Koina und Concilia: Genese, Organisation und sozioökonomische Funktion der Provinziallandtage im römischen Reich 351511100X, 9783515111003

Die Frage der Integration verschiedener ethnischer Gruppen in ein wachsendes Europa unter Bewahrung lokaler Interessen i

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German Pages 363 [366] Year 2015

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VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
I. STAND DER DISKUSSION, METHODISCHE VORÜBERLEGUNGEN, INHALTLICHE ABGRENZUNGEN
I.1 EINLEITUNG
I.2 NOTWENDIGKEIT DES PROJEKTS
I.3 ÜBERBLICK ÜBER DIE FORSCHUNG
I.4 DAS PROBLEM DER QUELLEN
I.5 ZUR TERMINOLOGIE – DER BEGRIFF DES „PROVINZIALLANDTAGS“
I.6 INHALTLICHE ABGRENZUNG UND FRAGESTELLUNGEN
II. VORGESCHICHTE UND ENTSTEHUNG DER PROVINZIALLANDTAGE
II.1 VORBEMERKUNGEN ZUM FORSCHUNGSSTAND
II.2 DIE KOINA IN VORRÖMISCHER ZEIT – POLITISCHE UND RELIGIÖSE RÄUME
II.3 ROM UND DIE KOINA IN REPUBLIKANISCHER ZEIT
II.4 KOINON UND KAISERKULT: DIE EINRICHTUNG DES PROVINZIALEN KAISERKULTES IN ASIA UND BITHYNIA
II.5 DIE EINRICHTUNG DER KAISERZEITLICHEN PROVINZIALLANDTAGE IM OSTEN UND WESTEN DES RÖMISCHEN REICHES
II.6 TRANSFERPROZESSE ZWISCHEN POLITISCH, SOZIAL, WIRTSCHAFTLICH, RELIGIÖS UND KULTURELL DIVERGIERENDEN RÄUMEN
II.7 DAS FEHLENDE KOINON: ÄGYPTEN
II.8 FAZIT: PROVINZIALISIERUNG UND KAISERKULT – KOINA UND CONCILIA ALS SPIEGEL VON HERRSCHAFTSKONZEPTIONEN
III. RECHTSSTATUS, SPITZENPERSONAL UND IDENTIFIKATIONSPOTENZIAL DER PROVINZIALLANDTAGE
III.1 ÜBERLEGUNGEN ZUM RECHTSCHARAKTER DER INSTITUTION PROVINZIALLANDTAG IN DER KAISERZEIT
III.2 DIE SPITZENFUNKTIONÄRE DER PROVINZIALLANDTAGE
III.3 DIE PROVINZIALLANDTAGE ALS IDENTITÄTSSTIFTER
IV. DIE WIRTSCHAFTLICHE UND FINANZIELLE DIMENSION DER PROVINZIALLANDTAGE
IV.1 FORSCHUNGSSTAND UND METHODE
IV.2 DIE AUSGABEN- UND EINNAHMENSTRUKTUR DER PROVINZIALLANDTAGE
IV.3 DER EINFLUSS DES KAISERS UND DER RÖMISCHEN PROVINZIALADMINISTRATION AUF DIE FINANZEN DER LANDTAGE
IV.4 DER PROVINZIALLANDTAG ALS FINANZPOLITISCHES UND SOZIOÖKONOMISCHES NETZWERK – „LOBBYISMUS“ IN DER RÖMISCHEN KAISERZEIT
IV.5 DIE MÜNZPRÄGUNG DER PROVINZIALLANDTAGE
IV.6 GAB ES EINEN BEITRAG DER PROVINZIALLANDTAGE ZUR RÖMISCHEN PROVINZIALVERWALTUNG?
IV.7 FAZIT
V. SCHLUSSBETRACHTUNG
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ZEITSCHRIFTEN UND REIHEN
QUELLENEDITIONEN
LITERATURVERZEICHNIS
INDICES
QUELLENINDEX
PERSONEN-, ORTS- UND SACHINDEX
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Koina und Concilia: Genese, Organisation und sozioökonomische Funktion der Provinziallandtage im römischen Reich
 351511100X, 9783515111003

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Koina und Concilia Alte Geschichte Franz Steiner Verlag

Genese, Organisation und sozioökonomische Funktion der Provinziallandtage im römischen Reich Babett Edelmann-Singer

HABES 57

Babett Edelmann-Singer Koina und Concilia

habes Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien Herausgegeben von Géza Alföldy †, Angelos Chaniotis und Christian Witschel Band 57

Babett Edelmann-Singer

Koina und Concilia Genese, Organisation und sozioökonomische Funktion der Provinziallandtage im römischen Reich

Franz Steiner Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort

Umschlagabbildung: Porträt eines Kaiserpriesters mit Büstenkrone aus Ephesos, möglicherweise Ti. Claudius Aristion, Photo: ÖAI, A-W-OAI-DIA-017532-sw.jpg; Objekt: 1/54/88. Dia: - ; EPH-14078, EM 88/P6

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015 Satz: DTP +TEXT Eva Burri Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11100-3 (Print) ISBN 978-3-515-11104-1 (E-Book)

Für Elmar und Ben

VORWORT Die vorliegende Monographie ist die überarbeitete Fassung meiner im April 2013 von der Fakultät für Philosophie, Kunst-, Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften der Universität Regensburg angenommenen Habilitationsschrift. Ohne die Unterstützung, die ich von zahlreichen Lehrern, Kollegen und Freunden, vor allem aber meiner Familie erfahren durfte, hätte ich dieses Vorhaben nicht realisieren können. In erster Linie danke ich Herrn Prof. Dr. Peter Herz (Regensburg), der dieses Projekt vielfach gefördert und stets mit kritischen Kommentaren begleitet hat. Für die Übernahme der Gutachten danke ich Frau Prof. Dr. Christiane Kunst (Osnabrück) und Herrn Prof. Dr. Oliver Stoll (Passau). Frau Prof. Dr. Christian Kunst gebührt überdies mein herzlicher Dank, weil sie mich als Mentorin im Rahmen des Mentoring-Programms für Nachwuchswissenschaftlerinnen der Universität Regensburg 2011–2012 und seitdem immer wieder mit wertvollen Ratschlägen unterstützt hat. Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Angelos Chaniotis (Princeton) für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe HABES und seine äußerst hilfreiche Kommentierung des Manuskriptes. Besonders herzlich danke ich auch Herrn Prof. Dr. Tønnes Bekker-Nielsen (Odense) und Herrn Prof. Dr. Kostas Buraselis (Athen) für ihre gründliche Lektüre des Manuskripts und ihre kritischen Anmerkungen. Frau Prof. Dr. Ingrid Neumann-Holzschuh und Herrn Prof. Dr. Jörg Oberste (beide Regensburg) danke ich für die Übernahme des Fachmentorats im Rahmen meines Habilitationsverfahrens. Darüber hinaus danke ich all jenen, die die Arbeit ganz oder in Teilen gelesen haben und/oder mir durch Gespräche, Diskussionen und Hinweise weitergeholfen haben: Herrn Dr. Elmar Singer (Regensburg), Herrn Dr. Heinrich Konen (Regensburg), Frau Julia Böttcher, M. A. (München), Herrn Lorenzo Cigaina, M. A. (Trieste), Frau Prof. Dr. Mireille Corbier (Paris), Herrn Prof. Dr. Michael Sommer (Oldenburg). Frau Prof. Dr. Danuta Okoń (Szczecin), Herrn Prof. Dr. Uwe Walter (Bielefeld), Frau Prof. Dr. Elke Hartmann (Darmstadt) und Herrn Prof. Dr. Boris Dreyer (Erlangen) sei für ihre Einladungen, die Ergebnisse meiner Arbeit vorzustellen, gedankt. Ich danke dem Freistaat Bayern, der mich mit einem Habilitationsstipendium unterstützt hat, ferner dem Förderungsfonds der VG Wort für eine großzügige Druckkostenbeihilfe sowie dem Franz Steiner Verlag für die sorgfältige und rasche Drucklegung. Ich widme dieses Buch meinem Mann und meinem Sohn. Ersterem gebührt der größte Dank für seine Unterstützung, Geduld und Aufmunterung, Letzterem danke ich für seine Fähigkeit, mich immer wieder ins Hier und Jetzt zurückzuholen. Regensburg, im März 2015

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ............................................................................................................

7

I.

Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen .............................................................

13

I.1 I.2 I.3 I.4 I.5 I.6

Einleitung ........................................................................................ Notwendigkeit des Projekts............................................................. Überblick über die Forschung ......................................................... Das Problem der Quellen ................................................................ Zur Terminologie – Der Begriff des „Provinziallandtags“ ............. Inhaltliche Abgrenzung und Fragestellungen.................................

13 14 16 24 26 27

II.

Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage .............

31

II.1

Vorbemerkungen zum Forschungsstand..........................................

31

II.2

II.2.4

Die Koina in vorrömischer Zeit – politische und religiöse Räume........................................................................ Die Koina der klassischen und hellenistischen Zeit als Vorbilder und Modelle .................................................................................... Das ionische Koinon – eine Organisation mit Integrationspotential........................................................................ Die Rolle der Koina im hellenistischen Herrscherkult und ihre Bedeutung bei der Installation prorömischer Feste ................. Fazit .................................................................................................

II.3 II.3.1 II.3.2 II.3.3 II.3.4 II.3.5 II.3.5.1 II.3.5.2 II.3.5.3 II.3.6.

Rom und die Koina in republikanischer Zeit .................................. Sicilia............................................................................................... Macedonia ....................................................................................... Rom und das Koinon von Asia zwischen 133 und 29 v. Chr........... Bithynia-Pontus ............................................................................... Zypern, Kreta, Lykien – Sonderfälle? ............................................. Zypern ............................................................................................. Kreta ................................................................................................ Lykien.............................................................................................. Fazit .................................................................................................

55 56 58 60 71 74 75 77 79 85

II.4

Koinon und Kaiserkult: Die Einrichtung des provinzialen Kaiserkultes in Asia und Bithynia ...................................................

86

II.2.1 II.2.2 II.2.3

34 34 40 44 54

10

II.5 II.5.1 II.5.1.1 II.5.1.2 II.5.1.3 II.5.1.4 II.5.2 II.5.2.1 II.5.2.2 II.5.2.3 II.5.2.4 Exkurs: II.5.2.5 II.5.2.6 II.5.3. II.5.4

Inhaltsverzeichnis

Die Einrichtung der kaiserzeitlichen Provinziallandtage im Osten und Westen des römischen Reiches ................................. Die Einrichtung neuer Koina im Osten unter den Kaisern der julisch-claudischen Dynastie..................................................... Galatien ........................................................................................... Syrien .............................................................................................. Kappadokien ................................................................................... Lykien.............................................................................................. Die Einrichtung von Concilia im Westen unter den Kaisern der julisch-claudischen Dynastie..................................................... Tres Galliae ..................................................................................... Germanien ....................................................................................... Die spanischen Provinzen ............................................................... Gallia Narbonensis .......................................................................... Die sogenannte lex Narbonensis – Eine Neubewertung im Lichte neuer epigraphischer Erkenntnisse ................................. Britannien, Mauretanien, Alpenprovinzen, Pannonien, Thrakien ... Raetien, Noricum, Dalmatien.......................................................... Flavische und Antoninische Gründungen ....................................... Fazit .................................................................................................

94 94 95 98 100 101 105 107 109 110 113 114 126 127 128 129

II.6

Transferprozesse zwischen politisch, sozial, wirtschaftlich, religiös und kulturell divergierenden Räumen ................................ 130

II.7

Das fehlende Koinon: Ägypten ....................................................... 134

II.8

Fazit: Provinzialisierung und Kaiserkult – Koina und Concilia als Spiegel von Herrschaftskonzeptionen ............................................. 137

III.

Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage .................................................................. 141

III.1

Überlegungen zum Rechtscharakter der Institution Provinziallandtag in der Kaiserzeit ................................................. 141

III.2 III.2.1 III.2.2 III.2.2.1 III.2.2.2 III.2.2.3 III.2.2.4

Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage .............................. Die Provinzialpriester – Status und Selbstbild ................................ Der Titel des „Koinarchen“ ............................................................. Forschungslage................................................................................ Quellenlage ..................................................................................... Vom Archiereus zum „Koinarchen“ – Ein Erklärungsversuch ....... „Koinarchie“ und provinziale Identität ...........................................

153 153 161 161 165 174 179

III.3 III.3.1

Die Provinziallandtage als Identitätsstifter ..................................... Die Provinziallandtage im Spannungsfeld paralleler Identitätskonstruktionen .................................................................. Die Münzemission der Koina als Reflex provinzialer Identität ...... Fazit .................................................................................................

182

III.3.2 III.3.3

182 188 190

Inhaltsverzeichnis

IV. IV.1

11

Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage .................................................................. 193 Forschungsstand und Methode........................................................ 193

IV.2 IV.2.1 IV.2.1.1 IV.2.1.1.1 IV.2.1.1.2 IV.2.1.1.3 IV.2.1.1.4 IV.2.1.1.5 IV.2.1.1.6 IV.2.1.2

Die Ausgaben- und Einnahmenstruktur der Provinziallandtage ..... Reguläre Ausgaben und Einnahmen der Provinziallandtage .......... Personal ........................................................................................... Asia ................................................................................................. Tres Galliae ..................................................................................... Zur Rolle der patroni provinciae..................................................... Lykien.............................................................................................. Kultpersonal – das Beispiel der Hymnoden .................................... Sklaven und Freigelassene .............................................................. Sonstige reguläre Kosten: Kult, regelmäßige Gesandtschaften und Ehrungen ......................... IV.2.1.3 Steuerpflicht und Besitz von Immobilien und Land ....................... IV.2.1.4 Spiele als Kostenfaktor ................................................................... IV.2.1.5 Das Bestreiten der regulären Ausgaben aus Liturgien und Mitgliedsbeiträgen.................................................................... IV.2.1.5.1 Die Bedeutung der Liturgien ........................................................... IV.2.1.5.2 Mitgliedsbeiträge............................................................................. IV.2.2 Außergewöhnliche Ausgaben und ihre Deckung ............................ IV.2.2.1 Tempelbau ....................................................................................... IV.2.2.2 Kaiserbesuche ................................................................................. IV.2.2.3 Außergewöhnliche Einnahmen .......................................................

198 198 198 198 205 209 210 213 214 223 224 230 232 232 235 243 243 247 248

IV.3

Der Einfluss des Kaisers und der römischen Provinzialadministration auf die Finanzen der Landtage................ 249

IV.4

Der Provinziallandtag als finanzpolitisches und sozioökonomisches Netzwerk – „Lobbyismus“ in der römischen Kaiserzeit......................................................................................... Provinziallandtag und Wirtschaftskorporationen ............................ Provinziallandtag und „Wirtschaftslobbyismus“ ............................ Provinziallandtag und Steuererhebung ........................................... Netzwerkstruktur und Transaktionskosten ......................................

IV.4.1 IV.4.2 IV.4.3 IV.4.4 IV.5 IV.5.1 IV.5.2 IV.5.2.1 IV.5.2.2 IV.5.3 IV.5.4 IV.5.4.1 IV.5.4.2 IV.5.5

Die Münzprägung der Provinziallandtage ...................................... Forschungsstand und Probleme....................................................... Die Prägungen der Landtage im Kontext kaiserzeitlicher Münzemission ................................................................................. Das „Prägerecht“ der Landtage ....................................................... Prägeanlässe .................................................................................... Katalog der Landtagsemissionen .................................................... Römische Münzen mit Koinon-Bezug ............................................ Die Cistophoren-Prägungen ............................................................ Die CA-Münzen und die gallischen Altarmünzen .......................... Ökonomie und Identität...................................................................

253 253 258 260 266 269 269 271 271 274 278 293 293 298 300

12

Inhaltsverzeichnis

IV.6

Gab es einen Beitrag der Provinziallandtage zur römischen Provinzialverwaltung? ............................................. 302

IV.7

Fazit ................................................................................................. 306

V.

Schlussbetrachtung – Koina und Concilia. Genese, Organisation und sozioökonomische Funktion der Provinziallandtage im römischen Reich ....................................................................... 309

Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. 313 Zeitschriften und Reihen ................................................................................... 313 Quelleneditionen (Inschriften, Münzen, Papyri, Quellensammlungen) ........... 315 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 319 Indices .............................................................................................................. 349 Quellenindex ..................................................................................................... 349 Personen-, Orts- und Sachindex........................................................................ 349

I. STAND DER DISKUSSION, METHODISCHE VORÜBERLEGUNGEN, INHALTLICHE ABGRENZUNGEN I.1 EINLEITUNG „Der Gegenstand an sich ist ebenso schwierig wie wichtig. Wie überhaupt bei den Organisationen der Kaiserzeit treten die leitenden Gedanken nirgends principiell zu Tage und müssen aus den auch nur zufällig zu Tage tretenden Einzelheiten rückschliessend ermittelt werden; Unsicherheit und Irrthum ist dabei noch weniger zu vermeiden als auf anderen Gebieten der historischen Forschung.“1

Treffend und knapp beschreibt Mommsen die Gefahren, denen man sich aussetzt, wenn man sich mit den Provinziallandtagen der römischen Kaiserzeit beschäftigt. Sein eigener Versuch, das Thema zu bearbeiten, blieb wohl auch deshalb Fragment und wurde erst aus seinem Nachlass herausgegeben. Der deutsche Begriff des Provinziallandtages beschreibt ein Phänomen, das in der Antike drei Namen besaß: κοινὸν im griechischen Osten des römischen Reiches und concilium oder commune in den Provinzen des Westens.2 Beide Termini konnten Versammlungen verschiedener Art bezeichnen3, bezogen auf die Provinz allerdings waren sie Versammlungen von entsandten Vertretern der Städte und Gemeinden, der Stämme und Ethnien – kurz, der Konstituenten der Provinz, die sich in der Regel einmal jährlich trafen, um ihrer nach außen wichtigsten Funktion nachzugehen, nämlich Opfer und Spiele für den Kaiser zu zelebrieren. Wenn wir mit dem deutschen Wort Provinziallandtag operieren – einem Begriff, der aus den Anfängen des deutschen Parlamentarismus im 19. Jahrhunderts4 stammt, – müssen wir seine modernen Implikationen ausblenden: Ein römischer Provinzial1 2

3 4

Mommsen, T., Die römische Provinzialautonomie. Ein Fragment, Hermes 39 (1904), S. 321– 326, hier S. 321 (= Gesammelte Schriften, Berlin 1908, Bd. 5, S. 552–556). Die Begriffe Provinziallandtag, Koinon und Concilium werden im Folgenden vom übrigen Text nicht abgesetzt, um den Textfluss nicht unnötig zu stören. Dasselbe Verfahren wurde aus Gründen der klaren Textstrukturierung auch für die Begriffe Archiereus/Archiereis, Asiarch, Bithyniarch, Galatarch etc., Grammateus/Grammateis, Flamen und Sacerdos angewendet. Lediglich der Begriff „Koinarch“/„Koinarchie“ wird in Anführungszeichen gesetzt, da es sich dabei um einen modernen Terminus handelt, der – und darauf sei an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen – in dieser Form nicht in der Antike existierte. Vgl. dazu die genauen Erläuterungen im Kap. III.2.2. Vgl. Kornemann, E., RE IV, 1 (1900), Sp. 801–830, s. v. Concilium, hier Sp. 801–803; ders., RE S IV (1924), Sp. 914–941, s. v. Koinon, hier Sp. 914 f. Als Provinziallandtage wurden die regionalen Parlamente der preußischen Provinzen bezeichnet, die zwischen 1823 und 1827 eingerichtet wurden. In ihnen besaßen lediglich die Grundbesitzer das Vertretungsrecht und ihre parlamentarischen Rechte waren weitgehend beschränkt auf beratende Funktionen. Erst im Kaiserreich erhielten die Provinziallandtage deutlich mehr politische Aufgaben und Rechte. Vgl. Obenaus, H., Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, Düsseldorf 1984; Grünthal, G., Parlamentarismus in Preußen 1848/49–1857/58. Preußischer Konstitutionalismus, Parlament und Regierung in der Reaktionsära, Düsseldorf 1982.

14

I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

landtag war keine gewählte, repräsentative Vertretung der Provinzbewohner, noch war er ein Parlament mit administrativen oder legislativen Aufgaben, auch wenn er durchaus eingeschränkte politische Rechte besaß, wie beispielsweise das Recht auf Repetundenklagen gegen gewesene römische Statthalter oder das Recht, Gesandtschaften nach Rom zu entsenden. Dies ändert aber nichts daran, dass die vordergründige Aufgabe der Koina und Concilia eine religiöse war: die Organisation des Kultes für den Herrscher, seine Familie, die Divi und Divae auf der Ebene der Provinz. Wir haben es hier also mit einer Kult-Gemeinschaft zu tun, an deren Spitze ein Priester stand, die sich regelmäßig zu Opfern und Spielen traf und deren Mitglieder derselben geographischen Verwaltungseinheit des römischen Reiches angehörten. Das Besondere an dieser Gemeinschaft war, dass ihre Mitglieder keine Personen, sondern Städte waren, die abgeordnete Vertreter entsandten. All dies hat die Wahrnehmung der Provinziallandtage in der Forschung dominiert und ihnen den Stempel aufgedrückt, sie seien Institutionen mit „religiöse[m] Grundcharakter“ gewesen.5 Tatsächlich war der Provinziallandtag allerdings weit mehr als das. Die vorliegende Studie wird darlegen, dass die Koina und Concilia wichtige politische Institutionen mit einem zu Unrecht unterschätzten wirtschaftlichen und fiskalischen Potential waren. Sie waren die einzigen Organe, durch die die Provinzbewohner als Ganzes auftreten und sprechen konnten und sie besaßen nicht zuletzt aus diesem Grund ein stark identitätsstiftendes Moment. Vor allem für die Vertreter der provinzialen Elite bildeten sie eine neue Plattform, auf der verlorengegangenes Prestige kompensiert und überregionale Bedeutung gewonnen werden konnten. Die Prosopographie zeigt sehr deutlich, dass an der für uns meist nur fassbaren Spitze der Landtage genau jene Personen zu finden sind, die einerseits in ihren Herkunftsstädten die lokale Elite stellten – und das nicht selten schon über Generationen –, die aber andererseits auch über Klientel- und Patronatsverbindungen vielfältig mit der römischen Staatsspitze verbunden waren. Insofern ist die Einrichtung eines Provinziallandtags nichts anderes als die Institutionalisierung und Kanalisierung bestehender Beziehungen, die einen gewaltigen Mehrwert für Rom auf der einen und die Provinzialen in ihren Provinzen auf der anderen Seite hatte. Diesen Mehrwert gilt es, in der vorliegenden Arbeit zu umreißen und seine Komponenten als gleichwertige Aspekte der Provinziallandtage neben den die Forschung dominierenden Aspekt des Herrscherkultes zu platzieren. I.2 NOTWENDIGKEIT DES PROJEKTS Das Phänomen der kaiserzeitlichen Provinziallandtage ist in den Altertumswissenschaften kaum präsent.6 Dabei steht die Marginalisierung dieses Themas in deutlichem Widerspruch zur tatsächlichen Bedeutung sowohl für die Provinzbewohner des Imperium Romanum als auch für unser heutiges Verständnis dieser Epoche und seiner Herrschaftsstrukturen. Dieser Widerspruch wird in der altertumswissen5 6

So bereits Kornemann, Concilium, Sp. 814. Eine seltene Ausnahme bildet Vitale, M., Eparchie und Koinon in Kleinasien von der ausgehenden Republik bis ins 3. Jh. n. Chr. (Asia Minor Studien 67), Bonn 2012, der das Problem aber auch nur in einer regional und inhaltlich begrenzten Studie analysiert.

I.2 Notwendigkeit des Projekts

15

schaftlichen Literatur immer wieder beklagt. Den vielfach geäußerten Meinungen, eine Neubetrachtung der Provinziallandtage sei ein Desiderat der aktuellen Forschungslandschaft7, steht ein Randdasein des Gegenstandes selbst in jenen Werken gegenüber, die sich mit den Herrschaftsstrukturen in den römischen Provinzen und der Repräsentation der provinzialen Eliten im Reichsgefüge befassen.8 Dies ist beklagenswert, hat aber nachvollziehbare Ursachen. An erster Stelle ist sicherlich die Quellensituation zu nennen. Das beinahe vollständige Fehlen von Koina und Concilia in den literarischen Quellen hat zu dem völlig falschen Bild beigetragen, es handele sich bei diesen Institutionen um politische Randerscheinungen der Kaiserzeit. Die beinahe ausschließlich auf epigraphische, archäologische und numismatische Zeugnisse reduzierte Überlieferungssituation mit all ihren spezifischen Pro­ blemen von der Rezeption bis hin zur Interpretation macht die Zurückhaltung der Forschung erklärbar, reicht aber spätestens seit der Arbeit Deiningers aus dem Jahr 19659 als Erklärung nicht mehr aus. Man muss wohl auch zur Kenntnis nehmen, dass einer Aufwertung der Koina und Concilia als reichsweiten Phänomens die zunehmende Spezialisierung der Forschung auf kleinere Räume und zeitlich enger begrenzte Themen entgegensteht. Eine realistische Einschätzung der Provinziallandtage verlangt aber einen Blick auf das Reich in seiner geographischen Gesamtheit von der Phase der Expansion in die östliche Mittelmeerwelt bis zum Ende der Kaiserzeit und im Grunde darüber hinaus. Aber auch damit ist die Zurückhaltung der Historiker noch nicht gänzlich nachvollziehbar. Vielmehr muss man auch Ansatz und Grundaussage des Deiningerschen Standardwerkes bis zu einem gewissen Grad mit verantwortlich machen für das Mauerblümchendasein der Provinziallandtage. Nach Meinung der Autorin hat Deininger die Rolle der Provinziallandtage unter zwei Aspekten zu Unrecht minimiert: Zum Ersten hat die von ihm vorgenommene Spätdatierung zahlreicher Landtagseinrichtungen in vespasianische Zeit deren grundlegende Bedeutung als reichsweite, strukturelle Organisationsform für die Anlage der Herrschaftsstrukturen des Prinzipats vernachlässigt. Zum Zweiten unterschätzt seine Reduzierung der Institution auf ein bloßes Karrieresprungbrett der provinzialen Elite ihre Rolle im internen Machtgefüge der Provinzen auf fatale Weise. So wertvoll die Arbeit Deiningers in der Aufarbeitung des Materials war, so unvollständig blieb sie in der Analyse. Die vorliegende Studie versteht sich folglich als aktuelle Ergänzung zum Werk Deiningers, die nur auf seiner Vorarbeit aufbauen kann, aber die Provinziallandtage 7

8

9

So beispielsweise Jacques, F., Scheid, J., Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit. 44 v. Chr. – 260 n. Chr., Bd. 1: Die Struktur des Reiches. Aus dem Französischen übersetzt von Peter Riedlberger, Stuttgart, Leipzig 1998, S. 208; Ziegler, R., Städtisches Prestige und kaiserzeitliche Politik. Studien zum Festwesen in Ostkilikien im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr., Düsseldorf 1985, S. 58 Anm. 215, im Besonderen für die Münzprägung der Provinziallandtage. Vgl. u. a. Wesch-Klein, G., Provincia. Okkupation und Verwaltung der Provinzen des Imperium Romanum von der Inbesitznahme Siziliens bis auf Diokletian, Ein Abriss (Antike Kultur und Geschichte 10), Berlin 2008; Quaß, F., Die Honoratiorenschicht in den Städten des griechischen Ostens. Untersuchungen zur politischen und sozialen Entwicklung in hellenistischer und römischer Zeit, Stuttgart 1993. Vgl. Deininger, J., Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit (Vestigia 6), München 1965.

16

I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

unter jenen neuen Aspekten beleuchtet, die ein halbes Jahrhundert Forschung mit sich bringt. Am Beginn muss die generelle Frage stehen, ob eine Betrachtung des Phänomens der Provinziallandtage als Gesamtheit, also eine Untersuchung, die in allen Teilen des Reiches ansetzt, um eine in (beinahe) allen Provinzen existierende Erscheinung zu betrachten, und sich dabei einer longe durée-Perspektive bedient, in der aktuellen wissenschaftlichen Debatte gerechtfertigt ist. Eine solche Untersuchung stellt sich bis zu einem gewissen Grad gegen einen allgemeinen Trend zur Regionalisierung, der in der aktuellen althistorischen Forschung zu beobachten ist. Zahlreiche Untersuchungen, die den Blick auf größere geographische Räume richten und zeitlich umfassender angelegt sind, konnten aber zeigen, wie aussagekräftig diese generalisierend angelegte Untersuchungsmethode sein kann10, zumal wenn die Generalisierung sich aus einer komparatistisch angelegten Arbeitsweise ergibt. Wie sinnvoll dieser methodische Zugang ist, konnte Fishwick in seinem Werk „The imperial cult in the Latin west. Studies in the ruler cult of the Western provinces of the Roman Empire“11 deutlich machen. Fishwicks Verdienst liegt einerseits in der Breite seines Ansatzes, der nicht nur die historische Entstehung und Evolution des Herrscherkultes beleuchtet, sondern auch die kultischen Abläufe darstellt, das Kultpersonal prosopographisch wie sozialhistorisch beleuchtet, die religiöse Topographie und Architektur untersucht und dabei das bisher so verstreut publizierte Material erstmals zusammenhängend zugänglich macht. Das größere Verdienst Fishwicks muss aber in seinem komparatistischen Ansatz gesehen werden, der erst den Blick vom einzelnen Kultort in der Provinz auf die reichsweiten Zusammenhänge ermöglicht. Gerade diese provinzübergreifende Perspektive stellt meines Erachtens die richtigen Fragen an das Phänomen des von den Provinziallandtagen getragenen Herrscherkultes. Ein solcher Ansatz liegt auch der vorliegenden Arbeit zugrunde, wenn sich die Autorin auch völlig im Klaren darüber ist, dass ein Opus Magnum, wie Fishwick es im Laufe von beinahe 20 Jahren vorgelegt hat, immer ein unerreichtes Vor- und Leitbild bleibt. I.3 ÜBERBLICK ÜBER DIE FORSCHUNG Bereits Gibbon hatte sich im 18. Jahrhundert in seinem monumentalen Werk „History of the decline and fall of the Roman Empire“12 zu den Provinzialversammlungen der Spätantike geäußert und den ihnen zugrunde liegenden Freiheitsgedanken 10

11 12

Ein sehr gutes Beispiel für eine solche methodische Herangehensweise bietet im Bereich der Numismatik Burnetts Untersuchung der Provinzialprägungen in der julisch-claudischen Zeit (vgl. Burnett, A., The Augustan revolution seen from the mints of the provinces, JRS 101 (2011), S. 1–30). Vgl. Fishwick, D., The imperial cult in the Latin west. Studies in the ruler cult of the western provinces of the Roman empire, Volume I, Part 1 – Volume III, Part 4, Leiden u. a. 1987–2005 (im Folgenden ICLW). Vgl. Gibbon, E., The history of the decline and fall of the Roman Empire, London 1776–1788, Kap. 31.

I.3 Überblick über die Forschung

17

sowie ihre repräsentativen Elemente gelobt. Wären die Provinziallandtage der Kaiserzeit damit ausgestattet gewesen – so Gibbon –, wäre das römische Reich nicht untergegangen. Die erste kurze systematische Untersuchung im deutschsprachigen Raum legte 1851 Marquardt für das Handbuch der römischen Altertümer vor.13 Mommsen eröffnete seine Sichtweise auf die Provinziallandtage im fünften Band seiner Römischen Geschichte. Er betrachtete die Einrichtung der Landtage als systematisch angelegte Herrschaftsmaßnahme des ersten Prinzeps Augustus.14 Sein Plan, sich in einer eigenen Studie, die unter dem Titel „Die römische Provinzialautonomie“15 in der Zeitschrift Hermes erscheinen sollte, intensiver der Betrachtung der Landtage zu widmen, blieb allerdings im Stadium der Ideenskizze stecken. Mommsen nahm von diesem Vorhaben bald wieder Abstand, vielleicht auch aufgrund der von ihm selbst beschriebenen Probleme, die am Beginn des Kapitels zitiert wurden. Das Fragment wurde postum veröffentlich und macht deutlich, dass Mommsen die Koina und Concilia als eines der zentralen Unterscheidungsmomente zwischen römischer Republik und Kaiserreich verstand. In ihnen offenbarte sich für ihn jener Wille der römischen Prinzipatsordnung, den Provinzen eine partielle Autonomie in Form einer organisierten Gesamtvertretung zu verleihen, die ihnen in der Zeit der Republik verweigert worden war.16 1887 legte dann Guiraud die erste monographische Untersuchung des Gegenstandes vor.17 Im Rahmen des Großprojektes der Realencyclopaedie der classischen Altertumswissenschaften (RE) entstanden am Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich die beiden von Ernst Kornemann verfassten Artikel zu concilium18 und koinon19, die wegweisende Versuche waren, nicht nur das umfangreiche Material zu sammeln, sondern auch den Gesamtcharakter der Provinziallandtage zu erfassen. Dass man mit dieser Aufgabe einen renommierten Herrscherkultspezialisten betraute, darf dabei sicherlich schon als Hinweis darauf verstanden werden, unter welchen Prämissen man die Concilia und Koina betrachtete.

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Vgl. Becker, W. A., Marquardt, J. (Hgg.), Handbuch der römischen Altertümer, Bd. III 1, Leipzig 1851, S. 267–275. Vgl. Mommsen, T., Römische Geschichte, Bd. V: Die Provinzen von Caesar bis Diocletian, Berlin 111933, S. 84–89. Vgl. Mommsen, Die römische Provinzialautonomie. „Aber der grosse Gegensatz zwischen der römischen Republik und der römischen Monarchie, der Grossstadt mit überseeischen Landgütern und dem Staat mit befreiter Hauptstadt, kommt vor allem in diesem Kreise zum Ausdruck und damit zugleich der Gedanke der Reichsangehörigkeit, die Anbahnung der Zugehörigkeit auch der des römischen Bürgerrechts entbehrenden Ortschaften zum Gesammtreich. Der principielle Gegensatz zwischen dem Stadt- und dem Staatsregiment tritt nirgends so schroff hervor wie in der Unterdrückung der hellenischen κοινά durch die Republik und in ihrer Wiederherstellung und Erweiterung durch Augustus.“ (Ebd., S. 321). Guiraud, P., Les assemblées provinciales dans l’empire romain, Paris 1887 (ND Rom 1966). Kornemann, Concilium. Kornemann, Koinon.

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I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

Einen interessanten Ansatz bieten die Arbeiten Larsens, die im angelsächsischen Sprachraum hervorzuheben sind.20 Insbesondere seine 1966 erschienene Monographie zur repräsentativen Regierung in Griechenland und Rom, welche die kaiserzeitlichen Provinziallandtage in einem strukturgeschichtlichen Ansatz in den Kontext anderer griechischer und römischer Regierungsformen mit repräsentativem Charakter einbettete, eröffnete eine wichtige Perspektive in der Deutung dieser Organisationsform. Ganz im Sinne Gibbons schätzte er das Potenzial der Provinziallandtage, zu einer tatsächlichen Repräsentativversammlung der Provinzen zu werden, extrem hoch ein und betrachtete das Scheitern dieser Idee als vertane Chance der Reichsadministration. In der deutschen Altertumswissenschaft klafft bei der Behandlung der Provinziallandtage nach Kornemanns Artikel von 1924 über die Koina eine Lücke von mehr als 40 Jahren. Erst Jürgen Deiningers inzwischen zum internationalen Standardwerk avancierte Monographie griff das Thema wieder auf. Sein Ansatz weicht stark von Mommsens Ansichten ab und ist ersichtlich auch mit der Intention verfasst worden, bewusst andere Akzente zu setzen. Zweifelsohne bot Deiningers Werk bei seinem Erscheinen 1965 die aktuellste Zusammenstellung beinahe aller literarischen, epigraphischen und numismatischen Quellen zu den Provinziallandtagen. Das bis dahin in regionalen Spezialuntersuchungen publizierte Material so vollständig zusammenzutragen und als Gesamtes zu betrachten, war das große Verdienst Deiningers, dem jede nachfolgende Studie nur größten Respekt zollen kann. Bis heute ist Deininger das Standardwerk zu den Provinziallandtagen, von dem selbst 50 Jahre später jede Untersuchung ausgehen muss. Allerdings ist damit auch bereits die Crux mit Deiningers Monographie angesprochen: Zum einen sind in den letzten fünf Jahrzehnten zahlreiche, vor allem epigraphische Quellen zum Corpus der Quellen hinzugetreten, die das Bild, das Deininger gezeichnet hat, signifikant verändern. So wurden, um an dieser Stelle nur zwei Beispiele geographischer Schwerpunkte der Forschung hervorzuheben, in den römischen Provinzen Lykien und Makedonien in den vergangenen 30 Jahren eine Vielzahl neuer Inschriften entdeckt, die den Blick auf die innerprovinzialen Verhältnisse, die Entstehung von Provinz und Provinzialkult sowie seine Träger, die Angehörigen der provinzialen Elite, entscheidend erweitert oder gar – wie im Falle Lykiens – gravierend verändert haben.21 Zum anderen wurden dem Deiningerschen Werk bereits bei seinem Erscheinen Lücken bescheinigt.22 So bemängelte man die unzureichende Darstel20 21 22

Vgl. Larsen, J. A. O., The position of provincial assemblies in the government and society of the late Roman empire, CPh 29 (1934), S. 209–220; ders., Representative government in Greek and Roman history, Berkeley, Los Angeles 1966. Vgl. zur ausführlichen Diskussion mit einer Zusammenfassung der Literatur Kap. II.3.5.3. und II.5.1.4. Die zahlreichen Rezensionen zeigen die intensive Auseinandersetzung mit den Thesen Deiningers: Galsterer, H., Rez. Deininger, J., Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit, München 1965, Gnomon 44 (1972), S. 366–370; Larsen, J. A. O., Rez. Deininger, J., Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit, München 1965, JRS 66 (1966), S. 240 f.; Millar, F. G. B., Rez. Deininger, J., Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit, München 1965, CR 16 (1966), S. 388–390. Galsterer kritisiert beispielsweise, dass Deiniger zu wenig auf die religiösen Aspekte des Kaiserkultes eingehe und die Frage, ob die Koina schon die Verehrung der

I.3 Überblick über die Forschung

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lung der spätantiken Provinziallandtage, das Fehlen des ökonomischen Aspektes, ein ungenügendes Eingehen auf das Verhältnis von Provinziallandtagen und römischer Administration23, eine zu knappe Darstellung der hellenistischen Vorgänger und der republikanischen Vorgeschichte oder eine falsche Zuordnung des Neokorie-Titels. Auch die von Deininger in die vespasianische Zeit verschobene Gründungsphase einiger Koina und seine These, erst mit den Flaviern sei es zu einer systematischen Einrichtung von Landtagen als bewusst instrumentalisiertem Herrschaftsmittel gekommen, stand und steht heute mehr denn je im Fokus der Auseinandersetzung.24 All diese Kritikpunkte hatten ihre Berechtigung. So kann man sich nur wundern, dass Clauss in seinem Werk über den Kaiser als Gott aus dem Jahr 1999 konstatiert: „[Z]ur Zeit [scheinen] keine wesentlichen Fortschritte über die grundlegende Arbeit von J. Deininger hinaus möglich.“25. Diese Aussage traf weder 1965 zu noch 1999, und sie tut es umso weniger aus heutiger Perspektive. Gemeinsam war den Rezensenten, dass sie die große Quellennähe Deiningers positiv hervorhoben. Allerdings wünschten sich viele mehr historische Reflexion.26 Neben dem Fehlen wesentlicher Aspekte bei der Betrachtung der Provinziallandtage beklagte ein Großteil der Rezensenten die mangelnde Bereitschaft Deiningers, die Belege, die er gesammelt hatte, auch im Gesamtkontext zu beurteilen.27 In der Tat blieb das Fazit, welches Deininger über die Provinziallandtage zog, weit hinter dem zurück, was diese Institution an Potenzial besaß und auch an Machteinfluss umsetzte. Deiningers Fazit, die Landtage seien nur das Sprungbrett in die Reichselite gewesen, unterschätzt die Bedeutung der Institutionen in mehrfacher Hinsicht:

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Dea Roma in republikanischer Zeit betrieben, ausklammere. Den Verzicht auf die Analyse der kultischen Angelegenheiten moniert auch Larsen. Millar sieht für die Provinziallandtage eine aktivere Rolle und umfangreichere Funktionen im Leben der Provinz, wofür beispielsweise die kaiserlichen Reskripte in Rechtssachen an die Koina und Concilia sprächen oder ihre Verwaltung von Zensusakten (CIL II 4248 = CIL II2/14, 1194). Robert kritisiert die Ausführungen Deiningers zur Neokorie (des Gagniers, G. et al., Laodicée du Lycos. Le Nymphée, Campagnes 1961–1963 avec des études de Louis Robert, Xavier de Planhol, Paris 1969, S. 266 Anm. 7). In dieser Frage hat beispielsweise eine neue bilinguale Ehreninschrift aus Italien für den praefectus fabrum L. Titinius aus republikanischer oder augusteischer Zeit, die von einem nicht näher zu spezifizierenden östlichen Koinon/Commune errichtet wurde, neue Fragen aufgeworfen (vgl. Mennella, G., Un esponente della gens Titinia ad Aulla, Epigraphica 68 (2006), S. 414–421 = AE 2006, 431 = SEG 56, 2006, 1113). „Aber aus dem legitimen Wunsch heraus, die regionalen Unterschiede zu betonen und sich von Mommsen abzusetzen, nach dem die Landtage systematisch von Augustus eingerichtete worden seien, hat Deininger eine minimalistische Haltung eingenommen und so den Lücken im Quellenmaterial wohl nicht genug Rechnung getragen.“ (Jacques, Scheid, Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit, S. 208). Clauss, M., Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, Stuttgart, Leipzig 1999, S. 396. So z. B. Oost, S. I., Rez. Deininger, J., Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit, München 1965, CPh 62 (1967), S. 152–154 oder Millar, Rez. Deininger, S. 388–390. So beispielsweise Oost, ClPh 62 (1967), S. 153: „[y]et sometimes one would wish for a trifle more daring in the evaluation of the evidence.“ Allerdings stieß die Vorsicht bei Schlussfolgerungen auch auf Lob: „Daß bei derartigen epigraphischen Untersuchungen die Gefahr besteht, daß spekulative Schlüsse die Oberhand über das quellenmäßig Belegbare gewinnen, liegt auf der Hand. Deininger widerstand dieser Verlockung.“ (Galsterer, Gnomon 44 (1972), S. 366).

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I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

zum Ersten in ihrer Rolle als sozio-ökonomisches Netzwerk innerhalb der Provinz, zum Zweiten als Gremium der Selbstdarstellung und zum Dritten als Eliteversammlung. Bei aller berechtigten Kritik steht aber fest: Jede Neubetrachtung der Provinziallandtage muss sich grundlegend mit dem Werk Deiningers auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung kann aber auf verschiedenen Wegen erfolgen. Die vorliegende Arbeit wird nicht den Weg wählen, das Werk Deiningers durch das neue Material zu erweitern, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Auch wenn an der einen oder anderen Stelle – vor allem bei der Datierung der Gründungen der Landtage – Korrekturen nötig sein werden, ist dies nicht das Hauptaugenmerk dieses Projektes. Vielmehr wird die Autorin den Fokus auf jene Themen legen, die Deininger ausgeklammert bzw. aus der Sicht seiner Zeit nicht adäquat hat einfließen lassen, wie beispielsweise die Frage nach der Vorgeschichte in hellenistischer und republikanischer Zeit, die ökonomische Relevanz der Landtage oder ihre Bedeutung für das innerprovinziale Elitegefüge. So steht am Ende auch das Ziel, vor dem Hintergrund der Neuausrichtung altertumswissenschaftlicher Fragestellungen in den letzten 50 Jahren eine Neubewertung dieser Institution zu versuchen. Dabei müssen an dieser Stelle bereits die Erwartungen all jener enttäuscht werden, die auf eine vollständige Aufnahme aller Quellen zu den Provinziallandtagen des Römischen Reiches gehofft haben. Dies erscheint heute mehr denn je ein aussichtsloses Unterfangen für einen einzelnen Historiker. Diese Arbeit kann nur im Rahmen eines umfassenden Projektes, an dem verschiedene Disziplinen der Altertumswissenschaften mitwirken, geleistet werden. Zudem ist der Spezialisierungsgrad in unserem Fach in einer Art und Weise fortgeschritten, die es beinahe unmöglich macht, alle Forschungsdiskussionen zu Teilaspekten (religiös, juristisch, administrativ, politisch, prosopographisch, gender­spezifisch etc.) und Quellen (literarisch, epigraphisch, numismatisch, archäologisch) der Provinziallandtage angemessen nachzuvollziehen. Um die folgende Analyse zu verschiedenen Aspekten der Provinziallandtage adäquat in die Forschungslandschaft einbetten zu können, ist es an dieser Stelle nötig, die Wahrnehmung der Institution in der aktuellen Diskussion des Faches kenntlich zu machen. Exemplarisch soll dabei gezeigt werden, wo die Defizite liegen. Der bereits eingangs erwähnte Duncan Fishwick mit seinem siebenbändigen Werk „The imperial cult in the Latin west“28 muss hier sicherlich an erster Stelle genannt werden. So wertvoll Fishwicks Materialsammlung und sein komparatistischer Ansatz auch sind, der historische Fokus der vorliegenden Arbeit ist doch ein anderer. Bei Fishwick wird die Institution der westlichen Concilia stets unter dem Aspekt des Kaiserkultes betrachtet. So schreibt er zu „purpose and function of the provincial centre“ beispielsweise: „The primary purpose of a provincial centre was to provide a focal point where cult could be offered to the emperor at the provincial altar or temple. […] A second function […] was to serve as the administrative headquarters of the concilium. […] A third and equally important function of a provin28

Vgl. oben Anm. 11.

I.3 Überblick über die Forschung

21

cial centre was its role as a centre of entertainment and recreation.“29 Hier liegt meines Erachtens eine Überbetonung der kultischen Aspekte vor. Die vorliegende Arbeit wird deutlich machen, dass die Institution der Provinziallandtage eine wesentlich stärker akzentuierte politische Rolle hatte als von Fishwick angenommen, wobei die religiöse Komponente nicht geschmälert werden soll, sondern eher politisch umgedeutet werden muss. Einem eher administrativen Ansatz bei der Beurteilung der Provinziallandtage folgt die zweite Ausgabe der Cambridge Ancient History im Band 10 (The Augustan Empire, 43 B. C. – A. D. 69).30 Schon die Subsummierung unter dem Schlagwort „Provincial Administration“ macht diese Perspektive deutlich. Die CAH verharrt bei der Feststellung Deiningers, Koina und Concilia hätten keine nennenswerte administrative Bedeutung gehabt.31 In dieser Frage wird die vorliegende Arbeit neue Perspektiven aufwerfen. Völlig zu Recht betont die CAH allerdings – wenn auch nur sehr knapp in einem Satz – die Rolle der Provinziallandtage für die Erweiterung des Prestiges der städtischen Eliten.32 Diesen Punkt gilt es in der vorliegenden Arbeit ebenfalls näher zu beleuchten. Hatte Deininger die Landtage noch als Karrieresprungbrett in den Reichsdienst verstanden, muss deutlicher herausgearbeitet werden, welchen Stellenwert sie für das innerprovinziale Elitegefüge besaßen. In den engen Bahnen, die Jürgen Deininger vorgegeben hat, bewegt sich auch die Analyse Mareks33, der in vielfältigen Arbeiten zu den Landtagen Stellung genommen hat: Kaiserkult, politische Vertretung der Provinz vor dem Kaiser, Klage gegen gewesene Statthalter, Münzprägung in begrenztem Ausmaß. Mareks Perspektive betrachtet die Provinziallandtage in erster Linie aus der Sicht des Reiches und kommt zu dem Schluss: „Die imperiale Administration […] erblickte in der städtischen Struktur die Zellen des Reiches. […] Demgegenüber sind Organisationsformen der Bewohner auf Provinzebene sekundär, auf das städtische Fundament aufgesetzt. Die Landtage (Koina) kommen als eine Veranstaltung der Städte in Betracht, nicht des Reiches.“34 Es muss im Folgenden hinterfragt werden, ob die Quellen den Schluss zulassen, es habe keine überregionale Planung im Hinblick auf die 29 30 31

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34

ICLW II 3, S. 211–216. Bowman, A. K., Provincial administration and taxation, in: CAH 2X (1996), S. 344–370. Ebd., S. 356: „The provincial assemblies, of which only the Asian and the Gallic […] are known in any detail during this period, played an important role in emperor-cult and might be the medium for transmission of measures affecting the province as a whole or for expressing the grievances of the provincial cities at the imperial court, but neither they nor the leagues had a role of any vital administrative importance, nor did they occupy a regular role as intermediary between the cities and the central government […].“ Ebd.: „A more important feature is the fact that they allowed concentration of the city aristocracies in a broader and more prestigious context, reinforcing their standing and control in their individual cities.“ Vgl. u. a. Marek, C., Stadt, Ära und Territorium in Pontus-Bithynia und Nord-Galatia (Istanbuler Mitteilungen 39), Tübingen 1993; ders., Pontus et Bithynia. Die römischen Provinzen im Norden Kleinasiens (Orbis Provinciarum), Mainz 2003; ders., Geschichte Kleinasiens in der Antike, unter Mitarbeit von Peter Frei, München 2010. Marek, Pontus et Bithynia, S. 63.

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I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

Koina und Concilia gegeben.35 Schon Brand und Kolb haben dieser Sicht zumindest für den lykischen Bund widersprochen: „Der […] Lykische Bund […] war […] ein Instrument der römischen Politik im griechischen Osten, und nach der Provinzgründung wurde er zur Interessenvertretung der Lykier und zur Verwaltungsinstanz im Rahmen der römischen Provinzordnung.“36 Ganz zentrale Kriterien bei der Bewertung der Provinziallandtage als reichsweitem Phänomen hat Wesch-Klein in ihrer Studie zu Einrichtung und Verwaltung der römischen Provinzen definiert.37 Zum einen betont sie völlig zu Recht die Kontinuitäten zu den hellenistischen und republikanischen Koina, unterstreicht aber auch die Brüche in diesen Einrichtungen, die mit der römischen Eroberung und Provinzialisierung eintraten. Wesch-Klein sieht die Bedeutung der Koina und Concilia in ihrer doppelten Funktion als Loyalitätsorgan und prestigeträchtiges Betätigungsfeld der provinzialen Elite einerseits sowie als Herrschafts- und Romanisierungsinstrument der römischen Zentralmacht.38 Auch für sie steht aber fest, dass die Provinziallandtage „jeglicher legislativer und administrativer Funktion entbehrten“39 und daher politisch gesehen eher als Randphänomen gelten müssen. Die aktuellste, wenn auch recht knappe Analyse der Provinziallandtage bieten Jacques und Scheid in ihrem strukturgeschichtlich angelegten Werk über Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit.40 Hinsichtlich der Gründungsdaten verweisen sie auf die Lücken bei Deininger und schließen aus neuerem Inschriftenmaterial auf einen frühen, julisch-claudischen Beginn dieser Organisationsstruktur.41 Dieser Ansatz bedarf ebenso wie weitere von ihnen aufgeworfene Aspekte – so die Frage

35 36 37 38

39 40 41

So Marek im Bezug auf die Provinz Pontus-Bithynien ebd., S. 64. Brand, H., Kolb, F., Lycia et Pamphylia. Eine römische Provinz im Südwesten Kleinasiens (Orbis Provinciarum), Mainz 2005, S. 27. Wesch-Klein, Provincia. Vgl. ebd., S. 15 f.: „Provinziallandtage [sind] trotz deutlicher Unterschiede als Fortführung hellenistischer Einrichtungen anzusehen […]. Sie dem römischen Herrschaftssystem dienstbar zu machen war nicht erst das Verdienst des ersten Princeps und seiner Nachfolger, vielmehr kam Zusammenschlüssen der Provinzbevölkerung bereits in republikanischer Zeit die Rolle einer vermittelnden Instanz zwischen den Interessen der Gemeinwesen, der Bevölkerung und der Herrscherin Rom bzw. den römischen Mandataren zu. Die Idee des ersten Prinzeps war es indes, sie durch die ihnen anvertraute Pflege des provinzialen Kaiserkultes als ein Medium der Herrschaftssicherung reichsweit zu etablieren. Die concilia erfüllten eine doppelte Funktion: Den Provinzialen boten sie die Gelegenheit, ihre Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus kollektiv und institutionalisiert zu demonstrieren. Den Römern eröffneten sie die Möglichkeit, sich diskret der Loyalität ihrer Untertanen zu versichern. Kaum zu unterschätzen ist die Rolle, die den concilia im Romanisierungsprozess der Eliten und damit letztlich der Provinzen zukam.“ Kritisch zu hinterfragen ist in dieser Darstellung auch der Begriff der „Romanisierung“, der in der Forschung äußerst kontrovers diskutiert wird. Vgl. den Überblick über die Debatte und eine kritische Stellungnahme dazu bei Mann, C., „Um keinen Kranz, um das Leben kämpfen wir!“. Gladiatoren im Osten des römischen Reiches und die Frage der Romanisierung, Berlin 2011, S. 16–23. Ebd., S. 16. Jacques, Scheid, Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit, S. 208–211. Vgl. ebd., S. 208 f.

I.3 Überblick über die Forschung

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nach dem Integrationspotenzial der Provinziallandtage oder der neuen Kommunikationsform, die sich mit der Einrichtung der Landtage entwickelte – einer gründlicheren Analyse, die im Rahmen der vorliegenden Studie vorgenommen werden soll. In neueren Arbeiten wird zunehmen die Frage gestellt, ob die Analogie von römischen Verwaltungseinheiten (provincia) und östlichen Provinziallandtagen (Koina) überhaupt gerechtfertigt ist, oder ob es sich dabei nicht um eine unzulässige Übertragung der Verhältnisse im Westen des Reiches, wo die Concilia stets territorial deckungsgleich mit der römischen Provinz waren, auf den Osten handelt.42 Bereits Kornemann hatte auf die Problematik hingewiesen, hier aber konstatiert, im Osten sei die fehlende Deckungsgleichheit von Provinz und Koinon historisch zu erklären.43 Die Provinzgrenzen deckten sich nicht mit den Koina, die sich an gewachsenen Strukturen orientierten oder bereits in vorrömischer Zeit entstanden waren. So lassen sich die Phänomene erklären, dass es entweder mehrere Koina in einer Provinz gab oder aber sie nur in einem Teilgebiet der römischen Provinz existierten. Stephan ging in seiner 2002 erschienen Dissertation sogar so weit, für Kleinasien von „Regionalversammlungen“ zu sprechen und ihnen eine römische Prägung gänzlich abzusprechen. Vielmehr sah er in den Koina des Ostens einen Spiegel der vorrömischen Verhältnisse.44 Gegen diese Ansicht wendet sich zu Recht Vitale.45 Seine Arbeit aus dem Jahr 2012 ist eine der jüngsten Auseinandersetzungen mit der Problematik der Koina des griechischen Ostens. Sein Schwerpunkt liegt allerdings auf dem Aspekt der „territoriale[n] Deckungsgleichheit“ von Koina und Eparchien als römischen Verwaltungseinheiten. Explizit grenzt er aus seiner Untersuchung politische und juristische Implikationen aus und geht zudem auch nicht auf die Verknüpfung von Koina und Provinzialverwaltungen oder die Selbstverwaltung der Landtage ein.46 Zu dieser Fokussierung auf den territorialen Aspekt tritt dann leider auch ein Ausblenden neuerer Untersuchungen zur inneren Struktur der Landtage und ein Verharren in der traditionellen Sichtweise, dass der „Hauptzweck dieser Zusammenschlüsse […] vorgeblich der Kult des lebenden Kaisers“47 gewesen sei. Als gemeinsames Merkmal all dieser Arbeiten, die sich – in der Regel am Rande – mit den Landtagen befassen, kann herausgestellt werden, dass immer der religiöse Sektor als wesentliches Aufgabenfeld umrissen wird, gefolgt von politischer Interessenvertretung und dem Recht zur Wahrnehmung von Repetundenverfahren. Stets wird der Blick von Rom auf die Peripherie bedient oder es werden die Landtage in ihrer Beziehung zur Zentrale umrissen. Die Landtage werden in der 42 43 44 45 46 47

So beispielsweise Dimitriev, S., The history and geography of the province of Asia during its first hundred years and the provincialization of Asia minor, Athenaeum 93 (2005), S. 71–133. Kornemann, Koinon, Sp. 929. Vgl. Stephan, E., Honoratioren, Griechen, Polisbürger. Kollektive Identitäten innerhalb der Oberschicht des kaiserzeitlichen Kleinasien, Göttingen 2002, S. 186. Vitale, Eparchie und Koinon, S. 32. Vgl. ebd., S. 31 f. Ebd., S. 33. Ein großes Manko der im Ansatz guten Arbeit Vitales muss darin gesehen werden, dass er neuere Forschungsliteratur nicht in ausreichendem Maß rezipiert.

