffen, die den weiteren Anforderungen des legitimen Eingriffsziels und der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen hat. Als legitimes Eingriffsziel sind die „Rechte anderer“, nämlich jene auf Gleichbehandlung auch bei der Festsetzung des Entgelts gemäß § 3 Z 2 und § 17 Abs 1 Z 2 GlBG, zu nennen. Mit der weiters vorgesehenen Verpflichtung zur Verschwiegenheit und Anonymisierung im Falle der Weitergabe soll dem Gebot des gelindesten Mittels Rechnung getragen werden. Die Datenübermittlung steht auch im Einklang mit § 6 Abs 1 lit c DSGVO. § 5 Abs 5 normiert jene „rechtliche Verpflichtung“, die die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung sichert. 7 Das Gesetz räumt den Anwältinnen eine Reihe von Beteiligungsrechten am Verfahren vor dem Senat ein. So haben sie zunächst das Recht, ein Verfahren vor dem Senat zu initiieren. Vermutet nämlich eine Anwältin die Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes und macht sie die behaupteten Umstände dem Senat glaubhaft, so hat dieser von Amts wegen ein Verfahren nach § 11 oder § 12 einzuleiten.12 Wird ein Verfahren vor der GBK solcherart durch eine Anwältin initiiert, hat sich der Senat damit in seiner nächsten Sitzung, spätestens aber innerhalb eines Monats zu befassen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das Verhältnis der Befugnis des Abs 6 zu § 11 Abs 1 und § 12 Abs 1. Die zuletzt genannten Bestimmungen sehen nämlich ohne nähere Bezugnahme auf das Recht der Verfahrensinitiierung nach § 5 Abs 6 die Verpflichtung zur Verfahrenseinleitung durch den Senat auf Antrag auch der Anwältin vor. Und die §§ 11 und 12 jeweils Abs 1 formulieren eine bedingungslose Verfahrenseinleitung, wenn nur der Antrag der 11 Siehe dazu auch RV 938 BlgNR 24. GP 12. 12 Zur Abgrenzung des Verfahrens nach § 11 von jenem nach § 12 siehe § 11 Rz 1 ff.
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Anwältin gestellt wird. Das lässt den Eindruck entstehen, dass es sich um verschiedene Arten der Verfahrenseinleitung durch die Anwältinnen handelt. Bei genauerem Hinsehen, lässt sich aber die Auffassung, es handle sich um zwei unterschiedliche Typen der Verfahrenseinleitung nicht durchhalten. Da es sich regelmäßig um denselben Verfahrensgegenstand handelt, stünden diese Initiativrechte zueinander in Widerspruch. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dem Antrag der Anwältin gemäß §§ 11 und 12 Abs 1 das Glaubhaft-Machen eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot voranzugehen hat13.14 Neben diesen „selbständigen“ Kompetenzen der Anwältinnen können 8 sie auch vom Senat beauftragt werden, Ermittlungstätigkeiten durchzuführen. Damit im Zusammenhang sind ihnen eine Reihe von Befugnissen übertragen, ua auch die Betriebsbesichtigung, die allerdings vorher anzukündigen ist. Auf den Umstand, dass durch diese vorherige Ankündigung zumeist ausreichend Zeit gewährt wird, um Handlungen vorzunehmen, die auch das Ermittlungsergebnis beeinträchtigen können, sei hingewiesen. Die Befugnisse der Anwältinnen sind in § 5 nicht abschließend auf- 9 gezählt. Wie schon erwähnt wird die Befugnis des § 5 Abs 6 durch die Antragsrechte nach § 11 Abs 1 und 2 ergänzt. Sofern eine Einzelfallprüfung vor der GBK auf Verlangen einer Anwältin eingeleitet wurde, ist die Anwältin auch ermächtigt, Klage auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei Gericht einzubringen. Diese Befugnis ist unter den weiteren einschränkenden Bedingungen eingeräumt, dass zum einen einem Auftrag der GBK von der AGin oder sonst Verantwortlichen nicht entsprochen wurde und zum anderen, dass die betroffene Person der Klagseinbringung zugestimmt hat (§ 12 Abs 5 iVm Abs 4). Ausdrücklich festgehalten sei an dieser Stelle, dass die den Interessenvertretungen erteilte Ermächtigung zur Klagseinbringung dieser Zustimmung der betroffenen Person nicht bedarf (§ 12 Abs 4). Aus den Materialien lässt sich eine Begründung dieser Verschiedenbehandlung der Interessenvertretungen einerseits und der Anwältinnen andererseits nicht herauslesen. Sie könnte zunächst allenfalls darin gesehen werden, dass es Aufgabe der Anwältinnen ist, ein Diskriminierungsopfer in seiner Suche nach Rechtsschutz im Diskriminierungsfall zu unterstützen; sie sollen daher ihre Schritte stets mit der sich 13 So schon Smutny/Mayr 401 und 419 f. 14 Siehe auch § 11 Rz 25 ff.
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§ 5 GBK/GAW-GesetzHattenberger diskriminiert fühlenden Person abstimmen. Das entspräche der ihnen von Gesetzes wegen zugedachten Funktion, potentiellen Diskriminierungsopfern Beratung und Unterstützung zuteil werden zu lassen. Und so gesehen käme den Interessenvertretungen (auch) die von den Interessen der betroffenen Personen unabhängige Wahrung objektiven Rechts zu, der Anwältin hingegen die Aufgabe der „Vertretung“ eines potentiellen Diskriminierungsopfers. Bei isolierter Betrachtung erachte ich diese gesetzliche Differenzierung für begründbar. Im Kontext der übrigen Bestimmungen des Gesetzes erweist sich ihre Sachlichkeit mangels einer konsequenten Verankerung aber doch als fraglich. So ist es den Anwältinnen gestattet, ein Verfahren vor der Kommission auch gegen den Willen der betroffenen Person einzuleiten und somit gleich den Interessenvertretungen als „Hüterin“ des Gleichbehandlungsgebotes zu agieren. Es ist nun aber mE doch bemerkenswert, dass sie bei der Verfahrenseinleitung unabhängig von den Interessen der betroffenen Person, bei der Einbringung der Feststellungsklage hingegen nur als „Vertreterin“ der mutmaßlich diskriminierten Person agieren dürfen.15 10 In einem engen Zusammenhang mit der zuletzt genannten Regelung der Einbringung einer Klage auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes steht dann noch die in § 5 Abs 6 letzter Satz vorgesehene Befugnis der Anwältinnen. § 12 Abs 5 soll nämlich sinngemäß Anwendung finden, „wenn sich die Entscheidung des Senates in einem von der Anwältin vorgelegten Fall nicht mit deren Auffassung deckt“. Durch die Verwendung des Terminus „vorgelegt“ einerseits sowie aus dem systematischen Kontext ergibt sich, dass es sich um Verfahren handeln muss, die dadurch initiiert wurden, dass eine Anwältin die behaupteten Umstände dem Senat gegenüber glaubhaft gemacht hat (§ 5 Abs 6). Wenn es nun heißt, dass eine sinngemäße Anwendung des § 12 Abs 5 dann stattfinden soll, wenn sich die Auffassung von Senat und Anwältin nicht decken, so kann das nur dahingehend zu verstehen sein, dass die GBK eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes verneint, während die Anwältin eine solche doch für gegeben hält. Und das ist nun aber doch bemerkenswert. Das Verfahren nach § 12 ist auf einen Dialog mit der für die Diskriminierung mutmaßlich verantwortlichen Person ausgerichtet. Kommt nämlich der jeweilige Senat zur Auffassung, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, so hat er der Diskriminierungsverantwortlichen einen Vorschlag 15 Zur Verfahrensinitiierung unabhängig vom Willen Betroffener § 11 Rz 9.
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§ 6 GBK/GAW-Gesetz
zur Verwirklichung der Gleichbehandlung zu übermitteln und sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden (§ 12 Abs 3). Dieser Dialog würde in der Konstellation des § 5 Abs 6 letzter Satz entfallen, weil eben der Senat die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes verneint. Dann kann nämlich die Anwältin sofort auf Feststellung vor dem zuständigen Gericht klagen. Und das Verfahren nach § 12 wird dann um seinen charakteristischen Teil – die Schlichtung – „gebracht“. Das erscheint mir nun doch eigenartig und auch mit Rücksicht auf Sachlichkeitserwägungen bedenklich. Deckt sich die Auffassung nur hinsichtlich der Begründung nicht, so greift bereits § 12 Abs 5, sodass eine „sinngemäße“ Anwendung ausscheidet. Da § 12 Abs 5 sinngemäß anzuwenden ist, setzt die Einbringung einer Klage auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes (wiederum) die Zustimmung der verletzten Person voraus. Weitere Aufgabennormen bilden die §§ 10, 24 und 37 GlBG. Gemäß 11 § 10 GlBG können die Anwältinnen die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen Arbeitsvermittlerinnen (§ 10 Abs 1 und 2 GlBG) oder AGinnen (§ 10 Abs 3) wegen Verstoßes gegen das Gebot zu geschlechtsneutraler Stellenausschreibung (§ 9) beantragen. Dieselben Rechte stehen den Anwältinnen zu, wenn Arbeitsplätze in diskriminierender Weise ausgeschrieben werden (§ 24 Abs 1 bis 3 GlBG). Und nicht zuletzt steht ihnen ein gleichartiges Antragsrecht auch dann zu, wenn Wohnraum entgegen § 36 GlBG in diskriminierender Weise inseriert wird (§ 37 Abs 1 GlBG). In solcherart eingeleiteten Verfahren kommt den Anwältinnen Parteistellung zu (§§ 10 Abs 4, 24 Abs 4 und 37 Abs 2 GlBG). Überdies steht ihnen das Recht der Beschwerde gegen Bescheide und des Einspruchs gegen Strafverfügungen zu (§§ 10 Abs 4, 24 Abs 4 und 37 Abs GlBG). Alle zu den Anwältinnen ausgeführten Rechte und Pflichten stehen in 12 ihrem jeweiligen Wirkungsbereich auch den Regionalanwältinnen zu (§ 4 Abs 2). Die früher vorgesehene Differenzierung wurde ganz im Sinne der Vereinfachung aufgegeben.16
§ 6 (aufgehoben) § 6 enthielt nähere Bestimmungen über den/die „Anwalt/Anwältin für 1 die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Geschlechts oder der eth16 Siehe dazu § 7 Rz 6 in der ersten Auflage.
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§§ 7, 8 GBK/GAW-GesetzHattenberger nischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen“. Organisation und Aufgaben aller drei Anwälte wurden mit BGBl I 2013/107 in § 3 (Organisation) und § 5 (Aufgaben) zusammengefasst. § 6 ist mit Ablauf des 31. Juli 2013 außer Kraft getreten (§ 21 Abs 12).
§ 7 (aufgehoben) 1 § 7 regelte ursprünglich die Regionalbüros. Mit der Novelle BGBl I 2013/107 wurden nähere Regelungen über die Regionalbüros in den § 4 verschoben. Die Vorläuferbestimmung zum aktuellen § 4 regelte die „Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt“ eingehender. Diese Bestimmungen finden sich nunmehr – übrigens gemeinsam mit Organisation und Aufgaben der beiden anderen Anwältinnen – in den §§ 3 und 5.
Aufgaben der Senate der Gleichbehandlungs kommission § 8. Die Senate der Gleichbehandlungskommission haben sich in
ihrem Zuständigkeitsbereich (§ 1) mit allen die Diskriminierung berührenden Fragen und mit Verstößen gegen die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes regelnde Förderungsrichtlinien zu befassen. 1 Die Aufgaben der Senate der GBK sind in den §§ 8, 11, 12, und 13 festgelegt. Der Aufgabenkreis wird zunächst durch § 8 generalklauselartig umschrieben,1 spezielle Verfahren sind dann in den §§ 11 bis 13 geregelt. § 8 enthält zwei Zuständigkeitszuweisungen: Zunächst sind die Senate verpflichtet, sich in ihrem Zuständigkeitsbereich mit allen die Diskriminierung berührenden Fragen zu befassen. Diese Ermächtigung ist – so die einhellige Auffassung in der Literatur – weit zu verstehen, weil es genügt, dass durch eine Frage die Diskriminierung auch nur „berührt“ wird. Eine Einschränkung ergibt sich lediglich aus dem jeweiligen Zuständigkeitsbereich – so ist die Zuständigkeit des Senates I auf Fragen der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in der näher bestimmten Arbeitswelt (§ 1 GlBG) beschränkt, jene des Senates II auf die Diskriminierungsgründe ethnische Zugehörigkeit, Religion 1 Smutny/Mayr 410 f; Bei/Novak in Aichhorn, Frau & Recht 83 (149).
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Aufgaben der Senate
§ 8 GBK/GAW-Gesetz
oder Weltanschauung, Alter und sexuelle Orientierung (wiederum) in der Arbeitswelt (§ 16 GlBG). Die Zuständigkeit des Senates III erfasst die Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit berührende Fragen in den näher bezeichneten „sonstigen Bereichen“ (§ 30 GlBG). Während es für die Zuständigkeitsbegründung nach § 8 ausreicht, dass eine Diskriminierungsfrage „berührt“ ist, geht es in den „Spezialverfahren“ nach den §§ 11 bis 13 regelmäßig um die „Verletzung“ des „Gleichbehandlungsgebotes“. Nun stellt sich mE die Frage, ob diese Textdifferenz – einmal genügt das Berührt-Sein, das zweite Mal ist die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes verlangt – nicht überschätzt wird. Es ist nämlich zweifelhaft, ob es Fragen geben kann, die die Diskriminierung berühren und die nicht gleichzeitig auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes sein können (das muss im Verfahren ja erst geprüft werden). § 8 stellte dann in dieser Hinsicht keinen Mehrwert gegenüber den Spezialtatbeständen dar. Dieser ist auch mit Rücksicht auf die Materialien2 nicht zu sehen. Eine Erweiterung gegenüber den Spezialtatbeständen kann allerdings darin erblickt werden, dass die Senate der GBK nicht nur auf die in den §§ 11 bis 13 vorgesehenen Verfahrenstypen beschränkt sind. § 8 bildet sohin die Grundlage für die Durchführung von branchenweisen Untersuchungen oder der Festlegung von Kriterien gleichwertiger Arbeit, aber auch für Öffentlichkeitsarbeit.3 § 8 ermächtigt die Kommission zum zweiten, sich „mit Verstößen ge- 2 gen die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes regelnde Förderungsrichtlinien zu befassen“. Die Bedeutung dieser Aufgabenzuweisung wird mE dann deutlicher, wenn man den Satz etwas „umbaut“. Es geht um Verstöße gegen Förderungsrichtlinien, die die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes regeln. Diese Regelung ist in unmittelbarem Zusammenhang mit § 14 GlBG4 zu sehen, der bestimmt, dass Richtlinien über die Vergabe von Förderungen des Bundes an Unternehmen Förderungen nur für Unternehmen vorsehen dürfen, die das Gleichbehandlungsgebot beachten. Gegen solche Förderungsrichtlinien verstößt der Förderungsgeber, wenn er Förderungen an Unternehmen gewährt, die – trotz des Ausschlusses in den Richtlinien – das Gleichbehandlungsgebot nicht be2 IA 138 A vom 24.1.1979. II-4651 BlgNR 14. GP, zu § 4. 3 Bei/Novak in Aichhorn, Frau & Recht 83 (149). 4 Gleichlautend die §§ 28 und 40 GlBG für den Diskriminierungsschutz nach den Teilen II und III.
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§ 8 GBK/GAW-GesetzHattenberger achten. In welcher Art die Befassung mit solchen Verstößen erfolgen soll, also die Frage der Prüfung der Voraussetzung für die Förderungsvergabe, lässt das Gesetz offen. 3 Die Zuständigkeit der GBK, sich mit allen die Diskriminierung berührenden Fragen zu beschäftigen, ist keine exklusive. Sie besteht parallel zur Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte bzw der Zivilgerichte.5 Ein Verfahren wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes kann (auch) zeitgleich bei beiden Institutionen geführt werden. Entscheidungen sind weitgehend ohne Rücksicht auf das Ergebnis des Parallelverfahrens zu treffen; divergierende Entscheidungen der unterschiedlichen Institutionen in ein und derselben Diskriminierungssache sind daher durch das Gesetz „geradezu angelegt“. Verfahren vor der GBK und den Gerichten stehen aber nicht völlig beziehungslos nebeneinander. Es gibt vielmehr einige Verbindungspunkte, die insb durch die Bestimmung des § 61 GlBG noch einmal deutlich verstärkt wurden. Eine Verbindung zwischen den beiden „Rechtsschutzangeboten“ besteht zum einen darin, dass die Einleitung eines Verfahrens vor der GBK auf Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes die Fristenhemmung für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen bewirkt (§ 15 und 29 jeweils Abs 2 GlBG). Des Weiteren sieht § 12 Abs 4 vor, dass die im jeweiligen Senat der GBK vertretene Interessenvertretung unter bestimmten Voraussetzungen beim zuständigen Gericht die Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes beantragen kann. Ein solcher Antrag hemmt den Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist sowie kollektivvertraglicher Verfallfristen bis zum Ende des Monats nach Eintritt der Rechtskraft solcher Urteile. Eine Verbindung besteht auch insofern, als der zuständige Senat der GBK solcherart rechtskräftige Urteile, die eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes feststellen, in vollem Wortlaut, in anonymisierter Form auf der Homepage des BK zu veröffentlichen hat.6 In einem gerichtlichen Verfahren wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes hat sich das Gericht mit einem Gutachten oder einem Prüfungsergebnis im Einzelfall zu befassen und ein davon abweichendes Urteil zu begründen (§ 61 GlBG). 5 Siehe auch Vor § 1 Rz 5 f. 6 https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/ gleichbehandlungskommissionen/gleichbehandlungskommission/gbk-senati.html, 7.12.2021.
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Rechtsstellung der Mitglieder
§§ 9, 10 GBK/GAW-Gesetz
Geschäftsordnung § 9. Die Geschäftsordnung der Senate und ihrer Ausschüsse ist durch Verordnung des/der Bundeskanzler/in näher zu regeln. § 9 wurde durch BGBl I 2011/7 geändert.
Die BKin hat von dieser Ermächtigung durch die Gleichbehandlungs- 1 kommissions-Geschäftsordnung (GBK-GO),1 BGBl II 2004/396 idF BGBl II 2013/275, Gebrauch gemacht.
Rechtsstellung der Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Kommission § 10. (1) Die Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Kommission mit
Ausnahme der/des mit dem Vorsitz betrauten Bediensteten des Bundes und seiner/seines Stellvertreterin/Stellvertreters haben ihre Tätigkeit ehrenamtlich auszuüben. Sie haben Anspruch auf Ersatz der notwendigen Reise- und Aufenthaltskosten; gleiches gilt für die Vertreter/innen der Kollektivvertragsparteien und für die sonstigen Fachleute (§§ 11 Abs. 2 und 14 Abs. 4a) mit Ausnahme jener Fachleute, die schriftliche Fachgutachten im Auftrag der Kommission erstellen. Die Höhe des Kostenersatzes bestimmt sich nach den für Zeugen/Zeuginnen geltenden Bestimmungen des Gebührenanspruchgesetzes 1975. Die Geltendmachung des Kostenersatzes ist von Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit. (1a) Die/der Vorsitzende und ihr/e bzw. sein/e Stellvertreter/in sowie die Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Kommission sind in Ausübung ihrer Tätigkeit weisungsfrei, selbstständig und unabhängig. Der/dem Vorsitzenden und deren/dessen Stellvertreter/in stehen unter Fortzahlung ihrer/seiner Dienstbezüge die zur Erfüllung ihrer/seiner Aufgaben notwendige freie Zeit zu; die Inanspruchnahme ist der/dem Dienstvorgesetzten mitzuteilen. (1b) Die Leiter/innen der Dienststellen dürfen der/den Vorsitzenden und ihre/seinen Stellvertreter/in in der Ausübung ihrer/seiner Tätigkeit nicht beschränken und sie/ihn aus diesem Grund auch nicht benachteiligen. Aus dieser Tätigkeit darf ihnen bei der Leistungsfeststellung und in der dienstlichen Laufbahn kein Nachteil 1 Die Abkürzung GBK-GO ist keine amtliche Abkürzung.
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§ 10 GBK/GAW-GesetzHattenberger erwachsen. Soweit es die dienstlichen Erfordernisse gestatten, hat die Dienststellenleitung der/dem Vorsitzenden und ihrer/seinem Stellvertreter/in die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen auf den Gebieten des Gleichbehandlungsrechts zu ermöglichen. (1c) Der/die Bundeskanzler/in ist berechtigt, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung der Kommission zu unterrichten. Die Kommission ist verpflichtet, die vom/von der Bundeskanzler/in verlangten Auskünfte zu erteilen. Er/sie hat ein Mitglied (Ersatzmitglied) der Kommission abzuberufen, wenn es 1. aus gesundheitlichen Gründen die mit seiner/ihrer Funktion verbundenen Aufgaben dauernd nicht mehr erfüllen kann oder 2. die mit seiner/ihrer Funktion verbundenen Pflichten grob verletzt oder dauernd vernachlässigt. (2) Die Arbeitgeber/innen und alle Beschäftigten der betroffenen Betriebe sind verpflichtet, der Kommission und den Ausschüssen (§ 15) die für die Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. (2a) Vermutet der Senat die Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes gemäß § 3 Z 2 oder § 17 Abs. 1 Z 2 GlBG, kann er die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung um Auskunft über die sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage sowie über die Beitragsgrundlage nach dem BMSVG von Personen ersuchen, deren Einkommen für die Entscheidung über die vermutete Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes unbedingt erforderlich sind. Der Senat hat hiezu Namen, Geburtsdatum und Versicherungsnummer der betroffenen Personen sowie Namen der Arbeitgeber/innen der betroffenen Personen bekannt zu geben. Die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung sind verpflichtet, dem Senat diese Auskünfte zu erteilen. Die in Betracht kommenden Träger der Sozialversicherung haften nicht für Nachteile, die bei der Erfüllung ihrer Auskunftspflichten auf Grund von Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten der in ihren Anlagen enthaltenen Daten entstehen. Die Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Senates sind verpflichtet, über diese ihr im Rahmen der Auskunftserteilung bekannt gewordenen Daten Verschwiegenheit zu bewahren. (3) Die Mitglieder (Ersatzmitglieder) der Kommission sind verpflichtet, über alle ihnen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Verschwiegenheit 846
Rechtsstellung der Mitglieder
§ 10 GBK/GAW-Gesetz
zu bewahren; dies gilt sinngemäß auch für die Vertreter/innen der Kollektivvertragsparteien und für die sonstigen Fachleute. Abs 1 wurde durch BGBl I 2005/82 um die letzten beiden Sätzen erweitert. Abs 1a wurde durch BGBl I 2008/2 von einer Verfassungsbestimmung zu einer einfachgesetzlichen Bestimmung. Abs 1b wurde durch BGBl I 2008/2 von einer Verfassungsbestimmung zu einer einfachgesetzlichen Bestimmung. Abs 1a wurde durch BGBl I 2011/7 geändert. Abs 1c wurde durch BGBl I 2011/7 eingefügt. Abs 2a wurde durch BGBl I 2011/7 eingefügt. Abs 1 wurde durch BGBl I 2013/107 geändert. Literatur: Siehe Literaturangaben zu § 3; Matt, Das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission – Update 2011, DRdA 2011, 582.
Inhaltsübersicht I. Einleitung...................................................................................................... 1 II. Keine Bindung an Weisungen.................................................................... 2 III. Auskunftspflicht, Auskunftsrecht, Verschwiegenheit ........................... 4
I. Einleitung § 10 ist eine von zwei Bestimmungen, die von der mit BGBl I 2004/66 1 vorgenommenen Erlassung eines GlBG und der Novellierung des umbenannten ehemaligen GlBG aus 1979 (heute GBK/GAW-G) „verschont“ geblieben ist. Entgegen der Ankündigung in der Überschrift mit „Rechtsstellung der Mitglieder der Kommission“ regelt § 10 auch die Rechtsstellung anderer Personen und – an dieser Stelle wohl etwas überraschend – eine Auskunftspflicht der AG und aller Beschäftigten des betroffenen Betriebes. Überraschend nicht nur deshalb, weil sie sich nicht in den von der Überschrift vorgegebenen inhaltlichen Rahmen fügt, sondern weil eine solche Auskunftspflicht beispielsweise gegenüber den Anwälten bereits in der Aufgabennorm vorgesehen ist (zB § 5 Abs 4).
II. Keine Bindung an Weisungen Die Frage der Weisungsbindung der Mitglieder der GBK wurde in der 2 Vergangenheit heftig diskutiert.1 Diese Frage hätte man durch einen ge1 ZB Mayer-Maly 60, Bei/Novak in Aichhorn, Frau & Recht 83 (147); Smutny/ Mayr 479 ff.
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§ 10 GBK/GAW-GesetzHattenberger setzgeberischen Akt aus 2001 (BGBl I 2001/129) als beantwortet ansehen können. Mit dieser Novelle wurden dem Vorsitzenden und dem Stellvertreter in Ausübung ihrer Tätigkeit durch eine Verfassungsbestimmung Selbständigkeit und Unabhängigkeit garantiert. Für Vorsitzende und Stellvertreter war die Weisungsfreiheit demnach durch die Verfassungsbestimmung des § 10 Abs 1a außer Streit gestellt. E contrario konnte mE geschlossen werden, dass die übrigen Kommissionsmitglieder weisungsgebunden sind. Gegen eine Weisungsbindung der sonstigen Mitglieder der GBK wurde allerdings schon lange vor einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz immer wieder angeschrieben. Die Argumente, die ins Treffen geführt wurden, waren unterschiedliche. So waren manche der Ansicht, dass die Weisungsfreiheit keiner gesonderten Erwähnung bedürfe; sie werde als selbstverständlich vorausgesetzt.2 Die Stellung der GBK sei jener von Beiräten und Kommissionen vergleichbar, die bloß entscheidungsvorbereitende Funktionen wahrnehmen und Fachwissen liefern. Sie würden weisungsfrei agieren.3 Der GBK käme die Rolle eines Sachverständigen zu, eine Tätigkeit, die notwendiger Weise frei sei.4 Zuweilen wurde auch aus dem Gelöbnis zur unparteiischen Tätigkeit (§ 2 Abs 8) Weisungsfreiheit in Bezug auf den Inhalt der Tätigkeit abgeleitet.5 Diese Argumente waren mE allesamt nicht überzeugend,6 diese Diskussion ist mittlerweile allerdings obsolet und zwar aus folgenden Gründen: 3 Bis zum Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl I 2008/2 bedurfte eine Freistellung von Verwaltungsorganen von der Bindung an Weisungen der ihnen vorgesetzten Organe grundsätzlich einer Bestimmung im Verfassungsrang. Seit 1. 1. 2008 kann diese Entbindung für bestimmte Kategorien von Organen – jene nämlich, die in Abs 2 des Art 20 B-VG aufgezählt sind – auch durch einfaches Gesetz verfügt werden.7 Unter den ausdrücklich bezeichneten Organen werden auch jene „zur sachverständigen Prüfung“ (Z 1 Art 20 Abs 2 B-VG) oder Organe „mit Schieds-, Vermittlungs- und Interessenvertretungsaufgaben“ (Z 3) ge-
2 In diese Richtung argumentierten Smutny/Mayr 482 f. 3 So Smutny/Mayr 481; Korinek in FS Antiniolli 463 (463, 472); aA Koja, ZfV 1979, 100 ff; Raschauer B., in Korinek/Holoubek, Art 20/1 Rz 68. 4 Smutny/Mayr 480 ff. 5 Bei/Novak in Aichhorn, Frau & Recht 83 (147). 6 Ausführlich dazu in der ersten Auflage § 10 Rz 2 ff. 7 RV 314 BlgNR 23. GP 7 f.
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Rechtsstellung der Mitglieder
§ 10 GBK/GAW-Gesetz
nannt, beides Kategorien, die auf die GBK zutreffen dürften.8 Wird ein Verwaltungsorgan durch einfaches Gesetz von der Gehorsamspflicht entbunden, so ist gemäß Art 20 Abs 2 B-VG zudem ein der Aufgabe des weisungsfreien Organs angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe vorzusehen. Dieses Aufsichtsrecht muss das oberste Organ zumindest berechtigten, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung zu unterrichten. Zeitgleich mit dieser B-VG-Novelle ist auch das Erste Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz, BGBl I 2008/2, in Kraft getreten, durch dessen § 5 Abs 1 Z 6 und § 5 Abs 2 Z 3 die Abs 1b und 1a des § 10 GBK/GAW-G ihres verfassungsrechtlichen Ranges entkleidet und zu einfachen bundesgesetzlichen Bestimmungen erklärt wurden. Da allerdings ein Aufsichtsrecht des BK nicht zeitgleich im GBK/GAW-G installiert wurde, dieses mE aber eine unverzichtbare Bedingung einer einfachgesetzlichen Freizeichnung von der Bindung an Weisungen ist, ist mit 1. 1. 2008 das Privileg der Weisungsfreiheit auch für den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter entfallen. Erst mit BGBl I 2011/7 wurde dann die Freistellung von der Weisungsbindung für alle Mitglieder der Kommission eingeführt. Zum einen üben die Mitglieder der Kommission ihre Tätigkeit nunmehr explizit auch „weisungsfrei“ aus (§ 10 Abs 1a erster Satz), darüber hinaus sieht Abs 1c das geforderte Aufsichtsrecht des BK vor, das ein Informationsrecht des BK, eine Auskunftspflicht der Mitglieder sowie das Recht der Abberufung aus bestimmten Gründen umfasst. Seit 1. März 2011 kann daher zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass alle Mitglieder der GBK weisungsfrei gestellt sind.
III. A uskunftspflicht, Auskunftsrecht, Verschwiegenheit Abs 2 des § 10 sieht die Verpflichtung vor, der Kommission und den 4 Ausschüssen die für die Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Zur Auskunftsleistung verpflichtet sind wörtlich (nur) „der/die Arbeitgeber/innen“ und die „Beschäftigten der betroffenen Betriebe“.9 Offenkundig vergessen wurde, die durch das 8 So auch RV 938 BlgNR 24. GP 11; vgl auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/GAW-G § 10 Rz 6. 9 Eine solche auf Arbeitgeber und alle sonstigen Beschäftigten des betroffenen Betriebes beschränkte Verpflichtung zur Auskunftsleistung sieht auch § 11 Abs 6 der GBK-GO, BGBl II 2004/396 idF BGBl II 2013/275, vor.
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§ 10 GBK/GAW-GesetzHattenberger GlBG, BGBl I 2004/66, erfolgte Ausweitung des Diskriminierungsschutzes über das Arbeitsverhältnis hinaus auf die „sonstige Arbeitswelt“ (§§ 4 und 18 GlBG) und die „sonstigen Bereiche“ (§§ 30 ff GlBG) auch in der Regelung betreffend die Auskunftspflicht nachzuvollziehen. Eine Auskunftspflicht der „sonstigen“ für die Diskriminierung in diesen Bereichen verantwortlichen Personen gegenüber den Senaten der Kommission und ihren Ausschüssen ist mit Rücksicht auf den Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen. Da es sich hier um eine, an der Intention des Gesetzes gemessene, planwidrige Unvollständigkeit handeln dürfte, ist diese Lücke im Wege einer auf der Grundlage des § 10 Abs 2 gewonnenen Gesetzesanalogie zu schließen. Auch die für eine Diskriminierung in der sonstigen Arbeitswelt oder in den sonstigen Bereichen verantwortliche Person ist gegenüber den Senaten und ihren Ausschüssen zur Auskunftsleistung verpflichtet. Darüber hinaus müssten – in Analogie zu den Beschäftigten des betroffenen Betriebes – alle jene Personen auskunftspflichtig sein, die aufgrund ihres Naheverhältnisses zum Diskriminierungsfall Auskünfte geben können. 5 Relativ jung ist das Auskunftsrecht der Kommission in Fällen vermuteter Entgeltdiskriminierung gegenüber den Trägern der Sozialversicherungsträger gemäß Abs 2a. Es wurde durch die Novelle BGBl I 2011/7 eingeführt und ist mit 1. März 2011 in Kraft getreten.10 Gleichförmige Befugnisse sind auch den Anwälten gemäß § 5 Abs 5 eingeräumt. Auskunft verlangt werden kann über die sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage sowie über die Beitragsgrundlage nach BMSVG, wenn das Einkommen einer bestimmten Person für die Entscheidung über die vermutete Diskriminierung unbedingt erforderlich ist. Die Übermittlung solcher Daten ist grundrechtssensibel; das Einkommen einer Person ist ein personenbezogenes Datum iSd Art 4 Z 1 DSGVO. Abs 2a schafft die gemäß § 1 Abs 2 DSG erforderliche gesetzliche Grundlage für die Datenverarbeitung. Durch die Verpflichtung zur Verschwiegenheit über die im Rahmen der Auskunftserteilung bekannt gewordenen Daten wird dem grundrechtlichen Gebot der Geheimhaltung (§ 1 Abs 1 DSG) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 1 Abs 2 DSG) entsprochen.11
10 Vgl auch Matt, DRdA 2011, 582 (582 f). 11 Siehe auch § 3 Rz 6.
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Gutachten
§ 11 GBK/GAW-Gesetz
Abs 3 verpflichtet die Kommissionsmitglieder zur Verschwiegenheit 6 über die ihnen bei der Ausübung der Tätigkeit bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Für die Mitglieder der GBK gilt auch, dass sie gemäß Art 20 Abs 3 B-VG zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet sind, weil sie gemäß dem funktionalen Verständnis von Verwaltung des Art 20 Abs 3 B-VG auch mit Aufgaben der Verwaltung betraut sind (§ 3 Rz 2).
Gutachten § 11. (1) Auf Antrag einer der der im jeweiligen Senat der Kommis
sion vertretenen Interessenvertretungen, auf Antrag des/der Anwalts/Anwältin (§ 3 Abs. 2) oder von Amts wegen hat der damit befasste Senat insbesondere Gutachten über Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes zu erstatten. (2) Betrifft ein gemäß Abs. 1 zu erstellendes Gutachten Diskriminierungen in Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung, so kann der befasste Senat zur Vorbereitung der Beschlussfassung einen Arbeitsausschuss bilden, dem neben dem/der Vorsitzenden je ein Mitglied der im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen anzugehören hat. Den Beratungen sind Vertreter/innen der jeweiligen Kollektivvertragsparteien beizuziehen. § 14 Abs. 2 bis 5 gilt sinngemäß. (3) Gutachten des Senates sind binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung auszufertigen und in vollem Wortlaut, jedoch in anonymisierter Form auf der Website des Bundeskanzleramtes kostenlos zur Verfügung zu stellen, sofern keine Rückschlüsse auf Einzelfälle gezogen werden können. Abs 3 wurde durch BGBl I 2008/98 neu gefasst. Abs 1 wurde durch BGBl I 2013/107 geändert. Literatur: Mayer, Ein „Umweltanwalt“ im österreichischen Recht, JBl 1982, 113; Schoibl, Die Verbandsklage als Instrument zur Wahrung „öffentlicher“ oder „überindividueller“ Interessen im österreichischen Zivilverfahrensrecht, ZfRV 1990, 3; Mayer, Gleichbehandlungsgesetz und Rechtsschutzstaat, ZAS 1992, 37; Schulev-Steindl, Subjektive Rechte im öffentlichen Interesse? Anmerkungen zur Aarhus-Konvention, JRP 2004; Rechberger/Klicka (Hrsg), Zivilprozessordnung – Kommentar5 (2019); Khakzadeh-Leiler, Art 94 B-VG, in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht (9. Lfg 2012).
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger Inhaltsübersicht I. Vorbemerkung zu den §§ 11 bis 13............................................................ 1 1. Allgemeines.............................................................................................. 1 2. Abgrenzung des Verfahrens nach § 11 von jenem nach § 12........... 2 a. Einleitung........................................................................................... 2 b. Überschneidung der Anwendungsbereiche?................................. 4 c. § 12 als lex specialis gegenüber § 11?............................................... 6 d. „Einzelfall“.......................................................................................... 7 e. Antragsrecht der AGin..................................................................... 11 f. Verfahrensführung unabhängig vom Willen Betroffener.......... 12 g. Vorschläge zur Abgrenzung............................................................ 13 h. Wahl der Verfahrensart nach teleologischen Gesichtspunkten – Zweck des Verbandsrechtsschutzes.............................................. 16 3. Verhältnis des Verfahrens nach § 13 zu jenen nach § 11 und § 12........ 20 II. Ziel des Verfahrens nach § 11, Verfahrensgegenstand............................ 23 III. Verfahrenseinleitung................................................................................... 25 IV. Gutachten, Veröffentlichung..................................................................... 30 V. Arbeitsausschüsse......................................................................................... 31 VI. Verfahren....................................................................................................... 34
I. Vorbemerkung zu den §§ 11 bis 13 1. Allgemeines 1 Die §§ 11 bis 13 regeln drei Typen von Kommissionsverfahren, die überschrieben sind mit „Gutachten“ (§ 11), „Einzelfallprüfung“ (§ 12) und „Verpflichtung zur Berichtslegung“ (§ 13). Diese jeweils eigenständigen Verfahren sind zT auch ausdrücklich miteinander verbunden. So kann ein Bericht nach § 13 den Anstoß für die Erstellung eines Gutachtens nach § 11 geben (§ 13 Abs 3). Die Verfahrenstypen sollen nun vorweg kurz charakterisiert werden, um sodann auf die Frage ihrer Abgrenzung voneinander und ihrer Verbindung untereinander einzugehen. Gerade die Abgrenzung der Verfahrenstypen ist nicht schon auf den ersten Blick klar, sondern muss erst „gefunden“ werden. Das Verfahren nach § 11 mündet in ein Gutachten zu Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes und dient der Bewusstseinsbildung. Gutachten sind in anonymisierter Form auf der Homepage des BKA zu veröffentlichen. Ein Gutachten wird entweder von Amts wegen oder auf Antrag bestimmter Institutionen hin erstellt, namentlich kann ein solches von den in den jeweiligen Senaten vertretenen Interessenvertretungen sowie den Anwältinnen gemäß § 5 Abs 6 beantragt werden. Der Verfahrensgegenstand wird in § 11 nicht 852
Gutachten
§ 11 GBK/GAW-Gesetz
näher eingegrenzt, ausdrücklich erwähnt sind die „Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung“ (§ 11 Abs 2). Der Wortlaut des § 11 Abs 2 lässt aber auch erkennen, dass der Verfahrensgegenstand des § 11 darüber hinaus geht (arg „Betrifft ein gemäß Abs 1 zu erstellendes Gutachten Diskriminierungen in Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung, […]“). Ein Einzelfallprüfungsverfahren nach § 12 ist zunächst auf Vermittlung und Schlichtung angelegt. Es mündet im Fall einer festgestellten Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes in die Erstellung eines Vorschlages zur Verwirklichung der Gleichbehandlung und die Aufforderung, die Diskriminierung zu beenden. Folgt die für die vermutete Diskriminierung verantwortliche Person diesem Vorschlag bzw dieser Aufforderung nicht, so können bestimmte Institutionen – die in den jeweiligen Senaten vertretenen Interessenvertretungen sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch die Anwältinnen – beim zuständigen Gericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen. Rechtskräftige Gerichtsurteile, die eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes feststellen, sind (wiederum) im vollen Wortlaut und in anonymisierter Form auf der Homepage des BKA zu veröffentlichen. Das Verfahren findet im nicht näher spezifizierten „Einzelfall“ statt. Die Einleitung eines solchen Verfahrens kommt denselben, schon zum § 11-Verfahren genannten Institutionen zu, wobei zu erwähnen ist, dass eine Zustimmung der betroffenen Person keine Voraussetzung ist. Darüber hinaus kann ein Einzelfallprüfungsverfahren auch von ANinnen bzw von den von einer Diskriminierung nach dem 1. Abschnitt des III. Teiles GlBG betroffenen Personen, von AGinnen und vom Betriebsrat eingeleitet werden. In einem Einzelfallprüfungsverfahren hat die von der Diskriminierung betroffene Person das Recht, sich durch eine Person ihres Vertrauens vertreten zu lassen. Ebenso kann sie die Beiziehung einer Vertreterin einer Interessenvertretung oder einer Nichtregierungsorganisation verlangen (§ 12 Abs 2). Das Verfahren nach § 13 zielt auf einen Bericht der für die vermutete Diskriminierung verantwortlichen Person. In einem solchen Bericht ist durch eine zahlenmäßige Aufgliederung ein Vergleich in Bezug auf das vermutete diskriminierende Merkmal zu ermöglichen (zB Beschäftigungsbedingungen, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten). Wird ein solcher Bericht wegen einer Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit iSd III. Teiles, 1. Abschnitt des GlBG verlangt, so hat die verantwortliche Person „alle Umstände des Falles aus ihrer Sicht umfassend und detailliert darzulegen“. Aufgrund eines 853
§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger Berichtes „kann“ die Kommission sodann Gutachten über die Erfüllung des Gleichbehandlungsgebotes im Betrieb erstellen. Und sofern der Verpflichtung zur Berichtslegung nicht oder nicht ausreichend entsprochen wird, ist dieser Umstand von der Kommission auf der Homepage des BKA zu veröffentlichen. Die Verpflichtung zur Berichtslegung erfordert zunächst eine Mitteilung an die Kommission, in der die Vermutung der Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes glaubhaft gemacht wird. Die Pflicht zur Berichtslegung wird sodann durch ein Verlangen der Kommission aktualisiert. Verpflichtete ist die für die vermutete Diskriminierung verantwortliche Person bzw die AGin. Die zur Verfahrenseinleitung ermächtigten Personen und Institutionen sind mit jenen des § 12 identisch. Eine amtswegige Berichtsanforderung durch die Kommission ohne vorherige Mitteilung ist nicht vorgesehen. 2. Abgrenzung des Verfahrens nach § 11 von jenem nach § 12 a. Einleitung 2 Nach dieser Darstellung der „Grundintentionen“ der Verfahren einerseits und grundlegender verfahrensrechtlicher Bedingungen andererseits soll nunmehr auf die Frage des Verhältnisses der dargestellten Verfahrenstypen zueinander eingegangen werden. Dabei interessiert primär die Abgrenzung eines Verfahrens nach § 11 von jenem nach § 12. Die Frage der Abgrenzung stellt sich deshalb, weil der Verfahrensgegenstand nach § 11 nicht eingegrenzt ist. Es ist dem jeweiligen Senat aufgegeben, „Gutachten über Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes“ zu erstatten. § 12 benennt demgegenüber den „Einzelfall“ als Gegenstand der Prüfung. Daraus könnte nun zweierlei gefolgert werden: Einerseits, dass mit Rücksicht auf die „Weite“ der Formulierung des § 11 alles zum Gegenstand eines Gutachtens gemacht werden kann, auch der Einzelfall. So verstanden würden sich die Anwendungsbereiche des § 11 und des § 12 überschneiden und es wäre dann zu fragen, ob diese Konkurrenz iSe alternativen oder kumulativen Anwendbarkeit aufzulösen ist. Alternative Anwendbarkeit bedeutete, dass ein- und derselbe Einzelfall dann entweder im Verfahren nach § 12 geprüft werden kann oder aber im Hinblick auf die darin aufgeworfene Diskriminierungsfrage Gegenstand eines Gutachtens nach § 11 sein kann. Die Wahl des einen Verfahrenstyps würde diesfalls die Wahl des anderen ausschließen. Kumulative Anwendbarkeit würde bedeuten, dass ein Einzelfall sowohl Gegenstand eines Gutachtens als auch eines Einzelfallprüfungsverfahrens sein kann. Es könnte andererseits aber 854
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auch geschlossen werden, dass § 12 gegenüber § 11 die speziellere Norm ist und daher als Gegenstand eines Gutachtens nur in Frage kommt, was nicht Einzelfall ist, weil eben dieser im Verfahren nach § 12 zu prüfen ist. So verstanden handelte es sich um jeweils exklusive Anwendungsbereiche. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass „über weite Strecken“ Identität der Initiierungsberechtigten gegeben ist und sich gerade auch aus diesem Grund die Abgrenzungsfrage stellt. Die in den jeweiligen Senaten vertretenen Interessenvertretungen, die Anwältinnen sowie der jeweilige Senat von Amts wegen sind sowohl zur Einleitung eines Gutachtensverfahrens als auch eines Einzelfallprüfungsverfahrens ermächtigt. Und es sei betont, dass diese Verfahrenseinleitung jeweils ohne die Zustimmung einer allenfalls betroffenen Person möglich ist. Alternative Normenkonkurrenz hätte zur Folge, dass die vorhin genannten Institutionen frei wählen können, ob sie im Einzelfall ein Verfahren nach § 12 oder aber die Erstattung eines Gutachtens nach § 11 beantragen. Nimmt man kumulative Anwendbarkeit an, so wäre es in die Disposition dieser Institutionen gestellt, auch beide Verfahrenstypen zu wählen. In der Literatur finden sich zur Frage des Verhältnisses von § 11 zu 3 § 12 keine eindeutigen Aussagen. Smutny/Mayr1 bemühen sich um eine Unterscheidung der beiden Verfahren, was dahingehend gedeutet werden kann, dass man von unterschiedlichen Anwendungsbereichen ausgeht. Mayer2 sieht in den §§ 5 und 6 (nunmehr §§ 11 und 12) grundsätzlich eine Differenzierung zwischen Verfahren betreffend kollektive Regelungen und Verfahren betreffend einen Einzelfall. Mit Einführung der Berichtspflicht nach § 6a (nunmehr § 13) sei es möglich geworden, dass auch im Einzelfall ein Gutachten erstellt wird.3 Unklar ist mE die Auffassung von Mayer-Maly,4 der zunächst beklagt, dass dem Gesetzgeber eine völlig klare Abgrenzung der Verfahrenstypen nicht gelungen sei, sodann meint, dass das GlBG für eine Subsidiarität des Gutachtensverfahrens gegenüber dem Einzelfallprüfungsverfahren keinen zureichenden Anhaltspunkt biete, und wenige Zeilen danach ausführt, dass Gutachtensverfahren allen eine Diskriminierung betreffenden Fragen gelten, soweit es sich nicht um die Prüfung handelt, ob das Gleichbehandlungsgebot im Einzelfall verletzt wurde. 1 2 3 4
Smutny/Mayr 417 f und 432. Mayer, ZAS 1992, 37. Mayer, ZAS 1992, 37 (38). Mayer-Maly 71 ff.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger b. Überschneidung der Anwendungsbereiche? 4 Die Auflösung der Frage einer möglichen Konkurrenz zwischen § 11 und § 12 muss mE danach erfolgen, ob die Zielsetzungen und Ergebnisse dieser beiden Verfahren zum einen unterschiedliche sind und bejahendenfalls, ob diese sinnvoller Weise nebeneinander bestehen können. Es sind daher zunächst die Ziele der beiden Verfahrenstypen „nebeneinander“ zu stellen. Ein Verfahren nach § 11 dient der Bewusstseinsbildung. Die von der GBK erstellten Gutachten sind in anonymisierter Form zu veröffentlichen. Damit wird nicht nur den an der Diskriminierungsfrage unmittelbar Interessierten,5 sondern auch der Öffentlichkeit eine Orientierungshilfe in einer bestimmten Gleichbehandlungsfrage gegeben. Diese Orientierungshilfe soll selbstverständlich auch „Anstoß“ für verantwortliche Personen und Institutionen sein, eine als gleichheitswidrig erkannte Praxis oder Norm zu beenden bzw nicht mehr anzuwenden, außer Kraft zu setzen oder gleichheitskonform abzuändern. Mit dem Einzelfallprüfungsverfahren werden mehrere Ziele verfolgt: Es zielt zunächst auf eine Schlichtung ab. Gelingt diese, so endet damit das Verfahren. Scheitert sie, so können bestimmte Institutionen von ihrem Recht Gebrauch machen, eine Feststellungsklage bei Gericht einzubringen. Ein die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes feststellendes Urteil ist – wiederum in anonymisierter Form – zu veröffentlichen. Damit erfüllt dieses Verfahren im Falle eines gescheiterten Vermittlungsversuches weitere Funktionen: Zunächst soll freilich auch ein die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes feststellendes Urteil die für die Diskriminierung verantwortliche Person dazu animieren, eine gleichheitswidrige Praxis zu beenden bzw eine als gleichheitswidrig erkannte Norm der individuellen oder kollektiven Rechtsgestaltung nicht weiter anzuwenden. Zum zweiten soll Betroffenen eine Einschätzung der Erfolgschancen für einen allenfalls folgenden gerichtlichen Leistungsstreit gegeben werden, und des Weiteren wird durch die Publikation des Feststellungsurteils die Sensibilisierung und Information der Öffentlichkeit in Diskriminierungsfragen erreicht.6 Letzteres Ziel erachte ich als ein sekundäres. Primär ist das Verfahren nach § 12 auf Schlichtung und im Fall der Erfolglosigkeit auf eine Einschätzung der Obsiegenswahrscheinlichkeit im Rechtsstreit 5 Etwa den KV-Parteien, wenn Normen eines KV geprüft wurden. 6 Vgl die Begründung des IA 138/A vom 24.1.1979, II-4651 BlgNR 14. GP, abgedruckt in Smutny/Mayr 1310.
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gerichtet. Die Information der Öffentlichkeit ist dabei „nur“ ein Nebenaspekt. Für eine Überschneidung der Anwendungsbereiche wegen partieller 5 Identität der Verfahrensgegenstände könnte zum einen ins Treffen geführt werden, dass auch in den Zielen partielle Übereinstimmung besteht. Das Ziel des § 11-Verfahrens kann auch durch ein Einzelfallprüfungsverfahren erreicht werden, allerdings nicht regelmäßig und notwendig, sondern nur, wenn eben der Schlichtungsversuch zuvor scheitert und dazu berechtigte Institutionen von ihrem Klagerecht vor Gericht Gebrauch machen. Man könnte daher argumentieren, dass ein bis zum Ende geführtes Verfahren nach § 12 ein Verfahren nach § 11 überflüssig macht und somit „konsumiert“. Insofern, und nur „in dieser Richtung“ wäre alternative Konkurrenz gegeben. Wird ein Verfahren nach § 12 gewählt und bis „zum Ende geführt“, so wäre die Behandlung derselben Diskriminierungsfrage durch ein Gutachten nicht mehr zulässig. Nicht zu vernachlässigen ist dabei allerdings, dass im Fall des § 11 das Bewusstsein durch die Äußerung der GBK, im Verfahren nach § 12 durch eine Entscheidung des Gerichtes gebildet wird. Und umgekehrt schließt ein Gutachtensverfahren die gleichzeitige oder spätere Einleitung eines Einzelfallprüfungsverfahrens nicht aus, weil letzteres weiter gehende Ziele verfolgt. (Zu den sich daraus ergebenden Problemen gleich unten.) Wird ein Einzelfallprüfungsverfahren nicht bis zur Veröffentlichung geführt, weil etwa davor eine Schlichtung des Konfliktes gelingt, oder aber keine der dazu berechtigten Institutionen von ihrem Recht, eine Feststellungsklage bei Gericht einzubringen, Gebrauch machen will oder kann (die Anwältinnen benötigen dazu die Zustimmung der Betroffenen), so könnte man an eine kumulative (besser: kombinierte) Anwendung der beiden Verfahren denken. Eine solche Verbindung der Verfahren nach den §§ 11 und 12 könnte man als sinnvoll ansehen, wenn (wie eben beschrieben) zB im Rahmen eines Einzelfallprüfungsverfahrens Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes aufgegriffen werden, die aber wegen Schlichtung oder mangels Klagseinbringung durch die dazu ermächtigten Institutionen nicht bis zur Veröffentlichung eines Feststellungsurteils weiter verfolgt werden oder werden können. Dann könnte diese Frage der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes im Rahmen eines Gutachtens abgehandelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ein solches Gutachten ist zum einen nicht vom Antrag bestimmter 857
§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger Institutionen abhängig, sondern kann auch von Amts wegen erstattet werden und zum anderen kann damit das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit befriedigt werden, das ja nicht notwendig deshalb ein geringeres ist, weil es im Zuge des Verfahrens zu einer Schlichtung gekommen ist, oder weil die Bereitschaft der klageberechtigten Institutionen zur Klagseinbringung nicht gegeben ist. In dieser (und nur in dieser) Abfolge könnte man eine Kumulation (besser: Kombination) der Verfahren als sinnvoll ansehen. Eine Kumulierung der Verfahren ohne die hier gemachten Einschränkungen wäre hingegen problematisch. Ginge man davon aus, dass § 11 und § 12 in vollem Umfang nebeneinander anwendbar sind, so hätte dies zur Folge, dass dieselbe Diskriminierungsfrage sowohl in Form eines Gutachtens der Kommission als auch in Form eines Feststellungsurteils des Gerichtes der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte. Die Sinnhaftigkeit einer solchen Summierung von Äußerungen unterschiedlicher staatlicher Organe in derselben Frage ist aber wohl fraglich. Sie könnte mehr verwirren denn zur Orientierung beitragen, und das insb dann, wenn – was nicht auszuschließen ist – die Diskriminierungsfrage unterschiedlich beantwortet wird. Davon abgesehen lässt sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Einzelfallprüfungsverfahrens ableiten, dass der Gesetzgeber eine Häufung von zu veröffentlichenden Aussagen unterschiedlicher Institutionen in derselben Diskriminierungsfrage nicht wollte. Die Feststellung der Diskriminierung durch die GBK sowie der Vorschlag zu ihrer Beendigung – also der erste Teil des Verfahrens nach § 12 – ist nicht zu veröffentlichen, sondern erst das gerichtliche Feststellungsurteil. Zu beachten ist überdies, dass sich die vorhin aufgezeigte Abfolge nicht erzwingen lässt. Man stelle sich vor, dass eine der Interessenvertretungen für einen Einzelfall die Erstattung eines Gutachtens beantragt und etwa nach Abschluss des Verfahrens nach § 11 die Betroffene die Durchführung eines Einzelfallprüfungsverfahrens verlangt. Dessen Durchführung wird man der Betroffenen nicht verwehren können, zumal das Einzelfallprüfungsverfahren auch und primär andere Zwecke erfüllt als das Verfahren nach § 11. Dann aber kann es zu der oben aufgezeigten und mE nicht unproblematischen Kumulierung von öffentlich zu machenden Äußerungen unterschiedlicher staatlicher Organe zu ein- und derselben Diskriminierungsfrage kommen. In Anbetracht dieser primär auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhenden Argumente meine ich, dass eine alternative oder kumulative Anwendung der §§ 11 und 12 zwar denkbar, aber in verschiedener Hinsicht problematisch ist. Erstere 858
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lässt sich nicht erzwingen, zweitere führt unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit zu fragwürdigen Ergebnissen. c. § 12 als lex specialis gegenüber § 11? Von diesen Überlegungen abgesehen lassen sich mE weitere Gründe 6 dafür anführen, dass der Verfahrensgegenstand des § 12 nicht mit jenem nach § 11 ident sein soll und der Gesetzgeber folglich den genannten Institutionen keine Freiheit in der Verfahrenswahl zukommen lassen wollte: Für diese Sicht spricht zunächst schon die imperative Diktion des § 12 („[…] hat der damit befasste Senat im Einzelfall zu prüfen, […]“). Des Weiteren spricht dafür das Vorsehen von zwei unterschiedlichen Verfahrenstypen. Der Gesetzgeber hat mit § 12 für den Einzelfall ein Spezialverfahren geschaffen, das einige Abweichungen aufweist. So können etwa bestimmte Personen und Einrichtungen – nämlich die von der Diskriminierung Betroffenen, AGinnen und Betriebsrat – die Kommission nur dann befassen, wenn ein Einzelfall vorliegt. Auch der Verfahrensablauf ist unterschiedlich (intensiv) ausgeformt. Durch diese Unterschiede wird der „Einzelfall“ aus dem unbegrenzt definierten Anwendungsbereich des § 11 herausgehoben und zum Spezialfall gemacht, der in dem eigens dafür geschaffenen Verfahren zu prüfen ist. In einem Zwischenresümee lässt sich daher festhalten, dass insb systematische und teleologische Erwägungen dafür sprechen würden, dass der Verfahrensgegenstand des Verfahrens nach § 11 ein anderer ist als jener des § 12, dass diese Verfahrenstypen also zueinander in einem Verhältnis der Ausschließung stehen. Die Grenze zwischen den beiden Verfahrenstypen wäre durch den Einzelfall „markiert“. Liegt ein Einzelfall vor, so ist das Verfahren nach § 12 zu führen.7 In den übrigen Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes kommt ein Gutachten nach § 11 in Betracht. d. „Einzelfall“ Diesen „Einzelfall“, der im Gesetz nicht näher definiert ist, gilt es nun 7 zu bestimmen. Neben der Wortbedeutung, der Systematik und den Aussagen in den Materialien wird auch den zwischen den beiden Verfahren bestehenden Unterschieden interpretationsleitende Funktion zukommen; das ist zum einen der im Vergleich zu § 11 erweiterte Kreis der Initiierungsberechtigten des § 12 und das sind zum anderen die Un7 Mayer-Maly 72, 1.3.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger terschiede im weiteren Verfahrensverlauf, insb der im § 12-Verfahren ausgeformte „Dialog“ mit der für die vermutete Diskriminierung verantwortlichen Person. Es kann an dieser Stelle schon vorweg genommen werden, dass mit Rücksicht auf das in den Materialien und in der Literatur vertretene Verständnis des „Einzelfalles“ eine Scheidung der Anwendungsbereiche nicht möglich ist. Davon abgesehen fördert dieser Interpretationsversuch weitere „Besonderheiten“ zutage. In der Literatur zu der in den relevanten Punkten gleich lautenden Vorgängerbestimmung des § 118 wurde der Gegenstand des Gutachtensverfahrens – wohl im bewussten Gegensatz zum Begriff „Einzelfall“ – positiv zu bestimmen versucht. Man will den Gutachtensauftrag als einen Auftrag verstanden wissen, der sich mit „allgemeinen Fragen“ beschäftigt.9 Dieser Versuch einer Positivbestimmung hilft in der Abgrenzungsfrage mE wenig weiter, denn auch der Einzelfall kann die Anregung für eine „allgemeine Frage“ geben.10 Fest steht auf Grund positivrechtlicher Anordnung (§ 11 Abs 2) nur, dass zum einen die „Normen der kollektiven Rechtsgestaltung“ Gegenstand eines Gutachtens sein können und zum anderen, dass der Verfahrensgegenstand nach § 11 über die Prüfung dieser Normen hinausgeht.11 Es liegt nun nahe, die Abgrenzung über die Auslegung des Begriffes „Einzelfall“ zu versuchen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch würde man unter einem Einzelfall wohl jedenfalls die individuelle Maßnahme oder Einzelnorm verstehen, eine Maßnahme oder Norm, die sich eben nur „gegen“ eine (oder auch mehrere) individuell bestimmte Person(en) richtet. Nach der dazu aufgefundenen Literatur12 liegt ein Einzelfall vor, wenn die Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes eine bestimmte ANin oder eine bestimmte AGin betrifft. Und mit Hinweis auf die Materialien wird einhellig auch davon ausgegangen, dass es 8 Das ist § 5 GlBG 1979. 9 Mayer-Maly 71; Smutny/Mayr 417 unter Bezugnahme auf die Überschrift des § 8 der bis zum 20. Oktober 2004 in Kraft befindlichen GBK-GO. 10 Das sieht im Übrigen auch die Praxis so. Vgl dazu die im Internet abrufbare Lose-Blatt-Sammlung „Anträge an die Gleichbehandlungskommission“, Gutachten 2 [1994] 228, in dem in der Praxis – eben im Einzelfall – immer wieder vorkommende Argumentationsstereotype auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgebot hin überprüft wurden. 11 § 11 Abs 2 lautet: „Betrifft ein […] Gutachten Diskriminierungen in Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung […]“ 12 Smutny/Mayr 418; die dortige Bezugnahme auf Mayer-Maly 79, konnte nicht nachvollzogen werden.
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für die Einzelfallprüfung nach § 12 irrelevant sei, ob die Diskriminierung in einer Einzelvereinbarung oder einer kollektiven Norm grundgelegt sei.13 Auch eine betriebliche Übung könne Gegenstand einer Einzelfallprüfung sein, sofern es sich um die Überprüfung in Bezug auf eine bestimmte Betroffene handelt.14 Zunächst ist zu einem solcherart verstandenen „Einzelfall“ festzuhalten, 8 dass man damit (neuerlich) vor dem Problem der Identität der Verfahrensgegenstände steht. Gegenstand einer Prüfung nach § 12 können nämlich nach den Materialien und der Literatur auch kollektive Normen sein. Das gilt aber auch für § 11, dessen Verfahrensgegenstand jedenfalls die in seinem Abs 2 genannten „Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung“ umfasst. In der Literatur wird eine Scheidung der Anwendungsbereiche nun weiter so vorgenommen, dass der Einzelfall dann vorliegt, wenn die Prüfung „in Bezug auf bestimmte Betroffene“ durchgeführt wird.15 Diese „Verfahrensführung in Bezug auf bestimmte Betroffene“ soll nun also das entscheidende Kriterium sein, das ein Verfahren nach § 12 von jenem nach § 11 abgrenzt. Mit Blick auf den Gesetzestext ist dieser Ansicht zu folgen. Das Einzelfallprüfungsverfahren ist „kontradiktorisch“ aufgebaut. § 12 Abs 2 räumt „dem/der Arbeiternehmer/in“ oder der von Diskriminierung betroffenen Person im Verfahren vor den Senaten der GBK das Recht ein, sich von einer Person ihres Vertrauens vertreten zu lassen. Des Weiteren kann sie die Beiziehung einer Vertreterin einer Nichtregierungsorganisation verlangen (§ 12 Abs 2 zweiter Satz). Und die Einbringung einer Feststellungsklage durch die Anwältinnen ist nur mit Zustimmung der betroffenen Person möglich (§ 12 Abs 5). Mit Rücksicht auf diese Ausgestaltung findet daher das Einzelfallprüfungsverfahren zwischen zwei individuell bestimmten Personen statt – zwischen der AGin bzw der für die vermutete Diskrimi13 So schon die Begründung des IA 138/A vom 24.1.1979, II-4651 BlgNR 14. GP, zitiert bei Smutny/Mayr 1309. 14 Mayer-Maly 80; Smutny/Mayr 432; wenn Smutny/Mayr 418, zu § 11 ausführen, dass von einer allgemeinen Frage der Diskriminierung dann auszugehen sei, „wenn die Betroffenen nicht näher bestimmt sind“, so liegt hier mE ein Widerspruch vor. Die Betroffenen einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung sind regelmäßig nicht näher, sondern eben allgemein, oder nach Gattungsmerkmalen bestimmt. Normen der kollektiven Rechtsgestaltung können aber – wie Smutny/Mayr dazu selbst ausführen und vorhin dargetan – Gegenstand eines Einzelfallprüfungsverfahrens sein. 15 Smutny/Mayr 432.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger nierung verantwortlichen Person einerseits und der ANin bzw der von einer Diskriminierung betroffenen Person andererseits, auch wenn zur Verfahrenseinleitung „nicht beteiligte“ Institutionen berechtigt sind. 9 Die Anwendung dieses Kriteriums („Verfahrensführung in Bezug auf bestimmte Betroffene“) ist mE allerdings aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen schon deshalb, weil sich Normen der kollektiven Rechtsgestaltung eben nicht an bestimmte Betroffene richten, sondern ihr Adressatenkreis allgemein oder nach Gattungsmerkmalen bestimmt ist. Die Prüfung einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung als „Einzelfall“ ginge dann noch an, wenn man die Verfahrensinitiierung regelmäßig vom Willen „irgendeiner“ der abstrakt bestimmten Normbetroffenen abhängig machen würde. Oder mit anderen Worten: Wäre ein Einzelfallprüfungsverfahren, das sich gegen eine kollektive Norm wendet, nur dann möglich, wenn entweder ein Antrag oder die Zustimmung einer Betroffenen vorliegt, so ist für mich die Durchführung „in Bezug auf bestimmte Betroffene“ erfüllbar. Eine von mehreren Betroffenen bestimmt sich eben selbst zum Subjekt dieses Verfahrens. Das sieht der Gesetzestext nun aber nicht vor. Ein Einzelfallprüfungsverfahren wird nicht nur durch Antrag der Betroffenen eingeleitet, sondern auch auf Antrag der im Senat vertretenen Interessenvertretungen, der AGin, des Betriebsrates, auf Verlangen der (Regional-) Anwältinnen sowie von Amts wegen. Und das Antragsrecht der Verbände und der Anwältinnen bedarf keiner vorherigen Zustimmung der Normbetroffenen. Es handelt sich dabei um eine Form eines Verbandsrechtsschutzes, dessen „Wesensmerkmal“ es gerade ist, dass die Verfahrensinitiierung und -führung unabhängig vom Willen der Betroffenen erfolgt (wenngleich die Zustimmung in der Praxis zumeist gegeben sein wird, weil eben eine Betroffene die Verfahrensinitiierung durch die Interessenvertretungen oder die berechtigten Mitglieder der GAW anregen wird). Was aber bedeutet dann „Durchführung in Bezug auf bestimmte Betroffene“? Soll es etwa den genannten Institutionen anheimgestellt sein, eine von mehreren Betroffenen einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung oder einer betrieblichen Übung zu bestimmen und sie in ein Verfahren nach § 12 „hineinzuzwingen“, um eine Diskriminierungsfrage zum Gegenstand eines Einzelfallprüfungsverfahrens machen zu können? Das mutet zum einen nicht nur äußerst seltsam an, sondern es ist damit zum anderen die Abgrenzung der Verfahrensgegenstände erst recht wieder nicht geleistet. Da Normen der kollektiven Rechtsgestaltung jedenfalls Verfahrensgegenstand nach § 11 862
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sind (Abs 2), stünde es den jeweiligen Interessenvertretungen, den Anwältinnen und der Kommission frei, bei Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entweder gleich ein Gutachten zu beantragen oder aber eine Betroffene zu bestimmen, um „für“ sie das Verfahren nach § 12 zu führen. Dieses Ergebnis ist auch deshalb problematisch, weil § 11 Abs 2 für die Prüfung von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung eine besondere Verfahrensbestimmung enthält,16 die bei angenommener freier Verfahrenswahl umgangen werden könnte. Es darf also zu dieser Frage zusammenfassend festgehalten werden: In 10 einem Einzelfallprüfungsverfahren können auch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geprüft werden. Ein Einzelfallprüfungsverfahren soll sich von einem § 11-Verfahren dadurch unterscheiden, dass es „in Bezug auf eine bestimmte Person geführt“ wird. Zur Verfahrenseinleitung sind – im Sinne eines Verbandsrechtsschutzes – auch Institutionen berechtigt. Nimmt man nun einen für alle zur Verfahrenseinleitung berechtigten Personen und Institutionen einheitlichen Prüfgegenstand an, dann heißt das, dass bei Normen der kollektiven Rechtsgestaltung von diesen Institutionen eine vom persönlichen Anwendungsbereich der Norm erfasste Person als „Betroffene“ für ein Einzelfallprüfungsverfahren bestimmt werden müsste. Das ist nicht nur abwegig, sondern man hat sich damit argumentativ auch gerade „einmal im Kreis“ gedreht, das Abgrenzungsproblem aber nicht gelöst. Und wenn daraus nun die Wahlfreiheit für die Prüfung von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung folgt, dann stellt sich die Frage, warum diese nicht auch bei Einzelnormen oder ‑maßnahmen gelten soll, jenen Fällen also, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wohl jedenfalls als „Einzelfall“ verstanden werden müssten. e. Antragsrecht der AGin Nach der Literatur soll der „Einzelfall“ auch dann vorliegen, wenn 11 „eine bestimmte AGin“ betroffen ist. Dazu ist zunächst zu bemerken, dass AGinnen auch allgemeine Regeln zur Anwendung bringen, die nicht nur einzelne ANinnen betreffen, sondern uU alle oder nach Gattungsmerkmalen bestimmte Gruppen von ANinnen gleichermaßen. Man ist damit wiederum beim soeben angesprochenen Problem angekommen. Die „Durchführung in Bezug auf bestimmte Personen“ ist 16 Die zwingende Beteiligung der Vertreterinnen der jeweiligen KV-Partei in den Arbeitsausschüssen.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger jedenfalls bei Normen der kollektiven Rechtsgestaltung problematisch. Davon abgesehen ist in hohem Maße fraglich, ob die gesetzlich vorgesehene Verfahrensinitiierung durch AGinnen überhaupt eine praxisgerechte und realistische Variante der Verfahrenseinleitung ist. ME wird dieser Verfahrenstyp der Interessenlage der AGinnen aus zwei Gründen nicht gerecht: Das Interesse der AGinnen könnte mE darin bestehen, vorab, also bevor eine singuläre oder kollektive Maßnahme gesetzt oder eine Bestimmung in einen Einzelarbeitsvertrag aufgenommen wird, eine Aussage zu ihrer Vereinbarkeit mit den Gleichbehandlungsgeboten zu bekommen. Darauf ist das Verfahren nach § 12 aber gerade nicht zugeschnitten, weil geprüft werden soll, ob eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes (bereits) vorliegt (ex-post Prüfung). Eine solche Frage könnte durch ein Gutachten nach § 11 geklärt werden. Ein solches zu beantragen ist AGinnen allerdings nicht möglich. Es ist zum zweiten davon auszugehen, dass eine Beurteilung einer bereits gesetzten Maßnahme oder eines bereits abgeschlossenen Arbeitsvertrages auf die Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des GlBG hin nicht Interesse der AGin sein wird. Mag sie auch noch an der Schlichtung eines Konfliktes interessiert sein, so wird sie an einem Arbeitsgerichtsprozess kein Interesse haben, weil sie in einem solchen Prozess jedenfalls „nichts gewinnen kann“. Verneint das Gericht die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes, so können die geprüften Maßnahmen und Normen „bestehen“ bleiben; aus der Sicht der AGin ändert sich demnach nichts. Wird eine Verletzung festgestellt, so muss die AGin den von der Diskriminierung Betroffenen die erlittene Zurücksetzung ausgleichen. Einen solchen Arbeitsgerichtsprozess können AGinnen aber nicht verhindern. Die Einbringung einer Feststellungsklage ist nämlich nicht von ihrer Zustimmung abhängig.17 Und es kann nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass den AGinnen daran gelegen sein wird, den ANinnen eine Einschätzung ihrer Erfolgschancen in einem Prozess gegen sich selbst zu verschaffen. Ich meine daher, dass die Verfahrenseinleitung durch AGinnen kein realistisches Szenario ist. f. Verfahrensführung unabhängig vom Willen Betroffener 12 In diesem Zusammenhang sei noch ein weiterer Aspekt des Einzelfallprüfungsverfahrens angesprochen, der mir bemerkenswert erscheint. 17 Was dem Wesen einer Verbandsklage nun einmal entspricht, vgl unten Rz 16 ff.