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I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

Regel nicht als nach innen gerichtete Organe eines innerprovinzialen Diskurses wahrgenommen. Diese Lücke in der Erfassung der historischen Rolle von Koina und Concilia spiegelt sich auch in der Marginalisierung, die die Münzprägung der Landtage erfährt. Nicht nur, dass es keine monographische Aufarbeitung der Koinon-Prägungen gibt, sie führen selbst in den aktuellen numismatischen Standardwerken eine Randexistenz und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Ursachen dafür nicht zuletzt darin zu suchen sind, dass sich die Koina-Prägungen nicht in das gängige Schema von Reichs- und Provinzialprägungen einordnen lassen.48 Nun sind es aber gerade die wenigen existierenden regionalen Spezialuntersuchungen zur Koinon-Prägung einzelner Provinzen, die das gängige Bild der auf den religiösen Bereich reduzierten Institution in Frage stellen und einen neuen, ökonomisch und fiskalisch orientieren Zugang zur Thematik eröffnen.49 I.4 DAS PROBLEM DER QUELLEN Das Quellenproblem steht in direkter Korrelation zur Marginalisierung der Provinziallandtage in der altertumswissenschaftlichen Literatur. Da die senatorische Geschichtsschreibung auf die innerprovinziale Struktur wenig bis gar keinen Wert legte – außer in den Fällen von Repetundenklagen50 –, schweigen diese Quellen beinahe flächendeckend über die Provinziallandtage. Wäre die historische Forschung ausschließlich auf die Zeugnisse in literarischen oder historiographischen Quellen angewiesen, blieben die Provinziallandtage im Schatten der römischen Antike.51 Dem gegenüber steht ein immenser Corpus an Ehreninschriften der Landtage für die sakralen Amtsträger52, den Kaiser, Statthalter oder andere Wohltäter. Unglücklicherweise sind diese epigraphischen Zeugnisse reichsweit nicht annähernd einheitlich verteilt, sondern konzentrieren sich im Osten vornehmlich in den Provinzen Asia, Lykien, Galatien und Pontus-Bithynia, im Westen in Gallien und in den spanischen Provinzen.53 Bislang unterschätzt wurden die Inschriften, die sich 48 49

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Vgl. den Umgang mit den Koinon-Prägungen in den aktuellen Bänden des RPC. Genannt seien an dieser Stelle nur Ziegler, R., Kaiser, Heer und städtisches Geld. Untersuchungen zur Münzprägung von Anazarbos und anderer ostkilikischer Städte (Ergänzungsbände zu den Tituli Asiae Minoris 16) Wien 1993; Liampi, K., Die Münzprägung des Makedonischen Koinon in der Kaiserzeit, in: Alfaro Asins, C. et al. (Hgg.), XIII Congreso Internacional de Numismática, Madrid 2003: actas-proceedings-actes, Madrid 2005, S. 891–904. Hauptsächlich Plinius der Jüngere und Tacitus berichten von den bekannten 36 Repetundenverfahren, die vor dem Senat entschieden wurden. Vgl. Talbert, R. J. A., The senate of imperial Rome, Princeton 1984, S. 506–508. Das Koinon der Provinz Thrakia beispielsweise ist nur aus Inschriften bekannt. In der Regel sind das die Oberpriester, Oberpriesterinnen oder „Koinarchen“, in seltenen Fällen auch deren weibliche Pendants, wie beispielsweise in Makedonien die Makedoniarchissai. Für einige Provinzen liegen monographische Studien vor, die das epigraphische Material verdienstvoll gesammelt haben, beispielsweise: Campanile, M. D., I sacerdoti del koinon d’Asia (I sec. a. C. – III sec. d. C.). Contributo allo studio della romanizzazione delle élites provinciali nell’Oriente greco (Studi ellenistici 7), Pisa 1994; dies., Sommi sacerdoti, asiarchi e culto imperiale: un aggiornamento, Studi ellenistici 19 (2006), S. 523–584; Alföldy, G., Flamines Provinciae Hispaniae Citerioris (Anejos de Archivo Español de Arqueologia 6), Madrid 1973;

I.4 Das Problem der Quellen

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auf die weltlichen Funktionäre der Landtage bezogen. Obwohl ihre Anzahl deutlich geringer ist als die der männlichen und weiblichen priesterlichen Funktionäre, lassen sich gerade an ihren Fällen durch prosopographische Parallelstudien weiterführende Erkenntnisse gewinnen. Völlig im Abseits standen bisher die Inschriften der Sklaven und Freigelassenen der Concilia. Die Autorin konnte epigraphische Belege für insgesamt 16 Personen finden, die für die westlichen Landtage als Unfreie oder Liberti tätig waren. Ergänzt wird der Quellenbestand durch einige kaiserliche Reskripte an die Landtage. Eine bislang völlig unzureichend in die Beurteilung eingeflossene Quellengattung stellt, wie bereits erwähnt, das Corpus an Münzen dar, die von den Landtagen geprägt wurden. Die vorliegende Arbeit unternimmt zum ersten Mal den Versuch, sämtliche Münzen der Provinziallandtage zu einem Katalog zusammenzutragen und sie in ihrer ökonomisch­fiskalischen, aber auch ideologisch­ propagandistischen Aussage zu analysieren. Der Quellenbestand ist also extrem ungleich geographisch verteilt, er weist große Unterschiede in der Gewichtung der literarischen im Vergleich zu den übrigen Quellen auf und er zeigt eine große Invarianz vor allem im epigraphischen Material. Anstatt diese Quellenlage zu beklagen, geht die vorliegende Arbeit einen anderen Weg: Sie begreift ihn als Befund. Stellt man nämlich die Frage, warum die römischen Schriftsteller in ihren annalistischen, biographischen, rhetorischen oder wissenschaftlichen Werken die Landtage weitgehend ignorierten, die Landtage selbst aber offensichtlich innerhalb der Provinz sowohl archäologisch als auch epigraphisch und zum Teil numismatisch tiefe Spuren hinterlassen haben, ergeben sich Rückschlüsse auf die interne Rolle der Institution Provinziallandtag. Es scheint ein Missverständnis zu sein, die fehlende Wahrnehmung von römischer Seite als Ignoranz oder Ablehnung der Zentralmacht zu deuten. Viel eher scheint der Quellenbefund ein Indiz dafür zu sein, dass Koina und Concilia viel stärker auch als innerprovinziales Medium verstanden werden müssen. Zu oft wird in der Literatur ausschließlich danach gefragt, in welchem Verhältnis die Provinziallandtage zur römischen Provinzadministration standen, um dann negativ zu konstatieren, dass sie eben kein Teil des römischen Instanzenweges waren und keine legislativen oder administrativen Funktionen erfüllten.54 Hier gilt es den Blick zu verschieben: Die Provinziallandtage müssen stärker als selbstreferentielle Institution verstanden werden, die trotz ihrer Ausrichtung auf den Kaiserkult ein Identifikationsobjekt und ein Machtsubjekt innerhalb der Provinz darstellte. Eine aktuelle Betrachtung muss sich von der Vorgabe lösen, sie nur im Kontext der römischen Administration oder als Teil der römischen Reichs- und Provinzorganisation aufzufassen.

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Reitzenstein, D., Die lykischen Bundespriester. Repräsentation der kaiserzeitlichen Elite Lykiens (Klio Beiträge zur Alten Geschichte Beihefte Neue Folge 17), Berlin 2011; Marek, Pontus et Bithynia; Fernoux, H.-L., Notables et élites des cités de Bithynie aux époques hellénistique et romaine (IIIe siècle av. J.-C.–IIIe siècle ap. J.-C.). Essai d’histoire sociale, Lyon 2004. Für den Westen des Reiches hat Fishwick alle bekannten Oberpriester und Oberpriesterinnen zusammengetragen. Vgl. Fishwick, ICLW III 2: The Provincial Priesthood. Ausführlich dazu in Kap. III.2. So beispielsweise Wesch-Klein, Provincia, S. 16.

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I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

Ein anderes Erklärungsmodell muss aber auch darin gesehen werden, dass die Provinziallandtage ihre Interessen eben nicht auf der großen Bühne der römischen Politik vertraten, sondern eher im Hintergrund agierten und die Politik in den Provinzen durch Netzwerke mitbestimmten, die nicht immer und für jedermann offen lagen. Wenn es schon in der heutigen Zeit des Informations- und Kommunikationsüberflusses schwierig ist, Netzwerkdiplomatie nachzuvollziehen, um wie viel schwieriger gestaltet sich die Aufgabe des Historikers, die wenigen und oft qualitativ schlecht überlieferten Informationen antiker Netzwerkdiplomaten rekonstruieren zu wollen. Wie bringt man ans Licht, was schon die Zeitgenossen nicht immer sehen sollten? Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die Provinziallandtage nur dann in Form von Ehrenbeschlüssen oder offiziellen Gesandtschaften, mit Spielen oder Münzen ins Licht der Öffentlichkeit traten, wenn sie mit diesen Handlungen im öffentlichen Raum wahrgenommen werden wollten. Ihr Handlungsspektrum allerdings war wesentlich breiter und vernetzter. Ein Großteil dieser Aktivitäten aber war bewusst nicht für die öffentliche Wahrnehmung gedacht. Von diesen Aktivitäten blieben oft nur wenige Spuren, die entsprechend schwer zu interpretieren sind. Auch und gerade vor diesem Hintergrund kann eine Analyse der Provinziallandtage nur in der Erfassung des Phänomens als reichsweite Institution funktionieren. Denn nur in der Zusammenschau lassen sich die Quellen annähernd schlüssig interpretieren. I.5 ZUR TERMINOLOGIE – DER BEGRIFF DES „PROVINZIALLANDTAGS“ Der Begriff „Provinziallandtag“ sei ein „schrecklicher, aber wenigstens sprachlich vertretbarer Terminus der deutschen Forschung“55. Mit diesen Worten drückte Trillmich sein Unbehagen aus über die deutsche Wiedergabe dessen, was im Lateinischen Concilium, im Griechischen Koinon heißt. Dasselbe Unbehagen trägt auch Larsen vor, wenn er schreibt: „‚[P]rovincial assemblies‘ is an unhappy term which places the emphasis on the assemblies rather than on the organizations represented by the assemblies; and the discussion under ‚provincial assemblies‘ of eastern koina, that is, federal states and commonalities, tends to obscure their importance as the connecting link between earlier Greek institutions and the institutions of the Roman Empire. “56 In einer der aktuellsten Monographien zu einem Teilaspekt der östlichen Koina hat Vitale darauf hingewiesen, dass in den modernen Begrifflichkeiten – Provinziallandtag, provincial assembly, assemblée provinciale – stets die römische Verwal55

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Vgl. Trillmich, W., „Foro provincial“ und „Foro municipal“ in den Hauptstädten der drei hispanischen Provinzen: eine Fiktion, in: Ciudad y comunidad cívica en Hispania. Actes du colloque organisé par la Casa de Velázquez et par le Conseil Superior de Investigaciones Científicas, Madrid, 25–27 janvier 1990 (Collection de la Casa de Velázquez 40), Madrid 1993, S. 115–124, hier S. 124. Larsen, Representative government, S. 107.

I.5 Zur Terminologie – Der Begriff des „Provinziallandtags“

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tungseinheit für die Namensgebung maßgeblich ist.57 Dass dabei in der modernen Bezeichnung nicht zwischen westlichen Concilia und östlichen Koina unterschieden wird, sondern sogar die moderne Wiedergabe des Terminus concilium provinciae, also Provinzialversammlung/Provinziallandtag, auf den Osten übertragen wird, ist in der Tat unhistorisch, wenn auch nicht unbegründet. Die augenfälligen Parallelen dieser Institutionen im Westen und Osten des Reiches in Aufbau, Funktion und Personal, der offensichtliche Transfer dieser Institution aus dem Osten in den Westen sowie die deutlich sichtbare einheitliche Wahrnehmung dieser Organisationsformen durch die römische Zentralgewalt lassen eine Einheitlichkeit in der Bezeichnung gerechtfertigt erscheinen. Sehr viel weniger nachvollziehbar ist dagegen der politische Aspekt dieser Terminologie. Kurzum: Der Begriff „Provinziallandtag“ ist aufgrund seiner inhaltlichen Prädispositionen und seiner anachronistischen Verwendung problematisch. Trotzdem soll im Folgenden an ihm festgehalten werden. Dies hat zwei Gründe: Zum ersten fehlt eine Alternative. Am sinnvollsten erscheint es der Autorin, auf die antiken Begriffe „Koinon“ und „Concilium“ zurückzugreifen, wohl wissend, dass auch diese Terminologie nicht unproblematisch ist, subsummiert doch beispielsweise der Begriff „Koinon“ neben den kaiserzeitlichen Landtagen auch die Staatenbünde und Bundesstaaten der klassischen und hellenistischen Zeit oder bezeichnet er Zusammenschlüsse im Bereich des Vereinswesens. Gänzlich auf den Begriff des „Provinziallandtags“ zu verzichten, verbietet sich aber auch schon aus dem Grund, dass er sich seit mehr als 150 Jahren in der wissenschaftlichen Debatte etabliert hat. Im Folgenden wird der Begriff „Provinziallandtag“ synonym zu dem der „Provinzialversammlung“ und den antiken Termini „Koinon“ und „Concilium“ verwendet. I.6 INHALTLICHE ABGRENZUNG UND FRAGESTELLUNGEN Die vorliegende Arbeit begreift sich als Studie verschiedener Aspekte der Provinziallandtage, nicht als umfassende Untersuchung. Die Einzelaspekte ergeben sich zum einen aus Quellenneufunden, Neuinterpretationen bekannten Materials oder einer veränderten, erweiterten Wahrnehmung des Quellenbestandes.58 Zum anderen werden Fragestellungen der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion aufgegriffen, die bislang noch nicht an die Provinziallandtage herangetragen wurden.59 Wenn wichtige und in der Forschung vieldiskutierte Aspekte der Provinziallandtage – wie beispielsweise die Entwicklung der Spiele im Kontext der Provinzial-

57 58 59

Vgl. Vitale, Eparchie und Koinon, S. 31. Dazu zählt die bereits erwähnte Heranziehung des numismatischen Materials. Als Beispiel kann man hier den Rekurs auf die Neue Institutenökonomik nennen und die von ihr entwickelte Transaktionskostentheorie (vgl. Kap. 4.4). Dieser aus dem Feld der Wirtschaftsgeschichtsforschung übernommene Denkansatz zeigt, wie die Diskurse der historischen Nachbardisziplinen für althistorische Themen nutzbar gemacht werden können. Die Transaktionskostentheorie trägt nicht unerheblich zum Verständnis der ökonomischen Dimension von Koina und Concilia bei.

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I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

kulte oder die Problematik der Provinzialpriesterinnen60 – nicht in die Studie einbezogen werden, so darf dies nicht als Geringschätzung dieser Themenfelder verstanden werden, sondern ist einer notwendigen Fokussierung der Schwerpunkte geschuldet. Es wird ein zeitlicher Rahmen angelegt, der von der Betrachtung der hellenistischen Vorläufer der Provinziallandtage bis zum Ende der hohen Kaiserzeit reicht. Die Provinziallandtage der Spätantike werden aufgrund ihrer grundlegenden Verschiedenheit ebenso ausgeschlossen wie die nicht auf Ebene der Provinz angesiedelten kleinen landschaftlichen Koina der Provinz Achaia.61 Eine Untersuchung der Provinziallandtage der Kaiserzeit muss die Ergebnisse der hellenistischen und spätrepublikanischen Entwicklungen an den Beginn stellen, da nur so die Umstrukturierungen mit Beginn der Prinzipatsverfassung nachvollzogen werden können, was wiederum Schlüsse auf die veränderte Provinzialpolitik unter dem Regiment der Kaiser erlaubt. Das spezielle Augenmerk auf Vorgeschichte, Entstehung und Frühzeit der Provinziallandtage in Hellenismus und römischer Republik legt damit auch den fundamentalen Bedeutungswandel des Systems der Provinziallandtage am Übergang zur Kaiserzeit offen. Die Untersuchung setzt sich zum Ziel, das Imperium Romanum als Herrschaftssystem in seinen Funktionsweisen besser verständlich zu machen. Aus diesem Grund kann es nicht ausreichend sein, die institutionellen Gegebenheiten, ihre Verfahrensweisen und Organisationsstrukturen zu beschreiben. Es muss ein weiterreichendes Beschreibungskonzept angelegt werden. Dabei kann man als Voraussetzung definieren, dass sich politisches Handeln auf der Ebene des Reiches wie auf der Ebene der Provinziallandtage in verschiedenen Handlungsräumen vollzog. Das Konzept der Handlungsspielräume62 scheint dabei ein hilfreiches methodisches Konstrukt zu sein, denn gerade in den verfestigten Strukturen der antiken Gesellschaft bildet der Möglichkeitsbereich autonomer politischer Aktivität den Rahmen des Handelns sowohl für das Individuum als auch eine soziale, gesellschaftliche oder politische Gruppe. Diese Perspektive hat insofern Vorteile, als sie den Blick 60

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Eine Diskussion verdienten beispielsweise die Fragen, welche Rolle der Ehefrau der amtierenden Priester zukommt, ob diese Frauen möglicherweise Funktionsträgerinnen über ihre sakralen Amtspflichten hinaus waren und welche Bedeutung dem Kult der Kaiserfrauen zukam. Gerade ein so ergiebiges und interessantes Forschungsfeld wie das der Priesterinnen im Provinzialkult bedarf einer eigenen eingehenden Studie, die in den größeren Rahmen der weiblichen Kaiserpriesterinnen eingebettet sein muss. Achaia besaß kein auf die Provinz ausgerichtetes Koinon, das in seinem Aufbau und vor allem in seinen Aufgaben den Koina der übrigen Provinzen vergleichbar war. Es existierten verschiedene kleinere, oft als „landschaftliche“ Koina bezeichnete Städtevereinigungen, wie beispielsweise das achäische, das boiotische, das phokische, das thessalische, das arkadische oder das eleutherolakonische. Zwar lassen sich im ersten Jahrhundert n. Chr. Ansätze nachvollziehen, einen aus den einzelnen landschaftlichen Koina gebildeten größeren Verband zu schaffen, diese Ansätze scheinen aber nicht dauerhaft erfolgreich und nachhaltig gewesen zu sein. Vgl. dazu Deininger, Provinziallandtage, S. 88–91; Harter-Uibopuu, K., Kaiserkult und Kaiserverehrung in den Koina des griechischen Mutterlandes, in: Cancik, H., Hitzl, K. (Hgg.), Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen, Tübingen 2003, S. 209–231. Vgl. dazu auch Vierhaus, R., Handlungsspielräume. Zur Rekonstruktion historischer Prozesse, HZ 237/2 (1983), S. 289–309.

I.6 Inhaltliche Abgrenzung und Fragestellungen

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von den rein politischen Entscheidungen hin zu anderen historischen Spielfeldern öffnet und Modelle von Kommunikation, Identitätsfragen, ökonomische Erklärungsmuster sowie personale Konstellationen in der Interpretation und Rekonstruktion geschichtlicher Abläufe zulässt. Vor dem Hintergrund dieser inhaltlichen und methodischen Prämissen beschäftigt sich Kapitel II mit Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage. Dabei werden die Koina der klassischen und hellenistischen Epoche als politische und religiöse Räume näher beleuchtet, um Kontinuitäten und Brüche im Übergang zur Zeit der römischen Herrschaft abzubilden. Daran anschließend stellt die Untersuchung des Materials zu den republikanischen Koina von Sicilia, Macedonia, Asia, Bithynia-Pontus, Zypern, Kreta und Lykien die Rolle der Provinziallandtage für die Herrschaftsstrukturen des republikanischen Rom dar. Ziel dieses Schrittes ist es einerseits, sie in Funktion und Struktur mit den griechischen Koina zu vergleichen, andererseits sie als Fundament der kaiserzeitlichen Koina zu beschreiben. In einem folgenden Teilkapitel werden die bekannten Nachrichten zur Einrichtung des provinzialen Kaiserkultes im Rahmen der bestehenden Koina in Asia und Bithynia analysiert, um darauf aufbauend einen neuen chronologischen Ansatz zur Einrichtung der kaiserzeitlichen Provinziallandtage im Osten und Westen des römischen Reiches zu wagen und diese Entwicklung als Transferprozess zwischen politisch, sozial, wirtschaftlich, religiös und kulturell divergierenden Räumen zu beschreiben. Den Schlussstein in der politischen Beurteilung der Provinziallandtage bildet das „fehlende Koinon“ der Provinz Ägypten. Diese Aspekte ermöglichen in der Zusammenschau eine abschließende Beurteilung des Prozesses der Einrichtung von Koina und Concilia als Spiegel kaiserzeitlicher Herrschaftskonzeptionen. Kapitel III wird Aspekte des aktuellen Forschungsstandes zum Spitzenpersonal und zur identifikatorischen Rolle der Provinziallandtage widergeben. Am Beginn allerdings steht die bislang vernachlässigte Frage nach dem Rechtscharakter der gesamten Institution. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen zu juristischer Organisationsform und rechtlicher Basis von Koina und Concilia untersucht die Autorin in diesem Kapitel das administrative und religiöse Spitzenpersonal der Provinziallandtage. Gerade die intensive Diskussion um das Amt der „Koinarchen“ und die Frage nach der Identität von Archiereus und „Koinarch“ wird dargestellt und durch die Einführung einer diachron und geographisch übergreifenden Fragestellung in die Interpretation neu analysiert. Mit Kapitel IV betritt die Autorin Neuland, wenn sie nach der wirtschaftlichen und finanziellen Dimension der Provinziallandtage fragt. Zunächst wird mit einer Analyse der Ausgaben- und Einnahmenstruktur der Provinziallandtage die Basis für eine Beurteilung ihrer ökonomischen Ressourcen im Kontext der Provinz gelegt. Der Einfluss des Kaisers und der römischen Provinzialadministration auf die Finanzen der Landtage steht dann ebenso im Fokus wie eine Betrachtung der Provinziallandtage als finanzpolitisches und sozioökonomisches Netzwerk. Großen Erkenntnisgewinn ermöglicht eine Untersuchung der Münzprägung der östlichen Koina. Die Ergebnisse dieser Einzelaspekte tragen dann zur Beantwortung der abschließenden Frage bei, ob es einen Beitrag der Provinziallandtage zur römischen Provinzialverwaltung gab.

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I. Stand der Diskussion, methodische Vorüberlegungen, inhaltliche Abgrenzungen

Im abschließenden Kapitel V sollen die Ergebnisse der Studie zusammengefasst und eingeordnet werden.

II. VORGESCHICHTE UND ENTSTEHUNG DER PROVINZIALLANDTAGE II.1 VORBEMERKUNGEN ZUM FORSCHUNGSSTAND Seit dem 19. Jahrhundert wird über die Einrichtung der Provinzialversammlungen kontrovers diskutiert.1 Im Fokus der Debatte standen einerseits die Gründungsdaten selbst sowie die Bedeutung von Vorbildern und Prototypen aus hellenistischer und spätrepublikanischer Zeit. Andererseits beschäftigte sich die Forschung mit der Rolle Roms bei der Einrichtung von Concilia und Koina bzw. stellte diese in Frage und betonte die Initiatoren auf Provinzebene. Die enge Verbindung von Provinziallandtag und provinzialem Herrscherkult führte dabei jedoch oft zu Missverständnissen. Gerade hinsichtlich der Kulteinrichtungen auf der Ebene der Provinz nahm die Diskussion teilweise Züge eines Glaubenskonflikts an und wurde mit der Frage nach dem Konzept der Göttlichkeit des Herrschers verknüpft.2 Daher muss gleich an dieser Stelle einmal mehr betont werden, dass die Quellensituation selten gesicherte Aussagen zulässt. Vor allem das epigraphische Material, auf das beim Studium der Frühzeit der Provinziallandtage beinahe ausschließlich zurückgegriffen werden kann, ist alles andere als eindeutig in seinen Aussagen. So wünschenswert Eindeutigkeit für den Historiker wäre, so wenig kann sie durch Interpretation nach Bedarfslage herbeigeführt werden. Man muss folglich auf diesem Feld der althistorischen Forschung damit leben, dass es Widersprüche und Ungereimtheiten gibt. Allerdings muss man auch konstatieren, dass sich unser Bild von den Provinziallandtagen durch Quellenneufunde in den letzten fünf Jahrzehnten gewandelt hat. Hinzu treten Neuinterpretationen des epigraphischen Materials sowie neue Fragestellungen in der Forschung. Wir sind heute wesentlich besser in der Lage, die Prozesshaftigkeit sowie die regionalen Variationen der Entstehungsgeschichte der Provinziallandtage zu erkennen. Diese veränderte Quellenlage ermöglicht es uns heute auch, nach Mustern hinter den regionalen Variationen zu suchen und dies wiederum befähigt uns, strukturgeschichtliche Erkenntnisse zu formulieren, die Bedeutung für das gesamte Reich haben. Leitlinien der Provinzorganisation lassen sich herausfiltern, die sonst in keiner schriftlichen Quelle explizit formuliert sind. Diese Erkenntnis darf ohne Übertreibung als der zentrale Mehrwert dieser Untersuchung der 1

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Vgl. u. a. Mommsen, T., Römisches Staatsrecht III 1, Leipzig 1888, S. 743 f.; Kornemann, RE S IV (1924), Sp. 914–941, s. v. Koinon; ders., Zur Geschichte der antiken Herrscherkulte, Klio 1 (1901), S. 51–146; ders., RE IV, 1 (1900), Sp. 801–830, s. v. Concilium; Guiraud, P., Les assemblées provinciales dans l’empire romain, Paris 1887 (ND Rom 1966); Marquardt, J., Römische Staatsverwaltung 1, Leipzig 21881, S. 503–516; Krascheninnikoff, M., Ueber die Einführung des provinzialen Kaisercultus im römischen Westen, S. 169, Philologus 53 (1894), S. 147–189. Vgl. Scheid, J., Rez. von Clauss, M., Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, München, Leipzig 2001, Gnomon 75 (2003), S. 707–710.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

Frühzeit der Landtage bezeichnet werden. Neben der Untersuchung der Einrichtung dieser Institutionen in den einzelnen Provinzen stellt die Suche nach den Motiven und den Prinzipien römischer Provinzialpolitik sicherlich das übergeordnete Erkenntnisziel einer solchen Analyse dar. Denn nach wie vor muss der Historiker hier eine Leerstelle füllen, da es in der Überlieferung keine explizite Darlegung der Haltung Roms gegenüber seinen Untertanen in den Provinzen gibt. Hier können nur die kritische Reflexion der Einzelergebnisse und ihre Zusammenschau unter Berücksichtigung der allgemeinen Rahmenbedingungen tiefere Einblicke ermöglichen. Als communis opinio in der Betrachtung der Landtage galt lange3, dass es im Osten des Reiches eine Übernahme der existierenden Koina-Struktur auf provinzialer Ebene bereits in der römischen Republik gegeben habe, die dann durch Augustus mit dem Aufgabenfeld des Herrscherkultes betraut wurde. Neuere Forschungen haben hier deutlich machen können, wie eng verflochten der Prozess der Provinzeinrichtung mit der Übernahme der bestehenden oder der Schaffung neuer KoinaStrukturen bereits in der späten Republik war.4 Ferner besteht heute deutlich mehr Klarheit darüber, wie stark die Anknüpfungspunkte der spätrepublikanischen Koina an ihre hellenistischen Vorgänger waren und dass vor allem das Element der religiösen Herrscherverehrung von den hellenistischen Koina auf die spätrepublikanischen übertragen und auf Magistrate und die Göttin Roma angewendet wurde.5 Diese Einrichtungen wurden dann in beinahe allen westlichen Provinzen installiert. Lange stand die These Krascheninnikoffs im Raum, der provinziale Kaiserkult sei zuerst in jenen Provinzen eingeführt worden, die am wenigsten romanisiert gewesen seien, und umgekehrt hätten jene Provinzen, in denen der Grad der Romani-

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Vgl. Guiraud, Les assemblées provinciales, S. 37–50. Bereits in der ersten Monographie zu den Provinziallandtagen führte Guiraud die Ursprünge der kaiserzeitlichen Institution auf drei verschiedene Vorgänger zurück: die „assemblées antérieures à la conquête romaine“, also die griechischen Städtebünde der klassischen und hellenistischen Zeit, die „assemblées anciennes, modifiées par les Romains“ und die „assemblées créées par les Romains“. Nun kann man nach heutigem Forschungsstand gegen diese Einteilung vielfache Zweifel vorbringen, die Tatsache allerdings, dass die Provinziallandtage der Kaiserzeit Vorgängerformen in den Städtebünden des griechischen Ostens hatten, ist unbestritten. Vgl. dazu auch die relativ knappen Anmerkungen bei Deininger, J., Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zum Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. (Vestigia 6), München 1965, S. 7–12. Vgl. u. a. den Beitrag der Autorin Edelmann-Singer, B., Die Provinzen und der Kaiserkult. Zur Entstehung und Organisation des Provinziallandtages von Asia, in: Ebner, M., Esch-Wermeling, E. (Hgg.), Kaiserkult, Wirtschaft und Spectacula. Zum politischen und gesellschaftlichen Umfeld der Offenbarung (Novum Testamentum et Orbis Antiquus/Studien zur Umwelt des Neuen Testaments (NOTA/StUNT) 27), Göttingen 2011, S. 81–102. Vgl. Müller, H., Der hellenistische Archiereus, Chiron 30 (2000), S. 519–542; Mileta, C., Die offenen Arme der Provinz. Überlegungen zur Funktion und Entwicklung der prorömischen Kultfeste der Provinz Asia (erstes Jahrhundert v. Chr.), in: Rüpke, J. (Hg.), Festrituale in der römischen Kaiserzeit (Studien und Texte zu Antike und Christentum 48), Tübingen 2008, S. 89–114; ders., Die prorömischen Kulte der Provinz Asia im Spannungsfeld von Religion und Politik, in: Cancik, H., Rüpke, J. (Hgg.), Die Religion des Imperium Romanum. Koine und Konfrontationen, Tübingen 2009, S. 139–160.

II.1 Vorbemerkungen zum Forschungsstand

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sierung bereits hoch gewesen sei, erst ein Jahrhundert später einen Kult erhalten.6 Obwohl sich schon früh Widerspruch gegen diese Deutung regte7, hat sie sich in ihren Grundideen lange gehalten und auch die Forschungen zu den Provinziallandtagen überschattet.8 Hier spiegelt sich das bereits angesprochene Problem, mit dem man sich auseinandersetzen muss, wenn man über die Frühzeit der Landtage Aussagen machen will: die enge Verknüpfung von Provinziallandtag und provinzialem Herrscherkult. In der Regel wird – zumindest im Westen des Reiches – für die Einführung eines provinzialen Kultes die Existenz einer diesen Kult ausführenden Institution vorausgesetzt. Dies bedeutet im Umkehrschluss: Je nachdem für welchen Zeitraum man die Existenz eines Kaiserkultes auf der Provinzebene definiert, wird man auch die Existenz einer entsprechenden Organisation früher oder später ansetzen. So führte die Gretchenfrage der Forschungen zum Kaiserkult im Westen – „Wie hielt es Augustus mit seiner Vergöttlichung?“ – zur Prädisposition in der Datierung der Landtage.9 Als Meilenstein in der von Rom gesteuerten Einführung der Provinziallandtage und des mit ihnen verknüpften Herrscherkultes wurde in der traditionellen Sichtweise neben Augustus auch Kaiser Vespasian angesehen. Unter seiner Regentschaft – so die Annahme – wurden die bis dato eher in den neu eroberten Problemprovinzen des Westens als Mittel der Herrschaftssicherung eingerichteten Landtage nun auch in den etablierten Provinzen institutionalisiert.10 Vor allem diese Hypothese 6

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Mit welcher Beharrlichkeit diese These vertreten worden ist, lässt sich schon daran ablesen, dass sie als lex Krascheninnikoff Eingang in die Forschungsdiskussion gefunden hat. Vgl. Krascheninnikoff, Ueber die Einführung des provinzialen Kaisercultus im römischen Westen, S. 169. Deininger urteilt im Anschluss daran: „Die Übertragung des Provinzialkultes und seiner Institutionen auf den Westen war unter Augustus in erster Linie als wichtiges Mittel zur raschen Romanisierung neu eroberter Gebiete gedacht.“ (Deininger, Provinziallandtage, S. 24). Vgl. Kornemann, Zur Geschichte der antiken Herrscherkulte, S. 51–146. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 33–35. Vgl. Deininger, ebd., S. 27: „Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Geschichte der Ausbreitung der concilia in der Hauptsache erst nach der Zeit des Augustus begonnen hat.“ Deutlicher in der Verbindung Kaiserkult und Verehrung im Koinon artikuliert Fishwick: „In life it was sufficient that the head of state should be sacralized by his priesthoods and festivals, superhumanized by his titles divi filius and Augustus, above all by the attribution of numen. Officially divinity was something Augustus would attain only after death, but unofficially there are signs he was not averse to the more open ascription of divinity to himself already in his lifetime. […] Outside of Rome, on the other hand, whether in Italy or the provinces, the subjects of Augustus were free to worship as they chose, at least at the municipal and private level. […] The collective worship of a province was another matter and prudence required that provincial cults should closely adhere to official guidelines.“ (Fishwick, ICLW I 1, S. 90–92). Manfred Clauss, der den Kaiser von dessen Herrschaftsbeginn an in allen Teilen des Reiches als Gott sieht, datiert auch die Einrichtungen der westlichen concilia in die julisch-claudische Zeit. (Vgl. Clauss, Kaiser und Gott, S. 396–398). So zuletzt Fishwick, ICLW I 1, S. 149: „We shall see that precisely the opposite reasons account for the second great stage in the development of the western ruler cult: Vespasian rather than Augustus was to be responsible for the systematic extension of provincial emperor worship because, apart from the administrative convenience of a council in every province, Vespasian needed the support of the older provinces on behalf of a dynasty which lacked the authority and charisma of that founded by Augustus. But first there is the interval of the Julio­Clau-

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

gilt es im Folgenden kritisch zu hinterfragen. Neue Quellenfunde lassen eine Korrektur des Bildes nötig erscheinen.11 Es stellt sich sogar die Frage, ob es unter Vespasian überhaupt eine Neuausrichtung der römischen Politik gegenüber den Provinziallandtagen gab. Selbst für die Annahme einer flavischen Reform bereits existierender Strukturen, wie sie oft aus der sogenannten lex Narbonensis12 herausgelesen wurde, sind die Anhaltspunkte nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung zu schwach. All dies kann in der Konsequenz nur bedeuten, dass man die Entstehungsgeschichte sowohl der östlichen wie auch der westlichen Provinziallandtage neu betrachten muss. Eine zentrale Rolle in der Chronologie fällt dabei der Phase der späten Republik zu. In diesem Zeitraum zeigte sich das politische Potential der Koina und gewann Rom einen Eindruck von den Möglichkeiten dieser Institutionen. II.2 DIE KOINA IN VORRÖMISCHER ZEIT – POLITISCHE UND RELIGIÖSE RÄUME II.2.1 Die Koina der klassischen und hellenistischen Zeit als Vorbilder und Modelle Die Koina des griechischen Ostens hatten ihre Wurzeln in den Städtebünden der klassischen und hellenistischen Zeit, die vom griechischen Mutterland über die Ägäis bis nach Kleinasien zu finden waren.13 Diese Organisationen lassen sich von der archaischen Epoche bis in die Spätantike hinein verfolgen und stellen damit eine

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dians, when Tiberius, in particular, was responsible for setting the imperial cult on a new course by shifting the emphasis to the worship of his deified father.“ Ob dies immer notwendigerweise auch eine veränderte Sichtweise auf die Konzepte der Vergöttlichung des Herrschers implizieren muss, sei dahingestellt. CIL XII 6038 = ILS 6964 = AE 1987, 749. Eine Neubewertung dieses Dokuments findet sich als Exkurs in Kap. II.5.2. So bereits Guiraud, Les assemblées provinciales, S. 37–50; Deininger, Provinziallandtage, S. 7–12. Neuere Arbeiten zu den klassischen und hellenistischen Bundesstaaten und Staatenbünden verweisen ebenfalls auf ihre Vorgängerrolle für die Provinzialkonzilien der römischen Kaiserzeit. Vgl. u. a. Demandt, A., Die spätgriechischen Bundesrepubliken, in: ders., Antike Staatsformen. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte der Alten Welt, Berlin 1995, S. 236– 261; Funke, P., Die staatliche Neuformierung Griechenlands. Staatenbünde und Bundesstaaten, in: Weber, G. (Hg.), Kulturgeschichte des Hellenismus. Von Alexander dem Großen bis Kleopatra, Stuttgart 2007, S. 78–98. Für die griechischen Koina allgemein vgl. Beck, H., Polis und Koinon. Untersuchungen zur Geschichte und Struktur der griechischen Bundesstaaten im 4. Jahrhundert v. Chr. (Historia Einzelschriften 114), Stuttgart 1997; Mackil, E., Creating a common polity. Religion, economy, and politics in the making of the Greek Koinon, Berkeley et al. 2013; Funke, P., Haake, M. (Hgg.), Greek federal states and their sanctuaries. Identity and integration. Proceedings of an international conference of the cluster of excellence „Religion and Politics“ held in Münster, 17.6.–19.6.2010, Stuttgart 2013; McInerney, J., Polis and koinon. Federal government in Greece, in: Beck, H. (Hg.), A Companion to Ancient Greek Government, Malden/Mass. 2013, S. 466–479.

II.2 Die Koina in vorrömischer Zeit – politische und religiöse Räume

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der langlebigsten Institutionen der antiken Geschichte dar.14 Dabei wandelten sich die Koina zwangsläufig in ihrem Charakter mit dem Beginn der römischen Herrschaft und der Provinzialisierung. Ihre politische Bedeutung konnte mit dem Wegfall der politischen Selbstständigkeit naturgemäß nicht mehr so zentral sein, wie sie es noch in der archaischen, klassischen oder auch hellenistischen Zeit gewesen war.15 Von einem Prototyp kann man allerdings bei den Koina des griechischen Mutterlandes nicht sprechen. In keinem Fall kann man in einem einzelnen vorrömischen Städtebund die typischen Merkmale der kaiserzeitlichen Provinziallandtage finden oder einen von den Römern als Vorbild definierten und übernommenen Bund ausmachen. Viel eher weist die strukturelle Gestaltung vorrömischer und römischer Koina Gemeinsamkeiten auf, darunter sind in erster Linie ihr repräsentativer Charakter sowie ihre Funktionen in Kult und Religion zu verstehen.16 Offensichtlich boten die vorrömischen Koina jene Anknüpfungspunkte, die für eine Herrschaftsübernahme und territoriale Neustrukturierung wichtig und nützlich waren.17 Ein ganz zentrales Moment der Kontinuität scheint allerdings die Motivation gewesen zu sein, die zur Gründung der Bünde führte. Gerade in der hellenistischen Zeit sehen wir an einigen Beispielen, dass diese Zusammenschlüsse von Poleis ein erfolgreiches politisches Mittel sein konnten, um Stärke zu zeigen, sich zu behaupten und einer politischen Ohnmacht durch Atomisierung im Angesicht der hellenistischen Großreiche vorzubeugen. „Die föderalstaatliche Struktur zwang die Polis, die einem solchen Bundesstaat beitrat, zwar einerseits in einen institutionell festgefügten Verbund unter Aufgabe eines Teils ihrer Souveränität; innerhalb dieses Verbundes bot eine solche Struktur aber andererseits die Möglichkeit, den Eigeninteressen der Einzelstaaten angemessen Rechnung zu tragen.“18 Auf der anderen Seite nutzten auch die hellenistischen Herrscher die Bünde als indirektes Herrschaftsinstrument.19 14 15

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Vgl. Herrmann, P., Das κοινὸν τῶν Ἰώνων unter römischer Herrschaft, S. 223, in: Ehrhardt, N., Günther, L.-M. (Hgg.), Widerstand – Anpassung – Integration. Die griechische Staatenwelt und Rom (Festschrift für Jürgen Deininger zum 65. Geburtstag), Stuttgart 2002, S. 223–240. Peter Herrmann hat in seinem Aufsatz zum ionischen Koinon sehr zu Recht darauf hingewiesen, dass das vielfach abwertende Urteil über die landschaftlichen Koina der Kaiserzeit nicht gerechtfertigt ist, und auf „die gesellschaftliche und ideelle Bedeutung des Phänomens“ sowie auf seine „Rolle […] als Element des Selbstverständnisses im kleinasiatischen Griechentum“ hingewiesen. „Auch Traditionalismus und Nostalgie (wenn sie denn hier als solche diagnostiziert werden kann) können wirkungsträchtige Faktoren im Leben sozialer Gemeinschaften sein.“ (Herrmann, ebd., S. 224). Vgl. auch dazu Deininger, Provinziallandtage, S. 10 f. „Der Grund dafür liegt darin, daß sich die Staatlichkeit dieser Konföderationen zugunsten einer hegemonialen Außensteuerung gleichsam beliebig verdünnen ließ. Sie eigneten sich als Klientelstaaten. Darum hat Rom von sich aus sogar neue Konföderationen geschaffen, so 196 in Thessalien und 168 in Makedonien. […] In der Folgezeit blieben die hellenistischen Provinzialkonzilien als Substruktur der römischen Herrschaft erhalten. Ihre Befugnisse wurden gemindert, die letzte Schwundstufe bildeten die zeremoniellen Funktionen für den Herrscherkult mit einem Beschwerderecht beim Kaiser als dem universalen Hegemon.“ (Demandt, Die spätgriechischen Bundesrepubliken, S. 258). Funke, Staatliche Neuformierung, S. 79. Vgl. u. a. die Ausführungen zum Nesiotenbund oder zum kretischen Koinon unten.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

In die politische Erfahrungswelt der Römer gelangten die Bundesstaaten erstmals in direkter Konfrontation im zweiten punischen Krieg. Nachdem Philipp V. von Makedonien sich mit Hannibal verbündet hatte, schloss sich Rom mit den Aitolern, Gegner Philipps V., zusammen. Gemeinsam zwangen sie Philipp V. im ersten makedonischen Krieg zum Friedensschluss 205 v. Chr.20 Im zweiten makedonischen Krieg traten auch die Achaier dem Bündnis mit Rom bei. Dem Sieg über Philipp V. 197 v. Chr. bei Kynoskephalai21 folgte die Freiheitserklärung für die Griechen 196 v. Chr. bei den Isthmischen Spielen.22 In der Folgezeit mussten die Römer den Abfall der Aitoler aus dem Bündnis sowie ihre Hinwendung zu Antiochos III. erleben23, nach dem Sieg 191 v. Chr. gegen den Seleukiden24 kehrten sie aber zurück auf die Seite der Römer. In den Jahren bis 168 v. Chr. war das achäische Koinon in seiner Haltung zu den Römern gespalten. Erst nach dem Sieg im dritten makedonischen Krieg über Perseus bei Pydna gewannen die prorömischen Kräfte die Oberhand.25 Die nun folgende Strafaktion gegen die führenden Männer der antirömischen Opposition setzte ein Zeichen: Mehr als 1000 Männer aus Achaia wurden als Geiseln nach Italien weggeführt.26 Ebenso agierten die Römer im Fall des aitolischen Bundes 167 v. Chr. Nach dem Bericht des Livius ermordeten und vertrieben die Römer die Mitglieder des 500 Mann starken aitolischen Synhedrion als Strafaktion, weil sie in diesem Gremium das Herz der aitolischen Politik sahen.27 Glaubt man Pausanias28, befahlen die Römer 146 v. Chr. die Auflösung aller Bundesstaaten. Die Absolutheit dieser Aussage ist aber umstritten.29 Im positiven wie im negativen Sinn hatten die Römer also die griechischen Koina in ihr politisches Gedächtnis aufgenommen, wussten um deren Gefahrenpotential, aber auch um das Potential zur politischen Gestaltung und Einflussnahme. In der griechischen Propaganda wurden die Bundesstaaten des Mutterlandes schon im zweiten Jahrhundert v. Chr. zum Modell einer funktionierenden politischen Institution mit enormer Integrationsfähigkeit verklärt. Polybios – selbst erst Amtsträger und später eine jener 1000 Geiseln des Koinon der Achaier – erklärte den achäischen Bund zur wahren Demokratie, in dessen Rahmen Rechtsgleichheit und Redefreiheit garantiert sowie Philanthropia ermöglicht worden waren.30 Für ihn glich der Bund einer großen Polis mit ihren Institutionen.31 Er sah in der reprä20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

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Pol. 7, 9; Liv. 29, 12, 8–16. Pol. 18, 22. Plut. Flamininus 10 f. Liv. 35, 32, 2. Liv. 36, 15–17. Liv. 44, 40–42. Paus. 7, 10, 11. Vgl. Funke, Staatliche Neuformierung, S. 94 f. Paus. 7, 16, 9. Vgl. Martin, D. G., Greek leagues in the later second and first centuries B. C., Ann Arbor 1983. Pol. 2, 38. Seine größten Bewunderer fand der Bundesstaat der hellenistischen Epoche im Nachklang von Polybios’ Lob des achäischen Bundes und Strabons Beschreibung des lykischen Bundes in der Neuzeit, wo seine Prinzipien in die Verfassungsdiskussionen in Europa und Nordamerika einflossen. (Vgl. dazu Demandt, Die spätgriechischen Bundesrepubliken, S. 259). Pol. 2, 37, 11.

II.2 Die Koina in vorrömischer Zeit – politische und religiöse Räume

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sentativen Verfassung des Bundes mit der starken Stellung der einzelnen Mitgliedsstaaten die Ursache einer für griechische Verhältnisse ungewöhnlichen Einigkeit, die wiederum Glück und Wohlstand hervorzubringen in der Lage war.32 Und so wie die Bundesstaaten in hellenistischer Zeit als eine Chance für die Polis gesehen wurden, in einer sich wandelnden Staatenwelt zu überleben33, so kann man fragen, ob die Koina der späten Republik und Kaiserzeit – zunächst im Osten – nicht eine ganz ähnliche Antwort auf sich wandelnde politische Prozesse und Strukturen waren, natürlich unter völlig anderen politischen Vorzeichen. Deininger unterschied in seiner Abhandlung zu den hellenistischen Grundlagen der Provinziallandtage strikt zwischen jenen hellenistischen Städtevereinigungen, die legislative und administrative Funktionen innehatten, und jenen, die Aufgaben im Herrscherkult und beschränkte politische Interessen wahrnahmen. Lediglich in letzteren sah er Vorläufer der kaiserzeitlichen Koina.34 Exemplarisch ist für ihn dabei das ionische Koinon als Vorbild der späteren Provinziallandtage.35 Diese strikte Unterscheidung wird allerdings weder den hellenistischen noch den kaiserzeitlichen Koina gerecht, denn sie vernachlässigt jene strukturellen Parallelen, die über die rein politische Ebene hinausreichen. Die politisch-institutionelle Perspektive erschließt eben nur einen Teilaspekt bei der Betrachtung dieser Institutionen. Hinzutreten müssen die religiös-funktionale sowie die kommunikativ-rituelle Dimension. Sowohl hellenistische als auch kaiserzeitliche Koina besaßen beispielsweise Heiligtümer mit überregionaler Bedeutung als politische Zentren36, prägten Münzen und finanzierten sich durch Beiträge der Mitgliedsstädte. Gerade die religiös-funktionale Dimension zwingt dazu, den Blick auch auf Bünde zu werfen, die bislang als Vorläuferorganisationen wenig beachtet wurden. So hat man den Bund der Nesioten (κοινὸν τῶν νησιωτῶν) in diesem Kontext bislang zu Unrecht vernachlässigt.37 Der Bund der Nesioten war ein Zusammenschluss ägäischer Inseln, der aller Wahrscheinlichkeit nach drei Phasen durchlief 38: Er wurde etwa 314 v. Chr. von 32 33 34 35 36

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Pol. 2, 38. Vgl. Lehmann, G. A., Ansätze zu einer Theorie des griechischen Bundesstaates bei Aristoteles und Polybios (AAWG 3, 242), Göttingen 2001. Vgl. Funke, Staatliche Neuformierung, S. 90. Deininger, Provinziallandtage, S. 7–12. Siehe unten II.2.2. Vgl. Funke, Staatliche Neuformierung, S. 92 f. Funke legt überzeugend dar, dass die Gleichheitsidee zwischen den einzelnen Mitgliedspoleis in den Staatenbünden dazu führte, dass man überregionale Kultzentren zum Vorort der Bünde machte, „[…] denen oft schon von alters her eine überregionale Bedeutung zugekommen war und die daher schon allein aufgrund ihrer kultischen Stellung eine polisübergreifende Identität leichter vermitteln konnten.“ Die gemeinsame Kultpraxis bildete für die zusammengeschlossenen Städte eine Ebene der Kommunikation, einen Identifikationspunkt, und verhinderte interne Spannungen, die aufgrund der Vorrangstellung einer Polis hätten entstehen können. Ich danke Kostas Buraselis für seine Hinweise zum Nesiotenbund. Vgl. Buraselis, K., Das hellenistische Makedonien und die Ägäis. Forschungen zur Politik des Kassandros und der drei ersten Antigoniden im Ägäischen Meer und in Westkleinasien, München 1982 (mit Quellen und älterer Literatur); ders., Confederacies, royal policies and sanctuaries in the Hellenistic Aegean: The cases of Nesiotai, Lesbioi and Kretaieis, in: Funke, P., Haake, M. (Hgg.), Greek federal states and their sanctuaries. Identity and integration. Pro-

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

den Antigoniden gegründet und bis 288 v. Chr. von ihnen dominiert. Danach übernahmen die Ptolemaier die Vorherrschaft im Bund bis etwa 246 v. Chr. In einer dritten Phase erlebte der Nesiotenbund eine Erneuerung unter rhodischer Vorherrschaft im zweiten Jahrhundert v. Chr. Leider existieren nur inschriftliche Zeugnisse dieses Bundes, was jede letztgültige Aussage über diesen Zusammenschluss erschwert. Dennoch lassen sich in Funktion und Organisation des Bundes erstaunliche Parallelen zu den späteren Koina der Kaiserzeit erkennen. Zunächst scheint bei seiner Gründung der Herrscherkult ein konstitutives Element des Nesiotenbundes gewesen zu sein, wie die vom Bund veranstalteten Feste der Demetrieia und Antigoneia vermuten lassen. Auf dieser religiösen Basis entwickelte sich im Laufe der antigonidischen Herrschaft die politische Rolle des Bundes.39 Die Ptolemaier nutzen den Bund stärker als Instrument indirekter Herrschaft, was sich an der Einsetzung eines Nesiarchen an der Spitze des Nesiotenbundes festmachen lässt.40 Neben dem obersten Amtsträger des Bundes erinnert auch die Organisationsstruktur mit Synhedrion und Beiträgen zum Bund41 an die kaiserzeitlichen Koina. Auch unter der Herrschaft der Ptolemaier blieb allerdings die Verehrung des Herrschers das zentrale Charakteristikum des Bundes. Nicht unerwähnt lassen sollte man in ihrem Vorbildcharakter für die Koina der Kaiserzeit sicherlich auch jene frühen Kultbünde, die sich um ein zentrales Heiligtum zur Pflege des dort angesiedelten Kultes bildeten, die Amphiktyonien.42 Generell blieben die Amphiktyonien, speziell die pyläisch-delphische Amphiktyonie, in der Forschung in ihrer Vorbildrolle bisher weitgehend unbeachtet.43 Dies erscheint umso verwunderlicher, als diese in der Forschungsliteratur zu den antiken Staatsformen als „Staatenbünde“ klassifizierten Zusammenschlüsse44 gerade in der Verbindung von politischen und religiösen Funktionen ganz ähnliche Strukturen aufwiesen wie die Koina der Kaiserzeit. Betrachtet man das Beispiel der Amphiktyonie von Delphi, die für sich in Anspruch nahm, die wichtigste griechische Amphiktyonie zu sein, lassen sich vielfältige Parallelen finden: die Veranstaltung großer Feste, das Abhalten regulärer Versammlungen, Beratungen und Entscheidungen in

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ceedings of an international conference of the cluster of excellence „Religion and Politics“ held in Münster, 17.6.–19.6.2010, Stuttgart 2013, S. 173–183. Die von Buraselis vertretene und allgemein akzeptierte These von der Gründung des Nesiotenbundes unter den Antigoniden wurde kürzlich von Meadows in Zweifel gezogen. Er argumentiert, die Nesiotai seien von Ptolemaios Philadelphos um 280 v. Chr. gegründet worden. (Vgl. Meadows, A., The Ptolemaic League of Islanders, in: Buraselis, K. et al. (Hgg.), The Ptolemies, the sea and the Nile. Studies in waterborne power, Cambridge 2013, S. 19–38). Zur Phase der rhodischen Vorherrschaft über den Bund der Nesioten vgl. Wiemer, H.-U., Krieg, Handel und Piraterie. Untersuchungen zur Geschichte des hellenistischen Rhodos, Berlin 2002, S. 271–276. Vgl. Buraselis, Hellenistisches Makedonien, S. 76–87. Vgl. ders., Confederacies, S. 175. Vgl. ebd. mit Anm. 8. Ich danke Angelos Chaniotis für den Hinweis, diesen Gedanken in die Arbeit aufzunehmen, und seine wertvollen inhaltlichen Ergänzungen. Vgl. zur Amphiktyonie allgemein Tausend, K., Amphiktyonie und Symmachie. Formen zwischenstaatlicher Beziehungen im archaischen Griechenland, Stuttgart 1992; Demandt, Die spätgriechischen Bundesrepubliken, S. 241 f. Vgl. Beck, Polis und Koinon, S. 10 f.

II.2 Die Koina in vorrömischer Zeit – politische und religiöse Räume

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politischen Fragen und die Entsendung von Gesandten, auch und gerade nach Rom.45 Gerade im zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr. trat die delphische Amphiktyonie in Inschriften als Vertreter aller Griechen auf.46 Funke hat darauf verwiesen, dass die Bundesstaaten der hellenistischen Zeit in der Anlage von Heiligtümern oder Kultzentren als Vororten einem Prinzip folgten, „das sich schon in archaischer Zeit bewährt hatte, als sich vielerorts Stammstaaten und Poleis zu so genannten Amphiktyonien mit einem zentralen Heiligtum als Mittelpunkt zusammenschlossen […], um über eine gemeinsame Kultpraxis hinaus auch ihre zwischenstaatlichen Belange zu regeln.“47 Gerade der prominente Fall der pyläisch-delphischen Amphiktyonie besaß für Rom bis weit in die Kaiserzeit hinein einen besonderen Stellenwert.48 Gänzlich unbeachtet blieben in früheren Untersuchungen auch jene Koina, die weder der politischen noch der kultischen Ebene zuzuordnen waren, sondern eher als Berufsvereinigungen klassifiziert werden können, wie beispielsweise die hellenistischen Koina der dionysischen Techniten.49 Überregionale Struktur50, Aufbau, Finanzierung, Einbindung in den hellenistischen Herrscherkult, die religiöse Spitze sowie weitere Ämter, vor allem im Bereich der Finanzverwaltung dieser Vereine, zeigen erstaunliche Parallelen zu den späteren kaiserzeitlichen Koina. In keiner Darstellung zu den kaiserzeitlichen Provinziallandtagen sind diese Vereine bisher als Vergleichsobjekte herangezogen worden. Ein Grund dafür liegt sicher in der modernen Unterteilung des antiken Vereinswesens in öffentliche und private Vereine, jene mit politischer und jene ohne politische Dimension. Vernachlässigt wurde dabei auch, dass die Religion ein ganz zentraler Bestandteil jedes Vereins war. Die 45 46 47 48 49

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CID IV 106. CID IV 106, 107, 127, 128, 130. Funke, Staatliche Neuformierung, S. 92. In diesem Sinne muss auch das ionische Koinon, das im Folgenden in seiner exemplarischen Rolle für die kaiserzeitlichen Koina gesondert behandelt wird, als Amphiktyonie verstanden werden. (Hdt. 1, 142 f.). Vgl. die Pläne Hadrians zur Umstrukturierung des Bundes und seine Umbenennung der Amphiktyonie von Delphi in κοινὸν πάντ[ω]ν τῶν Ἑλλήνων τὸ συνέδρ[ι]ον (Fouilles de Delphes III 4, 302, Sp. 2, 5 f.). Vgl. dazu die detaillierten Untersuchungen von Aneziri, S., Die Vereine der dionysischen Techniten im Kontext der hellenistischen Gesellschaft. Untersuchungen zur Geschichte, Organisation und Wirkung der hellenistischen Technitenvereine, Stuttgart 2003 und Le Guen, B., Les associations des technites dionysiaques à l’époque hellénistique, 2 Bde., Paris 2001. Auch für die Kaiserzeit haben neueste Inschriftenfunde eine wohl im organisatorisch-administrativen Bereich liegende Verbindung der dionysischen Techniten von Kleinasien und des Koinon von Asia aufgezeigt. Vgl. Petzl, G., Schwertheim, E., Hadrian und die dionysischen Künstler. Drei in Alexandria Troas neugefundene Briefe des Kaisers an die Künstlervereinigung (Asia Minor Studien 58), Bonn 2006. Zur Münzprägung der dionysischen Techniten vgl. Lorber, C. C., Hoover, O. D., An unpublished Tetradrachm issued by the artists of Dionysos, NC 163 (2003), S. 59–68, Taf. 15–17; Psoma, S., Profitable networks: Coinages, Panegyris and Dionysiac artists, in: Malkin, I. et al. (Hgg), Greek and Roman networks in the Mediterranean, London 2009, S. 230–248. Aneziri untersucht die vier großen Vereine der dionysischen Techniten in hellenistischer Zeit: die athenische Synodos, das isthmische Koinon, das kleinasiatische Koinon und den ägyptischen Verein.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

vorliegende Untersuchung kann eine vergleichende Analyse der Provinziallandtage mit den eher in den privaten, wirtschaftlichen, religiösen oder künstlerischen Bereich angesiedelten Vereinen nicht leisten. Auf die Übereinstimmungen soll an dieser Stelle aber zumindest hingewiesen werden. Möglicherweise kann eine vergleichende Studie hier weitere Organisationen fassbar machen, die Einfluss auf die Entwicklung der Provinziallandtage ausübten. II.2.2 Das ionische Koinon – eine Organisation mit Integrationspotential Zuzustimmen ist Deininger allerdings sicherlich, wenn er das ionische Koinon als diejenige Institution in hellenistischer Zeit charakterisierte, die in ihren Funktionen den späteren Landtagen am meisten ähnelte.51 Als Träger des hellenistischen Herrscherkultes scheint insbesondere das ionische Koinon ein Integrationspotential entwickelt zu haben, das seine Existenz bis in die römische Zeit sicherte. Das ionische Koinon existierte seit archaischer Zeit und lässt sich bis in das dritte Jahrhundert n. Chr. verfolgen.52 Die größte Übereinstimmung zwischen ionischem Koinon und kaiserzeitlichen Koina kann im Bereich der ihnen zugeteilten Aufgaben festgestellt werden. Seit der Wiedereinrichtung des ionischen Koinon durch Alexander den Großen53, dem zu Ehren der Städtebund jährliche Spiele unter der Bezeichnung Alexandreia veranstaltete54, trat dieser Bund von dreizehn ionischen Städten vornehmlich in Inschriften in Erscheinung, die seine Involvierung in den hellenistischen Herrscherkult zeigen.55 Dabei wird deutlich, dass der Bund in erster Linie einen religiösen Charakter besaß und Aufgaben im Herrscherkult ausfüllte, aber gleichzeitig über dieses Hilfsmittel der Loyalitätsreligion auch politische Aufgaben wahrnahm.56 Einige Stimmen in der Forschung gehen so weit,

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So auch Herrmann, Das κοινὸν τῶν Ἰώνων, S. 222. Zum ionischen Bund vgl. Caspari, M. O. B., The Ionian confederacy, JHS 35 (1915), S. 173– 188; Magie, D., Roman rule in Asia Minor to the end of the third century, Bd. 1, Princeton 1950, S. 65–67. Nach Grainger wurde der ionische Bund erst unter Lysimachos wieder eingerichtet (vgl. Grainger, J. D., A Seleukid prosopography and gazetteer, Leiden u. a. 1997, S. 806). OGIS 222, Strab. 14, 1, 31. Vgl. insbesondere OGIS 222, OGIS 763. Generell zu den aus hellenistischer und republikanischer Zeit überlieferten Quellen zum ionischen Koinon vgl. Kleiner, G., Hommel, P., MüllerWiener, W., Panionion und Melie (JDAI Ergänzungsheft 23), Berlin 1967, Inschrift 52 Anm. 118. Hier findet sich eine Aufzählung des überlieferten Materials, die ergänzt werden kann durch Herrmann, Das κοινὸν τῶν Ἰώνων, S. 225 Anm. 11. Vgl. OGIS 222, Z. 13–18. Hier ist die Rede von einer Gesandtschaft des Koinon zu König Antiochos I. Soter 268/262 v. Chr. mit dem Auftrag, dem König die Sorge um die Freiheit und Demokratie der Städte ans Herz zu legen. Vgl. auch Habicht, C., Gottmenschentum und griechische Städte, München 21970, S. 91–93. Deininger merkt zu der Parallele beider Institutionen an: „Hier im ionischen Koinon waren […] offenbar Herrscherkult und Wahrnehmung begrenzter Eigeninteressen unter gleichzeitigem Fehlen aller Verwaltungsaufgaben bereits in einer Weise verwirklicht, die als das Hauptmerkmal der kaiserzeitlichen Landtage gelten kann; und auch sonst ist die Ähnlichkeit dieser Institution mit den römischen Landtagen der Kaiser-

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die Wiedereinrichtung des Bundes als politische Maßnahme zur Herrschaftsstabilisierung zu deuten.57 Betrachtet man grundsätzlich die bekannten 20 Inschriften des ionischen Koinon seit seiner Restitution durch Alexander, so fällt auf, dass bis zum Erscheinen Roms stets Alexander der Große oder die Mitglieder der hellenistischen Königshäuser geehrt wurden. Nach der Einrichtung der Provinz Asia galten die Ehrungen des ionischen Koinon griechischen Bürgern verschiedener Städte, wohl Förderern und Wohltätern. Zwei Inschriften fallen darüber hinaus hinsichtlich der Beziehungen zwischen dem ionischen Koinon und den Römern ins Auge: eine Ausgabenliste für Opfertiere aus Erythrai58 und eine Ehreninschrift aus Priene aus dem Jahr 129/8 v. Chr.59 Die Opferliste aus Erythrai wird von Teilen der Forschung als Hinweis auf eine sehr frühe Verehrung der Göttin Roma durch das ionische Koinon gedeutet.60 Da die Liste aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. stammt, müsste der Kult der Roma im Falle der Richtigkeit der Annahme also bald nach dem Erscheinen der Römer in Kleinasien 189 v. Chr. entstanden sein. Es werden Opfer für die Göttin Roma (Θεὰ Ῥώμη) mit dem Zusatz κοινόν angeführt, was u. a. Mellor als Verehrung der Göttin Roma durch das ionische Koinon deuten.61 Da auch die in der Opferliste angeführten Ausgaben für die hellenistischen Herrscher mit dem Zusatz κοινόν versehen werden, deutet sich hier möglicherweie bereits früh eine Verbindung von hellenistischem Herrscherkult und Verehrung der personifizierten römischen Herrschaft an. Die Ehreninschrift aus Priene verbindet ebenfalls das Koinon mit den in Asia Fuß fassenden Römern, fällt allerdings bereits in die Zeit nach der Einrichtung der Provinz. Das ionische Koinon ehrte einen Priester des bithynischen Königs Nikomedes II. Epiphanes, der vor der Vertreterversammlung des Koinon Gebete „für die Ionier und die Römer“ gesprochen hatte.62 Offensichtlich hatte also das ionische Koinon früh als Institution Kontakt mit der Macht aus dem Westen und auch die Verehrung der Göttin Roma war bereits zu einem frühen Zeitpunkt über die Ebene der Städte hinaus gelangt und hatte Aufnahme in die kultischen Rituale der Städtevereinigung des ionischen Bundes gefunden. Man kann also davon ausgehen, dass es einen Kontakt zwischen Rom und dem Koinon gab, der sich sicherlich nicht auf die kultische Ebene be-

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zeit nach ihrer Struktur wie nach ihrer Funktion überraschend groß.“ (Deininger, Provinziallandtage, S. 12). „[The Ionian league was] apparently revived by Lysimachos as part of his method of control.“ (Grainger, Seleukid Prosopography, S. 806). IvErythrai 207; vgl. Mellor, R., ΘΕΑ ΡΩΜΗ. The worship of the goddess Roma in the Greek world, Göttingen 1975, S. 50 f. IvPriene 55. Vgl. die Erläuterungen von Engelmann und Merkelbach in IvErythrai 347–359; Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 51; Herrmann, Das κοινὸν τῶν Ἰώνων, S. 226. Gegen eine Interpretation der Inschrift als frühes Zeugnis der Roma-Verehrung durch das ionische Koinon sprechen sich Habicht und Robert aus. Vgl. Habicht, Gottmenschentum, S. 94; Robert, L., Études d’épigraphie grecque, RPh 3, 3 (1929), S. 122–158, hier S. 148. Vgl. ebd. IvPriene 55, Z. 19.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

schränkte, sondern auch diplomatischer Natur war. Sowohl die griechischen Städte als auch die Römer werden die Vorteile einer Kommunikationsstraffung zu schätzen gewusst haben. Wir können hier also einen Mehrwert von überstädtischen, regionalen Organisationsformen wie Städtebünden festmachen, der sicher ebenfalls für den nach diesem Modell gestalteten Provinziallandtag von Asia gelten kann. Ein Vorteil für beide Seiten war zweifellos die größere Effizienz in der Kommunikation zwischen Rom und einem Bund im Vergleich zur Kommunikation mit den einzelnen Städten. Auf römischer Seite bedeutete dies, dass man sich die Verhandlungen mit zahllosen einzelnen Gesandtschaften ersparte und kein Netzwerk bilateraler Beziehungen aufbauen und aufrecht erhalten musste. Auf griechischer Seite verhinderte ein Bündnis eine Marginalisierung der einzelnen Stadt in den Verhandlungen mit Rom. Das Gewicht eines Bündnisses darf sicherlich größer eingeschätzt werden als das einer einzelnen Gemeinde oder Polis. Neben dem Argument der Effizienz darf der kulturelle Faktor nicht vernachlässigt werden. Die Römer stellten sich mit der Übernahme der Städtebünde in die Tradition der hellenistischen Könige, das heißt, sie passten sich in den bekannten und funktionierenden Rahmen des hellenistischen Herrscherkultes ein.63 Gerade im Fall des ionischen Koinon muss sicher auch die Verbindung zu Alexander dem Großen mit in Betracht gezogen werden. Die den Römern fehlende ethnische wie politische Verbundenheit mit den Griechen Kleinasiens wurde so zumindest partiell überbrückt. Daran anknüpfend lag ein Vorteil in der Verlagerung der Beziehungen in den religiös-kultischen Bereich. Der Wechsel von der politischen auf die religiöse Ebene bewirkte eine Transformation der Beziehungen im Sinne einer Sakralisierung. Diese Sakralisierung der Kommunikationsstruktur definierte für beide Parteien den Handlungsspielraum und gab die Handlungsmuster vor. Schließlich darf aber auch der personale Faktor nicht gering veranschlagt werden. Die Anknüpfung an bestehende Institutionen wie das ionische Koinon sicherte den Römern die Verbindungen zu den wichtigen und einflussreichen Personen des Gebietes und garantierte diesen gleichzeitig ihre bestehende Machtposition. Die gesellschaftlichen Eliten mussten also nicht um ihre Stellung bangen, was im Gegenzug ihr Wohlwollen für die Römer sicherte. Dieser Befund lässt sich durch epigraphische Zeugnisse nun weiter bestätigen und ausbauen. Zum einen liegen uns in den Ehrendekreten für zwei Bürger aus Kolophon64 – einer Stadt des ionischen Koinon – die Laufbahnen zweier Männer vor, deren politische Karriere unter der seleukidischen und attalidischen Dynastie begann und sich kontinuierlich unter römischer Herrschaft fortsetzte. Hier lassen sich Ansatzpunkte für personelle Kontinuitäten finden, die sich auf institutionelle Kontinuitäten im Koinon übertragen lassen. Uns wird in dieser Inschrift einer der seltenen Blicke auf zwei typische Vertreter der lokalen Elite erlaubt, die den Wech63 64

Vgl. dazu Price, S. R. F., Rituals and power. The Roman imperial cult in Asia Minor, Cambridge u. a. 1984, S. 247 f. SEG 39, 1989, 1243, 1244; vgl. Robert, J., Robert, L., Claros I. Décrets Hellénistiques. Fasc. 1, Paris 1989; Lehmann, G. A., „Römischer Tod“ in Kolophon/Klaros. Neue Quelle zum Status der „freien“ Polisstaaten an der Westküste Kleinasiens im späten zweiten Jahrhundert v. Chr. (NAWG 1998/3), Göttingen 1998.

II.2 Die Koina in vorrömischer Zeit – politische und religiöse Räume

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sel der herrschenden Regime gut überstanden, weil sie sich anpassten, ihre Gemeinde bei den neuen Machthabern vertraten und so deren Vertrauen sicherten. Als Dank wurden sie in die Klientel der Senatoren aufgenommen und avancierten zu Bezugspersonen der neuen römischen Machthaber in Asia. Zum Zweiten kennen wir seit dem Jahr 2000 die Inschrift einer Statuenbasis, in der das ionische Koinon Cn. Pompeius ehrte.65 Diese Ehrung, die in die Zeit zwischen 67 und 62 v. Chr.66 datiert, preist Pompeius als „Herrscher, Herr über Land und Meer, Wohltäter und Patron der Ionier“ (τὸν αὐτοκράτορα, γῆς καὶ θαλάσσης ἐπόπτην, τὸν εὐεργέτην καὶ πάτρωνα τῶν Ἰώνων). Die Formel „Herr über Land und Meer“ (γῆς καὶ θαλάσσης ἐπόπτην) findet sich in der griechischen Epigraphik bisher nur in fünf Fällen, wovon drei der Inschriften Kaiser Augustus ehren67, die beiden anderen aber Pompeius68. Die Ehrungen des ionischen Koinon weisen also zwischen Republik und Kaiserzeit sowohl in der Form als auch in der Sprache eine Kontinuität auf, die den von der modernen Forschung oft postulierten Bruch zwischen diesen beiden Epochen wenn nicht in Frage stellt, so doch weniger deutlich erscheinen lässt. Zum Dritten liegt seit 1994 die Ehreninschrift für C. Iulius Epikrates69 vor, einen Mann, der offensichtlich sowohl im ionischen wie im asianischen – also dem ersten von den Römern reformierten und mit dem provinzialen Herrscherkult beauftragten – Koinon die Funktion des Oberpriesters (Archiereus) auf Lebenszeit innehatte.70 Auch in diesem Fall wird sehr deutlich, wie die Einbindung der Eliten funktionierte, wissen wir doch, dass die Familie des Epikrates seit den 80er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. mit Caesar befreundet war und er selbst in der Inschrift als Freund des Augustus bezeichnet wird. Mit dieser Inschrift treten das Amt des Archiereus des ionischen Koinon und das der Provinz Asia erstmals auf – bezogen auf ein und dieselbe Person. Möglicherweise wird hier in der Person des Epikrates und in seiner Doppelfunktion eine Verbindungsstelle zwischen den beiden Institutionen und damit auch zwischen dem hellenistischen bzw. republikanischen und dem kaiserzeitlichen Koinon sichtbar.71 65

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Ferrary, J.-L., Les inscriptions du sanctuaire de Claros en l’honneur de Romains, BCH 124, 1 (2000), S. 331–376, hier S. 341–345 Nr. 4. Einen Hinweis auf diese Inschrift hatte bereits L. Robert gegeben (Actes du deuxième congrès international d’épigraphie grecque et latine, Paris 1952, S. 224) und sie wurde von Tuchelt erwähnt, ohne allerdings den Text der Inschrift wiederzugeben. Vgl. Tuchelt, K., Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien. Beiträge zur archäologischen Überlieferung aus der Zeit der Republik und des Augustus. Teil I: Roma und Promagistrate, Tübingen 1979, S. 163. Zur Datierung vgl. Ferrary, Les inscriptions du sanctuaire de Claros, S. 342 f. IvPergamon II 381, 383A; vgl. Schuler, C., Augustus, Gott und Herr über Land und Meer. Eine neue Inschrift aus Tyberissos im Kontext der späthellenistischen Herrscherverehrung, Chiron 37 (2007), S. 383–404. Die zweite Ehrung für Pompeius stammt aus Kyzikos (IvKyzikos II 24). Vgl. Schwertheim, E. (Hg.), Die Inschriften von Hadrianoi und Hadrianeia (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 33), Bonn 1987. Herrmann, P., Milet unter Augustus. C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkultes, MDAI(I) 44 (1994), S. 203–236; IvMilet VI 3, 1131, S. 82–85. Dazu auch unten Kap. II.4. Vgl. Herrmann, Milet unter Augustus. C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkultes, S. 217.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

II.2.3 Die Rolle der Koina im hellenistischen Herrscherkult und ihre Bedeutung bei der Installation prorömischer Feste Da der Herrscherkult als wichtigster Aufgabenbereich der Koina und Concilia aus dem Corpus der Quellen – vor allem der epigraphischen Quellen – herausragt, hat bereits die ältere Forschung darin das Hauptcharakteristikum der Landtage gesehen. Ausgehend von neuesten Untersuchungen zum hellenistischen Königskult, seinen Amtsträgern und seiner Festkultur, die die Kontinuitäten zwischen dem hellenistischen Herrscherkult und dem römischen Kaiserkult deutlich herausarbeiten72, wird im Folgenden diese religiös-funktionale Seite der Tradition beschrieben. Im Zentrum einer aktuellen Diskussion muss dabei die Kontinuität in der kultisch-religiösen Funktionsstruktur, also bei den verantwortlichen Amtsträgern stehen. In einer umfassenden Untersuchung zum hellenistischen Archiereus hat Helmut Müller im Jahr 2000 festgestellt, dass der hellenistische Archiereus ein völlig neugeschaffenes Verwaltungs- und Priesteramt war, welches der Seleukidenherrscher Antiochos III. zwischen 209 und 193 v. Chr. kreiert hatte.73 Die Inhaber des Amtes lenkten den „zentral angeordneten, reichsweit gesteuerten und nach den territorialen Untergliederungen des Reiches lokal organisierten Herrscherkult, der primär dem regierenden König, in zweiter Linie der Vergegenwärtigung der Dynastie gewidmet [war], und der in einem dritten Schritt um einen durch Archiereiai zu bedienenden Kult für die Gattin des regierenden Königs erweitert wurde.“74 Einer der Amtsbezirke umfasste Kleinasien als Reichsteil des seleukidischen Reiches, ein anderer möglicherweise die Satrapie Koile Syria/Phoinike.75 Diese Entwicklung 72

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Vgl. Mileta, Die offenen Arme der Provinz, S. 89–114; ders., Die prorömischen Kulte der Provinz Asia, S. 139–160. Mileta setzte sich intensiv mit der Zwischenstufe der „prorömischen Kultfeste der Republik“ auseinander. Er definiert dabei den Begriff der „prorömischen Kulte“ als „alle Kulte und Spiele, welche die Städte sowie der so genannte Landtag von Asia für die Stadt Rom, den populus Romanus oder den Senat, für römische Feldherren und Amtsträger sowie für die Thea Rhōmē, lateinisch Dea Roma, eingerichtet haben“ (S. 139). Zum hellenistischen Herrscherkult allgemein vgl. Buraselis, K. et al., Heroisierung und Apotheose, in: ThesCRA II, Los Angeles 2004, S. 125–214. Ausgangspunkt der Untersuchung Müllers ist der Brief Attalos III. über die Einsetzung Nikanors als Archiereus aus dem Jahr 209 v. Chr. (SEG 37, 1987, 1010). Zur Diskussion der Inschrift vgl. Ma, J., Antiochos III and the cities of western Asia Minor, Oxford 1999, S. 288– 292; Bencivenni, A., The king’s words: Hellenistic royal letters in inscriptions, in: Radner, K. (Hg.), State correspondance in the ancient world. From New Kingdom Egypt to the Roman Empire, Oxford 2014, S. 141–171. Mileta nimmt sogar eine Existenz seit Antiochos II., also 261–246 v. Chr., an (vgl. ebd.). Müller, Der hellenistische Archiereus, S. 527. Der Amtsbereich Koile Syria/Phoinike geht möglicherweise aus einem Brief des Seleukos IV. an Heliodoros hervor (SEG 57, 2007, 1838). Dieser Brief behandelt die Einsetzung eines Kultbeamten in Koile Syria/Phoinike im Jahr 178 v. Chr. In der Forschung wird die Möglichkeit diskutiert, es habe sich bei diesem um einen Archiereus gehandelt, auch wenn eine explizite Nennung des Titels fehlt. Vgl. Gera, D., Olympiodoros, Heliodoros and the temples of Koile Syria and Phoinike, ZPE 169 (2009), S. 125–155; Jones, C. P., The inscription from Tel Maresha for Olympiodoros, ZPE 171 (2009), S. 100–104; Bencivenni, A., Massima considerazione: forma dell’ordine e immagini del potere nella corrispondenza di Seleuco IV, ZPE 176 (2011), S. 139–153; dies., King’s words, S. 150 f., 167.

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wurde offensichtlich von den Ptolemaiern aufgegriffen und imitiert. Ptolemaische Archiereis finden sich allerdings nicht im Kernland der Dynastie, sondern im ptole­ maisch besetzten Zypern – erstmals 204/03 in Personalunion mit dem Amt des strategos76 – und im ptolemaischen Syria Phoinike.77 Auch in Lykien findet der Archiereus bereits 196 v. Chr. einen epigraphischen Niederschlag.78 Das Amt des seleukidischen Archiereus in Kleinasien wurde dann nahtlos von den Attaliden übernommen79 und bis zum Ende der attalidischen Dynastie weitergeführt. Daraus darf man sicherlich schlussfolgern, dass der attalidische Archiereus eine zentrale Rolle im Kult der Attalidendynastie einnahm.80 Wenn nun ab dem Jahr 29 v. Chr. für den Kult des Augustus wiederum ein Archiereus erscheint, wirft das die Frage auf, warum auf diese beinahe einhundert Jahre nicht belegte Benennung zurückgegriffen wurde. Zunächst einmal hat Müller völlig zu Recht festgestellt, dass das neue Amt im provinzialen Herrscherkult gerade nicht über jene Vollmachten des hellenistischen Archiereus verfügte, die eine solche hierarchische Amtsbezeichnung gerechtfertigt hätten.81 Hilfreich für eine Erklärung dieser terminologischen Übereinstimmung ist die anknüpfende Frage danach, wer diesen Titel wählte. Da die Einrichtung des Kultes nach übereinstimmender Überlieferung bei Cassius Dio82 und Tacitus83 primär eine Initiative der Provinz war, kann man annehmen, dass auch die institutionelle Einbettung des Kultes in das bestehende Koinon und die Benennung des obersten Kultpflegers in die Kompetenz der Provinzialen fiel. Kult und Koinon waren also wiederum die maßgeblichen Aspekte der Entscheidung. Kult bedeutete dabei, dass der Kult des Augustus die bereits bestehenden städtischen und provinzialen Kulte für römische Amtsträger überragen musste.84 Die im Koinon versammelten Städtevertreter waren darüber hinaus sicherlich daran interessiert, dass die bestehende Bezeichnung Asiarch85 für das Spitzenamt des Koinon zumindest äquivalent gespiegelt wurde. 76

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Daraus kann man schließen, dass der kyprische Archiereus ähnlich wie der seleukidische eine Aufsichts- und Kontrollfunktion über die Heiligtümer der Inselprovinz ausübte. Vgl. zum Amt des strategos von Zypern Bagnall, R. S., The administration of the Ptolemaic possessions outside Egypt, Leiden 1976, S. 38–49. Vgl. Müller, ebd., S. 536–540. SEG 46, 1996, 1721; Gauthier, P., Bienfaiteurs du Gymnase au Létôon de Xanthos, REG 109 (1996), S. 1–34, hier S. 1–27. Vgl. zu den Entwicklungen in Lykien Reitzenstein, D., Die lykischen Bundespriester. Repräsentation der kaiserzeitlichen Elite Lykiens (Klio Beiträge zur Alten Geschichte Beihefte Neue Folge 17), Berlin 2011, S. 20–35. Vgl. Müller, ebd., S. 525. Dies geht eindeutig aus einer 1996 veröffentlichten Inschrift hervor. (TürkAD 4 (1996), S. 76–79; SEG 46, 1996, 1519; vgl. auch Ma, Antiochos III, S. 146 f.). Vgl. Müller, ebd., S. 541. Vgl. ebd. Cass. Dio 51, 20, 6–7. Tac. ann. 4, 37, 1. So beispielsweise den Kult Pergamons für M. Aquilius (IGR IV 292, 293) oder den vom Koinon eingerichteten Kult für Q. Mucius Scaevola (OGIS 437 = IGR IV 297 = Sherk, R. K., Roman documents from the Greek East. Senatus consulta and epistulae to the Age of Augustus, Baltimore/MD 1969, Nr. 47; OGIS 439 = IvOlympia 327). Erstmals wird das Amt des Asiarchen bei Strabon für die Zeit um das Jahr 50 v. Chr. erwähnt (Strab. 14, 1, 42). Amtsträger war Pythodoros aus Tralleis, ein enger Freund des Pompeius,

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Unter beiden Prämissen ergibt der Rückgriff auf das Amt des hellenistischen Archiereus Sinn. Seine Reminiszenz an das mit dem hellenistischen Königskult betraute Amt stellte den Amtsträger über die bereits bestehenden Hiereis von Statthalter- oder Romakulten und wurde damit der Rolle des Octavian in dieser Phase seiner aufstrebenden Herrschaft gerecht. Die Oberpriester der Seleukiden und der Attaliden gehörten zur führenden Schicht dieser Reiche, teilweise zum Königshaus.86 Für die im Koinon versammelten Elitevertreter bot die Bezeichnung Archiereus eine willkommene Gelegenheit, sich zu profilieren und aus der Masse herauszuheben, ohne hinter die Bezeichnung Asiarch zurückzufallen.87 Und so wie uns die Ehreninschrift für den Pergamener Menodoros aus der Übergangsphase zwischen attalidischer Herrschaft und römischer Machtübernahme in der Zeit um 130 v. Chr. einen Eindruck davon gibt, wie der Machtwechsel zwischen zwei Systemen immer auch personelle Kontinuitäten braucht, so muss man davon ausgehen, dass auch im Jahr 29 v. Chr. kein personeller Schnitt erfolgte. Das Beispiel eines der ersten – wenn nicht gar des ersten88 – Archiereus in Asia, C. Iulius Epikrates, dessen Vater ein enger Freund Caesars war, der von ihm das Bürgerrecht erhielt, zeigt diese Kontinuitäten bestens. Aber nicht nur die personellen Kontinuitäten können heute besser beleuchtet werden, auch die strukturellen Verbindungslinien zwischen dem hellenistischen Herrscherkult89 und dem römischen Kaiserkult treten deutlicher zutage. Inzwischen kann wohl kein Zweifel daran bestehen, dass die parallelen Strukturen von hellenistischem Herrscherkult und römischem Kaiserkult durch die städtischen und provinzialen prorömischen Kulte und vor allem ihre Feste verknüpft sind. Dass es allerdings keine kongruente Übernahme des hellenistischen Königskultes gab, erschließt sich schon aus der Tatsache, dass der hellenistische Herrscherkult kaum überregionale Feste kannte. Zwar waren die städtischen Kulte für den Herr-

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dessen Familie sich in den Mithridatischen Kriegen als besonders romtreu erwiesen hatte und dessen Vater bereits im Stab des Statthalters C. Cassius (89/88 v. Chr.) zu finden war. Vgl. Müller, Der hellenistische Archiereus, S. 529 f.; Müller, H., Wörrle, M., Ein Verein im Hinterland Pergamons zur Zeit Eumenes II., Chiron 32 (2002), S. 191–233, hier S. 192 f. Ausgespart bleibt hier zunächst die Diskussion um die Identität von Asiarchen und Archiereis. Diese Frage wurde in der Literatur ausführlich und zum Teil sehr pointiert debattiert. Mit den Beiträgen von Weiß und Herz hat sie vorerst ein Ende gefunden, wenn auch nicht alle offenen Fragen mit letzter Gewissheit beantwortet werden konnten. (Vgl. Herz, P., Asiarchen und Archiereiai. Zum Provinzialkult der Provinz Asia, Tyche 7 (1992), S. 93–116; Weiß, P., Asiarchen sind Archiereis Asias. Eine Antwort auf S. J. Friesen, in: Ehrhardt, N., Günther, L.-M. (Hgg.), Widerstand – Anpassung – Integration. Die griechische Staatenwelt und Rom (Festschrift für Jürgen Deininger zum 65. Geburtstag), Stuttgart 2002, S. 241–254). Die Autorin wird daher im Kapitel III.2.2. einige Aspekte der Diskussion erneut aufgreifen und im provinzübergreifenden Kontext ihrer Fragestellung erörtern. So Günther, W., Zu den Anfängen des Kaiserkultes in Milet, MDAI(I) 39 (1989), S. 173–178; Herz, P., Zur Geschichte des Kaiserkultes in Kleinasien. Die Kultorganisation für die cives Romani, in: Heedemann, G., Winter, E. (Hgg.), Neue Forschungen zur Religionsgeschichte Kleinasiens (Asia Minor Studien 49), Bonn 2003, S. 132–148, hier S. 138 f. Zum hellenistischen Herrscherkult vgl. das noch immer gültige Standardwerk Habicht, Gottmenschentum; vgl. auch die zusammenfassende Darstellung bei Fishwick, ICLW I 1, S. 6–45.

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scher im Hellenismus mit großen Festen verbunden90, in deren Verlauf es Prozessionen, Opfer, Festmähler oder Agone gab,91 doch all dies wurde selten auf eine überregionale Ebene gehoben.92 Den Grund dafür sieht die Forschung in der politischen Kommunikationsstruktur der hellenistischen Reiche.93 Der Herrscher agierte im bilateralen Austausch mit den Städten, städtische Kulte wurden ihm für seine Verdienste um die Städte eingerichtet. Innerhalb dieser Struktur des politisch-religiösen Austauschs gab es keinen Platz für eine überregionale Kultpraxis. Dies erscheint zunächst verwunderlich, existierte doch mit dem überregional angesiedelten Amt des Archiereus eine Instanz, die solche Feste hätte organisieren können. Die wenigen Informationen, die wir aber über den hellenistischen Archiereus haben, lassen eher vermuten, dass es sich bei ihm in erster Linie um einen Verwaltungsbeamten handelte, der zwischen dem Reichskult und den städtischen Kulten vermittelte.94 Die Transformationsund Transferprozesse, die sich zwischen dem hellenistischen Herrscherkult des dritten und zweiten Jahrhunderts v. Chr. und dem frühen römischen Kaiserkult in Kleinasien ab dem Ende des ersten Jahrhunderts abspielten, müssen eher in einem ideengeschichtlichen Raum angesiedelt werden. Für diese Untersuchung von größter Relevanz ist dabei die Frage, wie die griechischen Städte des Ostens auf das Eindringen der römischen Macht in ihre reale aber auch ihre Vorstellungswelt reagierten. Eine Ebene der Auseinandersetzung mit den Römern war die kultisch-religiöse. Damit reagierten die Städte auf die neuen politischen Herausforderungen in ähnlicher Weise, wie sie es nach den großen Umwälzungen durch den Peloponnesischen Krieg am Ende des fünften Jahrhunderts getan hatten. Im Jahr 404 hatte der Spartaner Lysander auf Samos einen Kult wie ein Gott zu Lebzeiten erhalten.95 Dieser Kult stellte die Antwort auf Entwicklungen dar, die das griechische Weltbild und das griechische Selbstverständnis veränderten. Ab diesem Zeitpunkt trat das Konzept der Vergöttlichung von Menschen in seiner deutlichsten Form des Herrscherkultes seinen Vormarsch im griechischen Kulturkreis an.96 Zwar hatte es bereits vorher Bemühungen gegeben, für sich selbst Ehren zu erlangen, die man bis dato den Göttern oder Heroen vorbehalten hatte, diese gelangten aber nicht über das Stadium des Versuchs hinaus.97 90 91 92 93 94 95

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SEG 39, 1989, 1284 = Gauthier, Sardes II, 2. Vgl. dazu Habicht, Gottmenschentum, S. 195. Zu den wenigen Ausnahmen zählen die Feste des Nesiotenbundes unter dem Protektorat der Antigoniden und Ptolemaier. Vgl. dazu Buraselis, Hellenistisches Makedonien, S. 60–87; ders., Confederacies, S. 174–177. Vgl. Mileta, Offene Arme, S. 92–97; ders., Prorömische Kulte, S. 146. Der Name des Archiereus musste in allen Verträgen, die in seinem Amtsbezirk geschlossen wurden, aufgeführt werden. (Vgl. Mileta, ebd.). Sie hatten neben der Kult- auch die Dienstaufsicht über die ländlichen Heiligtümer in ihrem Sprengel. Duris FGrH 76 F 71, F 26; vgl. Habicht, Gottmenschentum, S. 3–6; Edelmann, B., Religiöse Herrschaftslegitimation in der Antike. Die religiöse Legitimation orientalisch-ägyptischer und griechisch-hellenistischer Herrscher im Vergleich (Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike 20), St. Katharinen 2007, S. 112–120. Die Autorin hat sich diesem Problem unter dem Aspekt der Herrschaftslegitimation in einer anderen Studie gewidmet: Edelmann, Herrschaftslegitimation. Als Beispiel sei hier nur Dionysios I. von Syrakus genannt (vgl. Edelmann, ebd., S. 89–101). Für die Zeit zwischen 600 und 300 v. Chr. existieren zahlreiche Beispiele von Gelehrten, die aufgrund ihrer Leistungen, die aus einer scheinbar übermenschlichen Qualität erwuchsen, in

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Das mit Lysander gelegte Fundament wurde dann von den makedonischen Königen konsequent in ihr Herrschaftsmodell eingebunden und in Ausdruck und Darstellung an die neue Machtposition angepasst. Die sakrale Legitimation und damit der offizielle Kult wurden nun – resultierend auch aus der Auseinandersetzung mit dem persischen Großkönig – als politisches Machtmittel instrumentalisiert, um einen Anspruch auf Weltherrschaft zu erheben98. Die geographische Ausweitung der Machtsphäre verlangte eine explizite Darstellung dieses Anspruchs. In der Tradition der makedonischen Herrscher bewegten sich dann die Dynastien der Diadochen, wobei bei ihnen die griechisch-makedonische Kulttradition durch indigene Elemente der beherrschten Räume ergänzt wurde. Das heißt, in der ptolemaischen Dynastie spielten altägyptische Vorstellungen in den Kult des Herrschers hinein, in der seleukidischen Dynastie wurden auch achämenidisch-orientalische Vorstellungen virulent.99 Die Königskulte waren also im Moment des römischen Ausgreifens in den Osten eine bereits seit mehr als zwei Jahrhunderten etablierte Praxis der offiziellen politischen Auseinandersetzung mit den Herrschern. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der direkten Konfrontation Städte und Bünde den neuen Machtfaktor Rom in ihr Pantheon und in ihre Kulte integrierten. Diese prorömischen Kulte versuchten in der üblicherweise praktizierten Sprache von Kult und Ritual mit den Römern zu kommunizieren. Die große Schwierigkeit dabei war es, den Ansprechpartner zu definieren. In der hellenistischen Welt war diese Form der Kommunikation eingeübt und es gab mit dem hellenistischen Herrscher ein klar darstellbares Gegenüber. Die römische Republik mit ihren abweichenden politischen Spielregeln und verschiedenen Verfassungsorganen zwang die Städte dazu, das Gegenüber, das ihren Vorstellungen eines Kultrezipienten am ehesten entsprach, zu definieren. So finden wir verschiedene Antworten auf die Frage nach dem adäquaten römischen Ansprechpartner, indem wir Kulten für die Stadt Rom, den populus Romanus, den Senat, römische Feldherren und Amtsträger oder die Göttin Roma begegnen.100 Dass dieser Prozess der Suche nach dem richtigen Empfänger der religiösen Botschaft durch eine Veränderung der politischen Strukturen kanalisiert werden konnte, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass es mit dem Entstehen von römischen Provinzen in Kleinasien zu einer gradudie Nähe der Götter gerückt und mit göttlichen Attributen versehen wurden. All dies kann als Zeichen der Bereitschaft gedeutet werden, jenen Menschen, die Außergewöhnliches zu leisten im Stande waren, Göttlichkeit zuzugestehen. (Ebd., S. 115). Vgl. dazu auch die Untersuchung von Currie, B., Pindar and the cult of heroes, Oxford 2005. 98 Vgl. Habicht, S. 11–36; Edelmann, ebd., S. 173–211. 99 Vgl. dazu Edelmann, ebd., S. 244–322. 100 Zu den verschiedenen Versuchen, Rom in die lokalen Kulte zu integrieren vgl. u. a. LaRocca, E., Theoi epiphaneis. Linguaggio figurativo e culto dinastico da Antioco IV ad Augusto, in: Rosen, K. (Hg.), Macht und Kultur im Rom der Kaiserzeit, Bonn 1994, S. 9–63; Fears, J. R., Ho demos ho Romaion – Genius Populi Romani. A note on the origin of Dea Roma, Mnemosyne 31 (1978), S. 274–286; Tuchelt, Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien. Als Beispiel für die Ehrungen römischer Feldherren sei hier nur Flamininus genannt. Vgl. z. B. Plut. Flamininus 16, 3–5, IG XII 9, 931. Zu den Ehrungen für Flamininus vgl. Price, Rituals and power, S. 40– 47. Zu den Kulten anderer Amtsträger vgl. u. a. Halfmann, H., Ein neuer Statthalterkult in der Provinz Asia, S. 88, EA 10 (1987), S. 83–90.

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ellen Verengung des Adressatenkreises der Kulte kam. Zumindest auf der Ebene der Provinz finden wir prorömische Kulte nämlich nur für römische Statthalter oder Politiker. Eine ganz zentrale Rolle spielen für den Beginn der friedlichen Kommunikation die Kulte für die Göttin Roma, die bereits seit dem Beginn des zweiten Jahrhunderts v. Chr. überliefert sind und sich in Form von Agonen, Festen, Opfern, Priestern, Weihungen oder Statuen für die Göttin in Kleinasien niedergeschlagen haben.101 Die θεὰ ʻΡώμη-Verehrung kann dabei als Surrogat des hellenistischen Herrscherkultes verstanden werden, denn sie funktionierte in denselben religiösen und politischen Mustern.102 Das erste heute bekannte Beispiel der Kulteinrichtung für die Göttin Roma wirft ein Schlaglicht auf die Vorstellungen der Griechen. Im Jahr 195 v. Chr. sahen sich die Einwohner der kleinasiatischen Stadt Smyrna einer Belagerung durch den Seleukiden Antiochus III. ausgesetzt. Sie erbaten Hilfe von den Römern und errichteten im Zuge dieses Hilfegesuchs einen Tempel für die Göttin Roma.103 Das klassische Muster des hellenistischen Herrscherkultes wird in diesem Fall folglich auf die neue Macht und ihre Manifestation, die Göttin Roma, übertragen: Die Städte verleihen göttliche Verehrung im Austausch für politische, militärische oder finanzielle Unterstützung.104 Diesen bereits seit dem vierten Jahrhundert als Standard etablierten Verhaltenskodex übertrug man nun auf die Römer, mit einer Ausnahme, der übliche monarchische Adressat der Ehrung wurde durch eine die römische Macht symbolisierende Göttin ersetzt. Der Erfolg von Smyrna führte zu einer raschen Verbreitung dieser Methode. Noch in den 90er Jahren des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts etablierte das Koinon der Euboier das Fest der Rhomaia in

101 Die noch immer maßgeblichen Untersuchungen zum Kult der θεὰ ʻΡώμη hat Ronald Mellor 1975 und 1981 vorgelegt: Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ; ders., The Goddess Roma, in: ANRW II 17, 2 (1981), S. 950–1030. Die Motive der Kultgründung hat allerdings Errington 1987 neu gedeutet. Vgl. Errington, M., θεὰ Ῥώμη und römischer Einfluß südlich des Mäanders im 2. Jh. v. Chr., Chiron 17 (1989), S. 97–118. Vgl. dazu auch die archäologische Untersuchung von Tuchelt, Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien, der darlegt, dass die Roma-Verehrung in der voraugusteischen Zeit topographisch zu bereits bestehenden Kultarchitekturen oder Festen hinzutrat und es auch noch keine Kanonisierung des Roma-Bildes gab (S. 44 f.). 102 Mellor findet dafür die Worte, der Kult der Göttin Roma sei der „bastard offspring of the Hellenistic ruler cult and became the model for the worship of the Roman emperor“. (Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 195). 103 Tac. ann. 4, 56. 104 Während Mellor die frühen Kultgründungen als Mittel deutet, Unterstützung von Seiten Roms im politischen Machtkampf zu erhalten, sieht Errington die Einrichtung der θεὰ ʻΡώμη-Kulte stets als Zeichen der Dankbarkeit für eine bereits erhaltene Leistung. (Vgl. Errington, θεὰ Ῥώμη und römischer Einfluß, S. 113). Dieser Sichtweise hat sich auch Bernhardt in seiner Studie zur Beziehung Roms zu den hellenistischen Städten angeschlossen. (Vgl. Bernhardt, R., Rom und die Städte des hellenistischen Ostens (3.–1. Jahrhundert v. Chr.). Literaturbericht 1965–1995 (HZ Sonderheft 18), München 1998, S. 42). Die 2003 von Dreyer und Engelmann herausgegebenen Dekrete für Apollonios aus Metropolis haben allerdings gezeigt, dass die Einrichtung des Kultes als Bindeglied zwischen Rom und Metropolis fungieren sollte. (Vgl. IK Metropolis I, S. 15 f.).

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Chalkis.105 Im Jahr 189 v. Chr. folgten Delphi und das lykische Koinon.106 Der bereits erwähnte Kult des ionischen Koinon in Erythrai datiert in das Jahr 188 v. Chr., wohl im selben Jahr richtete auch die Stadt Erythrai der Göttin Roma einen Kult ein.107 Die Reihe der Kultgründungen setzte sich fort: Im zweiten Jahrhundert v. Chr. finden sich vielfach θεὰ ʻΡώμη-Kulte in Griechenland, der Ägäis und Kleinasien. Das Auftreten des Kultes verläuft parallel zur politischen Entwicklung.108 Bereits kurz nach der Übernahme des pergamenischen Erbes durch Rom und dem Sieg über Aristonikos ist eine Verehrung der Göttin Roma in Pergamon belegt.109 Kurz nach 133 v. Chr. wird auch im ionischen Metropolis ein Roma-Kult eingerichtet.110 Über das Ende der hellenistischen Dynastien hinaus wurde die Verehrung der Göttin Roma der Kristallisationspunkt und Kult-Raum, in dem Form und Funktion des hellenistischen Herrscherkultes weiterlebten und das erste vorchristliche Jahrhundert überdauerten.111 Klares Zeichen für diese Trägerfunktion der Roma ist die kultische Zusammenführung mit der Verehrung römischer Magistrate. Bereits die kultische Verehrung des Flamininus in Chalkis nur wenige Jahre nach dem Beginn des Roma-Kultes verknüpfte diese beiden Komponenten der römischen Macht. In den Hymnen für Flamininus wird an die der Roma geweihten Spiele erinnert und Roma erstmals in einem Hymnus erwähnt.112 Bereits hier zeigte sich, dass die Göttin und die römischen Feldherren als pars pro toto für die Macht Roms verstanden wurden. Konkreter wurde die kultische Zusammenführung dann im ersten Jahrhundert v. Chr., als der lang etablierte Kult der Roma dazu diente, den Kult der einzelnen römischen Magistrate in einer Zeit der politischen Umbrüche aufzufangen. P. Servilius Isauricus, Prokonsul von Asia 46–44 v. Chr., wurde aufgrund seiner Leistungen für die Provinz und gegen die publicani in Pergamon als soter und euergetes verehrt. Dabei wurde sein Kult dem bereits bestehenden Kult der θεὰ ʻΡώμη beigefügt.113 Im Jahr 45 v. Chr. wird Caesar in Mytilene gemeinsam mit Roma geehrt.114 Derselbe Fall liegt noch einmal für das Jahr 40 v. Chr. vor. Der Prokonsul von Asia L. Munatius Plancus wird in einer Kultverbindung mit Roma in Mylasa erwähnt.115 Diese 105 IG XII 9, 899b. 106 Lykisches Koinon: SEG 18, 1962, 570; Erstpublikation von Bean, G. E., Notes and inscriptions from Lycia, JHS 68 (1948), S. 40–58, hier S. 46 Nr. 11; Vgl. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 37–39 und 100 f.; ders., Goddess Roma, S. 958 f.; Behrwald, R., Der lykische Bund. Untersuchungen zu Geschichte und Verfassung, Bonn 2000, S. 90–99; Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 22–25. Gegen die frühe Einrichtung spricht sich Errington aus (Errington, Θεὰ ʻΡώμη und römischer Einfluss). 107 Vgl. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 54 f. 108 Vgl. Mellor, Goddess Roma, S. 959. 109 Syll. 694; Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 77 f. 110 Vgl. IK Metropolis I, S. 15 f. 111 Vgl. dazu die luzide Zusammenfassung von Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 195–198. 112 Plut. Flamininus 16; Text des Hymnus wiedergegeben bei Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 121. 113 Vgl. auch Fishwick, ICLW I 1, S. 50 f. Ein Priester der Roma und des Isauricus ist noch in der Kaiserzeit belegt: FiE III, Nr. 66 (nach Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 218, Nr. 128). 114 IG XII 2, 25. 115 IvMylasa 135.

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Verbindung der θεὰ ʻΡώμη mit Kulten römischer Magistrate ist seit langer Zeit in der Forschung als Anknüpfungspunkt zwischen hellenistischem Herrscherkult und frühem Kaiserkult erkannt worden.116 In der Regel wurden nach Isauricus Statthalterkulte nur noch in Verbindung mit Roma oder Mitgliedern des Kaiserhauses eingerichtet.117 Die Bedingung des Augustus, einer Einrichtung seines Kultes nur in Kultgemeinschaft mit der θεὰ ʻΡώμη zuzustimmen, erscheint vor diesem Hintergrund einer gewissen Logik zu folgen. Stellte er sich damit doch in eine bereits für römische Amtsträger bestehende Tradition, knüpfte in Wahrheit aber an die ältere Kulturtradition der hellenistischen Herrscherkulte an und verlagerte die Verehrung durch die Übergabe der Funktionen des Kultes an das Koinon von Asia auf die übergeordnete Ebene der Provinz. Diese Entwicklung darf als neu angesehen werden. Die Abkunft der θεὰ ʻΡώμη von den hellenistischen Kulten und ihre Transmitterfunktion118 an der Schnittstelle von hellenistischem Königskult und römischem Kaiserkult wird einmal mehr dadurch unterstrichen, dass sie dieselben Epitheta trägt wie die hellenistischen Herrscher und sie weiterreicht an die römischen Kaiser.119 Als Beispiel sei an dieser Stelle das Epitheton ἐπιφανής genannt. Die Griechen verbanden mit der Vorstellung eines θεὸς ἐπιφανής den für Menschen sichtbar gewordenen Gott, eine Manifestation der Göttlichkeit des Königs. Das Motiv ist schon in der kultischen Verehrung des Antigonos Monophthalmos und seines Sohnes Demetrios Poliorketes 307 bzw. 304 v. Chr. in Athen überliefert.120 Es erscheint dann erstmals bei Ptolemaios V. (210–180 v. Chr.) als Beiname und zwar in seinem griechischen wie in seinem Pharaonen-Namen. Dies ist ein interessanter Hinweis auf die grundsätzlich ähnliche Struktur der Vorstellungen von der Göttlichkeit des Herrschers in beiden Kulturen.121 Auch Antiochos IV. (215–164 v. Chr.) übernahm wohl ab 175 v. Chr. den Beinamen Epiphanes, der bald zum Standardrepertoire der hellenistischen Herrscher gehörte.122 Ebenso findet sich dieses Epitheton in den Herrscherhäusern von Bithynia, Kappadokia und Kommagene.123 116 117 118 119 120

Vgl. Münzer, F., Römische Adelsparteien und Adelsfamilien, Stuttgart 1920, S. 357. Vgl. Halfmann, Ein neuer Statthalterkult in der Provinz Asia, S. 88. Vgl. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 195. Vgl. ausführlich dazu Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 111–119; ders., Goddess Roma, S. 968 f. Vgl. Plut. Demetrios 10, 5; Plut. mor. 338a; Clem. Al. Protr. 4, 54, 6; vgl. Habicht, Gottmenschentum, S. 48–50; Kotsidu, Η., ΤΙΜΗ ΚΑΙ ΔΟΞΑ, Ehrungen für hellenistische Herrscher im griechischen Mutterland und in Kleinasien unter besonderer Berücksichtigung der archäologischen Denkmäler, Berlin 2000, Nr. 10. 121 Das sowohl im ägyptischen wie im griechischen Titel verwandte Epitheton ἐπιφανής drückte eine Variante dieser ähnlichen Konstruktionen aus. Dieser Beiname des Ptolemaios V., den er im Jahr 199/198 v. Chr. annahm, spiegelt deutlich den gemeinsamen Grundkonsens wider. Dem griechischen Kultnamen entsprach der ägyptischen Beiname „der (Gott), der in Erscheinung getreten ist“. Vgl. dazu Huß, W., Ägypten in hellenistischer Zeit 332–30 v. Chr., München 2001, S. 529 Anm. 5. Zum ptolemaischen Herrscherkult in Ägypten vgl. Pfeiffer, S., Herrscherund Dynastiekulte im Ptolemaierreich. Systematik und Einordnung der Kultformen, München 2008. 122 Vgl. zum Epitheton des Antiochos IV. Mittag, P. F., Antiochos IV. Epiphanes. Eine politische Biographie, Berlin 2006, S. 128–139. 123 Vgl. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 114 mit Anm. 29.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

Für Roma ist das Epitheton in seiner ursprünglichsten Bedeutung als „hilfreich erscheinende Gottheit“ aus dem Jahr 189 v. Chr. belegt, als das lykische Koinon kurz nach dem Sieg der Römer bei Magnesia die Göttin Roma als θεὰ ἐπιφανής mit der Einrichtung eines Festes ehrten.124 Ein θεὸς ἐπιφανής in eben dieser Form ist Iulius Caesar im Jahr 48 v. Chr. für die Städte Asias. Daher greift man hier diese Formulierung auf und überträgt sie auf die sich nach dem Sieg von Pharsalos nun herauskristallisierende neue Führungsfigur der Römer. Die Ehreninschrift für Caesar wird bezeichnenderweise vom asianischen Koinon errichtet, womit die kommunikativ-rituelle Tradition der Herrscherverehrung und die politisch-institutionelle zusammengeführt werden können: αἱ πόλεις αἱ ἐν τῆι Ἀσίαι καὶ οἱ [δῆμοι] | καὶ τὰ ἔθνη Γάϊον Ἰούλιον Γαΐο[υ υἱ]|ὸν Καίσαρα, τὸν ἀρχιερέα καὶ αὐτο|κράτορα καὶ τὸ δεύτερον ὕπα|τον, τὸν ἀπὸ Ἄρεως καὶ Ἀφροδε[ί]|της θεὸν ἐπιφανῆ καὶ κοινὸν τοῦ | ἀνθρωπίνου βίου σωτῆρα.125

Von den hellenistischen Herrschern über Roma und Caesar gelangte das Epitheton ἐπιφανής dann zu den römischen Kaisern und in die lateinische Dichtung, wo der divus praesens bei Horaz oder Plinius erscheint.126 Wie zentral der Kult der Roma in seiner Bedeutung für den frühen Herrscherkult wurde, verdeutlicht die Einrichtung des gemeinsamen Kultes von Augustus und der θεὰ ʻΡώμη in Pergamon 29 v. Chr. Die Göttin Roma übernahm hier eine Brückenfunktion127 zwischen den kulturellen Traditionen des Ostens und des Westens. Sie ermöglichte die Akzeptanz des Herrscherkultes für die römischen Bürger, zunächst in Asia und Bithynia, dann im Westen des Reiches. Neben der Göttin Roma galten die von den Städten des Ostens eingerichteten Kulte vor allem dem römischen Personal vor Ort, also Feldherren, Mandatsträgern, Statthaltern.128 Das früheste, gleichzeitig aber in seinen Erscheinungsformen auch einzigartige Beispiel war Titus Quinctius Flamininus129, dessen erster Kult in Chalkis in das Jahr 191 v. Chr. datiert, also etwa in jene Zeit, in der auch die Verehrung der Roma begann. Das Beispiel des Flamininus machte allerdings nicht in derselben Art und Weise Schule, wie es die Göttin Roma getan hatte. Für das zweite Jahrhundert v. Chr. finden sich lediglich zwei weitere kultische Ehrungen für römische Promagistrate: M. Aquilius erhielt als erster Statthalter der Provinz Asia in Pergamon einen Kult130 und für M. Annius, den Quaestor der Provinz Macedonia, ist ab 117 v. Chr. ein hippischer Agon in Lete belegt.131

124 125 126 127 128

Vgl. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 37–39. Syll. 3760; IvEphesos II 251 = CIG 2957. Hor. carm. 3, 5, 2; Plin. paneg. 1. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 195. Vgl. Thériault, G., Remarques sur le culte des magistrats romains en Orient, CEA 38 (2001), S. 85–95. 129 Plut. Flamininus 17, 2. 130 IGR IV 292, 39; 293 II 24; vgl. Magie, Roman rule, Bd. 1, S. 153–158; Tuchelt, Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien, S. 15. 131 Syll. 3700, 39.

II.2 Die Koina in vorrömischer Zeit – politische und religiöse Räume

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Eine Veränderung in der Entwicklung markieren die Moukieia, jene für Q. Mucius Scaevola eingerichteten Spiele.132 Sie dürfen als das erste sicher belegte Beispiel eines überregional eingerichteten Provinzialkultes in Asia gelten. Mit ihnen erschloss sich der Kult einen neuen Raum.133 Die Glieder der Provinz – Städte, Gemeinden und Stämme – traten erstmals als Korporation in Erscheinung. Man übernahm also offenbar ein Prinzip, das entweder bereits in hellenistischer Zeit angelegt war, von dem wir aber keine Belege haben, oder aber man greift zurück auf die griechischen Traditionen der Bündnisse, für die wir ja bereits anhand des Beispiels des ionischen Koinon exemplarisch gesehen haben, wie sie sich auch in kultischer Kommunikation mit Rom und seinen Vertretern übten. In jedem Fall ging die Einrichtung dieses provinzialen Kultes auf Beschluss der vereinigten Städte und Stämme qualitativ über die von einzelnen Poleis eingerichteten Kulte hinaus. Hier trat die von den Römern neu geschaffene Instanz der Provinz erstmals als selbstständig agierendes Organ auf – und zwar nicht als Ankläger oder Beschwerdeführer, sondern als Instanz, die belohnt. Die positive Amtsführung des Scaevola wurde in der Kulteinrichtung geehrt134, damit wurde von Seiten der Provinz deutlich gemacht, was sie von Rom und seinen Mandatsträgern erwartete. Eine andere griechische Tradition wurde mit diesem Kult ebenfalls aufgegriffen und neu inszeniert. Die Spiele für Scaevola fanden in Pergamon in Form eines großen penteterischen Agons statt135, dessen Vorbild nicht in den hellenistischen Reichskulten oder in den städtischen Kulten zu suchen ist, sondern in den großen panhellenischen Spielen mit penteterischem Rhythmus.136 Die Poleis Kleinasiens feierten diese Art der Spiele seit dem dritten Jahrhundert v. Chr.137 Diese Spiele knüpften ihrerseits wiederum in ihrer Struktur, der geographisch übergeordneten Anlage und vor allem in ihrer Dimension an die bedeutenden olympischen oder pythischen Spiele an. Als Erklärungsmuster für die Schaffung dieser Spiele – wie 132 Cic. Verr. 2, 2, 51; IvOlympia 327; IGR IV 188. 133 Möglicherweise können schon die Marcellia in Syrakus auf Sizilien als Provinzkult angesehen werden. Die Verehrung des M. Claudius Marcellus, des Eroberers von Syrakus 212 v. Chr., und seiner Familie der Marcelli, aus der einige Statthalter von Sicilia hervorgegangen waren, zielte in seinem Kontext über die Stadt Syrakus hinaus und trug Züge eines überregionalen Kultes (vgl. Kunz, H., Kaiserverehrung und Kaiserkult in der Provinz Sicilia. Traditionen, Formen, Organisation, in: Cancik, H., Hitzl, K. (Hgg.), Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen, Tübingen 2003, S. 233–248, hier S. 233 f.). 134 Cic. div. in Caec. 57; Verr. 2, 2, 27; Diod. 37, 5. 135 OGIS 437: [τῶν ἐν τῆ]ι φιλίαι κριθέ[ντων] δήμων τε καὶ ἐ[θνῶν ψηφισαμέ]νων τιθέναι θυμ[ε] λικοὺς κ[α]ὶ [γυμνικοὺς ἀγῶ]να〈ς〉 πενταετηρι[κοὺς – -]. 136 Vgl. Mileta, Offene Arme, S. 96 f. 137 So beispielsweise der panhellenische Kranzagon für die Artemis Leukophryne von Magnesia am Mäander (IvMagnesia 16–87; Rigsby, K., Asylia. Territorial inviolability in the Hellenistic world, Berkeley 1996, S. 179–279 mit den Inschriften 66–131), die panhellenischen Nikephoria in Pergamon (Rigsby, ebd., Nr. 176), die panhellenischen Didymeia in Milet (Syll. 3590), die panhellenischen Asklepieia auf Kos (Rigsby, ebd., Nr. 9) oder die panhellenischen Soteria von Kyzikos (Rigsby, ebd., S. 342). Insbesondere das Dekret von Magnesia aus dem Jahr 207 v. Chr. (IvMagnesia 16; SEG 56, 2006, 1231) deutet darauf hin, dass die Bewohner von Asia sich bereits im dritten Jahrhundert als Einheit im Kult und im Fest begriffen (ἀγῶνα θεῖναι τῶγ κατοικούντων τὴν Ἀσίαν).

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

auch der späteren prorömischen Provinzspiele – wurde in der neueren Forschung neben dem Streben nach überregionaler Geltung vor allem die Asylie herausgestrichen.138 Diese Entwicklung lässt sich fortschreiben. Neben Scaevola hatte die Provinz139 mindestens zwei weiteren römischen Amtsträgern in voraugusteischer Zeit Spiele eingerichtet: Für L. Valerius Flaccus wurden in seiner Eigenschaft als Proprätor der Provinz Asia in den 90er Jahres des ersten Jahrhunderts v. Chr. dies festi atque ludi140 gestiftet.141 Im Jahr 71 v. Chr. erhielt der Statthalter L. Licinius Lucullus die Luculleia142, die ihm die Städte der Provinz aus Dankbarkeit einrichteten.143 II.2.4 Fazit Die Verbindungslinie zwischen hellenistischem, republikanischem und kaiserzeitlichem Koinon nachzuzeichnen, ist eine der schwierigsten Aufgaben bei der Erforschung dieser Institution. Deininger wollte sich auf der Basis des 1965 bekannten Materials aus verständlichen Gründen nicht auf Spekulationen zu konkreten historischen Transformationsprozessen einlassen. Er erklärte daher: „Eine zusammenhängende Darstellung davon, wie die Institution entstanden ist, ist deshalb unmöglich; als ungeklärt in allen wesentlichen Detailfragen muß […] vor allem der konkrete historische Zusammenhang zwischen den […] hellenistischen und den späteren römischen Institutionen betrachtet werden.“144 Glücklicherweise verfügen wir heute dank epigraphischer Neufunde über weiterreichende Informationen, die es uns ermöglichen, konkretere Aussagen zu treffen. Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit führten ihre Existenz auf drei Traditionslinien der griechisch-hellenistischen Zeit zurück: eine politisch-institutionelle, eine religiös-funktionale und eine kommunikativ-rituelle. Politisch-institutionell werden sie den griechischen, vor allem hellenistischen Städtebünden und Bundessstaaten nachgebildet, darin eingeschlossen sind vor allem der repräsentative Charakter sowie zu einem geringeren Grad auch die politischen und selbstadministrativen Funktionen der hellenistischen Koina. Religiös-funktional liegt ihre 138 Vgl. Mileta, Offene Arme, S. 97 mit Hinweis auf Rigsby, ebd., S. 1–29. 139 Vgl. Thériault, G., Culte des évergètes (magistrats) romains et agônes en Asie Mineure, in: Konuk, K. (Hg.), Stephanèphoros. De l’économie antique à l’Asie mineure. Hommage à Raymond Descat (Mémoire 28), Bordeaux 2012, S. 377–387. 140 Cic. Flacc. 55. 141 Vgl. Erkelenz, D., Cicero, pro Flacco 55–59. Zur Finanzierung von Statthalterfesten in der Frühphase des Koinon von Asia, Chiron 29 (1999), S. 43–57. 142 Plut. Lucullus 23, 1. 143 An dieser Stelle würde es zu weit führen, die Vorbildrolle der hellenistischen Spiele auch im Ritual ausführlicher zu erläutern. Näher zu betrachten wären hier sicherlich die Rolle der Bilder im Kult, die Bedeutung der Prozessionen oder der kultischen Räume, wie beispielsweise des Theaters. Die Autorin hat zu diesen Themen bereits an anderer Stelle einige Anmerkungen gemacht. Vgl. Edelmann, B., Pompa und Bild im Kaiserkult des römischen Ostens, in: Rüpke, J. (Hg.), Festrituale in der römischen Kaiserzeit, Tübingen 2008 (Studien und Texte zu Antike und Christentum 48), S. 153–167. 144 Deininger, Provinziallandtage, S. 7.

II.3 Rom und die Koina in republikanischer Zeit

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wichtigste Wurzel im hellenistischen Herrscherkult und seinem Vollzug durch entsprechende Amtsträger (Archiereis). Aus einer kommunikativ-rituellen Perspektive übernehmen die Provinziallandtage der Kaiserzeit kommunikative Prozesse, Rituale und Praktiken der prorömischen Kulte für die spätrepublikanischen Magistrate und die Göttin Roma. Diese drei Aspekte können nur in einer Zusammenschau jenes Potential entfalten, das die Institution Koinon im politischen Prozess der frühen Kaiserzeit bot. Entgegen der communis opinio gab es weitreichende Kontinuitäten, die allerdings am ehesten als eklektizistisches Konglomerat zu verstehen sind und weniger als bewusste Übernahme einer konkreten Funktion oder Institution. Die römischen Provinziallandtage bedienten sich bei ihrer Einrichtung aus einem reichen Schatz an Ideen, Traditionen, Ämtern und institutionellen Rahmenbedingungen, die an die kaiserzeitlichen Gegebenheiten optimal angepasst wurden. Das Konzept eines politisch-religiösen Raumes, dessen Grundbedingungen gegeben waren, der aber individuell äußerst flexibel gestaltet werden konnte, kann als Erklärungsmodell recht gut funktionieren. II.3 ROM UND DIE KOINA IN REPUBLIKANISCHER ZEIT Ein weiteres Desiderat in der Forschung stellt das Verhältnis Roms zu den östlichen Koina in der republikanischen Zeit dar – und zwar sowohl innerhalb der römischen Provinzen als auch in den nicht provinzialisierten Gebieten. Allzu leicht machte man es sich in der Vergangenheit, wenn man recht dogmatisch konstatierte: „Welche direkten Beziehungen indes zwischen hellenistischen Koina von der Art des ionischen und später überlieferten republikanischen Landtagen bestehen, wie die einzelnen römischen republikanischen Landtage überhaupt entstanden: diese Frage ist – abgesehen von den wenigen Fällen (Kreta, Kypros), wo sich hellenistische Koina als Vorgänger feststellen lassen – kaum zu beantworten, denn allzu dürftig ist, was man von Provinziallandtagen in der römischen Republik weiß.“145 Einige Arbeiten haben inzwischen versucht, diese Lücke in der Forschungslandschaft zu schließen – nicht zuletzt auch dank neuer Inschriftenfunde, die das Bild erhellt haben.146 Aber diese Untersuchungen bezogen sich stets auf eine Provinz.147 Dabei wurde übersehen, dass erst die Zusammenschau der Ergebnisse Aussagen darüber zulassen kann, welche Rolle die östlichen Koina in der römischen Provinzialpolitik der späten Republik spielten. 145 Deininger, Provinziallandtage, S. 12. 146 Erwähnt sei an dieser Stelle nur das von Drew-Bear 1972 publizierte Dekret des asianischen Koinon aus den 70er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. (Drew-Bear, T., Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure, BCH 96 (1972), S. 435–471). 147 Vgl. u. a. Campanile, M. D., Il koinon di Bitinia. ΒΕΙΘΥΝΙΑΡΧΑΙ e ΑΡΧΟΝΤΕΣ ΤΟΥ ΚΟΙΝΟΥ ΤΩΝ ΕΝ ΒΕΙΘΥΝΙΑΙ ΕΛΛΗΝΩΝ, SCO 43 (1993), S. 343–357; Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure; Edelmann-Singer, Die Provinzen und der Kaiserkult; Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester. Eine wegweisende Untersuchung für die griechischen Koina in der späten Republik legte 1974 Thomas Schwertfeger vor. (Schwertfeger, T., Der Achaiische Bund von 146 bis 27 v. Chr., München 1974).