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Ein Einzelfallprüfungsverfahren kann von den Interessenvertretungen, von den Anwältinnen, vom Betriebsrat und von AGinnen auch gegen den erklärten Willen der Betroffenen geführt werden. Das ist bei AGinnen nicht weiter bemerkenswert, weil der Interessensgegensatz zwischen AGinnen und ANinnen dem Arbeitsverhältnis nun mal eigentümlich ist. Dessen ungeachtet stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Durchführung eines Einzelfallprüfungsverfahrens unabhängig oder gar gegen den Willen einer bestimmten Betroffenen. Ist es das vornehmliche Ziel des Verfahrens nach § 12 in einem Konflikt zu vermitteln und der von einer gleichheitswidrigen Norm oder Praxis bestimmten Betroffenen eine Orientierungshilfe für einen allfälligen gerichtlichen Leistungsstreit zu geben, so geht das Verfahren ins Leere, wenn diese Betroffene an einer Schlichtung oder Durchsetzung von allfälligen Ansprüchen – aus welchen Gründen auch immer – nicht interessiert ist. An wen richtet sich dann die Einschätzung der Obsiegenschance? Im Falle einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung könnte sie andere Normbetroffene zur Klagsführung gegen die mutmaßlich diskriminierende Person ermuntern. Der im vorgeschalteten Schlichtungsverfahren auserwählten (solcherart eben „bestimmten“) Betroffenen würde damit bei Normen der kollektiven Rechtsgestaltung die Erbringung eines Sonderopfers abverlangt; sie wird zum Subjekt eines von ihr möglicherweise überhaupt abgelehnten Verfahrens bestimmt, Nutznießerinnen sind alle Normbetroffenen, die an einer Klagsführung in weiterer Folge interessiert sind. Als besonders „kritisch“ und ganz und gar kontraproduktiv einzuschätzen ist die Verfahrensführung unabhängig oder gar gegen den erklärten Willen der betroffenen Person wohl in Fällen sexueller Belästigung. Es ist völlig unverständlich, dass nach der geltenden gesetzlichen Lage Personen, die in ihrem intimsten Bereich verletzt wurden und daher auch besonders verletzlich sind, in ein sie nochmals belastendes und verstörendes Verfahren gezwungen werden könnten. Auf Verlangen einer initiierungsberechtigten Institution müsste die Kommission tätig werden (arg „hat der damit befasste Senat“ in § 11 und § 12 jeweils Abs 1). Diese Verpflichtung ist allerdings sanktionslos. g. Vorschläge zur Abgrenzung Interpretatorisch ist man in einer Sackgasse gelandet – systematische 13 und teleologische Erwägungen sprechen dafür, dass der Verfahrensgegenstand unterschiedlicher Verfahrenstypen ein unterschiedlicher sein 865
§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger muss. Die Ermittlung der Verfahrensgegenstände, die die Absicht der Initiatorinnen des Gesetzes mit einbezieht, weist allerdings partielle Identität auf und weitere Anhaltspunkte für die Wahl des einen oder anderen Verfahrens sind vorerst nicht erkennbar. Wenn der Gesetzgeber die Einzelfallprüfung auch gegen den Willen Betroffener zulässt, dann kann es eben zB auf Erwägungen wie etwa die Einschätzung der Sinnhaftigkeit eines Dialoges mit der für die Diskriminierung verantwortlichen Person oder mögliche Belastungen für das Arbeits- oder sonstige (Rechts-)Verhältnis nicht ankommen. Es gibt nun mE mehrere Möglichkeiten, diese Interpretationsfrage zu lösen. Jede dieser Möglichkeiten weist Schwächen auf und erfordert es, sich an oder vielleicht sogar über die Grenze dessen hinaus zu bewegen, was mit den Methoden der Gesetzesauslegung zulässiger Weise ermittelt werden kann. 14 Die erste Möglichkeit besteht darin, den Wortlaut des Gesetzes, die historische Absicht des Gesetzgebers sowie die Literaturmeinungen zu vereinen. Das würde Folgendes bedeuten: Gegenstand eines Verfahrens nach § 12 sind Individualmaßnahmen und -normen ebenso wie die Normen der kollektiven Rechtsgestaltung und betriebliche Übungen. Einzelne Betroffene können ihre Überprüfung auf die Übereinstimmung mit dem Gleichbehandlungsgebot ebenso beantragen wie AGinnen, Betriebsräte, Interessenvertretungen, Anwältinnen und die Senate von Amts wegen. Vom Verfahren nach § 11 unterscheidet sich das Einzelfallprüfungsverfahren dadurch, dass es – wie in der Literatur ausgeführt – in „Bezug auf bestimmte Betroffene“ geführt wird. Da es die „bestimmte Betroffene“ bei Normen der kollektiven Rechtsgestaltung nicht gibt, müsste diese von den genannten Institutionen sowie von AGinnen und Betriebsrat (auch gegen ihren Willen) bestimmt werden. Die im Einzelfall aufgeworfene Diskriminierungsfrage kann auch zum Gegenstand eines Gutachtens gemacht werden. Dieses Ergebnis weist einige Schwächen auf: Zum einen ist es geradezu absurd, bei Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, deren Eigentümlichkeit es ist, dass sie sich nicht an individuell bestimmte Personen richten, eine Betroffene zu bestimmen. Zum anderen bedeutet dieses Verständnis auch Identität der Verfahrensgegenstände und für die in den Senaten vertretenen Interessenvertretungen, die Anwältinnen sowie die Senate von Amts wegen die nicht näher determinierte Freiheit der Wahl zwischen den beiden Verfahrenstypen. Abgesehen davon ist diese Kumulierung von Verfahren problematisch (oben Rz 5). 866
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Die zweite Möglichkeit besteht darin, von der Verschiedenheit der Ver- 15 fahrensgegenstände auszugehen und den Einzelfall in Anlehnung an die Wortbedeutung eng zu bestimmen: Unbestreitbar liegt ein „Einzelfall“ wohl vor, wenn eine bestimmte Person von einer individuellen Norm (Einzelarbeitsvertrag) oder Maßnahme betroffen ist. Dann kommt nur das Verfahren nach § 12 in Betracht. Umgekehrt können „abstrakte Fragen der Gleichbehandlung“, dh Fragen ohne konkreten und individuell bestimmbaren Anlass (das ist zumindest denkmöglich, wenn auch vermutlich von geringer praktischer Relevanz) nur in Form eines Gutachtens erörtert werden. Solcherart abstrakte Fragen sind schon vom Begriff des „Einzelfalles“ nicht mehr umfasst. Und auch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung wären in einem Verfahren nach § 11 zu prüfen. Dies deshalb, weil sie dort als Verfahrensgegenstand auch ausdrücklich genannt sind und für ihre Prüfung spezielle verfahrensrechtliche Vorgaben bestehen (§ 11 Abs 2); konkret: die Beiziehung der Vertreterinnen der jeweiligen Kollektivvertragsparteien. Dieses Ergebnis mag zwar durch seine „Einfachheit“ bestechen, es ist allerdings aus mehreren Gründen problematisch: Es widerspricht zunächst einem Verständnis des „Einzelfalles“, das der historische Gesetzgeber diesem Begriff beigelegt wissen wollte. Eine Einzelfallprüfung soll ja unabhängig davon möglich sein, ob die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes im Einzelarbeitsvertrag oder einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung grundgelegt ist. Davon abgesehen ist das Einzelfallprüfungsverfahren nach der Vorstellung des Gesetzgebers als ein Verfahren im Vorfeld eines arbeitsgerichtlichen Prozesses konzipiert.18 Es wäre dieser Zielsetzung nun aber abträglich, würde man die Initiierung eines solchen Kommissionsverfahrens durch die betroffenen ANinnen eng verstanden wissen wollen. Oder anders formuliert: Die einzelne betroffene ANin soll die GBK in allen Fragen der Gleichbehandlung in Anspruch nehmen können, unabhängig davon, ob sie im Einzelvertrag oder einer kollektiven Regelung verankert sind. Andernfalls wäre die dem Verfahren nach § 12 zugedachte Funktion, nämlich den betroffenen ANinnen für einen allfälligen folgenden Gerichtsprozess einen „Anhaltspunkt“ zu geben, nur für einen Teilausschnitt der das Arbeitsverhältnis bestimmenden Normen erfüllt. Dieses restriktive Verständnis des Begriffs Einzelfall stünde dann wohl auch in einem Spannungsverhältnis zu der dem Gesetz entnehmbaren Tendenz, eine breitest18 Begründung des IA 138/A vom 24.1.1979, II-4651 BlgNR 14. GP; zitiert bei Smutny/Mayr 1310.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger mögliche Befassung der GBK zu ermöglichen. Dieser Tendenz, die sich insb aus der generalklauselartigen und weiten Beschreibung des Aufgabenkreises der Kommission in § 8 ableiten lässt, „läuft es zuwider“, wenn Betroffene nur jene Diskriminierungsfragen vor die Kommission bringen dürfen, die sich gegen individuell bestimmte Personen richten. h. Wahl der Verfahrensart nach teleologischen Gesichtspunkten – Zweck des Verbandsrechtsschutzes 16 Eine dritte Möglichkeit, die ich zur Überwindung dieser Pattsituation sehe, würde darin bestehen, die These von der Exklusivität der Anwendungsbereiche aufzugeben, dh Identität der Verfahrensgegenstände anzunehmen und das Recht der Wahl zwischen dem Verfahren nach § 11 und jenem nach § 12 für die in den jeweiligen Senaten vertretenen Interessenvertretungen, die Anwältinnen sowie die Senate von Amts wegen anzuerkennen. Für die Ausübung dieses Wahlrechts lassen sich mE aufgrund weitergehender Überlegungen zum Zweck eines Einzelfallprüfungsverfahrens und des dort vorgesehenen Verbandsrechtsschutzes Anhaltspunkte gewinnen. Und in diese Überlegungen ist auch das Problem der Verfahrensführung gegen den Willen einer Betroffenen mit einzubeziehen. Die Wahl des jeweiligen Verfahrenstyps ist je nach Antragstellerin „interessengerecht“ zu bestimmen. § 12 sieht eine Form eines „Verbandsrechtsschutzes“ vor, weil es nicht allein einzelnen Betroffenen überlassen ist, Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot zu verfolgen, sondern weil auch bestimmte Institutionen damit betraut sind, Rechtsschutzanträge einzubringen. Diese Einrichtung ist in der österreichischen Rechtsordnung keineswegs eine singuläre Erscheinung. Für diese Art der Rechtsverfolgung steht auch der Begriff der „Verbandsklage“. Vergleichbare Einrichtungen kennt auch das öffentliche Recht. Beispielsweise zu nennen sind der Umweltantwalt19 oder die Bürgerinitiative.20 Es handelt sich dabei um einen „Sammelbegriff“, der in der Literatur für verschiedene „Erscheinungen“ von Antrags- und Klagerechten gebraucht wird und der auch für die in § 12 Abs 4 und Abs 5 vorgesehene Klagebefugnis der Interessenvertretungen und der Anwältinnen verwendet wird.21 Mit dem Begriff der „Verbandsklage“ allein würde man dem Einzelfallprü19 § 19 Abs 3 UVP-G. 20 § 19 Abs 4 UVP-G. Vgl dazu eingehender Mayer, JBl 1982, 113; SchulevSteindl, JRP 2004, 128 jeweils mwN. 21 Vgl Schoibl, ZfRV 1990, 3 (28 ff); Mayer-Maly 85 f; Smutny/Mayr 441 f.
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fungsverfahren allerdings nicht gerecht, weil hier zwei Stufen eines „Verbandsrechtsschutzes“ vorgesehen sind, bei dem eine eben nicht eine Klagebefugnis ist. Zunächst können bestimmte Institutionen die GBK – also ein Verwaltungsorgan – in einer Frage der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes im Einzelfall befassen. Erst im Falle eines gescheiterten Vermittlungsversuches sind bestimmte Interessenvertretungen und die Anwältinnen der GAW berechtigt, Klage auf Feststellung bei Gericht einzubringen. Auch der Begriff „Rechtsschutz“ ist in Bezug auf die Antragsbefugnis vor der GBK dahingehend zu relativieren, dass keine verbindlichen Entscheidungen getroffen, sondern bloß unverbindliche Vermittlungsvorschläge oder Gutachten zu einer Rechtsfrage erstellt werden können. Rechtspolitischer Hintergrund der Etablierung solcher Klage- und Antragsrechte ist regelmäßig ein konstatiertes Rechtsschutzdefizit, das im privaten Recht typischerweise daher rührt, dass Betroffene den „klassischen“ Zwei-Parteien-Zivilprozess als Mittel der Abhilfe gegen Rechtsverletzungen aus verschiedenen Gründen nicht nützen. Die Verbandsklage dient dann dazu, der zunehmenden Gefahr einer „schleichenden Erosion“ des objektiven Rechts in diesen Bereichen entgegen zu wirken, in dem die Klagebefugnis von der Individualbetroffenheit abgelöst und auf bestimmte Institutionen ausgeweitet wird. Schoibl22 weist diesen Rechtsschutzeinrichtungen die Funktion der Wahrung öffentlicher Interessen oder wie etwa im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren spezifisch „kollektiver Gruppeninteressen“, jedenfalls aber überindividueller Interessen zu. Diese Aussage ist mE in zweifacher Hinsicht zu relativieren: Zum einen meine ich, dass die der Verbandsklage in den bekannten Bereichen des Wettbewerbs-, Konsumentenschutz- und Arbeits- und Sozialrechts zugeschriebene Funktion der Wahrung öffentlicher Interessen in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden sollte. Ein öffentliches Interesse ist nämlich ganz allgemein mit der Wahrung des Rechts „sehr rasch gefunden“. Jede Inanspruchnahme staatlicher Behörden zur Rechtsverfolgung trägt zur Effektuierung der Rechtsordnung und damit zur Wahrung eines öffentlichen Interesses bei. Auch einzelne ANinnen, die in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht gegenüber der AGin ihre rechtlichen Ansprüche durchsetzen, erfüllen damit auch ein öffentliches Interesse, jenes nämlich an der Durchsetzung der Rechtsordnung. Dieses sehr allgemeine öffentliche Interesse kann meist dann noch – je nach Sachgebiet – konkreter gefasst werden. So dient jeder Zwei-Par22 Verbandsklage 4 ff.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger teien-Wettbewerbsprozess dem öffentlichen Interesse des Schutzes eines funktionierenden und fairen Wettbewerbes; jedes Verfahren auf der Grundlage des KSchG dem (auch) öffentlichen Interesse des Schutzes der Konsumenten. Freilich bleibt dann noch das „Mengenargument“ übrig. Es ist gerade das in bestimmten Bereichen festzustellende Defizit in der Rechtsdurchsetzung, das die Wahrung des Rechts infolge seiner gehäuften und unbeanstandet bleibenden Verletzung zu einem öffentlichen Interesse macht. Wie „groß“ das Rechtsschutzdefizit allerdings sein muss, damit sein Ausgleich zu einem öffentlichen Interesse wird, muss unbeantwortet bleiben. 17 Die zweite, der Verbandsklage zugeschriebene Funktion, nämlich die Wahrung kollektiver Gruppeninteressen, oder sog „überindividueller“ Interessen mag für den Großteil der im privaten Recht verankerten Verbandsklagerechte zutreffen. Verbandsklageverfahren im Wettbewerbs- und Konsumentenschutzrecht werden gerade nicht in Bezug auf bestimmte Betroffene geführt und sind daher insofern überindividuell. Und Voraussetzung für die in § 54 ASGG vorgesehenen Feststellungsklagen im Arbeits- und Sozialgerichtsprozess ist, dass zumindest drei ANinnen betroffen sein müssen. Sie dienen daher dem Schutz kollektiver Gruppeninteressen. Mit Rücksicht auf den rechtspolitischen Hintergrund der Etablierung von Verbandsklagen ist die „Abstraktion“ von einer bestimmten Betroffenen geradezu ein „Wesensmerkmal“. Die Verbandsklage soll Rechtsschutzdefizite ausgleichen, die deshalb entstehen, weil unmittelbar Betroffene den klassischen Zwei-Parteien-Prozess nicht auf sich nehmen. Mit ihr soll Einzelnen die Last der Klagsführung und das Prozess(kosten)risiko abgenommen werden. Einzelne Betroffene sollen „nicht aus der Deckung“ gehen, sich nicht in einem „individuellen“ Rechtsstreit exponieren müssen.23 Das gilt in besonderem Maße für das Arbeitsverhältnis, weil die Bereitschaft zur Durchsetzung von ANinnenansprüchen in einem gerichtlichen Verfahren während des aufrechten Arbeitsverhältnisses bekanntermaßen und aus verständlichen Gründen kaum gegeben ist. Aus diesem Grund sollen Verbände die Auseinandersetzung mit den AGinnen zur Wahrung des Rechts übernehmen. Und der Umstand, dass Ver23 Auch die geforderten drei betroffenen ANinnen für eine Klage nach § 54 Abs 1 ASGG bleiben zunächst anonym. Vgl dazu Schoibl, ZfRV 1990, 3 (25); AB 527 BlgNR 16. GP 8: Nur wenn diese Voraussetzung bestritten wird, werden auch darüber gerichtliche Erhebungen zu pflegen und Feststellungen zu treffen sein.
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bandsklagen regelmäßig unabhängig vom Willen der betroffenen Personen eingebracht werden, erfüllt zweierlei Funktionen: Zum einen muss das öffentliche Interesse der Hintanhaltung gehäufter Rechtsverstöße vom Willen allenfalls Betroffener unabhängig verfolgbar sein. Zum anderen dient dieser Umstand „neuerlich“ dem Schutz Betroffener. Wäre auch bei Rechtsschutzanträgen der dazu ermächtigten Institutionen die Zustimmung der Betroffenen erforderlich, so müsste die Betroffene „aus der Deckung gehen“, das soziale Risiko eines Prozesses könnte dann eben nicht auf die Verbände überwälzt werden, die Bereitschaft, die Zustimmung zu erteilen könnte sinken und das Ziel, der Aushöhlung der Rechtsordnung entgegen zu wirken, würde dann erst recht nicht erreicht. Diese beiden Funktionen eines Verbandsrechtsschutzes – einerseits 18 die Wahrung eines öffentlichen Interesses, andererseits die Unterstützungsfunktion gegenüber Einzelnen – sind nun für das Verfahren nach § 12 zu untersuchen und in ihrer Bedeutung zu gewichten. Daraus sind dann mE Schlüsse für die Abgrenzungsfrage zu ziehen. Gewiss dient der im GBK/GAW-G vorgesehene Verbandsrechtsschutz auch einem öffentlichen Interesse. Auch und gerade im Bereich der Gleichbehandlung sind Rechtsschutzdefizite zu konstatieren und schon die Tatsache der Einrichtung der GBK und der GAW zielt darauf, die Durchsetzung des Rechts auf verschiedene Weise zu ermöglichen und zu erleichtern. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass das Einzelfallprüfungsverfahren im Unterschied zu den vergleichbaren Institutionen in den Bereichen Konsumentenschutz-, Wettbewerbs- und auch Arbeitsrecht „individuell“ zugeschnitten ist. Es ist notwendigerweise für oder gegen eine „Betroffene“ zu führen. Und es ist zum zweiten zu beachten, dass Diskriminierungsfragen und insb Fälle sexueller oder sonstiger verpönter Belästigung zu den sensibelsten und gleichsam „persönlichsten“ Angelegenheiten zählen. Diese Betroffenheit ist dann noch einmal eine intensivere, wenn es sich um eine Belästigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses handelt. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass man den persönlichen Interessen der Betroffenen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Rechtsdurchsetzung eine vergleichsweise hohe Bedeutung wird beimessen müssen. Und die Frage der Bewertung der Interessen wird insb auch von der Frage der Sensibilität der Diskriminierungsfrage abhängen. Je sensibler die Angelegenheit, desto gewichtiger müssten schon die öffentlichen Interessen sein, denen die Verfahrensführung dient. Bei all diesen Angelegenheiten 871
§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger ist dann noch zu beachten, dass für das öffentliche Interesse an der Rechtsdurchsetzung auch noch ein zweiter Weg zur Verfügung steht, nämlich das Gutachtensverfahren nach § 11.24 Und nicht zuletzt sei noch einmal daran erinnert, dass in den Materialien die Motivation für die Einführung des Einzelfallprüfungsverfahrens ganz klar „individuell“ festgelegt ist. Es soll zunächst vermittelt und im Fall des Scheiterns der Vermittlung Betroffenen eine Einschätzung ihrer Obsiegenschance gegeben werden. Mit Rücksicht auf diese Argumente wäre der Verfahrensgegenstand je nach antragstellender Person oder Institution wie folgt festzulegen: Einzelne Betroffene können die Einleitung eines Einzelfallprüfungsverfahrens in Bezug auf alle sie betreffenden Normen oder Maßnahmen beantragen, unabhängig davon, ob die geprüfte Norm oder Maßnahme eine individuelle oder eine der kollektiven Rechtsgestaltung ist. Das entspricht nicht nur den Materialien zum Einzelfallprüfungsverfahren, sondern auch der erkennbaren Zielsetzung des Gesetzes, eine breitestmögliche Befassung der Kommission zu ermöglichen. Die in den jeweiligen Senaten vertretenen Interessenvertretungen sowie die Anwältinnen können sowohl bei individuellen Normen und Maßnahmen als auch bei Normen der kollektiven Rechtsgestaltung zwischen den Verfahren nach § 11 und § 12 wählen. Sie sollen sich bei der Wahl des einen oder anderen Verfahrens von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen: Da das Einzelfallprüfungsverfahren ganz überwiegend dem individuellen Interesse Betroffener dient, kommt die Verfahrensführung nach § 12 insb dann in Betracht, wenn sie von der Betroffenen angeregt wird oder ihre Zustimmung vorliegt. Eine Verfahrensführung gegen den Willen einer Betroffenen würde das Ziel verfehlen. Zu beachten ist nämlich auch, dass § 12 immer nur einen „unvollkommenen Rechtsschutz“ bietet. Mit dem bloß zwischen den Parteien des Verfahrens wirkenden Feststellungsurteil ist ein rechtswidriger Zustand noch nicht beseitigt. Im Fall eines Beharrens der für die Diskriminierung verantwortlichen Person muss dann erst in einem individuellen Rechtsstreit zwischen der für die Diskriminierung verantwortlichen Person und der betroffenen Person Rechtsschutz gesucht werden. Ausgeschlossen ist mE die Überprüfung von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, wenn die Zustimmung oder Anregung der be24 Welches freilich gegenüber dem Verfahren nach § 12 insofern ein Minus darstellt, als eine Befassung des Gerichts und damit auch eine autoritative Feststellung desselben nicht vorgesehen ist.
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troffenen Person nicht vorliegt. Es kann nicht angehen, dass diesfalls irgendeine Betroffene zum Verfahrenssubjekt bestimmt wird. Davon abgesehen lässt sich ein Vorrang des Gutachtensverfahrens auch aus dem Text des § 11 heraus begründen, wenn es dort heißt, dass die GBK „insbesondere“ Gutachten zu erstellen hat. Es müssten schon besondere Gründe vorliegen, die die Einleitung eines Einzelfallprüfungsverfahrens durch diese Institutionen rechtfertigen können. Ein solcherart „besonderer Grund“ liegt mE nur dann vor, wenn die Zustimmung der Betroffenen vorliegt. Was das Antragsrecht des Betriebsrates und der Diskriminierungsverantwortlichen betrifft, so kann – selbstverständlich – jede individuelle Norm oder Maßnahme – Gegenstand der Überprüfung sein. Hinsichtlich der Überprüfung von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung sind auch hier die vorstehenden Erwägungen maßgebend. Ein solches kommt für den Betriebsrat dann in Betracht, wenn eine Betroffene dies anregt oder ihre Zustimmung dazu gibt. Die AGin hingegen wird Normen der kollektiven Rechtsgestaltung schwerlich überprüfen lassen können, weil nicht anzunehmen ist, dass ANinnen die AGin dazu anregen werden. Und die Bestimmung „irgendeiner“ oder „irgendeines“ Betroffenen zum Verfahrenssubjekt erscheint mir aus den schon erwähnten Gründen geradezu absurd. Es bleibt also für AGinnen nur ein sehr eingeschränktes Antragsrecht, das mE aber nicht weiter problematisch ist, weil nach meinem Dafürhalten das Einzelfallprüfungsverfahren der Interessenlage der AGinnen ohnedies nicht gerecht wird (siehe dazu Rz 11). Auch dieser Interpretationsvorschlag weist Schwächen auf. So führt nämlich die angenommene Identität der Verfahrensgegenstände dazu, dass Verfahren nach § 11 und § 12 nebeneinander geführt werden können. Und das ist – wie einleitend ausgeführt wurde (Rz 4 f) – nicht unproblematisch. In rechtspolitischer Hinsicht ist zunächst anzumerken, dass der Ge- 19 setzgeber die Bestimmung des Verfahrensgegenstandes durch eine klarere Sprache hätte erleichtern können. Sodann fragt sich, ob man diese Verfahrenstypen nicht hätte besser miteinander kombinieren können. So ist es mE nicht einzusehen, warum eine Verbandsklage25 nur im Anschluss an das individuell geführte Schlichtungsverfahren möglich sein soll. Wäre es nicht sinnvoll, dem „Modell“ des § 54 Abs 1 und 2 ASGG 25 Die Feststellungsklage vor Gericht.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger folgend, auch oder vielleicht sogar ausschließlich nach einem Gutachtensverfahren, in dem eine konkrete individuelle oder kollektive Norm geprüft wurde, eine Feststellungsklage zuzulassen? Dies würde mE dem „Konzept“ des Verbandsrechtsschutzes besser entsprechen, der ja gerade die Betroffene als Verfahrenssubjekt entlasten will. Und allgemein ist zu fragen, ob eine Entkoppelung des Schlichtungsverfahrens von der Verbandsklage die Bereitschaft zu seiner Inanspruchnahme nicht erhöhen kann. Jedenfalls meine ich, dass man für die Verbandsklage nach § 12 Abs 4 und 5 in ihrer derzeitigen Ausformung regelmäßig die Zustimmung der Betroffenen verlangen sollte. Unverständlich und unangemessen ist es mE auch, dass AGinnen nur das mit der Feststellungsklage kombinierte Einzelfallprüfungsverfahren führen können. Ihren Interessen würde mE eher das Verfahren nach § 11 entsprechen.
3. Verhältnis des Verfahrens nach § 13 zu jenen nach § 11 und § 12 20 Ungenügend ist nach meinem Dafürhalten auch die Abstimmung eines Verfahrens nach § 13 mit jenen nach § 11 und § 12. Nach Wortlaut und Systematik sind Verfahren nach § 13 eigenständige Verfahren, die ihren Abschluss in der Berichterstattung oder der Veröffentlichung des Umstandes finden, dass der Aufforderung zur Berichtslegung nicht oder nicht ausreichend nachgekommen wurde. § 13 Abs 3 bestimmt nämlich bloß, dass die Kommission auf Grund der Berichte Gutachten über die Erfüllung des Gleichbehandlungsgebotes im Betrieb erstatten „kann“, bei wörtlicher Auslegung demnach nicht muss. Eine weiter gehende Bezugnahme auf die Verfahren nach den § 11 und § 12 ist nicht vorgesehen. Dieses Regelungsgefüge wirft Fragen auf: Die Funktion eines Verfahrens nach § 13 kann mE nur darin bestehen, der Kommission „Zugriff“ auf die für ihre Arbeit notwendigen Informationen zu verschaffen. Das lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zu der in den relevanten Teilen einschlägigen Vorgängerbestimmung des § 1326 herauslesen,27 in denen die Schwierigkeit betont wurde, die Behauptung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ohne Bezugnahme auf bestimmte ANinnen aufzustellen, um damit eine Gefährdung dieser Arbeitsverhältnisse zu vermeiden. Und diese Schwierigkeit wür26 Das ist § 6a, eingefügt durch BGBl 1985/290. 27 RV 664 BlgNR 16. GP 7.
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de sich beim (damals eingefügten) Gleichbehandlungsgebot betreffend betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen noch verstärken. Die vorhin erwähnte „Arbeit“ der Kommission besteht aber nun insb darin, Gutachten zu erstellen und Einzelfallprüfungen durchzuführen, um die ihr zugedachte Funktion der Vermittlung und Bewusstseinsbildung zu erfüllen. Die Anforderung eines Berichts wird daher typischerweise im Vorfeld oder vielleicht auch noch während eines Gutachtens- oder Einzelfallprüfungsverfahrens sinnvoll sein. Nun ist es geradezu selbstverständlich, dass ein Bericht, der keine Verletzungen des Gleichbehandlungsgebotes erkennen lässt, auch ein weiteres Tätigwerden der Kommission nicht erfordert. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es aber auch möglich, dass auch ein Bericht, der eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vermuten lässt, den Schlusspunkt darstellt, zumal es in das nicht näher determinierte Ermessen der Kommission gestellt ist, auf Grund des Berichtes ein Gutachten zu erstatten. Sie kann, muss aber nicht ein Gutachten erstellen. Ein solcherart „isoliertes“ Berichtsverfahren macht Sinn, wenn es die für die Diskriminierung verantwortliche Person veranlasst, eine aufgezeigte Diskriminierung zu beenden. Zeitigt ein Bericht aber keine solche Wirkung, so ist es mE wertlos. Abgesehen davon müsste ein eine verpönte Diskriminierung offen legender Bericht doch der geradezu selbstverständliche Anlass sein, von Amts wegen ein Gutachten zu erstellen. Die „Kann“-Bestimmung des § 13 Abs 3 ist mE in der zuletzt beschriebenen Konstellation als „Muss“ zu deuten. Eine Ausnahme wäre nur dann anzunehmen, wenn die aufgeworfene Diskriminierungsfrage bereits gutachtlich abgehandelt worden ist. Zu beachten ist weiters, dass § 13 Abs 3 nur das Gutachten als „Folge“ 21 eines Berichtes benennt. Die ausdrückliche Bezugnahme auf ein Gutachten ist dann so zu verstehen, dass der Gesetzgeber ein Berichtsverfahren nur mit einem Gutachten kombiniert wissen wollte. Oder anders formuliert: Ein Einzelfallprüfungsverfahren kann aufgrund eines Berichtes nicht eingeleitet werden. Mit Rücksicht auf den rechtspolitischen Hintergrund der Einführung der Berichtspflicht, mag diese Verengung auf das Gutachtensverfahren durchaus sinnvoll sein. Der Bericht ist, um eine mögliche Belastung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses zu vermeiden, gerade nicht in Bezug auf eine bestimmte Person zu erstellen, sondern ist mit Bezug auf die vermutete Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes allgemein abzufassen. Durch die zahlenmäßige Aufgliederung soll ein Vergleich beispielsweise der Beschäf875
§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger tigungsbedingungen, der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, der Aufstiegsmöglichkeiten sowie der Beschäftigungsdauer und der Art der Beendigung der Arbeitsverhältnisse ermöglicht werden. Die Einschränkung auf ein Gutachten hin, mag aber auch fragwürdig erscheinen. Wird durch einen solchen Bericht ein Einzelfall sichtbar, dann müsste doch die amtswegige Einleitung eines Einzelfallprüfungsverfahrens nach § 12 unter den oben näher herausgearbeiteten Bedingungen die Konsequenz sein können.28 Mit Rücksicht auf die aufgezeigten Argumente meine ich, dass § 13 Abs 3 mehr Fragen auftut als er – dem Zweck des Berichtsverfahrens entsprechend – beantwortet. Zum einen wird durch § 13 Abs 3 eine bestimmte zeitliche Abfolge vorgegeben – zuerst der Bericht, dann das Gutachten –, die den Anwendungsbereich des Berichtsverfahrens mE in unnötiger Weise einengt. Zum anderen sieht er die schon erwähnte Koppelung von Bericht und Gutachten vor, die zu Umkehrschlüssen anhält. Ziel eines Berichts wird es aber immer sein, Verletzungen eines Gleichbehandlungsgebotes sichtbar zu machen. Und dieser Bericht kann genauso gut eine Grundlage für ein späteres Einzelfallprüfungsverfahren sein, von wem auch immer es eingeleitet wird. 22 Auffallend ist, dass die Initiierungsrechte zwischen § 11 und § 13 divergieren. Ein Gutachten kann nicht von einer (betroffenen) Einzelperson, von AGinnen oder vom Betriebsrat beantragt werden. Die Mitteilung, die eine Berichtspflicht auslösen kann, kann hingegen sehr wohl von diesen Personen oder Einrichtungen stammen. Und es wurde ja dargetan, dass ein solcher Bericht durchaus auch ein Gutachten „bewirken“ kann. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Unterscheidung ist mE nicht zu sehen. Bemerkenswert ist weiters, dass auch die für die Diskriminierung verantwortlichen Personen jene Mitteilung nach § 13 Abs 1 machen können, die dann eine Berichtspflicht, deren Verpflichtete sie sind, auslösen kann. Oder mit anderen Worten: AGinnen werden wohl kaum eine „Selbstanzeige“ erstatten, die für sie eine aufwändige Berichtspflicht nach sich ziehen kann. Insgesamt meine ich daher, dass man die Berichtspflicht besser in die Verfahren nach den §§ 11 und 12 hätte integrieren müssen. Und sie 28 In diesem Sinne wird auch in der Literatur die Auffassung vertreten, dass ein Bericht nach § 13 sowohl im Zusammenhang mit einem bereits gemäß § 11 [früher: § 5] oder § 12 [früher: § 6] eingeleiteten Verfahren erfolgen kann; vgl dazu Bei/Novak in Aichhorn, Frau & Recht 83 (152); Smutny/Mayr 448.
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wäre systematisch wohl besser bei der Auskunftspflicht gegenüber der Kommission platziert gewesen.
II. Z iel des Verfahrens nach § 11, Verfahrens gegenstand Mit dem Verfahren nach § 11 wird die generalklauselartig umschriebe- 23 ne weite Zuständigkeit der Kommission beispielhaft konkretisiert. Das Verfahren nach § 11 zielt zum einen auf eine Verhaltensänderung der für die Diskriminierung verantwortlichen Personen, darüber hinaus aber insb auch auf Bewusstseinsbildung ab. Die Senate der Kommission erstellen Gutachten, die zur Erzielung der erwünschten Breitenwirkung in anonymisierter Form zu veröffentlichen sind. Wenn es in Abs 1 des § 11 heißt, dass der befasste Senat „insbesondere“ Gutachten zu erstellen hat, so wird damit mE zum Ausdruck gebracht, dass eben die primäre Aufgabe der Kommission in dieser Bewusstseinsbildung besteht. Fragen, die an die Kommission herangetragen werden, sollen insb in Form eines Gutachtens abgehandelt werden, um durch deren Veröffentlichung Orientierung in Fragen der Gleichbehandlung zu geben. Ein Einzelfallprüfungsverfahren kommt demgegenüber nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen in Betracht (vgl dazu oben Rz 16 ff). Der Verfahrensgegenstand ist in § 11 nicht näher umschrieben. Aus 24 Abs 2 ergibt sich, dass er zum einen jedenfalls die Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung erfasst und zum anderen, dass er darüber hinaus geht. Für die Begutachtung der „Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung“ wird das Verfahren weiter detailliert. Im Sinne des ArbVG verstanden umfasst der Begriff der „Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung“ Kollektivverträge, Satzungen, Mindestlohntarife, die Festsetzung der Lehrlingsentschädigung und Betriebsvereinbarungen. Aber auch die individuelle Maßnahme oder Norm kann in Bezug auf die aufgeworfene Diskriminierungsfrage Gegenstand eines Gutachtens sein. Soweit sich der Verfahrensgegenstand mit jenem nach § 12 überschneidet, haben die initiierungsberechtigten Institutionen ihr Wahlrecht mit Rücksicht auf die dem Einzelfallprüfungsverfahren zugedachte Funktion auszuüben. Und nach meinem Verständnis haben die initiierungsberechtigten Institutionen primär ein Gutachten zu beantragen (arg „insbesondere“, dazu eingehend Rz 1 ff, insb Rz 16 ff). 877
§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger Fraglich könnte sein, ob die GBK auch gesetzliche Bestimmungen darauf hin begutachten darf, ob sie mit den Gleichbehandlungsgeboten des GlBG im Einklang stehen. Da der Verfahrensgegenstand nach § 11 nicht eingegrenzt ist, spricht zunächst nichts dagegen. Und auch die Praxis scheint davon auszugehen, dass Gegenstand eines Gutachtens auch gesetzliche Bestimmungen sein können. So hat die GBK in einem Gutachten Bestimmungen des Gehaltskassengesetzes der Apotheker und Apothekerinnen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gebot der Lohngleichheit geprüft.29 Dennoch halte ich dieses Verständnis für nicht unproblematisch, zumindest aber für bemerkenswert, wird doch dadurch ein Verwaltungsorgan mit der (wenn auch im Unverbindlichen bleibenden) Prüfung von Gesetzen beauftragt. Und zu beachten ist auch, dass der Maßstab der Prüfung ebenfalls ein einfaches Gesetz ist, nämlich die im GlBG 2004 verbürgten Gleichbehandlungsgebote. Hier wird also einfaches Gesetzesrecht am einfachen Gesetz gemessen.
III. Verfahrenseinleitung 25 Bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2013/107 wurde hinsichtlich der Verfahrenseinleitung differenziert. Die Pflicht zu Erstattung eines Gutachtens wurde von den im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen durch einen Antrag, von den AnwältInnen hingegen auf deren Verlangen ausgelöst. Diese Differenzierung wurde damit begründet, dass gemäß (damals) §§ 4, 5 und 6 jeweils Abs 4 die Verfahrens einleitung durch die AnwältInnen voraussetzte, dass die behauptete Nichteinhaltung des Gebotes der Gleichbehandlung dem Senat gegenüber glaubhaft zu machen ist (aktuell § 5 Abs 6).30 Seit Inkrafttreten der Novelle 2013/107 mit 1.8.2013 wird sprachlich nicht mehr differenziert. Auch die Anwältinnen leiten ein Verfahren nach § 11 „auf Antrag“ ein. Nach den Erläuterungen soll damit „Gleichklang der Terminologie“ hergestellt werden.31 Dieser Gleichklang verwischt nun aber den Umstand, dass die Anwältinnen weiterhin die Pflicht trifft, eine vermutete Verletzung des Gleichbehandlungsgebots dem Senat gegenüber glaubhaft zu machen. Eine Pflicht, die die ebenfalls antragsberechtigten Interessenvertretungen nicht trifft, wenngleich diese ihr Anlie29 Loseblattsammlung „Anträge an die Gleichbehandlungskommission“, Gutachten 4 [1995] 235. 30 Smutny/Mayr 401 und 419 f. 31 RV 2300 BlgNR 24. GP 6.
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gen schon auch zu substantiieren haben. Im Übrigen handelt es sich bei der Verfahrenseinleitung durch die Anwältinnen nicht um eine „auf Antrag“, vielmehr ist der Senat verpflichtet, das Verfahren von Amts wegen einzuleiten, wenn die behaupteten Umstände glaubhaft gemacht wurden.32 Dafür ist dem Senat auch noch eine Frist gesetzt. Mit einem solcherart vorgelegten Fall hat er sich in seiner nächsten Sitzung, spätestens aber innerhalb eines Monats zu befassen (§ 5 Abs 6 zweiter Satz). In der Sache lässt sich diese Differenzierung zwischen Interessenver- 26 tretungen und Anwältinnen durchaus rechtfertigen. Die GAW ist eine Einrichtung, die ausschließlich für die Wahrnehmung von Belangen der Diskriminierung eingerichtet wurde. Zu diesem Zweck wurden ihr auch bestimmte verfahrensrechtliche Befugnisse eingeräumt wie etwa die Möglichkeit der Einholung einer schriftlichen Stellungnahme und weiterer Auskünfte (§ 5 Abs 4) oder der Durchführung von Ermittlungstätigkeiten im Auftrag der Kommission (§ 5 Abs 7). Es ist daher sachlich, wenn man von den Anwältinnen der GAW eine intensivere Vorbereitung eines möglichen Verfahrens verlangt als von den anderen Institutionen. Und es ist in weiterer Folge auch sachlich, wenn man bei einem auf „Antrag“ der Anwältinnen eingeleiteten Verfahren die Kommission dazu verpflichtet, sich damit spätestens innerhalb eines Monates zu befassen (§ 5 Abs 6 zweiter Satz). Ein solches Verfahren ist durch die Vorarbeiten der Anwältinnen besser vorbereitet und kann daher auch rascher voranschreiten. Was die Verfahrensinitiierung durch die Anwältinnen der GAW anbe- 27 langt, so ist mE zu erwägen, ob das genannte Erfordernis des „Glaubhaft-Machens“ nach § 5 Abs 6 in Bezug auf den primären Verfahrensgegenstand des § 11 – nämlich den Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung – auch angemessen ist. Einem Beweis zugänglich sind grundsätzlich nur Tatsachen und Erfahrungssätze, Rechtsnormen aber grundsätzlich nicht.33 Ob nun diese Untauglichkeit der Rechtsnormen 32 In einer Entscheidung vom 2.6.1999, 9 Ob A 30/99y bezeichnete der OGH diese Konstruktion als eine „besonderen Form des amtswegigen Tätigwerdens der Kommission“ und er folgerte, dass die Vertreterinnen der GAW keinen Anspruch auf Verfahrenseinleitung hätten. Dieser Sicht widerstreitet mE der Wortlaut des § 5 Abs 6, wonach der Senat zur Verfahrenseinleitung verpflichtet ist. 33 Vgl dazu beispielsweise Rechberger/Klicka, ZPO Vor 266 Rz 14 ff.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger als Beweisthema auch vor den Senaten der GBK34 und auch für die Normen der kollektiven Rechtsgestaltung gilt, ist gewiss diskussionswürdig, soll aber in diesem Rahmen dahingestellt bleiben. Glaubhaft gemacht werden könnte allenfalls die Geltung dieser Normen der kollektiven Rechtsgestaltung und deren Inhalt. Die Umschreibung des Beweisthemas in § 5 Abs 6, nämlich die die vermutete Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes tragenden „behaupteten Umstände“, sprechen mE eher den Tatsachenbereich an und sind daher mehr auf den Einzelfall, denn auf Normen der kollektiven Rechtsgestaltung zugeschnitten. Was regelmäßig gefordert ist, ist die Begründung der vermuteten Gleichheitswidrigkeit; diese ist aber gewiss auch bei der Einleitung eines Verfahrens auf Antrag nach § 11 Abs 1 erforderlich. 28 Für die Verfahrensinitiierung durch die Interessenvertretungen genügt der Antrag. 29 Die Einleitung eines Verfahrens nach § 11 zur Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bewirkt die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung (§ 15 Abs 2, § 29 Abs 2 und § 38 Abs 4 GlBG).
IV. Gutachten, Veröffentlichung 30 Das Ergebnis eines Verfahrens nach § 11 ist ein Gutachten. Schon durch diesen Begriff wird angedeutet, dass dieser Form der Äußerung eines Senates keine verbindliche Wirkung zukommt. Aber auch die von einem solchen Gutachten ausgehenden Wirkungen geben keinen Anlass dazu, über eine Deutung als Hoheitsakt nachzudenken.35 Mit BGBl I 2008/98 wurde dem Senat – ganz im Sinne einer Beschleunigung des Verfahrens36 – für die Ausfertigung des Gutachtens eine Frist von drei Monaten ab der Beschlussfassung gesetzt. Gutachten sind (bloß) in an34 Für den Anwendungsbereich des ASGG ausdrücklich in § 43 Abs 3 ASGG. 35 Die Frage der Rechtsqualität eines Gutachtens war nach der Rechtslage vor dem 1.7.2004 eine offene und klärungsbedürftige Frage, zumal Gutachten davor nicht anonymisiert wurden und die namentliche Nennung zB von Mayer, ZAS 1992, 37 (39 f) wegen der Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufes als Eingriff in ein vermögenswertes Privatrecht und damit in ein Grundrecht gedeutet wurde. Verneinend auch VfGH 29.11.2010, B 1951/08; VfGH 8.12.2010, B 966/09; VfGH 28.2.2011, B 1689/10. 36 RV 415 BlgNR 23. GP 12.
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onymisierter Form und kostenlos auf der Homepage des BKA zu veröffentlichen. Die Bedeutung der Gutachten liegt damit ausschließlich in der „Orientierung“, die sie Betroffenen und Interessierten in den Angelegenheiten der Gleichbehandlung bieten. Seit Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2008/98 gilt die Veröffentlichungspflicht unter dem Vorbehalt, dass keine Rückschlüsse auf Einzelfälle gezogen werden können. Mit dieser Erweiterung wird der Schutz personenbezogener Informationen nach der Pflicht zur Anonymisierung ein zweites Mal abgesichert.
V. Arbeitsausschüsse Abs 2 räumt dem befassten Senat das Recht ein, Arbeitsausschüsse zu 31 bilden. Dieses Recht steht nur zu, wenn das zu erstellende Gutachten Diskriminierungen in „Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung“ betrifft und diese Arbeitsausschüsse können auch nur mit der Vorbereitung der Beschlussfassung betraut werden. Damit ergeben sich zu den in § 15 geregelten Ausschüssen zwei wesentliche Unterschiede: zum einen können die Ausschüsse nach § 15 mit der Entscheidung betraut werden. Ein weiterer Unterschied besteht im Prüfungsgegenstand. Arbeitsausschüsse können für Diskriminierungsfragen in Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung eingesetzt werden, die Ausschüsse nach § 15 nur im „Einzelfall“. Die zuletzt genannte Differenzierung relativiert sich, wenn man bedenkt, dass der Verfahrensgegenstand auch nach § 12 eine Norm der kollektiven Rechtsgestaltung sein kann.37 Die Zusammensetzung der Arbeitsausschüsse ist der Zahl nach gesetzlich fixiert. Arbeitsausschüsse bestehen aus der Vorsitzenden des Senates und je einem Mitglied der im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretung. Die von den verschiedenen Ministerien entsandten Mitglieder sind demnach nicht vertreten. Weiters ist angeordnet, dass „den Beratungen“ (...) „Vertreter/innen der jeweiligen Kollektivvertragsparteien“ beizuziehen sind. Die Reichweite dieser Bestimmung ist fraglich. Zum einen sind solche Arbeitsausschüsse für die Prüfung von Diskriminierungen in „Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung“ möglich – diese Regelungen erfassen aber nicht nur – wie bereits erwähnt – Kollektivverträge, sondern auch Satzungen, Mindestlohntarife, Lehrlingsentschädigungen und Betriebsvereinbarungen; Normen 37 Vgl zur Abgrenzung oben Rz 1 ff.
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§ 11 GBK/GAW-GesetzHattenberger eben auch, bei denen es die „jeweilige Kollektivvertragspartei“ (gerade) nicht gibt. Diese zwingend bestimmte Beiziehung von Vertreterinnen der Kollektivvertragsparteien kann daher sinnvoller Weise nur auf die Prüfung von Bestimmungen eines Kollektivvertrages und einer Satzung beschränkt verstanden werden. Nur in diesen Fällen können sie auch die ihnen zugedachte Funktion der Auskunftserteilung über die für die Regelung maßgebenden Erwägungen einerseits sowie die Besonderheiten ihrer Branche andererseits erfüllen.38 Zum anderen ist die Frage der Beiziehung dieser Vertreterinnen im Plenum zu klären. Eine systematische Interpretation bestärkt die Auffassung, dass eine Beiziehung von Vertreterinnen der Kollektivvertragsparteien nur in den Arbeitsausschüssen, nicht hingegen im Plenum geboten ist. Diese Verpflichtung zur Hinzuziehung der Vertreterinnen der Kollektivvertragsparteien ist nämlich zwischen zwei Sätzen positioniert, die sich nur auf den Arbeitsausschuss beziehen.39 Und es wäre auch systemkonform würde man den gesamten Abs 2 des § 11 als auf die Arbeitsausschüsse beschränkt anwendbar verstehen. Gegen ein solcherart eingeschränktes Vertretungsrecht der Kollektivvertragsparteien hat sich allerdings schon Mayer-Maly40 gewandt. Die Anordnung beziehe sich nicht nur auf Arbeitsausschüsse, sondern auch auf die Beratungen der Senate der Kommission. Die These Mayer-Malys, die in weiterer Folge auch von Smutny/Mayr41 übernommen wurde, hat einiges für sich. Zunächst ist festzuhalten, dass der Wortlaut der Bestimmung („[…] den Beratungen sind Vertreter/innen […] beizuziehen“) diese (auf das Plenum) erweiternde Auslegung zulässt. Die gewichtigen gesetzessystematischen Erwägungen können mE mit Rücksicht auf die genannte Zwecksetzung überwunden werden. Zwar überzeugt mich die Auffassung von Smutny/Mayr42, die da sinngemäß lautet, dass die Notwendigkeit einer Auskunft über die anlässlich der Schaffung einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung maßgebenden Erwägungen im Plenum nicht geringer sei als im Arbeitsausschuss, nicht bedingungslos, weil sie zu allgemein 38 Vgl Mayer-Maly 75; ihm folgend Smutny/Mayr 423. 39 So ordnet § 11 Abs 2 letzter Satz eine sinngemäße Geltung des § 14 Abs 2 bis 5 an. Der verwiesene § 14 regelt die Geschäftsführung im Plenum; dem Wort „sinngemäß“ kann nur dann Bedeutung zukommen, wenn die verweisende Norm „bloß“ den Arbeitsausschuss und nicht das Plenum regelt. 40 Mayer-Maly 77. 41 Smutny/Mayr 422 f. 42 Smutny/Mayr 423.
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gehalten ist. Man könnte nämlich mE durchaus vertreten, dass durch die Vorberatungen im Arbeitsausschuss eben diese Erwägungen ausreichend miteinfließen und im Plenum nicht noch einmal „wiederholt“ werden müssen. Es ist aber zu bedenken, dass die Einsetzung eines Arbeitsausschusses nicht zwingend, sondern in das Ermessen der Kommission gestellt ist. Wird daher kein Arbeitsausschuss eingesetzt, so wären die jeweiligen Kollektivvertragsparteien an diesem Verfahren überhaupt nicht beteiligt. Das mit der verpflichtend vorgesehenen Einbeziehung der Kollektivvertragsparteien gegebene „Signal an die Kollektivvertragsautonomie“ wäre solcherart disponibel, was mE der dieser Bestimmung zugedachten „Funktion“ nicht gerecht würde. Teleologische Aspekte sprechen daher mE dafür, dass die Verpflichtung zur Einbeziehung der Vertreterinnen der jeweiligen Kollektivvertragsparteien auch für das Plenum gilt. Sind Gegenstand eines Gutachtens nicht Regelungen eines Kollektiv- 32 vertrages, sondern andere Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung so können gemäß § 14 Abs 4a sonstige Fachleute mit beratender Stimme beigezogen werden. Diese Erweiterung der Kommission ist nicht schon auf Grund des Gesetzes geboten, sondern erfolgt auf Anordnung der Vorsitzenden oder auf Verlangen von einem Drittel der Mitglieder oder der Anwältinnen für Gleichbehandlung. Die Rechtsstellung der Vertreterinnen der Kollektivvertragsparteien 33 ist im Gesetz kaum geregelt. Nur § 10 Abs 3 bestimmt, dass sie zur Verschwiegenheit über alle ihnen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verpflichtet sind. Wenn es im Gesetz heißt, dass diese Vertreterinnen „den Beratungen“ beizuziehen sind, so bedeutet das die Beteiligung an allen Sitzungen. Eine Beschränkung ihrer Anwesenheit auf einzelne Punkte wäre nicht zulässig.43
VI. Verfahren Abgesehen von der Zusammensetzung der Arbeitsausschüsse nach 34 Abs 2 sind für das Verfahren nach § 11 keine speziellen Bestimmungen vorgegeben. Es sind aber (selbstverständlich) die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren der GBK zu berücksichtigen. Diese finden sich zunächst im GBK/GAW-G, vornehmlich in dessen § 14 sowie der 43 So schon Mayer-Maly 77.
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§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger zum GBK/GAW-G ergangenen GBK-GO (BGBl II 2004/396 idF BGBl II 2013/275). Kraft Verweise in § 16 sind auch bestimmte Vorschriften des AVG anzuwenden; konkret sind dies die Bestimmungen über die Zuständigkeit (§ 6 Abs 1 AVG), die Befangenheit (§ 7 AVG), über Anbringen (§ 13 AVG), die Niederschrift und Aktenvermerke (§ 14 bis 16 AVG), die Akteneinsicht, Erledigung, Ladung und die Zustellung (§§ 17 bis 22 AVG), die Fristen (§ 32 und 33 AVG) sowie die §§ 45 und 46 AVG, die allgemeine Grundsätze über den Beweis regeln (Beweisbedürftigkeit und Unbeschränktheit der Beweismittel).44 Bedauerlicherweise sind die Bestimmungen der GBK-GO nicht auf jene des AVG abgestimmt worden, mit der Konsequenz, dass es zu einander widersprechenden Doppelregelungen kommt, die zum einen nach meinem Dafürhalten gesetzwidrig sind oder interpretativ aufgelöst werden müssen (dazu näher unter § 16 Rz 2). 35 Der Senat ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend sind. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst, wobei im Falle der Stimmengleichheit die Stimme der Vorsitzenden den Ausschlag gibt.45 Zu beachten ist des Weiteren, dass die Anwältinnen in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich das Recht auf Teilnahme an den Sitzungen sowohl der Senate der GBK als auch der „Arbeitsausschüsse“ haben (§ 5 Abs 3). Auf Verlangen ist ihnen auch das Wort zu erteilen.
Einzelfallprüfung § 12. (1) Auf Antrag eines/einer Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin, eines/einer Arbeitgebers/Arbeitgeberin, eines Betriebsrates, einer der im jeweiligen Senat der Kommission vertretenen Interessenvertretungen, einer/eines von Diskriminierung im Sinne des III. Teiles, 1. Abschnitt GlBG Betroffenen, auf Antrag des/der Anwalts/Anwältin (§ 3 Abs. 2) oder von Amts wegen hat der damit befasste Senat im Einzelfall zu prüfen, ob eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt. (2) Der/die Arbeitnehmer/in oder die von Diskriminierung im Sinne des III. Teiles, 1. Abschnitt GlBG betroffene Person hat das 44 Zur Interpretation des Verweises sowie eingehender zu den verwiesenen Bestimmungen des AVG unter § 16 Rz 1 ff. 45 § 14 Abs 3 und § 7 GBK-GO; zur Problematik der Auslegung dieser Bestimmung s § 14 Rz 4.
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Recht, sich durch eine Person ihres Vertrauens, insbesondere eine/n Vertreter/in einer Interessenvertretung oder einer Nichtregierungsorganisation, im Verfahren vor der Kommission vertreten zu lassen. Der Senat hat auf Antrag des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin oder der von Diskriminierung im Sinne des III. Teiles, 1. Abschnitt GlBG betroffenen Person eine/n Vertreter/in einer von dieser Person namhaft gemachten Nichtregierungsorganisation gemäß § 14 Abs. 4a beizuziehen. Der Senat hat den/die Arbeitnehmer/in oder die betroffene Person zugleich mit der Einleitung der jeweiligen Einzelfallprüfung über dieses Antragsrecht ausdrücklich zu belehren. (3) Ist der Senat der Auffassung, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, so hat er dem/der Arbeitgeber/in oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen oder dem/der für eine Diskriminierung im Sinne des III. Teiles, 1. Abschnitt des GlBG Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung zu übermitteln und ihn/ sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. (4) Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, so kann jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen. Der Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist sowie kollektivvertraglicher Verfallfristen wird bis zum Ende des Monats nach Eintritt der Rechtskraft solcher Urteile gehemmt. (5) In einem auf Antrag des/der Anwalts/Anwältin eingeleiteten Verfahren steht das Klagerecht gemäß Abs. 4 auch diesem Anwalt/ dieser Anwältin zu, wobei die Klage nur mit Zustimmung des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin oder der betroffenen Person eingebracht werden darf. (6) Der Senat hat rechtskräftige Gerichtsurteile im Sinne des Abs. 4 und 5, die Verletzungen des Gleichbehandlungsgebotes feststellen, im vollen Wortlaut, jedoch in anonymisierter Form auf der Website des Bundeskanzleramtes kostenlos zu veröffentlichen. (7) Einzelfallprüfungsergebnisse des Senates sind binnen drei Monaten nach der Beschlussfassung auszufertigen und zuzustellen. Eine der Ausfertigung vorangehende Information durch die Geschäftsführung (§ 14 Abs. 5) über den Verfahrensausgang beendet 885
§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung (§§ 15 Abs. 3, 29 Abs. 3 und 38 Abs. 5 GlBG) nicht. Die Einzelfallprüfungsergebnisse sind in anonymisierter Form in vollem Wortlaut auf der Website des Bundeskanzleramtes kostenlos zu veröffentlichen, sofern keine Rückschlüsse auf Einzelfälle gezogen werden können. Abs 1, 2, 3 und 6 wurden durch BGBl I 2008/98 geändert. Abs 7 wurde durch BGBl I 2008/98 angefügt. Abs 1, 2 und 3 wurden durch BGBl I 2011/7 geändert. Abs 1 und 2 wurden durch BGBl I 2013/107 geändert. Abs 5 und 7 wurden durch BGBl I 2013/107 neu gefasst. Literatur: Siehe Literaturangabe zu § 11. Zum Verfahrensgegenstand des § 12 und zur Abgrenzung des Verfahrens von jenem nach § 11 siehe insb § 11 Rz 1 ff.
Inhaltsübersicht I. Zielsetzung................................................................................................. 1 II. Unionsrechtliche Bezüge......................................................................... 6 III. Verfahrenseinleitung................................................................................ 7 IV. Verfahrensgegenstand.............................................................................. 9 V. Verfahren, Schlichtung............................................................................ 10 VI. Vorschlag, Aufforderung......................................................................... 12 VII. Feststellungsklage...................................................................................... 14 VIII. Ausfertigung und Veröffentlichung der Einzelfallprüfungsergebnisse.................................................................................................... 21
I. Zielsetzung 1 Nach den Materialien zur Erstfassung des Einzelfallprüfungsverfahrens soll dieser Verfahrenstyp im Wesentlichen zwei Funktionen erfüllen: Zum ersten soll die Einzelfallprüfung den von einer Diskriminierung Betroffenen eine Einschätzung für einen allenfalls folgenden Leistungsstreit vor Gericht geben und somit ihr Prozessrisiko vermindern. Zum zweiten soll durch die Veröffentlichung eines die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes feststellenden, rechtskräftigen Urteils die interessierte Öffentlichkeit über Fragen der Gleichbehandlung informiert werden.1 Nicht genannt ist dabei aber die „allererste“ Funktion eines Einzelfallprüfungsverfahrens, nämlich die Schlichtung. Die Aufgabe der Schlichtung wurde durch die Novelle BGBl I 2013/107 1 IA 138/A vom 24.1.1979, II-4651 BlgNR 14. GP, abgedruckt in Smutny/ Mayr 1310.
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auch explizit gemacht. Gemäß § 14 Abs 3a hat der Vorsitzende vor der Befragung zu fragen, ob Bereitschaft zur einvernehmlichen Lösung des Konflikts besteht, und gegebenenfalls auf diese hinzuwirken. Sofern ein Senat zur Auffassung kommt, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, erstellt er einen Vorschlag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung. Dieser Vorschlag ist mit der Aufforderung, die Diskriminierung zu beenden an den AG bzw bei Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen an die dafür verantwortliche Person zu übermitteln. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen.2 Schon diese Mitteilung ist geeignet, den von der Diskriminierung Betroffenen eine Einschätzung in der Diskriminierungsfrage für einen möglichen Gerichtsprozess zu geben. Das allenfalls folgende Verfahren dient eben dieser Funktion und leistet überdies einen Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Für den Fall nämlich, dass die für die Diskriminierung verantwortliche Person dem Vorschlag nicht nachkommt, können bestimmte Institutionen beim zuständigen Arbeits- bzw Zivilgericht Klage auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes erheben. Ein die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes feststellendes, rechtskräftiges Urteil ist in anonymisierter Form zu veröffentlichen. Ebenso zu veröffentlichen sind die Einzelfallprüfungsergebnisse, sofern keine Rückschlüsse auf Einzelfälle gezogen werden können. Eine im Vergleich zur Vorgängerbestimmung nicht zu unterschätzende Wirkung hat das Verfahren nach § 12 eingebüßt. Nach der früheren Rechtslage waren gerichtliche Feststellungsurteile unter namentlicher Nennung der für die Diskriminierung verantwortlichen Person zu veröffentlichen.3 Diese, wenn auch nicht primär verfolgte4 „Prangerwirkung“, mochte doch geeignet sein, die Befolgungsbereitschaft gegenüber Aufträgen der Kommission zu erhöhen. 2 Die Einführung einer Frist für die Umsetzung des Vorschlags erfolgte durch BGBl I 2008/98. Das Fehlen der Frist bis dahin stellte insofern ein Problem dar, als der Zeitpunkt des Nicht-Nachgekommen-Seins nicht klar war. Das war wiederum für die Bestimmung des frühestmöglichen Zeitpunkts für die Einbringung der Feststellungsklage problematisch. RV 415 BlgNR 23. GP 12. 3 Kritisch dazu Mayer-Maly 87 f. 4 Nach dem IA 138/A vom 24.1.1979, II-4651 BlgNR 14. GP, abgedruckt in Smutny/Mayr 1310, soll durch die Veröffentlichung eine Einschätzung über Fragen der Diskriminierung gegeben werden und so a priori die Verwirklichung der Gleichbehandlung der AN durch den AG erleichtert werden.
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§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger 2 Bemerkenswert ist das dem Verfahren eigene Zusammenwirken oder besser: „Nacheinander-Wirken“ von GBK und Gericht. Zunächst wird eine Verletzung eines Gleichbehandlungsgebotes vom jeweiligen Senat der Kommission festgestellt und eine Vermittlung versucht. Scheitert diese, so kann dieselbe Frage der Gleichbehandlung von bestimmten Institutionen noch vor Gericht gebracht werden, um von diesem im Rahmen eines Feststellungsverfahrens geprüft zu werden. Diese Aufeinanderfolge von Verwaltungs-„entscheidung“ und „gerichtlicher (,Nach‘-)Prüfung“ ist mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung (Art 94 B-VG) hervorhebenswert. Dies insb deshalb, weil das Gericht gemäß § 61 GlBG – und diese Bestimmung ist eine Neuerung gegenüber dem GlBG 1979 – die Pflicht trifft, sich mit einem Gutachten oder einem Prüfungsergebnis der GBK im Einzelfall zu befassen und ein davon abweichendes Urteil zu begründen. Der Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung schließt wechselseitige In stanzenzüge aus. Eine Entscheidung einer Verwaltungsbehörde darf nicht von einem Gericht, und umgekehrt auch nicht eine Entscheidung eines Gerichtes von einer Verwaltungsbehörde überprüft werden. Ausnahmen bedürfen einer verfassungsgesetzlichen Grundlage. Die im § 12 vorgesehene Kombination der Tätigkeit eines Verwaltungsorgans und der nachfolgenden Entscheidung des Gerichtes „erinnert“ auf den ersten Blick an die Fälle der sukzessiven Zuständigkeit, die als mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung vereinbar angesehen wird. Freilich bestehen deutliche Unterschiede, die zu berücksichtigen sind. Den Aufträgen der GBK kommt – abgesehen von der erwähnten Begründungspflicht – keinerlei verbindliche Wirkung zu, und so gesehen handelt es sich nicht um eine „Entscheidung“ eines Verwaltungsorgans, die überprüft wird. Von einem Instanzenzug kann man aber nur dann sprechen, wenn normative Akte nachgeprüft werden. Wie schon unter § 1 Rz 6 ausgeführt, ist die Tätigkeit der GBK eine nicht-hoheitliche. Schon aus diesem Grund trifft Art 94 Abs 1 B-VG auf diese Konstellation nicht zu.5 Abgesehen davon kann man schon deshalb nicht von einer „Nachprüfung“ der Äußerung einer Verwaltungseinrichtung sprechen, weil es sich um eine von den Gerichten vorzunehmende unabhängige und von Grund auf neue Prüfung derselben Fra-
5 Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, B-VG Art 94 Rz 21.
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ge handelt.6 Die „Entscheidungen“ der GBK werden weder aufgehoben, noch abgeändert noch bestätigt. Das Gericht hat sich aber mit den „Äußerungen“ der GBK im vorgelagerten Verfahren zu befassen und im Fall eines abweichenden Urteils die Abweichung zu begründen. Insofern ist die Wirkung des Handelns der GBK auf jene des Gerichtes eine im Vergleich zu den Fällen der sukzessiven Zuständigkeit intensivere. Und materiell betrachtet kommt die Pflicht zur Befassung und zur Begründung einer abweichenden Entscheidung der Nachprüfung im Instanzenzug schon nahe. Sie ist es formell betrachtet nicht, weil – wie schon erwähnt – zum einen keine Entscheidung eines Verwaltungsorgans vorliegt und zum anderen die Prüfung unabhängig von den Aussagen, Feststellungen und Vorschlägen der GBK erfolgt. Und mit Rücksicht auf die Judikatur des VfGH zur Trennung der Justiz von der Verwaltung genügt eine solch formal-organisatorische Betrachtung wohl, um dem Trennungsgrundsatz zu entsprechen.7 Eine Verbindung der Verfahren vor der GBK und dem Gericht besteht 3 nicht nur in dieser schon erwähnten Befassungs- und Begründungspflicht, sondern auch darin, dass die Feststellungsklage vor Gericht von den näher bestimmten Einrichtungen erst nach dem erfolglosen Vermittlungsversuch der GBK eingebracht werden darf. Insofern vermag es zu verwundern, dass § 61 GlBG die Befassungs- und Begründungspflicht auch für Gutachten vorsieht. Dies deshalb, weil die Abfassung eines Gutachtens in § 12 nicht vorgesehen ist und § 12 Abs 4 die Einbringung einer Feststellungsklage ausdrücklich von der „Nichtbefolgung“ der Aufträge der GBK abhängig macht. Diese Aufträge sind die in § 12 Abs 3 erwähnten Vorschläge zur Verwirklichung der Gleichbehandlung und die Aufforderung, die Diskriminierung zu beenden. Das in § 12 vorgesehene Aneinanderreihen von Entscheidungen der 4 GBK und des Gerichtes macht die Rollenverteilung zwischen den beiden Rechtsschutzeinrichtungen klar. Die GBK soll vermitteln und schlichten, Aufgabe des Gerichtes ist es, gewissermaßen in einem Testverfahren8 die Erfolgschancen für einen Folgeprozess kalkulierbar zu machen. Davon abgesehen soll das gerichtliche Urteil durch die anonymisierte Veröffentlichung zur Bewusstseinsbildung beitragen. Freilich 6 Insofern besteht Übereinstimmung mit den Fällen der sukzessiven Zuständigkeit. 7 Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, B-VG Art 94 Rz 35 ff. 8 Vgl auch § 54 Abs 1 ASGG; dazu AB 527 BlgNR 16. GP 8.