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

Im Folgenden wird daher zusammenfassend die Entstehung, Entwicklung und Bedeutung der Koina in den östlichen Provinzen in republikanischer Zeit dargestellt. II.3.1 Sicilia Die wenigen Informationen, die über das commune Siciliae vorliegen, lassen erkennen, dass in der ersten von den Römern eingerichteten Provinz in der späten Republik ein Landtag existierte.148 Diese Vertreterversammlung der Provinz ist nur durch die Reden des Cicero gegen Verres überliefert und bleibt in ihrem Aufgabenspektrum unscharf. Sicher ist, dass das commune Siciliae Statuen in der Provinz und in Rom – hier sogar goldene – für die Provinzbeamten und Statthalter stiftete, die aus Beiträgen der Städte finanziert wurden. Die Staffelung der Mitgliedsbeiträge erinnert an die abgestufte Stimmvergabe in Lykien – des einzigen Koinon, von dem wir überhaupt etwas über die Mitgliedsbeiträge wissen.149 Darüber hinaus organisierte der Landtag Gesandtschaften150 und möglicherweise auch Klagen gegen römische Provinzbeamte.151 Über die Anfänge dieser Organisation weiß man nichts Konkretes. Allerdings lohnt auch hier ein Blick auf die hellenistischen Traditionen der Insel: So finden wir einen Städtebund im Reich Hierons II. von Syrakus. Hieron II. war ein treuer Verbündeter der Römer und konnte nach deren Sieg im ersten punischen Krieg 241 v. Chr. sein Reich in Sizilien behalten, während der Rest der Insel zur römischen Provinz umgewandelt wurde. Der im Reich Hierons II. existierende Städtebund prägte als Korporation Münzen, die durch das Ethnikon ΣΙΚΕΛΙΩΤΑΝ der rechtlichen Autorität des Städtebundes zugewiesen werden können.152 Auf den Münzen war die Gattin des Hieron, Philistis, als Göttin dargestellt, und ihr Bild wiederum war der Darstellung der Arsinoe, der Gattin des Ptolemaios II. Philadelphos, angeglichen.153 Diese Verknüpfung von hellenistischem Herrscherkult und Städtebund kann als Indiz dafür gesehen werden, dass die Römer auch – und vielleicht zuerst – in Sicilia vorrömische Einrichtungen übernahmen, als sie die Provinz konzipierten. Ob die frühe Einrichtung der Marcellia, jener Spiele für den Eroberer von Syrakus M. Claudius Marcellus, die gemeinhin als früheste göttliche Ehrung für einen Römer gesehen wird154, eine städtische oder provinziale Angelegenheit war, muss ebenfalls offenbleiben. Ihr Kontext weist aber durchaus Züge einer überregionalen Ausrichtung 148 149 150 151

Vgl. die Zusammenfassung der Fakten bei Deininger, Provinziallandtage, S. 12–14. Zu den Mitgliedsbeiträgen der lykischen Städte vgl. Kap. IV.2.1.5.2. Cic. Verr. 2, 2, 103; 114; 145–146. Dagegen Deininger, Provinziallandtage, S. 13. Die klare Absage, die Deininger der Idee, die von Cicero vertretene Anklage gegen Verres sei vom commune Siciliae ausgegangen, erteilt, ist aus Cic. div. in Caec. 4, 14 nicht herauszulesen. 152 Vgl. Giesecke, W., Sicilia Numismatica, Leipzig 1923, S. 147, Nr. 1–4. Angelos Chaniotis regte an, in den Prägungen mit der Legende ΣΙΚΕΛΙΩΤΑΝ Prägungen für Feste zu sehen. Vgl. dazu auch Psoma, Profitable networks. 153 Vgl. Kunz, Kaiserverehrung und Kaiserkult in der Provinz Sicilia. 154 Cic. Verr. 2, 2, 51; Plut. Marcellus 23, 7; vgl. Fishwick, ICLW I 1, S. 46.

II.3 Rom und die Koina in republikanischer Zeit

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auf.155 Dafür spricht auch die Anlehnung der Verres-Verehrung an den Kult des M. Claudius Marcellus.156 Larsen sieht in der Einrichtung des commune Siciliae, die er mit der Ausweitung der Provinz auf die gesamte Insel im zweiten punischen Krieg und der Einrichtung der Marcellia 212 v. Chr. wohl richtig in Zusammenhang stellt, einen Transfer von Ost nach West, also die Übernahme des griechischen Prinzips der Bundesstaaten auf die erste römische Provinz.157 Diese These überzeugt angesichts der Belege für einen syrakusanischen Städtebund nicht. Viel eher muss in Betracht gezogen werden, dass die Römer auch in Sizilien mit der ihnen bereits aus dem griechischen Osten bekannten Organisationsform griechischer Städtebünde in Berührung kamen. Hier wiederum stellte sich nun zum ersten Mal das Problem, diese Organisationsform in die Provinz einzubinden. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt kam es offenbar zu einer Verbindung von Städtebund und religiöser Verehrung des römischen Feldherren Marcellus in hellenistischer Tradition. Die Organisationsform und ihre Verbindung mit dem Kult scheinen dann bis in die römische Kaiserzeit hinein aufrechterhalten worden zu sein. Dafür sprechen die Belege Ciceros in den Verrinen. Die Existenz des Koinon lässt sich unter dem Namen commune Siciliae erst wieder in der Spätantike belegen.158 Allerdings deutet eine Inschrift aus der frühen Kaiserzeit darauf hin, dass diese Institution ohne Unterbrechung auch in der Kaiserzeit existierte: Eine in Auximum im Picenum gefundene Ehreninschrift, die von den ceivitates Siciliae gestiftet wurde, ehrt darin C. Plautius Rufus, legatus pro praetore, weil er die Provinz beschützt habe.159 Wilson konnte überzeugend nachweisen, dass es sich bei der stiftenden Organisation nur um das commune Siciliae handeln kann und datiert die Inschrift in die letzten Jahre des Triumvirats bzw. die ersten Jahre der Alleinherrschaft des Augustus, 36–21 v. Chr.160 Deutlicher als bislang in der Forschung angenommen, lassen sich die hellenistischen Traditionen von Städtebund und Herrscherverehrung in Sizilien in ihrem Weiterbestehen in die römische Zeit hinein erahnen und müssen daher am Beginn der Geschichte von Koinon und Kaiserkult stehen.

155 Deininger geht von städtischen Spielen aus. Dagegen spricht sich Kunz in ihrer Untersuchung zu den hellenistischen Traditionen der Kaiserverehrung in der Provinz Sizilien für einen Provinzkult für M. Claudius Marcellus und seine gens aus. (Vgl. Kunz, ebd., S. 233 f.). 156 Cic. Verr. 2, 2, 154 157 Vgl. Larsen, J. A. O., Representative government in Greek and Roman history, Berkeley, Los Angeles 1966, S. 128 f. 158 Symm. epist. 1, 17. Brief des Quintus Aurelius Symmachus an den praefectus praetorio Galliens, Italiens und Afrikas Decimus Magnus Ausonius aus dem Jahr 378/379 n. Chr. 159 ILS 926 = CIL IX 5834 C(aio) Plautio C(ai) f(ilio) | Rufo leg(ato) pro [pr(aetore)] | ceivitates Sicilia[e] | provincia defen[sa]. 160 Wilson, R. J. A., Sicily under the Roman empire. The archaeology of a Roman province, 36 BC-AD 535, Warminster 1990, S. 34 mit Anm. 21 und 383 mit Anm. 96.

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II.3.2 Macedonia Livius’ Bericht über das römische Vorgehen nach der Schlacht von Pydna 168 v. Chr. und dem römischen Sieg über Perseus ist der vollständigste literarische Bericht zur Organisation eroberter Gebiete durch römische Magistrate, den wir haben. Natürlich muss man bei einer Bewertung im Auge behalten, dass die eigentliche Provinzeinrichtung erst 146 v. Chr. erfolgte, es sich im Jahr 167 v. Chr. also um eine Vorstufe der eigentlichen Unterstellung unter römische Administration handelte. Vor allem die bei Livius überlieferte Passage über die römische Neustrukturierung Makedoniens in politischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht hinterlässt stark den Eindruck, die Römer hätten hier eine ihren Herrschaftsprinzipien folgende Provinzordnung geschaffen. Doch dies wird heute in der Forschung stark hinterfragt. Die Regelungen, die Aemilius Paullus laut Livius 167 v. Chr. traf161, lassen sich wie folgt zusammenfassen162: Paullus entließ die Makedonen in die Freiheit, das Königtum wurde abgeschafft. Jede Stadt war autonom, sollte über ihr eigenes Territorium herrschen, ihre eigenen Gesetze anwenden und jährlich Beamte wählen. Die Makedonen mussten den Römern die Hälfte der Steuern entrichten, die sie den früheren Königen entrichtet hatten. Paullus teilte das makedonische Territorium in vier Bezirke (merides) ein, von denen jeder eine eigene Hauptstadt, ein eigenes Concilium und eigene Magistrate erhielt. Jede Stadt sollte auch ihre eigenen Einnahmen festlegen. Zwischen den Bezirken war es verboten, zu heiraten und ökonomischen Austausch jeder Art zu betreiben. Das gesamte makedonische Territorium wurde von einem übergeordneten Synhedrion verwaltet, das sich aus Abgeordneten aller vier Bezirke zusammensetzte. Paullus verkündete seine Reformen bei zwei verschiedenen Zusammenkünften den Makedonen. Diese Versammlungen nennt Livius concilium Macedonum. Bereits vor der eigentlichen Etablierung der Provinz schuf die römische Administration laut Livius also in einem von ihr beherrschten Territorium über der Poleis-Ebene angesiedelte Repräsentativorgane, die Concilia. Wie ist diese Nachricht zu bewerten?

161 Clifford Ando verweist in seiner Betrachtung der makedonischen Reformen von 167 v. Chr. zu Recht auch auf die literarische Rekursivität bei Livius. Offenbar formulierte der lateinische Autor seine Beschreibung stark entlang des latinischen Eroberungs- und Konsolidierungsprozesses, speziell des foedus Cassianum zwischen Rom und den Latinern aus dem Jahr 494 v. Chr. Rom hatte aus der Eroberung und Unterwerfung Italiens und seiner Stämme gelernt und setzte dies jetzt bei Einrichtung neuer Provinzen um. Ando spricht in diesem Zusammenhang von einem nicht zu unterschätzenden kollektiven Bewusstsein römischer Magistrate, wie die Regentschaft über andere Völker auszusehen hatte und mit welchen Methoden man diesen Zustand erreichen konnte. (Vgl. Ando, C., Imperial identities, in: Whitmarsh, T. (Hg.), Local knowledge and microidentities in the imperial Greek world, Cambridge 2010, S. 17–45, hier S. 32). 162 Liv. 45, 18 und 29–32. Für weitere Literatur vgl. Wesch-Klein, G., Provincia. Okkupation und Verwaltung der Provinzen des Imperium Romanum von der Inbesitznahme Siziliens bis auf Diokletian, Ein Abriss (Antike Kultur und Geschichte 10), Berlin 2008, S. 262 mit Anm. 132.

II.3 Rom und die Koina in republikanischer Zeit

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Die ältere Literatur hat es abgelehnt, in den Versammlungen der vier makedonischen Bezirke oder in den Versammlungen, die auf Befehl des Aemilius Paullus zusammentraten, Vorgängerorganisationen des kaiserzeitlichen makedonischen Koinon zu erblicken.163 Das paullinische Reformwerk wurde in der Regel als Versuch gewertet, ein gemeinsames Handeln der politischen Klasse Makedoniens zu unterbinden, Beziehungen zwischen den Regionen zu verhindern und so die römische Herrschaft zu stabilisieren. Diese Ansicht wurde bereits vor langer Zeit hinterfragt – und zwar mit Blick auf die Einrichtung eines gemeinsamen Synhedrion, das als Vorform einer Koinon-Struktur gedeutet wurde.164 Heute geht man aufgrund neuer Interpretationen der literarischen und epigraphischen Quellen sogar noch einen Schritt weiter und sieht Vorformen des kaiserzeitlichen Koinon in frühhellenistischer Zeit.165 Insbesondere Papazoglou und Hatzopoulos haben in ihren wegweisenden Studien nachweisen können, dass das hellenistische makedonische Koinon eine Institution mit eigener Organisationsstruktur und eigener Finanzhoheit war, was sich in Dedikationen für die makedonischen Herrscher oder in einer eigenen Münzprägung widerspiegelte.166 König und Koinon waren demnach die beiden zentralen Konstituenten des makedonischen Staates.167 Dieses hellenistische Koinon traf sich wahrscheinlich zweimal jährlich, fällte Urteile in Kapitalprozessen, spielte eine Rolle in der Frage der Königsnachfolge, diente als Beraterorgan bei Kriegserklärungen, entsandte Gesandtschaften168 und lässt sich als stiftende und ehrende Institution169 ebenso nachweisen wie bei der Verleihung der proxenia170 und der asylia.171 Wenn Aemilius Paullus das 167 v. Chr. einberufene Concilium aus Vertretern aller Städte anweist, Kopien sämtlicher öffentlicher Dokumente aus den Archiven beizubringen172, so können wir vielleicht spekulieren, dass das hellenistische makedonische Koinon als Verwaltungsinstanz fungierte. Der Text lässt zumindest vermuten, dass diese Anweisung den Sinn hatte, die vorrömischen, hellenistischen Herrschafts- und Verwaltungspraktiken zu studieren und sich daran zu orientieren. Es bleibt zu konstatieren, dass in frühester Zeit der römischen Annexion des makedonischen Territoriums das bereits existierende Element der Vertreterver163 Vehement dagegen argumentiert Deininger, Provinziallandtage, S. 10; vgl. zu weiterer Literatur ebd., S. 21 mit Anm. 4. 164 Vgl. Feyel, M., Paul Émile et le synédrion macédonien, BCH 70 (1946), S. 187–198. 165 Vgl. Hammond, N. G. L., Walbank, F. W., A history of Macedonia, Bd. III (336–167 B. C.), Oxford 1988, S. 475–477, 483 f.; Papazoglou, F., Les villes des Macédoine à l’époque romaine, Athen, Paris 1988, S. 44–51; Hatzopoulos, M. B., Macedonian institutions under the kings, Bd. 1: A historical and epigraphic study, Athen 1996, S. 219–322. 166 Vgl. Hatzopoulos, Macedonian institutions, S. 261 f. 167 Als Beweis für diese These dient eine unpublizierte, aber bei Hatzopoulos angeführte Inschrift aus Dion aus dem letzten Viertel des dritten Jahrhunderts v. Chr. (Hatzopoulos, M. B., Macedonian institutions under the kings, Bd. 2: Epigraphic appendix, Athen 1996, S. 51 f. Nr. 32). 168 Diod. 17, 113, 2. 169 Hatzopoulos, Macedonian institutions, Bd. 2: Epigraphic appendix, S. 52 f. Nr. 33–34. 170 Arr. an. 1, 9, 9. 171 Vgl. Hatzopoulos, Macedonian institutions, Bd. 1, S. 322. 172 Liv. 45, 29, 1.

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sammlung genutzt wurde, um die römischen Vorstellungen von Herrschaft an die Einheimischen heranzutragen. In diesem Sinn ist die Versammlung der Makedonen ein politischer Verhandlungspartner, wenn auch nicht auf Augenhöhe. Möglicherweise hatte auch bereits diese frühe Form des makedonischen Concilium eine religiöse Dimension in den Verhandlungen mit den Römern. Verschiedene Städte Makedoniens verehrten die Göttin Roma gemeinsam mit Zeus Eleutherios. Bereits Mellor hat den Zusammenhang zwischen der Wesensform des Zeus mit dem Befreiungsedikt des Aemilius Paullus gesehen und vorgeschlagen, die Kultgründungen für Roma und Zeus Eleutherios in die Periode unmittelbar nach Pydna zu datieren.173 Aufgrund der ähnlichen Ausrichtung der Kultgemeinschaft in nachweislich fünf makedonischen Städten kann man vermuten, dass die Einrichtung dieser Kulte auf eine gemeinschaftliche Initiative der Städte zurückging – möglicherweise organisiert in jenem seit frühhellenistischer Zeit bestehenden und von Paullus einberufenen Concilium. Mit Blick auf die späteren Entwicklungen eine Linie von den Ereignissen im Jahr 167 v. Chr. bis zum makedonischen Koinon der Kaiserzeit zu ziehen, das erst unter Claudius numismatisch belegt ist174, ist anhand der Quellen nicht möglich. Auf der Basis der neuen Erkenntnisse zur Kontinuität eines Koinon zwischen der frühhellenistischen und kaiserzeitlichen Epoche darf man annehmen, dass die Provinz Macedonia eine kontinuierlich existierende Koinon-Struktur vom Hellenismus bis in die Kaiserzeit besaß, die bereits früh unter Augustus auf den provinzialen Kaiserkult ausgerichtet wurde.175 II.3.3 Rom und das Koinon von Asia zwischen 133 und 29 v. Chr.176 Der frühe Kaiserkult entwickelte sich aus verschiedenen Facetten des Hellenismus177: dem hellenistischen Herrscherkult, der θεὰ ʻΡώμη-Verehrung, panhellenischen Festen und Kulten für römische Amtsträger und Feldherren. Diese Verehrun173 Vgl. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 108. 174 RPC I 1610–12; vgl. Liampi, Münzprägung, S. 892 f., Kat.Nr. 2. 175 Vgl. aktuell zur Geschichte des makedonischen Koinon Herz, P., Überlegungen zur Geschichte des makedonischen Koinon im dritten Jahrhundert, in: Rüpke, J. (Hg.), Festrituale in der römischen Kaiserzeit, Tübingen 2008 (Studien und Texte zu Antike und Christentum 48), S. 115– 132. Die Annahme Drägers, das Koinon sei erst mit der Einrichtung der Neokorie unter Domitian gegründet worden, ist dagegen weniger wahrscheinlich (vgl. Dräger, M., Die Städte der Provinz Asia in der Flavierzeit, Frankfurt/Main 1993, S. 221 f.). Die Forschung hat auch für andere hellenistische Reiche Vorformen der kaiserzeitlichen Koina herausarbeiten können. Vgl. u. a. Funke, S., Aiakidenmythos und epeirotisches Königtum. Der Weg einer hellenischen Monarchie, Stuttgart 2000. 176 Vgl. auch Campanile, M. D., L’assemblea provinciale d’Asia in età repubblicana, in: Urso, G. (Hg.), Tra Oriente e Occidente. Indigeni, Greci e Romani in Asia Minore, Atti del convegno internazionale Cividale del Friuli, 28–30 settembre 2006, Pisa 2007, S. 129–140. Zu dieser Thematik hat die Autorin bereits erste Untersuchungen veröffentlicht: vgl. Edelmann-Singer, Die Provinzen und der Kaiserkult. 177 Vgl. Mileta, Prorömische Kulte, S. 155–157.

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gen waren in der Mehrzahl in den Städten angesiedelt, nur in wenigen Fällen hatten sie überregionale Bedeutung oder gingen auf überregionale Initiativen zurück. Neu an der von Augustus gewählten Form des Herrscherkultes war, seine Verehrung auf der Ebene der Provinz zu institutionalisieren und sie der Aufsicht durch das Koinon zu unterstellen, das damit die Funktionen eines religiösen Kollegiums übernahm. Für die Tragweite dieser Entscheidung ist es notwendig, die Entwicklungslinien des Koinon von Asia von der Entstehung der Provinz an bis ins Jahr 29 v. Chr. nachzuzeichnen, da der Prozesscharakter der Entwicklung so am ehesten aus den Quellen rekonstruiert werden kann. Der Erkenntnisgewinn erstreckt sich dabei einerseits auf das Wissen um die Institution Koinon, aber auch auf die Bewertung des Kaiserkultes. Der von Augustus neu für seine Person installierte Herrscherkult kann in seiner politischen und religiösen Dimension erst verständlich werden, wenn die ihn ausführende Organisation in ihrer Charakteristik vor und nach 29 v. Chr. adäquat in die Bewertung einfließt. Die Forschung ging in der Regel von einer Entstehung des asianischen Koinon bzw. einer Vorform, die noch nicht die Bezeichnung Koinon trug, in den frühen 90er Jahres des ersten Jahrhunderts v. Chr. aus, da hier der Provinziallandtag zum ersten Mal als Veranstalter der Moukieia, jener Spiele, die für den Provinzstatthalter Q. Mucius Scaevola während oder kurz nach seiner Amtszeit178 eingerichtet wurden, in Erscheinung trat.179 Allerdings ließ eine ambivalente Aussage Strabons im 14. Buch seiner Geographika an dieser Chronologie zweifeln: „Manius Aquilius kam als Konsul mit zehn Legaten und richtete die Provinz in der noch heute bestehenden Verfassung ein.“180 Spricht Strabon hier nur von der Verfassung im Sinne der römischen Verwaltung? Oder könnte man hinter der Aussage auch die Einrichtung einer Instanz wie der Provinziallandtage vermuten? Dann müsste man die Einrichtung des Koinon als von römischer Seite gesteuerten Prozess interpretieren und das Koinon als bewusst geschaffene Mittlerinstanz zwischen römischer Provinzialverwaltung und griechischen Städten und Gemeinden.181 Als zweite Möglichkeit könnte in Betracht gezogen werden, dass die Römer bei Einrichtung der Provinz keine provinziale Vertre178 Die Amtszeit des Q. Mucius Scaevola als Statthalter von Asia ist umstritten. Zwei Daten werden in der Regel diskutiert: Man geht entweder von einem Aufenthalt in Asia nach der Prätur 98/97 v. Chr. aus (so schon Balsdon, J. P. V. D., Q. Mucius Scaevola the Pontifex and ornatio provinciae, CR 51 (1937), S. 8–10). Diese Argumente wurden aufgegriffen von Marshall, B. A., The date of Q. Mucius Scaevola’s governorship of Asia, Athenaeum 54 (1976), S. 117– 130 und jüngst wieder unterstrichen von Kallet-Marx, R. M., Asconius 14–15 Clark and the date of Q. Mucius Scaevola’s command in Asia, CPh 84 (1989), S. 305–312 sowie Daubner, F., Bellum Asiaticum. Der Krieg der Römer gegen Aristonikos von Pergamon und die Einrichtung der Provinz Asia (Quellen und Forschungen zur Antiken Welt 41), Diss., München 22006. Alternativ datiert man die Statthalterschaft in die Zeit nach dem Konsulat, also in das Jahr 94/93 v. Chr. (so Magie, Roman rule, S. 1064, und Badian, E., Q. Mucius Scaevola and the province of Asia, Athenaeum 34 (1956), S. 104–123). 179 Vgl. dazu unten S. 61 f. 180 Strab. 14, 1, 38, Μάνιος δ᾽ Ἀκύλλιος ἐπελθὼν ὕπατος μετὰ δέκα πρεσβευτῶν διέταξε τὴν ἐπαρχίαν εἰς τὸ νῦν ἔτι συμμένον τῆς πολιτείας σχῆμα. 181 So Ando, Imperial identities, S. 37: „First, I believe the league to be a Roman foundation […]“.

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terversammlung schaffen mussten, weil es sie bereits in attalidischer oder sogar schon seleukidischer Zeit gab. In welcher Form das kaiserzeitliche Koinon Asias bei der Einrichtung des Priesteramtes für den Kaiserkult auf seine hellenistischen Vorgänger zurückgriff, wurde bereits ausführlich deutlich gemacht.182 Es kann als sicher gelten, dass der Archiereus des Kaiserkultes seine Vorgängerfunktion in den Archiereis des seleukidischen und des attalidischen Königskultes hatte, zwischen denen es offensichtlich eine personelle Kontinuität gab.183 Die Existenz einer unter dem Dach des reichsweiten Königskultes subsumierte Vereinigung der Städte, die als Interessenvertretung fungierte, ist allerdings nicht belegt. Das asianische Koinon als römische Einrichtung zu betrachten, schien also unumgänglich. Ein inschriftlicher Beleg aus der Übergangsphase zwischen attalidischer Herrschaft und römischer Machtübernahme hat nach seiner Veröffentlichung im Jahr 2000 in dieser Frage neue Erkenntnisse gebracht.184 Die Inschrift ehrt einen Mann namens Menodoros aus Pergamon und zählt dabei seine offiziellen Funktionen und Ämter auf. So war Menodoros Mitglied des „Rates gemäß der römischen Gesetzgebung“ (κατὰ τὴν ‘Ρωμαικὴν νομοθεσίαν βουλευτήριον)185. Die Einrichtung dieses Rates muss zeitlich in das Jahr 132186 oder 129 v. Chr.187 fallen. Diese römische Gesetzgebung (‘Ρωμαικὴ νομοθεσία) darf dabei als lex provinciae, also als eine Art Grundgesetz der neu einzurichtenden Provinz verstanden werden, das die Basis der römischen Herrschaftsausübung bis in die Zeit des Augustus hinein darstellte.188 In diesem Sinne darf man wohl auch Strabons Satz verstehen.189 Dies ergibt insofern Sinn, als erst unter dem Konsul Manius Aquilius die militärischen und politischen Voraussetzungen für wirkungsvolle administrative Maßnahmen existierten.190 Be182 Vgl. oben Kap. II.2.3. 183 „Über ein Jahrhundert nach dem Tod des letzten attalidischen Herrschers wurde in der Provinz Asia unter dem ersten Princeps zur Bezeichnung des Priesters der Roma und des Augustus mit der prima vista befremdlichen Amtsbezeichnung archiereus auf eine Titulatur zurückgegriffen, die Hierarchie, Herrschaft und Weisungsbefugnis und damit Kompetenzen evoziert, die dem exklusiv dem Kult der herrschenden Macht und ihres ersten Repräsentanten gewidmeten Priesteramt gerade nicht eigneten.“ (Müller, Der hellenistische Archiereus, S. 541). 184 Wörrle, M., Pergamon um 133 v. Chr., Chiron 30 (2000), S. 543–576; vgl. auch Daubner, Bellum Asiaticum, S. 96–101; Dreyer, B., Rom und die griechischen Polisstaaten an der westkleinasiatischen Küste in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. Hegemoniale Herrschaft und lokale Eliten im Zeitalter der Gracchen, in: Coşkun, A. (Hg.), Roms auswärtige Freunde in der späten Republik und im frühen Prinzipat (Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 19), Göttingen 2005, S. 55–74. 185 Wörrle, Pergamon, S. 544, Z. 13 f. 186 So Wörrle, Pergamon, S. 568 und Daubner, Bellum Asiaticum, S. 98. 187 So Dreyer, Rom und die griechischen Polisstaaten, S. 69. 188 Zur Interpretation der ‘Ρωμαικὴ νομοθεσία als lex provinciae vgl. Wörrle, Stadt und Fest, S. 96. 189 Offensichtlich handelte es sich bei den Gesprächen mit der fünfköpfigen Senatsgesandtschaft unter Führung des P. Cornelius Scipio Nasica Serapio um erste Sondierungen, die aufgrund des Aristonikos-Aufstandes noch nicht in umfassenden Maßnahmen münden konnten. 190 Daubner vermutet die Einrichtung der Städteversammlung bereits unter Nasica 132 v. Chr., da die Kommission ohne Heer nach Asia reiste und somit ganz besonders auf die Kooperation der ehemals attalidischen Städte angewiesen war. (Vgl. Daubner, Bellum Asiaticum, S. 98).

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reits in frühester Zeit wurden also die Städte, Gemeinden und wohl auch Stämme der Provinz Asia von den Römern versammelt und agierten als Korporation in Verhandlungen mit den Römern. Die Menodoros-Inschrift ist das früheste Dokument für die Existenz dieser Institution, die später als Koinon von Asia auftritt. Dass wir uns hierbei nicht im Bereich der Spekulation bewegen, belegt der Parallelschluss aus der Überlieferung für die Provinz Macedonia, der bereits ausführlich dargestellt wurde. Im Jahr 167 v. Chr. geriet das bereits seit 30 Jahren von Rom abhängige Königreich unter die indirekte Herrschaft Roms, auch wenn die eigentliche Provinzeinrichtung erst 20 Jahre später folgte. Livius beschreibt die Neuordnung Makedoniens durch Aemilius Paullus mit folgenden Worten: ipse, ubi dies uenit, quo adesse Amphipoli denos principes ciuitatium iusserat litterasque omnis, quae ubique depositae essent, et pecuniam regiam conferri, cum decem legatis circumfusa omni multitudine Macedonum in tribunali consedit. adsuetis regio imperio tamen noui in formam terribilem praebuit tribunal, summoto aditus, praeco, accensus, insueta omnia oculis auribusque, quae uel socios, nedum hostis uictos terrere possent. […] omnium primum liberos esse iubere Macedonas, habentis urbes easdem agrosque, utentes legibus suis, annuos creantis magistratus; tributum dimidium eius, quod pependissent regibus, pendere populo Romano. „Als der Tag gekommen war, an dem sich nach seinem Befehl je zehn führende Männer aus den Gemeinden in Amphipolis einfinden und alle Dokumente – gleich, an welchem Platz sie aufbewahrt wurden – sowie das Geld des Königs herangeschafft werden sollte, nahm er mit den zehn Abgesandten auf der Gerichtstribüne Platz, und die ganze Masse der Makedonen lagerte sich ringsum. Obwohl sie die Herrschaft eines Königs gewohnt waren, zeigte die neue Herrschaft doch ein schreckliches Gesicht: die Gerichtstribüne, der Auftritt, nachdem Platz geschafft worden war, der Herold, das Hinaufschreiten, all dies, das ihren Augen und Ohren ungewohnt war und sogar Bundesgenossen, wieviel mehr aber besiegte Feinde in Schrecken versetzen konnte. […] Zuallererst sei beschlossen, die Makedonen sollten frei sein; sie sollten dieselben Städte und Gebiete behalten, ihre eigenen Gesetze haben und jedes Jahr ihre Beamten wählen; die Hälfte der Abgaben, die sie ihren Königen geleistet hätten, sollten sie dem römischen Volk leisten.“191

Zieht man sowohl diesen Bericht über Makedonien als auch die Menodoros-Inschrift in Betracht, dürfen wir wohl davon ausgehen, dass es sich bei der Verhandlung mit Vertretern der Städte, Gemeinden und Stämme um das übliche Prozedere bei Einrichtung einer Provinz handelte.192 Wie bereits dargelegt, konnten die Römer im Falle Macedonias wohl auf eine hellenistische Vorgängerstruktur, ein Koinon mit eigener Organisationsstruktur und Finanzhoheit zurückgreifen. Livius erläutert im weiteren Verlauf seiner Schilderung, wie der Vertreterversammlung (Concilium193) von römischer Seite die Pläne zur Verwaltung der Provinz eröffnet werden und sie angewiesen wird, Ratsmänner zu bestimmen, die als Regierung fungieren sollen.194 Das Concilium der Makedonen war also der Verhandlungspartner der Römer. 191 Liv. 45, 29, 1–5; deutsche Übersetzung nach T. Livius, Römische Geschichte, Buch XLV, lateinisch und deutsch herausgegeben von Hiller, H.-J., München u. a. 2000, S. 73. 192 Liv. per. 45, 6: Macedonia in provinciae formam redacta […]. 193 Liv. 45, 32, 2. 194 Liv. 45, 32, 1–3: his rerum externarum cognitionibus interpositis Macedonum rursus aduocatum Concilium; pronuntiatum, quod ad statum Macedoniae pertinebat, senatores, quos synhedros uocant, legendos esse, quorum consilio res publica administraretur. […].

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Erst in den 90er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. tritt diese frühe Form des Koinon von Asia dann erneut als Veranstalter von Spielen zu Ehren des Provinzstatthalter Q. Mucius Scaevola in Erscheinung. Zwei Briefe des Scaevola an Ephesos und Sardes erwähnen Wettkämpfe, die zu seinen Ehren eingerichtet wurden: [τῶν ἐν τῆ]ι φιλίαι κριθέ[ντων] δήμων τε καὶ ἐ[θνῶν ψηφισαμέ]νων τιθέναι θυμ[ε]λικοὺς κ[α]ὶ [γυμνικοὺς ἀγῶ]να〈ς〉 πενταετηρι[κοὺς – ­].195 Die Organisation, die diese Spiele einrichtete, wird in einer terminologisch nicht konkret definierten Weise als „die in die φιλία [= formula amicorum196] aufgenommenen Gemeinwesen und Stämme“ bezeichnet. Weitere drei Inschriftenfragmente erwähnen die Spiele und die Institution, die sie einrichtete. Es handelt sich dabei um eine Inschrift an einer Statuenbasis des Scaevola in Olympia, wo er wiederum von den Städten und Stämmen Asiens, die in die römische φιλία aufgenommen worden sind, geehrt wird: οἱ ἐν τῇ Ἀσίαι δῆμοι καὶ τὰ ἔθνη καὶ οἱ κατ’ ἄνδρα κεκριμένοι ἐν τῇ πρὸς Ῥωμαίους φιλίαι.197 Dieselbe Organisation ehrt auch einen Mann namens Herostratos, Sohn des Dorkalion, auf einer Inschrift aus Poemanenum198 und in Pergamon einen gewissen Agenor, Sohn des Demetrios199. Die mehrmalige Verwendung dieser Benennung deutet durchaus auf eine feststehende Bezeichnung dieser Organisation hin. Sie impliziert auch, dass es einen Akt der Aufnahme in die φιλία als offiziellen Rechtsakt mit entsprechenden vertraglichen Bindungen gegeben hat. In einer weiteren Inschrift aus Tralleis ehren die Städte Asiens (οἱ ἐν τῇ Ἀσίαι δῆμοι) eine Priesterin der Artemis.200 Bereits früh ist vermutet worden, dass es sich bei dieser Bezeichnung um eine Vorform jener Organisation handelt, die uns nur ca. 20 Jahre später als Koinon entgegentritt.201 Diese erste explizite Erwähnung des Koinon der Griechen Asiens (κοινὸν τῶν ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων (Z. 24)), bzw. Koinon der Griechen (κοινὸν τῶν Ἑλλήνων (Z. 4, 21, 22)) findet sich in einem Beschluss eben dieser Institution des Koinon, zwei Bürger der Stadt Aphrodisias für ihre Verdienste um die Interessen der Grie-

195 OGIS 437 = IGR IV 297; Sherk, Roman documents Nr. 47. Diese Angaben werden durch Ciceros zweite Rede gegen Verres bestätigt, in der er im Zusammenhang mit den Spielen für Verres in Sizilien auf die Mucia zu sprechen kommt. (Cic. Verr. 2, 2, 51: Mithridates in Asia, cum eam provinciam totam occupasset, Mucia non sustulit.). 196 Vgl. Bowman, D. A., The Formula Sociorum in the second and first centuries B. C., CJ 85, 4 (1990), S. 330–336. 197 OGIS 439 = IvOlympia 327. Weitgehende Ergänzung des Textes nach der Ehreninschrift für Herostratos in OGIS 438 mit. Anm. 9. 198 OGIS 438 = IGR IV 188. Campanile vermutet, dass in dieser Zeit vor dem ersten Mithridatischen Krieg die Bezeichnung jener Organisation, die später als Koinon erscheint, συνέδριον war, da die Ehreninschrift für Herostratos von τοῖς κοινοῖς τοῦ συνεδρίου πράγμασιν (Z. 11 f.) spricht. Campanile sieht darin eine Vorstufe des späteren Koinon. (Vgl. Campanile, L’assemblea provinciale, S. 130). 199 IGR IV 291; OGIS 438 Anm. 1. 200 Hauvette-Besnault, A., Dubois, M., Inscriptions de Tralles, BCH 5 (1881), S. 340–348, hier S. 348, Nr. 12. 201 Vgl. Brandis, C. G., Ein Schreiben des Triumvirn Marcus Antonius an den Landtag Asiens, in: Hermes 32 (1897), S. 509–522, hier S. 512–516.

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chen Asiens zu ehren. Die Ehrung stammt wohl aus dem Jahr 71 v. Chr.202 Die Geehrten sollen Bronzestatuen mit Inschriften folgenden Wortlauts erhalten: „Die Städte Asiens und die Stämme (οἱ ἐν τῇ Ἀσίαι δῆμοι καὶ τὰ ἔθνη) haben Dionysios und Hierokles […] geehrt für ihre Verdienste wegen ihrer großen Tugenden“.203 Im eigentlichen Text des Dekretes spricht die Institution also von sich selbst als Koinon der Hellenen (Asiens), während in der Inschrift für die Geehrten als ehrende Institution die „Städte204 und Stämme“ Asiens auftreten. Für die unterschiedliche Benennung des Provinziallandtags gibt es zwei mögliche Erklärungen. Entweder besaß das Gremium in dieser frühen Zeit keinen eindeutigen Namen, weil es nicht als administrative oder juristische Größe definiert war, oder die Bezeichnung Koinon existierte als offizielle Selbstbezeichnung205 sehr wohl, wie die Ehreninschrift aus 71 v. Chr. zeigt. Letzteres scheint wahrscheinlicher. Wenn man aber nach außen in Erscheinung trat, betonte man, die Stimme aller Städte und Stämme Asiens zu sein.206 Die Nennung der einzelnen Gruppen, die den Landtag bildeten, muss hier sicher als Betonung dieser einzelnen Bestandteile gesehen werden. Dafür spricht auch die Ehreninschrift des Provinziallandtags für Caesar aus dem Jahr 48 v. Chr.207 Allerdings wird die Nennung der das Koinon konstituierenden Gruppen (Städte und Stämme) in diesem Fall um die griechischen Städte erweitert: αἱ πόλεις αἱ ἐν τῆι Ἀσίαι καὶ οἱ [δῆμοι] καὶ τὰ ἔθνη.208 Die explizite Nennung der griechischen Städte lässt sich möglicherweise durch die politische Situation 48 v. Chr. begründen. Caesar erreichte im Spätsommer dieses Jahres nach seinem entscheidenden Sieg im Bürgerkrieg über Pompeius bei Pharsalos die Stadt Ephesos und wurde von den Vertretern der Städte ängstlich erwartet, hatten die meisten Städte Asiens sich doch 202 Vgl. Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure, S. 435–471. Drew-Bear datiert diese erste Erwähnung des Koinon überzeugend in die sullanisch-lucullische Reformphase. 203 Ebd., S. 444, Z. 28 f. 204 Vgl. Mileta, Prorömische Kulte, S. 151. Mileta interpretiert hier den Begriff δῆμοι als Bezeichnung für die indigenen Städte. Dies wirft allerdings die Frage auf, ob die πόλεις in jenen epigraphischen Zeugnissen, in denen sie nicht explizit genannt werden, auch nicht unter dieser Bezeichnung subsummiert wurden. Gehörten folglich die griechischen Poleis, die erst im Ehrendekret für Caesar 48 v. Chr. neben den δῆμοι καὶ τὰ ἔθνη genannt werden (vorausgesetzt die Ergänzung der δῆμοι ist korrekt), nicht von Beginn an zum Koinon? Die Frage lässt sich derzeit nicht beantworten. 205 Vgl. Ferrary, J.­L., Rome et la géographie de l’hellénisme: réflexions sur „ hellènes“ et „panhellènes“ dans les inscriptions d’époque romaine, in: Salomies, O. (Hg.), The Greek east in the Roman context. Proceedings of a colloquium organised by the Finnish Institute at Athens, May 21 and 22, 1999, Helsinki 2001, S. 19–35, hier S. 23. Ferrary erwägt hier die Möglichkeit, die erst seit 71 v. Chr. zu findende Bezeichnung „Hellenen“ deute auf eine Neustrukturierung des Provinziallandtags unter Sulla hin. Erst mit der Reform der Provinz nach dem Mithridatischen Krieg – so Ferrary – wurden die vorher unabhängigen griechischen Städte abhängig und in die Koinon-Struktur eingegliedert. 206 Vgl. dazu auch Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure, S. 464–466. 207 Syll. 3760; IvEphesos II 251. 208 Vgl. Magie, Roman rule, Bd. 1, S. 450. Magie geht offensichtlich aufgrund der divergierenden Bezeichnung davon aus, dass es sich hier um eine andere Organisation handelt als jene, die für Mucius Scaevola Spiele einrichtete: „The dedicators appear to have constituted an organization similar to that of the ‚people and tribes in Asia‘, which in the early part of the century honoured the governor Mucius Scaevola and other worthies.“

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notgedrungen auf die Seite des Pompeius geschlagen. Caesar aber ließ seine berühmte Milde walten und verzichtete nicht nur auf eine Bestrafung der Städte, sondern verteilte sogar alte Privilegien wie politische Freiheit und Steuerimmunität. Die Nennung der Poleis scheint diese wiedergewonnene Freiheit der griechischen Städte nochmals zu betonen. Es ist daneben aber auch denkbar, dass die griechischen Städte erst zu einem Zeitpunkt zwischen 71 und 48 v. Chr. Mitglieder des Koinon wurden.209 Für die Annahme, dass die institutionelle Selbstbezeichnung bereits früh Koinon war, spricht ebenfalls die Tatsache, dass zwei aus republikanischer Zeit überlieferte offizielle Schreiben an den Provinziallandtag diesen Terminus gebrauchen. Es handelt sich dabei einmal um eine inhaltlich nicht näher erschließbare Anordnung des Propraetors von Asia Q. Minucius Thermus aus dem Jahr 50/51 v. Chr.210 Er richtet sein Schreiben an das Koinon der Griechen (τὸ κοινὸν τῶν Ἑλλήνων) sowie weitere neun Städte der Provinz. Die Städte – ganz offensichtlich die conventusZentren211 – und das Koinon sollen dabei als Multiplikatoren für das Schreiben dienen und gleichzeitig seine Aufbewahrung in den Archiven garantieren. Das zweite Schreiben eines römischen Offiziellen der Republik an das Koinon ist das Reskript des Triumvirn Marcus Antonius an das Koinon der Griechen von Asia (τῷ κοινῷ τῶν ἀπὸ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων) aus dem Jahr 41 v. Chr.212 Dieses Schreiben befasst sich mit Privilegien, die der asianischen Künstlervereinigung in Ephesos gewährt wurden, und weist damit bereits früh darauf hin, dass dem Koinon ein agonistischer Aufgabenbereich zugeordnet war. Spiele und Feste der Provinz standen also von seiner frühesten Phase an unter der Kontrolle des Koinon, das bereits vor der Einrichtung des Kaiserkultes die Aufsicht führende Instanz über die Agone und Künstlervereinigungen der Provinz war213, wie es die Moukieia bereits in den 90er Jahren des ersten vorchristlichen Jahrhunderts andeuten.

209 Vgl. dazu die interessante Idee einer sullanischen Umstrukturierung bei Ferrary (Rome et la géographie de l’hellénisme, S. 23). Eine Interpretationshilfe kann hier auch das sog. Zollgesetz der Provinz Asia liefern. Jene Inschrift ist neben der Ehreninschrift für Caesar der einzige Beleg für die Dreigliederung in ἔθνη, πόλεις und δῆμοι. Offensichtlich geht diese Gliederung auf die administrative Einteilung des attalidischen Reiches zurück, die die Römer bei Einrichtung der Provinz übernommen haben: „Es ist merkwürdig, daß diese drei Elemente bereits in jenem Gesetz genannt waren, mit welchem Rom das attalidische Erbe eingliederte. Sie dienten in diesem Gesetz dazu, das Erbe in seinen einzelnen Teilen genau zu beschreiben. Man darf daraus wohl schließen, daß die Gliederung ἔθνη, πόλεις und δῆμοι in der Verwaltungsstruktur des pergamenischen Reiches bereits vorgegeben war.“ (Engelmann, H., Knibbe, D., Das Zollgesetz der Provinz Asia. Eine neue Inschrift aus Ephesos, EA 14 (1989), S. 1–206, hier S. 73 f.). 210 Vgl. Sherk, Roman documents Nr. 52. Deiningers Annahme, es handele sich hier um die erste Erwähnung des asianischen Koinon, kann nach dem Erscheinen des Ehrenbeschlusses für die beiden Bürger von Aphrodisias aus 71 v. Chr. (Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure, S. 435–471) nicht aufrecht erhalten werden. 211 Vgl. Habicht, C., New evidence on the province of Asia, JRS 65 (1975), S. 63–91; Mileta, C., Zur Vorgeschichte und Entstehung der Diözesen von Asia, Klio 72 (1990), S. 427–444. 212 Sherk, Roman documents, S. 290–293, Nr. 57, der überzeugend für die Datierung in die frühe Phase des Triumvirats plädiert. 213 Vgl. Petzl, Schwertheim, Hadrian und die dionysischen Künstler, S. 50 f. mit Anm. 126.

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Die Benennung des Provinziallandtags hing maßgeblich davon ab, in welchem Kontext sie stand. Die Frage, ab wann der Provinziallandtag der Provinz Asia existierte, lässt sich folglich nicht am Erscheinen des Begriffes Koinon festmachen.214 Mit der Einrichtung der Moukieia für Scaevola beweist die Organisation der Provinzialen bereits am Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr., dass sie die Kompetenzen für die Provinzspiele besaß. Gleichzeitig entsandten die „Städte und Stämme“ Asias gemeinsam Abgesandte nach Rom und ehrten die Vertreter Roms kultisch mit Spielen und Statuen. Der Landtag fungierte ferner als Ansprechpartner und Verteilungsorgan für Anordnungen römischer Autoritäten. Letzte Zweifel an der Tatsache, dass es verschiedene Bezeichnungen für den Provinziallandtag gegeben hat, beseitigt das Ehrendekret für Dionysios und Hierokles aus Aphrodisias, in dem der Landtag selbst zwei unterschiedliche Bezeichnungen verwendete. Weiteren Aufschluss über die frühen Strukturen des Koinon bietet die literarische Überlieferung. Neben Scaevola hatte die Provinz mindestens zwei weiteren römischen Amtsträgern Spiele eingerichtet: Aus der Verteidigungsrede Ciceros für den jüngeren L. Valerius Flaccus geht hervor, dass seinem Vater in seiner Eigenschaft als Proprätor der Provinz Asia in den 90er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. dies festi atque ludi215 gestiftet wurden.216 Die Gelder, die für die Finanzierung dieser Spiele hinterlegt wurden, brachte der jüngere Flaccus 63 v. Chr. als Proprätor der Provinz widerrechtlich an sich. Cicero versuchte, den Raub des Geldes juristisch zu bemänteln, indem er einen Erbanspruch konstruierte, der sich angeblich aus dem Privatrecht herleitete. Tatsächlich handelte es sich bei den in Tralleis hinterlegten Geldern aber wohl um eine Stiftung, wie wir sie aus dem privaten Stifterrecht217 kennen. Die Städte Asiens übergaben der Stadt Tralleis bestimmte Summen, die von Tralleis verwaltet und als Kapitaleinlagen (Geld oder Land) angelegt wurden. Aus den Zinsen finanzierte man die Spiele. Solche Stiftungen zur Finanzierung von Festspielen der Herrscher sind bereits aus hellenistischer Zeit bekannt.218 Aus diesem recht simplen Finanzierungsmodell zu schlussfolgern, dass es an Personal und organisatorischer Kontinuität im Koinon fehlte, wäre allerdings falsch. Vielmehr stellt man bei Betrachtung der finanziellen Regelungen in der Kaiserzeit ganz ähnliche Prinzipien und Modelle fest, man muss also davon ausgehen, 214 Zu dieser Diskussion vgl. u. a. Brandis, Ein Schreiben des Triumvirn Marcus Antonius an den Landtag Asiens, S. 513 f.; Magie, Roman rule, Bd. 1, S. 447 f.; Sherk, Roman documents, S. 292; Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure, S. 464–466. 215 Cic. Flacc. 55. 216 Vgl. Erkelenz, Finanzierung, S. 43–57. 217 Um eine solche Stiftung handelte es sich beispielsweise bei den Demostheneia in Oinoanda. (Vgl. Wörrle, M., Stadt und Fest im kaiserzeitlichen Kleinasien. Studien zu einer agonistischen Inschrift aus Oinoanda, München 1988). 218 IvDidyma 488; vgl. auch Erkelenz, Finanzierung, S. 50 f. mit Anm. 37. Erkelenz hat überzeugend dargelegt, dass diese Art der Finanzierung der Spiele aus den Angaben bei Cicero rekonstruiert werden kann. Er zieht daraus den Schluss, dass dieses wenig aufwendige Finanzierungsmodell auch zum Charakter des Koinon in dieser Zeit (90er Jahre des ersten Jahrhunderts v. Chr.) als einer Organisation, bei der „feste Strukturen und zentrale Institutionen noch weitgehend fehlten“ (S. 53), passen würde. Hier ist allerdings die Annahme zugrunde gelegt, das Koinon sei noch im Entstehen begriffen gewesen.

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dass auch das kaiserzeitliche Koinon, das vermutlich auf einen zahlenmäßig größeren Mitarbeiterstab zurückgreifen konnte219, an diesem Modell festhielt. Der Rückschluss, dieses einfache Finanzierungsmodell verweise auf eine fehlende organisatorische Basis, ist also nicht zulässig. Die Cicero-Rede pro Flacco bietet einen weiteren interessanten, juristischen Aspekt. Man muss sich fragen, wer hinter der Anklage stand, die von einem römischen Advokaten vertreten wurde. Cicero spricht zunächst (27–33) von Anklagepunkten, die von communi totius Asiae vorgetragen werden und bemerkt zu den in Tralleis hinterlegten Summen, sie seien pecunia a tota Asia; dann werden aber auch Anklagepunkte einzelner Gemeinden (singulas civitates) angeführt, u. a. von Tralleis, die sich über den Raub der Gelder für den Kult des älteren Flaccus beschwerten. Vermutlich trat also bereits im Jahr 59 v. Chr. die Provinz Asia als Ankläger auf. Eine Parallele zur Anklage gegen Verres scheint kaum von der Hand zu weisen zu sein.220 Möglicherweise beauftragte der Landtag der Provinz Asia auch bereits in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr. Juristen, um die Angelegenheiten der Provinzialen zu vertreten.221 Neben den Spielen für Flaccus wissen wir aus Plutarchs Lucullus-Vita von Spielen für den Statthalter L. Licinius Lucullus, die im Jahr 71 v. Chr. gegründet wurden. Diese Luculleia222 richteten ihm die Städte der Provinz aus Dankbarkeit ein. Was lässt sich aus den epigraphischen und literarischen Quellen an Informationen über die institutionalisierten Gremien und Funktionsträger des frühen Koinon von Asia rekonstruieren? Die Begriffe κοινὸν συμφέρον und τὰ κοινὰ τοῦ συν­ εδρίου πράγματα223 lassen darauf schließen, dass es bereits am Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr. einen institutionellen Rahmen gab und ein klar umrissenes Tätigkeitsfeld, das über die Veranstaltung der Moukieia hinausging.224 Seit der Publikation der Ehreninschrift aus Aphrodisias im Jahr 1972 durch Drew-Bear ist gesichert, dass das Koinon mehrere Vorsitzende (πρόεδροι) und einen Sekretär (γραματεύς (sic!)) hatte, die offensichtlich nicht nur präsidierten, sondern auch ein gewisses Vorschlagsrecht bzw. Vorberatungsrecht besaßen. Etwa um das Jahr 50 v. Chr. können wir aus einem Bericht Strabons zum ersten Mal einen Asiarchen225 nament219 Vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel IV.2.1.1. Allerdings muss auch für die Kaiserzeit konstatiert werden, dass sichere Aussagen zur Personalstärke der Koinon-Verwaltung nicht getätigt werden können. 220 Die Frage, ob das commune Siciliae als klagende Institution auftrat, ist umstritten. Vgl. oben Anm. 135. 221 So zumindest könnte man Strabons Beschreibung des Rhetors Diodorus Zonas deuten, der die Provinz offensichtlich in Rechtsstreitigkeiten vertrat: ἀνὴρ πολλοὺς ἀγῶνας ἠγωνισμένος ὑπὲρ τῆς Ἀσίας (Strab. 13, 4, 9). 222 Plut. Lucullus 23, 1. 223 OGIS 438. 224 Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 15, der dies noch sehr vorsichtig als Möglichkeit formuliert. 225 Die Diskussion um die Ämter von Asiarchen und Archiereis kann an dieser Stelle nicht in der notwendigen Ausführlichkeit geführt werden. Vgl. Kap. III. mit einer umfassenden Darstellung der Forschungskontroverse und neuen Lösungsansätzen. Für einen Überblick vgl. u. a. Magie, Roman rule, Bd. 1, S. 449–452, Bd. 2, S. 1298–1301; Herz, Asiarchen und Archiereiai; Friesen,

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lich fassen. Es handelte sich um einen Mann namens Pythodoros aus Tralleis, einen engen Freund des Pompeius, dessen Familie sich in den Mithridatischen Kriegen als besonders romtreu erwiesen hatte und dessen Vater bereits im Stab des Statthalters C. Cassius (89/88 v. Chr.) zu finden war.226 Etwa in dieser Zeit amtierte auch Euthydemos aus Mylasa als Asiarch.227 Spätestens im Jahr 71/70 v. Chr. ist also eine Organisation fassbar, die sowohl in ihrem inneren Aufbau als auch in ihren Aufgaben, Rechten und in Fragen der Finanzierung keineswegs eine „Vorstufe“ oder ein „informeller“, „überregionaler Kultverband“228 war, sondern eine fest etablierte Institution mit einer administrativen Struktur, regelmäßigen Versammlungen, einer finanziellen Ausstattung, einer agonistischen Infrastruktur und klar umrissenen Kompetenzen und Aufgaben im hierarchischen Gefüge der römischen Provinz Asia.229 Der terminus technicus der Versammlung bei der administrativen Selbstbezeichnung wie in der bürokratischen Kommunikation mit den römischen Offiziellen wird bereits von Beginn an Koinon gewesen sein, allerdings trat man nach außen als jenes Gremium auf, das die Städte, Stämme und Völker Asiens repräsentierte.230 Dies wirft die Frage nach einer provinzialen Identität auf. In jedem Fall wird anhand der unterschiedlichen Bezeichnungen klar, dass der Begriff Koinon offensichtlich nicht in ausreichendem Maß die Selbstsicht des Provinziallandtags und seiner Mitglieder widerspiegelte. Die Betonung der einzelnen konstituierenden Parteien könnte auch in die Richtung gedeutet werden, dass sich im ersten Jahrhundert v. Chr. nicht nur Vertreter der Städte, sondern auch der ländlichen Regionen und stammesmäßig organisierten Verbände oder sogar der innerhalb der Provinz Asia weiterhin bestehenden Bünde versammelten. Die zunehmende Betonung des griechischen Elements in der Selbstbezeichnung (Hellenen) mag zudem als Zeichen dafür gesehen werden, dass „der Landtag im Laufe seiner Entwicklung immer mehr von den finanzkräftigen Griechenstädten der Provinz dominiert wurde“231. Was lässt sich über den Entwicklungsprozess des Koinon in den Jahren zwischen 133 und 29 v. Chr. sagen? Diese Vertreterversammlung, die uns bei Einrich-

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S. J., Asiarchs, ZPE 126 (1999), S. 275–290; Engelmann, H., Asiarchs, ZPE 132 (2000), S. 173–175; Weiß, P., Asiarchen; Campanile, M. D., Asiarchi e Archiereis d’Asia: titolatura, condizione giuridica e posizione sociale dei supremi dignitari del culto imperial, in: Labarre, G. (Hg.), Les cultes locaux dans les mondes grec et romain. Actes du colloque de Lyon 7–8 Juin 2001, Paris 2004, S. 69–78 mit Anm. 21. Strab. 14, 1, 42; vgl. dazu auch Campanile, I sacerdoti, S. 33 f. Nr. 7. Strab. 14, 2, 24; vgl. Campanile, M. D., Sommi sacerdoti, asiarchi e culto imperiale: un aggiornamento, S. 525 f., Nr. 200, Studi ellenistici 19 (2006), S. 523–584. Mileta, Offene Arme, S. 109 f. Vgl. auch Deininger, Provinziallandtage, S. 16 f. Anders Ferrary, Rome et la géographie de l’hellénisme, S. 26–28, der an der unterschiedlichen Bezeichnung in der vor- und nachsullanischen Zeit eine Veränderung in der Zusammensetzung wie in der Funktionsweise des Koinon festmachen will. Möglicherweise wurden die freien Griechenstädte erst nach der Ära des Mithridatischen Krieges in das Koinon integriert. Diese von Ferrary geäußerte Vermutung hat durchaus einige Plausibilität, beruht aber nach Meinung der Autorin zum momentanen Zeitpunkt zu stark auf Spekulation. Hier dürften weitere Quellenfunde mehr Licht ins Dunkel bringen. Mileta, Offene Arme, S. 110.

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tung der Provinz Asia in einer eindeutig politischen Funktion entgegentritt, findet sich in Inschriften und literarischen Belegen des ersten Jahrhunderts v. Chr. und vor allem der Kaiserzeit überwiegend als Instanz, die mit religiösen Aufgaben betraut ist und ihre oft politisch motivierten Zielsetzungen durch die Übernahme einer sakralen Rolle im Kult für römische Magistrate der Republik oder die Kaiser erreicht. Daneben hat sich möglicherweise auch die Zusammensetzung des Gremiums geändert, wie die Unterschiede in der Namensgebung zeigen.232 Dies bedarf einer Erklärung. Die Umgestaltungen, die wir zumindest in Ansätzen zwischen der Städtevertretung in der Frühzeit der Provinz und dem Provinziallandtag in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr. festmachen können, haben ihre Ursprünge möglicherweise in jenen Ereignissen der 80er Jahre des ersten Jahrhunderts v. Chr., die wegen ihrer massiven Auswirkungen auf die Struktur der Provinz Asia auch für den Provinziallandtag nicht ohne Folgen geblieben sein dürften: den Mithridatischen Kriegen und der Neuordnung Asias durch Sulla.233 Der Einfall des pontischen Herrschers in das Gebiet der Provinz Asia, die Unterstützung zahlreicher griechischer Städte, vor allem aber das Massaker an angeblich 80 000 Italikern führten letztlich dazu, dass die römische Besatzungsmacht sich gezwungen sah, ihre Machtausübung auf eine neue, veränderte Basis zu stellen. Sowohl die massiven Strafzahlungen, unter denen die Provinz Jahrzehnte leiden sollte, als auch der Entzug der Autonomie zahlreicher zuvor freier Städte läuteten für die Versammlung der Provinzialen eine neue Ära ein. Dass der Provinziallandtag bei der Umsetzung der sullanischen Maßnahmen eingebunden wurde, können wir bereits aus dem Bericht des Appian entnehmen, der die Rede Sullas an die Gesandten der Städte nach dem Mithridatischen Krieg mit folgenden Worten einleitet: „Zu all dem machte auch noch eine Bekanntmachung die Runde, wonach die führenden Bürger jeder Stadt an einem bestimmten Tag in Ephesos vor Sulla erscheinen sollten.“234 Als sie versammelt waren, richtete er eine äußerst aufgebrachte, ja wütende Ansprache an sie, die vor allem im Bezug auf die finanziellen Regelungen und die städtischen Freiheitsregelungen neue, härtere Maßstäbe für Asia beinhaltete.235 Zur Organisation der Tributzahlungen sagte Sulla – nach Appian – wörtlich: „Ich werde diese Lasten jedem einzelnen von euch und zwar nach Städten zuteilen und den Zahlungstermin bestimmen.“236 Aus diesen Worten ist immer wieder jene Unterteilung der Provinz in Finanzbezirke abgeleitet worden, die später Cassiodor überliefert, wenn er von 44 Bezirken spricht237, bei denen es sich wohl um recht große Gebiete handelte, von denen jedes um eine wichtige Stadt gruppiert war, die den nötigen Rahmen für 232 Vgl. Ferrary, Rome et la géographie de l’hellénisme, S. 27 f. 233 Vgl. Santangelo, F., Sulla, the elites and the empire. A study of Roman policies in Italy and the Greek east (Impact of Empire 8), Leiden 2007. 234 App. Mithr. 61, 252; deutsche Übersetzung nach Appian von Alexandria, Römische Geschichte. Erster Teil: Römische Reichsbildung, übersetzt von Veh, O., durchgesehen, eingeleitet und erläutert von Brodersen, K., Stuttgart 1987, S. 372. 235 Vgl. App. Mithr. 61, 252–62, 260. 236 App. Mithr. 62, 260; deutsche Übersetzung wie Anm. 228. 237 Cassiod. Chron. p.130.

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eine geordnete Einsammlung der Summen bildete.238 Es wird also deutlich, dass das sullanische Eingreifen in die römische Herrschaft in Asia die Städte als administrativen Fixpunkt des Systems definierte. Und obwohl es keinen eindeutigen Hinweis auf das Koinon gibt, dürfen wir doch annehmen, dass diese Institution einbezogen wurde: Sulla informierte die Abgesandten der Städte in Ephesos über seine Regelungen in einer Versammlung, die in ihrer Zusammensetzung wie in ihrer Funktion wohl dem Landtag gleichkam. Die Reform Sullas basierte also auf dem städtischen Netzwerk und vor allem war sie auf seine Kooperation angewiesen.239 All dies passt nun in das Bild unserer Quellen, die die zunehmende Rolle des Koinon in den Verhandlungen mit Rom zeigen. Gleichzeitig deutet die nach dem sullanischen Eingreifen240 erstmals bezeugte Formel κοινὸν τῶν ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων bzw. κοινὸν τῶν Ἑλλήνων auf eine Erweiterung des Landtags hin, wahrscheinlich um jene vormals freien griechischen Städte, die nun die Abhängigkeit der als οἱ ἐν τῆι Ἀσίαι δῆμοι καὶ τὰ ἔθνη bezeichneten indigenen Städte und Stämme teilten. Mit Sulla werden also die vorher bereits existierenden Rollen fixiert und in klarere Formen gegossen. Die Interaktion verläuft nun stärker über die Institution des Koinon. II.3.4 Bithynia-Pontus So ausführlich die Analyse zu Asia aufgrund der guten Quellensituation ausfällt, so wenig bietet das Material für die Provinz Bithynia-Pontus.241 Mit Sicherheit weist allerdings die gemeinsame Einrichtung des Kultes für Roma und Augustus in Asia und Bithynia durch Augustus 29 v. Chr., die Cassius Dio überliefert242, darauf hin, dass auch in Bithynia in spätrepublikanischer Zeit ein Koinon existierte. Ein heute leider nicht mehr erhaltenes Zeugnis gibt zumindest der Vermutung Raum, dass auch in Pontus ein Koinon in spätrepublikanischer Zeit eingerichtet wurde.243 Aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgte die Gründung der Koina gemeinsam mit der Ein-

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Vgl. Santangelo, Sulla, S. 115. Vgl. ebd., S. 127. Zur Frage einer sullanischen lex provinciae vgl. ebd., S. 107–133, bes. S. 118–120. Zur Frage der Benennung der Provinz vgl. Wesch-Klein, Provincia, S. 271. Cass. Dio 51, 20, 6–7. Diese Information geht in erster Linie auf Pascal Fourcade, den Konsul Napoleons in Sinope, zurück, der 1802 bis 1812 Forschungsreisen in die Nordtürkei unternahm und dabei eine heute leider verlorene Inschrift wiedergibt, die ein pontisches Koinon in republikanischer Zeit erwähnt. Vgl. dazu Marek, C., Pontus et Bithynia. Die römischen Provinzen im Norden Kleinasiens, Mainz 2003, S. 63; ders., Stadt, Ära und Territorium in Pontus-Bithynia und Nord-Galatia (Istanbuler Mitteilungen 39), Tübingen 1993, S. 69–82; Deininger, Provinziallandtage, S. 65 mit Anm. 4. Zu einer ausführlichen Diskussion über die problematische Quellenlage, die eine Kontroverse darüber auslöste, ob es zwei pontische Koina oder nur eines gab, vgl. Loriot, X., Le culte impérial dans le Pont sous le Haut Empire, in: Annie Vigourt, et al. (Hgg.), Religion dans le monde romain, Paris 2006, S. 521–540.

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richtung der Provinz Bithynia-Pontus durch Pompeius 64/63 v. Chr.244, möglicherweise auch schon durch Lucullus 72 v. Chr.245 Die Einrichtung der Koina richtete sich am Modell Asia aus, woraus im Rückschluss deutlich wird, dass das asianische Koinon bereits wenige Jahrzehnte nach seiner Gründung von den römischen Magistraten als erfolgreiche provinziale Organisation angesehen wurde. Die gemeinsam mit Asia beantragte Kultgründung 29 v. Chr. belegt die Existenz eines bithynischen Koinon in voraugusteischer Zeit, da nur ein gemeinsames provinziales Organ einen solchen Beschluss fassen konnte.246 Die sogenannten griechischen Briefe des Brutus an das bithynische Koinon als Beleg heranzuziehen, ist problematisch, da ihre Echtheit bis heute in der Forschung umstritten ist.247 Im Jahr 43 v. Chr. soll sich Brutus während der Auseinandersetzungen mit den Caesarianern in insgesamt 35 244 Strab. 12, 3, 1; Plut. Pompeius 38; Liv. per. 102; zur Hauptstadt Nikomedeia vgl. Dion Chrys. 38, 31; 38, 39 (mit Diskussion bei Bekker-Nielsen, T., Urban life and local politics in Roman Bithynia. The small world of Dion Chrysostomos, Aarhus 2008, S. 48 Anm. 22). Vgl. Campanile, Il koinon di Bitinia, S. 343–357; Eck, W., Die politisch-administrative Struktur der kleinasiatischen Provinzen während der hohen Kaiserzeit, in: Tra Oriente e Occidente. Indigeni, Greci e Romani in Asia Minore, Atti del convegno internazionale Cividale del Friuli, 28–30 settembre 2006, Pisa 2007, S. 189–207, hier S. 190; Fernoux, H.-L., Notables et élites des cités de Bithynie aux époques hellénistique et romaine (IIIe siècle av. J.-C.–IIIe siècle ap. J.-C.). Essai d’histoire sociale, Lyon 2004. Zu den komplizierten Verhältnissen im pontischen Gebiet vgl. Marek, Stadt, Ära und Territorium, S. 73–82. Marek stellt die Entwicklungen der KoinaStruktur von der Zeit des Pompeius bis zu Marcus Aurelius dar und beschreibt die ineinandergreifenden Veränderungen von Provinzstruktur und Koina. Er spricht sich gegen die von Deininger vertretene unitaristische These aus, der zufolge das pontische Koinon trotz Teilung und Umbau der Provinzen in der Kaiserzeit bestanden habe. Marek vertritt die analytische Theorie, nach der die Koina-Struktur sich den territorialen Veränderungen anglich. Aus dieser Annahme heraus entwickelte sich die 2011 erschienene Dissertation von Vitale, die die Erstreckungsbereiche von Koina und Eparchien im Osten untersucht (vgl. Vitale, Eparchie und Koinon). 245 Vgl. Ferrary, Géographie, S. 30 f. 246 Cass. Dio 51, 20, 6–7. 247 Deininger hat sich mehrfach vehement gegen eine Echtheit der Briefe ausgesprochen. (Vgl. Deininger, Provinziallandtag, S. 19 mit Anm. 1; ders., Brutus und die Bithynier, RhM 109 (1966), S. 356–372.) Allerdings gibt es überzeugende Stimmen, die keinen Zweifel an der Echtheit der Dokumente haben. So u. a. Gelzer, Meyer und Rostovtzeff unter Berufung auf Rühl, F., Die griechischen Briefe des Brutus, RhM 70 (1915), S. 315–325. Auch Harris zieht sie in seinem Beitrag über Bithynien im ANRW als Beleg heran. (Vgl. Harris, B. F., Bithynia. Roman sovereignty and the survival of Hellenism, ANRW II 7, 2 (1980), S. 857–901.) Deiningers Argumente zur Ablehnung der Echtheit beziehen sich allerdings lediglich auf inhaltliche Gründe. Philologisch sind die Briefe nie als unecht klassifiziert worden. Diese inhaltlichen Gründe muss man im Licht der neuen Erkenntnisse vor allem zu Asia und der wirtschaftlichen Potenz der Koina heute neu beurteilen. So schreibt Deininger, es habe im Jahr 43 v. Chr. keinen Beamten des Koinon gegeben, der als ständige Vertretung dieser Organisation fungiert habe. Dies ist wenig wahrscheinlich, wenn das Koinon, wie man heute zu Recht annimmt, bereits seit den 60er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. existiert hat. Daneben ist Deininger aufgrund seines Ansatzes überzeugt, dass das Koinon nicht mit Aufgaben von Steuern, Tributen oder Abgaben befasst gewesen sei. Auch dieser Einschätzung widersprechen neue Zeugnisse. (Vgl. Kap. IV dieser Arbeit). Zur Edition der Briefe vgl. Torraca, L., Marco Giunio Bruto, Epistole greche, Neapel 1959; S. 32–38, Nr. 59–67; vgl. auch Moles, J., Plutarch, Brutus and Brutus’ Greek and Latin letters, in: Mossman, J. (Hg.), Plutarch and his intellectual world, London 1997, S. 141–168.

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Briefen an Städte und ἔθνη in Kleinasien gewandt und Hilfe erbeten haben. Fünf der Briefe richteten sich an die Βιθυνοῖς und wurden jeweils gefolgt von einem Antwortschreiben der Bithynier. Der Inhalt der Briefe lässt sich wie folgt zusammenfassen: Brutus wies die Bithynier an, ihm 200 Kriegsschiffe und 50 Transportschiffe zur Verfügung zu stellen, inklusive Besatzung und Verpflegung für vier Monate. Dies soll auch Dolabella einige Zeit vorher erhalten haben. Die Bithynier schienen alles andere als erfreut zu sein und zögerten die Lieferung hinaus, die Schiffe trafen entsprechend verspätet bei Brutus ein, der zu diesem Zeitpunkt schon anderweitig eine Flotte organisiert hatte. Die Konsequenz aus dem Fehlverhalten des bithynischen Koinon war eine Strafzahlung von 400 Talenten, die Brutus ihnen auferlegte.248 Soweit der Inhalt dieser Korrespondenz. Neuere Untersuchungen betonen, dass – egal ob die Briefe echt oder gefälscht sind – sie in jedem Fall auf historischen Fakten beruhen.249 Glaubwürdigkeit erlangen sie nicht zuletzt durch parallele Überlieferungen aus anderen Provinzen. Auch in Lykien erpressten die Republikaner von den Lykiern mit Hinweis auf das oben beschriebene Vertragswerk Gelder und forderten sie mit Gewalt ein.250 Die Stellung von 250 Schiffen und die Zahlung von 400 Talenten, die Brutus vom bithynischen Koinon forderte, erscheinen vor diesem Hintergrund als Beleg seiner Existenz. Die römischen Machthaber kommunizierten mit dem Koinon als Vertretung der Städte, es repräsentierte also die gesamte Provinz in ihren Gliederungen. Ferner wird deutlich, dass gemeinsame Organe existiert haben müssen, die die Forderungen hätten umsetzen können. Diese Annahme wird nicht zuletzt durch die Analogie zu Asia gestützt, wo seit Mitte des ersten Jahrhunderts Belege für die Kommunikation der römischen Provinzbeamten mit dem Koinon existieren und wo es spätestens seit 71 v. Chr. eine strukturierte, finanziell handlungsfähige und durch Funktionäre vertretene Organisation gab.251 Ein weiteres Indiz soll an dieser Stelle nicht unterschlagen werden. Mileta vermutet aufgrund göttlicher Epitheta einiger bithynischer Herrscher auch für Bithynien die Existenz eines hellenistischen Herrscherkultes. Er hält ebenso prorömische Feste in Bithynien für wahrscheinlich. An diesen beiden Traditionen – hellenistischer Herrscherkult und republikanisches Koinon – könnte sich der Kult für Augustus 29 v. Chr. in der alten Hauptstadt Nikomedeia orientiert haben.252

248 Vgl. Torraca, Epistole, Nr. 59–67. 249 Vgl. Bernhardt, R., Polis und römische Herrschaft in der späten Republik (149–31 v. Chr.), Berlin, New York 1985, S. 149 Anm. 59. 250 Vgl. Behrwald, Der lykische Bund, S. 117–120. 251 Vgl. u. a. Sherk, Roman documents, S. 290–293, Nr. 57 (41 v. Chr.: Reskript des Marcus Antonius τῷ κοινῷ τῶν ἀπὸ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων); ebd., S. 272–276, Nr. 52 (50/51 v. Chr.: Anordnung des Propraetors von Asia Q. Minucius Q. f. Thermus an τὸ κοινὸν τῶν Ἑλλήνων). 252 Vgl. Mileta, Offene Arme, S. 90; Bekker-Nielsen, Urban life, S. 48 mit Anm. 22.

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II.3.5 Zypern, Kreta, Lykien – Sonderfälle? Zypern, Kreta und Lykien gelten in der Forschung zu den Koina als ‚Sonderfälle‘.253 Diese Zuschreibung, die in gewisser Weise auch ein Ausdruck verständlicher Hilflosigkeit ist, liegt darin begründet, dass immer davon ausgegangen wurde, nur für diese drei Koina des Ostens lasse sich ein lückenloses Bestehen seit hellenistischer Zeit nachweisen, sie seien also nicht in der späten Republik oder am Beginn der Kaiserzeit als Provinzvertretungen neu installiert worden, sondern die Römer hätten hier vorgefundene Strukturen transformiert. Zumindest für Lykien und Kreta lässt sich das heute noch so formulieren, die hellenistischen Koina in diesen Gebieten sind sicher belegt und auch ihr Umwandlungsprozess in typisch kaiserzeitliche Koina ist anhand der Quellen nachvollziehbar. Problematischer ist der Fall des kyprischen Koinon. Hier gibt es mittlerweile ernsthafte Zweifel, ob das hellenistische Koinon, das lediglich durch die Zuweisung zweier Inschriften in hellenistische Zeit rekonstruiert wurde, tatsächlich existierte. Diese Koina als Sonderfälle zu deklarieren und sich so der Aufgabe zu entziehen, sie in einen schematischen Überblick einzubinden, ist aufgrund methodischer Kriterien und vor allem aufgrund einer angestrebten Systematik nachvollziehbar, 253 So bemerkte schon Kornemann, RE S IV (1924) zu den Koina von Zypern und Lykien, man müsse sie einer „Sonderbetrachtung“ (Sp. 926) unterziehen, weil sie „im Fahrwasser der Ptolemäerpolitik segelnde koina seien“ (Sp. 928). Deininger erklärte gerade diese drei Landtage für gänzlich ungeeignet, um über die Transferprozesse von hellenistischer zu frühkaiserzeitlicher Praxis Auskunft zu geben: „Leider eignen sich gerade diese drei Koina, die nach jahrhundertelangem Eigenleben schließlich zu kaiserzeitlichen Landtagen umgeformt wurden, kaum zur Bestätigung oder Illustration des über die Herkunft der Institution Gesagten. Denn wenn an ihnen auch in römischer Zeit die Umstellung älterer griechischer Koina auf die neue Institution der Provinziallandtage zu beobachten ist, so kommt ihnen doch offenbar kaum eine besondere, entscheidende Rolle bei der Entstehung der kaiserzeitlichen Institution zu. Das kretische Koinon war, wie gesagt, in der vorrömischen Zeit durchaus selbständig und übernahm den Herrscherkult dann in der Kaiserzeit nach anderswo entwickeltem Vorbild. Das lykische Koinon sodann, das ebenfalls die Fortsetzung einer hellenistischen Institution darstellt, ist stets atypisch für die Provinziallandtage der Kaiserzeit geblieben. Relativ gut bekannt ist es, wiewohl zunächst unter ptolemäischer Oberherrschaft zustandegekommen, vor allem aus der Zeit seiner (relativen) Selbständigkeit im zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr. Infolge der daraus sich ergebenden Aufgaben verfügte es zwangsläufig über einen bedeutenden Beamtenapparat; eben damit aber nahm es auch nach seiner erst im Lauf des ersten Jahrhunderts n. Chr. erfolgten Eingliederung in das Imperium und der Angleichung an die übrigen Landtage immer eine deutliche Ausnahmestellung ein. – Lediglich vom kyprischen Koinon ist bekannt, daß es, ähnlich wie später die Landtage der Kaiserzeit, unter der Leitung eines ἀρχιερεύς für den Kult der ptolemäischen Dynastie stand. Doch auch hier bestand ein wesentlicher Unterschied zu der von den Römern ausgebildeten Institution, insofern der kyprische ἀρχιερεύς in der Regel auch στρατηγός, also der oberste ptolemäische Beamte der Insel war, während die späteren römischen Landtage ja gerade auf dem Prinzip der strikten Trennung von Landtag und römischer Provinzialverwaltung beruhten.“ (Deininger, Provinziallandtage, S. 9). Seine Einwände erscheinen aus heutiger Sicht nur noch schwer nachvollziehbar. Vielmehr verstellen sie den Blick auf eine wichtige Traditionslinie. Die Einwände Deiningers wären nur dann gerechtfertigt, wenn man eine Vorgängerinstitution annähme, die von den Römern exemplarisch übernommen worden wäre.

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lässt sich historisch allerdings nur schwer begründen. Anhand der Beispiele Sicilia und Macedonia konnte schon deutlich gemacht werden, dass die hellenistische Tradition wesentlich stärker berücksichtigt werden muss, wenn man über die spätrepublikanischen oder kaiserzeitlichen Koina Untersuchungen anstellt, und dass hellenistische Vorgängerorganisationen nicht nur in Lykien, auf Kreta und möglicherweise auf Zypern existierten. Es wird daher im Folgenden der Versuch unternommen, die Informationen, die wir über die Koina von Zypern, Kreta und Lykien besitzen, darzustellen, um daran anschließend eine Bewertung dieser Fälle vornehmen zu können. Die drei genannten Koina wurden nach Ansicht der Autorin zu stark unter der Maßgabe untersucht, inwieweit sie als hellenistische Prototypen der kaiserzeitlichen Koina in Anspruch genommen werden können. Die vorausgehenden Überlegungen haben allerdings bereits gezeigt, dass die Suche nach einem solchen Prototyp nicht funktioniert und auch nicht funktionieren kann. Bei der Entstehung der kaiserzeitlichen Provinziallandtage haben wir es viel eher mit konzeptionellen oder funktionalen Transferprozessen zu tun, die immer auch eine Eigendynamik entwickelten. Insofern kann man die genannten Koina mit Kontinuität zwar nicht als Muster oder Modell untersuchen, sie bilden aber vor dem Hintergrund der Übernahme des Kaiserkultes in vorrömische Koina interessante Einblicke in jene Transferprozesse, die für uns so schwer nachzuvollziehen sind. Sie auszuschließen von einer Untersuchung verschließt nach Meinung der Autorin wichtige Erkenntnisprozesse. Gerade in ihren Unterschieden, die auch wiederum eine andere Behandlung durch die römischen Autoritäten nach sich zogen, zeigen die Beispiele Kreta, Lykien und Zypern möglicherweise, wie die Römer diese ihnen eigentlich fremden Institutionen wahrnahmen, umwandelten und einbanden in die politischen Gestaltungsprozesse ihrer Provinzen. II.3.5.1 Zypern Lange Zeit galt die Existenz eines hellenistischen Koinon auf Zypern (τὸ κοινὸν τὸ Κυπρίων) aufgrund zweier Inschriften aus Palaipaphos, die in die Zeit zwischen 115 und 90 v. Chr. datiert wurden, als gesichert.254 Diese Datierung wird in jüngster Zeit angezweifelt, die Inschriften werden nun in die frühe römische Epoche datiert.255 Zypern hätte demzufolge kein hellenistisches Koinon besessen, sondern es habe sich um eine augusteische, vielleicht auch schon spätrepublikanische Gründung gehandelt. Dieses Problem kann aufgrund der schwierigen Quellenlage zum aktuellen Zeitpunkt nicht gelöst werden. Es bleibt aber zu erwähnen, dass der ptolemaische Strategos der Insel seit dem Ausgang des zweiten Jahrhunderts v. Chr. den Titel Archiereus trug und zwar in einer hierarchisch übergeordneten Funktion über 254 OGIS 164, 165. So auch Mitford, T. B., Roman Cyprus, ANRW II 7, 2 (1980), S. 1285–1384, hier S. 1370. 255 Vgl. Cayla, J.-B., Hermary, A., Chypre à l’époque hellénistique, in: Le Dinahet, M.-T. (Hg.), L’Orient méditerranéen de la mort d’Alexandre au Ier siècle avant notre ère: Anatolie, Chypre, Égypte, Syrie, Nantes 2003, S. 232–256, hier S. 241.

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alle Kulte der Insel.256 Interessanterweise wurde diese übergeordnete Rolle eines Archiereus oder einer Archiereia über alle Kulte einer Gottheit der Insel in römischer Zeit beibehalten.257 Gerade die Existenz eines zyprischen Archiereus in ptolemaischer Zeit und seine Leitungsfunktion im Kult der ptolemaischen Herrscher wurde bisher mit Blick auf Transferprozesse im Übergang vom Hellenismus zur römischen Epoche zu wenig gewürdigt.258 Selbst wenn das Amt mit dem des Strategen zusammenfiel, muss das nicht automatisch dem Gedanken abträglich sein, in der konzeptionellen Zusammenführung von Kult und Koinon – immerhin steht seine Existenz noch im Raum – ein funktionierendes Beispiel von Provinzbeherrschung zu erkennen. Das gilt umso mehr, als die Funktion des in den Kontext der Provinziallandtage gehörigen „Koinarchen“ keineswegs gänzlich von einem säkularen Machtfaktor getrennt werden kann. Leider lässt die spärliche Quellenlage zum zyprischen Koinon in hellenistischer und frührömischer Zeit keine eindeutigen Aussagen zu, wie sich dieser Prozess gestaltete. Gesichert ist aber die Einrichtung eines typisch kaiserzeitlichen Koinon – oder die Transformation des hellenistischen Koinon in ein solches – unmittelbar nach dem Sieg von Actium und der Eroberung Ägyptens 30/29 v. Chr.259 Dass damit die Strategenfunktion des Archiereus entfiel, ergibt sich aus der Eingliederung der Insel in das römische Reich und der Bestallung eines legatus Augusti pro praetore.260 Das Koinon pflegte bereits in augusteischer Zeit einen Kult, der nur dem Augustus gewidmet war261 und dem ein Archiereus vorstand. Eine weitere Inschrift bestätigt den Kult sowie das Amt des Archiereus vor 19 n. Chr. und belegt die Einrichtung von Spielen für den verstorbenen Germanicus.262 Auf Zypern begann wohl auch die Ausweitung der kultischen Kaiserverehrung auf den Kalender und die Jahreseinteilung. Die erste der beiden Kalenderreformen, bei der der Jahresanfang auf den Geburtstag des Augustus gelegt und die Monatsnamen mit dem Kaiser, seinen Attributen oder der julisch-claudischen Familie verknüpft wurden, datiert zwischen 21 und 12 v. Chr.263 Damit steht sie am Anfang der Kalenderreformen, die auch in Asia (9 v. Chr.), Kreta und anderen Provinzen vollzogen wurden. Leider lässt sich für Zypern der Prozess der Kalenderreform nicht annähernd so gut nachzeichnen wie für Asia, wo die Kalenderreform eine konzer-

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Vgl. Mitford, Roman Cyprus, S. 1371; Bagnall, Administration, S. 38–49. IGR III 950; Mitford, ebd. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 8. Vgl. dazu Mitford, Roman Cyprus, S. 1370–1372. Cass. Dio 54, 4, 1. Vgl. Mitford, ebd., S. 1295. 22 v. Chr. übergab Augustus die Provinz dem Senat. Ein ganz ähnliches Vorgehen der Römer lässt sich in Lykien nachvollziehen. Auch hier entfielen mit der Umwandlung in eine Provinz die militärischen Ämter des Koinon und wurden durch das Amt des Archiereus ersetzt. 261 IGR III 994 = OGIS 582. 262 Karageorghis, V., Chronique des fouilles et découvertes archéologiques à Chypre en 1963, BCH 88 (1964), S. 289–379, hier S. 334. 263 Vgl. Fujii,T., Imperial cult and imperial representation in Roman Cyprus, Stuttgart 2013, S. 144–156 mit ausführlicher Darstellung der Forschungsdebatte.

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tierte Aktion des Prokonsuls und des Koinon war.264 Die Involvierung des zyprischen Koinon in die Kalenderreform muss eine Mutmaßung bleiben. Ein deutlicher Unterschied zu Asia wird bei dieser Kalenderreform allerdings ersichtlich: Das kyprische und das kretische Koinon vollzogen diese Änderungen in sehr viel drastischeren Formen, indem sie nicht nur den Jahresanfang – wie in Asia – verlegten, sondern auch sämtliche Monatsnamen austauschten.265 Auch für ein weiteres zentrales Dokument des zyprischen Herrscherkultes können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob sich Bezüge zum Provinziallandtag herstellen lassen. Möglicherweise handelt es sich bei dem 1959 gefundenen Eid der Insel Zypern für Tiberius um ein Zeugnis des Provinziallandtags, der stellvertretend für die Einwohner der Provinz diesen Eid ablegte.266 Der Herausgeber sah in diesem Eid für Tiberius das Gegenstück zu dem auf Augustus abgelegten Eid.267 Leider bleiben die Vorgänge um den Wechsel von der ptolemaischen zur römischen Herrschaft in Zypern eher im Dunkeln. Das Wenige, was ersichtlich wird, zeigt aber ein sehr frühes, sehr entschlossenes Vorgehen des Augustus, diese Insel durch politische wie kultische Reformen zu stabilisieren. Dieses zeitlich frühe Reformprogramm besaß möglicherweise auch für die übrige östliche Welt Modellcharakter.268 II.3.5.2 Kreta Das kretische Koinon (κοινὸν τῶν Κρηταιέων) entstand wohl vor dem Chremonideischen Krieg, also vor dem Jahr 267 v. Chr. Möglicherweise übten die frühen Ptolemaier oder Sparta einen entscheidenden Einfluss bei der Gründung aus.269 Das frühe kretische Koinon war ein loser Bund kretischer Poleis, der niemals alle Städte 264 Inschriften und Kommentar bei Laffi, U., Le iscrizioni relative all’introduzione nel 9 A. C. del nuovo calendario della provincia d’Asia, SCO 16 (1967), S. 5–98. 265 Ein weiteres bemerkenswertes Spezifikum Zyperns ist die Existenz lokaler Oberpriester des Kaiserkultes. IvSalamis, S. 128, Nr. 100; IGR III 961. Weitere Beispiele bei Mitford, Roman Cyprus, S. 1350–1355. 266 Mitford, T. B., A Cypriot oath of allegiance to Tiberius, JRS 50 (1960), S. 75–79. 267 Zum Kaisereid und zum römischen Kaiserkult in Zypern generell vgl. Fujii,T., Imperial cult and imperial representation in Roman Cyprus, S. 77–91. 268 Der späteste heute bekannte Beleg für das kyprische Koinon der Kaiserzeit ist eine Ehreninschrift für einen Ancyraner, der am Beginn des dritten Jahrhunderts n. Chr. vom Koinon der Zyprioten als größter Wohltäter des Koinon nach dem Kaiser bezeichnet wird. (Vgl. Mitchell, S., French, D. (Hgg.), The Greek and Latin inscriptions of Ankara (Ancyra). Vol. I: From Augustus to the end of the third century AD (Vestigia 62), München 2012, S. 204–206, Nr. 50). 269 Zur Gründung und zur internen Struktur des kretischen Koinon in hellenistischer Zeit vgl. Chaniotis, A., Die Verträge zwischen kretischen Poleis in der hellenistischen Zeit (HABES 24), Stuttgart 1996, S. 29–32 und 99–100 mit einer Diskussion der Ansätze in der älteren Literatur; ders., The epigraphy of Hellenistic Crete. The Cretan Koinon: New and old evidence, in: XI Congresso Internazionale di Epigrafia Greca e Latina, Roma, 18–24 settembre 1997, Atti I, Roma 1999, S. 287–299; Buraselis, Confederacies. Für die ältere, noch immer relevante Literatur vgl. u. a. Mijnsbrugge, M. van der, The Cretan Koinon, New York 1931; Effenterre, H. van, La Crète et le monde grec de Platon à Polybe, Paris 1948.

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einschloss und in seinem Grundcharakter vielleicht am ehesten als Symmachie270 beschrieben werden kann. Die Führung im Koinon lag gemeinschaftlich oder wechselnd bei den beiden wichtigsten Städten Gortyn und Knossos, die sich als Hegemonialmächte mit ihren jeweiligen Bündnissen im kretischen Koinon zusammenfanden. Diese Konstellation bestimmte die Geschichte des kretischen Koinon in hellenistischer Zeit. Da das kretische Koinon keine entwickelte föderale Struktur mit Bundesbeamten oder einer Bundesarmee wie andere hellenistische Koina besaß, sondern lediglich eine bilaterale Allianz zwischen Gortyn mit seinen Verbündeten und Knossos mit seinen Verbündeten war, konnte es eigentlich nur dann existieren, wenn die beiden Verbündeten kooperierten und fiel im Fall von Konflikten auseinander. Als gemeinsame Institutionen erschuf man dennoch einen Bundesrat (συνέδριον), an dem alle Mitglieder teilnahmen und der an wechselnden Orten tagte. Die hier beratenen und getroffenen Entscheidungen betrafen in erster Linie außenpolitische Fragen. Als weiteres Instrument interner Konfliktlösung existierte offenbar eine Art Bundesgericht (κοινοδίκιον).271 In jenen Zeiten, in denen das Koinon existierte, regelte ein eigens vom Bündnis aufgestelltes Prozessverfahren interne Konflikte.272 Wie Buraselis erst kürzlich nochmals unterstrichen hat, gibt es keine Hinweise darauf, dass ein gemeinsames Heiligtum des kretischen Koinon existierte.273 Kontakte des kretischen Koinon mit Rom lassen sich im 2. Jahrhundert v. Chr. mehrfach belegen. Neben römischen Vermittlungen in internen Streitigkeiten verhandelten die Römer möglicherweise auch im Jahr 170 v. Chr. mit einer Gesandtschaft des kretischen Koinon.274 In der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr. scheint der Widerstand der Kreter gegen Rom bis zur Eroberung der Insel im Jahr 67 v. Chr. auf Basis des kretischen Koinon unter Führung von Knossos organisiert worden zu sein.275 Obwohl das kretische Koinon 139 v. Chr. zum letzten Mal mit Sicherheit bezeugt ist276, spricht einiges für eine Reorganisation um 110 v. Chr.277, zu der eventuell auch die Einsetzung eines Bundesvorsitzenden (Κρητάρχας) gehörte.278 In der Zeit der späten Republik kam es wohl zu einem Bruch dieser späthellenistischen Traditionslinie und einer Reform oder Neugründung unter Marcus Anto270 Vgl. Chaniotis, Hellenistic Crete. 271 Vgl. u. a. Gauthier, P., Symbola. Les étrangers et la justice dans les cités grecques, Nancy 1972, S. 317, 323 f.; Ager, S. L., Hellenistic Crete and KOINOΔIKION, JHS 114 (1994), S. 1–18; Chaniotis, Verträge, S. 141–143; ders. in Zusammenarbeit mit Kritzas, Ch., Prozessrechtliches aus dem hellenistischen Kreta, in: Thür, G. (Hg.), Symposion 2009. Vorträge zur griechischen und hellenistischen Rechtsgeschichte (Seggau, 25.–30. August 2009), Wien 2010, S. 169–183. 272 Vgl. Chaniotis, Verträge, S. 134–152; ders., Prozessrechtliches, S. 182. 273 Vgl. Buraselis, Confederacies, S. 180. 274 Liv. 43, 7, 1–5; vgl. Chaniotis, Verträge, S. 44 f. 275 So Chaniotis, Verträge, S. 56; ders., Die Inschriften von Amnisos, in: Schäfer, J. (Hg.), Amnisos nach den archäologischen, historischen und epigraphischen Zeugnissen des Altertums und der Neuzeit, Berlin 1992, S. 287–322, hier 301–303. 276 ICret III iv 9; Vgl. Chaniotis, Amnisos, S. 301. 277 Vgl. ebd. 278 Vgl. Rouanet-Liesenfelt, A.-M., Le crétarche Kydas, in: Aux origines de l’hellénisme, la Crète et la Grèce, Hommage à Henri van Effenterre, Paris 1984, S. 343–352; Chaniotis, Amnisos, S. 301.

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nius (44–30 v. Chr.).279 Aber auch dieses Koinon der republikanischen Zeit trug noch den Namen κοινὸν τῶν Κρηταιέων. Erst in der Kaiserzeit wurde die Namensgebung in κοινὸν τῶν Κρητῶν geändert. Man muss annehmen, dass in der Kaiserzeit bewusst der Versuch unternommen wurde, eine Kontinuität zum Koinon der hellenistischen und spätrepublikanischen Zeit gewaltsam zu durchbrechen.280 Einen Kontinuitätsbruch auch hinsichtlich der Ämterausstattung feststellen zu wollen, scheitert letztlich an den wenigen Quellen. Zwar scheint es, als sei das Amt des Kretarchen281 ebenfalls der Umorganisation nach Actium zum Opfer gefallen, da für die Kaiserzeit nur Belege für einen Archiereus als höchsten Funktionär des Provinziallandtages existieren und sich erst im vierten Jahrhundert wieder ein Kretarch findet.282 Allerdings verbietet sich eine belastbare Aussage aufgrund der geringen Zahl der Zeugnisse. II.3.5.3 Lykien Das kaiserzeitliche Koinon der Provinz Lykien gilt in der Literatur ebenso als Sonderfall. Diese Ausnahmestellung wird einerseits aus seiner inneren Struktur, vor allem den sonst nicht überlieferten Ämtern und Repräsentativorganen abgeleitet, andererseits aus seiner Genese in hellenistischer Zeit.283 Diese Wertung geht zurück auf Artemidoros von Ephesos, der in seiner Beschreibung des lykischen Bundes (ca. 100 v. Chr.), die bei Strabon wiedergegeben wird284, seine besondere Verfassung im Vergleich zu der der angrenzenden Gebiete hervorhob.285 Die bei Artemidoros beschriebene Verfassung mit einer scheinbar modern anmutenden Gewaltenteilung wurde durch Montesquieus Dictum „S’il falloit donner un modèle d’une 279 Vgl. Rouanet-Liesenfelt, ebd. 280 Vgl. überzeugend Rouanet-Liesenfelt, A.-M., Remarques sur l’assemblée provinciale crétoise et son grand-prêtre à l’époque du Haute-Empire, Ktema 19 (1994), S. 7–25; Chaniotis, A., What difference did Rome make? The Cretans and the Roman Empire, in: Forsén, B., Salmeri, G. (Hgg.), The province strikes back. Imperial dynamics in the eastern Mediterranean, Helsinki 2008, S. 83–105. 281 ICret IV 250 f. 282 Es handelt sich um eine Weihinschrift aus Aphrodisias für Kaiser Augustus Constantius II. und Caesar Julian (351–360 n. Chr.). CIG 2744; MAMA VIII 426; BE 1966, 393; BE 1968, 507; Roueché, C., Aphrodisias in late antiquity, London 1989, Nr. 19; McCabe, D. F., Aphrodisias inscriptions. Texts and list, Princeton 1991, S. 607; Curty, O., Les parentés légendaires entre cités grecques. Catalogue raisonné des inscriptions contenant le terme Syggeneia et analyse critique, Genève 1995, S. 182 f., Nr. 74. 283 „Relativ gut bekannt ist es, wiewohl zunächst unter ptolemäischer Oberherrschaft zustandegekommen, vor allem aus der Zeit seiner (relativen) Selbständigkeit im zweiten und ersten Jahrhundert v. Chr. Infolge der daraus sich ergebenden Aufgaben verfügte es zwangsläufig über einen bedeutenden Beamtenapparat; eben damit aber nahm es auch nach seiner erst im Lauf des ersten Jahrhunderts n. Chr. erfolgten Eingliederung in das Imperium und der Angleichung an die übrigen Landtage immer eine deutliche Ausnahmestellung ein.“ (Deininger, Provinziallandtage, S. 9). 284 Strab. 14, 3, 3. 285 Vgl. Behrwald, Der lykische Bund, S. 161–169.

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belle république fédérative, je prendrois la république de Lycie.“286 zum Modell einer föderalistischen Republik. Lykien sei die „Schweiz des Altertums“ gewesen, urteilte Bachofen.287 Diese vermeintliche Sonderstellung Lykiens, die vor allem durch die politischen Entwicklungsprozesse des 19. Jahrhunderts mit seinen föderalistischen Tendenzen ins Rampenlicht rückte, zieht sich bis heute durch die Literatur.288 Dabei ist sich die Forschung inzwischen einig darin, dass dieses Bild korrigiert werden muss.289 Die erhaltenen inschriftlichen Hinterlassenschaften des lykischen Koinon der hellenistischen Zeit lassen sich mit der bei Strabon wiedergegebenen Beschreibung kaum in Einklang bringen. Zudem haben neuere Studien gezeigt, dass es durchaus auch in anderen Bundesstaaten ähnliche Formen der Repräsentativverfassung gab und sich die Gründung des lykischen Bundes wohl an griechischen Vorbildern orientierte.290 Das vermeintlich erste Dokument, das seine Existenz belegt, ist eine Inschrift aus den Jahren 182–180 v. Chr. für Ptolemaios, Sohn des Ptolemaios.291 Darin wird der Vater des Geehrten als Fürsprecher des Koinon genannt. Als Grund dieser Ehrung wird gemeinhin der Versuch des Koinon angenommen, sich die Unterstützung der Ptolemaier in der Auseinandersetzung mit Rhodos zu sichern.292 Mit einiger Sicherheit kann man aber auch die bereits erwähnte Einrichtung von Spielen für die Göttin Roma in das Jahr 189 v. Chr.293 datieren. Zwei Dokumente aus demselben Jahrzehnt zeigen also das Koinon in ähnlicher Funktion. Das gemeinsame Motiv beider Inschriften, der Ehreninschrift und der Kulteinrichtung, war die Suche nach Hilfe und Schutz durch eine Großmacht in der schwierigen Situation nach dem römischen Sieg über Antiochos bei Magnesia im Jahr 190 v. Chr. Die Lykier sahen ihre Welt durch die Niederlage des seleukidischen Großkönigs bedroht und lebten in der Angst, ihren Erzfeinden, den Rhodiern, in die Hände zu fallen. Bringt man die beiden Zeugnisse in Korrelation, ergibt sich ein deutliches Bild des frühen Koi286 Montesquieu, C.-L. de, De l’esprit des lois, hrsg. v. Gonzague Truc, Paris 1961, S. 139 f. Vgl. zu weiteren Bezügen der neuzeitlichen Staatstheorie zu den Bundesstaaten der griechischen Antike Demandt, Antike Staatsformen, S. 259. 287 Bachofen, J. J., Gesammelte Werke, Bd. 10: Briefe, Basel 1967, S. 146. 288 So Deininger, Provinziallandtage, S. 69–81. 289 So sah Deininger einen Beleg für die Sonderrolle des lykischen Koinon darin, dass der Bund keine eigenen Münzemissionen ausgab. (Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 69 mit Anm. 6). Dies ist inzwischen widerlegt. Vgl. Kolb, F., Lykiens Weg in die römische Provinzordnung, in: Ehrhardt, N., Günther, L.-M. (Hgg.), Widerstand – Anpassung – Integration. Die griechische Staatenwelt und Rom (Festschrift für Jürgen Deininger zum 65. Geburtstag), Stuttgart 2002, S. 207–222; Troxell, H. A., The coinage of the Lycian league, New York 1982; vgl. zur Münzemission auch Kap. IV dieser Arbeit. 290 Vgl. die Untersuchung zum achäischen Bund von Lehmann, G. A., Erwägungen zur Struktur des achäischen Bundesstaates, ZPE 51 (1983), S. 237–261; Kolb, Lykiens Weg in die römische Provinzordnung, S. 208. 291 OGIS 99. 292 Vgl. dazu Behrwald, Der lykische Bund, S. 89–105. 293 SEG 18, 1962, 570; Erstpublikation von Bean, Notes and inscriptions from Lycia, S. 46, Nr. 11; vgl. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 37–39, 100 f.; ders., Goddess Roma, S. 958 f.; Die neueste Diskussion zur Datierung findet sich bei Behrwald, Der lykische Bund, S. 90–99; Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 22–25.

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non in einer sehr politischen Rolle und mit einer klar ausgerichteten einheitlichen Organisationsstruktur. Dies hat auch Behrwald beschrieben: „Vermutlich erst im Widerstand gegen die rhodische Herrschaft entstanden, hat der Bund sich in dieser Zeit wohl unter der Führung von Xanthos erstmals als eine politische Macht von regional begrenzter, doch nicht unwesentlicher Bedeutung erwiesen.“294 Für die Zeit der lykischen Freiheit zwischen 167 v. Chr. und dem Beginn der Bürgerkriege nach Caesars Ermordung kann man ein weitgehendes Fehlen von Quellenmaterial konstatieren. Die wenigen Inschriften, die existieren, lassen kein eindeutiges Bild des Koinon erkennen, weder in seinen inneren Strukturen noch in seinem Verhältnis zu Rom.295 Allerdings ließ das lykische Koinon zwei Inschriften in Rom auf dem Kapitol aufstellen, die sich auf seine Befreiung im Jahr 167 v. Chr. durch die Römer296 und ihre Dankbarkeit gegenüber den verbündeten Römern bezogen.297 Lykien verstand sich in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts als Teil der römischen Welt. Dies spiegelt sich sowohl in einer Münzemission des lykischen Bundes mit dem Kopf des Augustus auf der Vorderseite seit 27 v. Chr. als auch in der kultischen Verehrung seiner Person und seiner Familie wider.298 Ein ganz besonderes Dokument in der Beziehung zwischen Rom und dem lykischen Koinon war sicher das 46 v. Chr. geschlossene foedus.299 Dieser Vertrag, der die bilateralen Beziehungen regelte, wurde in der Form eines geschworenen Eides ausgefertigt und durch Opfer bestätigt. Der Abschluss eines rechtsgültigen Vertrages zwischen Rom und dem Koinon kann nur im Sinne einer völkerrechtlichen Anerkennung des lykischen Koinon als Vertretungsorgan des gesamten lykischen Territoriums interpretiert werden. Der Beginn des Vertrages war in Inhalt, Ausfertigung und Darstellung den Standards römischer Verträge mit außenpolitischen Partnern seit dem foedus Cassianum300 in großen Teilen angepasst. Die sogenannte maiestas-Klausel allerdings, die die Vorrangstellung der Römer vertraglich fixierte, stellte eine Veränderung zu jenen Verträgen dar, die die Römer mit den Latinern und anderen schlossen, als sie ihren Einflussbereich über Italien im vierten 294 295 296 297 298

Behrwald, ebd., S. 115. Vgl. dazu Behrwald, ebd., S. 105–117. CIL I2 725; CIL VI 372; ILS 31. CIL I2 726; CIL VI 30927; ILS 32. RPC I 3301–3333; vgl. Kolb, Lykiens Weg in die römische Provinzordnung, S. 207–211. Kolb spricht vom „Reflex der faktischen Zugehörigkeit der Lykier zum Imperium Romanum“ (S. 207). Vgl. zur kultischen Verehrung durch das Koinon auch: Balland, A., Inscriptions d’époque impériale du Létôon (Fouilles de Xanthos 7), Paris 1981, S. 37 ff., Nr. 18, 19 mit Anm. 191; kultische Verehrung in Oinoanda: IGR III 483 = OGIS 555. Vgl. zur Verehrung der Familienmitglieder: Borchhardt, J., Der Fries vom Kenotaph für Gaius Caesar in Limyra (Forschungen in Limyra 2), Wien 2002. Eine Sammlung aller Belege der kultischen Verehrung bietet Sahin, S., Adak, M., Stadiasmus Patarensis. Itinera Romana Provinciae Lyciae (Monographien zur Gephyra 1), Istanbul 2007, S. 49 Anm. 4. 299 SEG 55, 2005, 1452 =AE 2005, 1487. Vgl. Mitchell, S., The treaty between Rome and Lycia of 46 BC (MS 2070), in: Pintaudi, R. (Hg.), Papyri Graecae Schøyen (PSchøyen I) (Papyrologica florentina 35), Florenz 2005, S. 163–258; Ferrary, J.­L., Le traité de 46 av. J.-C. entre Rome et la confédération lycienne, CCG (17) 2006, S. 331–332. 300 Dion. Hal. 8, 69, 2; Liv. 2, 33, 4 und 9; Cic. Balb. 23, 53.

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und dritten Jahrhundert v. Chr. ausdehnten.301 Dies zeigt uns zweierlei: Zum einen waren die Grundsätze römischer Außenpolitik extrem langlebig und konservativ; einmal funktionierende Systeme wurden nur selten verändert. Zum anderen behandelten die Römer die neu erworbenen und unter ihrer Oberhoheit stehenden Gebiete im Osten nicht anders, als sie die Latiner in Italien behandelt hatten. Für sie bestand kein oder – siehe maiestas-Klausel – nur ein gradueller Unterschied. Ein zweiter Teil des Vertrages allerdings war auf das spezielle Verhältnis zwischen Rom und den Lykiern zugeschnitten. Diese Passage, die etwa zwei Drittel des Dokumentes umfasste, wich doch erheblich von den übrigen bekannten Rechtsdokumenten derselben Art ab.302 Sie umfasste Regelungen für Rechtsverfahren im Straf- und Zivilrecht, insbesondere für den Fall, dass Bürger der einen oder anderen Vertragsseite betroffen waren. Von größtem Interesse waren die Regelungen vor allem hinsichtlich der Frage, auf welche Bereiche sich die Rechtsaufsicht des Koinon bezog. Schmuggel wurde beispielsweise im Vertrag unter Strafe gestellt und bei Verstoß sollte auf lykischer Seite der höchste Beamte die Rechtsaufsicht haben (ὁ τὴν μεγίστην ἀρχὴν ἔχων303). Mitchells Annahme, damit sei der höchste lokale Beamte gemeint, sollte vielleicht zugunsten der These, dass es sich hier eher um den Lykiarchen handelte, überdacht werden. Denn völlig zu Recht sagt Mitchell, dass mit dieser Regelung nicht die Ein- oder Ausfuhr bestimmter Güter kontrolliert werden sollte, sondern das Abführen regulärer Zölle.304 Da wir durch die Inschriften von Myra und Kaunos und ihre spezifischen lykischen Zollregelungen wissen305, dass die städtischen Zolleinnahmen zum Teil in die Mitgliedsbeiträge des Koinon flossen, ergibt auch die Regelung Sinn, den Lykiarchen mit der Beaufsichtigung der Einhaltung dieser Regelungen zu betrauen. Schließlich ist der Finanzhaushalt des Koinon von der Einhaltung der Zollbestimmungen abhängig. Generell interessant an diesem Vertrag ist der Auftritt des lykischen Koinon als politische Vertretung der Lykier. An keiner Stelle des Dokumentes wird dem Koinon eine religiöse Bedeutung zugesprochen, weder der für das Koinon belegte Kult der Roma noch ein anderer prorömischer Kult spielten in diesem Vertrag eine Rolle. Im Jahr 46 v. Chr. war das lykische Koinon für Rom also ein politischer Partner, wenn auch nicht auf Augenhöhe. Parallelen zeigen sich im Umgang mit anderen politischen Partnern im Osten nach dem Sieg über Pompeius 48 n. Chr. – so Mytilene, Knidos oder Rhodos.306 Vor diesem Hintergrund erscheint die Umwandlung des Koinon nach Einrichtung der Provinz 43 n. Chr. – die wohl auch durch innere Unruhen von den Lykiern mitverschuldet war307 – als politische Entmachtung und 301 302 303 304 305

Vgl. Mitchell, Treaty, S. 185–194. Für das Folgende vgl. ebd., S. 194–211. Vgl. ebd., S. 68 Z. 30 f. Vgl. ebd., S. 97. Vgl. Marek, C., Stadt, Bund und Reich in der Zollorganisation des kaiserzeitlichen Lykien. Eine neue Interpretation der Zollinschrift von Kaunos, in: Wiemer, H.-U. (Hg.), Staatlichkeit und politisches Handeln in der römischen Kaiserzeit (Milleniumstudien 10), Berlin, New York 2006, S. 107–121. 306 Vgl. Mitchell, Treaty, S. 239–241. 307 Suet. Claud. 25, 3; Cass. Dio 60, 17, 3; vgl. Sahin, Adak, Stadiasmus Patarensis, S. 49–62.

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Degradierung zu einem Rom untergeordneten Vertretungsorgan der Provinz. Obwohl die Einrichtung offensichtlich in vielen Aspekten weiter funktionierte – beispielsweise in der inneren Finanzierung – stellt sich die Frage, wie die Übertragung des Kaiserkultes von den Provinzialen empfunden wurde. Konnte man damit tatsächlich den politischen Machtverlust kompensieren? Während Caesar Versuche unternahm, politische Partner vertraglich zu binden, wählten Augustus und seine Nachfolger ein gänzlich anderes Mittel der politischen Kommunikation, was sich natürlich in erster Linie aus einem veränderten Selbstverständnis des Herrschers nach 27 v. Chr. erklärt. Zwar war auch Caesar in Asia308 oder Mytilene309 kultisch verehrt worden, diese Kulte waren aber sporadisch und lokal angesiedelt. Sie wurden durch vertragliche Regelungen ergänzt. Erst unter Augustus wurde der Kult in den Koina institutionalisiert und man transferierte die juristisch fixierte bilaterale Beziehung in eine kultisch-sakrale. Mitchell erklärt im Bezug auf das foedus von 46 v. Chr. sehr genau die römische Perspektive, es bleiben aber viele Fragen offen, was die inneren Strukturen, Vorgänge und Motive des Koinon angeht. Lediglich zur Frage der Anführerschaft der lykischen Gesandtschaft äußert sich Mitchell und argumentiert überzeugend, der Lykiarch sei der Anführer der Gesandtschaft gewesen. Möglicherweise ist der Mann sogar in einer nicht datierten Inschrift aus Tlos bezeugt.310 Allerdings werden im foedus von 46 v. Chr. nur die Namen der lykischen Vertreter genannt, nicht ihre Ämter und Würden. Kann der Text die Sonderrolle des lykischen Koinon unterstreichen? Parallelen zu Asia sind vorhanden. Die für Lykien existierenden Belege zur Kommunikation der römischen Provinzadministration mit dem Koinon als Vertreterschaft für die Städte der Provinz wurden bereits oben ausführlich dargestellt und diskutiert. Auch in Bithynia deuten die Briefe des Brutus möglicherweise darauf hin, dass die römischen Feldherren in der Zeit der Bürgerkriege auf bewährte Kommunikationsformen zurückgriffen, wenn sie das Koinon anschrieben und um die Unterstützung durch die Provinzstädte baten. Die Autorin ist sich bewusst, dass diese Parallelschlüsse schwerlich als Beweise gesehen werden können, zumal Asia und Bithynia schon den Status einer Provinz hatten. Man muss sich aber die Frage stellen, ob die Lykien zugeschriebene Sonderrolle nicht eher aus der besonderen Quellensituation begründet werden kann. Der für das lykische Koinon nachgewiesene Beamtenapparat ist sicherlich singulär, vor allem die militärischen Bundesämter des στρατηγός, ἵππαρχος und ναύαρχος. Allerdings sind diese Ämter in der Regel aus kaiserzeitlichen Ehreninschriften überliefert, die den Geehrten in die Reihe seiner großartigen Vorfahren stellten.311 Die Rolle der Bezugnahme auf die progonoi hat jüngst Reitzenstein in ihrer Arbeit über die lykischen Bundespriester herausgestellt.312 Daneben leuchtet es nicht ein, wenn aus einer besonderen Struktur Syll. 3760; IvEphesos II 251 = CIG 2957 (48 v. Chr.). IG XII 2, 25 (Verehrung 45 v. Chr. gemeinsam mit Roma). OGIS 556 = IGR III 563 = TAM II 583. IGR III 495; TAM II 790; 905; 916; Balland, Inscriptions du Létôon, Nr. 65, 69, 71, 76, 91; SEG 54, 2004, 1396; Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 173, Nr. 13 (unpubliziert). Zu den wenigen Beispielen aus hellenistischer Zeit vgl. Reitzenstein, ebd., S. 29 f. 312 Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 51–54, 115–131, 162–165. 308 309 310 311

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von Bundesämtern und -organen in vorrömischer Zeit eine Sonderrolle des kaiserzeitlichen lykischen Koinon konstruiert wird. Gerade die Tatsache, dass mit Einrichtung der Provinz unter Claudius 43 n. Chr. die Abschaffung der militärischen Bundesämter einherging und die Übertragung des provinzialen Kaiserkultes an das Koinon – also eine Angleichung an bestehende Koinon-Strukturen – stattfand, deutet darauf hin, dass es in der Kaiserzeit für das lykische Koinon keine Sonderrolle (mehr) gab. Zwar stellt der Fortbestand von Boule und Ekklesia in der Kaiserzeit durchaus einen Unterschied zu anderen bekannten Koina dar, allerdings wissen wir über die Zusammensetzung der meisten anderen Koina schlicht zu wenig, um Lykien zum Ausnahmefall machen zu können. Es erscheint nur logisch, dass die römische Provinzeinrichtung auf bestehende Strukturen zurückgriff – zumal sie offenbar für die Identität der lykischen Eliten prägend waren313 – und das bereits bestehende Koinon auf der Basis seines hellenistischen Zuschnitts umorganisierte. Zudem fügte sich die Koinon-Struktur auch sehr gut in die von Claudius anlässlich der Provinzeinrichtung314 vorangetriebene „Aristokratisierung der politischen Verhältnisse“315, die auf der Ebene der Poleis, vielleicht sogar des Bundes stattfand.316 Wenn man für Lykien eine Sonderrolle im römischen Reich veranschlagen will, dann sicherlich in der speziellen Form des Beharrens auf althergebrachten Traditionen, die sich allerdings nicht im Widerstand gegen römische Einflüsse manifestierte, sondern in der Beibehaltung kultureller Erinnerung parallel zur Integration in das römische Reich.317 Das für die Römer entscheidende Moment war sicherlich nicht die Art der Beschlussfassung und die repräsentative Breite, sondern die Übernahme des Kaiserkultes und die Existenz eines korporativen Ansprechpartners. Abschließend lässt sich formulieren: Gerade im Umgang mit den Koina von Zypern, Kreta und Lykien ist aufgrund ihrer hellenistischen – um genauer zu sein, ptolemaisch geprägten – Vergangenheit ein deutlich akzentuiertes römisches Eingreifen ersichtlich. Vor allem in Kreta scheint sich der Wille des Augustus zur brachialen Umstrukturierung bestehender Verhältnisse im Sinne des von ihm seit Actium allein geführten römischen Reiches zu zeigen. In Zypern deutet die frühe 313 Vgl. Kolb, F., Akkulturation in der lykischen ‚Provinz‘ unter römischer Herrschaft, in: Urso, G. (Hg.), Tra Oriente e Occidente. Indigeni, Greci e Romani in Asia Minore, Atti del convegno internazionale Cividale del Friuli, 28–30 settembre 2006, Pisa 2007, S. 271–291, hier S. 281. 314 Zu den Gründen für und den Maßnahmen im Zuge der Provinzeinrichtung vgl. Kap. II.5.1.4. 315 Kolb, Akkulturation, S. 280; ders., Lykiens Weg in die römische Provinzordnung, S. 214 f. 316 Vgl. Işik, F., Işkan, H., Çevik, N., Miliarium Lyciae. Das Wegweisermonument von Patara. Vorbericht, Lykia 4 (1998/1999), Antalya 2001; Sahin, S., Adak, M., Stadiasmus Patarensis – Ein zweiter Vorbericht über das claudische Straßenbauprogramm in Lykien, in: Frei-Stolba, R. (Hg.), Siedlung und Verkehr im römischen Reich. Akten des Kolloquiums zu Ehren von H. E. Herzig, Bern 28.–29.6.2001, Frankfurt/Main 2004, S. 227–262; Jones, C. P., The Claudian monument at Patara, ZPE 137 (2001), S. 161–168; Sahin, S., Adak, M., Stadiasmus Patarensis. Itinera Romana Provinciae Lyciae (Monographien zur Gephyra 1), Istanbul 2007. 317 Beispielhaft ist hier der kaum zu beobachtende Aufstieg der lykischen Aristokratie in die römische Reichsaristokratie bei gleichzeitiger Übernahme kaiserlicher Vorbilder im Bereich des Euergetismus, der sich sogar in den Ehrenbezeichnungen der lykischen Aristokraten niederschlug. Vgl. Kolb, Akkulturation, S. 289–291.

II.3 Rom und die Koina in republikanischer Zeit

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kultische Erneuerung des Koinon mit einhergehender Kalenderreform und Ausweitung der Verehrung auf die Familie ebenfalls auf einen deutlich gesteuerten Prozess hin. In Lykien erleben wir diese Phase erst unter Claudius318, aber auch dann erfolgte ein radikaler Schnitt in der langen Tradition des hellenistischen Koinon. Bis zu diesem Moment aber trat das lykische Koinon als Ansprechpartner für Rom auf der Basis des 46 v. Chr. geschlossenen Vertrages auf. Offenbar gab es das Bestreben, die gewachsenen und funktionierenden Strukturen eines hellenistischen Städtebundes bestehen zu lassen, seine Privilegien zu bestätigen und sie in den politischen Prozess zu integrieren. Im Moment der Provinzialisierung allerdings war eine politische Entmachtung und kultische Umformung des Koinon für Rom unerlässlich. II.3.6. Fazit Mit Sicilia, Macedonia, Asia, Bithynia-Pontus, Zypern, Kreta und (unter Vorbehalt) Lykien kristallisierte sich ein exemplarischer Umgang Roms mit den Koina in republikanischer Zeit und in der Umbruchphase zur Kaiserzeit heraus. Diese Umbruchsphase war auch eine Zeit der Experimente, des trial and error im Umgang Roms mit den neu gewonnen Gebieten.319 Die hellenistischen Koina spielten im Provinzialisierungsprozess eine wesentliche Rolle. Sie waren Ansprechpartner, Transmitter, Kommunikationsorgan, Wissensbasis und personelle Ressource. Man griff von römischer Seite auf das dort versammelte administrative Wissen zurück, nutzte das Koinon und seine Funktionärsstruktur aber auch, um gezielt Unterstützer zu fördern. Mit Augustus veränderte sich die spätrepublikanische Strategie nicht in ihrer prinzipiellen, herrschaftssichernden Ausrichtung, aber sie verlagerte den Schwerpunkt auf den Kult des Herrschers. Man kann von einer Sakralisierung der persönlichen Beziehungen der Koina zu Augustus zu sprechen. Nicht Roma oder der einzelne erfolgreiche Magistrat standen nun im Zentrum der Beziehung, sondern die Person des Augustus. Zwar lassen auch frühere Beispiele wie das des Verres in Sicilia oder das des Q. Mucius Scaevola in Asia die kultisch-religiöse Komponente im Umgang der Koina mit den römischen Autoritäten erkennen, die augusteische Reform folgte nun aber einer provinzübergreifenden Strategie. Stellten die republikanischen Kulteinrichtungen eher Versuche der Provinzialen dar, mit der neuen Macht im Westen umzugehen, lag die Initiative nun viel stärker auf römischer Seite und war dem übergeordneten Ziel der Einrichtung einer Alleinherrschaft untergeordnet.

318 Dazu unten Kap. II.5.1.4. 319 Auf diese „experimentelle Form des römischen ‚Imperialismus‘“ hat bereits Schwertfeger hingewiesen (vgl. Schwertfeger, Der Achaiische Bund, S. 80).