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§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger ist zu betonen, dass ein Feststellungsurteil nach § 12 Abs 4 und 5 Bindungswirkung nur zwischen den Verfahrensparteien erzeugt. Ein Feststellungsurteil hat keine präjudizielle Wirkung9, es wird ihm aber im Folgeprozess besonderes Gewicht zukommen und aus diesem Grund wohl wieder streitvermindernd wirken. Freilich zeigt die Verfahrensabfolge auch deutlich eine (verständliche) Abstufung zwischen GBK und Gericht, die die Gefahr einer Schwächung der Autorität der GBK bewirken kann; insb dann, wenn Feststellungen der Kommission und gerichtliches Feststellungsurteil voneinander abweichen. 5 Die dem Einzelfallprüfungsverfahren zugedachte Funktion, eine Orientierungshilfe im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens zu bieten, ist im Gesetz unvollkommen ausgebildet.10 Eine zeitliche Abfolge ist nicht vorgesehen, ein Kommissionsverfahren kann vor, während und theoretisch auch nach einem Gerichtsprozess eingeleitet werden. Das Kommissionsverfahren zählt nicht zu den präjudiziellen Verwaltungsverfahren, die nach § 190 ZPO eine Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen. Und auch die Einleitung eines Gerichtsverfahrens hemmt oder unterbricht nicht ein Kommissionsverfahren. Eine Bindung an die Entscheidung der jeweils anderen Institution besteht (aus guten Gründen) schon gar nicht. Dies kann nicht nur zu vermeidbaren Parallelverfahren, sondern auch zu divergierenden Entscheidungen in ein und derselben Sache führen. Eine Verbindung besteht nur insoweit, als die Einleitung eines Kommissionsverfahrens die Fristen für die gerichtliche Geltendmachung gemäß § 15 und § 29 jeweils Abs 2 und § 38 Abs 4 GlBG hemmt. Diese Wirkung tritt unabhängig von der Art der Einleitung des Verfahrens11 ein.12 Und wird in einem Einzelfallprüfungsverfahren auf Feststellung geklagt, so hemmt dies den Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist sowie kollektivvertraglicher Verfallsfristen bis zum Ende des Monats nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils (§ 12 Abs 4 zweiter Satz). Auch diese Ablaufshemmung tritt mE unabhängig davon ein, ob eine Feststellungsklage auf Antrag einer Interessenvertretung (§ 12 Abs 4) oder auf Verlangen eines Anwalts der GAW eingeleitet wurde. Zwar ist die angeordnete Ablaufshemmung in jenem Absatz positioniert, die die Einbringung einer Feststellungsklage 9 Mayer-Maly 86. 10 Smutny/Mayr 431 f mwN. 11 Auf Antrag oder von Amts wegen. 12 Demgegenüber sah § 10b GlBG 1979 vor, dass nur ein auf Antrag eingeleitetes Verfahren Fristenhemmung bewirkt; OGH 2.6.1999, 9 ObA 30/99y.
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durch die Interessenvertretungen normiert, der das Klagerecht der Anwälte der GAW regelnde Abs 5 des § 12 verweist aber auf das „Klagerecht gemäß Abs 4“. Und es ist mE kein Grund ersichtlich, warum dieser Verweis nicht auch die dort vorgesehene Ablaufshemmung mit umfassen soll. Des Weiteren ist mE auch kein Grund erkennbar, der eine Differenzierung in den Wirkungen einer Feststellungsklage danach rechtfertigen könnte, ob die Feststellungsklage von Interessenvertretungen oder den Anwälten der GAW eingebracht wurde. Oder anders formuliert: Hätte der Gesetzgeber hier einen Unterschied festlegen wollen, so hätte er dies klarer zum Ausdruck bringen müssen. Und für dieses Ergebnis spricht auch, dass der Gesetzgeber in den §§ 15 und 29 jeweils Abs 2 und § 38 Abs 4 GlBG von der früher vorgesehenen Differenzierung zwischen Antrag der Interessenvertretungen und Verlangen der VertreterInnen der GAW abgegangen ist. Warum hätte er sie dann im Fall einer Verbandsklage aufrechterhalten sollen?
II. Unionsrechtliche Bezüge Das Einzelfallprüfungsverfahren ist wohl als jene Form eines Schlich- 6 tungsverfahrens zu verstehen, deren Einrichtung gemäß Art 7 Abs 1 AntirassismusRL, Art 9 Abs 1 RahmenRL, Art 8 Abs 1 Erweiterte GelichbehandlungsRL, Art 17 Abs 1 ChancengleichheitsRL und Art 9 Abs 1 SelbständigenRL der Entscheidung der Mitgliedstaaten überlassen ist. Die den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung, die Geltendmachung der Ansprüche aus den Richtlinien auf dem Gerichts- und/ oder Verwaltungsweg sicher zu stellen, wird durch den Gerichtsweg garantiert. Die Mitgliedstaaten sind zudem verpflichtet, bestimmten Verbänden, Organisationen oder anderen juristischen Personen die Beteiligung an den zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren zu ermöglichen, sei es im Namen der beschwerten Person oder sei es zu deren Unterstützung.13 Dazu ist festzuhalten, dass das GBK/GAW-G von vorneherein nicht „der richtige Ort“ ist, um diese unionsrechtliche Verpflichtung umzusetzen. Im Verfahren vor den Senaten der GBK werden keine „Ansprüche“ in einem „Verwaltungsverfahren“ durchgesetzt. Die Verfahren der GBK münden lediglich in rechtlich unverbindliche Äußerungen. Zwar 13 Art 7 Abs 2 AntirassismusRL, Art 9 Abs 2 RahmenRL, Art 8 Abs 3 Erweiterte GleichbehandlungsRL, Art 17 Abs 2 ChancengleichheitsRL, Art 9 Abs 2 SelbständigenRL.
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§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger ist in § 12 Abs 2 die Möglichkeit der Beiziehung von Vertretern bestimmter Institutionen vorgesehen, der Verpflichtung aus dem Unionsrecht wurde damit allerdings nicht nachgekommen. Diese Beteiligung ist im gerichtlichen Verfahren vorzusehen, eine Verpflichtung, die man durch das Institut der Nebenintervention in § 62 GlBG umgesetzt hat. Dabei wird einem Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern das Recht eingeräumt, einem Rechtsstreit zur Durchsetzung von Ansprüchen als Nebenintervenient beizutreten. Voraussetzung ist, dass der Betroffene dies verlangt. Rechtsnatur und Zusammensetzung dieses Klagsverbandes sind unklar. Dieser ist weder im Gesetz näher geregelt noch finden sich dazu in den Materialien weiter gehende Anhaltspunkte. Aus den Stenographischen Protokollen erhellt sich bloß, dass diesem Klagsverband im Zeitpunkt der Diskussion über das GlBG und GBK/GAW-G drei Vereine angehörten.14 Nach Sturm15 handelt es sich beim Klagsverband um einen „Zusammenschluss von spezialisierten Institutionen, die sich mit mannigfaltigen Formen der Diskriminierung befassen. Ziel des Klagsverbandes ist ua die Erwirkung eines RLen-konform gesetzlich verankerten Vertretungsrechts für NGO’s und einer Verbandsklagemöglichkeit.“
III. Verfahrenseinleitung 7 Ein Verfahren nach § 12 kann von Amts wegen, oder auf Antrag einer Reihe von Institutionen und von Betroffenen eingeleitet werden. Der Kreis der Initiierungsberechtigten umfasst zunächst alle zur Einleitung eines Verfahrens nach § 11 Berechtigten – das sind die in den jeweiligen Senaten der Kommission vertretenen Interessenvertretungen und die Anwälte gemäß § 3 Abs 2. Eine Zustimmung des Betroffenen ist nicht erforderlich. Wird ein Verfahren auf Antrag eines Anwalts eingeleitet, so gilt wiederum, dass die behaupteten Umstände, die eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vermuten lassen, glaubhaft zu machen sind (§ 5 Abs 6).16 Wird ein Verfahren auf diese Weise ausgelöst, so muss sich der Senat damit in der nächsten Sitzung, spätestens jedoch innerhalb eines Monats befassen. Zwischen der Verfahrenseinleitung auf Antrag der Anwälte einerseits und allen anderen in § 12 Abs 1 gelis14 Nähere Informationen zu den Mitgliedern des Klagsverbandes unter https:// www.klagsverband.at/, 7.12.2021. 15 Sturm, DRdA 2004, 583. 16 Siehe oben § 1 Rz 25 ff.
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teten Initiierungsberechtigten andererseits ist demnach folgender Unterschied auszumachen. Wird ein Antrag von letzteren gestellt, so hat die Kommission das Verfahren einzuleiten. Haben hingegen die Anwälte den Antrag inklusive Glaubhaftmachung der behaupteten Umstände gestellt, so ist demgegenüber von Amts wegen einzuleiten. Fraglich ist, ob diese Differenzierung auch Sinn ergibt. Das Verfahren vor der GBK ist kein behördliches Verfahren, demnach ist auch ein Anspruch auf ein Tätigwerden der Kommission nicht durchsetzbar.17 Ein Verfahren nach § 12 Abs 1 kann darüber hinaus auch von AN, von 8 AG, einem Betriebsrat und „einer/eines von Diskriminierung im Sinne des III. Teiles, 1. Abschnitt, GlBG Betroffenen“ eingeleitet werden. Wenn auch nicht immer ausdrücklich angeordnet, so verlangt die Verfahrensauslösung dieser Personen und Einrichtungen immer die „Betroffenheit“. Ein AN kann daher nicht den Einzelfall eines anderen AN vor die Kommission bringen. Ebenso können AG und Betriebsrat (geradezu selbstverständlich) nur Einzelfälle „ihres Betriebes“ von den Senaten der GBK überprüfen lassen. Der Begriff AN ist hier offenkundig in einem weiten, auch die Diskriminierungsfälle der sonstigen Arbeitswelt umfassenden Sinn zu verstehen, auch wenn er nicht in jeder dieser „potentiellen Diskriminierungssituationen“18 wirklich passt.
IV. Verfahrensgegenstand Das Verfahren nach § 12 findet im „Einzelfall“ statt. Wie schon zu 9 § 11 Rz 1 ff ausgeführt, ist eine Abgrenzung des Verfahrensgegenstandes – eben: „Einzelfall“ von jenem nach § 11 nicht möglich. Dies ist zum einen darauf zurück zu führen, dass der Verfahrensgegenstand nach § 11 überhaupt nicht eingegrenzt ist und zum anderen, dass der Einzelfall iSd § 12 schon nach der Intention des Gesetzgebers weit zu verstehen ist und auch die „auf einen bestimmten Betroffenen“19 bezogene Überprüfung von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung umfasst. Wird der Begriff „Einzelfall“ aber nun derart weit verstanden, so wird auch bewusst, dass er als Abgrenzungskriterium nicht taugt. Es ist nämlich durch das Gesetz schon klar gestellt, dass Verfahrensgegenstand nach § 11 jedenfalls die „Normen der kollektiven 17 Dazu bereits § 11 Rz 25 ff. 18 ZB Zugang zur selbständigen Tätigkeit oder Berufsberatung. 19 Smutny/Mayr 418.
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§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger Rechtsgestaltung“ sein können (§ 11 Abs 2), jene Normen, die, wenn sie in Bezug auf einen bestimmten Betroffenen überprüft werden, auch Gegenstand eines Einzelfallprüfungsverfahrens sein können. Insofern ist einmal festzuhalten, dass der Verfahrensgegenstand nach § 11 sich mit jenem nach § 12 überschneidet. Beide Male können Normen der kollektiven Rechtsgestaltung geprüft werden. Und – wie ich meine – kann auch die Einzelmaßnahme oder Einzelnorm sowohl in einem Verfahren nach § 12 überprüft werden als auch im Hinblick auf die darin aufgeworfene Diskriminierungsfrage Gegenstand eines Gutachtens sein. Ein Verfahren nach § 12 unterscheidet sich von jenem nach § 11 dadurch, dass es in Bezug auf bestimmte Betroffene geführt wird. Wie schon nachgewiesen wurde (§ 11 Rz 8 f), ist das Einzelfallprüfungsverfahren als kontradiktorisches Verfahren ausgestaltet, der Betroffene als Verfahrenssubjekt daher unverzichtbar. Dieser bestimmte Betroffene „steht nun fest“, wenn das Verfahren von ihm selbst initiiert wird. Er steht auch fest, wenn es um die Prüfung einer Einzelmaßnahme geht oder um die Bestimmung eines Einzelarbeitsvertrages. Handelt es sich bei der geprüften Norm um eine Norm der kollektiven Rechtsgestaltung und wird das Verfahren von den Institutionen initiiert, so gibt es einen Betroffenen dann noch, wenn dieser das Verfahren angeregt oder diesem zugestimmt hat. Ein Einzelfallprüfungsverfahren ist aber hinsichtlich der Regelungen der kollektiven Rechtsgestaltung dann nicht mehr möglich, wenn es nicht von einem Betroffenen ausgelöst wird. Es kann nicht ernsthaft angenommen werden, dass es diesfalls den initiierungsberechtigten Institutionen gestattet sein soll, einen vom Anwendungsbereich der Norm Erfassten zu bestimmen, und ihn damit zum Subjekt eines Einzelfallprüfungsverfahrens, ihn eben zum bestimmten Betroffenen zu machen. Abgesehen davon haben die gerade genannten Institutionen auch das Recht, ein Gutachtensverfahren zu beantragen. Um nun diesem geradezu abwegigen Ergebnis auszuweichen meine ich, dass die Abgrenzung des Verfahrensgegenstandes mit Rücksicht auf den Zweck des Verfahrens je nach Antragsteller „interessengerecht“, dh nach Antragsteller differenzierend, vorzunehmen ist. Zweck des Verfahrens nach § 12 ist es zunächst zu vermitteln,20 und für den Fall der Erfolglosigkeit dem Betroffenen eine Aussage über die Erfolgschance in einem allenfalls folgenden gerichtlichen Leistungsstreit zu geben. Dieses klar auf die „individuellen“ Interessen des Betroffenen zugeschnittene Verfah20 Seit BGBl I 2013/107 auch ausdrücklich in § 14 Abs 3a.
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Einzelfallprüfung
§ 12 GBK/GAW-Gesetz
rensziel legt es nahe, auf die persönlichen Interessen des Betroffenen verstärkt Rücksicht zu nehmen. Insofern handelt es sich auch um eine „atypische“ Form eines Verbandsrechtsschutzes. Das Ungewöhnliche liegt darin, dass § 12 eine Verfahrensführung in Bezug auf bestimmte Betroffene verlangt – eine Bedingung, die bei anderen Formen des Verbandsrechtsschutzes gerade nicht vorgesehen ist.21 Das bedeutet nun Folgendes: Einzelne Betroffene können ein Verfahren nach § 12 in Bezug auf alle sie betreffenden Maßnahmen und Normen beantragen, unabhängig davon ob diese in einem Einzelvertrag oder in einer Norm der kollektiven Rechtsgestaltung enthalten sind. Die in den jeweiligen Senaten vertretenen Interessenvertretungen und die Anwälte gemäß § 3 Abs 2 können das Verfahren nach § 12 gegenüber dem Gutachtensverfahren dann wählen, wenn entweder damit den persönlichen Interessen des Betroffenen gedient ist, oder aber besonders gewichtige öffentliche Interessen vorliegen, die diese individuellen Interessen überwiegen. Konkret halte ich die Prüfung von Einzelebenso wie von Kollektivnormen auf Initiative einer Institution hin nur dann für möglich, wenn diese Prüfung durch einen Betroffenen angeregt wurde und er der Verfahrensführung zugestimmt hat. Eine Verfahrensführung gegen den Willen des Betroffenen würde das Ziel des Einzelfallprüfungsverfahrens verfehlen.
V. Verfahren, Schlichtung Für das Verfahren der Kommission im Einzelfallprüfungsverfahren 10 einschlägig sind neben den Abs 2 und 3 des § 12 die §§ 11 bis 13 GBKGO sowie kraft des Verweises in § 16 auch einige Bestimmungen des AVG; konkret sind dies die Bestimmungen über die Zuständigkeit (§ 6 AVG), die Befangenheit (§ 7 AVG), über Anbringen (§ 13 AVG), die Niederschrift und Aktenvermerke (§ 14 bis 16 AVG), über die Akteneinsicht, Erledigung, Ladung und die Zustellung (§§ 17 bis 22 AVG), die Fristen (§ 32 und 33 AVG) sowie die §§ 45 und 46 AVG, die allgemeine Grundsätze über den Beweis regeln (Beweisbedürftigkeit und Unbeschränktheit der Beweismittel).22 Bedauerlicherweise sind die Bestimmungen der GBK-GO nicht auf jene des AVG abgestimmt wor21 Vgl dazu ausführlicher zu § 11 Rz 9 ff. 22 Zur Interpretation des Verweises sowie eingehender zu den der verwiesenen Bestimmungen des AVG unter § 16 Rz 3.
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§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger den, mit der Konsequenz, dass es zu einander widersprechenden Doppelregelungen kommt.23 11 Das Verfahren bei der Einzelfallprüfung ist kontradiktorisch aufgebaut. Der Antrag wird den Mitgliedern des zuständigen Senats und der GAW zur Kenntnisnahme übermittelt. Darüber hinaus ist er gleichzeitig jenen Personen zu übermitteln, gegen die er gerichtet ist verbunden mit der Aufforderung, zum Antragsinhalt binnen drei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen (§ 11 Abs 3 GBK-GO). Die vorgelegte schriftliche Stellungnahme ist dann dem Antragsteller zu übermitteln. Eine allfällige Äußerung des Antragstellers ist wiederum dem Antragsgegner zur Kenntnisnahme zu übermitteln (§ 11 Abs 5 GBKGO). Für die Prüfung der Frage, ob eine Verletzung eines Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, stehen der Kommission alle Beweismittel des Verfahrensrechts zur Verfügung.24 Vor der Befragung hat der Vorsitzende die Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts zu ergründen und gegebenenfalls auf diese hinzuwirken (§ 14 Abs 3a). Dieser nunmehr25 ausdrückliche Auftrag zur Vermittlung bringt die der GBK primär zukommende Funktion zum Ausdruck, nämlich die der Schlichtung.
VI. Vorschlag, Aufforderung 12 Der Senat befindet auch im Einzelfall darüber, ob eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes stattgefunden hat. Bejahendenfalls hat er der für die Diskriminierung verantwortlichen Person einen Vorschlag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung zu übermitteln und sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Die Senate der GBK dürfen sich also nicht nur mit einer negativen Diagnose begnügen, nämlich der Feststellung der Verletzung eines Gleichbehandlungsgebotes, sondern sie haben auch einen Vorschlag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung zu übermitteln. Wird ein Vorschlag erstattet, so hat die Kommission eine Frist von zwei Monaten zu bestimmen, innerhalb derer dem Senat über allenfalls getroffene Maßnahmen zur Beendigung 23 Eingehend unter § 16 Rz 1 ff. 24 Vgl den Verweis in § 16 auf die §§ 45 und 46 AVG sowie die Kommentierung dazu unter § 16 Rz 3 f. 25 Eingefügt durch BGBl I 2013/107 und in Kraft seit 1.8.2013.
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der Diskriminierung zu berichten ist (§ 13 Abs 2 GBK-GO).26 Von der Bewertung dieses Berichtes hängt es dann ab, ob das Verfahren weiter geführt wird oder nicht.27 Gelangt die GBK zur Auffassung, dass keine verpönte Diskriminierung vorliegt, so hat sie dies dem Antragsteller und einem im Verfahren allenfalls namhaft gemachten Vertreter nachweislich und schriftlich mitzuteilen (§ 13 Abs 3 GBK-GO). Es fällt auf, dass die betroffene Person selbst nicht zu verständigen ist. Vorschlag und Aufforderung sind keine verbindlichen Entscheidun- 13 gen,28 sondern haben den Charakter einer Empfehlung, die die für die Diskriminierung verantwortliche Person zur Beendigung einer dia gnostizierten Verletzung eines Gleichbehandlungsgebotes bewegen sollen.
VII. Feststellungsklage Ist die für die Diskriminierung verantwortliche Person nicht bereit, der 14 Aufforderung des jeweiligen Senates zur Beendigung der Diskriminierung nachzukommen, so sieht das Gesetz eine Verbandsklage vor, dh eine Feststellungsklage, die zum einen von den im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen erhoben werden kann, zum anderen auch von den Anwälten gemäß § 3 Abs 2. Letztere bedürfen dazu allerdings der Zustimmung des Betroffenen (Abs 5). Für den Senat III der GBK bedeutet dieses Antragsrecht doch eine „deutliche Verengung“, zumal im Senat III nur die zwei gesetzlichen Interessenvertretungen der AN- und AG-Seite vertreten sind. Und es stellt sich schon die Frage, ob es sachlich ist, dass (neben den Anwälten der GAW) allein Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer befugt sein sollen, Diskriminierungsfragen aufzugreifen, die zB den Zugang zu sozialen Vergünstigungen oder zur Bildung betreffen.
26 Die Frist von zwei Monaten wurde mit BGBl I 2008/98 eingeführt, um das Verfahren zu beschleunigen. Einer diesbezüglichen Anpassung harrt § 13 Abs 2 GBK-GO noch, der weiterhin von einer „angemessenen Frist“ spricht. 27 Mayr-Maly 82. 28 Siehe dazu § 1 Rz 3; VfGH 3.3.1994, G 116/93 und VfGH 12.12.1996, B 2903/95; VfGH 29.11.2010, B 1952/08; VfGH 8.12.2010, B 966/0950; VfGH 28.2.2011, B 1689/10.
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§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger 15 Voraussetzung der Feststellungsklage ist grundsätzlich (siehe Rz 16), dass dem „Auftrag“ des Senates nicht entsprochen wurde. Dieser „Auftrag“ steht als Sammelbegriff für den Vorschlag und die Aufforderung im Sinne des Abs 3. Die Frage der Überprüfung, ob die für die Diskriminierung verantwortliche Person die Diskriminierung beendet hat, ist nicht näher geregelt. Fest steht nur, dass der Diskriminierungsverantwortliche dem jeweiligen Senat innerhalb einer Frist von zwei Monaten zu berichten hat (§ 13 Abs 2 GBK-GO).29 Das ist insofern problematisch als nicht klar ist, wem die Bewertung jener Maßnahmen zukommt, die der Diskriminierungsverantwortliche getroffen hat. Soll das beschlussförmig durch den jeweiligen Senat erfolgen, oder ist es in das Ermessen der klageberechtigten Institutionen gestellt? Verweigert die für die Diskriminierung verantwortliche Person den Bericht, oder erklärt sie ausdrücklich, der Aufforderung nicht folgen zu wollen, oder aber werden die im Bericht angeführten Maßnahmen – von wem auch immer – als nicht ausreichend bewertet, so haben – wie schon erwähnt – bestimmte Institutionen das Recht, eine Verbandsklage beim zuständigen Gericht einzubringen. Dieses Recht steht zunächst den im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen zu. Dieses Recht steht des Weiteren auch den Anwälten gemäß § 3 Abs 2 zu, allerdings unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die Klage nur mit Zustimmung der betroffenen Person eingebracht werden darf. Diese Bindung an die Zustimmung des Betroffenen mag man dahin interpretieren, dass die Anwälte der GAW zur Unterstützung der Betroffenen agieren sollen und nicht gegen deren Willen. Diese Bindung an die Zustimmung ist aber dennoch bemerkenswert, weil dieses „Konzept einer Vertretung der Betroffenen“ im Gesetz keineswegs durchgängig vorgesehen ist. So darf etwa das Einzelfallprüfungsverfahren – theoretisch – auch gegen den Willen der betroffenen Person vor der GBK eingeleitet werden. Für die Fortführung vor Gericht soll es dann aber schon der Zustimmung bedürfen. Diese asymmetrische Ausgestaltung provoziert die Frage nach ihrer Sachlichkeit.
29 Mit BGBl I 2008/98 wurde in Abs 3 ganz im Sinne einer Beschleunigung der Verfahren eine Frist von zwei Monaten bestimmt. Nun sieht § 13 Abs 2 GBK-GO zwar immer noch eine „angemessene“ Frist für den Bericht vor, den Begriff angemessen wird man aber gesetzeskonform iSv zwei Monaten zu interpretieren haben.
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Die Feststellungsklage nach § 12 Abs 4 und 5 kann nicht von Betroffenen, von AG bzw anderen für die vermutete Diskriminierung verantwortlichen Personen oder vom Betriebsrat eingebracht werden. Eine Feststellungsklage ist gemäß den Voraussetzungen des § 12 Abs 5 16 auch dann möglich, wenn sich die Entscheidung des Senates in einem von den Anwälten vorgelegten Fall nicht mit der Auffassung letzterer deckt (§ 5 Abs 6 letzter Satz). Diese Vorschrift kann nur dahingehend verstanden werden, dass der jeweilige Senat eine Verletzung eines Gleichbehandlungsgebotes verneint, während die Anwälte der GAW eine solche für gegeben erachten. Diesfalls findet der zur Klagsführung ermächtigende § 12 Abs 5 sinngemäß Anwendung. Die Anwälte können im Falle eines solchen Auffassungsunterschiedes Klage auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vor Gericht einbringen. Auffallend ist, dass bei der beschriebenen Konstellation der Dialog mit der für die Diskriminierung mutmaßlich verantwortlichen Person nicht stattfindet. Auffallend deshalb, weil diese Schlichtung und Vermittlung als erster Abschnitt des Verfahrens nach § 12 geradezu dessen „Herzstück“ zu sein scheint (siehe auch Vor § 1 Rz 5; § 11 Rz 4 ff). Die Feststellungsklage nach den § 12 Abs 4 und 5 weist mehrere Be- 17 sonderheiten auf. Diese Art einer Verbandsklage ist – wie schon eingehender unter § 11 Rz 16 ff ausgeführt – in der österreichischen Rechtsordnung keine singuläre Erscheinung, sondern hat „Vorbilder“ im Wettbewerbs- und Konsumentenschutzrecht. Rechtspolitischer Hintergrund der Einführung von Verbandsklagerechten ist es regelmäßig, einem konstatierten Rechtsschutzdefizit entgegen zu wirken, das entsteht, weil Betroffene die Rechtsdurchsetzung im „klassischen“ Zwei-Parteien-Zivilprozess aus verschiedenen Gründen nicht auf sich nehmen.30 Ziel der Verbandsklage ist es zum einen, dem öffentlichen Interesse an der Herstellung der Rechtsordnung in diesen Bereichen zu dienen, zum anderen Betroffenen „zur Seite zu stehen“ und ihnen das soziale und finanzielle Risiko eines Gerichtsverfahrens abzunehmen. Und es ist nur konsequent, wenn eine Verbandsklage auch unabhängig vom Willen Betroffener eingebracht werden kann. Das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Rechts muss auch ohne Zustimmung Betroffener verfolgbar sein. Zum anderen kommt der vom Willen Betroffener unabhängigen Klagsführung auch eine Schutzfunktion zu. Der Betroffene soll sich nicht durch seine vorherige Zustimmung 30 Schoibl, ZfRV 1990, 3.
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§ 12 GBK/GAW-GesetzHattenberger zu einem Prozess exponieren müssen. Dies könnte auch und vor allem im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis zu Belastungen führen, die die betroffene Person gerade vermeiden wollte. Von diesem „allgemeinen Konzept“ der Verbandsklage unterscheidet sich jene nach § 12 Abs 4 und 5 mE in zweifacher Hinsicht: Zunächst ist die Klagseinbringung von den Anwälten der GAW – wie schon ausgeführt – nur mit Zustimmung der betroffenen Person möglich. Und es wurde auch schon ausgeführt, dass der in § 12 vorgesehene zweifache Verbandsrechtsschutz – zunächst die Möglichkeit bestimmter Institutionen, das Verfahren vor der Kommission einzuleiten, und sodann die Verbandsklage vor Gericht – im Vergleich zu anderen Typen des Verbandsrechtsschutzes stärker individuell ausgerichtet ist. Ein Einzelfallprüfungsverfahren ist in Bezug auf einen oder mehrere bestimmte Betroffene zu führen. Und was für die Verfahren vor den Senaten der GBK gilt, schlägt auch auf die Feststellungsklage vor Gericht durch. Demgegenüber ist etwa eine Verbandsklage nach § 54 ASGG regelmäßig nur dann möglich, wenn zumindest drei AN betroffen sind. Diese müssen zunächst auch gar nicht genannt werden. Nur wenn dieser Umstand bestritten wird, müssten darüber Erhebungen gepflogen werden.31 18 Eine weitere Besonderheit der Feststellungsklage nach § 12 Abs 4 und 5 ist es, dass sie nicht bloß „subsidiär“ erhoben werden kann. Ihre Einbringung ist auch dann möglich, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Des Weiteren ist auch die Voraussetzung eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung entbehrlich.32 19 Die Einbringung einer Feststellungsklage nach den Abs 4 und 5 des § 12 bewirkt, dass der Ablauf gesetzlicher Verjährungsfristen sowie kollektivvertraglicher Verfallfristen bis zum Ende des Monats nach Eintritt der Rechtskraft gehemmt wird. „Parallelverfahren“ sind allerdings nicht ausgeschlossen. Die vorgesehene Ablaufshemmung ist zum Vorteil Diskriminierungsbetroffener angeordnet. Sie sollen das Verfahren und die ihm zugedachte Funktion der durch Urteilsspruch gegebenen Aussage über die Erfolgschance abwarten können, ohne einen Rechtsnachteil zu erleiden. Das schließt aber nicht aus, dass sie zeitgleich eine Leistungsklage oder, sofern diese noch nicht möglich ist, eine Feststellungsklage nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 228 ZPO einbringen. 31 AB 527 BlgNR 16. GP 8. 32 Mayr-Maly 85.
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Ein Feststellungsurteil hat nur eingeschränkte rechtliche Wirkungen. 20 Zunächst ist es diesem eigen, dass es bloß deklarative Wirkung hat, dh bloß feststellt, wie die Rechtslage ist, ohne sie zu verändern. Ein Feststellungsurteil wirkt auch nur zwischen den Prozessparteien, seine Wirkungen erstrecken sich nicht auf Betroffene. Mangels Identität der Parteien besteht auch keine Bindung in einem folgenden Leistungsstreit zwischen Diskriminierungsverantwortlichem und betroffener Person.33 Dennoch wird einem Feststellungsurteil im Folgeverfahren erhebliche faktische Bedeutung zukommen. Abgesehen davon wird das Feststellungsurteil häufig auch Anlass sein, die für die Diskriminierung verantwortliche Person zur Verhaltensänderung zu bewegen.
VIII. A usfertigung und Veröffentlichung der Einzelfallprüfungsergebnisse Mit der Novelle BGBl I 2008/98 wurde § 12 um einen siebenten Absatz 21 erweitert. Dieser sieht seither eine Frist von drei Monaten für die Ausfertigung und Zustellung des Einzelfallprüfungsergebnisses vor. Darüber hinaus sind die Einzelfallprüfungsergebnisse (ebenso wie die Gutachten gemäß § 11 Abs 3) in anonymisierter Form, in vollem Wortlaut und kostenlos auf der Website des BKA zu veröffentlichen.34 Die Veröffentlichungspflicht steht wiederum unter dem Vorbehalt, dass keine Rückschlüsse auf Einzelfälle gezogen werden können. Die Publikation nunmehr auch der Einzelfallprüfungsergebnisse ist neuerlich Ausdruck der Funktion der GBK, auch einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung durch Auslegung des GlBG zu leisten. Die Pflicht zur Veröffentlichung besteht unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, also nicht nur im Falle der Feststellung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes, sondern auch, wenn eine solche nicht festgestellt wurde. Abs 7 wurde durch BGBl I 2013/107 noch ein weiteres Mal ergänzt. 22 Vorgesehen ist seither eine der Ausfertigung vorangehende Information über den Verfahrensausgang durch die Geschäftsführung. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, den Ausgang eines Verfahrens den 33 Smutny/Mayr 443. 34 https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/ gleichbehandlungskommissionen/gleichbehandlungskommission/gbk-senati.html?execution=e3s1, 2.12.2021.
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§ 13 GBK/GAW-GesetzHattenberger Antragstellern und Antragsgegnern in Form einer kurzen Information mitzuteilen.35 Zuständig dafür ist die Geschäftsführung. Auf die Hemmung der Fristen für die gerichtliche Geltendmachung gemäß §§ 15 Abs 3, 29 Abs 3 und 38 Abs 5 GlBG hat eine solche Information keinen Einfluss. Dieses Informationsschreiben ist nicht jenem Schreiben gleichzusetzen, das von der Geschäftsführung gemäß §§ 15 Abs 3 Z 2, 29 Abs 3 Z 2 und 38 Abs 5 Z 2) zuzustellen ist. Letzteres beendet nämlich die Hemmung der Fristen.
Verpflichtung zur Berichtslegung § 13. (1) Ergibt sich auf Grund einer Mitteilung eines/einer An-
tragsberechtigten gemäß § 12 Abs. 1, in der die behaupteten Umstände glaubhaft zu machen sind, die Vermutung der Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes, so hat 1. in Fällen der Gleichbehandlung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis der/die Arbeitgeber/in oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt der/die für die vermutete Diskriminierung vermutlich Verantwortliche, 2. in Fällen im Sinne des III. Teiles 1. Abschnitt GlBG der/die für die vermutete Diskriminierung vermutlich Verantwortliche, der Kommission auf Verlangen einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Wird ein solcher Bericht vom/von der Arbeitgeber/in verlangt, hat er/sie für die von der Vermutung betroffenen Betriebsbereiche unter Bedachtnahme auf die vermutete Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes durch zahlenmäßige Aufgliederung einen Vergleich der Beschäftigungsbedingungen, der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, der Aufstiegsmöglichkeiten sowie der Beschäftigungsdauer und der Art der Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Frauen und Männern oder in Bezug auf ein anderes behauptetes diskriminierendes Merkmal zu ermöglichen. Erforderlichenfalls hat der Bericht auch Aufschluss zu geben über den Zusammenhang zwischen den Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und den Aufstiegsmöglichkeiten. Wird ein solcher Bericht im Fall von Diskriminierungen nach Teil III 1. Abschnitt GlBG von der/dem dafür vermutlich Verantwortlichen verlangt, hat er/sie alle Umstände des Falles aus seiner/ihrer Sicht umfassend und detailliert darzulegen. 35 RV 2300 BlgNR 24 GP 6.
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Verpflichtung zur Berichtslegung
§ 13 GBK/GAW-Gesetz
(2) Ein solcher Bericht kann im Falle einer vom Senat festgestellten Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes für ein oder mehrere Folgejahre verlangt werden. (3) Die Kommission kann auf Grund der Berichte Gutachten (§ 11) über die Erfüllung des Gleichbehandlungsgebotes im Betrieb erstellen. (4) Kommt der/die Arbeitgeber/in oder der/die für eine Diskriminierung vermutlich Verantwortliche der Verpflichtung nach Abs. 1 und 2 nicht oder nicht ausreichend nach und kommt der/die Arbeitgeber/in der Aufforderung zur Verbesserung des Berichts nicht nach, so hat die Kommission diesen Umstand auf der Homepage des Bundeskanzleramts zu veröffentlichen. In der Aufforderung zur Verbesserung ist der/die Arbeitgeber/in darauf hinzuweisen, dass bei Nichterfüllung oder nicht ausreichender Erfüllung der Verpflichtung zur Berichtslegung dieser Umstand auf der Homepage des Bundeskanzleramtes veröffentlicht wird. Abs 1 letzter Satz und Abs 1 Z 2 wurden durch BGBl I 2008/98 geändert. Abs 4 wurde durch BGBl I 2011/7 geändert. Abs 1 wurde durch BGBl I 2011/7 neu gefasst. Abs 1 wurde durch BGBl I 2013/107 geändert. Abs 4 wurde durch BGBl I 2013/107 neu gefasst.