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II.4 KOINON UND KAISERKULT: DIE EINRICHTUNG DES PROVINZIALEN KAISERKULTES IN ASIA UND BITHYNIA Über die 29 v. Chr. erfolgten Kultgründungen in den Provinzen Asia und Bithynia zeichnen die Quellen ein recht eindeutiges Bild. Die Landtage der beiden seit Jahrzehnten bestehenden Provinzen trugen an Octavian bei seiner Rückkehr aus Ägypten offensichtlich den Vorschlag heran, ihm einen Kult zu errichten. Betrachtet man die bereits geschilderten Entwicklungen der kultischen Ehrungen für Statthalter, Feldherren und die Göttin Roma, erscheint dies als zwangsläufige Maßnahme. Zieht man ferner das politische Geschehen während der Triumviratszeit in Betracht, als die beiden Provinzen in der Einflusssphäre der Caesargegner und des Marcus Antonius lagen und zu Kooperationsleistungen gezwungen waren – erinnert sei hier nur an die Leistungen des bithynischen Koinon für Brutus320 oder die Parteinahme Asias für Antonius und Kleopatra –, lassen sich die Motive beider Provinzen sicher nachvollziehen. Sie befürchteten Repressalien als Reaktion des siegreichen Octavian auf ihre Unterstützung für die Gegenseite. Dass sie für diese Annahme durchaus Grund hatten, zeigen unter anderem die ASIA RECEPTA Münzen der Jahre 29–27 v. Chr.321, die sowohl im Ausdruck recepta als auch in der Bildsymbolik die Vormachtstellung Roms hervorhoben und einen wenig versöhnlichen Octavian zeigten. Vor diesem Hintergrund muss der Kultantrag auch als Unterwerfungsgeste verstanden werden. Man muss diese Kulteinrichtung also auch aus der Perspektive der Provinzialen betrachten. Es existierten ja bereits Richtlinien in der Auseinandersetzung der Provinzialen mit herausragenden Personen und römischen Institutionen wie dem Senat oder der Göttin Roma. Ein Aspekt der Auseinandersetzung war der Kult, ein anderer die Kommunikation der Koina als partiell politisch-repräsentative Städteverbünde innerhalb der bestehenden Provinz mit der römischen Provinzadministration. So scheint es nur logisch, dass nicht Augustus allein die Initiative ergriff, sondern dieser Prozess auf Gegenseitigkeit beruhte und die Provinzialen ebenfalls an einer Neustrukturierung der Beziehungen interessiert waren. Sie hatten viel zu verlieren: in erster Linie ihren Besitz, aber auch ihre politische Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, nicht zuletzt institutionalisiert in der Einrichtung Koinon. Innerhalb dieser Koinon-Gemeinschaft griff man nun auf jene Strategien zurück, die auch schon in der Vergangenheit erfolgreich gewesen waren. Der „gute Prokonsul“ Mucius Scaevola wurde im Kult geehrt – eine Positionierung des Koinon in den 90er Jahren gegen die Repressalien der Statthalter. Die Initiative, diesen Kult einzurichten, ging also in Asia und Bithynia in der Tendenz eher von den Provinzeliten aus.322 Nur so konnten sie ihre lokale Macht sichern, nur so die Existenz des Koinon als einzigen Provinzverbandes garantieren und diese funktionierende Institution mit all ihren Implikationen im zwischenstädtischen, wirtschaftlichen Bereich, aber auch auf dem Feld von Prestige und Elitebildung erhal320 Vgl. dazu Kap. II.3.4. Bithynia-Pontus. 321 BMC Emp. I, Nr. 647–649; RIC I2, Nr. 276. 322 Price hat ausführlich dargelegt, dass der Herrscherkult als Reaktion der griechischen Städte auf die neuen politischen Realitäten zu deuten ist. (Price, Rituals and power).

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ten. Gleichzeitig konnten sie so dem „Koinarchen“323 seine führende Stellung garantieren, die durch die zusätzliche Übernahme des Amtes des Oberpriesters noch weiter ausgebaut wurde und eine neue Möglichkeit für die Elite schuf, sich repräsentativ darzustellen, soziale Macht, finanzielle Mittel zu bündeln. Daher erstaunt es auch nicht zu sehen, dass die Landtage von Asia und Bithynia bei diesem Antrag an Augustus gemeinsam agierten. Den Beteiligten auf Seiten der Provinzen war klar, dass hier ihre Lebensform, ihr Reichtum und die Reste ihrer politischen Selbstbestimmung auf dem Spiel standen. Ein beinahe ein Jahrhundert lang bestehendes System war existentiell bedroht. Asia und Bithynia sahen sich nicht dem Augustus von 13 oder 2 v. Chr. gegenüber, dem Friedensbringer oder pater patriae. Sie erwarteten den Triumvir Octavian, einen Mann, der gerade in Ägypten sehr deutlich gemacht hatte, wie er mit Feinden umzugehen pflegte. In dieser angespannten Situation darf man davon ausgehen, dass die Bewohner von Asia und Bithynia sehr genau beobachteten, wie Octavian in Ägypten agierte und sie werden versucht haben, aus den Entscheidungen, die er in Ägypten traf, herauszulesen, wie man ihm am besten entgegenkommen könnte. Daher ist es nicht unwichtig, kurz auf die Maßnahmen einzugehen, die Octavian in Ägypten traf. Zentral war sicherlich seine Legitimationsstrategie, sich durch die Angleichung an Alexander den Großen die Loyalität der griechischen Eliten des Landes zu sichern.324 Sichtbare Zeichen dieser imitatio Alexandri waren unter anderem die Verbreitung der Geburtslegende, die Berührung des Alexander-Leichnams, die Stadtgründung vor den Toren Alexandrias oder der Siegelring Octavians mit dem Bild Alexanders.325 Die Anlehnung Octavians an den Mann, der für die Entwicklung des hellenistischen Herrscherkultes die zentrale Figur war, konnte nur dahingehend gedeutet werden, dass er in dieser Rolle die Nachfolge Alexanders anzutreten wünschte. Eine politische Maßnahme dürfte die Provinzialen des Ostens darüber hinaus in Unruhe versetzt haben: Octavian löste den alexandrinischen Stadtrat auf, jene Institution also, die die politische Autonomie der Polis darstellte.326 Zu den weiteren Ordnungsmaßnahmen, die Octavian traf, schreibt Cassius Dio: „Dann machte er Ägypten tributpflichtig und vertraute seine Leitung dem Cornelius Gallus an. […] Auf diese Weise geriet Ägypten in die Sklaverei; denn alle Einwohner, die eine Zeitlang Widerstand geleistet hatten, wurden schließlich unterworfen, wie es ihnen auch die Gottheit mit aller Deutlichkeit angekündigt hatte. […] Große Summen wurden außerdem von jedem Einzelnen beigetrieben, dem man irgendwelche Vergehen zur Last legte. Überdies forderte man allen übrigen Leuten, selbst wenn keine besondere Beschwerde vorlag, zwei Drittel des Besitzes ab. […] Frühere Anleihen wurden vollständig zurückbezahlt; ferner flossen den Senatoren und Rittern, die mit ins Feld gezogen waren, gewaltige Summen zu. Kurzum das Imperium Romanum wurde reich und seine Tempel ausgeschmückt. […] Hierauf zog er durch Syrien in die Provinz Asia.“327 323 Zumindest für die Provinz Asia ist durch Strabon die Existenz von Asiarchen seit Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. belegt (Strab. 14, 1, 42; Strab. 14, 2, 24). 324 Vgl. dazu auch Pfeiffer, Der römische Kaiser und das Land am Nil, S. 41–60, bes. S. 45–49. 325 Ausführlich dazu Pfeiffer, ebd., S. 45–49. 326 Vgl. Cass. Dio 51, 17, 2. 327 Cass. Dio 51, 17, 1–18, 1. Übersetzung nach Cassius Dio, Römische Geschichte, Bd. IV: Bücher 51–60, übersetzt von Veh, O., Düsseldorf 2007, S. 31.

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Nun war Asia nicht Ägypten und zwischen Aegyptus capta und Asia recepta328 lag zwar ein kleiner, aber feiner Unterschied, dennoch dürften die Griechen Kleinasiens von den Maßnahmen alarmiert gewesen sein. Hinzu kam die römische Reaktion, von der ebenfalls Cassius Dio für den Winter 30/29 v. Chr. berichtet: Neben Triumphen, Ehrenbögen, Ehrenkränzen, Gelübden, Bildnissen, Vorrechten, politischen Sonderregelungen und Dankfesten an verschiedensten Terminen erging auch die Anweisung an alle Priester Roms sowie an jeden Privatmann, bei allen Gastmählern dem Augustus ein Trankopfer zu bringen.329 Diese Ausgangssituation muss man sich vor Augen halten, um die Reaktionen in Kleinasien verstehen zu können. Das harte Strafgericht über Ägypten sowie die Zeichen aus Rom, die unmissverständlich zeigten, dass Octavian auf absehbare Zeit eine Sonderstellung im römischen Staat einnehmen würde, führten sicherlich innerhalb des Vertretergremiums der Städte, dem Koinon, zu hitzigen Diskussionen, wie diesem Mann nun begegnet werden könnte. Man musste einerseits verhindern, dasselbe Schicksal wie die Einwohner Ägyptens zu erleiden, andererseits auch die Weichen für eine zukunftsweisende Zusammenarbeit stellen. Die Kulteinrichtungen von 29 v. Chr. sind nichts mehr und nichts weniger als Versuche, die eigene Existenz in allen Facetten zu sichern. Im Grunde griff man dabei auch auf das im kollektiven Gedächtnis gespeicherte ersten Zusammentreffen mit der römischen Macht 133 v. Chr. zurück oder stärker noch auf jene Phase der sullanischen Reform von Provinz und Koinon, die nach den mithridatischen Kriegen folgte. Sullas Strafgericht war hart gewesen, seine finanziellen und politischen Folgen prägten die Provinz für Jahrzehnte. Auch in diesen Phasen gelang es den Eliten letztlich, ihre Macht durch Kooperation mit den Römern zu sichern und gewachsene Strukturen zu prolongieren. Eines allerdings hatte sich aus Sicht der Provinzialen im Vergleich zu Sulla zu ihren Gunsten verändert: Es gab in Rom einen starken Mann, der sich selbst bereits zum divi filius gemacht hatte. Traditionelle Muster der hellenistischen Herrscherverehrung, die in Zeiten der römischen Republik eher auf Umwegen funktioniert hatten, konnten nun reaktiviert werden. Im griechischen Osten wurde dies sicherlich weniger als Unterwerfung, sondern als Chance für eine ‚neue alte Form‘ der Kommunikation begriffen. Augustus war bereit, dieses Angebot der Kooperation anzunehmen, wie seine Erlaubnis, den Kult einzurichten, verdeutlicht. Dass er aber durchaus die Ausrichtung vorgeben wollte, zeigen seine klaren Anweisungen und die Trennlinien, die er von Anfang an zog. Augustus war ein kluger Stratege und man darf annehmen, dass er sich der Chancen und Möglichkeiten, die ein solcher Kult ihm bot, bewusst war. Er wollte triumphieren, ohne der Gegenpartei einen zu großen Gesichtsverlust zuzumuten. Vor diesem Hintergrund genehmigte er den Kult, wohl wissend, dass er damit auch die Koinon-Struktur perpetuierte. Sollte er 29 v. Chr. schon klare Vorstellungen von seiner zukünftigen Stellung in Rom gehabt haben, so dürfte ihm der Kult nicht ungelegen gekommen sein und auch die Chancen der Kontrolle über die reiche Provinz Asia durch die Anbindung seines Kultes an das Koinon, waren ihm 328 So die numismatischen Legenden zu den Provinzen und ihrer Unterwerfung bzw. Rückeroberung. (Vgl. u. a. BMC Emp. I, Nr. 647–649; RIC I2, Nr. 276. Vgl. auch Schachinger, W., Die Propaganda des Augustus im Spiegel seiner Münzprägung, Diss., Wien 2010). 329 Cass. Dio 51, 19, 1–20, 3.

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sicher bewusster, als die Quellen dies nahelegen. Ein solches Machtspiel bedeutete auch, die Strukturen, die er vorgefunden hatte, nicht radikal zu verändern, obwohl die Eliten sich zum großen Teil auf die Seite des Marcus Antonius geschlagen hatten. Vielleicht war es die große Stärke des Augustus, zu kühl und zu kalkulierend zu sein, um den eigenen Rachegefühlen freien Lauf zu lassen. Strategisch klug, akzeptierte er das Angebot der Provinzen, die für ein kleines Stück politischer Repräsentation den Preis der religiös-kultischen Unterwerfung bezahlten. Ein Modell war geboren, das sich innerhalb weniger Jahre im Osten weiterentwickelte, in den Westen des Reiches ausbreitete und zum Erfolgsmodell avancierte. Es bleibt die Frage, warum Octavian auf einer Trennung zwischen cives Romani und peregrini bestand. Die bei Cassius Dio überlieferte Anweisung des Octavian stellte eine Neuentwicklung innerhalb der seit hellenistischer Zeit praktizierten Herrscherverehrung dar. Dem griechischen Autor des dritten Jahrhunderts zufolge – und nur er überliefert uns diese Spezifik – erlaubte der Sieger von Actium die Kulteinrichtung, legte aber bisher nicht bekannte und auch später so nicht mehr praktizierte Regelungen hinsichtlich Adressat und Empfänger fest. So sollten in beiden Provinzen zwei Kulte entstehen, die jeweils für die in der Provinz lebenden Einheimischen und Römer verpflichtend waren. Die Kulte für die Römer sollten der Dea Roma und dem Divus Iulius geweiht sein und ihren Sitz in Ephesos und Nikaia haben, die Kulte für die peregrini sollten in Pergamon und Nikomedeia ihre Zentren haben und den Octavian verehren: Καῖσαρ δὲ ἐν τούτῳ τά τε ἄλλα ἐχρημάτιζε, καὶ τεμένη τῇ τε Ῥώμῃ καὶ τῷ πατρὶ τῷ Καίσαρι, ἥρωα αὐτὸν Ἰούλιον ὀνομάσας, ἔν τε Ἐφέσῳ καὶ ἐν Νικαίᾳ γενέσθαι ἐφῆκεν· αὗται γὰρ τότε αἱ πόλεις ἔν τε τῇ Ἀσίᾳ καὶ ἐν τῇ Βιθυνίᾳ προετετίμηντο. καὶ τούτους μὲν τοῖς Ῥωμαίοις τοῖς παρ´ αὐτοῖς ἐποικοῦσι τιμᾶν προσέταξε· τοῖς δὲ δὴ ξένοις, Ἕλληνάς σφας ἐπικαλέσας, ἑαυτῷ τινα, τοῖς μὲν Ἀσιανοῖς ἐν Περγάμῳ τοῖς δὲ Βιθυνοῖς ἐν Νικομηδείᾳ, τεμενίσαι ἐπέτρεψε. „Neben der Erledigung der sonstigen Aufgaben her gab Caesar damals [29 v. Chr.] die Erlaubnis zur Weihung heiliger Bezirke für die Roma und seinen Vater Caesar, den er selbst Divus Iulius nannte, und zwar in Ephesos und Nikaia; die genannten Städte hatten nämlich damals in Asia bzw. Bithynien die erste Stelle inne. Er befahl den dort wohnenden Römern, die beiden Gottheiten zu verehren, während er den Nichtrömern, von ihm Hellenen genannt, gestattete, ihm selbst heilige Bezirke zu widmen, den Bewohnern von Asia in Pergamon, den Bithyniern in Nikomedeia.“330

Allgemein geht man davon aus, dass die Aussagen bei Cassius Dio dahingehend präzisiert werden müssen, dass auch für Octavian ein Kult nur gemeinsam mit der Göttin Roma beschlossen wurde – dies lesen wir bei Tacitus331 und Sueton332 und dies ergibt sich auch aus dem Münzbefund.333 330 Cass. Dio 51, 20, 6–7, Übersetzung nach Cassius Dio, Römische Geschichte, Bd. IV: Bücher 51–60, übersetzt von Otto Veh, Düsseldorf 2007, S. 34. Veh übersetzt ἥρωα αὐτὸν Ἰούλιον ὀνομάσας mit der Wendung, „den er selbst Heros Iulius nannte“. Hier erscheint die Wiedergabe mit „Divus Iulius“ sinnvoller. Vgl. dazu auch Gradel, I., Emperor worship and Roman religion, Oxford 2002, S. 63–68. 331 Tac. ann. 4, 37, 3. 332 Suet. Aug. 52. 333 RPC I 1, S. 377–379.

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Glaubt man Cassius Dio, dann befahl Octavian den Römern sogar die Kulteinrichtung, wohingegen er den Hellenen diese gestattete. Der Unterwerfungsgestus wurde also gegenüber den Römern expliziter gemacht als gegenüber den Hellenen. Die Frage, ob die bei Cassius Dio überlieferte Unterscheidung zwischen einem Kult für den Divus Iulius und Roma für die römischen Bürger der Provinzen und für Roma und Augustus für die peregrini ein tatsächlich in die Praxis umgesetztes Konzept oder bloße theoretische Planung war, hat Peter Herz 2003 ausführlich diskutiert.334 Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Trennung der Kulte möglicherweise angedacht war – um der schwierigen innenpolitischen Situation zwischen dem Sieg von Actium und der Errichtung des Prinzipats Rechnung zu tragen –, so aber nie in die Tat umgesetzt wurde. Dafür spricht die von Peter Herrmann neu bearbeitete Inschrift für C. Iulius Epikrates aus Milet335, in der seine Ämter im ionischen Koinon und im Koinon von Asia aufgezählt werden: ἀρχιερέα Ἀσίας καὶ τῶν Ἰώνων διὰ βίου καὶ ἀγωνοθέτην διὰ βίου. In der Argumentation von Herz und Herrmann ist es durchaus möglich, dass die Bezeichnung διὰ βίου sowohl auf das Amt im ionischen Koinon wie auch im asianischen Landtag bezogen werden kann. Das hieße, dass einer der ersten, vielleicht bereits der allererste Archiereus des provinzialen Kultes für Roma und Augustus ein römischer Bürger war, folglich die bei Cassius Dio überlieferte Unterscheidung nie praktisch vollzogen wurde. Für eine solche Annahme sprechen ebenfalls die nachfolgenden Kulteinrichtungen im Osten – beispielsweise in Galatien schon 25 v. Chr. – und im Westen – 12 v. Chr. in den Tres Galliae –, bei denen es diese Trennung nicht gab. Die Münzprägung kennt ebenfalls nur den Augustus-und-Roma-Tempel in Pergamon.336 Numismatische Belege für eine eigene überregionale Kultstätte des Divus Iulius und der Göttin Roma existieren nicht. Man darf aber auch die Möglichkeit einer anfänglichen tatsächlichen Trennung nach Römern und Nichtrömern nicht gänzlich ausschließen.337 Immerhin existieren für die Jahre zwischen der Kulteinrichtung 29 v. Chr. und dem Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr. in der Mehrzahl Belege (5) für Archiereis peregriner Herkunft.338 Wir besitzen drei Belege für römische Bürger (C. Iulius Epikrates, C. Iulius Xeno (vor 5 v. Chr.) und M. Antonius Lepidus (2 bis 1 v. Chr.).339 Die Bezeichnung διὰ βίου für C. Iulius Epikrates in der Anfangszeit des Kultes nach 29 v. Chr. könnte 334 Herz, Zur Geschichte des Kaiserkultes in Kleinasien. 335 Herrmann, Milet unter Augustus. C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkultes; vgl. auch ders., Milet unter Augustus. Erkenntnisse aus einem Inschriften-Neufund, in: Strubbe, J. H. M., Tybout, R. A., Versnel, H. S. (Hgg.), ΕΝΕΡΓΕΙΑ. Studies in ancient history and epigraphy presented to H. W. Pleket, Amsterdam 1996, S. 1–18. 336 RPC I 1, S. 377–379. 337 In dem Fall muss man von einer Motivation ausgehen, die in der spezifischen Situation von Asia und Bithynia zu suchen ist, da die später eingerichteten Landtage in den Provinzen Galatia oder Tres Galliae diese Unterscheidung nicht kannten. Ein Grund könnte möglicherweise im Verhalten der Provinzen während der Bürgerkriege liegen. 338 Vgl. Campanile, I sacerdoti, Nr. 2, 3, 4, 6; dies., Sommi sacerdoti, asiarchi e culto imperiale: un aggiornamento, S. 523–584, Nr. 199. 339 Vgl. Campanile, I sacerdoti, Nr. 1, 5; dies., Sommi sacerdoti, asiarchi e culto imperiale: un aggiornamento, S. 523–584, Nr. 201.

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nach Ansicht der Autorin auch darauf zurückzuführen sein, dass er als römischer Bürger dieses Amt „ehrenhalber“ erhielt, diese Bezeichnung dann aber entfiel oder eine andere Bedeutung erhielt, nachdem die Trennung zwischen Römern und Peregrinen weggefallen war. Betrachtet man ferner die Bezeichnung des asianischen Koinon im Verlauf des ersten Jahrhunderts v. Chr. eingehender, stellt man fest, dass es in der Mehrzahl der Belege eine starke Betonung des griechischen Charakters dieser Institution oder zumindest des nicht-römischen, also peregrinen Elementes gibt. Sowohl in den Selbst- wie auch in den Fremdbezeichnungen wird dies deutlich: [τῶν ἐν τῆ]ι φιλίαι κριθέ[ντων] δήμων τε καὶ ἐ[θνῶν …]340; οἱ ἐν τῇ Ἀσίαι δῆμοι καὶ τὰ ἔθνη καὶ οἱ κατ’ ἄνδρα κεκριμένοι ἐν τῇ πρὸς Ῥωμαίους φιλίαι341; κοινὸν τῶν ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων | κοινὸν τῶν Ἑλλήνων342; τὸ κοινὸν τῶν Ἑλλήνων343; τῷ κοινῷ τῶν ἀπὸ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων344. Das Koinon verstand sich selbst in seiner vorkaiserzeitlichen Form als eine Versammlung von peregrini. Die römischen Bevölkerungsteile Asias waren in ihm nicht vertreten. Ein Antrag des κοινὸν τῶν Ἑλλήνων kann daher auch nur eine Kulteinrichtung für die dort vertretenen griechischen Bevölkerungsteile gewähren. Auf die Frage, warum die bei Cassius Dio überlieferte Trennung vollzogen wurde345, gibt es also eine relativ simple Antwort: Die römischen Bewohner waren 29 v. Chr. aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht im Koinon organisiert. Für die in der Provinz lebenden Römer gab es eine eigene Organisationsform, den conventus civium Romanorum.346 Der Befehl Octavians an die Romani consistentes zur Einrichtung von Kulten für den Divus Iulius in den Städten Ephesos und Nikaia, die als Metropolen fungierten und damit eine Überordnung der Kulte für alle römischen Bewohner der Provinzen markierten, stellte daher eine zwingende Notwendigkeit dar, um einerseits die Vorgaben der

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OGIS 437 = IGR IV 297; Sherk, Roman documents, S. 256–259, Nr. 47. OGIS 439 = IvOlympia 327; OGIS 438 = IGR IV 188; IGR IV 291. Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure, S. 444, Z. 4, 21, 22, 24. IvPriene 106; Robert, L., Le culte de Caligula a Milet et la Province d’Asie, Hellenica 7 (1949), S. 206–238, hier S. 227 f.; Sherk, Roman documents, S. 272–276, Nr. 52. 344 Robert, Le culte de Caligula, S. 222 f., Sherk, Roman documents, S. 290–293, Nr. 57. 345 In der Regel gehen die Erklärungsmuster davon aus, dass die Unterscheidung getroffen wurde, um die römischen Befindlichkeiten zu schonen. Ein Kult für den Octavian wird dabei stets als Affront gegen die römische Tradition gewertet, der zudem zu stark an Antonius erinnert hätte (z. B. Campanile, L’assemblea provinciale d’Asia in età repubblicana, S. 139–141). 346 Zu den conventus civium Romanorum vgl. Kirbihler, F., Die Italiker in Kleinasien, mit besonderer Berücksichtigung von Ephesos (133 v. Chr.–1. Jh. n. Chr.), in: Meyer, M. (Hg.), Neue Zeiten – Neue Sitten. Zur Rezeption und Integration römischen und italischen Kulturguts in Kleinasien, Wien 2007, S. 19–35. Selbst noch Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. spricht eine Inschrift aus Laodikeia am Lykos von οἱ ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ῥωμαῖοι καὶ Ἕλληνες (IGR IV 860). Im Westen des römischen Reiches stand dieser Organisation der Romani consistentes ein (summus) curator civium Romanorum vor. (Lugdunensis und Aquitania: CIL XIII 1921 = ILS 7024; CIL XIII 1900 = ILS 7025; Dalmatia: CIL III 2733 = ZPE 7 (1971), S. 85 = AE 1977, 613). Vgl. zu diesem Amt auch Mitteis, L., Reichsrecht und Volksrecht in den östlichen Provinzen des römischen Kaiserreichs. Mit Beiträgen zur Kenntnis des griechischen Rechts und der spätrömischen Rechtsentwicklung, Leipzig 1891, S. 149–151.

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lex Rufrena zu erfüllen347 und andererseits alle Bewohner Asias und Bithynias in den Kult des julischen Hauses zu integrieren. Die Übertragung der Archierosyne an römische Bürger vor 5 v. Chr. lässt aber nur den Schluss zu, dass diese Trennung bald aufgehoben wurde, die Römer also entweder ins Koinon aufrückten – was bedeuten würde, dass seine Struktur sich mit der Kultübertragung verändert hätte – oder aber zumindest im Rahmen einer Amtsübernahme ehrenhalber partizipierten, was sich im Titel-Zusatz διὰ βίου niederschlug. Möglicherweise lag ein weiteres Motiv für diese ursprünglich angedachte räumliche und kultische Trennung darin, dass in Ephesos bereits ein gemeinsamer städtischer Kult für Roma und den Divus Iulius existierte – dies vermutet zumindest Weinstock.348 Bereits seit Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr. ist für die Stadt Ephesos ein Kult der Dea Roma belegt349, die Ehreninschrift für Caesar aus dem Jahr 48 v. Chr. wurde bereits erwähnt. Parallelen könnten gezogen werden zum gemeinsamen Kult der Dea Roma und des P. Servilius Isauricus.350 All dies spricht in den Augen von Weinstock dafür, dass auch der Kult des Divus Iulius nach 42 v. Chr. mit dem Kult der Roma zusammengelegt wurde. Möglicherweise war in diesen Kult oder seine Organisation auch bereits das asianische Koinon eingebunden, wie eine – allerdings leider extrem fragmentarische – Inschrift aus Ephesos vermuten lässt.351 Ob der Bericht des Cassius Dio dann so verstanden werden muss, dass im Jahr 29 v. Chr. allen römischen Bürgern der Provinz die Erlaubnis erteilt wurde, an

347 So bereits Herz, Zur Geschichte des Kaiserkultes, S. 133 f. 348 Vgl. Weinstock, S., Divus Julius, Oxford 1971, S. 403. 349 IGR IV 297. Für die Belege zum Roma-Kult in Ephesos vgl. Engelmann, H., Zum Kaiserkult in Ephesos, S. 282, ZPE 97 (1993), S. 179–289. 350 Vgl. Mellor, ΘΕΑ ΡΩΜΗ, S. 218, Nr. 128. 351 Keil, J. (Hg.), Die Johanneskirche (FiE IV 3), Baden 1951, S. 280 f., Nr. 24; Millar, F., Triumvirate and Principate, JRS 63 (1973), S. 50–67, hier S. 55, Nr. 6; vgl. Weinstock, Divus Julius, S. 402 f. Der Text der Inschrift lautet: [–]θέλετε κελεύετε ἵνα Μᾶρκος Ἀν[τώνιος –] ε̣ἴ̣τε τι ὑπὲρ ταύτης ἱερωσύνης τε[λεῖν – ἱερομνη] μονήαν θεοῦ Ἰουλίου μετὰ πο[–]τ̣ε ποῇ μήτε τις τούτων τινὰ τῶν [–]ων πρὸς ταύτην τὴν ἱερομνημ[ο] [νήαν – πα]ρ̣έχειν τούτων τῶν διδόντων ἢ ὑ[–]ην τὴν ἐρώτησιν ποήσῃ ἢ γ..[– κοινῶι σωτῆ]ρ̣ι μόνῃ τε αἰτίαι πάντω[ν τῶν] [ἀγαθῶν –]τα̣ρχ̣ο̣[–]. Bei dem Dokument handelt es sich um ein offizielles römisches Schreiben aus dem Jahr 41 v. Chr., den Kult des Divus Iulius betreffend. Es werden Bezüge zu den Abgeordneten des Koinon hergestellt, das Schreiben richtet sich folglich an das asianische Koinon. Die Erwähnung des Marcus Antonius in einem solchen Schreiben kann nur auf seine Rolle als Triumvir und Flamen des Divus Iulius zurückgeführt werden. Es wird eine Priesterschaft erwähnt (ἱερωσύνη) und die Kulteinrichtung behandelt. All diese Details in Rechnung gezogen, handelt es sich hier möglicherweise um die Einrichtung eines provinzialen Kultes für den Divus Iulius auf der Basis der lex Rufrena, unter Einbindung des römischen Flamen des neuen Gottes, Marcus Antonius, mit dem Zentrum Ephesus. Fraglich und zweifelhaft ist, ob diese Initiative während der Triumviratszeit weiter verfolgt und umgesetzt wurde, Belege dafür gibt es leider nicht. Zwar geht Weinstock davon aus, dass bereits in dieser Zeit der Titel Archiereus als Übertragung des römischen Flamen eingesetzt wurde, dies scheint in der Forschung aber eine Einzelmeinung zu sein. (Vgl. Weinstock, Divus Julius, S. 404).

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diesem bestehenden Kult zu partizipieren oder eigene neue Tempel zu bauen, bleibt offen.352 Als Fazit zu dieser Diskussion um Cassius Dios Bericht können wir festhalten, dass die von Herrmann dargestellten neuen prosopographischen Erkenntnisse zur Person des C. Iulius Epikrates nicht zwingend den Schluss erlauben, es habe die Trennung des Kultes nach Römern und Peregrinen nie gegeben. Viel eher wird man davon ausgehen müssen, dass sie anfangs installiert, dann aber von den provinzialen Entwicklungen schnell überholt und obsolet wurde. Möglicherweise fielen sie auch unter jene Anordnungen der Triumviratszeit, die Augustus am Ende seines sechsten Konsulats als rechtswidrig getroffen deklarierte und aufhob.353 Dies wäre zumindest ein schlauer Schachzug gewesen, der die römische Bevölkerung in den Provinzen Asia und Bithynia zwangsläufig nach dem Staatsakt von 27 v. Chr. zur Verehrung des Augustus und der Roma brachte.354 Auch wenn die Zeugnisse nicht immer bis ins Letzte verständlich sind, zeigen sie doch, dass Augustus keine gänzlich neue Struktur schuf, sondern vielmehr eine neue Ordnung in bereits bestehende Strukturen brachte. Abgesehen von den berechtigten Zweifeln an der Überlieferung des Cassius Dio sind die Details der Kulteinrichtung nicht umstritten. Für die römischen Bürger war mit der 42 v. Chr. beschlossenen lex Rufrena die rechtliche Grundlage gegeben, den Divus Iulius in den Staatskult einzubeziehen. Der Provinziallandtag schuf sich mit der Anfrage an Octavian im Grunde selbst die rechtliche Basis für eine Kulteinrichtung. Dabei ist es wichtig noch einmal zu betonen, dass zumindest der asianische Landtag bereits Kulte für Statthalter mit Spielen (M. Scaevola/Moukieia) eingerichtet hatte. Wie aus dem bisher Gesagten deutlich geworden sein dürfte, stellt die Einrichtung eines Kultes für den neuen starken Mann per se kein Novum dar. Auch die überstädtische Ausrichtung auf die gesamte Provinz war – wie die Beispiele Scaevola und (vielleicht) Caesar zeigen – kein Präzedenzfall. Insofern ist die Aussage Deiningers zu diesem Moment der Kulteinrichtung 29 v. Chr. in gewisser Weise anachronistisch, da sie aus einer späteren, kaiserzeitlichen Perspektive heraus verfasst ist: „Aus all dem ergibt sich, daß das Entscheidende an der Zustimmung Octavians zu den ihm vom asiatischen und bithynischen Koinon angetragenen kultischen Ehrungen darin bestand, dass mit der erstmaligen Übertragung eines provinzialen Kaiserkultes an einen der bestehenden Landtage nunmehr der Typus der kaiserzeitlichen Provinziallandtage geschaffen war, an dem sich alle späteren Schöpfungen ausrichten sollten. Es bedeutet, daß der provinziale Kaiserkult damit von Anfang an in die Hände einer von Hause aus nicht auf kultische Aufgaben beschränkten, sondern wenigstens bedingt auch politische zu wertenden Organisation gelegt war. Umgekehrt aber hatten natürlich die Landtage von Asia und Bithynien durch den ihnen übertragenen Kaiserkult eine neue und schwer anfechtbare Legitimität gewonnen.“355

352 Vgl. Weinstock, ebd., S. 403. 353 Cass. Dio 53, 2, 5. 354 Diesen Anachronismus betont auch Fishwick und verweist auf die zunehmende Bürgerrechtsverleihung an prominente Provinziale und ihre Inklusion in den römischen Kaisereid. (Fishwick, ICLW I 1, S. 130). 355 Deininger, Provinziallandtage, S. 19.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

Eine wesentlich treffendere Analyse vor dem Hintergrund der Ereignisse von 29 v. Chr., die auch auf der Basis der heute bekannten Quellen formuliert ist, liefert Campanile. Sie deutet die Integration des Kaiserkultes in das Koinon als eine reziproke Strategie von Herrscher und Koinon. Die Gründung eines Kultes, der dem neuen Herrscher in Rom gewidmet war, stabilisierte die Existenz des Provinziallandtags für fast vier Jahrhunderte, ließ ihn aufleben, und rechtfertigte im Grunde sein Bestehen. Die Ausübung des Kultes – wichtigster, aber nicht einziger Grund seiner Existenz – befähigte das Koinon bis zu einem gewissen Grad, jene vitalen Funktionen zu erfüllen, welche die Bindung zwischen der Peripherie des Imperiums und dem Zentrum der Macht stärkten, und repräsentierten eine ideale Möglichkeit für die Aufnahme der lokalen Eliten in die Reichsadministration und Reichsregierung.356 II.5 DIE EINRICHTUNG DER KAISERZEITLICHEN PROVINZIALLANDTAGE IM OSTEN UND WESTEN DES RÖMISCHEN REICHES Im Folgenden werden jene Koina und Concilia konkret beleuchtet, für die sich die Quellensituation in den letzten Jahrzehnten derart verbessert hat, dass heute Aussagen getroffen werden können, die über das in der aktuellen Forschung akzeptierte Bild der Provinziallandtage357 deutlich hinausgehen oder es sogar grundsätzlich in Frage stellen. Im Osten gilt dies ganz besonders für die Provinzen Galatien, Syrien, Kappadokien und Lykien. In der westlichen Reichshälfte werden hauptsächlich die Provinzen Tres Galliae, Germanien, die drei spanischen Provinzen sowie die Gallia Narbonensis neu analysiert. Für einige weitere Provinzen (z. B. das Westpontische Koinon, Pannonien, Thrakien oder Kilikien) können zumindest neue Belege angeführt werden, die Raum für Spekulationen bieten. Abschließend wird zunächst der Prozess der Übertragung der östlichen Koinon-Struktur auf die westlichen Provinzen unter einer kulturhistorischen Perspektive betrachtet (Kap. II.6.), um darauf aufbauend die neuen Ergebnisse in einer Zusammenschau in die Strategie römischer Provinzialpolitik einzuordnen (Kap. II.8.). II.5.1 Die Einrichtung neuer Koina im Osten unter den Kaisern der julisch-claudischen Dynastie Gewissheit besteht darüber, dass die Provinziallandtage von Asia, Bithynia, Zypern und Kreta nach dem Sieg von Actium in dem Sinne neu formiert wurden, dass sie zu provinzialen Zentren des Kaiserkultes wurden. Folgt man der Überlieferung in den Quellen, ging dieser Transformationsprozess initiativ eher von den Provinzialen aus. Zweifel ergeben sich an dieser Version, wenn man die Provinzen im Zusammenhang betrachtet und dabei feststellt, dass es sich scheinbar um eine konzer356 Vgl. Campanile, Sommi sacerdoti, asiarchi e culto imperiale: un aggiornamento, S. 552. 357 Vor allem das Werk von Deininger (Provinziallandtage) hat dieses Bild maßgeblich geprägt.

II.5 Die Einrichtung der kaiserzeitlichen Provinziallandtage im Osten und Westen

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tierte Aktion handelte. Zwar besitzen wir bislang nur andeutungsweise Hinweise darauf, wie von römischer Seite bewusst steuernd eingegriffen wurde358, die sich aus der vergleichenden Untersuchung ergebenden parallelen Strukturen lassen aber keinen anderen Schluss zu, als dass die Reform der Koina nach dem augusteischen Sieg in enger Absprache von provinzialen Eliten und römischen Machthabern durchgeführt wurde. Die Reform bestehender und die Einrichtung neuer Koina muss als eine strategische Maßnahme zur Herrschaftssicherung betrachtet werden. II.5.1.1 Galatien Jene Provinz, in die der provinziale Kaiserkult zuerst transferiert wurde, war das im Osten geographisch an Asia und Bithynia angrenzende Galatien. Auch hier mag man wieder eine Mischung aus Eigeninitiative und römischem Einfluss bei der Initiierung eines provinzialen Herrscherkultes vermuten, als nach dem Tod des galatischen Herrschers Amyntas 25 v. Chr. das Königreich Galatien an die Römer fiel und in eine Provinz umgewandelt wurde. Allerdings gestaltete sich der Prozess in Galatien schwierig aufgrund der ethnischen Sonderentwicklung, der geographischen Besonderheiten dieses Territoriums und der daraus resultierenden fehlenden Urbanität. Die im dritten Jahrhundert v. Chr. nach Kleinasien eingewanderten keltischen Gruppen hatten sich bis zum ersten Jahrhundert in dem Gebiet etabliert und die phrygische Vorbevölkerung unterworfen. Der Stamm der Trokmer siedelte östlich, die Tektosagen westlich des Halys. Der Stamm der Tolistobogier hatte seinen Siedlungsraum wahrscheinlich entlang des Mittellaufs des Sangarios.359 Unter den Königen Deiotaros und Amyntas wurden die galatischen Stämme im ersten Jahrhundert v. Chr. geeint, allerdings ordnete Augustus das Gebiet 25 v. Chr. bei der Gründung der römischen Provinz360 Galatia neu, wobei er eine Polis der Galater mit drei Teilstämmen einrichtete, Zentren für die drei Stämme festlegte und als Hauptstadt der Provinz die Metropole der Tektosagen Ancyra bestimmte.361 Neben dem eigentlichen Galatien wurden der neuen Provinz schließlich Lykaonien, Teile von Pisidien und höchstwahrscheinlich auch Pamphylien zugeschlagen.362 Etwa 6/5 v. Chr. 358 Vgl. das Beispiel Kretas, das diese römische Steuerung des Prozesses recht deutlich macht (Kap. II.3.5.2). 359 Vgl. dazu Coşkun, A., Der Ankyraner Kaiserkult und die Transformation galatischer und phrygisch-galatischer Identitäten in Zentralanatolien im Spiegel der Münzquellen, in: ders., Heinen, H., Pfeiffer, S. (Hgg.), Identitäten und Zugehörigkeit im Osten der griechisch-römischen Welt. Aspekte ihrer Repräsentation in Städten, Provinzen und Reichen, Frankfurt 2009, S. 173–211, hier S. 174–177. 360 Vgl. Mitchell, S., Römische Macht im frühkaiserzeitlichen Ankara – Verwaltung oder Herrschaft?, in: Haensch, R., Heinrichs, J. (Hgg.), Herrschen und Verwalten. Der Alltag der römischen Administration in der hohen Kaiserzeit, Köln (u. a.) 2007, S. 366–377. 361 Cass. Dio 53, 26, 3; Strab. 12, 18, 14. Vgl. auch Coşkun, ebd. mit einer Karte, auf der die territorialen Weiterentwicklungen der Provinz bis ins zweite Jahrhundert dargestellt werden. 362 Vgl. Eck, Die politisch-administrative Struktur der kleinasiatischen Provinzen, S. 191; Brandt, H., Kolb, F., Lycia et Pamphylia. Eine römische Provinz im Südwesten Kleinasiens (Orbis Provinciarum), Mainz 2005, S. 24.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

wies Augustus Paphlagonia der Provinz Galatia zu, die Landschaft scheint aber trotz der administrativen Zugehörigkeit zur Provinz Galatia ein eigenes Koinon363 erhalten zu haben, das unabhängig neben dem galatischen existierte.364 Das erstmalige Auftauchen eines Paphlagoniarchen in einer noch unpublizierten Inschrift aus Pompeiopolis spiegelt die Eigenständigkeit dieses Koinon wider.365 Coşkun konnte jüngst zeigen, dass trotz der Beibehaltung der Teilidentitäten der einzelnen Stämme die Einrichtung des Kaiserkultes um das Sebasteion in Ancyra auch zur Schaffung einer gemeinsamen galatischen Provinzidentität führte. Der Kult und die sich daran später anschließende Konstituierung eines galatischen Koinon wurden folglich zu Voraussetzungen eines ethnisch­politischen Gemeinschaftsempfindens.366 Diese Entwicklungen zeugen mit großer Gewissheit von einer ordnenden römischen Hand, die ganz bewusst das Heiligtum für Augustus und Roma instrumentalisierte, um die Provinz von innen zu stabilisieren. Offenbar hatten die Vorgänge in Asia und Bithynia Erfolge gezeitigt und das Gefüge von römischen Machthabern und Provinzialen auf ein funktionierendes Fundament gestellt.367 Die jahrelange Kontroverse um die Chronologie von Kulteinrichtung und Tempelbau hat jüngst Coşkun zugunsten der frühen Datierung der Ancyraner Priesterliste in die augusteische Zeit entschieden.368 Diese frühe Datierung scheint auch

363 Anders bei Vitale, der eine eigene Provinz Paphlagonia von 6/5 v. Chr. bis in die Zeit des Maximinus Thrax annimmt. (Vitale, Eparchie und Koinon, S. 205–229). 364 Schon 5 v. Chr. begann in Paphlagonien ein das gesamte Gebiet umfassender Kaiserkult, der durch den bekannten Treueeid der Bewohner Paphlagoniens – explizit werden die Einheimischen und die Römer als zwei separate Gruppen eingeschlossen – belegt ist. (ILS 8781 = OGIS 532 = IGR III 137 = Ehrenberg, Jones 315). In der Inschrift wird explizit angeordnet, dass die Bewohner den Eid auf Augustus in den Augustusheiligtümern vor den Altären des Augustus ablegen sollen, diese Heiligtümer scheinen also schon existiert zu haben und dürften demnach sofort mit der römischen Annexion entstanden sein. Die parallele Chronologie zu Galatien war sicherlich kein Zufall. Vgl. dazu die Ausführungen zur Münzprägung des paphlagonischen Koinon im Kap. IV.5. Siehe dazu auch Deininger, Provinziallandtage, S. 69 mit Anm. 2; Eck, Die politisch-administrative Struktur der kleinasiatischen Provinzen, S. 192; Marek, C., Geschichte Kleinasiens in der Antike, unter Mitarbeit von Peter Frei, München 2010, S. 518; Wesch-Klein, Provincia, S. 277 f.; Herrmann, P., Der römische Kaisereid. Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung (Hypomnemata 20), Göttingen 1968, S. 96–98; Cancik, H., Der Kaiser-Eid. Zur Praxis der römischen Herrscherverehrung, in: ders., Hitzl, K. (Hgg.), Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen, Tübingen 2003, S. 29–45. 365 Vgl. Vitale, Eparchie und Koinon, S. 228 f. mit Anm. 1362. Deiningers Thesen zum paphlagonischen Koinon sind damit überholt. 366 Vgl. dazu mehr im Kap. III.3. Die Provinziallandtage als Identitätsstifter. 367 Zur territorialen und damit einhergehenden Veränderung im Selbstverständnis des galatischen Landtags, die sich möglicherweise auch in der Änderung seines Namens von ‚Koinon der Augusteischen Galater‘ in ‚Koinon von Galatia‘ ausdrückte vgl. Vitale, Eparchie und Koinon, S. 122–129. 368 Vgl. Coşkun, A., Von der ‚Geißel Asiens‘ zu ‚kaiserfrommen‘ Reichsbewohnern. Studien zur Geschichte der Galater unter besonderer Berücksichtigung der amicitia populi Romani und der göttlichen Verehrung des Augustus (3. Jh. v.–2. Jh. n. Chr.), Habil.-Schr. Universität Trier 2007 (unveröffentlicht); ders., Der Ankyraner Kaiserkult und die Transformation galatischer und phrygisch-galatischer Identitäten, S. 173–211; ders., Das Edikt des Sex. Sotidius Strabo Li-

II.5 Die Einrichtung der kaiserzeitlichen Provinziallandtage im Osten und Westen

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unter den Spezialisten für den galatischen Kaiserkult akzeptiert zu sein.369 Demnach vergingen zwischen der Einrichtung der Provinz 25 v. Chr. und der Kultgründung 5/4 v. Chr. 20 Jahre, dann aber verlief die Entwicklung rasant. Nachdem 5/4 v. Chr. der Kult für Augustus und die Dea Roma eingerichtet worden war, stiftete Pylaimenes unter dem Statthalter Melitus 2/1 v. Chr. das Land, auf dem der Tempel errichtet und vor 14 n. Chr. geweiht wurde. Der Kult wurde allerdings unabhängig von der Fertigstellung des Baus bereits ausgeübt, wie die Errichtung von Statuen für Augustus und Livia im Jahr 1 v. Chr. belegen.370 Dass der galatische Kaiserkult sein Zentrum zwar in Ancyra erhielt, tatsächlich aber auf alle drei Stämme der Provinz ausgerichtet war, zeigen bereits die in der Priesterliste am Ancyraner Tempel dargelegten Wohltaten der ersten Kaiserpriester. Diese Männer betonten ihre Abstammung von den galatischen Königen, stellen sich also nicht als Vertreter eines Stammes dar, sondern als Repräsentanten ganz Galatiens. Etwa 8 n. Chr. stiftete Marcus Lollius, Priester des Augustus und der Göttin Roma, ein Fest auch in Pessinous, der Hauptstadt des Stammes der Tolistobogier, bei dem es Gladiatorenkämpfe gab und eine göttliche Statue geweiht wurde. Etwa 12 n. Chr. stiftete der Priester Quintus Gallius Pulcher ebenfalls in Pessinous eine Hekatombe.371 Um das Jahr 17 n. Chr. wurde auch Tavium, Polis-Zentrum der Trokmer, in den provinzialen Kaiserkult einbezogen.372 Zum Koinon der Galater gehen die Meinungen auseinander. Coşkun zu Folge konstituierte sich die galatische Provinzialversammlung erst unter Kaiser Nero.373 Tatsächlich erwähnen erst die Münzen aus neronischer Zeit ΤΟ ΚΟΙΝΟΝ ΓΑΛΑΤΩΝ.374 Dazu passt scheinbar der Befund zu den Archiereis des Kaiserkultes: Mitchell hat in einer Studie aus dem Jahr 2008 dargelegt, dass die Umbenennung der führenden Funktionäre des provinzialen galatischen Kaiserkultes von Hiereus (Priester) in Archiereus (Oberpriester) zwischen der Regierungszeit des Claudius und des Vespasian stattgefunden haben muss. Der letzte erwähnte Priester (Hiereus) mit Namen Rossolittanos kann in die Jahre zwischen 41 und 50 n. Chr.375 datiert werden. Der erste bekannte Oberpriester (Archiereus) Pylaimenes stammt aus flavischer Zeit.376 Folgen wir der Ansicht von Coşkun, müssen wir annehmen, dass das Koinon sich in den letzten Jahren der Herrschaft des Kaisers Claudius oder in den ersten Jahren unter Nero formierte. Diese Deutung ist anhand der Quellen möglich, aber nicht wahrscheinlich. So geht Marek eher davon aus, dass bereits mit Einrich-

369 370 371 372 373 374 375 376

buscidianus und die Fasten der Statthalter Galatiens in augusteischer und tiberischer Zeit, Gephyra 6 (2010), S. 159–164. Vgl. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 138–150, Nr. 2, hier besonders S. 149 f. Ebd., S. 138–150, Nr. 2, Z. 30–33. Ebd., Z. 58–62; Z. 72–76. Ebd., Z. 91–96. Vgl. Coşkun, A., Ankyraner Kaiserkult, S. 178 f. RPC I 3562–3564. Da die Kaiserin Poppaea auf der Münze erwähnt wird, muss ihre Prägung in die Zeit zwischen 62 und 65 n. Chr. fallen. Vgl. Mitchell, S., The imperial cult in Galatia from Claudius to Trajan, in: E. Winter (Hg.), Vom Euphrat bis zum Bosporus. Kleinasien in der Antike. Festschrift für Elmar Schwertheim zum 65. Geburtstag (Asia Minor Studien 65), Bonn 2008, Bd. 2, S. 471–483, hier S. 471–476, Nr. I. Ebd., S. 478 f., Nr. II.

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tung der Provinz das Koinon gegründet wurde, spätestens aber mit dem Tempelbau diese Organisation für den hier praktizierten Kult verantwortlich war.377 Für diese Annahme spräche ebenfalls Cassius Dios Anmerkung, Augustus habe die in Asia und Bithynia etablierte Ordnung nicht nur auf die hellenischen, sondern auch auf die übrigen Völker übertragen. Coşkuns These setzt aber voraus, dass es kein Koinon ohne Archiereus geben kann, bzw. dass die Etablierung eines Koinon mit der Schaffung des Amtes eines Oberpriesters einherging. Eine solche Annahme beantwortet allerdings nicht die Frage, wie der provinziale Kaiserkult in Galatien – dessen Zentrum der Ancyraner Tempel zweifellos war – bis zur Gründung des Koinon organisiert war. Coşkun vermutet, dass ein Stammesverband der drei gallischen Stämme quasi als „Vorgängerorganisation des Koinons“378 das Sebasteion leitete. Das rekonstruiert er aus der Münzprägung der frühen Zeit, die auf eine übergeordnete Organisationsstruktur hindeutet.379 Man kann einen solchen Ablauf der Ereignisse nicht ausschließen, die Autorin neigt aber eher dazu, ein die Provinz umfassendes Koinon, an dessen Spitze ein Hiereus stand, auch schon in vorneronischer Zeit anzunehmen. Das Beispiel Syriens liefert hier Klarheit: Der erste unter Augustus eingesetzte Priester des provinzialen Kaiserkultes, Dexandros, war ebenfalls kein Archiereus, sondern wird als ἱερασάμενος bezeichnet.380 Es kann also nicht zwangsläufig aus dem bloßen Priestertitel auf das Fehlen einer Koinon-Struktur geschlossen werden. Schon Deininger hat darauf verwiesen, dass die Anbringung der großen Res-Gestae-Inschrift am Ancyraner Tempel wohl nur als gemeinsame Aktion des Koinon-Verbandes angesehen werden kann, da gerade die Verbreitung derartiger Dokumente in seinen Aufgabenbereich fiel.381 Ein weiteres Argument für die frühe Einrichtung eines Koinon ist der Tempelbau selbst. Da wir aus der Priesterliste am Tempel keinerlei Informationen über die Finanzierung des Baus selbst gewinnen können, während die Grundstücke, auf denen er errichtet wurde, explizit als Schenkungen eines Priesters genannt werden und auch in späterer Zeit von Priestern finanzierte Baumaßnahmen erwähnt werden, kann man vermuten, dass der Bau nicht als euergetische Leistung von den Priestern finanzierte wurde, sondern vom Koinon als Ganzem.382 Festzuhalten bleibt, dass die Einrichtung des galatischen Kaiserkultes in die augusteische Zeit, wahrscheinlich 4 v. Chr., datiert werden muss. Träger dieses Kultes war das Koinon, das gleichzeitig mit dem Kult geschaffen wurde. II.5.1.2 Syrien Wie dünn das Eis ist, auf dem man sich bewegt, und wie schnell unsere Erkenntnisse durch den Fund einer einzigen Inschrift gravierend verändert werden, zeigt das Beispiel Syriens. Deininger konstatierte in seiner Arbeit 1965: 377 378 379 380 381 382

Vgl. Marek, Geschichte Kleinasiens, S. 518 f. Vgl. Coşkun, A., Ankyraner Kaiserkult, S. 179. Vgl. ebd., S. 177–179. Vgl. dazu das folgende Kapitel II.5.1.2. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 68. Vgl. dazu Kap. IV.2.2.

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„Nur ganz lückenhaft ist man über das Koinon des [sic!] Provinz Syrien unterrichtet. Bestanden hat es schon im ersten Jahrhundert; etwa in dessen Mitte gab es […] einen gemeinsamen Agon κοινὸν Συρίας Κιλικίας Φοινείκης in der syrischen Hauptstadt Antiocheia […]. Im zweiten Jahrhundert veranstaltete auch das syrische Koinon seine eigenen Festspiele κοινὸν Συρίας in Antiocheia am Orontes. Ganz unzureichend sind unsere Kenntnisse von den Beamten des syrischen Landtags. Ein ἀρχιερεύς der Provinz ist bisher nicht bekannt; nach einer unklaren Nachricht bei Malalas wurde unter Commodus der erste Syriarch, Artabanes, eingesetzt; dieses Amt wird vor allem in der Spätantike häufig genannt, in einer Zeit also, in welcher der Kaiserkult nur mehr eine geringe Rolle spielte und die Aufgaben der Provinzialpriester sich fast ganz auf die Veranstaltung von Spielen beschränkten.“383

Nun hat sich zwar an der allgemeinen Situation eines sehr lückenhaften Befundes zum Provinziallandtag von Syrien nichts geändert, seine Entstehungszeit allerdings kann heute mit Sicherheit in die augusteische Epoche datiert werden.384 In mehreren aus trajanischer Zeit stammenden Inschriften wird L. Iulius Agrippa als Wohltäter der Stadt Apameia unter anderem für den Bau von Bädern mit einer Stoa, die Errichtung eines großen Aquädukts sowie die Aufstellung von Götter- und Heroenstatuen geehrt.385 Um seine Taten auch entsprechend in seinen familiären Hintergrund einzuordnen, betont eine Inschrift seine Abstammung sowohl väterlicherseits als auch mütterlicherseits aus königlichem Geschlecht386, greift dann aber zeitlich weit zurück. Der Urgroßvater des L. Iulius Agrippa, ein Mann namens Dexandros, wird als ὁ πρῶτος τῆς ἐπαρ|[χείας ἱε]ρασάμενος bezeichnet, der von Augustus zum [φίλο]ς καὶ σύμμαχος ἀνεγράφη χαλ|[καῖς δ]έλτοις ἐν τῷ Καπετωλίῳ gemacht wird.387 Diese eine Inschrift eröffnete seit ihrer Publikation eine völlig neue Sicht auf das syrische Koinon und – wie noch ausführlich zu zeigen sein wird – auf die römische Herrschaftsstrategie des frühen Prinzipats innerhalb der Provinzen. Sie soll daher an dieser Stelle näher betrachtet werden.388 Rey-Coquais hat im Kommentar seiner editio princeps die fürstliche Abstammung des L. Iulius Agrippa aus einer lokalen Tetrarchen-Familie hervorgehoben. Besondere Bedeutung erlangte diese Familie offenbar unter Augustus, der die Vertreter der Familie wohl mit dem 383 Deininger, Provinziallandtage, S. 87. 384 Vgl. Vitale, M., Koinon Syrias. Priester, Gymnasiarchen und Metropoleis der Eparchien im kaiserzeitlichen Syrien (Klio, Beihefte, NF., Bd. 20), Berlin 2013. 385 Rey-Coquais, J. P., Inscriptions Grecques d’Apamée, AArchSyr 23 (1973), S. 39–84, Nr. 1–9; AE 1976, 677–685; SEG 52, 2002, 1552–1560; Balty, J. C., Guide d’Apamée, Paris 1981, S. 205 f. Nr. 20. Die für die Existenz des syrischen Koinon zentrale Inschrift ist Rey-Coquais, Inscriptions Grecques d’Apamée, Nr. 2; AE 1978, 678; Robert J., Robert L., Bulletin épigraphique. REG 89 (1976), S. 415–595, hier S. 564 f. Nr. 178; SEG 52, 2002, 1553. 386 SEG 52, 2002, 1553, Z. 24–28: ἐγένοντο δὲ αὐτοῦ καὶ ‖ [πολλ]οὶ μὲν ἀπὸ πατρὸς καὶ μητρὸς | [πρόγον]οι ἔνδοξοι καὶ φιλότειμοι καὶ τε| [τράρχαι] καὶ βασιλικῶν τειμῶν μετέχοντες. 387 Ebd., Z. 33 f. In der von Coşkun herausgegebenen prosopographischen Datenbank zu den Amici Populi Romani wird hier leider fälschlicherweise L. Iulius Agrippa selbst als amicus „mit königlichen Ehren“ angegeben. Richtig ist aber, dass seinem Urgroßvater, Dexandros, diese Ehre zu Teil wurde und seine Eltern königlicher Abstammung waren. (Vgl. http:// http://www. amicipopuliromani.com/tiki-index.php?page=A, Stand 27.03.2015). 388 Vgl. den Kommentar von Rey-Coquais, Inscriptions Grecques d’Apamée, S. 48–65. Kritisch dazu äußerst sich Bru, H., Le pouvoir impérial dans les provinces syriennes. Représentations et célébrations d’Auguste à Constantin (31 av. J.–C. – 337 ap. J.-C.), Leiden, Boston 2011, bes. S. 160 f.

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römischen Bürgerrecht belohnte.389 Der Herrschaftsraum des Tetrarchen Dexandros lag wahrscheinlich in der Umgebung der Stadt Apameia. Diese Betonung des Bezuges zu den fürstlichen Vorfahren erinnert stark an die ersten galatischen Priester des provinzialen Kaiserkultes, die ebenfalls ihre Abstammung von den galatischen Königen hervorheben. Interessanterweise sind weder die ersten galatischen noch der erste syrische Kaiserpriester Archiereis, sondern werden als hiereis bzw. ἱερασάμενος bezeichnet.390 Wir wissen also nun mit Sicherheit, dass die Gründung des syrischen Koinon und die Einsetzung des ersten Priesters in die augusteische Zeit fielen. Möglicherweise muss man sogar einen recht frühen Zeitpunkt ansetzen. Die Nomenklatur der Familie des L. Iulius Agrippa aus der tribus Fabia deutet auf eine Bürgerrechtsverleihung unter Augustus zu Lebzeiten des Agrippa hin, also vor 12 v. Chr. Da der Schwiegersohn des Augustus so pointiert in die Namenswahl einbezogen wird, könnte man annehmen, die Familie habe während seines politischen Wirkens im Osten 23 bis 21 v. Chr. profitiert, vielleicht sogar auf seine Initiative hin das römische Bürgerrecht erhalten. Dies würde auf eine Bürgerrechtsverleihung zwischen 21 und 12 v. Chr. hinauslaufen. Sollte der erste Priester Dexandros aus dieser Linie der Familie stammen, die nach 21 und vor 12 v. Chr. das römische Bürgerrecht erhielt, müsste seine Einsetzung in das Priesteramt noch vor der Annahme des römischen Namens stattgefunden haben, da er ja mit peregrinem Namen in der trajanischen Inschrift erscheint. Bereits vor 12 v. Chr., eventuell sogar schon in den 20er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. wäre demnach das syrische Koinon mit einem Priester an der Spitze installiert worden.391 II.5.1.3 Kappadokien Das von Cassius Dio392 beschriebene und im Falle Galatiens und Syriens erstmals nachvollziehbare Prinzip, die Organisationsstruktur eines Koinon nach dem asianischen und bithynischen Beispiel auf alle übrigen Provinzen, besonders die neu eroberten zu übertragen, lässt sich über die Regierungszeit des Augustus hinaus am Beispiel Kappadokiens weiter verfolgen. Kappadokien wurde um 18 n. Chr. Provinz.393 Die mit der Provinzgründung einhergehende Einrichtung des Provinziallandtags ist durch eine agonistische Siegerinschrift belegt, in der die Provinzspiele 389 Vgl. dazu auch IGLS 1314: Λούκιον Ἰούλιον Γαίου Ἰουλίου Ἀγρίππα υἱὸν Φαβία Ἀγρίππαν, προγόνων ὑπὸ τοῦ θεοῦ Σεβαστοῦ τετιμημένων καὶ ἐν Κα[πετολίῳ(?). 390 Im Rahmen der Diskussion um die lex Narbonensis (vgl. den Exkurs zur lex Narbonensis im Kap. II.5.2.4.) wird die Frage aufgeworfen werden, ob die Bezeichnung ὁ πρῶτος τῆς ἐπαρ|[χείας ἱε]ρασάμενος zwangsläufig als zeitliche Qualifizierung eingestuft werden muss oder auch eine Ehrenstellung ausdrücken kann. In diesem Fall legt die Erwähnung des Augustus aber nahe, den erwähnten Dexandros tatsächlich als zeitlich ersten Priester zu betrachten. 391 Zum syrischen Koinon vgl. auch Gebhardt, A., Imperiale Politik und provinziale Entwicklung. Untersuchungen zum Verhältnis von Kaiser, Heer und Städten in Syrien der vorseverischen Zeit, Berlin 2002, S. 305–310; Dräger, Die Städte der Provinz Asia in der Flavierzeit, S. 256–260. 392 Cass. Dio 51, 20, 7. 393 Vgl. Eck, W., Die politisch-administrative Struktur der kleinasiatischen Provinzen, S. 193 f.