Inhaltsübersicht I. Zielsetzung.................................................................................................... 1 II. Verfahrenseinleitung................................................................................... 4 III. Bericht............................................................................................................ 6 IV. Konsequenzen............................................................................................... 7 V. Folgen der Verletzung der Berichtspflicht............................................... 9
Zum Verhältnis des § 13 zu den Verfahren nach den §§ 11 und 12 siehe insb auch § 11 Rz 20 ff.
I. Zielsetzung Durch Berichte nach § 13 soll der Kommission Zugang zu jenen Infor- 1 mationen verschafft werden, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Wird die Vermutung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes von bestimmten Personen und Einrichtungen durch Mitteilung glaubhaft dargetan, so kann die Kommission die Erstattung eines Berichtes verlangen. Historischer Anlass für die Einführung der Berichtspflicht1 war die Erstreckung des Gleichbehandlungsgebotes 1 § 6a des GlBG 1979, eingefügt durch BGBl 1985/290.
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§ 13 GBK/GAW-GesetzHattenberger auf Maßnahmen der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Die Schwierigkeit, die Behauptung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ohne Bezugnahme auf bestimmte ANinnen aufzustellen, würde sich bei der Verfolgung dieses Gleichbehandlungsgebotes noch verstärken. In einem Bericht nach § 13 ist Aufschluss über jene Rahmenbedingungen zu geben (zB Aufstiegsmöglichkeiten, Beschäftigungsbedingungen, Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses), für die der Diskriminierungsvorwurf erhoben wurde. Die Berichtspflicht bezieht sich dann – wie sich aus den Materialien ergibt2 – gerade nicht auf eine bestimmte von der vermuteten Diskriminierung betroffene Person, sondern soll die Kommission ohne Bezugnahme auf bestimmte Personen in die Lage versetzen, sich über den Stand der Gleichbehandlung in Bezug auf bestimmte, vom Gesetz verpönte Diskriminierungsmerkmale zu informieren. Das in § 10 Abs 2 vorgesehene Auskunftsrecht würde diesem Informationsbedürfnis nicht gerecht, zumal es schwierig sei, den Vorwurf der Diskriminierung ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Person zu erheben, Auskunft also zu einem „abstrakten“ Vorwurf zu verlangen. Die Bezugnahme auf eine bestimmte Person soll aber wiederum vermieden werden, um eine mögliche Belastung des Arbeitsklimas hintanzuhalten.3 Diese für Diskriminierungsvermutungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis entwickelte Berichtspflicht wurde durch BGBl I 2004/66 nicht nur auf weitere Diskriminierungsgründe im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis, sondern auch auf die „sonstige Arbeitswelt“ und bestimmte „sonstige Bereiche“ (Teil III, 1. Abschnitt GlBG) erstreckt. Bezieht sich die Diskriminierungsvermutung auf das Merkmal Geschlecht oder die ethnische Zugehörigkeit in den sonstigen Bereichen (Teil III, 1. Abschnitt GlBG), so sollen in einem Bericht nach § 13 die „Umstände des Falles“ ausführlich und detailliert dargelegt werden. Diesfalls soll der Berichtspflichtige wohl zu einem konkreten Diskriminierungsfall („Umstände des Falles“) Stellung nehmen. 2 Der Bericht gemäß § 13 vermag mE zwei Funktionen zu erfüllen. Zunächst ist das Berichtsverfahren als ein Vorverfahren zu den Verfahren nach § 11 und allenfalls § 12 zu verstehen.4 Ein Bericht soll im Vorfeld solcher Verfahren die Grundlagen aufbereiten, die für die Entscheidung 2 RV 644 BlgNR 16. GP 7. 3 RV 644 BlgNR 16. GP 7. 4 Siehe Rz 8 und insb § 11 Rz 21.
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über eine allfällige Verfahrensführung notwendig sind. Berichte sollen aber offenkundig auch als Kontrollinstrument verwendet werden können. Gemäß § 13 Abs 2 kann im Fall einer vom Senat festgestellten Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ein solcher Bericht auch für ein oder mehrere Folgejahre verlangt werden. Die Berichtspflicht nach § 13 einerseits und die in § 10 Abs 2 (bloß) für 3 die AGinnen und die Beschäftigten eines Betriebes angeordnete Auskunftspflicht andererseits5 erfüllen dieselbe Funktion. Ebenso wie die Berichte können mE auch Auskünfte bereits im Vorfeld eines Verfahrens nach den §§ 11 und 12 eingeholt werden. Die Berichtspflicht ist nur eine besondere, institutionalisierte Form der Auskunftserteilung. Und sie wurde eingeführt, um die Kontrolle bestimmter Gleichbehandlungsgebote, die einen umfassenderen Einblick in die betrieblichen Gegebenheiten erfordern, zu ermöglichen.6 Mit einem Bericht nach § 13 wird von den mit einem Diskriminierungsvorwurf Konfrontierten nicht nur eine umfassendere Darstellung der Bedingungen abverlangt, die für die Beurteilung eines Diskriminierungsverdachts notwendig sind, sondern auch ausdrücklich die Verpflichtung auferlegt, die Grundlagen für die Beurteilung der (abstrakt bleibenden) Verletzung eines Gleichbehandlungsgebotes zu liefern. Für Berichte nach § 13 ist die Schriftform vorgeschrieben (§ 13 Abs 1).
II. Verfahrenseinleitung Eine textorientierte Auslegung des § 13 Abs 1 ergibt, dass die Berichts- 4 pflicht ausgelöst wird, wenn zwei verfahrensrechtliche Bedingungen erfüllt sind. Zum einen bedarf es der Mitteilung bestimmter Personen oder Institutionen, in der die „behaupteten Umstände“, die eine Verletzung eines Gleichbehandlungsgebotes begründen sollen, glaubhaft zu machen sind. Ergibt sich aufgrund dieser Mitteilung die Vermutung der Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes, so bedarf es zum zweiten eines Verlangens der Kommission. Zur Mitteilung des Diskriminierungsverdachtes „berechtigt“ sind ANinnen, AGinnen, Betriebsrat, die von einer Diskriminierung nach dem 1. Abschnitt des III. Teiles des GlBG betroffene Person, die im jeweiligen Senat vertretenen Inter5 Auf die Gleichbehandlungsgebote in der sonstigen Arbeitswelt und jene des III. Teiles, 1. Abschnitt des GlBG wurde offenkundig vergessen. 6 RV 644 BlgNR 16. GP 7.
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§ 13 GBK/GAW-GesetzHattenberger essenvertretungen sowie die Anwälte gemäß § 3 Abs 2. Hält man sich an den Gesetzestext, so sind hier ein paar „Auffälligkeiten“ festzustellen. Zum einen fällt auf, dass die Kommission von sich aus, also ohne die vorherige Mitteilung der genannten Personen, Verbände und Institutionen, einen Bericht nicht verlangen kann. Mit Rücksicht auf die Zielsetzung des § 13 im Speziellen und das GBK/GAW-G im Allgemeinen erachte ich dieses Auslegungsergebnis allerdings für unhaltbar. Warum soll es der Kommission, die von Amts wegen Verfahren nach § 11 und § 12 einleiten kann, verwehrt sein, sich die für die Verfahrensführung erforderlichen Grundlageninformationen in Form eines Berichtes zu verschaffen?7 Zum zweiten fällt auf, dass die zur Mitteilung berechtigten Personen und Institutionen die Berichterstattung nicht erzwingen können. Es bedarf eben immer noch des „Verlangens“ der Kommission. Das wiederum stellt aber die kasuistische Regelung der „Mitteilungsberechtigung“ in Frage. Warum soll die von etwaigen Dritten erstattete Mitteilung nicht zu einem Verlangen nach einem Bericht führen können? Der Gefahr einer übermäßigen Inanspruchnahme von AGinnen oder den für die vermutete Diskriminierung verantwortlichen Personen wird durch ein Zweifach-Korrektiv entgegen gewirkt. Zum einen müssen die Umstände, die die Vermutung der Nichteinhaltung des Gleichbehandlungsgebotes begründen, glaubhaft dargetan werden. Zum anderen bedarf es ja noch des – allerdings nicht näher determinierten – Verlangens der Kommission. Zur Verfahrensinitiierung lässt sich ganz allgemein festhalten, dass für sie vergleichsweise strenge Voraussetzungen normiert sind. Die Voraussetzung einer Mitteilung, in der die behaupteten Umstände glaubhaft zu machen sind, entspricht wörtlich jener Bedingung, die gemäß § 5 Abs 3 gegeben sein muss, wenn ein Verfahren nach § 11 oder § 12 auf Grund eines Antrags der Anwältinnen eingeleitet werden soll. Ebenso können einzelne Betroffene, AGinnen, Betriebsrat und die im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen ohne weitere Voraussetzungen die Einleitung eines Einzelfallprüfungsverfahrens verlangen und bewirken („[…] auf Antrag […] hat der damit befasste Senat im Einzelfall zu prüfen […]“). Die Kommission muss einem solchen Antrag entsprechen. Diese „Asymmetrien“ mögen auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, die strengeren Voraussetzungen für die Berichtspflicht las7 Diese Ansicht, wenn auch mit anderer Begründung, vertreten auch Smutny/ Mayr 449.
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sen sich mE aber damit begründen, dass die Berichterstattung uU mit einem sehr hohen Arbeitsaufwand verbunden sein kann. Die Senate der GBK sollen diese daher nur unter erschwerten Bedingungen abverlangen können. Gemäß § 15 Abs 1 der GBK-GO sind in der Aufforderung zur Be- 5 richtslegung allfällige besondere Erfordernisse für seinen Inhalt sowie eine auf den Einzelfall abgestimmte Frist festzulegen.
III. Bericht Der geforderte Berichtsinhalt ist in § 13 Abs 2 äußerst kompliziert 6 umschrieben. Für den Berichtsinhalt bestimmend ist einerseits der Diskriminierungsgrund (zB das Geschlecht) anderseits das Gleichbehandlungsgebot, dessen Nichteinhaltung vermutet wird (zB Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen gemäß § 3 Z 4 GlBG). Die AGin hat dann die Zahlen über die Inanspruchnahme von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen getrennt nach Geschlechtern auszuweisen. Ein Bericht zielt demnach nicht darauf ab, der allenfalls verantwortlichen Person Gelegenheit zu geben, sich gegen einen Diskriminierungsvorwurf zu verteidigen, sondern darauf, durch die Lieferung von Daten über Karriereverläufe mögliche Verletzungen des Gleichbehandlungsgebotes sichtbar zu machen. Handelt es sich hingegen um eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in den sonstigen Bereichen (Teil III, 1. Abschnitt GlBG), so hat die dafür vermutlich Verantwortliche die „Umstände des Falles“ aus ihrer Sicht umfassend und detailliert darzulegen. Wenn hier als Berichtsinhalt die „Umstände des Falles“ genannt werden, so ist damit im Gegensatz zu den Diskriminierungsfällen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis mE die Stellungnahme zu einem konkreten Diskriminierungsvorwurf verlangt. Als „redaktionelles Vergessen“ dürfte es zu werten sein, dass der Berichtsinhalt für vermutete Verletzungen des Gleichbehandlungsgebotes in der sonstigen Arbeitswelt nach den §§ 4 und 18 GlBG nicht erwähnt ist.
IV. Konsequenzen Es heißt im Abs 2 des § 13, dass im Falle einer vom Senat festgestellten 7 Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ein solcher Bericht für ein oder mehrere Folgejahre verlangt werden kann. Nach dem Wortlaut 907
§ 13 GBK/GAW-GesetzHattenberger dieser Bestimmung ist es nicht erforderlich, dass diese Feststellung in einem Gutachten erfolgen muss, auch die nichtförmliche Einschätzung als Verletzung eines Gleichbehandlungsgebotes reicht hier aus. Mit dem Verlangen nach Folgeberichten ist der Kommission ein Instrument in die Hand gegeben, um im Fall einer diagnostizierten Ungleichbehandlung eine „Reaktion“ iSe Abbaus und der Beseitigung einer Diskriminierung durch die für die Diskriminierung verantwortliche Person verfolgbar zu machen. 8 Gemäß Abs 3 „kann“ die Kommission auf Grund der Berichte Gutachten über die Erfüllung des Gleichbehandlungsgebotes „im Betrieb“ erstellen. Diese Ermächtigung ist in dreifacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Kommission das ihr eingeräumte Ermessen üben soll. Schon zu § 11 (Rz 20 ff) wurde dargetan, dass ein Bericht, der eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes erkennen lässt, der geradezu selbstverständliche Anlass sein müsste, von Amts wegen ein Verfahren nach § 11 einzuleiten. Ein Abstand-Nehmen von einem Gutachtensverfahren könnte man mE nur damit rechtfertigen, dass dieselbe Diskriminierungsfrage bereits durch ein Gutachten abgehandelt wurde. Zum zweiten erachte ich die durch diese Bestimmung angeordnete Verengung eines Folgeverfahrens auf das § 11-Verfahren für fragwürdig. Diese mag gerechtfertigt sein für Berichte über die Verletzung von Gleichbehandlungsgeboten im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis, zumal diese zu einem abstrakten Diskriminierungsvorwurf zu erstellen sind und die Durchführung eines Verfahrens in Bezug auf bestimmte Betroffene daher gar nicht möglich ist. Diese Einengung ist aber mE mit der Ausweitung der Berichtspflicht auch auf die sonstigen Bereiche nicht mehr gerechtfertigt, zumal sich der Berichtsinhalt in diesen Fällen auf die „Umstände des Falles“ beziehen muss. Und das ist meinem Verständnis nach der Einzelfall. Freilich ist auch in diesem Fall ein Gutachten nach § 11 möglich,8 unter den näher herausgearbeiteten Bedingungen müsste aber auch ein Einzelfallprüfungsverfahren initiiert werden können.
V. Folgen der Verletzung der Berichtspflicht 9 Kommt die für die vermutete Diskriminierung verantwortliche Person der Aufforderung zur Berichterstattung nicht oder nicht ausrei8 Siehe § 11 Rz 1 ff.
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Geschäftsführung der Kommission
§ 14 GBK/GAW-Gesetz
chend9 nach, so ist dieser Umstand von der Kommission auf der Homepage des BKA zu veröffentlichen.10 Die zur Berichtslegung Verpflichtete ist allerdings vorher zur „Verbesserung“ aufzufordern; und zwar sowohl bei Nichterfüllung11 als auch einer nicht ausreichenden Erfüllung der Berichtspflicht. In der Aufforderung zur Verbesserung ist auf den Umstand der Veröffentlichung hinzuweisen. Diese Veröffentlichung ist – verglichen mit den Veröffentlichungspflichten nach den §§ 11 und 12 – nicht anonymisiert vorzunehmen. Eine Anonymisierung würde auch der Publikation jeden Sinn nehmen, weil damit auch noch der Sanktionscharakter entfiele. Abgesehen davon ist fraglich, ob diese Art der Sanktionierung die Kooperationsbereitschaft der mit einem Diskriminierungsvorwurf konfrontierten und zur Berichtslegung aufgeforderten Personen erhöht. Angeprangert wird nämlich nicht der Vorwurf der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes, sondern jener der mangelnden Kooperation, der mE wesentlich geringer wiegt und dadurch eher in Kauf genommen werden dürfte.
Geschäftsführung der Kommission § 14. (1) Der/die Vorsitzende hat den Senat nach Bedarf einzuberu-
fen. Eine Einberufung des Senates hat auch dann zu erfolgen, wenn dies mehr als ein Drittel der Mitglieder oder der/die Anwalt/Anwältin verlangt. (2) Die Mitglieder (Ersatzmitglieder) sind rechtzeitig und nachweislich unter Bekanntgabe der Tagesordnung zu laden. (3) Der Senat ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder (Ersatzmitglieder) anwesend ist. Für Beschlüsse des Sena9 Seit dem Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2013/107 ist die Veröffentlichung nicht nur dann vorgesehen, wenn gar kein Bericht geliefert wurde, sondern auch dann, wenn der Berichtspflicht nicht ausreichend nachgekommen wurde. Der Grund für diese Erweiterung war, dass zwar häufig Berichte vorgelegt wurden, allerdings nur mit „kursorischem Inhalt“; RV 2300 BlgNR 24.GP 6. 10 https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/gleich behandlungskommissionen/gleichbehandlungskommission/gbk-senat-i.html, 7.12.2021. 11 Der Begriff der „Verbesserung“ trifft im Fall der Nichterfüllung zwar nicht, dem Wortlaut der Bestimmung nach ist aber klar, dass auch der gänzlich Säumigen eine zweite Chance eingeräumt werden soll.
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§ 14 GBK/GAW-GesetzHattenberger tes ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Bei Stimmengleichheit gilt die Meinung als angenommen, für die der/ die Vorsitzende gestimmt hat. (3a) Der/die Vorsitzende hat den/die von einer Diskriminierung Betroffene/n sowie die Person, gegen die sich der Antrag richtet, vor der Befragung zu fragen, ob Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts besteht, und gegebenenfalls auf diese hinzuwirken. (4) Die Sitzungen des Senates sind nicht öffentlich. Bildet Gegenstand des Verfahrens eine behauptete (sexuelle) Belästigung, so haben die Befragungen des/der von der (sexuellen) Belästigung Betroffenen und der Person, gegen die sich der Antrag richtet, abgesondert zu erfolgen, sofern diese nicht einer von einer der beiden Seiten beantragten gemeinsamen Befragung zustimmen. Diese Personen sind über dieses Antragsrecht zu informieren. (4a) Der/die Vorsitzende kann den Sitzungen des Senates auch sonstige Fachleute mit beratender Stimme beiziehen. Dem Verlangen von mehr als einem Drittel der Mitglieder oder des/der Anwalts/ Anwältin hat der/die Vorsitzende zu entsprechen. (5) Die Führung der laufenden Geschäfte, die Vorbereitung der Sitzungen und die Besorgung der Kanzleigeschäfte des Senates kann unter der Leitung des/der Vorsitzenden einem/einer, falls erforderlich, mehreren Bediensteten des Bundes übertragen werden. (6) Personen, die der Ladung zur Auskunftserteilung vor dem Senat nachkommen, haben auf Antrag Anspruch auf Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Befragung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden. Die Höhe des Kostenersatzes bestimmt sich nach den für Zeugen/Zeuginnen geltenden Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975. Die Geltendmachung des Kostenersatzes ist von Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit. Abs 4 wurde durch BGBl I 2011/7 neu gefasst. Abs 4a wurde durch BGBl I 2011/7 eingefügt. Abs 1 und 4a wurden durch BGBl I 2013/107 geändert. Abs 3a wurde durch BGBl I 2013/107 eingefügt. Abs 4 wurde durch BGBl I 2013/107 neu gefasst. Literatur: Matt, Das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission – Update 2011, DRdA 2011, 582; Schrittwieser, Änderungen des GlBG und des Gesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-G) ab 1.3.2011, DRdA 2011, 306.
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Geschäftsführung der Kommission
§ 14 GBK/GAW-Gesetz
§ 14 regelt die Grundsätze der Geschäftsführung der Kommission, die 1 durch die GBK-GO, BGBl II 2004/396 idF BGBl II 2013/275, noch näher ausgeführt werden. Auf das Verfahren vor der Kommission sind kraft des Verweises in § 16 noch manche Bestimmungen des AVG anzuwenden. Die Einberufung von Sitzungen ist Sache des Senatsvorsitzenden. Er 2 hat einzuberufen bei Bedarf, aber auch wenn dies ein Drittel der Mitglieder des Senates oder der Anwalt verlangt. Ein Drittel der Mitglieder des Senates bedeutet für alle Senate eine Unterstützung von drei Mitgliedern. Wird ein Verfahren nach den §§ 11 oder 12 auf Grund eines Antrags der Anwälte gemäß § 3 Abs 2 eingeleitet, so ist gemäß § 5 Abs 6 die dort vorgesehene Fristsetzung zu beachten. Der Senat hat sich damit in seiner nächsten Sitzung, spätestens aber innerhalb eines Montes zu befassen. Ist ein zur Senatssitzung geladenes Senatsmitglied an der Teilnahme verhindert, so hat es rechtzeitig ein Ersatzmitglied zu „verständigen“ (§ 3 Abs 3 GBK-GO). Ist auch das verständigte Ersatzmitglied verhindert, so wird diese Verständigungspflicht neuerlich aktiviert. Nur für den Fall, dass ein Senatsmitglied für längere Zeit verhindert ist, ist „sogleich“ ein Ersatzmitglied zu laden. Gemäß § 5 Abs 3 haben die Anwälte das Recht, an den Sitzungen der Senate der GBK teilzunehmen. Ihnen ist auch auf ihr Verlangen das Wort zu erteilen. § 4 der GBK-GO enthält eingehende Regelungen über die Bestimmung 3 der Tagesordnung, ihre Ergänzung oder Abänderung und die rechtzeitige Verständigung der Senatsmitglieder. Für die Sitzungseinladung ist Schriftlichkeit verlangt (§ 3 Abs 2 GBK-GO), wobei die Kommunikation zwischen den Senatsmitgliedern, dem Senatsvorsitzenden sowie der GAW mittels elektronischer Post als schriftliche Kommunikation gilt (§ 4 Abs 5 GBK-GO). Die Beschlussfähigkeit ist gegeben, wenn mehr als die Hälfte der Mit- 4 glieder oder allfälliger Ersatzmitglieder anwesend sind. Mehr als die Hälfte der Mitglieder erfordert in allen Senaten die Anwesenheit von vier Mitgliedern. Für die Beschlussfassung sieht Abs 3 vor, dass für einen Beschluss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist, und dass bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt. Diese Vorgaben werden durch § 7 Abs 2 GBK-GO nä911
§ 14 GBK/GAW-GesetzHattenberger her ausgeführt. Dort ist beispielsweise nicht mehr von der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sondern von der Stimmenmehrheit die Rede. Eine Stimmenthaltung wird ausdrücklich für zulässig erklärt und für die Stimmabgabe ist eine Reihenfolge vorgesehen. Der Senatsvorsitzende gibt seine Stimme immer zuletzt ab. Bei Stimmengleichheit gilt die Meinung als angenommen, für die der Senatsvorsitzende gestimmt hat. Er darf sich in diesem Fall der Stimme nicht enthalten. Diese Vorgaben sind nun mE doch interpretationsbedürftig: Die Anordnung, dass Stimmenthaltungen zulässig sind, kann mE nur so verstanden werden, dass diese bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses nicht mitgezählt werden. Sie gelten als „nicht abgegebene Stimmen“, die für die Mehrheitsermittlung ausscheiden. Das ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass bei Stimmengleichheit eine Stimmenthaltung des Vorsitzenden nicht zulässig ist. Würde die Stimmenthaltung – wie zuweilen vorgesehen – als Gegenstimme zählen, dann bedürfte es dieser Anordnung nicht. Die Entscheidung des Vorsitzenden soll den Ausweg aus einer Pattsituation verschaffen. Unverständlich ist mE die Anordnung des § 7 Abs 2 im Hinblick auf die Reihenfolge der Stimmabgabe und das Problem der Stimmengleichheit. Zunächst heißt es, dass der Vorsitzende zuletzt abstimmt. Weiter bestimmt § 7 Abs 2, dass bei Stimmengleichheit die Meinung, für die der Vorsitzende gestimmt hat, den Ausschlag gibt, und „in diesem Fall“ (gemeint sein dürfte die Stimmengleichheit) sich der Vorsitzende der Stimme nicht enthalten dürfe. Diese Anordnung ist nun mE widersprüchlich. Stimmengleichheit kann (selbstverständlich) erst dann festgestellt werden, wenn der Vorsitzende abgestimmt hat. Er ist ja regelmäßig stimmberechtigt und nicht nur bei Stimmengleichheit. Und nur dann kann seine Stimme auch den Ausschlag geben. Wenn man nun aber die angeordnete Reihenfolge beachtet, so ist nicht klar, warum sich der Vorsitzende der Stimme nicht enthalten können soll. Liegt etwa vor seiner Stimmabgabe ein Verhältnis von 3 Pro- und 2 Kontrastimmen vor, und stimmt er dagegen (es steht dann 3:3), dann ist – kraft seines Diskriminierungsrechtes – kein Beschluss zustande gekommen. Stimmt er für den Antrag, so liegt ein Mehrheitsbeschluss vor (4:2), so dass seiner Stimme kein Ausschlag zukommt. Enthält er sich der Stimme, dann würde seine Stimme nicht gezählt und es läge dann ein Mehrheitsbeschluss mit 3:2 Stimmen (oder anders formuliert: keine Stimmengleichheit) vor. Sinn ergäbe die Anordnung des § 7 Abs 2 nur dann, wenn der Vorsitzende grundsätzlich kein Stimmrecht hätte. Dann könnte in einer Pattsituation seine Stimme den Ausschlag geben. Dass er sich dann nicht der Stimme enthalten 912
Geschäftsführung der Kommission
§ 14 GBK/GAW-Gesetz
könnte, verstünde sich mE von selbst. Sinnvoll wäre es auch, diese Anordnung dahingehend zu verstehen, dass die Stimmengleichheit vor der Stimmabgabe durch den Vorsitzenden vorliegen muss. Nur dann ergibt es Sinn, ihm das Recht, sich der Stimme zu enthalten, abzusprechen. Stimmt er dann mit pro oder kontra, so liegt nun aber eigentlich keine Stimmengleichheit mehr vor, so dass seine Stimme zwar tatsächlich den Ausschlag gibt, dies aber (weil geradezu selbstverständlich) keiner gesonderten Erwähnung im Gesetz bedürfte. Durch die Novelle BGBl I 2013/107 wurde die der GBK zukommende 5 Aufgabe der Schlichtung ausdrücklich im Gesetz verankert. Der durch die erwähnte Novelle eingefügte Abs 3a verpflichtet den Vorsitzenden, die „Kontrahenten“ zu fragen, ob die Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts besteht. Diese Frage ist „vor der Befragung“ zu stellen. Ist sie gegeben, dann ist auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken. Der Gesetzestext ist mE nicht gelungen. Es ist nicht verständlich, warum die Bereitschaft zur gütlichen Einigung durch eine Frage „vor der Befragung“ zu ergründen ist. Dem Wortlaut nach, ist im Falle einer Verneinung die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung vertan. Das ist nicht sachgerecht. Es ist durchaus anzunehmen, dass eine solche Bereitschaft erst im Laufe des Verfahrens (der Befragung) reift, sie dann aber nicht mehr zuzulassen, ist widersinnig. Sitzungen des Senates sind nicht öffentlich (Abs 4). Bis zum Inkraft- 6 treten der Novelle BGBl I 2011/7 galt zudem, dass Sitzungen auch „vertraulich“ sind. Das bedeutete wohl, dass alles, was in der Sitzung bekannt wird, nicht über den Kreis der Sitzungsteilnehmer hinaus publik werden soll.1 Den Grund für die Eliminierung der Vertraulichkeitsanforderung sieht Matt zum einen in der Behebung von Rechtsschutzdefiziten auf Antragsgegnerseite – diesen standen nicht alle Beweismittel zur Verfügung – zum anderen aber auch im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung.2 Die Materialien schweigen dazu. Für die Senatsmitglieder, für die Vertreterinnen der Kollektivvertragsparteien und die sonstigen Fachleute gilt jedenfalls die Verschwiegenheitspflicht gemäß 1 Vertraulichkeit bedeutete, dass Auskunftspersonen einzeln befragt wurden, Rechtsvertreter oder Antragsgegner waren bei der Einvernahme der Gegenseite nicht anwesend und ein Protokoll über die getätigten Aussagen erhielt die Gegenseite nicht. Die Regel diente vor allem auch dem Schutz von Auskunftspersonen. Näher dazu Matt, DRdA 2011, 582 (583 f). 2 Matt, DRdA 2011, 582 (583 ff); so auch Schrittwieser, DRdA 2011, 306 (308).
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§ 14 GBK/GAW-GesetzHattenberger § 10 Abs 3, die allerdings auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beschränkt ist. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die Verschwiegenheitspflicht des Art 20 Abs 3 B-VG, die für „alle mit Aufgaben der Bundes- und Landesverwaltung betrauten Organe“ gilt. Sie gilt demnach auch für die Mitglieder der Senate und geht über die Anordnung des § 10 Abs 3 insofern hinaus, als sie alle im Rahmen der amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen erfasst, an deren Geheimhaltung ein im Art 20 Abs 3 B-VG näher definiertes Interesse besteht.3 Wenn es in Abs 4 heißt, dass die Sitzungen „nicht öffentlich“ sind, so ist damit die Parteiöffentlichkeit gemeint. Antragsteller und Antragsgegner sind beide anwesend. Nichtöffentlichkeit meint keine Volksöffentlichkeit.4 7 Die Befragung der Beteiligten findet nunmehr5 immer in Anwesenheit von Antragsteller und Antragsgegner statt. Ein Antrag auf abgesonderte Befragung ist nicht mehr vorgesehen. Eine Ausnahme bilden Verfahren, die wegen einer behaupteten sexuellen Belästigung geführt werden. In diesem Fall gilt als Grundsatz, dass die Beteiligten abgesondert zu befragen sind, es sei denn eine Seite beantragt die gemeinsame Befragung und auch die andere Seite stimmt dieser zu. Der Grundsatz der abgesonderten Befragung im Falle einer sexuellen Belästigung wurde angeordnet, weil gerade in derart sensiblen Angelegenheiten eine direkte Konfrontation für die Beteiligten besonders unangenehm wäre. Er gilt auch, wenn neben dem Vorwurf der sexuellen Belästigung noch weitere Diskriminierungsvorwürfe erhoben werden.6 8 § 14 Abs 4a sieht die Möglichkeit der Beiziehung von sonstigen Fachleuten vor. Sie nehmen an der Sitzung mit (bloß) beratender Stimme teil. Ihre Funktion ist es, die Kommission mit ihrem Fachwissen bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Ihre Stellung entspricht der eines Sachverständigen.7 Für diese „sonstigen Fachleute“ gilt gemäß § 10 Abs 3 die Verpflichtung zur Verschwiegenheit über alle ihnen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Erwähnung finden sie auch noch in § 10 Abs 1.
3 Siehe § 3 Rz 11 iVm § 10 Rz 6. 4 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/GAW-G § 14 Rz 4/1. 5 Seit BGBl I 2013/107. 6 RV 2300 BlgNR 24. GP 7. 7 Vgl Mayer-Maly 91.
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Ausschüsse des Senates
§ 15 GBK/GAW-Gesetz
Die Beiziehung von sonstigen Fachleuten ist zum einen dem wohlerwogenen Ermessen des Senatsvorsitzenden anheimgestellt. Er ist aber zur Beiziehung verpflichtet, wenn dies ein Drittel der Mitglieder des Senates oder einer der Anwälte gemäß § 3 Abs 2 verlangen. In diesem Zusammenhang sei noch auf die Bestimmung des § 11 Abs 2 verwiesen. Werden nämlich im Rahmen eines Gutachtenverfahrens Normen eines Kollektivvertrages geprüft, so kann der damit befasste Senat zur Vorbereitung der Beschlussfassung Arbeitsausschüsse einsetzen. Den Beratungen dieser Arbeitsausschüsse sind verpflichtend „Vertreter/innen der jeweiligen Kollektivvertragspartei“ beizuziehen.8 Abs 5 sieht für die Führung der laufenden Geschäfte, die Vorbereitung 9 der Sitzungen und die Besorgung der Kanzleigeschäfte vor, dass diese unter der Leitung des Senatsvorsitzenden einem oder, falls erforderlich, auch mehreren Bediensteten des Bundes übertragen werden können. Nach dem Gesetzestext ist davon auszugehen, dass die Entscheidung betreffend die Übertragung von Aufgaben an Bundesbedienstete Sache des Senates oder allenfalls seines Vorsitzenden (das ist mE nicht klar) ist. Diese Ermächtigung erscheint mir sehr großzügig zu sein, zumal es den Senaten damit offenkundig gestattet wird, die dienstlichen Pflichten von Bundesbediensteten ohne weitere Voraussetzungen und insb ohne Rücksicht auf bestehende Hierarchien zu erweitern. Eine Definition der Führung der laufenden Geschäfte findet sich in § 8 GBK-GO.
Ausschüsse des Senates § 15. (1) Der Senat kann die Behandlung von Verletzungen des
Gleichbehandlungsgebotes im Einzelfall einem Ausschuss übertragen; falls erforderlich, können mehrere Ausschüsse errichtet werden. (2) Jeder Ausschuss hat aus drei Mitgliedern zu bestehen. Den Vorsitz hat der/die Vorsitzende des Senates oder ein von dem/der Vorsitzenden betrautes Mitglied (Ersatzmitglied), das Bedienstete/r des Bundes ist, zu führen. Die übrigen Mitglieder sind vom/von der Vorsitzenden des Senates aus dem Kreise der Mitglieder oder Ersatzmitglieder der im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen zu entnehmen. 8 Zur Frage, ob dies auch im Plenum gilt, s § 11 Rz 31.
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§ 15 GBK/GAW-GesetzHattenberger (3) Für die Geschäftsführung der Ausschüsse gilt § 14 sinngemäß. Abs 2 und 3 wurden durch BGBl I 2013/107 neu gefasst. Literatur: Matt, Das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission, DRdA 2009, 442.