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noch für die Zeit des Tiberius erwähnt werden.394 Die Organisation der Provinzialen in einem Koinon und dessen Einbindung in das römische Herrschaftssystem, realisiert durch den Kaiserkult, waren nicht nur in den politischen Planungen des Augustus relevant gewesen, sondern – wie das kappadokische Beispiel in tiberischer Zeit deutlich macht – zum römischen Herrschaftsprinzip geworden. II.5.1.4 Lykien Neben Asia ist die Provinz Lykien mit ihrem seit hellenistischer Zeit bestehenden Koinon aufgrund der Quellenlage das am besten rekonstruierbare Untersuchungsgebiet, für das entsprechend umfangreiche Literatur vorliegt.395 Zahlreiche Neu394 Moretti, L., Iscrizioni agonistiche greche, Rom 1953, S. 162–164, Nr. 62, Z. 7 f.; SEG 41, 1991, 1117; vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 82; Haensch, R., Capita provinciarum. Statthaltersitze und Provinzialverwaltung in der römischen Kaiserzeit (Kölner Forschungen 7), Mainz 1997, S. 276 mit Anm. 77. Diese Chronologie wird auch in der neuesten und umfangreichsten Untersuchung des kappadokischen Koinon von Vitale bestätigt (vgl. Vitale, Eparchie und Koinon, S. 231–261, hier v. a. S. 249–260). 395 An dieser Stelle kann nur eine Auswahl dieser Literatur wiedergegeben werden (in alphabetischer Reihenfolge): Behrwald, Der lykische Bund; Brandt, H., Kolb, F., Lycia et Pamphylia. Eine römische Provinz im Südwesten Kleinasiens (Orbis Provinciarum), Mainz 2005; Engelmann, H., Die Zollinschrift von Myra, ZPE 59 (1985), S. 113–119; ders., Opramoas als Archiphylax (TAM II 3, 905), ZPE 152 (2005), S. 121–124; ders., Zur Lykiarchie, ZPE 158 (2006), S. 183–186; Iplikçioğlu, B., Entscheidung eines Statthalters von Lykien in einem Rechtsstreit zwischen Termessos und dem Koinon der Lykier, in: Schuler, C. (Hg.), Griechische Epigraphik in Lykien. Eine Zwischenbilanz. Akten des Internationalen Kolloquiums München, 24.–26. Februar 2005, Wien 2007, S. 81–84; Jameson, S., The Lycian League: Some problems in its administration, ANRW II 17, 2 (1980), S. 832–855; Kokkinia, C., Die Opramoas-Inschrift von Rhodiapolis. Euergetismus und soziale Elite in Lykien (Antiquitas. Abhandlungen zur Vor- und Frühgeschichte, zur Klassischen und Provinzial-Römischen Archäologie und zur Geschichte des Altertums Reihe 3 Bd. 40), Bonn 2000; Kolb, Lykiens Weg in die römische Provinzordnung; ders., Akkulturation in der lykischen ‚Provinz‘; Marek, C., Die Inschriften von Kaunos (Vestigia 55), München 2006; ders., Stadt, Bund und Reich; Marksteiner, T., Wörrle, M., Ein Altar für Kaiser Claudius auf dem Bonda tepesi zwischen Myra und Limyra, Chiron 32 (2002), S. 545–569; Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester; Rousset, D., De Lycie en Cabalide. La convention entre les Lyciens et Termessos près d’Oinoanda. Fouilles de Xanthos X (Hautes études du monde gréco-romain 45), Genève 2010; Sahin, S., Kaiserbauten und Kaiserehrungen in Patara, in: Winter, E. (Hg.), Vom Euphrat bis zum Bosporus. Kleinasien in der Antike. Festschrift für Elmar Schwertheim zum 65. Geburtstag, Bonn 2008, Bd. 2, S. 597–610; ders., Der Disput der „viri docti“ über die Lykiarchie gelöst? Dokumente von Lykiarchen aus der Familie der Dionysii aus Neisa, Gephyra 3 (2006), S. 29–47; ders., Adak, Stadiasmus Patarensis; Schuler, C., Der Archiereus Embromos aus Arykanda und seine Familie, in: Korkut, T. (Hg.), Anadolu da Doğu. Festschrift für Fahri Işik zum 60. Geburtstag, Istanbul 2004, S. 691–699; ders., Ein Vertrag zwischen Rom und den Lykiern aus Tyberissos, in: ders. (Hg.), Griechische Epigraphik in Lykien. Eine Zwischenbilanz. Akten des Internationalen Kolloquiums München, 24.–26. Februar 2005, Wien 2007, S. 51–80; Schwarz, H., Soll oder Haben. Die Finanzwirtschaft kleinasiatischer Städte in der Römischen Kaiserzeit am Beispiel von Bithynien, Lykien und Ephesos (29 v. Chr. – 284 n. Chr.), Bonn 2001; dies., Anmerkungen zu der Zollinschrift aus Myra, EA 33 (2001), S. 15–38; Takmer, B., Lex Portorii Provinciae Lyciae. Ein Vorbericht über

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funde vor allem in jüngerer Zeit ermöglichen es heute, die Entstehung des kaiserzeitlichen lykischen Koinon in großer Klarheit nachzuzeichnen. Hervorzuheben ist dabei das in einer Kampagne in Patara seit 1993 ausgegrabene Straßenverzeichnis der Provinz (Stadiasmus Patarensis/Itinera Romana provinciae Lyciae), das direkt aus der Zeit nach der Gründung der Provinz 43 n. Chr. stammt.396 Dieses Dokument bringt eine der Grundfesten in den Arbeiten Deiningers und Fishwicks ins Wanken, nämlich dass sich die angebliche vespasianische Gründungswelle westlicher Concilia auch auf Koina des Ostens erstreckte.397 Die Einrichtung des kaiserzeitlichen lykischen Koinon, soviel dürfte mit diesem Dokument sicher sein, muss in die unmittelbare Anfangsphase der Provinzialisierung datiert werden – ein Befund, der sich seit der augusteischen Provinzialpolitik kontinuierlich feststellen lässt. Innere Unruhen zu Beginn der Herrschaft des Kaisers Claudius, bei denen auch römische Bürger ums Leben kamen, gaben den Anstoß zum Einmarsch in Lykien, dem sich die Annexion des Gebietes und die Umwandlung in eine römische Provinz anschlossen.398 Diese Aufgabe übertrug Claudius dem Q. Veranius399, dessen administrative Maßnahmen in Lykien aus zwei Urkunden bestens bekannt sind.400 Die

396 397

398 399

400

die Zollinschrift aus Andriake aus neronischer Zeit, Gephyra 4 (2007), S. 165–188; Wörrle, M., Zum Wiederaufbau von Myra mit Hilfe des Lykiarchen Opramoas nach dem Erdbeben von 141 n. Chr., in: Borchhardt, J. (Hg.), Myra. Eine lykische Metropole in antiker und byzantinistischer Zeit (Istanbuler Mitteilungen 30), Berlin 1975, S. 159 f.; ders., Zwei neue Inschriften aus Myra zur Verwaltung Lykiens in der Kaiserzeit. 1. Maßnahmen des Q. Veranius zur Reform des Urkundenwesens; 2. Regelungen von Zollfragen durch eine unbekannte römische Autorität des 2. Jhs. n. Chr., in: ebd., S. 254–300; Zimmermann, M., Zwischen Polis und Koinon: Zum ὑποφύλαξ im lykischen Bund, EA 21 (1993), S. 107–120; ders., Die Archiereis des lykischen Bundes. Prosopographische Überlegungen zu den Bundespriestern, in: Schuler, C. (Hg.), Griechische Epigraphik in Lykien. Eine Zwischenbilanz. Akten des Internationalen Kolloquiums München, 24.–26. Februar 2005, Wien 2007, S. 111–120. Sahin, Adak, Stadiasmus Patarensis. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 32, 70 f.: „Das legt die Annahme nahe, daß der provinziale Kaiserkult im Koinon doch nicht schon unter Claudius, sondern erst später, vielleicht bei der endgültigen Eingliederung Lykiens unter Vespasian eingeführt wurde; dies wiederum würde vorzüglich zu dem stimmen, was man über die Förderung des provinzialen Kaiserkults gerade unter Vespasian aus dem Westen des Reiches weiß.“ Fishwick, ICLW I 2, S. 286 f., 298: „More importantly, there is evidence to suggest that in two provinces, Lycia and Armenia, Vespasian was himself responsible for installing a provincial cult.“ Zweifel an dieser vespasianischen Neuregelung des provinzialen Kaiserkultes schon bei Wörrle, Stadt und Fest, S. 96– 100, und Behrwald, Der lykische Bund, S. 145, 185. Spätestens mit der Erwähnung des Archiereus in der neronischen lex portorii Provinciae Lyciae war eine Entstehung des Koinon und der Archierosyne zu einem früheren Zeitpunkt sicher. Suet. Claud. 25, 3; Cass. Dio 60, 17, 3. Vgl. auch Kolb, Lykiens Weg in die römische Provinzordnung, S. 207–222; ders., Akkulturation, S. 271–291. Q. Veranius war zu diesem Zeitpunkt ein junger Senator, der aufgrund der Verdienste seiner Vorfahren um den Vater des Claudius, Drusus d. Ä., und seinen Bruder Germanicus großes Vertrauen beim Kaiser genoss. (Vgl. Sahin, Adak, Stadiamus Patarensis, S. 80–84; Gordon, A. E., Quintus Veranius, Consul A. D. 49. A study based upon his recently identified sepulchral inscription, Berkeley u. a. 1952). Wörrle, M., Zwei neue Inschriften aus Myra zur Verwaltung Lykiens in der Kaiserzeit. 1. Maßnahmen des Q. Veranius zur Reform des Urkundenwesens; 2. Regelungen von Zollfragen durch eine unbekannte römische Autorität des 2. Jhs. n. Chr., in: Borchhardt, J. (Hg.), Myra.

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der Provinzialisierung vorausgehenden bürgerkriegsähnlichen Zustände müssen auch die Funktionsfähigkeit des Koinon eingeschränkt haben. Nicht zuletzt daraus wird ersichtlich, dass sich der Konflikt an den Herrschaftsstrukturen in Lykien entzündete und die Machtverteilung zwischen einer führenden Aristokratie und sozial, politisch und ökonomisch benachteiligten Schichten in Frage stellte.401 Die Krise betraf wohl auch die Vorherrschaft des aristokratisch geprägten Koinon. Sahin und Adak vermuten ferner, dass auch inneraristokratische Spannungen und eine als zu groß empfundene Nähe der führenden Familien zu Rom, die ihren Ausdruck nicht zuletzt im Kaiserkult fand, die Gräben in der lykischen Gesellschaft vertieften und zum Mitauslöser der Aufstände wurden.402 Die Aufstände trugen also einen zumindest latent antirömischen Charakter. Wie eng verflochten die lykischen Aristokraten und das lykische Koinon mit den Römern waren, zeigt die Ehreninschrift für Iunia Theodora, eine wohlhabenden Römerin aus Korinth, die den vertriebenen lykischen Adeligen Aufnahme und politische Unterstützung gewährte.403 Das lykische Beispiel gewährt einen direkten Blick auf die Vorgänge bei Einrichtung der Provinz, die administrativen und infrastrukturellen Maßnahmen, die von den Römern getroffen wurden, aber auch deren Zusammenwirken mit den innerprovinzialen Organisationsstrukturen, die das Koinon betrafen. Effektive Herrschaft nach römischer Vorstellung basierte auf militärischer Eroberung und Sicherung, räumlicher Erschließung des Landes durch Straßen404, verwaltungstechnischer Kontrolle405 und ökonomischer Ausbeutung durch steuerliche Erfassung und Handelskontrolle406. Diese Maßnahmen gingen Hand in Hand mit einer politischen Umstrukturierung in den Städten und im Koinon. In den Städten rückte die Boule, deren Mitglieder nun vom römischen Statthalter ernannt wurden, ins politische Zentrum, während die Volksversammlung entmachtet wurde.407 Diese bevorzugte Gruppe wurde dann durch gezielte Bürgerrechtsverleihung408 und Einbindung in den städtischen Kaiserkult409 weiter bewusst romanisiert. In der Forschung wurden diese von Claudius anlässlich der Provinzeinrichtung vorangetriebenen Maßnahmen als „Aristokratisierung der politischen Verhältnisse“410 bezeichnet. Im Zuge

401 402 403 404 405 406 407 408 409 410

Eine lykische Metropole in antiker und byzantinistischer Zeit (Istanbuler Mitteilungen 30), Berlin 1975, S. 254–300. Dies wird aus verschiedenen Dokumenten deutlich. Vgl. Sahin, Adak, Stadiasmus Patarensis, S. 49–62. Vgl. ebd., S. 55 f. Belege ebd., S. 57 Anm. 40. Sahin und Adak diskutieren auch die Datierung der Ehreninschrift für Iunia Theodora und verweisen die Ereignisse um die Aufnahme der Vertriebenen plausibel in die vorclaudische Zeit. (S. 57–59). Vgl. ebd., S. 74 f. Vgl. Wörrle, Zwei neue Inschriften aus Myra. 1. Maßnahmen des Q. Veranius zur Reform des Urkundenwesens, S. 254–286. Als weiteres Beispiel nennen Sahin und Adak die Festsetzung von Grenzverläufen zwischen einzelnen Gemeinden. (dies., Stadiamus Patarensis, S. 76 f.). Vgl. Wörrle, Zwei neue Inschriften aus Myra. 2. Regelungen von Zollfragen durch eine unbekannte römische Autorität des 2. Jhs. n. Chr., S. 286–300. Vgl. Sahin, Adak, Stadiasmus Patarensis, S. 68. Cass. Dio 60, 17, 5. Vgl. Sahin, Adak, ebd., S. 71 f. Vgl. Sahin, Adak, ebd., S. 72–74; Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 35–50, 62–79. Kolb, Akkulturation, S. 280; ders., Lykiens Weg in die römische Provinzordnung, S. 214 f.

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dieser Aristokratisierung fand auch die Umwandlung des lykischen Koinon in eine nach dem bekannten römischen Muster organisierte Städtevereinigung statt. Sowohl innerhalb der Gremien- als auch der Ämterstruktur richtete sich der Bund neu aus. Parallel zur Reform auf Städteebene wurde der – eventuell sogar neu gegründete – Rat (Boule) gegenüber der Versammlung der Städtevertreter gestärkt.411 Entzogen wurden dem Bund die militärischen Funktionen des Strategen, Hipparchen und Nauarchen, stattdessen legten die Römer den Vorsitz des Koinon in die Hände eines Archiereus412, der mit dem Kaiserkult betraut wurde.413 Dies geschah im unmittelbaren Zusammenhang mit der Gründung der Provinz und der Einrichtung des Koinon. Seinen architektonischen Niederschlag fand der Kaiserkult im Bau eines Sebasteions innerhalb des lykischen Bundesheiligtums.414 Dass diese Kompensation des politischen Bedeutungsverlustes aber von der lykischen Elite nicht als ausreichend empfunden wurde und durch andere Maßnahmen flankiert werden musste, um dem alten aristokratisch geprägten Elitedenken gerecht zu werden, zeigt die Wiederbelebung des Lykiarchentitels. Reitzenstein415 hat kürzlich in einer detaillierten prosopographischen Untersuchung, die sie mit einer vergleichenden Perspektive der „Koinarchie“ in verschiedenen Provinzen (Asia, Makedonien) stützt, eine neue Deutung des Lykiarchen-Titels erschlossen. In der umstrittenen Frage des Verhältnisses von Archiereus und Lykiarch legt sie überzeugend dar, dass der Titel des Lykiarchen ab der Bekleidung der Bundespriesterschaft dauerhaft geführt wurde. Das Wiederaufleben der hellenistischen Amtsbezeichnung im zweiten Jahrhundert n. Chr. führt sie zurück auf ein verändertes Repräsentationsverhalten der lykischen Elite in der hohen Kaiserzeit. Das Konzept der Lykiarchie sei eine dem Senatorenstand vergleichbare Kategorie sozialer Rangstellung. Bislang zu wenig Beachtung fand auch die finanzpolitische Bedeutungsveränderung des lykischen Koinon. Wie die lex portorii provinciae Lyciae nun gezeigt hat, erhielt der Bund eine zentrale Funktion bei der Erhebung von Zöllen und Abgaben.416 So deutlich wie in kaum einer anderen Provinz des Ostens können wir in Lykien die römische Handschrift bei der Neugestaltung des Koinon fassen. Zu diesem intensiven Eingreifen trug nicht zuletzt die besondere innenpolitische Situation Lykiens bei, in der das Eingreifen der Römer mit militärischen Mitteln der Provinzialisierung vorausging. Unverkennbar ist allerdings der römische Gestaltungswille 411 Zur Diskussion vgl. Behrwald, Der lykische Bund, S. 188–209. 412 Diese These, dass die Einführung der Archierosyne mit der Provinzeinrichtung einhergeht, hat jüngst nochmals Reitzenstein untermauert. Vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester. 413 Sahin und Adak (dies., ebd., S. 68) gehen davon aus, dass sich der Archiereus und der Grammateus den Vorsitz im Koinon teilten. Beide konnten, nach dieser Lesart, den Titel des Lykiarchen annehmen. Vgl. auch Sahin, Disput, S. 42. 414 Balland, Inscriptions du Létôon, S. 185, Nr. 67. Vgl. Sahin, Adak, Stadiasmus Patarensis, S. 73 f. 415 Vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, mit Rez. Edelmann-Singer, B., Reitzenstein, Denise, Die lykischen Bundespriester. Repräsentation der kaiserzeitlichen Elite Lykiens, (Klio, Beihefte, NF., Bd. 17) Berlin 2011, HZ 195/2 (2012), S. 476–478. 416 Vgl. Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae; Sahin, Adak, Stadiasmus Patarensis, S. 68 mit Anm. 84. Vgl. dazu auch Kap. IV.2.1.5. und IV.4.4.

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im Bezug auf das Koinon. Hier kann sicherlich nicht von einer Initiative der Provinzialen gesprochen werden. Leider liegen aber in Lykien trotz der guten Überlieferungssituation keine Zeugnisse darüber vor, ob die Umwandlung des Koinon mit einer Veränderung im Rechtsstatus einherging und entsprechend auch eine juristische Unterordnung des Koinon unter die römischen Autoritäten der Provinz stattfand. Aus dem Brief Kaiser Commodus’ 190 n. Chr. zur Stimmrechtsreform im lykischen Koinon, in dem explizit davon gesprochen wird, dass der Kaiser den Antrag zur Reform bestätigt417, darf man die römische Rechtsaufsicht sicher ebenso schlussfolgern wie aus der Schlichtung eines Rechtsstreits zwischen dem Koinon und der Stadt Termessos durch den Statthalter418. II.5.2 Die Einrichtung von Concilia im Westen unter den Kaisern der julisch-claudischen Dynastie καὶ τοῦτ᾽ ἐκεῖθεν ἀρξάμενον καὶ ἐπ᾽ ἄλλων αὐτοκρατόρων οὐ μόνον ἐν τοῖς Ἑλληνικοῖς ἔθνεσιν, ἀλλὰ καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις ὅσα τῶν Ῥωμαίων ἀκούει, ἐγένετο. „Und diese Sitte, die unter seiner Herrschaft ihren Anfang nahm, setzte sich unter anderen Kaisern nicht nur bei den hellenischen, sondern auch bei all den anderen Völkerschaften fort, soweit sie den Römern untertan sind.“419

Die Verbreitung der Koina im griechischen Osten des Reiches war eine gezielte Herrschaftsmaßnahme, hinter der zunächst einmal das zentrale Motiv stand, die römische Herrschaft zu stabilisieren. Dies erreichte man über die Koina auf zweierlei Wegen: Zum Ersten platzierte man den Kult des herrschenden Kaisers und seiner Familie im Zentrum der politischen Vertreterorganisation der Provinz und fokussierte somit die Handlungen dieses Gremiums und seine Rolle auf den Kult. Zum Zweiten diente das Koinon aber auch als Kompensationsorgan für den Machtverlust der Provinzelite. Indem man eine rechtlich zwar minderbefugte, aber nicht rechtlose Institution schuf, in der die ökonomisch und politisch führende Klasse der Provinz sich ohne direkte Einflussnahme der römischen Administration organisieren konnte, ihre sozial herausgehobene Stellung beibehalten und durch den Kaiserkult und die Übernahme von Ämtern sogar mehren konnte, beließ man ihr ein für das eigene Selbstbild konstituierendes Moment.420 Gleichzeitig schuf man ein von Rom unabhängiges innerprovinziales Bewährungsfeld für diese Schicht, ein neues System von Ämtern und Ehrentiteln, das das soziale Prestige der provinzialen Führungselite weiter vergrößerte. Dabei profitierten die Römer ebenfalls enorm, da sie 417 […] ἐκύρωσα δὴ καὶ αὐτὸς τὴν γνώμην τοῦ κοινοῦ βουλεύματος καὶ ἐπέτρεψα ὑμεῖν τοῦ λοιποῦ ἐν ταῖς τριψήφοις τῶν πόλεων κα ταριθ̣μεῖσθαι. ἐπρέσβευσεν Μελέαγρος δὶς τοῦ Ἀρτέμωνος εὐτυχεῖτε. (Vgl. Schindler, F., Die Inschriften von Bubon (Nordlykien) (SAAW 278/3), Wien 1972, S. 12– 23 Nr. 2 = BE 1973, 451 = AE 1979, 624). 418 Vgl. Iplikçioğlu, Entscheidung eines Statthalters von Lykien. 419 Cass. Dio 51, 20, 7. 420 Vgl. Lendon, J. E., Empire of honour. The art of government in the Roman world, Oxford 1997, S. 137 f.

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bestehende Strukturen, Netzwerke und politisches Wissen im lokalen Kontext nutzen konnten. Zugleich trugen die Versammlungen dazu bei, innerhalb der Provinzelite eine gemeinsame Identität zu kreieren. Diese Vorteile verschafften den Koina eine machtpolitische Attraktivität, die sie dazu prädestinierte, auch im Westen Anwendung zu finden. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass bereits wenige Jahre nach der Einrichtung der ersten kaiserzeitlichen Koina in Asia und Bithynia die Provinz Tres Galliae eine adäquate Organisation erhielt, die im Westen mit dem lateinischen Namen als commune oder Concilium bezeichnet wurde. Wie eng die Concilia sich an die griechischen Vorbilder anlehnten, lässt sich leicht an den Cistophoren ablesen, die unter Augustus von den römischen Autoritäten für das asianische Koinon geprägt wurden und in denen das Koinon lateinisch als commune Asiae firmierte. In Gallien lassen die Ereignisse nur den Schluss zu, dass die Übertragung des institutionellen Rahmens vom Osten in den Westen als Stabilitätsfaktor dienen sollte.421 Andere Quellen geben auch der Vermutung Raum, dass die westlichen Provinzen aus eigener Initiative die östlichen Koina kopierten bzw. nach deren Vorbild parallele Strukturen schufen, ausgerichtet am Kult des ersten princeps. Die Provinz Asia nahm dabei offenbar eine Art Modellcharakter an. Wir haben Hinweise darauf, dass schon früh das asianische Modell in den spanischen Provinzen zur Kenntnis genommen wurde. Bereits 26/25 v. Chr. schickte die Stadt Mytilene eine Gesandtschaft nach Tarraco, das zu diesem Zeitpunkt der Mittelpunkt des Imperiums war, da Augustus sich dort nach einer schweren Erkrankung erholte. Die Gesandtschaft überbrachte Ehrenbeschlüsse für den Prinzeps, die in einer Inschrift verewigt wurden.422 Eine Kopie der Inschrift wurde in Tarraco aufgestellt423, was in der Forschung bereits des Öfteren zu der Vermutung Anlass gab, die Stadt Tarraco habe nach dem Vorbild Mytilenes dem Augustus einen Altar errichtet, der uns in einer

421 Fishwick spricht sich deutlich dafür aus, dass die Errichtung des Altars von Lyon eine römische Initiative war. Er argumentiert dabei vor allem mit der Architektur. Ähnliche Argumente finden sich bei Hänlein-Schäfer. Price dagegen geht von einer lokalen Initiative aus. Eine Synthese versucht Witschel auf der Basis von Strabon, indem er ein Zusammenspiel von römischen und gallischen Vertretern annimmt. Vgl. Fishwick, ICLW I 1, S. 102 f., S. 187; ders., Coinage and cult: The provincial monuments at Lugdunum, Tarraco and Emerita, in: Paul, G. M. (Hg.), Roman coins and public life under the Empire (E. Togo Salmon Papers II), Michigan 1999, S. 95–121, hier S. 97 f.; ders., The dedication of the Ara Trium Galliarum, Latomus 55 (1996), S. 87–100, hier S. 95 f. mit Anm. 42; Hänlein-Schäfer, H., Veneratio Augusti. Eine Studie zu den Tempeln des ersten römischen Kaisers, Rom 1985, S. 90; Price, Rituals and power, S. 74; Witschel, C., Die Wahrnehmung des Augustus in Gallien, im Illyricum und in den Nordprovinzen des römischen Reiches, in: Kreikenbom, D. et al. (Hgg.), Augustus – Der Blick von außen. Die Wahrnehmung des Kaisers in den Provinzen des Reiches und in den Nachbarstaaten. Akten der internationalen Tagung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz vom 12.–14. Oktober 2006 (Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hochkulturen 8), Wiesbaden 2008, S. 41– 119, hier S. 81. 422 OGIS 456 = IGR IV 39 = IG XII, 2, 58. Vgl. Arrayás Morales, I., Diplomacy in the Greek poleis of Asia Minor: Mytilene’s embassy to Tarraco, C&M 61 (2010), S. 127–149. 423 Ebd., col. a, Z. 12–14.

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späteren Nachricht von Quintilian bezeugt ist.424 Dass gerade von Tarraco aus dann der Transfer in den westlichen Provinzen fortgesetzt wurde, belegt Tacitus: „Einen Tempel in der Kolonie Tarraco dem Augustus zu errichten wurde den Spaniern auf ihren Antrag gestattet und damit für alle Provinzen ein Vorbild geschaffen.“425 Die Vorbildwirkung der östlichen Koina wird bei Tacitus sogar ausdrücklich erwähnt: Eine Gesandtschaft aus der Hispania ulterior bat darum, „nach dem Vorbild von Asia einen Tempel für Tiberius und seine Mutter bauen zu dürfen“426. Gemeint war hier der Tempel für Tiberius und Livia, der ab 23 n. Chr. in Smyrna als zweiter Provinzialtempel errichtet wurde.427 Zwar wurde die Bitte der Spanier von Tiberius negativ beschieden, es wird aber deutlich, dass die Provinzen genau registrierten, wie die kultische Verehrung des Herrscherhauses in anderen Provinzen von den Landtagen gehandhabt wurde. Um die Dimensionen des Transferprozesses von Ost nach West sowie innerhalb der westlichen Concilia erfassen zu können, wird auch hier wieder zunächst ein Überblick über die neuen Erkenntnisse zur Entstehung der westlichen Provinziallandtage in der julisch-claudischen Zeit gegeben werden. Dargestellt werden in erster Linie jene neuen Forschungsergebnisse, die die Arbeit von Deininger weiterentwickeln können. II.5.2.1 Tres Galliae Die Quellen zur Einrichtung des ersten westlichen Provinzialkultes in den drei gallischen Provinzen sind bestens bekannt428 und lassen folgendes Bild erkennen: Im Jahr 12 v. Chr. wurde auf Anweisung des Drusus in Gallien ein Provinzialzensus abgeschlossen, der zu Unruhen unter der gallischen Bevölkerung führte. Drusus berief daraufhin die führenden Männer Galliens zu sich, laut Cassius Dio aus Anlass eines Festes für Augustus. Bei dem Fest – so geben es die Quellen wieder – weihten dann die gallischen Adeligen, vereint in einer Versammlung, dem Kaiser den bekannten Altar der Roma und des Augustus bei Lyon am Zusammenfluss von Rhône und Saône; es wurde ein Fest am 1. August als Dauerinstitution ins Leben 424 Quint. inst. 6, 3, 77. Vgl. dazu auch Price, Rituals and power, S. 74; Fishwick, ICLW I 1, S. 171–179; Goffaux, B., Priests, conventus and provincial organisation in Hispania citerior, in: Richardson, J., Santangelo, F. (Hgg.), Priests and state in the Roman world (PAWB 33), Stuttgart 2011, S. 445–469, hier S. 459. Deininger spricht sich für eine munizipale Ausrichtung dieses Augustus-Kultes aus (vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 17 f.). 425 Tac. ann. 1, 78, 1. 426 Tac. ann. 4, 37, 1; vgl. auch González, J., El origen del culto imperial en la Bética según la documentación epigráfica, in: Nogales, T., González, J. (Hgg.), Culto Imperial: política y poder. Actas del Congreso Internacional, Mérida, Museo Nacional de Arte Romano 18–20 de mayo 2006, Rom 2007, S. 175–189, hier S. 175 f. 427 Tac. ann. 4, 15. Vgl. Burrell, B., Neokoroi. Greek cities and Roman emperors, Leiden, Boston 2004, S. 38–42. 428 CIL XIII 1664; Strab. 4, 3, 2, Liv. per. 139; Cass. Dio 54, 32, 1; Suet. Claud. 2, 1; Quint. inst. 6, 3, 79. Zuletzt zusammenfassend und argumentativ überzeugend dargestellt bei Witschel, Die Wahrnehmung des Augustus, S. 80 f.

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gerufen und aus der Mitte der primores ein Oberpriester gewählt. Der erste Amtsträger war der Häduer C. Iulius Vercondaridubnus. Wir können also eine abgestufte Regie dieser Ereignisse erkennen. Zunächst liegt die Initiative bei den Römern, ganz klar als Reaktion auf die Unruhen unter den Galliern, die möglicherweise nicht nur als Ablehnung des aktuellen Zensus zu interpretieren sind, sondern auch eine allgemeine Unzufriedenheit über die seit 27 v. Chr. fortschreitende geographische und politische Umstrukturierung des gallischen Gebietes widerspiegelten.429 Danach ging die Initiative aber an die Gallier über – allerdings lässt die Parallelität der Ereignisse zum östlichen Herrscherkult wenig Zweifel daran, dass Rom die Spielregeln vorgab. Der Ablauf der Ereignisse erinnert entfernt an die asianische Kalenderreform. Es braucht auch wenig Phantasie um sich vorzustellen, dass Rom den gallischen Adeligen die Kulteinrichtung lediglich als Alternative zu militärischen Maßnahmen vorschlug. Es wird deutlich, dass Rom an erster Stelle daran gelegen war, regelmäßige Steuereinnahmen aus einer befriedeten Provinz zu ziehen. Dafür allerdings war man bereit, Konzessionen zu machen – und zwar Konzessionen, die sich bereits bewährt hatten. Man schlug den gallischen Führern also ein Modell vor, wie es im Osten bereits praktiziert wurde.430 Man bot begrenzte Freiräume, partielle Selbstbestimmung431, einige politische Rechte (Gesandtschaften, Repetundenverfahren), vor allem aber eine Stabilisierung der bestehenden inneren Verhältnisse gegen die Einrichtung eines provinzialen Kaiserkultes mit einheimischen Amtsträgern und natürlich Ruhe in der Provinz. Nur so lassen sich die Quellen wohl interpretieren und nur zu diesem Gesamtbild lassen sie sich zusammenfügen. Es war also weder eine einseitige Maßnahme des Drusus noch eine allein aus der Provinz heraus organisierte Initiative, sondern ein klug ausgehandelter Kompromiss, mit Vorteilen für beide Parteien. Jede Seite konnte so ihr Gesicht wahren, der Konflikt wurde beigelegt, neue Möglichkeiten der Kooperation wurden gefunden. Auch hier drängt sich der Eindruck auf, dass die reine Machtpolitik abgelöst werden sollte durch eine Herrschaft in Kooperation mit den Provinzialen. Am ehesten lässt sich dieses Verfahren vielleicht mit der Theorie der Handlungsräume erklären – mit dieser Kultgründung des Jahres 12 v. Chr. wurden in Gallien neue, zukunftsweisende Handlungsräume für die beteiligten Parteien geschaffen. Diese Handlungsräume, die möglicherweise erst das Prinzipat schaffen konnte, weil es sich aus den alten aristokratischen Legitimationsstrukturen der Republik befreite und in der Person des Herrschers ein viel größeres Integrationspotential entwickelte, verlagerten die Aushandlung politischer Prozesse zum Teil auf eine sakrale Ebene und entrissen sie so den gängigen Kommunikationsmustern. Ob dies ein 429 Vgl. Lepelley, C., Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit. 44 v. Chr. – 260 n. Chr., Bd. 2: Die Regionen des Reiches, München u. a. 2001, S. 161 f. 430 Verschiedentlich hat man darauf hingewiesen, dass möglicherweise auch bereits in Gallien eine Vorgängerorganisation aus vorrömischer Zeit existierte (Deininger, Provinziallandtage, S. 23 f.; Witschel, die Wahrnehmung des Augustus, S. 80). So erwähnt Caesar ein Concilium totius Galliae (bell. Gall. 7, 63), das aber wohl nur sporadisch zusammenkam. Vgl. Fishwick, ICLW I 1, S. 97–102. 431 Im Zentrum stand dabei sicherlich ein Mitspracherecht bei der Aufbringung steuerlicher Lasten, v. a. in Finanzierungsfragen des bevorstehenden Krieges gegen die Germanen.

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bewusst mit diesen Intentionen gesteuerter Prozess war, lässt sich schwerlich erschließen; dass er funktionierte und für mehrere Jahrhunderte ein Stabilitätsgarant römischer Herrschaft über die Provinzen war, lässt sich allerdings nicht verleugnen. II.5.2.2 Germanien Die Kultgründung von Lyon war Teil einer weiterreichenden römischen Strategie.432 Dies darf aus der wenig später (7 v. Chr.) eingerichteten ara Ubiorum geschlossen werden.433 Im Falle des oppidum Ubiorum wurde schon im Planungsprozess der Provinzeinrichtung das politisch-militärische Vorgehen durch die Anlage der Ara unterstützt bzw. flankiert.434 Von Beginn an war hier also am Zentralort der geplanten Provinz das Heiligtum angelegt, an dem das Concilium tagen435 und den Kult vollziehen sollte. Ganz nach dem Vorbild der Tres Galliae sollte in Germanien offenbar der Stamm der Cherusker die Rolle der Häduer übernehmen und die germanischen Stämme im Sinne der Römer anführen.436 Wie deutlich diese Ara als römisches Herrschaftsinstrument wahrgenommen wurde, zeigt die von Tacitus geschilderte Szene aus dem Jahr 9 n. Chr., als sich der cheruskische sacerdos Segimundus nach der römischen Niederlage die Priesterbinde vom Kopf riss und zu den Aufständischen floh.437 Sollte die Überlieferung der Wahrheit entsprechen, zeigt sie aus der Perspektive der Provinzialen die Zwanghaftigkeit der Institution und auch ihre künstliche Verpflanzung in ein Gebiet, dem die historischen Wurzeln für eine solche Art der Herrscherverehrung eigentlich fehlten. Diese Reaktion wäre im Osten des Reiches wohl nicht vorstellbar gewesen. Sollte die Überlieferung eher der Phantasie des Tacitus entsprungen sein, zeigt sie die römische Perspektive. Auch in 432 Vgl. dazu auch Herz, P., Der Kaiserkult als Mittel der politischen Integration, in: Moosbauer, G., Wiegels, R. (Hgg.), Fines imperii – imperium sine fine? Römische Okkupations­ und Grenzpolitik im frühen Prinzipat. Beiträge zum Kongress ‚Fines imperii – imperium sine fine?‘ in Osnabrück vom 14.–18. September 2009, Rahden/Westf. 2011, S. 297–308. 433 Vgl. dazu Witschel, Die Wahrnehmung des Augustus, S. 82; Eck, W., Köln in römischer Zeit. Geschichte einer Stadt im Rahmen des Imperium Romanum. Mit einer Einführung in das Gesamtwerk von Hugo Stehkämper (Geschichte der Stadt Köln 1), Köln 2004, S. 77–102; Haensch, Capita provinciarum, S. 73 f. 434 Eck kann sich aufgrund der Lage des Heiligtums und seiner enormen Ausdehnungen sogar vorstellen, dass „der Entschluß zur Einrichtung des Landtags für die neugewonnene Provinz Germanien und für den zur Durchführung des Herrscherkultes notwendigen Kultbezirk der eigentliche Anlaß für die Gründung der Siedlung geworden ist […]“. (Eck, Köln, S. 89 f.). Eine andere Auffassung zur Lage des Heiligtums vertritt Bechert, T., ARA UBIORUM. Zum Namen des frühkaiserzeitlichen Köln und zum Standort des Kaiseraltars, Carnuntum Jahrbuch 2012, S. 9–16. 435 Vgl. Cass. Dio 56, 18, 2 f. 436 Darauf deute die Übernahme des Priesteramtes 9 n. Chr. durch den Cheruskerfürsten Segimundus hin. (Tac. ann. 1, 57, 2). Vgl. dazu Lehmann, G. A., Zum Zeitalter der römischen Okkupation Germaniens: neue Interpretationen und Quellenfunde, S. 224 mit Anm. 61, Borreas 12 (1989), S. 207–230 (= ders., Forschungen zur Alten Geschichte. Kleine Schriften, Stuttgart 2011, Bd. 2, S. 655–692). 437 Tac. ann. 1, 57, 2. Vgl. Eck, Köln, S. 85 f.

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den Augen des Tacitus war dieser Herrscherkult ein Kunstprodukt, das der lokalen Bevölkerung zumindest zu diesem Zeitpunkt mehr aufgezwungen war als von ihr gewünscht wurde. Umstritten ist, ob der Kölner Altar nach der Niederlage 9 n. Chr. weiterhin als Versammlungsort des Concilium von Restgermanien bzw. der Germania inferior diente oder nur munizipalen Charakter hatte. II.5.2.3 Die spanischen Provinzen Neueste Untersuchungen zur Provinz Hispania citerior erlauben einen Zugang zum Herrscherkult auf der Basis der administrativen Restrukturierung der Provinz. Diese Studien haben deutlich gemacht, dass die Anfänge des conventus-Systems schon früh in der julisch-claudischen Zeit, wohl bereits unter Augustus, zu suchen sind und dass auch die Verehrung des Augustus und der Roma bereits unter Augustus in den conventus etabliert wurde.438 Der Provinzialkult der Hispania citerior wird gemeinhin mit Tacitus ins Jahr 15 n. Chr. datiert: „Einen Tempel in der Kolonie Tarraco dem Augustus zu errichten, wurde den Spaniern auf ihren Antrag gestattet und damit für alle Provinzen ein Vorbild geschaffen.“439 Nun ist an dieser Tacitus-Stelle zweierlei bemerkenswert: Zum Ersten wird nicht davon gesprochen, einen neuen Kult einzurichten, sondern einen Tempel zu errichten, zum Zweiten wird der Antrag von den Hispanii – also einem Kollektiv – an Tiberius gerichtet. Bei den Hispanii muss es sich also um die in einer bestimmten Form organisierten Provinzbewohner gehandelt haben, es muss also zwangsläufig bereits zu diesem Zeitpunkt eine Organisation der Provinzialen, ein Concilium, gegeben haben. Vergleicht man ferner die bei Cassius Dio440 überlieferte tatsächliche Neueinrichtung des Kultes mit der von Tacitus berichteten Genehmigung eines Tempelneubaus in Tarraco, lässt sich die bei Cassius Dio explizit betonte Neueinrichtung eines bisher nicht existenten Kultes bei Tacitus so nicht herauslesen. Vielmehr steht die Passage im Kontext einer Einschätzung der ersten Regierungsmaßnahmen des Tiberius und soll damit einen Vergleich seiner Regierung mit der des Augustus liefern. Insofern ist der Satz „Templum ut in colonia Tarraconensi strueretur Augusto petentibus Hispanis permissum […]“ wohl so zu verstehen, dass der Bau des Tempels das Besondere ist. Dies legt auch die Wortstellung nahe. Der Tempel ersetzte also einen bereits existierenden Kultplatz und wurde nun zum Mittelpunkt des provinzialen Augustuskultes.441 Diese Gedanken führen zurück zur Quintilian-Passage „Et Augustus, nuntiantibus Tarraconensibus palmam in ara eius enatam, ‚apparet‘ inquit 438 Vgl. AE 2004, 772; Goffaux, Priests, conventus and provincial organisation in Hispania citerior, S. 445–469. 439 Tac. ann. 1, 78, 1. 440 Cass. Dio 51, 20, 6–7. 441 Auch Clauss geht von einer frühen Kultgründung auf Provinzebene aus, glaubt aber an einen gemeinsamen Kult aller drei spanischen Provinzen. Seine Interpretation der Tacitusstelle 1, 78, 1 „Einen Tempel wie [Autorin] in der Koloniestadt Tarraco für Augustus zu errichten, wurde den darum bittenden Spaniern gestattet, und damit allen Provinzen ein Vorbild gegeben.“ lässt sich mit den übrigen Belegen nur schwer vereinbaren. (Clauss, Kaiser und Gott, S. 399–402).

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‚quam saepe accendatis‘“442 und der Vermutung, dass der Altar möglicherweise schon in den 20er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. eingerichtet wurde, sicher aber vor dem Jahr 16 v. Chr. existierte und als zentraler Ort des Provinzkultes fungierte.443 Strategisch würde dies zu den Kulteinrichtungen im Osten (Asia, Bithynia, Galatien, Syrien) ebenso passen wie zu den Einrichtungen im Westen (Gallien, Germanien). Der Altar diente auch in Gallien und Germanien als Provinzheiligtum. Ferner lässt sich archäologisch darstellen, dass der von Tiberius genehmigte Bau wohl erst in vespasianischer Zeit fertiggestellt wurde, man darf also annehmen, dass es weit über die tiberische Zeit hinaus ein anderes provinziales Kultzentrum gegeben haben muss.444 Dies bestätigt auch die parallel erfolgte Abbildung von Altar und Tempel auf den Münzen von Tarraco.445 Auch wenn sich keine einhundertprozentige Sicherheit erzielen lässt, gibt es plausible Gründe dafür, bereits in augusteischer Zeit einen provinzialen Kult in Hispania citerior mit einem Flamen446 an der Spitze anzunehmen, der am Altar des Augustus und der Roma447 in Tarraco angesiedelt war und an dem sich jene Hispanii trafen, die schließlich 15 n. Chr. darum baten, dem nunmehr verstorbenen Kaiser einen Tempel errichten zu dürfen. Eng angelehnt an die Ergebnisse der Hispania citerior in Tarraco müssen auch die Befunde in Lusitanien betrachtet werden. Münzen und Epigraphik zeigen, dass es erst einen provinzialen Kult für Augustus gab, wohl spätestens kurz nach seinem Tod eingeführt, der dann ab 42 n. Chr. durch die vergöttlichte Livia und 54 n. Chr. den vergöttlichten Claudius erweitert wurde.448 Als Trägerorganisation kann nur ein 442 Quint. inst. 6, 3, 77. 443 Dagegen Fishwick, ICLW I 1, S. 171–179. 444 Zu den archäologischen Befunden vgl. Hauschild, T., Römische Konstruktionen auf der oberen Stadtterrasse des antiken Tarraco, AEA 45/41 (1972/74), S. 3–44; Panzram, S., Stadtbild und Elite: Tarraco, Corduba und Augusta Emerita zwischen Republik und Spätantike, Diss. Stuttgart 2002, S. 33–66; Macias, J. M., Menchón, J. J., Muñoz, A., Teixell, I., Excavaciones en la catedral de Tarragona y su entorno: Avances y retrocesos en la investigación sobre el culto imperial, in: Nogales, T., González, J. (Hgg.), Culto Imperial: política y poder. Actas del Congreso Internacional, Mérida, Museo Nacional de Arte Romano 18–20 de mayo 2006, Rom 2007, S. 763–787; zusammenfassend auch Trunk, M., Augustus aus der Sicht der iberischen Halbinsel, in: Kreikenbom, D. et al. (Hgg.), Augustus – Der Blick von außen. Die Wahrnehmung des Kaisers in den Provinzen des Reiches und in den Nachbarstaaten. Akten der internationalen Tagung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz vom 12.–14. Oktober 2006 (Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hochkulturen 8), Wiesbaden 2008, S. 121–140. 445 Münzen mit der Abbildung des Altars: RPC I 218–226, 231; Münzen mit der Abbildung des Tempels vgl. Paz García-Bellido, M., Blázquez, C. et al., Diccionario de cecas y pueblos hispánicos, 2 Bde., Madrid 2001, hier Bd. 2, S. 361–364; Fishwicks Argument „[…] if both altar and temple appear contemporaneously on coins of Tarraco, this is because both are principal landmarks of the city, not because both represent a single organisation.“ überzeugt nicht. (Vgl. Fishwick, ICLW I 1, S. 177). 446 Bereits Alföldy ging von einer Einrichtung des Flaminats spätestens 15 n. Chr. aus. (Alföldy, G., Flamines Provinciae Hispaniae Citerioris (Anejos de Archivo Español de Arqueologia 6), Madrid 1973. S. 16 f.). 447 Vgl. dazu Fishwick, ICLW I 1, S. 155 f. 448 Vgl. dazu bereits Krascheninnikoff, S. 176; Fishwick, ICLW I 1, S. 154–158; Panzram, Stadtbild und Elite, S. 275; Delgado, J. A., Flamines Provinciae Lusitaniae, Gerión 17 (1999), S. 433–461, hier S. 435.

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Concilium in Frage kommen. Diesen Befund bestätigt auch ein neuer Fund aus Augusta Emerita (Mérida). Die Ehreninschrift für den bereits bekannten L. Cornelius Bocchus macht es wahrscheinlich, dass er Flamen des provinzialen Kaiserkultes im Jahr 31 n. Chr. war und praefectus fabrum unter dem kaiserlichen Legaten L. Fulcinius Trio, der wohl eine herausgehobene Rolle bei der Einrichtung des Tempels für den vergöttlichten Augustus spielte, dessen Einweihung am 22./23. September 30 n. Chr. stattfand.449 In der Baetica wird gemeinhin wiederum Tacitus als frühester Beleg für den Versuch einer provinzialen Kultgründung nach dem Vorbild Asias herangezogen.450 25 n. Chr. erbat Hispania ulterior die Erlaubnis, einen Tempel für Tiberius und Livia errichten zu dürfen. Die Bitte wurde abgewiesen, allerdings zeigt sich auch hier, dass es ein von der gesamten Provinz getragenes Organ gegeben haben muss, das diesen Antrag formulierte und die Gesandtschaft an Tiberius schickte. Jene Stimmen der Forschung, die in der institutionalisierten Anfrage eine „einmalige Aktion der Provinz“451 sehen, werten dabei traditionellerweise eine weitere Inschrift gering, die schon für die Lebzeiten des Augustus die Provinz Hispania ulterior Baetica als Stifterin einer goldenen Inschrift in Rom bezeugt.452 Die Ereignisse lassen in der Zusammenschau an einmaligen Aktionen der Provinz zweifeln, die hier ihren Niederschlag in den Quellen fanden, sondern legen viel eher die Vermutung nahe, dass es eine provinziale Organisation gab, die den Kult prägte, seine Ausrichtung steuerte und in großer Übereinstimmung mit den Landtagen anderer Provinzen handelte.453 Wie anders ist es möglich, einen Tempel mit allen finanziellen, juristischen, religiösen und organisatorischen Konsequenzen, die mit dem Bau und Unterhalt, den kultischen Abläufen und vor allem den Verantwortlichkeiten einer solchen Maßnahme verbunden sind, zu errichten, ohne ein Gremium zu besitzen, das koordinierend den Kult verantwortet? Betrachtet man zusätzlich die Belege aus den beiden anderen spanischen Provinzen, muss man die Möglichkeit in Betracht zie449 Stylow, A. U., Ventura Villanueva, Á., Los hallazagos epigráficos, in: Ayerbe Vélez, R. et al. (Hgg.), El foro de Augusta Emerita: génesis y evolutión de sus recintos monumentales (Anejos de AEspA 53), Mérida 2009, S. 453–523, Nr. 11; ders., Fasti duovirales Coloniae Augustae Emeritae: reflexiones sobre la concepción, gestación y nacimiento de la ciudad de Mérida, ZPE 170 (2009), S. 215–246. 450 Tac. ann. 4, 37, 1. 451 Dafür spricht sich Deininger aus (Provinziallandtage, S. 29), ebenso Fishwick, D., The institution of the provincial cult in Africa Proconsularis, Hermes 92 (1964), S. 342–363, hier S. 350– 352; Fishwick, ICLW I 2, S. 219–224; Panzram, Stadtbild und Elite, S. 167–181. Sie sehen die Einrichtung eines Concilium erst in frühflavischer Zeit. 452 CIL VI 31267 = ILS 103 = Ehrenberg, Jones, 42: Imp(eratori) Caesari | Augusto p(atri) p(atriae) | Hispania ulterior | Baetica quod | beneficio eius et | perpetua cura | provincia pacata | est auri | p(ondo) C. Die Stiftung muss zwischen der Verleihung des pater patriae-Titels 2 v. Chr. und dem Tod des Augustus 14 n. Chr. liegen. 453 Es verwundert etwas, dass diese sicheren epigraphischen und literarischen Belege mit dem Hinweis auf ihre Einmaligkeit negiert werden. (Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 29; Fishwick, ICLW III 1, S. 38). Ebenso erstaunlich ist es, dass in ihrer Deutung und Überlieferung dubiose Inschriften zum Mittelpunkt der Interpretation gemacht werden, um die Einsetzung des Provinzialkultes zu datieren. (Vgl. Fishwick über die Inschrift CIL II 3271 in ICLW I 2, S. 221–239).

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hen, dass auch die Baetica ein Concilium und einen provinzialen Kaiserkult seit Augustus besaß.454 Auch die Archäologie bestätigt diese Hypothese. Neueste Untersuchungen der archäologischen und epigraphischen Überreste in der Baetica weisen darauf hin, dass spätestens unter Tiberius ein Concilium existiert haben muss.455 II.5.2.4 Gallia Narbonensis Als communis opinio galt bislang die Einrichtung eines Provinziallandtags und des Provinzialkultes in der Gallia Narbonensis in flavischer Zeit, vermutlich unter Vespasian.456 Diese Datierung beruhte hauptsächlich auf zwei epigraphischen Belegen: der sogenannten lex de flamonio Provinciae Narbonensis457 und einer Gruppe von Ehreninschriften aus Athen458, in denen ein Mann namens Q. Trebellius Rufus, der zwischen 85/86 und 94/95 n. Chr. Archon in Athen war, als erster Archiereus der Gallia Narbonensis bezeichnet wird (ἀρχιερέα πρῶτον ἐπαρχείας τῆς ἐκ Ναρβῶνος).459 Die seit Krascheninnikoff460 etablierte Datierung des Gesetzes aus Narbo in die vespasianische Zeit und die Verknüpfung beider Inschriften führte letztlich dazu, dass die Mehrheit der Historiker in Vespasian jenen Kaiser sah, der den Provinzkult und das Concilium einrichtete.461 Allerdings gab es immer wieder Zweifel sowohl an den Datierungen462 als auch an der Interpretation der athenischen Inschrift463. Bereits im 19. Jahrhundert hatte man den Provinzialkult in der 454 So auch Le Roux, P., L’évolution du culte impérial dans les provinces occidentales d’Auguste à Domitien, in: Pailler, J.-M., J.-M., Sablayrolles, R. (Hgg.), Les années Domitien. Colloque organisé à l’université de Toulouse-Le Mirail, les 12, 13 et 14 octobre 1992 (Pallas 40), Toulouse 1994, S. 397–411, hier S. 398. Fishwicks These, diese Landtagseinrichtung dem Vespasian zuzuschreiben, geht wohl fehl. (Vgl. Fishwick, ICLW I 2, S. 238 f.). 455 Ventura Villanueva setzt die Gründung zwischen 25 und 37 n. Chr. an. Vgl. Ventura Villanueva, Á., Reflexiones sobre la arquitectura y advocación del templo de calle Morería en el Forum Adiectum de Colonia Patricia Corduba, in: Nogales, T., González, J. (Hgg.), Culto Imperial: política y poder. Actas del Congreso Internacional, Mérida, Museo Nacional de Arte Romano 18–20 de mayo 2006, Rom 2007, S. 217–237, hier S. 232–234. 456 So Deininger, Provinziallandtage, S. 29–31; Fishwick, ICLW I 2, S. 238 f. 457 CIL XII 6038 = ILS 6964 = AE 1987, 749. 458 IG II2 4193a-b; vgl. ergänzend auch AE 1947, 69 = Oliver, J. M., Meritt, B. D., Greek inscriptions, Hesperia 10, 1 (1941), S. 65–90, hier S. 72–77, Nr. 32; SEG 29, 1979, 181. 459 IG II2 4193, Z. 5–7. 460 Vgl. Krascheninnikoff, Ueber die Einführung des provinzialen Kaisercultus im römischen Westen, S. 169. 461 Zur Forschungsgeschichte vgl. Fishwick, ICLW I 2, S. 240–243. 462 Schon Kornemann hatte recht treffend formuliert: „[…] nun ergibt der Erlass eines Statuts für einen Kaiserkult absolut nichts für das Datum seiner Begründung.“ (Kornemann, E., Zur Geschichte der antiken Herrscherkulte, S. 126). Abaecherli datierte die lex schon 1932 mit guten Argumenten in die Zeit des Tiberius (Abaecherli, A. L., The dating of the lex Narbonensis, TAPhA 63 (1932), S. 265–268). 463 Vor allem die Bezeichnung πρῶτος stand dabei in Frage. Vgl. dazu Brun, J.-P., Gascou, J., Un grand-prêtre du culte impérial de la province Narbonnaise, ZPE 125 (1999), S. 261–271, hier S. 268 mit Anm. 37.

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Narbonensis eher in die julisch-claudische Epoche datiert. Dafür lässt sich auch die in der Forschung wenig beachtete Livius-Passage anführen, der zufolge Augustus bereits 27 v. Chr. bei seinem Aufenthalt in Narbonne einen conventus versammelte.464 In den letzten Jahren sind die Zweifel an der Datierung in die vespasianische Epoche gewachsen. Vor allem die von Brun und Gascou 1999 vorgelegte Neuinterpretation einer Ehreninschrift für einen namentlich nicht genannten Mann aus Cuers im Territorium von Arles gibt Anlass zu der Annahme, dass es bereits in vorflavischer Zeit einen provinzialen Kult für Augustus in der Narbonensis gab.465 Der anonyme Honorand wird bezeichnet als: [sacerdoti (?)] templi divi Aug(usti) [quod est Nar]bone in quod offic[ium ab univ]ersa provincia [Narbon(ensi) prov]ectus est.466 Es gibt also erhebliche Zweifel an der Datierung und damit der Deutung der lex Narbonensis. Sollten sich diese Zweifel als stichhaltig erweisen, müssten sie in der Konsequenz dazu führen, auch die Rolle Vespasians als Gründer und Reformator der Concilia in der westlichen Reichshälfte zu hinterfragen. Im Folgenden muss daher die lex Narbonensis unter Einbeziehung weiterer, zum Teil neu entdeckter Inschriften aus anderen Reichsteilen nochmals analysiert werden, um die Frage der Datierung noch einmal zu diskutieren. Für die Beurteilung der Rolle der Provinziallandtage in der römischen Provinzialpolitik ist sie ein zentrales Dokument. Exkurs: Die sogenannte lex Narbonensis – Eine Neubewertung im Lichte neuer epigraphischer Erkenntnisse Im Folgenden wird der Text nach der jüngsten kritischen Edition von Williamson wiedergegeben.467 [De honoribus eius qui flamen erit] 1. [.42. Na]rboni […52…] 2. [.42.]iique lictores q[ui … apparent … ei apparento] 3. [.37.]um iusque eius provinciae […42…] 4. [.35.]ui in decurionibus senatuve [sententiae dicendae signandique …12…]

464 Liv. per. 134. Ein zweiter Aufenthalt des Augustus in der Stadt ist seit einem Inschriftenfund aus dem Jahr 2000 belegt. (AE 2000, 760). 465 Brun, Gascou, Grand-prêtre, S. 261–271. 466 Gegen die Deutung von Brun und Gascou wendet sich vehement Fishwick (ICLW III 2, S. 163–172). Er führt sowohl historisch-inhaltliche als auch terminologische Argumente ins Feld. Die Ergänzung sacerdos lehnt er ab, stattdessen ergänzt er curator templi divi Augusti, sieht also in dem anonymen Funktionsträger einen Mann des munizipalen Kultes. Er lehnt auch die Datierung in die vorflavische Zeit ab, was dann wiederum als Argument dient, den Bezug zur gesamten Provinz zu erklären (officium ab | ex universa provincia Narbonensi). Da für Fishwick Kult und Concilium erst mit dem narbonensischen Gesetz aus der Regierungszeit Vespasians ihre Existenz erlangen, muss die Datierungsfrage notwendigerweise in den Fokus rücken. Gerade hier aber sind die Argumente von Brun und Gascou stichhaltig. Fishwicks Argumente sind nicht ganz von der Hand zu weisen, können aber keine Gewissheit bringen. Vgl. auch Clauss, Kaiser und Gott, S. 403. 467 Williamson, C. H., A Roman law from Narbonne, Athenaeum 75 (1987), S. 173–189.

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5. [.15. inter decuriones s]enatoresve subsellio primo spectan[di ius esto … 30 …] 6. [.23. uxor fla]minis veste alba aut purpurea vestita f[estis diebus … 27…] 7. [.28.] neve invita iurato neve corpus hominis mor[tui …6… attingito neve locum ingreditor] 8. [in quo bustum crem]ati hominis erit; eique spectaculis publicis eius[… interesse liceto vacat] 9. De honoribus eius qui flamen f[uerit] 10. [Si is qui flamen fue]rit adversus hanc legem nihil fecerit, tum is qui flamen erit c[urato ut …27…] 11. [.3. per tabell]as iurati decernant placeatne ei qui flamonio abierit permitti sta[tuam intra fines templi Divi Aug(usti) ponere. Si placu-] 12. [erit ius sta]tuae ponendae nomenque suum patrisque et unde sit et quo anno fla[men fuerit inscribendi permitti, ei] 13. [Narbo]ni intra fines eius templi statuae ponendae ius esto, nisi cui imperator [Caesar …24… Eidem] 14. [i]n curia sua et concilia provinciae Narbonensis inter sui ordinis secundum le[…35…] 15. sententiae dicendae signandique ius esto; item spectaculo publico in provincia […22… intresse liceto prae-] 16. textato eisque diebus, quibus cum flamen esset sacrificium fecerit, ea veste pe[… 42… vacat] 17. Si flamen in civitate esse des[ierit] 18. Si flamen in civitate esse desierit neque ei subrogatus erit, tum uti quis [flamen proxime fuerit …19… is] 19. in triduo quo certior factus erit et poterit Narboni sacra facito […35… per reliquam] 20. partem eius anni eo ordine hab(e)to quo annuorum flamin[um habentur …16… Eique, si habuerit per dies non minus] 21. XXX, siremps lex ius causaque esto quae flamini Augus[ti ex hac lege erit vacat] 22. Quo loco concili[um …15…] 23. Qui in concilium provinciae convenerint Narbo[nem …(?ni)si quid … Narbone-] 24. sium concilio habito actum erit, id ius ratum[que (?ne) esto vacat] 25. De pecu[nia … 22…] 26. Qui flamonio abierit is ex ea pecunia [… 65…statu-] 27. as imaginesve imperatoris Caes[aris …45… arbitratu (?) eius qui eo anno pro-] 28. vinciae praeerit intra idem t[empus …41… seque omnia ut hac lege cautum est de] 29. ea re fecisse apud eum qui ra[tiones putabit probato …58…] 30. [.8. e]o templo ita […83…]

Fishwick hat in seinem monumentalen Werk über den Herrscherkult im Westen des römischen Reiches mehrfach auch jene Inschrift analysiert, die seit ihrem Auffinden 1888 als lex Narbonensis oder lex de flamonio provinciae Narbonensis firmiert.468 Jenes bruchstückhafte Fragment eines Gesetzestextes wurde von ihm – wie bereits von zahlreichen Autoren zuvor469 – als vespasianisches Reformwerk eingeordnet, das sich in den Umgang Vespasians mit den westlichen Provinzen und vor allem seine Einführung des Herrscherkultes in Gallia Narbonensis, Baetica und Africa Proconsularis einfügte.470 Fishwick sah in CIL XII 6038 eine vespasianische 468 Dellong nennt sie lex concilii provinciae Narbonensis (Dellong, E., Narbonne et le Narbonnais (Carte archéologique de la Gaule, 11, 1), Paris 2002, S. 126). 469 Für einen Überblick über die Forschungsliteratur seit dem 19. Jahrhundert vgl. Williamson, Roman law, S. 173–189. 470 Vgl. Fishwick, ICLW I 2, S. 295–300, v. a. S. 298.