1 Das GBK/GAW-G sieht zwei Typen von Ausschüssen vor. Zum einen die Arbeitsausschüsse gemäß § 11 Abs 2, zum anderen die Ausschüsse nach § 15. Erstere können lediglich mit der Aufgabe der Entscheidungsvorbereitung betraut werden; letztere sind entscheidungsbefugt (arg „die Behandlung von Verletzungen des Gleichbehandlungsgebotes“). Erstere können bei der Prüfung von Kollektivvertragsnormen eingerichtet werden; letztere sind nach dem Gesetzestext für die Prüfung im Einzelfall vorgesehen. 2 Über die Einrichtung eines Ausschusses nach § 15 entscheidet der Senat. Die Zahl der Ausschussmitglieder ist mit drei gesetzlich fixiert.1 Zur Zusammensetzung bestimmt § 15 Abs 2 weiter, dass den Vorsitz entweder die Senatsvorsitzende oder ein von ihr betrautes Mitglied oder Ersatzmitglied, das Bediensteter des Bundes ist, zu führen hat. Die übrigen Mitlieder der Ausschüsse hat die Vorsitzende aus dem Kreis der Mitglieder oder Ersatzmitglieder der im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen zu „entnehmen“. § 16 Abs 2 GBK-GO verlangt diesbezüglich, dass mindestens eine Vertreterin der AGinnen-Seite und eine Vertreterin der ANinnen-Seite im Ausschuss vertreten sein muss. Ob diese Zusammensetzung eines Ausschusses für den in Teil III 1. Abschnitt GlBG geregelten Bereich angemessen ist, ist mE durchaus fraglich. Fraglich ist auch, ob die Anwältinnen der GAW das Recht haben, an Ausschüssen, die gemäß § 15 eingesetzt wurden, teilzunehmen. Das Gesetz (§ 5 Abs 3) räumt dieses Recht ausdrücklich nur für die „Sitzungen der Senate der Gleichbehandlungskommission“ und „ihrer Arbeitsausschüsse“ ein. Da nun der Begriff „Arbeitsausschuss“ für die in § 11 Abs 2 geregelten Ausschüsse „steht“, müsste man bei einer am Wortlaut orientierten Interpretation davon ausgehen, dass das Recht auf Teilnahme bei den § 15-Ausschüssen nicht besteht. Mit Rücksicht auf teleologische Erwägungen erachte ich dieses Interpretationsergeb1 Bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2013/107 war vorgesehen, dass ein Ausschuss aus mindestens drei Mitglieder zu bestehen hat. Die Festlegung der Mitgliederzahl oblag dem Senat.
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Ausschüsse des Senates
§ 15 GBK/GAW-Gesetz
nis aber für nicht haltbar. Es gibt – wenn ich richtig sehe – keinen sachlichen Grund dafür, die Anwältinnen der GAW im Plenum als Teilnehmerinnen zuzulassen, in einem Ausschuss hingegen nicht. Dies insb wenn man bedenkt, dass diese Ausschüsse entscheidungsbefugt sind und damit eine Behandlung einer Diskriminierungsfrage im Plenum nicht notwendig stattfindet. Nähme man nun einen Ausschluss von den Sitzungen der Ausschüsse an, so könnten Fragen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes durch die Einsetzung von Ausschüssen ohne Beteiligung der Anwältinnen behandelt und entschieden werden. Oder mit anderen Worten: Will man die Beteiligung der Anwältinnen verhindern, so setze man einen Ausschuss nach § 15 ein. Das ist mE nicht zusinnbar. Gleiche Argumente sind für den Vergleich mit den Arbeitsausschüssen anzuführen. Es ist nicht einzusehen, dass die Anwältinnen der GAW an den Arbeitsausschüssen, nicht aber den sonstigen Ausschüssen teilnehmen dürfen. Ich meine daher, dass § 5 Abs 3 gemessen an der Intention des Gesetzes und der darin zum Ausdruck kommenden Rolle der GAW als Beteiligte am Kommissionsverfahren, lückenhaft ist. Das dort vorgesehene Teilnahmerecht muss sich auch auf die Ausschüsse nach § 15 erstrecken.2 Fraglich könnte sein, ob es den Senaten im Einzelfall auch gestattet ist, 3 bloß vorbereitende Ausschüsse einzusetzen. Mayer-Maly3 hat diese Frage mit einem Größenschluss bejaht. Wenn es den Senaten von Gesetzes wegen schon gestattet ist, sogar entscheidungsbefugte Ausschüsse einzurichten, so muss ihnen eine, ihre Kompetenz weniger angreifende Einrichtung von bloß vorbereitenden Ausschüssen erst recht möglich sein. Dieser Auffassung ist mE vorbehaltlos zu folgen. Zum Verhältnis zwischen Ausschuss und den übrigen Senatsmitglie- 4 dern sieht § 16 Abs 3 GBK-GO vor, dass diese übrigen Mitglieder auf deren Verlangen über den Stand des Verfahrens zu informieren sind. Sie sind aber jedenfalls nach Abschluss des Verfahrens über das Ergebnis zu informieren. Nach § 16 Abs 4 GBK-GO steht es dem Senat zu, eine einem Ausschuss übertragene Angelegenheit durch Beschluss jederzeit wieder an sich zu ziehen. Die Einsetzung von Ausschüssen gemäß § 15 bietet sich vor allem dann an, wenn der Vorwurf einer sexuellen Belästigung verhandelt werden soll. Ein Gremium von drei Personen bildet gegenüber dem sieben2 Siehe auch § 3 Rz 11. 3 Mayer-Maly 82, 93.
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§ 16 GBK/GAW-GesetzHattenberger köpfigen Senat einen Rahmen, der der Intimität und Sensibilität der Sache wesentlich besser entspricht.4
Anwendung des AVG § 16. Auf das Verfahren vor den Senaten der Gleichbehandlungs-
kommission sind die §§ 6 Abs. 1, 7, 13, 14 bis 16 sowie 17 bis 22, 32 und 33 sowie – nach Maßgabe der §§ 12 Abs. 12, 26 Abs. 12 und 38 Abs. 3 des Gleichbehandlungsgesetzes – §§ 45 und 46 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, anzuwenden. Soweit darin hoheitliche Befugnisse geregelt sind, kommen diese der Gleichbehandlungskommission nicht zu. Für die Beiziehung von Dolmetschern und Übersetzern gelten die Bestimmungen der §§ 39a, 52 Abs. 2 bis 4, 53 sowie 53b AVG, wobei die Kosten von Amts wegen zu tragen sind. § 16 wurde durch BGBl I 2005/82 rückwirkend mit 1. Juli 2004 geändert. § 16 wurde durch BGBl I 2011/7 neu gefasst.
1 Der oftmals geäußerten Klage, dass das Verfahren vor der GBK nicht näher determiniert sei und daher rechtsstaatlichen Anforderungen nicht entsprochen werde, wurde durch § 16 dadurch begegnet, dass bestimmte Bestimmungen des AVG für anwendbar erklärt wurden. Bestimmungen über das Verfahren vor der Kommission finden sich daher an mehreren „Orten“: Zunächst im GBK/GAW-G selbst (insb in dessen § 14), in der auf der Grundlage der Ermächtigung des § 9 ergangenen GBK-GO (BGBl II 2004/396 idF BGBl II 2013/275) und kraft Verweises in § 16 auch im AVG. Anwendbar sind allerdings nur einzelne Bestimmungen des AVG. Konkret sind dies die Bestimmungen über die Zuständigkeit (§ 6 AVG), die Befangenheit (§ 7 AVG), über Anbringen (§ 13 AVG), die Niederschrift und Aktenvermerke (§ 14 bis 16 AVG), die Akteneinsicht, die Erledigung, die Ladung und die Zustellung (§§ 18 bis 22 AVG) und die Fristen (§ 32 und 33 AVG). § 16 verweist sodann noch auf § 45 und 46 AVG, die allgemeine Grundsätze über den Beweis wie die Beweisbedürftigkeit und die Unbeschränktheit der Beweismittel regeln. Diese §§ 45 und 46 AVG gelten allerdings nur „nach Maßgabe der §§ 12 Abs 12, 26 Abs 2 und 38 Abs 3 des Gleichbehandlungsgesetzes“.
4 Matt, DRdA 2009, 442 (443).
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Anwendung des AVG
§ 16 GBK/GAW-Gesetz
Die solcherart beschriebene Mehrheit von maßgeblichen Verfahrens- 2 vorschriften1 ist nicht unproblematisch, weil damit „Doppelregelungen“ geschaffen wurden, die interpretatorisch erst aufgelöst werden müssen. So sind nicht nur die ziemlich detaillierten Bestimmungen des AVG über Niederschriften, sondern auch § 6 der GBK-GO über Protokolle zu beachten. Durch BGBl I 2011/7 ist nunmehr ausdrücklich angeordnet, dass der GBK keinerlei hoheitliche Befugnisse zukommen, die in den verwiesenen Bestimmungen des AVG vorgesehen sind.2 Mit Rücksicht auf § 13 AVG ist die Einleitung des Verfahrens grund- 3 sätzlich formfrei und je nach „Ausstattung“ der Kommission auch „technikoffen“ möglich. Als Beweismittel kommt gemäß § 46 AVG alles in Betracht, was der Aufklärung der Diskriminierungsfrage dienlich ist (Unbeschränktheit der Beweismittel).3 Die §§ 45 f AVG betreffend Beweise gelten allerdings mit der Maßgabe, dass im Streitfall die betroffene Person, die sich auf bestimmte Diskriminierungstatbestände beruft, diese nur glaubhaft zu machen hat. Bestimmte Formen der Tatsachenermittlung sind im Gesetz oder in der GO ausdrücklich benannt; so etwa die Befragung von Auskunfts personen,4 die Beiziehung von Fachleuten mit beratender Stimme zu den Sitzungen gemäß § 14 Abs 4a sowie die Besichtigung des Betriebes (§ 5 Abs 7). Die verwiesenen Bestimmungen des AVG sind „auf alle Verfahren vor 4 den Senaten der Gleichbehandlungskommission“ anzuwenden. Da der Gesetzgeber nicht differenziert, gilt der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel auch in einem Verfahren nach § 11. Bemerkenswert ist, dass § 12 der GBK-GO ausdrücklich die Befragung von Auskunftspersonen „im Einzelfallprüfungsverfahren“ regelt und hier den Auskunftspersonen besondere Rechte garantiert wie zB das Recht, zur Befragung in Anwesenheit eines Rechtsanwaltes bzw eines Vertreters der für diese Person zuständigen beruflichen Interessenver1 Einmal das GBK/GAW-G samt Durchführungsverordnung, zum anderen die Bestimmungen des AVG. 2 Solche sind insb in § 19 AVG vorgesehen, der zB auch die Androhung von Zwangsstrafen oder der Vorführung vorsieht. Die Ladung selbst erfolgt gem § 19 Abs 4 durch Verfahrensanordnung. Dasselbe gilt auch für § 17 Abs 4 (Verweigerung der Akteneinsicht). 3 Vgl Mayer-Maly 81; Smutny/Mayr 436. 4 Erwähnt in § 10 Abs 2 und detailliert ausgeführt in § 12 GBK-GO.
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§ 21 GBK/GAW-GesetzHattenberger tretungen bzw einer Nichtregierungsorganisation zu erscheinen (Abs 4), oder in besonderen Fällen eine Vertrauensperson beizuziehen (Abs 5). Fraglich ist nun, ob diese verfahrensrechtlichen Garantien auch Auskunftspersonen, die in einem § 11-Verfahren geladen werden, gewährt werden müssen. Mit Rücksicht auf die gesetzlichen Grundlagen müsste man diese Frage wohl eher verneinen. § 12 enthält in seinem Abs 2 und weiters noch in Abs 5 bereits verfahrensrechtliche Garantien für den Betroffenen, die dann durch die §§ 11 ff der GBK-GO näher durchgeführt werden. Und da die Geschäftsordnung nicht differenziert, ist wohl auch der Betroffene „Auskunftsperson“. Für das Gutachtensverfahren sind demgegenüber weder in § 11 noch in der dazu ergangenen Ausführungsbestimmung des § 10 GBK-GO Rechte von Auskunftspersonen normiert. Die Anhörung von Auskunftspersonen ist nur als mögliches Beweismittel in § 10 Abs 2 GBK-GO erwähnt. Man könnte daher von einer bewussten Differenzierung sprechen. Das ist mE allerdings nicht zwingend. Es ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber generell allen „Auskunftspersonen“ im Einzelfallprüfungsverfahren gewisse Rechte garantiert, unabhängig, wie „nahe“ oder „fern“ sie der geprüften Regelung oder Maßnahme stehen. Insofern erachte ich es als unbillig, würde man Auskunftspersonen im Gutachtensverfahren diese Rechte nicht einräumen. Die Interessenlage ist durchaus eine vergleichbare. 5 Selbst wenn nun das Verfahren der GBK durch Verweis auf einzelne Bestimmungen des AVG dichter vorherbestimmt ist und die Position der Beteiligten doch auch verbessern dürfte,5 so bleibt doch zu beachten, dass diese Rechte nicht durchsetzbar sind.
§ 21. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 1979 in Kraft. § 2 Abs.
1, 1a, 1b und 2, § 2a Abs. 1, 1a, 2, 5, 5a, 7, 8 und 9, § 3 Abs. 5, § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 4, § 6a Abs. 4, § 10 Abs. 1, §§ 10b, 10c und 10d in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 833/1992 treten mit 1. Jänner 1993 in Kraft. (2) Verordnungen auf Grund des I. Teiles können bereits von dem seiner Kundmachung folgenden Tag an erlassen werden. Diese Verordnungen dürfen frühestens mit 1. Juli 1979 in Kraft gesetzt werden. 5 So zB das Recht, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu gemäß § 45 Abs 3 AVG Stellung zu nehmen.
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§ 21 GBK/GAW-Gesetz
(3) § 12 Abs. 1, 1a, 1b und 2, § 13 Abs. 1, 1a, 2, 5, 5a, 7, 8 und 9 und § 18 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 833/1992 treten gegenüber den Ländern mit dem Tage der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft. Die Ausführungsgesetze sind binnen sechs Monaten ab dem der Kundmachung folgenden Tag zu erlassen. (4) § 2 Abs. 1a, § 2a Abs. 7, § 3, § 3a Abs. 1, 2a, 3a und 7 sowie § 7 Abs. 4 und 6 sowie § 10b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/1998 treten mit 1. Mai 1998 in Kraft. Die zu diesem Zeitpunkt bestellten Mitglieder der Gleichbehandlungskommission und deren Ersatzmitglieder gelten gemäß § 3 dieser Fassung bis zum Ablauf des 30. Juni 1999 bestellt. (5) § 12 Abs. 1a und § 13 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 44/1998 treten gegenüber den Ländern mit 1. Mai 1998 in Kraft. Die Ausführungsgesetze sind binnen sechs Monaten nach diesem Tag zu erlassen. (6) § 2a Abs. 7 und § 10d in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2001 treten mit 1. Jänner 2002 in Kraft. (7) § 13 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2001 tritt gegenüber den Ländern mit 1. Juli 2001 in Kraft. Die Ausführungsgesetze sind binnen sechs Monaten nach diesem Tag zu erlassen und haben ein In-Kraft-Treten mit 1. Jänner 2002 vorzusehen. (8) §§ 1 bis 16 sowie 22 bis 24 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 66/2004 sowie der Entfall der Überschriften „I. Teil“, „III. Teil“ und „Schlussbestimmungen“ treten mit 1. Juli 2004 in Kraft. §§ 10a bis 10d sowie der bisherige II. Teil treten mit 30. Juni 2004 außer Kraft. (9) §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 1, 10 Abs. 1 und § 16 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2005 treten mit 1. Juli 2004 in Kraft, § 1 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 82/2005 tritt mit 1. Jänner 2006 in Kraft. (10) § 1 Abs. 1 und 2, 2 Abs. 2, 4, 6 und 7, § 3 Abs. 1 und 2, 6 und 9, § 4 Abs. 2, § 6, § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 1 bis 3, 6 und 7, § 13 Abs. 1, sowie §§ 22 und 24 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2008 treten mit 1. August 2008 in Kraft. § 2 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2008 tritt mit Ablauf des 31. Juli 2008 außer Kraft. Die auf Grund der Änderung des § 2 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 98/2008 erstmals zu bestellenden Mitglieder des Senats III sind mit 1. Oktober 2008 zu 921
§ 21 GBK/GAW-GesetzHattenberger bestellen; bis dahin hat der Senat III in der am 1. Juli 2008 bestehenden Zusammensetzung seine Tätigkeit wahrzunehmen. (11) § 1 Abs. 2 Z 3, § 3 Abs. 2 Z 3, Abs. 5a und Abs. 8 Z 4 und 5, § 4 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2a, § 5 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2a, § 6 Abs. 1 sowie die Überschrift zu § 6, § 9, § 10 Abs. 1a erster Satz, Abs. 1c und Abs. 2a, § 12 Abs. 1, 2 und 3, § 13 Abs. 1 und Abs. 4, § 14 Abs. 4 und 4a, § 16, § 22 und § 24 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 treten mit 1. März 2011 in Kraft. § 14 Abs. 4 und § 16 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 gelten für Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission, bei denen der Antrag bzw. das Verlangen nach dem 28. Februar 2011 gestellt wird. Für Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission, bei denen der Antrag bzw. das Verlangen vor dem 1. März 2011 gestellt wird bzw. worden ist und die noch in keiner Senatssitzung behandelt worden sind, gelten § 14 Abs. 4 und § 16 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011, wenn dies entweder die von einer Diskriminierung im Sinne des GlBG betroffene Person oder die Person, gegen die sich der Antrag bzw. das Verlangen richtet, beantragt und die jeweils gegenbeteiligte Person dem zustimmt. (12) § 3 bis § 5 samt Überschriften, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1, 2, 5 und 7, § 13 Abs. 1 und 4, § 14 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 3a, 4 und 4a zweiter Satz, § 15 Abs. 2 und 3 sowie § 22 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2013 treten mit 1. August 2013 in Kraft. §§ 6 und 7 samt Überschriften treten mit Ablauf des 31. Juli 2013 außer Kraft. Unter Regionalvertreter/innen gemäß § 3 Abs. 1 Z 4, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 sind ab 1. August 2013 die Regionalanwälte/Regionalanwältinnen gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2013, zu verstehen. Unter Stellvertreter/innen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 7/2011 sind ab 1. August 2013 die weiteren Anwälte/Anwältinnen gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2013, zu verstehen. § 14 Abs. 3 und Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2013 gelten für Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission, bei denen der Antrag nach dem 31. Juli 2013 gestellt wird. Für Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission, bei denen der Antrag vor dem 1. August 2013 gestellt wird, gelten § 14 Abs. 3 und Abs. 4 in der bis dahin geltenden Fassung. (13) § 2 Abs. 2 bis 4 und Abs. 9 treten mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Mit diesem Zeitpunkt sind die Mitglieder der Gleichbehandlungs922
Verweisungen
§§ 22, 23 GBK/GAW-Gesetz
kommission für den Rest der laufenden Funktionsperiode bis 30. Juni 2016 neu zu bestellen. Die „Länge“ des § 21 gibt Anlass zu einer die Legistik betreffenden Be- 1 merkung. Es ist bedauerlich, dass die „Erlassung“ des GBK/GAW-G1 oder einzelner Novellen2 nicht zum Anlass genommen wurde, auch die In-Kraft-Tretens-Bestimmungen zu bereinigen. Klammert man die Bestimmung des § 10 von der Betrachtung aus, so beziehen sich sieben der insgesamt dreizehn Absätze auf Bestimmungen, die mit der 2004 (BGBl I 2004/66) erfolgten Novellierung des GlBG aus 1979 nicht mehr in Kraft sind. Ihnen kommt daher nur noch rechtshistorische Bedeutung zu.
§ 22. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind hinsichtlich der §§ 5 Abs. 6 letzter Satz und 12 Abs. 4 und 5 der/die Bundesminister/in für Justiz, hinsichtlich des § 24 der/die Bundeskanzler/in im Einvernehmen mit dem/der Bundesminister/in für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, im Übrigen der/die Bundeskanzler/in betraut. § 22 wurde durch BGBl I 2008/98 geändert. § 22 wurde durch BGBl I 2011/7 geändert. § 22 wurde durch BGBl I 2013/107 neu gefasst.
Verweisungen § 23. Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
1 Siehe Vor § 1 Rz 1 ff. 2 Die Novelle BGBl I 2013/107 hätte sich angeboten, da das Gesetz in etwas größerem Stil umgebaut wurde.
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§ 24 GBK/GAW-GesetzHattenberger
Berichte an den Nationalrat § 24. Der/die Bundeskanzler/in und der/die Bundesminister/in für
Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz haben dem Nationalrat alle zwei Jahre einen Bericht über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes vorzulegen. Dieser Bericht hat insbesondere Angaben über die Tätigkeit und Wahrnehmungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Verfahren vor der Kommission und die sonstige Tätigkeit der Kommission zu enthalten. Jedes zweite Mal ist dieser zweijährige Bericht durch Beiträge der Interessenvertretungen der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen zu ergänzen und dem Nationalrat vorzulegen. § 24 wurde durch BGBl I 2008/98 geändert. § 24 wurde durch BGBl I 2011/7 geändert.
1 § 24 regelt im Vergleich zum früher geltenden § 10a GlBG das Berichtswesen neu.1 BK und BMA2 haben alle zwei Jahre einen gemeinsamen Bericht über die Vollziehung des GlBG vorzulegen. Der Bericht hat auch die Tätigkeiten der beiden Institutionen zu umfassen. Der zweijährliche Bericht ist jedes zweite Mal – demnach alle vier Jahre – um Beiträge der Interessenvertretungen der AGinnen und ANinnen zu ergänzen. Dieser tritt an die Stelle des alle fünf Jahre zu erstattenden Gleichbehandlungsberichts.3 Der letzte Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft wurde für die Jahre 2016 bis 2018 erstellt.4
1 Näher dazu Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/GAW-G § 24 Rz 1. 2 Gemäß § 17 BMinG (BGBl 1986/76 idF BGBl I 2021/148) ist für die Berichtslegung die BMin für Arbeit (§ 1 Z 4 BMinG) zuständig. 3 RV 307 BlgNR 22. GP 27. 4 III-207 BlgNR 24. GP; näher dazu auch Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 GBK/GAW-G § 24 Rz 2.
924
Stichwortverzeichnis Die angegebenen Paragraphen beziehen sich auf das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG). Jene, die mit GBKG gekennzeichnet sind, beziehen sich auf das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-G). Hauptfundstellen sind kursiv gesetzt. Abfertigung 20/71 – neu 3/117 Abhängigkeit, persönliche 1/25 Abhängigkeit, wirtschaftliche 1/38 Abhilfe 1/27, 6, 7/44d ff Ablaufshemmung 12/5 GBKG AEUV – Art 8 1/4 – Art 10 1/4 – Art 19 30/2 – Art 157 2/2, 3/90, 3/155 – Art 157 Abs 1 1/4, 1/15, 2/19, 3/89 ff, 3/168 – Art 157 Abs 4 8/13 ff affirmative action 2/11, 8/1 Aktenvermerk 11/35 GBKG Algorithmen 3/13a Alter 17/44, 20/53 – Dienstalter 19/73 f, 20/65, sa Anciennität, Berufserfahrung – Höchstalter 20/74 – Lebensalter 3/162, 17/44, 19/35 – Mindestalter 20/64 Altersgrenze 3/150, 3/160, 20/53, 20/74 f Altersvorsorge, betriebliche 3/169 ff
– Direktpension 3/172 – Pensionskasse 3/172, 3/187 ff Amtshaftung 1/2 GBKG, 1/10 GBKG Amtssachverständige 10/7 GBKG Amtsverschwiegenheit 1/2 GBKG, 3/10 GBKG, 10/13 GBKG, 14/6 GBKG Anciennität 3/128, 3/140, 3/147, 20/65 ff, sa Berufserfahrung Änderungsrichtlinie 1/6, Einl/13 ff GBKG Anfallsalter, Pensions- 3/176, 3/184, 3/186, 8/24, 19/6, 20/74, 20/77 ff Anonymisierung Einl/12 GBKG, 1/3 GBKG, 11/31 GBKG Anpassung nach oben 3/27, 3/32 f, 3/179 Antidiskriminierungsrecht – ökonomische Auswirkungen 2/14, 2/18 Antidiskriminierungsvorschriften – Begründung der 2/5 – Deutschland 1/3 – Mindeststandard 1/11, 1/48 925
Stichwortverzeichnis
Antirassismusrichtlinie 12/7, 12/16, 12/48, 12/55, 12/57, 12/63, vor 16/4, 17/7, 26/1 f, 30/2, 30/4 f, 30/8 ff, Einl/13 ff GBKG, 3/3 GBKG, 3/10 GBKG, 5/1 GBKG, 12/6 GBKG Antragsrecht – Einzelfall, ArbeitgeberIn 11/11 GBKG – Einzelfallprüfungsverfahren 12/7 GBKG – Gutachten 11/25 GBKG – Berichtspflicht 11/22 GBKG Anwälte/innen 3/2 GBKG, 3/6 GBKG, 4/1 GBKG, 5/1 GBKG – Beendigung der Funktion 3/8 GBKG – Beratung 4/4 GBKG – Bestellung 3/7 GBKG – Beteiligung Senatsverfahren 4/5 GBKG – Einberufung von Sitzungen 14/2 GBKG – Ermittlungen 4/5 GBKG – Feststellungsklage 4/6 GBKG – Koordination 3/6 GBKG – sonstige Bereiche 6 GBKG – Stellung 4/3 GBKG – Teilnahmerecht 14/2 GBKG – Ausschüsse 15/2 GBKG – Unterstützung 4/4 GBKG – Verbandsklage 12/14 GBKG, 12/16 GBKG – Verfahrenseinleitung, Einzelfallprüfungsverfahren 12/7 GBKG – Verlangen 11/25 GBKG Anwaltschaft 3/1 ff GBKG 926
– Behördenqualität 3/4 GBKG – für Gleichbehandlung 3/1 GBKG – Rechtsnatur 3/4 GBKG – Stellung 3/5 GBKG Anweisung 3/12, 6, 7/44a f, 19/2 – Aufstachelung 3/12 Arbeit – auf Abruf 3/88 – Eignung zur 3/61 – gleiche 3/100, 3/105 ff – gleichwertige 3/90, 3/100 f, 3/107 ff, 5/36 – höherwertige 3/100 – objektive Faktoren 3/102, 3/105 Arbeiterkammer 1/43 Arbeiterkammerwahlen 17/27 Arbeitgeber 3/63, 3/103, 12/1 f, 12/4, 12/10, 12/16 f, 12/27 ff, 12/33 f, 12/39, 12/63, 13/2 – Einkommensbericht 11a/6 – Fürsorgepflicht 6, 7/44d ff, vor 16/20, 19/33 – Gebietskörperschaften ArbG, Ausnahmen 1/28, 1/39 – Maßnahmen des 3/11 – Verantwortung des 3/27, 5/45 – Verhalten des 3/10 ff – verschiedene 3/103 – Zurechnung von Mitarbeitern 3/13 – Verhandlungsgehilfen 3/13 – Zurechnung zum Staat 1/18 Arbeitgeberorganisationen 4, 18 Arbeitnehmer – Begriff 1/13 – im Unionsrecht 1/21 – nach österr Individualarbeitsrecht 1/24
– Beiträge der 3/192 – Einkommensbericht 11a/4 – Heimarbeiter 1/34 – iSd Art 157 AEUV 1/21 Arbeitnehmerähnliche Personen 1/35 ff – Gebietskörperschaft 1/39 Arbeitnehmerorganisationen 4, 18 Arbeitnehmerschutz 3/83, 3/148, 5/23, 19/93, 20/21 Arbeitnehmerüberlassung 1/27 – Einkommensbericht 11a/4, 11a/11 Arbeitsaufgaben 3/143 Arbeitsausschüsse Einl/3 GBKG, 3/11 GBKG, 11/32 GBKG, 14/5 GBKG, 15/1 GBKG Arbeitsbedingungen 1/2, 1/6, 1/15 f, 2/4, 2/13, 2/28, 3/1 f, 3/6 f, 3/14 f, 3/20, 3/23, 3/32, 3/49 f, 3/69, 3/88 f, 3/102, 3/105, 3/138, 4/1, 6, 7/13, 6/7, 18 f, 6, 7/32, 8/10, 12/19, 15/5, 15/12 f, vor 16/20, 17/21, 19/10, 19/80 ff – andere 5/34, 5/36, 5/43, 8/12 – schlechtere 3/149 – sonstige 3/29, 3/42, 3/91, 3/136, 3/143 ff, 5/13, 5/16, 5/22, 5/26, 5/29, 5/46, 5/63, 6, 7/2, 8/2 f, 12/42 ff, 17/6, Einl/9 GBKG, Einl/13 GBKG – Überwachung 3/143 – Veränderung der 3/145 Arbeitsbewertung 3/101, 3/113 Arbeitskleidung 6, 7/52b, 19/80 ArbeitskollegInnen 3/17
Stichwortverzeichnis
Arbeitsmarkt 3/121, 3/127, sa Markt Arbeitsmarktservice 1/41 Arbeitsplatz, Ausgestaltung des 3/143 Arbeitsort 3/143 – gewöhnlicher 1/30, 1/33 Arbeitsunfall 6, 7/67 ff Arbeitsverhältnis 1/19 ff, 3/1, 3/11 – aller Art 1/26 – befristetes s Befristung – Begründung des 3/60 ff – Beendigung durch den ArbG auf Grund der Schwangerschaft 3/69 – geringfügiges 3/174 – Nachwirkungen 3/11 – Probezeit 3/149 – Statusangelegenheiten 2/4 – Universitäten 1/28 – Unterordnungsverhältnis 1/22 – Vertragsanbahnung 3/11 Arbeitsvermittler 9/4, 9/17, 10/1 Arbeitsvertrag, befristeter s Befristung Arbeitswelt 1/19, 1/36, 1/43, 2/21, 3/43 f, 3/47, 3/139, 6, 7/4, 6, 7/13, 6, 7/27, 6, 7/32 f, 6, 7/34 f, 10, 12/11, vor 16/1, 17/1, 24, 26/1, 30/1, 30/11, Einl/1 GBKG, Einl/3 GBKG, Einl/9 GBKG, Einl/11 GBKG, Einl/16 f, 1/11 GBKG, 2/2 GBKG, 3/6 f GBKG, 3/9 GBKG, 4/3 ff GBKG, 5/1 ff GBKG, 7/4 GBKG, 8/1 GBKG – sonstige 4/1 ff, Einl/9 GBKG, 1/6 GBKG, 10/12 GBKG, 927
Stichwortverzeichnis
12/8 GBKG, 13/1 GBKG, 13/3 GBKG, 13/6 GBKG Arbeitszeit 3/143, 19/80 ARR 2014 14/1 Assoziation s Diskriminierung durch Assoziation Aufklärungspflicht 3/69 Aufstieg, beruflicher 3/136 ff Aufwandsentschädigung 3/143 Ausbildung 3/85, 3/129 ff, 4/4 Ausbildungsverhältnisse 1/26 Ausgliederung 1/28 Auskunft, Anspruch auf 1/9b, 11a/30 Auskunftsperson 16/4 GBKG Auskunftspflicht 4/4 GBKG, 10/12 GBKG, 13/3 GBKG Ausland 1/30 ff, 3/81 ff Ausnahmen 1/6, 8/2, 9/5 – Landarbeitsgesetz 1/29 – Transparenzerfordernis 3/74 – ungeschriebene 5/21 Ausschreibung 3/75, 5/15, 9/6 ff, 23 – diskriminierungsfreie 23 – geschlechtsneutrale 9/12 ff – keine Pflicht zur 9/1 Ausschüsse 15/1 GBKG – vorbereitende 15/3 GBKG – Zusammensetzung 15/2 GBKG Austritt, vorzeitiger 3/145 AVG, Anwendung 11/35 GBKG, 12/10 GBKG, 16/1 GBKG Beamtenpension 3/170 Beendigung 3/152 ff – aus wichtigem Grund 3/152 – des Probearbeitsverhältnisses 3/152 928
Befangenheit 11/35 GBKG Beförderung 3/2 f, 3/6, 3/19, 3/34, 3/51, 3/53, 3/61, 3/69, 3/72, 3/75, 3/94, 3/136 ff – Anspruch auf 3/137 Befristung 3/2, 3/67, 3/88, 3/149 f, 3/152 Behörde – Anwaltschaft, keine 3/4 GBKG – Gleichbehandlungskommis sion 1/3 ff GBKG – partielle 1/6 GBKG Beiräte 10/3 GBKG, 10/5 GBKG Belästiger 6, 7/43, 6, 7/62b, 6, 7/74 Belästigung 3/37, 6, 7/12, 6, 7/15, 6, 7/67, 21 – Ablehnung der 6, 7/28 – Ablehnungsobliegenheit 6, 7/26 – Abhilfe gegen 1/27, 6, 7/44d ff – Dortmunder Studie 6, 7/8 – geschlechtsbezogene 6, 7/3, 6, 7/5 f, 6, 7/9, 6, 7/12, 6, 7/20, 6, 7/21, 6, 7/39 f – Beleidigung 6, 7/41 – Witze 6, 7/33 – sexuelle 6, 7/1, 6, 7/3 f, 6, 7/9, 6, 7/18, 6, 7/39 ff, 17/51 – Auffangtatbestand 6, 7/12 – Eingriffsnorm 1/33 – Komplimente 6, 7/38 Belegschaftsvertretung 1/43 Benachteiligung 3/118 ff – Effizienz 2/17 – Einkommensbericht 11a/26 – Pflicht zur Vermeidung 5/57 – Schwangerer 3/40
– statistische 5/32 ff – Unterschied 5/38 – unmittelbare 5/5 – vermutete 3/5, 3/24, 5/24, 5/30 ff – Vorurteile 2/14 – Verbot 3/48, 13/1 f, 27 Beratung, Anwältin 4/4 GBKG Berichte, unabhängige Einl/15 GBKG, 3/3 GBKG, 3/10 GBKG Berichtspflicht 1/3 GBKG, 11/1 GBKG, 11/20 GBKG, 13/1 GBKG – Antragsrecht 11/22 GBKG – Funktionen 13/2 GBKG – Inhalte 13/6 GBKG – Konsequenzen 13/7 GBKG Berufsberatung 1/40 ff Berufsbildung 1/40 ff Berufserfahrung 3/86, 3/126, 3/128, 3/142, 3/162, 20/64, 20/67 ff – Vorbeschäftigung 3/85, 5/41 – Vordienstzeiten 3/128, 3/140 f, 3/147, 5/25, 5/60, 19/38, 19/73 f, 20/67 Berufsorganisationen 1/43 ff Berufszuschreibungen 3/79 Berufung 4/8 GBKG Beschäftigung, Zugang zur 3/60 Beschäftigungsverbot 3/84, 5/18 Bescheid 1/3 GBKG, 2/5 GBKG – verfahrensrechtlicher 1/4 GBKG, 16/2 GBKG Beschlussfähigkeit 11/36 GBKG, 14/4 GBKG Beschlussfassung 11/36 GBKG, 14/4 GBKG
Stichwortverzeichnis
Bestellung, AnwältInnen 3/7 GBKG Beteiligung, Verwaltungsverfahren Einl/14 GBKG, Einl/15 GBKG Betreuungspflichten 3/146 Betriebe – mehrere 3/15 – verschiedene 3/124 betriebliches System, Anschluss an ein 3/184 betriebliche Übung 11/7 GBKG Betriebsfrieden 19/92 Betriebspensionen 3/31 f, 3/93 f, 3/96, 3/115 f, 3/118, 3/126, 3/167 ff, 5/26, 5/36, 20/88, 63/3 – Abgrenzung zu allgemeinen Versorgungssystemen 3/170 – beitragsorientierte Zusage 3/191 – leistungsorientierte Zusage 3/189 Betriebsrat 6, 7/52 Betriebsratswahlen 17/27 Betriebstreue 20/64, 20/66 ff sa Berufserfahrung Betriebsvereinbarung 3/11, 3/16, 3/29, 25 Betriebszugehörigkeit s Berufserfahrung Beweisanforderungen 3/32 Beweislast 12/56 ff – Richtlinie 1/7, 5/27, 5/33, 12/7, 12/57 – -verlagerung 12/57, 12/57a Beweismaß 12/57 – Wahrscheinlichkeit 12/56 f Beweismittel, Unbeschränktheit 11/35 GBKG, 16/3 GBKG 929
Stichwortverzeichnis
Bewerber 1/23, 3/60 ff, 11a/30 – Mitbewerber 10/3 Bewerbung 3/61 Bewusstseinsbildung 11/1 GBKG, 11/23 GBKG Bildung 30/5, 30/19 BMGF Einl/16 GBKG, 2/4 GBKG, 2/5 GBKG, 3/7 GBKG, 7/3 GBKG, 24 GBKG BMSVG 3/117 BMWA Einl/16 GBKG, 24 GBKG Branchenzugehörigkeit 19/73 Bund, Regelungskompetenz 1/42 f, 1/45, 30/25 ff, 40c/1 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz 1/13 GBKG, 5/2 GBKG, 6 GBKG Bundesverwaltung – mittelbare 1/6 GBKG – unmittelbare 1/6 GBKG B-VG – Art 7 2/2, Vor 16/10 – Art 7 Abs 2 8/5, 22/1 CEDAW siehe Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau Chancengleichheit 2/1, 2/19, 8/1, 8/8 – Grundsatz der 1/12 COVID-19 60/2, 63/6 Customer preferences siehe Kunden Datenschutz 11a/24 Dienstleistungen – Versorgung mit 30/14f – Zugang zu 30/f, 31/4 Dienstvertrag, freier 1/37, 3/88 Differenzierungspflicht 3/30 930
Differenzierungsziel 5/50 ff Diskriminierung – Anweisung zur 3/12 – „aufgrund“ des Geschlechtes 3/9 – sex plus ground 3/35 – Begriff 3/4 ff – durch Assoziation 5/64 f, 19/c1 – Folgediskriminierung 3/50 – Folgenorientierung 3/6 – intersektionelle 12/62, 19/95 – Kenntnis 3/63 – Mehrfachdiskriminierung 3/7, 3/51 ff, 12/62, 19/95 ff, 1/12 GBKG – Kombination von zwei missbilligten Unterscheidungskriterien 3/53 – missbilligte Merkmale Einl/38, 3/63, 5/7 ff – mittelbare 5/24 ff, Einl/7, 19/4, 3/5, 3/85 ff, 3/118 ff, 3/161 ff, – Anspruchsvoraussetzungen 5/65 – Definition 5/26 – Rechtfertigung Einl/41 – Statistik 5/32 ff – Bekanntschaft 5/10 – missbilligte 5/7 f – objektive Bestimmbarkeit 3/6, 5/4 – Sympathie 5/10 – unmittelbare 5/2 ff, 3/5, 3/62 ff, 3/115 ff, 3/146, 3/157, 8/2, 12/57a, 19/5 – Einzelentscheidungen 3/157, sa Einzelmaßnahmen – Kostenargumente 3/64, 5/5, 5/49, 5/52, 5/62
– Rechtfertigung 5/22 – verdeckte 3/35 – „wegen“ des Geschlechtes 2/7, 3/51, 3/65, 3/75, Dirimierungsrecht 14/4 GBKG Diskriminierungsverbote – Durchsetzung 3/34, 13/2 – Gebot zu „sachlicher“ Entscheidung 3/10 – Verweigerung angemessener Vorkehrungen 2/12, 5/57 Dritte/r 6, 7/43 ff Drittes Geschlecht s Geschlecht, nicht-binäres Drittstaatsangehörige 17/4, 17/23, 31/21 Durchschnittsbetrachtung 3/9 GBKG Durchschnittseinkommen 3/92 Durchsetzbarkeit, Verfahrensfehler 16/5 GBKG Ehe s Familienstand Ehepartner 3/163 Einberufung von Sitzungen, Senate 14/2 GBKG Einkommensbericht 11a/1 ff – Anonymisierung 11a/14 – Anwendungsbereich 11a/3 – Arbeitgeber 11a/6 – Arbeitnehmer 11a/4 – Durchsetzung 11a/20 – Entgelt 11a/10 – Frist 11a/28 – Geheimhaltung 11a/13 – Inhalt 11a/8 – Leitende Angestellte 11a/4 – Praxis-Ratgeber 11a/1 – Rechtsfolgen 11a/29 – Veröffentlichung 11a/13, 11a/19
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– Verschwiegenheitspflicht 11a/15 Einrichtung sui generis 1/1 GBKG Einstellung 3/2, 3/139, 5/28, 9/10 f – Besetzung, interne 9/11 – externe Suche 9/10 – Kontrahierungszwang 2/13, 3/2, 3/60, 3/136 Einsichtnahme in Gehaltsunterlagen 11a/24 Einstellungstest 5/37 Einvernehmliche Auflösung 3/152, 3/154 Einzelfall, Begriff 11/7 ff GBKG Einzelmaßnahmen 3/11, 3/133, 3/143, 5/7 ff, 5/28, 5/42 Einzelprüfung 11/1 GBKG Einzelfallprüfungsverfahren, Antragsrecht 12/7 GBKG Elternurlaub 3/116, 3/147, 3/178 EMRK vor 16/5a f Entgelt 3/89 ff, 3/95, 3/115, 3/168, 5/6, 5/36 – -bestandteil 3/90, 3/120, 5/29 – Druck des Verhandlungspartners 3/125 – -festsetzung 25 – -fortzahlung 19/32, 20/71 – Gegenleistung 3/95 – Gehaltsvorstellungen 3/127 – Geheimhaltungsklausel 11a/17 – iSd Art 157 AEUV 3/93 – Lohnnebenkosten 3/115 – Quelle, dieselbe 3/103, 3/124, 5/34 – Richtlinie 1/5 – Unterschiede im Lohngefüge 3/108 931
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– Vergütung 3/93 – Zeitlohn 3/119 Enthebung – Bescheid 2/5 GBKG – Senate, Gleichbehandlungskommission 2/5 GBKG Entlassung 3/156, 3/161, 6, 7/54 ff Entlohnung 3/ 89 ff – Einstufung 3/113 – Einstufungssystem 3/122 – leistungsbezogene 3/119 Entlohnungsgruppen 3/114, 3/138 Entlohnungssystem 3/120, 11a/29 – Durchschaubarkeit 11a/29 Entschädigung 3/155, 12/5, 12/45 – wegen persönlicher Beeinträchtigung 3/154, 12/45 Entsendung – Auslandsberührung 1/30 ff – Einkommensbericht 11a/5 – Senate, Gleichbehandlungskommission 2/2 GBKG Entwicklung, historische 1/1 ff, 1/4 ff – Österreich 1/2, 63/1 Erledigung 11/35 GBKG Ernsthaftigkeit 3/61 ff Ersatzanspruch 3/2, 9/16 Erwerbstätigkeit, selbständige 1/45 ff, 4/1 Ethnie 31/5, 31/7, 31/8 ethnische Herkunft 31/2, 31/4, 38 ethnische Zugehörigkeit 17/7, 17/14, 20/23, 30/9, 31/1, 31/11, 32/2, 5/1 GBKG Ethos von Kirchen 20/31 ff 932
ex-post Prüfung 11/11 GBKG Fachhochschule 1/41 Fachleute, sonstige 11/33 GBKG, 14/5 GBKG Familienstand 3/41 ff, 3/146, 9/13, 19/43 f – Frage nach 3/72 Feiertage 19/31 ff, 22/3 Feststellungsklage s auch Verbandsklage 12/14 GBKG – Anwältin 4/6 GBKG – rechtliches Interesse 12/18 GBKG – Subsidiarität, keine 12/18 GBKG Feststellungsurteil, Wirkungen 12/20 GBKG Flexibilität 3/85 f, 3/128, 5/25, 5/59, 9/13 Förderungen 14/1 Förderungsmaßnahmen 2/3 GBKG – Frauenförderungsprogramm 8/25 Förderungsrichtlinien 14/1, 28, 37, 2/3 GBKG, 8/2 GBKG Fortlaufshemmung Einl/8 GBKG Fortpflanzungsmedizin 3/40a Frauenquote sa Vorrangregeln Freiheit 2/12 Fristen 15/1 ff, 11/35 GBKG Führen, Verwaltung 10/4 GBKG Gehaltsverhandlung 3/127 Gemeinde 1/28 Gender 3/35 f, 5/65 – budgeting 1/3b – mainstreaming 2/25 Gender Pay Gap 3/92, 11a/1 Generalklausel 8/1 GBKG
Gerichtsverfahren Einl/14 GBKG Geschäftsordnungskommissions-Geschäftsordnung 9 GBKG Geschäftspartner, Wünsche von 2/6, 2/13, 2/16, 3/19, 3/80, 3/125, 3/139, 5/62 – Lieferanten 3/19 Geschlecht 3/2 GBKG – als Unterscheidungsmerkmal 3/35, 5/2 – als unverzichtbare Voraussetzung 3/73 ff, 3/139, 5/15, 9/5 – biologisches 3/35 – nicht-binäres 1/3a, 3/35 f, 5/65, 8/9, 9/12, 10/1 – Stellung 4/1 GBKG geschlechtergerecht vor Einl GBKG Geschlechterparität 2/6 GBKG Geschlechtlichkeit 3/38 Geschlechtsidentität 3/35, 17/48 geschlechtspolitische Aktivität 3/38, 3/158 Geschlechtsumwandlung 3/36, 17/48 Geschlechtsvorbehalt 3/9 GBKG, 4/2 GBKG, 7/5 GBKG Gesellschaftsvertrag 1/46 f, 4/6 Gesetzessystematik Einl/2 GBKG Gewaltentrennung 12/2 GBKG Gewaltschutz 33/27 Glaubhaft machen 3/66, 5/39, 12/56 f, 4/7 GBKG, 11/25 GBKG, 11/28 GBKG GlBG-Hopping siehe Ernsthaftigkeit
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Gleichbehandlung 2/15, 3/3 ff, 3/8 f, 3/20 ff, 3/48 f, 3/80, 3/129 f, 3/146 f, vor 16/15 ff – Anwendung von Gesetzen 3/25 ff Gleichbehandlungsanwältin, Geschlecht, Allgemeines Einl/10 GBKG Gleichbehandlungsanwaltschaft s Anwaltschaft 3/1 GBKG Gleichbehandlungsgebot 2/2, 2/30, 3/3, 3/15, 3/20, 3/23, 3/49, 3/65, 3/80, 3/111, vor 16/15 – Inhalt des 3/3 Gleichbehandlungsgesetz – 1979 1/3 – Novelle, zweite 1/3 – Novelle, dritte 1/3 – § 11 3/101, 3/113 – Geschichte 1/1 ff – Novellen 1/3, 9/1, 9/14a, 12/12b, Vor 16/1, 19/3, 63 – Zuordnung zu den einzelnen Ziffern des § 3 3/2, 3/14 – Zwingender Charakter 1/48 ff Gleichbehandlungsgrundsatz 1/10, 2/1, 2/19, vor 16/20 Gleichbehandlungskommission 14/4 – Aufgaben Einl/9 GBKG, 8/1 f GBKG – Behördenqualität 1/3 ff GBKG – Rechtsnatur 1/1 GBKG – Rechtsstellung, Mitglieder 10/1 ff GBKG – Senate 1/11 GBKG, 2/1 GBKG – Verwaltungsorgan 1/2 GBKG, 10/4 GBKG 933
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– Zusammensetzung 2/2 GBKG – Zuständigkeit Einl/9 GBKG Gleichbehandlungskommis sions-Geschäftsordnung 11/35 GBKG Gleichheit – als Ausgleich 2/10, 8/7 – als Chancengleichheit 2/3 f, 2/19 – als Diversität 2/12 – als individuelle Gerechtigkeit 2/7 – als Symmetrie 2/7, 2/21, 8/6 – der Chancen 2/12 – Gesamtvergleich 3/106 – im Ergebnis 2/10 – Konzepte 2/3 f – gruppenbezogene Sicht 2/7, 2/22 – Terminologie 2/3, 3/4 Gleichheits(grund)satz 1/1, 2/2, 3/8, 3/30, 8/2, 12/21, vor 16/15, 30/15, 3/9 GBKG Gleichstellung 2/2, 2/29, 8 – gender mainstreaming 2/25 – volle 1/12, 2/1, 8/2 ff, 8/10 f, 8/14 ff Gründe – arbeitsplatzbezogene 5/59 – sachliche 5/9 – unternehmensbezogene 2/14, 5/62 – Einsparung von Kosten 5/62 Grundrechte 1/1, 1/9a, 2/20 – Drittwirkung vor 16/13 – Rechtsbeziehungen unter Privaten 1/1, 1/15a Grundrechtecharta 1/9a, 1/15a, 3/26, 8/13, vor 16/13, 63/2 934
Grundsatzbestimmung 1/29, 40c/1, IV/1 Gruppengerechtigkeit 8/7 Gruppeninteressen, kollektive 11/16 GBKG Gruppenklagen 3/60, 9/9, sa Verbandsklage Gruppensicht 2/22 Günstigkeitsprinzip 1/11 Gutachten 1/3 GBKG, 11/1 GBKG, 11/21 GBKG, 13/8 GBKG – Antragsrecht 11/22 GBKG, 11/25 GBKG – Begriff 11/7 GBKG – Rechtsnatur 11/31 GBKG – Verfahrensgegenstand 11/24 GBKG – Verlangen auf Erstellung 11/25 GBKG Güter 3/190, 40c – Versorgung mit 30/13 – Zugang zu 30/13 Gynäkologie 3/82 Haftung – ohne Kausalität 12/28 ff, 12/36 f – verschuldensunabhängige 3/6, 3/27, 5/4, 12/38 ff, 12/55 Härtefall 3/9 GBKG Hautfarbe 19/19, 21/5, 31/7 Hebamme 3/79, 4/6 Heer 3/78, 3/83 Herkunft 31/7 Herrenmode 3/78, 3/81, 5/9, 5/47 Hinterbliebene 3/35, 3/99, 3/175 ILO-Konvention Nr 111 Vor 16/20
In-Kraft-Treten 3/3, 63, Einl/4 GBKG, 21/1 GBKG, sa Rückwirkung Institutionalisierung Einl/10 GBKG Interessenvertretung 4/6 GBKG, 16/4 GBKG – Anhörungsrecht 3/7 GBKG – Antragsrecht 11/25 GBKG, 12/7 GBKG – Verbandsklagerecht 12/14 GBKG Intimsphäre 3/82, 6, 7/12, 6, 7/37, 6, 7/39, 6, 7/44d, 6, 7/44d, 6, 7/58, 33/25 IPR 1/30 Kammern 1/43 Kantine 3/91, 19/66, 19/80 Karenzurlaub 1/26, 3/40, 3/128, 3/140, 3/147, 11a/5, 11a/10 Kasuistik Einl/3 GBKG Kausalität 3/9, 3/61, 5/7 f, 5/7, 12/28 ff, 12/36, 13/5, 19/5 ff Kinder 3/44, 3/47, 3/163, 5/65 Kinderbetreuungspflichten 3/85, 3/128, 5/19 Kirche 20/31 ff – Organisationen 20/31 – Selbstbestimmungsrecht der 20/40 – Träger geistlicher Ämter 20/52 Klageverband Einl/15 GBKG, 12/6 GBKG Kleidungsvorschriften 19/66, 19/80, 19/90 – Erscheinung, gewünschte 9/13 Kleinbetrieb 1/26, 3/1 Koalitionsrecht 4/5
Stichwortverzeichnis
Kollektivvertrag 1/48, 3/20 ff, 3/29, 3/32, 3/104, 3/112, 5/36, 5/43, 5/46, 5/53, vor 16/17, 25 – Diskriminierung durch den 3/21 – Einkommensbericht 11a/8 kollektivvertragliche Verfallfristen 12/19 GBKG Kollektivvertragsautonomie 11/32 GBKG Kollektivvertragsparteien 11/32 GBKG – Rechtsstellung 11/34 GBKG Konkurrenz 11/4 GBKG Konsolidierte Richtlinie s Richtlinie 2006/54/EG Kontradiktorisch 11/8 GBKG, 12/11 GBKG Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau 2/2, 8/3 Konzern 1/27, 3/15, 3/104, 3/124, 11a/7 Koordination – AnwältInnen 3/6 GBKG – Gleichbehandlungskommis sion Einl/17 GBKG Kopftuch 19/90 – islamisches 19/7, 19/24 ff, 19/106 f, 20/29 Körperkraft 5/41, 5/59 Krankenanstalten 20/35 Kriterien – neutrale 3/118, 5/25 – besondere 5/40 ff Kultur 17/14, 19/63, 30/19, 31/5 ff kulturelle Authentizität 3/74, 3/78, 3/81, 20/14 Kumulative Anwendbarkeit 11/2 GBKG 935
Stichwortverzeichnis
Kunden 2/14, 3/19 – Erwartungen/Wünsche 2/14, 3/80, 5/62, 20/19 ff – Eigenschaften bestimmter Personen 5/62 Kündigung 3/152 – Auswahlentscheidung 3/162 – Selbstkündigung 3/152 Kündigungsfrist 20/71 Kündigungsschutz 3/150 – ArbVG, § 105 3/153, 3/162, 3/166 Ladung 11/35 GBKG, 16/2 GBKG Landarbeiter 1/29, IV/2 Landarbeitsgesetz 1/29, IV/4 Landesrecht 1/28, 40c/4 Land- und Forstwirtschaft 1/23, 1/29, IV/1 laufende Geschäfte 14/7 GBKG Lebenserfahrung 20/70 Lebensgemeinschaft 3/43, 5/64 Lebensversicherung 3/187 Legistik 11a/6, Einl/1 ff GBKG Lehrling 1/26 Leistung – aus Anlass der Beendigung 3/96 – bei Ausscheiden 3/167 – eines Dritten 3/99 – Rechtsgrundlage der 3/93 Leistungsverweigerung(srecht) 3/29, 6, 7/65 Leveling-Up 1/11, 3/35a, 40c/4 Loyalität 3/95, 19/34, 20/49 f – Loyalitätspflichten 20/41 f Marketingkonzept 3/80, 20/23 Markt 2/15, 3/111, 5/49 – gegen den 2/13, 2/15 f, 3/111, 5/49 936
– -kräfte 5/48 Maßnahmen – andere 8/23 – Bevorzugung 8, 8/15, 8/23 – von Frauen 8/2 – kollektive 3/11 – positive 2/11, 2/19, 8/1 f, 8/9, 11a/31, 20/23, 22 – spezifische 2/11 Maßregelungen 3/48 Maßregelungsverbot 3/48, 13/1 f, 27 Menschenwürde 2/5 Mindestentgelt 9/14a Mobbing 3/151, 6, 7/14a Mobilität 3/85, 5/25, 5/59, 9/13 Motive für Diskriminierung 2/14 Mutterschaftsurlaub 3/116, 3/135, 3/140, 3/147, 3/157, 3/178 Mutterschutz 3/16, 5/16 Nachtarbeitsverbot 3/83, 3/148, 5/23, 8/15 – für Schwangere 5/18 Nebenintervention 62, Einl/15 GBKG, 12/6 GBKG Nichtregierungsorganisation 2/1 GBKG, 16/4 GBKG Niederschrift 11/35 GBKG öffentliche Aufträge, Vergabe von 14/8 öffentliche Äußerungen 3/60, 9/9, 23/1 f öffentliches Interesse 5/63, 11/16 GBKG öffentliche Sicherheit 19/5 Öffentlichkeit, keine 14/6 GBKG Organmitglied 1/21, 1/47 Parteistellung 4/8 GBKG
– eines Organs 10/3 Personalstruktur 8/24 politischen Parteien 17/38, 20/39 politische Überzeugungen 17/36 präjudizielle Wirkung 12/4 GBKG Praktikum 1/41 Präsenzdienst 1/26, 3/37, 3/147, 9/13, sa Zivildienst Primärrecht 1/4 Privatautonomie 2/5, 2/12a f, 2/15, 19/88, 31/12 Privatwirtschaftsverwaltung 14/1, 1/9 GBKG Probezeit 3/149, 3/152, 12/27, 12/49b Prozessrisiko 11/17 GBKG, 12/1 GBKG, 12/17 GBKG Rahmenrichtlinie 2/1, 2/16, 5/27, 13/1, 13/3, vor 16/4, 26/1 f, 30/4, Einl/13 ff GBKG Rasse 17/7, 31/2, 31/4, 31/6, 38 Reasonable accomodations 2/12a, 8/12, 19/80 Rechtfertigung 3/126 ff, 5/46 ff, 5/86, 8/1 f, 8/6, 8/14, 8/20, 9/14, 12/9, 12/21, 12/23, 12/39, 15/5, 15/8, 15/14 – Angemessenheit 5/47, 8/17 – Erforderlichkeit 5/47, 5/56, 8/15 – Mittel, angemessenes 5/58 – sachliche 3/78, 5/47 Rechtfertigungsgründe 12/38 ff, 12/56 – Erwägungen, rein finanzielle 5/48, 5/52 – Kategorien von möglichen 5/52
Stichwortverzeichnis
Rechtliches Interesse 12/18 GBKG Rechtmäßiges Alternativverhalten 3/65 Rechtsfolgen 3/23, 3/28 ff, 3/52, 3/136, 3/145, 3/154, 9/15 ff, 12, 13 – Nichtigkeit 3/28, 3/145 – Vergangenheit, Folgen für die 3/22, 3/27, 3/32, 3/179, 63/1 ff – Zukunft 3/33 Rechtsfortbildung 1/17 Rechtsgrundsatz, Allgemeiner 1/15, 3/29 Rechtsirrtum 3/6, 3/29 Rechtsnatur – Anwaltschaft 3/4 GBKG – Gleichbehandlungskommis sion 1/1 GBKG – RegionalvertreterInnen 7/2 GBKG Rechtsschutz – Allgemeines Einl/7 GBKG – öffentlich-rechtlicher 2/5 GBKG – paralleler Einl/7 ff GBKG, 8/3 GBKG, 12/2 ff GBKG – unvollkommener 11/18 GBKG Rechtsschutzdefizit 11/16 GBKG Rechtsstellung, Mitglieder, Gleichbehandlungskommis sion 10/1 ff GBKG Rechtswidrigkeit 5/46 ff, 12/40 Redaktionell, Versehen Einl/3 GBKG Regelungen – als Mittel zur Zielerreichung 5/54 ff 937
Stichwortverzeichnis
– kollektive Rechtsgestaltung s Kollektivvertrag, 11/24 GBKG, 11/32 GBKG, 12/9 GBKG – generelle 5/30 – objektive Auswirkungen 5/30 – über die Zulassung 3/132 Regelungsquelle 3/101, 3/104, 3/124, 5/34 Regionalanwältin – Aufgaben 7/6 f GBKG – Rechtsnatur 7/2 GBKG – Teilnahmerecht, Ausschüsse 15/2 GBKG Regionalbüro Einl/11 GBKG, 3/2 GBKG – Allgemeines 7/1 GBKG – Aufgaben 7/6 f GBKG – Einrichtung 7/3 GBKG – Typen 7/4 GBKG Regionalisierung Einl/11 GBKG RegionalvertreterInnen 3/6 GBKG – Aufgaben 7/6 f GBKG – Rechtsnatur 7/2 GBKG – Teilnahmerecht 14/2 GBKG – Verbandsklage 12/14 GBKG, 12/16 GBKG – Verfahrenseinleitung, Einzelfallprüfungsverfahren 12/7 GBKG – Verlangen 11/25 GBKG Religion 17/30, 17/37, 20/40, 31/7 – Gebetszeiten 19/66, 19/91 – religiös ausgerichtete Institution 3/158, 20/9 f Richtlinien 1/4, 1/16 – unmittelbare Anwendung 1/18 938
– Vorschlag für Lohntransparenz 1/9b, 11a/32 – 75/117/EWG 1/5 – 76/207/EWG 1/6 – 79/7/EWG 1/7, 3/170 – 86/613/EWG 4/2 – 86/378/EWG 1/5, 3/168 – 92/85/EWG 3/39 – 96/71/EG 1/33 – 2000/43/EG Vor 16/4 – 2000/78/EG Vor 16/4 – 2002/73/EG 1/6 – 2004/113/EG 1/7, 3/189, 3/191 – 2006/54/EG 1/9 – 2010/41/EU 1/9, 1/45, 4/2 – 2010/18/EU 3/140 – 2019/1158/EU 3/140, 3/147, 5/18 richtlinienkonforme Interpretation 1/16, 3/75, 5/88, 12/43, 12/48, 63/2 Rollenbilder 3/79, 4/4, 8/16, 8/23 ROM-I VO Art 8 1/30 f, 1/33, 11a/5 Rückwirkung 3/3, 3/22, 3/32, 3/179, 3/183, 63, sa Rechtsfolgen Sachlichkeit 5/47 – Geeignetheit 5/55, 8/15 Sachverständige 10/3 GBKG Sanitäreinrichtungen 3/78 Schadenersatz 3/3, 3/6, 3/18, 3/23, 3/27, 3/29, 3/34, 3/59, 3/65, 3/71, 5/7, 6, 7/6, 6, 7/17, 6, 7/35, 6, 7/44a, 6, 7/62b ff, 6, 7/74 f, 12/2 ff, 12/9 f, 12/16, 12/19 ff, 12/36 ff, 12/47 ff, 12/63 f, 14/5, 15/4 f, 15/7 ff – gegen den Staat 3/27, 3/166
– Korrektur für die Vergangenheit 3/27, sa Rückwirkung Schlichtung 11/1 GBKG, 12/1 GBKG Schlichtungsstelle 3/16 Schlichtungsverfahren Einl/14 GBKG, 12/6 GBKG Schulen 20/11 Schwangerschaft 3/35, 3/39 ff, 3/67, 3/85, 3/116, 3/135, 3/157, 5/16 ff, 5/52, 19/107 – Begünstigungen 3/39, 5/17 – Frage nach der 3/69 Sekten 20/27 – Scientology 20/3, 20/27 Selbständige 1/21, 1/45, 4/1 Selbständigkeit 4/1 GBKG – Vorsitzende Gleichbehandlungskommission 10/2 GBKG Senate – Einberufung von Sitzungen 14/2 GBKG – Gleichbehandlungskommis sion 1/11 GBKG, 2/1 GBKG – Zusammensetzung 2/2 GBKG sexuelle Orientierung 17/46 f – Homosexualität 17/46 f, 20/50 Sicherheit 3/83 Sitte 33/25 Sittlichkeit 3/82, sa Intimsphäre Sitzungen, Einberufung 14/2 GBKG sozialer Dialog Einl/14 GBKG, Einl/15 GBKG Sozialleistungen 3/95 – freiwillige 3/89, 3/91 Sozialplan 3/167 sozialpolitische Vorschriften 3/52 f
Stichwortverzeichnis
sozialpolitische Ziele 5/53 Sozialschutz 30/26, 40c/1 speziellere Norm 11/2 GBKG, 11/6 GBKG Sprache 19/59, 31/18 – Akzent 19/60 Sprachgebrauch, geschlechtergerecht vor Einl GBKG Sprachkenntnisse 19/19 Staatsangehörigkeit 17/15 f, 19/16, 19/58, 30/27, 31/21 f Stellenausschreibung s Ausschreibung, 4/8 GBKG – diskriminierungsfreie 23 – geschlechtsneutrale 9, 10 Stellungnahmen, Einholung, Anwältin 4/4 GBKG Stimmengleichheit 11/36 GBKG Strafbestimmungen 10 Strafsanktionen 24 Strafverfügungen, Einspruchsrecht 4/8 GBKG Subsidiarität, Feststellungsklage 12/18 GBKG Subventionen 14/1, 14/5 f – Subventionsvertrag 14/2 f Sukzessivzuständigkeit 1/8 GBKG, 12/2 GBKG Täuschung 3/69, 3/157 Teilnahmerecht 3/11 GBKG, 14/2 GBKG – AnwältInnen 11/36 GBKG – Ausschüsse 15/2 GBKG Teilzeitbeschäftigung 3/86, 3/88, 3/105, 3/123, 3/126, 3/134, 3/142 f, 3/146, 3/165, 3/174, 3/178, 5/25, 5/36 f, 5/41, 5/61 Tendenzschutz 3/158; 20/33 ff Testverfahren 3/87, 12/4 GBKG Transsexualität 3/35, 17/48 939
Stichwortverzeichnis
überindividuelle Interessen 11/16 GBKG Umschulung 3/129 ff Unabhängigkeit 3/3 GBKG, 4/1 GBKG – Vorsitzende Gleichbehandlungskommission 10/2 GBKG Ungleiches 2/8 Unionsrecht 1/2 ff, 1/14 ff, 1/19 ff, 1/28 ff, 1/48 f, 3/3, 12/6 GBKG – Inkrafttreten Österreich 1/8, 3/180, 63/3 – Vorgaben Einl/13 ff GBKG – unmittelbar anwendbares 1/15 unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung 1/16, 12/40 Universität 1/28 Universitätsstudium 1/41 Unparteilichkeit 10/3 GBKG, 10/8 GBKG Unterhaltsanspruch 3/164 Unterhaltslasten/-pflichten 3/45, 3/163 Unternehmen 3/15 – ökonomische Perspektive 2/14 – Personalberatung 3/18 – wirkliches Bedürfnis des 5/46, 5/50, 5/56 unternehmensinterne Schutzvorschriften 3/148 Unternehmenskonzept 3/80 f, 20/19 ff, 20/54 Unterstützung – Anwältin 4/4 GBKG – unabhängige Einl/15 GBKG, 3/3 GBKG 940
Untersuchungen, unabhängige Einl/15 GBKG, 3/3 GBKG, 3/10 GBKG Urlaub 20/73 UWG, § 1 2/16, 10/3 Verbandsklage 3/60, 9/9, 11/16 GBKG, 12/14 ff GBKG – Anwältin 4/6 GBKG Verbandsrechtsschutz 11/9 GBKG, 11/16 ff GBKG Verfahren 11/35 GBKG, 16/1 GBKG – alternative Anwendbarkeit 11/2 GBKG – Einzelfallprüfung 12/10 GBKG Verfahrenseinleitung – Berichtspflicht 13/4 GBKG – Einzelfallprüfungsverfahren 12/7 GBKG, 12/9 GBKG – Gutachten 11/25 GBKG Verfahrensfehler, Durchsetzbarkeit 16/5 GBKG Verfahrensgegenstand, Gutachten 11/24 GBKG Verfahrenstypen 11/1 GBKG – Abgrenzung 11/2 ff GBKG, 11/20 ff GBKG Verfassungsbestimmung Einl/2 GBKG Vergleich – hypothetischer 3/7 – mit früheren Arbeitsbedingungen 3/7 – Reichweite des 3/124 ff – statistischer 5/26 Vergleichbare Lage/Situation 3/8, 3/30, 3/39, 3/61, 5/3, 5/17, 5/35, 19/6 Vergleichsperson 2/8, 19/55
– hypothetische 5/3 Vergleichsrahmen 5/33, 5/43 f Vergünstigungen – soziale 30/26 f – spezifische 8/11 Verhaltensmuster 3/133 Verhältnismäßigkeit 5/13, 5/46, 8/15, 33/6 – Grundsatz der 1/6, 3/77, 5/47, 5/54 Verjährung 3/34, 3/182, 12/2, 15/6, 15/13 Verjährungsfristen 12/62, 15/8 f, 15/11, 15/14, 12/19 GBKG Verlangen, Einzelfallprüfungsverfahren 12/7 GBKG Veröffentlichung – anonymisierte Einl/12 GBKG, 1/3 GBKG, 11/31 GBKG – Berichtspflicht 13/9 GBKG Verschweigung 6, 7/58 Verschwiegenheitspflicht 10/13 GBKG Versetzung 3/41, 3/47, 3/138, 3/143, 3/146, 6, 7/51, 6, 7/62 ff Vertraulichkeit 3/11 GBKG, 14/5 GBKG Verwaltung 10/4 GBKG – Führen 10/4 GBKG – nicht-hoheitliche 1/9 GBKG Verwaltungsakt 1/3 GBKG Verwaltungsorgan, Gleichbehandlungskommission 1/1 GBKG, 10/4 GBKG Verwaltungsstrafverfahren 10/1, 4/8 GBKG Verwaltungsverfahren Einl/14 GBKG
Stichwortverzeichnis
Vollziehung des Bundes 1/7 GBKG Vollzug 64 Volontariat 1/41 Von Amts wegen 11/27 GBKG Vorabentscheidungsverfahren 3/3 Vorbehalt des Geschlechts 3/8 GBKG, 4/2 GBKG, 7/5 GBKG Vorrangregeln 5/12, 8/13 ff – bei Beförderung und Einstellung 8/18 – bei gleicher Qualifikation 8/19 – bei ungleicher Qualifikation 8/20 Vorrangstellung Einl/16 f GBKG – BMGF 2/5 GBKG Vorschlag 1/3 GBKG, 12/12 GBKG – Wirkung 12/13 GBKG Vorsitz, Senate 2/4 GBKG Vorsitzende, Rechtsstellung 10/2 GBKG Waren, Zugang zu 30/14, 31/6 Wehrpflicht 3/78 Weisungen 1/25, 3/11 ff, 3/28 f, 3/145, 12/13 f, 12/58, 17/5, 19/87 f, 19/91, 19/107 Weisungsbindung 3/4 GBKG, 3/10 GBKG, 4/1 GBKG, 10/2 ff GBKG Weisungsrecht 3/143 Weiterbildung 1/40 ff, 3/85 f, 3/129 ff, 5/25, 8/1, 12/42 ff, 12/51, 17/6, Einl/9 GBKG, 11/1 GBKG, 11/20 f GBKG, 13/1 GBKG, 13/6 GBKG Weltanschauung 17/33, 17/37 – verpönte 17/41 f 941
Stichwortverzeichnis
Werkvertrag 1/37 Wiederbetätigung 20/2 Wirtschaftliche Gründe 2/14, 5/48 ff Wohlfahrtseinrichtungen 3/97 Wohnraum 30/16, 31/11 Zeitpunkt 3/3 Zivildienst 1/26, 3/37, 9/13 sa Präsenzdienst
942
Zusammensetzung, Senate 2/2 GBKG Zuständigkeit 11/35 GBKG – Gleichbehandlungskommis sion Einl/9 GBKG Zustellung 11/35 GBKG Zustimmung 4/7 GBKG – Verbandsklage 12/15 GBKG