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Gründungsurkunde des Concilium Narbonensis. Fishwicks Argumentationskette, die eine vespasianische Neueinrichtung des provinzialen Herrscherkultes in der Narbonensis, der Baetica und in Africa Proconsularis belegen will, baut hauptsächlich auf drei epigraphischen Belegen auf, die nur gemeinsam dieses Bild zeichnen können: zum Ersten der sogenannte lex Narbonensis, zum Zweiten drei athenischen Inschriften zum „ersten Flamen“ der Narbonensis471 sowie zum Dritten einer heute verlorenen und nur in einem Druck aus dem 16. Jahrhundert auf uns gekommenen Inschrift aus der Baetica (CIL II 3271), die als Hinweis auf den ersten Flamen der Baetica interpretiert wird.472 Nun erweisen sich diese vermeintlich sicheren Hinweise allerdings bei näherem Hinsehen als deutlich unsicherer als Fishwick sie darstellt. Zunächst bedürfen die Athener Inschriften, in denen Q. Trebellius Rufus als ἀρχιερέα ἐπαρχείας τῆς ἐκ Ναρβῶνος bzw. ἀρ]χιερέα πρῶτο[ν ἡμ]έ̣τερο[ν bezeichnet wird, einer aktuellen Interpretation.473 Das Schlüsselwort πρῶτος wird gemeinhin in einem chronologischen Sinn gedeutet, Q. Trebellius Rufus war dieser Interpretation folgend der erste Flamen des provinzialen Kaiserkultes in der Narbonensis. In der Konsequenz kann die lex Narbonensis mit ihren Regelungen zum provinzialen Flaminat nur in die vespasianische Zeit datieren, denn das Amt des Athener Archonten hatte er zweifellos zwischen 85/86 und 94/95 n. Chr. inne. Dies hätte dann wiederum zur Folge, dass das Concilium der Narbonensis erst von Vespasian gegründet worden sein kann, woraus man dann wieder eine vespasianische Reform der westlichen Concilia überhaupt erschließen will. Alles hängt also am πρῶτος. Nun wurden in der Literatur durchaus auch andere Interpretationen des Wortes πρῶτος vorgeschlagen. Zum einen sieht man darin nicht zwangsläufig eine chronologische Wertung, sondern den Ausdruck einer Ehrenstellung im Sinne des ersten Mannes der Provinz. Sowohl die chronologische als auch die qualitative Deutung sind möglich und epigraphisch belegt.474 Andere Autoren wollen πρῶτος nicht auf das Amt des Flamen beziehen475 und versuchen Rufus zum ersten Flamen seiner Heimatstadt Tolosa zu machen.476 Aber diese Deutung lässt sich aus dem Text nicht herauslesen. Es bleiben zwei Varianten: Entweder gibt πρῶτος eine Chronologie an, dann war Q. Trebellius Rufus der erste Flamen der Provinz, oder πρῶτος kennzeichnet eine Rangstellung des Q. Trebellius Rufus innerhalb einer Gruppe. Um diese Frage zu klären, hilft ein Blick in andere Provinzen. Im westpontischen Koinon treffen wir ein ähnliches Phänomen an. Die Inschrift ISM 1, 207 überliefert uns einen Mann namens M. Ulpius Artemidoros, der 471 IG II2 4193; vgl. Fishwick, ICLW I 2, S. 240–243; ders., Our first Gallic knight: a Gallic knight at Athens, Epigraphica 60 (1998), S. 83–112. 472 Fishwick, ICLW I 2, S. 221–239. 473 IG II2 4193a-b = Oliver, J. M., Meritt, B. D., Greek Inscriptions, Hesperia 10, 1 (1941), S. 65– 90, hier S. 72–77, Nr. 32. 474 Vgl. dazu Fishwick, ICLW I 2, S. 241 Anm.7. Diese Diskussion wird auch in der Frage der ersten Archierosyne in anderen, östlichen Provinzen geführt. Vgl. u. a. Mitchell, Cult, S. 472 mit Anm. 2. 475 Vgl. Clauss, Kaiser und Gott, S. 403. 476 Vgl. Brun, Gascou, Grand-prêtre, S. 267 f. mit Anm. 37; Le Roux, L’évolution du culte impérial, S. 398.

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als πρώτου ποντάρχου καὶ υἱο[ῦ τῆς] [π]όλεως bezeichnet wird und sein Amt wohl zwischen 107 und 117 n. Chr. ausübte.477 Auch hier lässt sich eine lange Forschungsdiskussion darüber finden, ob die Bezeichnung eine chronologische Angabe, eine Rangdarstellung oder die Aussage darüber ist, dass er der erste Mann seiner Heimatstadt war, der das Amt bekleidete.478 Nun wurde im Jahr 2000 ein Band mit den Inschriften von Kallatis herausgegeben, der Erhellendes zu dieser Diskussion beitragen kann.479 Es finden sich in den Inschriften von Kallatis nämlich zwei sicher in das Jahr 172 n. Chr. datierbare Zeugnisse, die einen weiteren „ersten Pontarchen und Archiereus“ belegen: Τ(ίτος) Αἴλιος Μι]νίκιος Ἀθαναίων ὁ πρῶτος ποντάρχης καὶ ἀρχι[ερεὺς. Bezeichnenderweise wird auch sein Sohn in dieser Inschrift mit dem Amt des Pontarchen angeführt.480 Auch hier macht der Erstherausgeber den Vorschlag, Titus Aelius Minicius als ersten Pontarchen aus Kallatis zu deuten. Zwar kann dies nicht ausgeschlossen werden, plausibler erscheint mir aber vor dem Hintergrund der Diskussion um die Athener Inschrift die Lösung, in beiden Fällen eine Rangstellung anzunehmen. In seiner 1993 erschienenen Arbeit über die Honoratiorenschicht des griechischen Ostens hat Quaß überzeugend nachgewiesen, dass es seit dem Späthellenismus eine Veränderung in der Terminologie sozialer Rangordnung gab.481 Vor allem der Begriff des „ersten Mannes“ wird dabei – wie Quaß anhand zahlreicher Beispiele darstellt – zum Ehrenprädikat, das auf der provinzialen Ebene größere Bedeutung erlangte als auf der städtischen.482 „Auf der Provinzebene kam der erste Rang denjenigen zu, die sich in diesem Bereich besonders profilieren konnten, d. h. vor allem die kostspielige Würde eines Oberpriesters des provinzialen Kaiserkultes und Vorsitzenden des Provinziallandtags übernahmen.“483 Strabon unterstreicht diese Sicht auf die Rangstellung in seiner Beschreibung der Honoratioren von Tralleis: „[…] καὶ ἀεί τινες ἐξ αὐτῆς εἰσιν οἱ πρωτεύοντες κατὰ τὴν ἐπαρχίαν, οὓς Ἀσιάρχας καλοῦσιν […]“484

477 IScM I 207, Z. 4 f. 478 Vgl. Nawotka, K., The „first pontarch“ and the date of the establishment of the western pontic KOINON, Klio 75 (1993), S. 342–350, hier S. 343 f. 479 Avram, A., Inscriptiones Daciae et Scythiae Minoris antiquae. Series altera: Inscriptiones Scythiae Minoris graecae et latinae. Vol. 3. Callatis et territorium, Bukarest 2000. 480 IScM III 99 und IScM III 100; SEG 49, 1999, 1016. Die Familie muss ihr Bürgerrecht in der ersten Hälfte der Regierungszeit des Antoninus Pius zwischen 138 und 148 n. Chr. erhalten haben. Dies lässt sich aus der Nomenklatur schlussfolgern. 481 „Seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. sprach man in den Inschriften von der edlen Abkunft (εὐγένεια) des Geehrten sowie von den Männern und Familien, die den ersten Rang in der Stadt einnahmen (πρῶτοι). Diese Terminologie war vor allem in der späteren Zeit weit verbreitet. In der Kaiserzeit legte man großen Wert auf Rangordnung und Titulaturen. […] Sie fanden in den Inschriften vor allem dann Verwendung, wenn es galt, die vornehme Abkunft und dadurch bedingte Stellung des Honoranden zu kennzeichnen.“ (Quaß, Honoratiorenschicht, S. 51). 482 Vgl. ebd., S. 53 mit Anm. 161. 483 Ebd., S. 54. 484 Strab. 14, 1, 42. Vgl. zur Diskussion um den Titel ἡ πρώτη τῆς Ἀσίας vgl. Heller, A., „Les Bêtises des Grecs“. Conflicts et rivalités entre cités d’Asie et de Bithynie à l’époque romaine (129 a. C.–235 p. C.), Bordeaux 2006, S. 283–341 mit Rez. Corsten, T., JRS 99 (2009), S. 232 f.

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Blicken wir in eine weitere Provinz: Lykien. Eine 2003 leider erst in Auszügen publizierte Inschrift485 hat in der Frage der Benennung des ersten Provinzialpriesters Klarheit geschaffen: Ein Mann namens Eirenaios wird als α` Λυκίων ἀρχιερεύς bezeichnet. Auch hier fällt auf, dass die Lykiarchen sich neben ihrem Titel zusätzlich als „die Ersten“, „die Ersten des lykischen Bundes“ oder „Männer unter den Ersten des lykischen Bundes“ bezeichnen.486 Auch hier ist völlig klar, dass es sich um den Ausdruck einer Ehrenstellung handelt, unklar bleibt, ob es ein offiziell verliehener Titel war oder die Männer inoffiziell unter diesem Titel geführt wurden. Reitzenstein konnte in ihrer Arbeit über die lykischen Bundespriester aufzeigen, wie sich die Titulatur der Lykiarchen veränderte und dass es ab dem zweiten Jahrhundert eine Superlativierung der Bezeichnungen gab. Die Lykiarchen erhielten nun zusätzlich das Rangprädikat ἀξιολογώτατος.487 Diese Steigerungen in der Bezeichnung finden sich auch in den Provinzen Asia, Kilikia, Macedonia und Galatia.488 Es wird ersichtlich, dass die einseitige und ausschließliche Deutung der Bezeichnung πρῶτος in der Ehreninschrift für Q. Trebellius Rufus als Ausweis für das erste Flaminat der Provinz nicht haltbar ist. Es handelte sich möglicherweise doch um den Ausdruck einer Ehrenstellung innerhalb des Kreises der Männer, die das Amt des Flamen bekleidet hatten, schließlich treten sie uns in der lex Narbonensis ja ebenfalls als Gruppe entgegen. Schon die Karriere des Q. Trebellius Rufus zeigt, dass dieser Mann etwas Besonderes war. Dass er eine besondere Rolle in seiner Provinz auch nach seinem Weggang spielte, macht der Brief des Landtags sehr deutlich. Einen Mann mit solch einer Karriere als ersten der Flamines zu bezeichnen, wäre sicherlich nicht falsch gewesen. Von den uns bekannten acht Flamen der Gallia Narbonensis weist keiner eine solch imposante Karriere auf wie Q. Trebellius Rufus.489 Akzeptiert man diese Option, kann man auch einen unverstellten Blick auf die übrigen Zeugnisse werfen. Bereits erwähnt wurde die von Le Roux 1994 sowie Brun und Gascou 1999 neu bearbeitete Inschrift (CIL XII 392) für einen [sacerdoti (?)] templi divi Aug(usti) [quod est Nar]bone in quod offic[ium ab univ]ersa provincia [Narbon(ensi) prov]ectus est.490 Bei aller gebotenen Vorsicht muss man auf diese Inschrift eingehen, wenn man über die Existenz eines provinzialen Kultes mit einem Priester (sacerdos?) an der Spitze und damit die Existenz eines Concilium in der Gallia Narbonensis nachdenkt. 485 Vgl. Baker, P., Thériault, G., Xanthos et le Letoon: Rapport sur le Campagne de 2002: Prospection Épigraphique, Anatolia Antiqua 11 (2003), S. 431–435. Zur Chronologie der lykischen Archiereis vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 166–242. 486 Vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 118. 487 Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 119 f. 488 Vgl. Lewartowski, E., Les membres des KOINA sous le principat (Ie-IIIe siècles): Quelques exemples d’intégration dans la vie locale, in: Cébeillac-Gervasoni, M., Lamoine, L. (Hgg.), Les élites et leurs facettes. Les élites locales dans la monde hellénistique et romain, Rom 2003, S. 207–221, hier S. 217 f. 489 Eine Auflistung und Beschreibung der Karrieren findet sich bei Fishwick, ICLW III 2, S. 155– 185. 490 Vgl. auch Clauss, Kaiser und Gott, S. 403.

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Ebenso spricht die Situation in der Baetica nach Ansicht der Autorin viel eher dafür, den Beginn des vom Concilium ausgeübten Kultes in die frühe julisch-claudische Zeit zu datieren.491 Eine Argumentationskette für Hispania citerior oder die Baetica aufzubauen, die den Antrag auf einen Tempel 15 n. Chr. bzw. 25 n. Chr. als „einmaliges Ereignis“492 oder eine „isolated occasion“493 abtut und die die Errichtung einer goldenen Statue in Rom im Auftrag der Provinz noch zu Lebzeiten des Augustus nicht einbezieht, ist nicht nachvollziehbar. Sie ist vor allem dann nicht mehr verständlich, wenn man die reichsweite Dimension und die heute als sicher geltenden Bemühungen des Augustus im Osten des Reiches oder in den Tres Galliae bzw. Germania betrachtet.494 Nach Ansicht der Autorin lässt sich lediglich für Africa Proconsularis jene sichere vespasianische Datierung veranschlagen, die Fishwick auch für die spanischen Provinzen und die Gallia Narbonensis annimmt.495 Vor diesem Hintergrund muss man also einen möglichst unverstellten Blick auf die lex de flamonio provinciae Narbonensis werfen. Das Dokument ist aus sich heraus nicht genauer datierbar als in das erste Jahrhundert n. Chr. Bisherige Versuche, es einem Herrscher dieser Zeit zuzuordnen, konnten keine Eindeutigkeit herstellen. Die zeitliche Spanne der Interpretationsversuche reicht von Augustus496 über Tiberius497 und Vespasian498 bis zuletzt Domitian499. Dabei wurde in aller Regel die bereits 1894 von Krascheninnikoff vorgenommene Ergänzung von Zeile 13 (Caesar Vespasianus Augustus) akzeptiert. Ein mit großer Gründlichkeit vorgenommener Neubewertungsversuch von Abaecherli, der die Ergänzung Krascheninnikoffs aus epigraphischen Gründen ausschloss, wurde dagegen ebenso ignoriert wie ihre einleuchtenden Argumente für eine Frühdatierung in die julisch-claudische Zeit: So betonte sie beispielsweise die Parallelen des provinzialen Flaminats zu den römischen Ämtern des Flamen Dialis und dem dieser Tradition nachgebildeten Fla-

491 Vgl. Kap. II.5.2.3. Die Interpretation von CIL II 3271 durch Fishwick auf der Basis von Krascheninnikoff erscheint aufgrund der Überlieferungssituation der Inschrift sowie der zahlreichen interpretatorischen Freiheiten zu vage, um auf ihr die gesamte Datierung des ersten provinzialen Flaminats aufzubauen. Im Gegensatz dazu wird die von der Provinz Baetica errichtete goldene Statue in Rom ignoriert (CIL VI 31267 = ILS 103 = Ehrenberg, Jones, 42). 492 Deininger, Provinziallandtage, S. 29. 493 Fishwick, ICLW III 1, S. 38. 494 Insbesondere die Beispiele Galatien und Syrien müssen hier in Betracht gezogen werden. 495 Zieht man diese Zweifel in Betracht, ist die Eindeutigkeit, mit der Fishwick formuliert, nicht nachvollziehbar: „It is now certain that Vespasian instituted an official worship in Gallia Narbonensis and extremely probable that he introduced similar measures into Baetica and Africa.“ (Fishwick, ICLW I 2, S. 298). 496 Vgl. u. a. Mommsen, Römisches Staatsrecht, III, 2, vii n.1 (addendum zu S. 860) und ix n.1 (addendum zu S. 992); Hirschfeld, O., Zu der lex Narbonensis über den Provinzialflaminat, ZRG 9 (1888), S. 403 f. (= Kleine Schriften, Berlin 1913, S. 45 f.). 497 Vgl. u. a. Taylor, L. R., The divinity of the Roman emperor, Middletown 1931, S. 280–282; Abaecherli, The dating of the lex Narbonensis, S. 265–268. 498 Vgl. u. a. Krascheninnikoff, Ueber die Einführung des provinzialen Kaisercultus im römischen Westen, S. 147–187; Kornemann, Zur Geschichte der antiken Herrscherkulte, S. 124–127. 499 Vgl. Pailler, J.-M., Domitien, la „loi des Narbonnais“ et le culte impérial dans les provinces sénatoriales d’Occident, RAN 22 (1989), S. 171–189.

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men Divi Iuli.500 Auch die Bezeichnung der Ehefrau des Flamen als uxor flaminis und nicht als Flaminica deutet nach Abaecherli auf eine Datierung vor 42 n. Chr. hin, also jenem Jahr, in dem der erste Kult für ein weibliches Mitglied der julischclaudischen Familie eingerichtet wurde.501 Die Frühdatierung darf daher nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden. An dieser Stelle soll die Frage gestellt werden, ob der Text inhaltlich nicht einer neuen Bewertung zugeführt werden kann. Der Autorin erscheint er in seiner Bedeutung – vor allem vor dem Hintergrund seiner Bruchstückhaftigkeit – überbewertet bzw. zu einseitig bewertet. Ihn zum „Grundgesetz“ des provinzialen narbonensischen Herrscherkultes und damit auch zum Gründungsdokument des Concilium zu machen502, überfrachtet den Text der Inschrift. Williamson schrieb in seiner 1987 vorgelegten Neuedition der Inschrift einleitend: „[…] these 30 lines of text probably belong to an enactment of the Emperor Vespasian, establishing the provincial imperial cult in Narbonese Gaul. The identification is based on 1) the content of the fragment and 2) external evidence for the institution of the provincial imperial cult in Narbonese Gaul. The surviving clauses are concerned with regulating the office of provincial flamen and the provincial assembly of Narbonese Gaul. Since the office and assembly together constituted the institutional framework supporting the imperial cult in the Roman provinces, historians reasonably assume that the general purpose of the entire enactment to which the fragment belonged was to establish the cult.“503

Bereits diese einleitenden Sätze werfen über die bereits angesprochene Problematik der Datierung hinaus gehende Fragen auf. Selbst wenn es sich um ein vespasianisches Dokument handeln sollte, geht aus dem Dokument in keiner Weise hervor, dass es ein Kaisererlass ist. Leges können nach römischem Recht auch von Privatpersonen oder gesetzgebenden Körperschaften erlassen werden. Wir haben keinerlei parallele Überlieferungen, die eine Installation von lokalen oder provinzialen Kaiserkultfesten per Kaiserdekret anordnen. Dagegen haben wir aber inschriftlich überlieferte Beschlüsse aus dem Osten des Reiches, in denen Kaiserfeste von Städten wie in Gytheion504 gegründet werden und vom Kaiser per Bestätigungsschreiben Rechtskraft erlangen. Der Hinweis auf parallele Verhältnisse in den Tres Galliae mit einem von Drusus installierten Herrscherkult führt in die Irre, da auch in diesem Fall kein eindeutiger Beleg auf eine kaiserliche Order zu finden ist. Vielmehr sprechen die Quellen für ein zumindest in der Außendarstellung propagiertes Zusammenspiel von Provinzialen und römischen Autoritäten. Auch die Beispiele 500 Vgl. Abaecherli, The dating of the lex Narbonensis, S. 264 f.; Williamson, Roman law, S. 181 f.; Weinstock, Divus Julius, S. 306. 501 Abaecherli, The dating of the lex Narbonensis, S. 265. Die bisher einzige belegte weibliche Priesterin des Kaiserkultes trägt den Titel flaminica provinciae (CIL XII 2516). 502 „If so the enactment will be a lex data, technically a constitution issued with the purpose of creating and organizing the imperial cult of Narbonensis.“ (Fishwick, ICLW III 1, S. 5) „At all events there can no longer be any doubt that the Narbonese charter dates from the time of Vespasian, who was therefore responsible for organizing and installing an official provincial cult of Narbonese Gaul.“ (Fishwick, ICLW I 2, S. 241). 503 Williamson, Roman law, S. 174. 504 SEG 12, 1955, 922–3 = AE 1929, 99–100; vgl. Oliver, J. H., Greek constitutions of early Roman emperors from inscriptions and papyri, Philadelphia 1989, S. 58–65.

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aus dem Osten des Reiches können nicht als Parallele dienen. Zwar besitzen wir zahlreiche Hinweise darauf, dass verschiedene Kaiser sich zu Fragen des Herrscherkultes äußerten, allerdings antworteten sie dabei in der Regel auf Anfragen aus der Provinz. Williamsons Analyse, es handele sich bei dem Dokument um regulatorische Maßnahmen zum Amt des Flamen und der Provinzialversammlung, treffen ebenfalls nur bedingt zu. Richtig ist, dass das Bruchstück505 ca. 30 Zeilen eines bei weitem längeren Textes überliefert, der sich mit der Ausgestaltung des provinzialen Flaminats beschäftigt. Es werden Regelungen getroffen, die die Rechte des amtierenden und des gewesenen Flamen sowie der Ehefrau des amtierenden Flamen betreffen. Es wird festgelegt, wie im Fall der Abwesenheit des Flamen Kontinuität gesichert wird, es wird Narbo als Ort des Concilium als einzig rechtlich gültiger Versammlungsort definiert und es wird festgelegt, wie mit den nicht ausgegebenen Geldern des priesterlichen Jahresbudgets umzugehen ist. Ferner werden Regelungen zur finanziellen Rechenschaftsablage über die Gelder des Concilium getroffen. An keiner Stelle des Textes wird gesagt, welche rechtliche Autorität hinter diesem Gesetz steht. Von einer „provincial charter“ zu sprechen, wie Fishwick dies getan hat, ist bloße Fiktion und basiert nicht auf textlicher Erkenntnis. Viel eher scheint es sich um Ausführungsbestimmungen eines Kultes zu handeln. Dass ein Kult bereits bestand, geht ja schon aus der Tatsache hervor, dass ein existierender Tempel erwähnt wird, in dem Statuen aufgestellt und in dem Kaiserbilder geweiht werden sollen – von den bereits genannten, von Fishwick aber abgelehnten Belegen für einen Kult einmal abgesehen. Die Erwähnung der kaiserlichen Autorität kann ohne Weiteres im Sinne einer Rechtssicherheit interpretiert werden.506 Aus zahlreichen Beispielen wissen wir, dass die Provinziallandtage ihre Beschlüsse vom Kaiser genehmigen ließen. Den Kaiser als letztgültige rechtliche Autorität anzurufen, bedeutet allerdings noch lange nicht, dass er auch der Ursprung jeder Regelung sein musste. Welche Autorität kann hinter diesem Gesetz vermutet werden? Konnte sich ein Landtag seine eigene Grundordnung geben? Dies scheint anhand der Beispiele aus dem Osten des Reiches nicht nur denkbar, sondern wahrscheinlich.507 Grund-

505 Abbildung bei Fishwick, ICLW I 2, Plate LXIV. Eine aktuelle Bewertung bei Dellong, Narbonne, S. 126, 389 f. 506 Als Parallele könnte man das Bestätigungsschreiben Kaiser Tiberius’ an Gytheion sehen. Auch in diesem Fall wurde das von der Stadt gegründete Fest per Gesandtschaft dem Tiberius angezeigt. Dieser entschied dann, die Ehrung – mit Abstrichen für seine eigene Person – zu akzeptieren. In der Frage der Verehrung der Livia verweist Tiberius sogar darauf, dass sie selbst in einem Brief Stellung nehmen werde. Ebenso wurden die Demostheneia von Oinoanda durch Kaiser Hadrian bestätigt (vgl. Wörrle, Stadt und Fest). 507 Das Beispiel von Gytheion wurde bereits angesprochen. Weitere Parallelen können gezogen werden: In Lykien bestätigt ein kaiserliches Edikt die Rangerhöhung der Stadt Bubon. (Vgl. Schindler, Die Inschriften von Bubon, S. 12–23 Nr. 2 = BE 1973, 451 = AE 1979, 624.) In Asia befreit der Kaiser per Edikt die Stadt Philadelphia von Beitragszahlungen (vgl. Keil, J., Gschnitzer, F., Neue Inschriften aus Lydien, AAWW 93 (1956), S. 219–231, hier S. 226 Nr. 8 = SEG 17, 1960, 528 = AE 1957, 19).

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sätzlich konnte in der römischen Rechtsauslegung jede Stadt, aber auch jeder Verein und jedes Kollegium interne Angelegenheiten durch leges regeln.508 Ein essentielles Charakteristikum der lex Narbonensis scheint in der bisherigen Diskussion, die so stark auf die Frage des Herrscherkultes gerichtet ist, vernachlässigt worden zu sein: die Frage nach dem Zusammenspiel von Concilium – als provinzialem, überstädtischem Rechtsraum – und Stadt. Die Beispiele der lex sacra von Gytheion aus dem Jahr 15 n. Chr. sowie das Gründungsdossier der Demostheneia aus dem Jahr 124 n. Chr. aus Lykien machen deutlich, dass diese Art von Gründungen stets enormen Wert darauf legten, den rechtlichen Rahmen zwischen den beteiligten Gruppen und Rechtssubjekten zu definieren.509 In den erhaltenen Zeilen der narbonensischen lex sind erstaunlich umfängliche Regelungen getroffen worden, wie die lokalen und die provinzialen (i. e. Concilium-) Autoritäten zusammenarbeiten sollen. Dagegen wird äußerst wenig über die kultischen Aufgaben des Flamen gesagt. Seine Ehren und Rechte werden ganz denen eines Magistrats nachgebildet und beschrieben. Der Flamen war in erster Linie eine öffentliche Person und nur nachgeordnet ein Kultspezialist. So wird unter anderem geregelt, welche Rechte der provinziale Flamen im Stadtrat von Narbo hat, dass er in der Stadt innerhalb des Tempels eine Statue aufstellen darf, dass die gewesenen Flamines als Gruppe innerhalb von Narbo auch äußerlich erkennbar bleiben, indem sie im öffentlichen Raum, also beispielsweise bei Spielen, und im politischen Raum, konkret im Rat von Narbo, als definierte Gruppe auftreten. Dies war keine Marginalie, lässt sich doch unter den uns bekannten acht Flamines aus der Narbonensis kein einziger Bürger von Narbo nachweisen.510 Hier geht es also auch um die Frage, wie die Elite aus anderen Städten der Provinz in ihrer Rolle als Provinzelite in das soziale Gefüge der Stadt Narbo aufgenommen wurde, welche Rolle sie dort spielen durfte und welche Grenzen man ihr setzte. Dies ist ein umso wichtigerer Punkt, als wir annehmen dürfen, dass in allen Provinzen dieses Problem entstand, welches sich nicht zuletzt in den architektonischen Anlagen von provinzialen und munizipalen Kultzentren spiegelte.511 Die Inschrift aus Narbo sichert bei genauerem Hinsehen offensichtlich auch den Status der lokalen Elite. Die Stadt Narbo wird aufgewertet, indem nur sie als Ort des Concilium Rechtsstatus erhält. Auch der letzte erhaltene Paragraph muss bei aller Vorsicht ob der Lücken wohl dahingehend interpretiert werden, dass die Gelder, die aus dem Jahresbudget des Priesters übrig bleiben, nicht zweckentfremdet werden, sondern in Form von Bildern und Statuen des Kaisers dem Tempel in Narbo zugute kommen, die Gelder 508 Vgl. Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit (Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte 50), München 21969, S. 22–30. 509 Vgl. dazu auch die Ausführungen zur lex sacra von Gytheion von Harter-Uibopuu, K., Kaiserkult und Kaiserverehrung in den Koina des griechischen Mutterlandes, in: Cancik, H., Hitzl, K. (Hgg.), Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen, Tübingen 2003, S. 209–231, hier S. 218–221. Für die Demostheneia liefert Wörrle die maßgeblichen Informationen. (Stadt und Fest, S. 183–209). 510 Eine Auflistung findet sich bei Fishwick, ICLW III 2, S. 155–185. 511 Auf das Problem der rechtlichen Trennung von städtischen und provinzialen Kompetenzen hat zu Recht bereits Herz hingewiesen. Vgl. Herz, P., Priester und Tempel im Kaiserkult Kleinasiens, Vortrag 2005 (unpubliziert).

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also wieder in die lokale Wirtschaft investiert werden sollten. All das scheint doch darauf hinzudeuten, dass hier ein Dokument des Ausgleichs zwischen dem Concilium und dem Sitz der Organisation, der colonia Narbo, vorliegt. Dieser Befund korreliert mit dem Fakt, dass die städtische Elite Narbos auch beim Aufstieg in die Reichselite unterrepräsentiert war. Aus Narbo, die zu den ältesten Städten mit Kolonierang gehörte, ist lediglich eine Familie senatorischen Ranges bekannt, während eine Stadt wie Vienna, die erst unter Caligula in den Status einer Kolonie erhoben wurde, 15 senatorische Familien stellen konnte.512 Was auch immer die konkreten Gründe für diese Benachteiligung der Elite Narbos gewesen sein mögen, es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das uns heute als lex Narbonensis bekannte Dokument in den Kontext von Rangstreitigkeiten der narbonensischen Eliten gelesen werden muss. Welche Probleme bei der Zusammenarbeit eines Provinziallandtags mit der Stadt, in der er untergebracht war, auftraten, lässt sich am anschaulichsten in der Provinz Asia nachvollziehen.513 Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass mit diesem Dokument ein rechtlich, finanziell und organisatorisch schwieriges Problem angegangen und gelöst wurde, das vielleicht innerhalb der Stadt Narbo oder der Provinz zu Spannungen geführt hatte. Die Annahme, die Festlegungen des narbonensischen Gesetzes könnten nur von der kaiserlichen Autorität in Rom getroffen worden sein, da sie der munizipalen Autorität übergeordnet gewesen seien und zudem die römischen Provinzautoritäten (Statthalter) ebenfalls einbezogen worden seien, überzeugt letztlich nicht. Zur Erhellung der sozialen Hintergründe, die für eine solche Kultgründung relevant werden konnten, ist es im Fall der Narbonensis hilfreich, einen Blick auf den munizipalen Kult zu werfen. In Narbo existierte bereits seit 11 n. Chr. ein Kult für das numen Augusti.514 Dieser Kult wurde an einer großen Ara ausgeübt. Kneißl hat in einer sozialhistorisch sehr fundierten Analyse der Gründungsinschrift von Kult und Altar bereits 1980 einen Blick auf die politischen Hintergründe solch einer Kultgründung geworfen.515 Er konnte zeigen, dass die Ara von der narbonensischen plebs aus Dankbarkeit dem ersten Princeps errichtet wurde, weil er einen Konflikt zwischen der plebs und den Dekurionen der Stadt geschlichtet hatte. Allein die plebs trat als Stifter und Träger des Kultes auf und gab dem Kult selbst die leges, und zwar jene, die auch an der ara Dianae in Rom galten. Explizit wurden die Dekurionen der Stadt aus dem Kult ausgeschlossen, nur coloni incolaeque, also die 512 Vgl. Burnand, Y., Senatores Romani ex provinciis Galliarum orti, in: Epigrafia e ordine senatorio. Atti del Coloquio Internazionale AIEGL su Epigrafia e ordine senatorio, Roma, 14–20 maggio 1981, Rom 1982, S. 387–437; Halfmann, H., Integration der lokalen Eliten – individuelle und korporative Privilegierungen, in: Moosbauer, G., Wiegels, R., (Hgg.), Fines imperii – imperium sine fine? Römische Okkupations- und Grenzpolitik im frühen Prinzipat. Beiträge zum Kongress ‚Fines imperii – imperium sine fine?‘ in Osnabrück vom 14.–18. September 2009, Rahden/Westf. 2011, S. 195–202. 513 Vgl. dazu die Ausführungen im Kap. IV.2. 514 CIL XII 4333 = ILS 112. Zu Kult, Ara und Hintergründen vgl. Kneißl, P., Entstehung und Bedeutung der Augustalität. Zur Inschrift der ara Narbonensis (CIL XII 4333), Chiron 10 (1980), S. 291–326; Ramage, E. S., Augustus’ propaganda in Gaul, Klio 79/1 (1997), S. 117–160. 515 Zum Folgenden vgl. Kneißl, Entstehung und Bedeutung der Augustalität.

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beiden freien Einwohnergruppen der Kolonie Narbo, die nicht dem ordo decurionum angehörten, weihten die ara und vollzogen den Kult. Hier wird also ein politischer Kampf – wahrscheinlich um bestimmte Rechte innerhalb des städtischen Machtgefüges – auf dem Feld des Herrscherkultes ausgetragen. Die Spannungen scheinen dabei nicht kurzfristig gewesen zu sein, sondern eher struktureller Natur, wie die Tatsache zeigt, dass die uns erhaltene Inschrift nicht das ursprünglich 11 n. Chr. aufgestellte Original ist, sondern eine Erneuerung aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. Möglicherweise muss man die Einrichtung des provinzialen Kultes viel stärker in den innerprovinzialen Kontext einfügen, als ihn als römische Herrschaftsmaßnahme zu betrachten. Nichts, was wir über die Einrichtung von Concilia und Koina wissen, deutet darauf hin, dass diese Institutionen von römischer Seite per Gesetz institutionalisiert, geschaffen oder aufoktroyiert wurden. Dies hätte dem Grundgedanken dieser Institutionen zutiefst widersprochen. Gerade die Selbstbestimmung, die eigene provinziale Identität sollte durch sie gefördert werden. Es erscheint aus grundsätzlichen Überlegungen heraus abwegig, eine von Rom zentral gesteuerte Gesetzesinitiative zur Gründung von Concilia in westlichen Provinzen zu vermuten. Gerade die Hinweise auf die internen Probleme der Kolonie Narbo in CIL XII 4333 sollten uns Anlass sein, die lex de flamonio Narbonensis ein Stück zurück in ihren innerprovinzialen Kontext zu rücken. Diese Inschrift ist eine vom Kaiser und den römischen Provinzautoritäten genehmigte Festschreibung der Rechte der Flamen und des Concilium innerhalb ihrer räumlichen und sozialen Umgebung, nämlich der Stadt Narbo. Wir dürfen nicht vergessen, dass beispielsweise das Gelände des Concilium und sein Tempel im Territorium der Stadt lagen und bei der Einrichtung des Kultes von diesem juristisch getrennt werden mussten. Dies geschah wahrscheinlich bei jeder neuen Kulteinrichtung, allerdings blieben im Fall einer lokalen Kulteinrichtung die Funktionsträger städtisch. Anders im Fall des Landtags: Hier musste man damit rechnen, dass Personen, die nicht aus dem städtischen Umfeld kamen, die juristische Kontrolle erlangen konnten. Die lex Narbonensis muss daher stärker als ein Dokument des Ausgleichs zwischen lokalem ordo decurionum und Funktionsträgern des Concilium gesehen werden. Es zieht klare juristische Trennlinien zwischen dem Raum, den der Landtag kontrollierte, und dem Raum, den der Rat der Stadt Narbo kontrollierte. Es ist ferner ein Dokument, das sich auch in die in Kap. IV dargelegten ökonomischen Belange der Provinziallandtage einfügt. Wenn in Z. 17–21 Regelungen getroffen werden für den Fall, dass der Flamen die Stadt Narbo verlässt, und darin deutlich gemacht wird, dass ein Verlassen der Stadt mit dem Entzug des Flaminats gleichzusetzen ist, so muss auch diese Festlegung nicht nur der kultischen Kontinuität geschuldet sein, sondern garantiert auch die geordneten Abläufe im Landtag. Viel eher – und dies wird in Z. 22–24 noch bestätigt, wenn es heißt, nur innerhalb des Territoriums der Stadt Narbo getroffene Regelungen des Concilium seien rechtswirksam – soll die Rolle Narbos als Sitz von Oberpriester und Concilium gesichert werden. Schließlich muss auch die Problematik unterschiedlicher religiöser Räume im urbanen Kontext, ihre Gewichtung und ihr Verhältnis zueinander bedacht werden. So wie die Kultfunktionäre des städtischen und provinzialen Kaiserkultes, die

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Amtsträger des Concilium und der Stadt ihre sozio-politischen, rechtlichen und administrativen Räume im Verhältnis zueinander definieren mussten, so musste auch für die Kulte selbst, ihre Rituale und Zeremonien ein topographischer, zeitlicher und identifikatorischer Raum geschaffen bzw. in Abgrenzung voneinander etabliert werden. Der provinziale Herrscherkult geriet dabei sicherlich teilweise in Konflikt mit den traditionellen urbanen Kulten oder mit dem munizipalen Herrscherkult der Kolonie Narbo, der in Form der Ara numinis Augusti bereits seit 11 n. Chr. existierte. In diesen Bereichen bedurfte es räumlicher, zeitlicher und hierarchischer Abgrenzungen. Noch einmal sei daran erinnert, dass keiner der uns bekannten Priester des Provinzialkultes aus Narbo stammte. Dass es innerhalb der weltlichen und sakralen Führungsschicht zu Konkurrenzsituationen kam, liegt auf der Hand. Gleichzeitig profitierte aber das städtische Umfeld Narbos sicherlich von dieser Kulteinrichtung, das Prestige der Stadt wurde reichsweit aufgewertet, die Beziehung zum Kaiser verstärkt. Innerhalb dieses Spannungsfeldes von sozialem und ökonomischem Nutzen und Verlust von rechtlicher und politischer städtischer Autonomie muss die lex Narbonensis angesiedelt werden. Aus der Perspektive der römischen Autoritäten ist es ein Dokument zur Schaffung einer neuen, provinzialen Aristokratie. Dieser neuen Aristokratie werden religiöse Privilegien verliehen und sie wird zur bestehenden lokalen Aristokratie ins Verhältnis gesetzt. Resümierend muss die Frage, ob es sich um ein offizielles Gründungsdokument von Concilium und Kult handeln kann, wohl eher verneint werden. Vielmehr sollte man das Dokument als Spezifizierung von Kompetenzen und Rechten des Flamen im Prozess der Einpassung des Landtags in den sozio-religiösen Kontext verstehen. Es muss sich die generelle Frage anschließen, ob wir Anhaltspunkte dafür haben, dass die Concilia des Westens oder die Koina des Ostens tatsächlich vom Kaiser eingerichtet wurden.516 Gab es überhaupt eine übergeordnete Regelung für alle Provinzen? Für den Osten sprechen die Belege eher dafür, dass es sich um provinziale Organisationen handelte, die in ihrem Rechtsstatus auch auf der Basis des provinzialen Rechts existierten. Zwar finden sich die römischen Autoritäten einbezogen in den Genehmigungsprozess, die eigentliche Gründung scheint sich aber nicht durch ein römisches Gesetz vollzogen zu haben. Gleichzeitig widersprechen die östlichen Beispiele der Provinzen Asia und Bithynia auch der zwingenden Identität von Provinzialversammlung und Kult. Die Landtage von Asia und Bithynia waren vor 29 v. Chr. repräsentative Versammlungen der konstituierenden Elemente der Provinzen; sie wurden kultisch tätig, waren von ihrem ursprünglichen Selbstverständnis her aber keine kultischen Organisationen. Im Westen fehlen solche Dokumente für die provinziale Ebene. Wenn Fishwick nun aufgrund der umstrittenen narbonensischen Inschrift eine solche Existenz für andere westliche Provinzen an-

516 Zweifel an dieser seit den 1960er Jahren von Fishwick vertretenen These äußerten auch verschiedene Rezensenten der ICLW-Bände. Vgl. u. a. Muntasser, N. K., Rez. Duncan Fishwick, The imperial cult in the Latin west. Studies in the ruler cult of the western provinces of the Roman empire. Volume III (provincial cult), Part 2: The provincial priesthood, Leiden, 2002, Bryn Mawr Classical Review, http://bmcr.brynmawr.edu/2006/2006-09-18.html, Zugriff am 27.03.2015.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

nimmt517, überzeugt dies nicht. In der Frage der Datierung muss man die uneingeschränkte Zuweisung der lex Narbonensis in die Zeit Vespasians stark in Zweifel ziehen. Die vergleichende Untersuchung deutet viel eher auf eine Datierung in die julisch-claudische Zeit.518 II.5.2.5 Britannien, Mauretanien, Alpenprovinzen, Pannonien, Thrakien Sichere Belege für Landtagsgründungen in julisch­claudischer Zeit finden sich darüber hinaus für Britannien und Mauretanien, die beide unter Claudius bzw. Caligula dem Reich als Provinzen einverleibt wurden und offenbar unmittelbar danach ein Concilium erhielten. Dass in Britannien ein Provinzialtempel bereits von Claudius errichtet wurde, lesen wir bei Tacitus.519 Ebenso berichtet Tacitus von einer Anklage der Einwohner Mauretaniens gegen einen römischen Amtsträger 61 n. Chr.520 Für die Alpenprovinzen können ebenfalls Gründungen angenommen werden.521 Für den pannonischen Landtag liefert eine Grabinschrift aus Savaria522 den chronologisch ersten Beleg. Valentiana provinciae liberta Repentina errichtete den Stein für Ihren Ehemann in den 90er Jahren des ersten Jahrhunderts n. Chr. Der 517 Fragwürdig erscheint auch die Übertragung der narbonensischen Regelungen auf andere Provinzen, aus denen dann im Rückschluss eine Existenz ähnlicher Gesetze in sämtlichen westlichen Provinzen seit Vespasian angenommen wird. So beispielsweise in einem Aufsatz über eine Inschrift aus der Baetica (Extravagant Honours at Mellaria, ZPE 128 (1999), S. 283–292), in dem Fishwick formuliert: „This seems to follow in the closest detail a stipulation of the Lex Narbonensis that on termination of his mandate a provincial priest might, at the discretion of the provincial governor, expend surplus(?) provincial funds on statues and images of the emperor (ll. 26–28). What all this amounts to, therefore, is overwhelming confirmation that similar leges de flamonio provinciae were introduced across a broad range of provinces in the Western Empire during the early years of the Flavian regime. Plainly this was at the instigation of the central imperial administration: that is, unless one can believe that in every instance similar regulations to the Lex Narbonensis were requested by each province independently, a scenario which has left no trace in the surviving sources.“ (S. 291). 518 Eine solche frühere Datierung würde auch einige andere Forschungsdiskussionen im Zusammenhang mit der lex Narbonensis lösen. Der Rahmen der vorliegenden Arbeit bietet nicht den Raum, ins Detail zu gehen. Genannt werden soll an dieser Stelle nur die Diskussion um die Frage der Identität von uxor flaminis und flaminica. Das Auftreten einer provinzialen Priesterin des Kaiserkultes etwa zur Zeit der vermeintlichen vespasianischen Abfassung des Dokumentes wurde in der Forschung oft als Hinweis darauf gewertet, dass die Priesterin und die Ehefrau des flamen nicht identisch sein müssen (vgl. zur Diskussion u. a. Hemelrijk, E. A., Local empresses. Priestesses of the imperial cult in the cities of the Latin west, Phoenix 61 (2007), S. 318–351). Die frühere Datierung gibt hinsichtlich dieser Frage neue Impulse. 519 Tac. ann. 14, 31. 520 Tac. ann. 14, 28. 521 Für die Alpen hat Kornemann aufgrund der Verleihung des ius Latinum die Einrichtung provinzialer Kulte für die Zeit zwischen Claudius und Nero angesetzt. (Vgl. Kornemann, Zur Geschichte des antiken Herrscherkultes, S. 126 f.). Vgl. auch Fishwick, ICLW III 1, S. 145. 522 AErt 1943, S. 80 Nr. 4 = RIU 146 = AE 2003, 1366.

II.5 Die Einrichtung der kaiserzeitlichen Provinziallandtage im Osten und Westen

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Provinziallandtag muss also zu dieser Zeit bereits eine etablierte Institution gewesen sein, die über Sklaven verfügte und das reguläre Recht auf Freilassung besaß.523 Das thrakische Koinon lässt sich sicher zurückverfolgen bis ca. 100 n. Chr., vermutlich war es also ebenfalls eine vortrajanische Gründung.524 Neuere Funde, die in ihrer eindeutigen Datierung aber umstritten sind, deuten sogar auf einen Archiereus aus flavischer Zeit und eine Gründung des Koinon bald nach Einrichtung der Provinz unter Claudius hin.525 II.5.2.6 Raetien, Noricum, Dalmatien Für die Provinzen Noricum, Raetien und Dalmatien existieren ebenfalls Anhaltspunkte dafür, dass in julisch-claudischer Zeit provinziale Kulte eingerichtet wurden. Diese Hinweise erlauben eine Datierung aber nicht mit der aus wissenschaftlicher Sicht nötigen Sicherheit. Für Noricum hat man lange geglaubt, mit der Siedlung auf dem Magdalensberg den Versammlungsort des Concilium und den Zentralort des provinzialen Kaiserkultes gefunden zu haben. Die Archäologie schien die Vermutungen zu bestätigen. Heute zieht man dies allerdings mehr und mehr in Zweifel.526 In Raetien schließt man aus archäologischen Resten des frühen ersten Jahrhunderts im heutigen Kempten auf einen Heiligtumsbezirk mit Altar. Auch hier bleibt aber zu Vieles im Dunkeln, um eindeutige Thesen zu formulieren.527 523 Fishwicks Aussage („No evidence has survived that might point to a provincial cult of Pannonia prior to the division of the province by Trajan ca. A. D. 106.“) ist damit hinfällig. (Fishwick, ICLW III 1, S. 177). 524 Zur Diskussion vgl. IGBulg V 5592; Sharankov, N., The Thracian Koinon: New Epigraphic evidence, in: Iakovidou, A. (Hg.), Thrace in the Graeco-Roman world. Proceedings of the 10th international congress of Thracology Komotini-Alexandroupolis 18–23 October 2005, Athen 2007, S. 518–538; Gerassimova-Tomova, V., Zur Untersuchung des thrakischen Koinon, in: Beutler, F. et al. (Hgg.), „Eine ganz normale Inschrift…“ und ähnliches zum Geburtstag von Ekkehard Weber. Festschrift zum 30. April 2005, Wien 2005, S. 275–284. 525 IGBulg V 5592: [τ]ὸ ιεʹ Διὶ Σαβαζίῳ θεῷ προγονικῶι Τίτος Φλαούιος Σκελου υἱὸς Κυρείνα Δινις ἱερεὺς ἀπὸ προγόνων διὰ βίου καὶ ἀρχιερεὺς τοῦ κοινοῦ τῆς ἐπαρχείας τὸν βωμὸν ἐκ τῶν ἰδίων κατεσκεύασεν. Vgl. Tatscheva, M., Macht und Gesellschaft in den römischen Provinzen Moesia und Thracia, Buch 2, Sofia 2004 (bulg. mit deutscher Zusammenfassung), S. 197. Sharankov dagegen datiert die Inschrift wie der Erstherausgeber (IGBulg) in die hadrianische Zeit (Sharankov, The Thracian Koinon, S. 519 mit Anm. 5). 526 Vgl. zusammenfassend zur Forschungsdiskussion Witschel, Die Wahrnehmung des Augustus, S. 102–104. 527 Vgl. Rollinger, R., Raetiam autem Vindelicos ac Noricos Pannoniamque et Scordiscos novas imperio nostro subiunxit provincias. Oder Wann wurde Raetien (einschließlich Noricums und Pannoniens) als römische Provinz eingerichtet?, in: Haider, P. W., Rollinger, R. (Hgg.), Althistorische Studien im Spannungsfeld zwischen Universal- und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für Franz Hampl gedacht zum 90. Geburtstag am 8. Dezember 2000, Stuttgart 2001, S. 266–315; Weber, G., Der große heilige Bezirk in Kempten – Provinziallandtage in Rätien, in: Die Römer in Schwaben. Jubiläumsausstellung 2000 Jahre Augsburg veranstaltet vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und der Stadt Augsburg, Zeughaus, 23. Mai – 3. November 1985, München 1985, S. 230–232; ders. (Hg.), Campodunum-Kempten. Erste Haupt-

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

Für Dalmatien stützen sich die Aussagen zu einem Provinzialkult auf eine einzige Ehreninschrift aus Epidaurum aus der Zeit kurz nach 14 n. Chr., in der die civitates superiores provinciae Hillyrici den Statthalter ehren.528 Auf der Ebene der Konvente existierte also offenbar ein Kult seit julisch-claudischer Zeit.529 Die Zeugnisse dieser drei Provinzen sind leider alles andere als belastbar und es ist daher ratsam, sie nicht als sichere Belege zu klassifizieren. II.5.3. Flavische und Antoninische Gründungen Die einzige Provinz, die bereits seit republikanischer Zeit bestand, aber sicher erst 71 n. Chr. unter Vespasian ein Concilium und einen Provinzkult erhielt, war Africa Proconsularis. Die Forschung sieht darin zu Recht eine lokale Sonderentwicklung.530 In Armenia minor erfolgte im unmittelbaren Zusammenhang mit der Annexion 71/72 n. Chr. die Einrichtung eines Koinon mit dem Amt des Armeniarchen in der östlichen Tradition.531 Wir müssen wohl auch davon ausgehen, dass das Westpontische Koinon532 bereits in vortrajanischer Zeit eingerichtet wurde533. Leider liegen keinerlei Hinweise vor, die es zulassen, einen Zusammenhang zwischen dem westpontischen Koinon und dem Koinon von Moesia inferior zu konstruieren. Offenbar hatte sich das westpontische Koinon innerhalb der römischen Provinz Moesia inferior als Zusammenschluss von fünf bzw. sechs Städten534 an der Küste des Schwarzen Meeres gebildet und war nicht Teil des untermoesischen Koinon. Vermutungen, auch das Koinon von Moesia inferior sei in trajanischer Zeit entstanden, lassen sich nicht verifizieren. Das früheste Zeugnis aus Moesia inferior ist die Erwähnung eines sacerdos provinciae, die in eine Zeit vor 160 n. Chr. verweist.535 Auch für die Provinz Moesia superior kann man nur Vermutungen anstellen.536 Die frühesten Belege für Moesia superior stammen aus severischer Zeit.

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533 534 535 536

stadt der römischen Provinz Raetien?, Mainz 2000, S. 40–43. Zusammenfassend Witschel, Die Wahrnehmung des Augustus, S. 99–101. CIL III 1741 = ILS 938; vgl. auch AE 1989, 608. Zu Dalmatien vgl. Witschel, Die Wahrnehmung des Augustus, S. 111; Fishwick, ICLW III 1, S. 148 f. CIL III 2810 = ILS 7157. Hier wird eine ara Augusti Liburnorum in Scardona, der Metropole des conventus bezeugt. So bereits Kornemann, Zur Geschichte des antiken Herrscherkultes, S. 112 f.; vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 133 f.; Fishwick, D., The institution of the provincial cult in Africa Proconsularis, Hermes 92 (1964), S. 342–363; ders. ICLW I 2, S. 257–268. Vgl. Vitale, Eparchie und Koinon, S. 260 f. Vgl. zu den Koina von Pontos ebd., S. 174–203; zum Westpontischen Koinon vgl. auch Tatscheva, M., Macht und Gesellschaft in den römischen Provinzen Moesia und Thracia, Buch 2, Sofia 2004 (bulg. mit deutscher Zusammenfassung); dies. Das westpontische Koinon, Eirene 43 (2007), S. 82–87. Vgl. Nawotka, The „First Pontarch“. Vgl. zur Zahl der Mitglieder Tatscheva, Das westpontische Koinon. IScM V 194. Vgl. Fishwick, ICLW III 1, S. 179 f.

II.5 Die Einrichtung der kaiserzeitlichen Provinziallandtage im Osten und Westen

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Das in wenigen Dokumenten überlieferte Concilium von Sardinien entzieht sich einer sicheren Datierung. Fishwicks Versuch, es im Zuge seiner Interpretation der lex Narbonensis als vespasianische Gründung einzuordnen, bleibt vage.537 Auch für Dakien kommt man über den Status von Spekulationen nicht hinaus. Es gibt gute Argumente dafür, die Gründung eines provinzialen Kultes und damit die Einrichtung eines Provinziallandtags mit der Eroberung durch Trajan 100 n. Chr. anzunehmen, doch sichere Belege dafür gibt es nicht. Die Teilung der Provinz unter Hadrian 118 n. Chr. und ihre Reorganisation durch Marcus Aurelius 168/169 n. Chr. veränderten die Strukturen der Provinz mit nicht bekannten Auswirkungen auf den Landtag. Erst im dritten Jahrhundert ist ein concilium provinciarum Daciarum Trium sicher belegt.538 Die möglicherweise letzte Neugründung eines Koinon fand in der Provinz Kilikien in hadrianischer Zeit, wohl zwischen 132 und 135 n. Chr. statt.539 Problematisch ist der Befund, da die Provinz selbst bereits unter Vespasian 72 n. Chr. neu gegründet und eingerichtet wurde. Diese Diskrepanz erklärt sich möglicherweise damit, dass die kilikischen Städte trotz der administrativen Ausgliederung aus Syrien weiterhin zum syrischen Koinon gehörten und erst unter Hadrian in ein eigenes Koinon überführt wurden.540 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die KoinonOrganisation stets unterhalb der Provinzialebene gegeben war, auch wenn nicht notwendigerweise jede Provinz einen ihr territorial zugeordneten Landtag hatte.541 II.5.4 Fazit Generell muss man sich wohl von der bisher vielfach geäußerten Meinung lösen, in weiten Teilen der westlichen Reichshälfte habe erst Vespasian Concilia und Kult eingerichtet. Diese chronologische Festlegung, die im Anschluss an Deininger auch von Fishwick vertreten wurde und sich bis in die aktuelle Forschungsdebatte hält542, war eine der zentralen Thesen Deiningers. Konkret resümierte er, es habe unter Augustus die ersten Concilia gegeben, die Mehrzahl aber sei unter Vespasian in einer Reform der provinzialen Verhältnisse entstanden. Fishwick konkretisierte diesen Ansatz dann, indem er für die vespasianische Reform fiskalische Motive nahelegte. Diese These bedarf aus heutiger Sicht einer Revision. Bereits Clauss vertrat die Meinung, es habe schon in vorflavischer Zeit weit mehr Gründungen gegeben als bisher angenommen. Diese Ansicht bestätigt sich nun im Licht neuer Funde 537 Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 110 f.; Fishwick, ICLW III 1, S. 133–144. 538 Vgl. Fishwick, ICLW III 1, S. 173–179. 539 Ziegler, R., Zur Einrichtung des kilikischen Koinon. Ein Datierungsversuch, S. 186, in: Studien zum antiken Kleinasien III (AMS 16), Bonn 1995, S. 183–186 mit Taf. 23,4. Ziegler sieht die Gründung des kilikischen Koinon in engem Zusammenhang mit der Gründung des Panhellenion in Athen durch Hadrian. 540 Vgl. Dräger, Die Städte der Provinz Asia in der Flavierzeit, S. 256–260; Gebhardt, Imperiale Politik und provinziale Entwicklung, S. 305–310. 541 Vgl. dazu auch Vitale, Koinon und Eparchie. 542 Vgl. zuletzt Halfmann, Integration der lokalen Eliten, S. 197 f. oder Pfeiffer, S., Die Zeit der Flavier. Vespasian – Titus – Domitian (Geschichte kompakt), Darmstadt 2009, S. 122–125.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

mehr und mehr. Die Einrichtungen von Provinzialversammlungen und Kult müssen in vielen Fällen früher angesetzt werden als bisher angenommen. Die seit Krascheninnikoff etablierte These (lex Krascheninnikoff), die Einrichtung der Provinziallandtage sei abhängig vom Romanisierungsgrad der Provinzen gewesen, muss aufgrund der neuen Befunde aus den spanischen Provinzen, aus Gallia Narbonensis, aus Syrien, Kreta, Zypern, aus Pannonien, Dalmatien, dem Alpenraum und dem Donauraum in Zweifel gezogen werden. Man muss sich also die Frage stellen, ob der Landtag tatsächlich ein „Instrument der Romanisierung“ war, der im „Dienst des Universalgedankens“543 wirkte, oder doch andere Aufgaben erfüllte. Die neuen Datierungen der Landtagsgründungen führen in der Konsequenz dazu, dass die dahinterstehende Gesamtkonzeption neu beleuchtet werden muss. II.6 Transferprozesse zwischen divergierenden Räumen II.6 TRANSFERPROZESSE ZWISCHEN POLITISCH, SOZIAL, WIRTSCHAFTLICH, RELIGIÖS UND KULTURELL DIVERGIERENDEN RÄUMEN Der Entwicklungsprozess der Landtage lässt sich folgendermaßen kurz umreißen: Die Institution der Koina existierte in klassischer und hellenistischer Zeit im griechischen Osten. Diese Koina waren politische Institutionen, die auch militärischen Charakter haben konnten, vor allem aber dazu dienten, die Interessen kleinerer Poleis zu bündeln und auch gegenüber größeren politischen Gebilden zu vertreten. Die politische Kommunikation wurde durch die Kommunikation auf einer religiösen Ebene ergänzt, indem die Koina als Orte der kultischen Verehrung hellenistischer Herrscher dienten. Mit Beginn des römischen Ausgreifens in den Osten fand sehr rasch ein Austausch zwischen Rom und den Koina auf politischer und kultischreligiöser Ebene statt. Jenes Muster des Miteinanders, das für die hellenistischen Herrscher adäquat schien, übertrug man nun auf Rom, seine personalisierte Gottheit Roma sowie seine Funktionsträger. Mit dem Erwerb von Asia als Provinz entstand erstmals für eine römische Provinz ein neues Koinon, das sich ganz bewusst als Vertretungsorgan der politischen Untereinheiten der Provinz verstand und auch als solches von den Römern akzeptiert wurde. Es gelangte früh in die Rolle eines Mittlers zwischen Reich und Provinz, Zentrum und Peripherie. Diese Rolle als Mittlerinstanz wurde offensichtlich von römischer Seite geschätzt, so dass man die Institution auch auf andere Provinzen übertrug. Die Existenz eines bithynischen Koinon 29 v. Chr. – eventuell schon 43 v. Chr. – lässt keinen anderen Schluss zu, als dass hier bei der Gründung der Provinz eine dem asianischen Vorbild nachgebildete Instanz geschaffen wurde oder sich selbst gründete. Dies bringt uns zu einem schwierigen Problem, nämlich der Frage, ob es sich bei den Koina um römische Vorgaben handelte oder um provinziale Initiativen. Die Quellenlage lässt sich in keiner Weise eindeutig interpretieren. Gerade für Asia scheint sich aber anzudeuten, dass eine von römischer Seite initiierte Versammlung von den Provinzialen aufgegriffen und im eigenen Interesse gestaltet wurde. An543 So Deininger, Provinziallandtage, S. 176.

II.6 Transferprozesse zwischen divergierenden Räumen

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dere Koina, wie beispielsweise das kretische, lykische oder kyprische scheinen eher römischen Vorgaben bei ihrer Umgestaltung gefolgt zu sein. Die Intensität des römischen Eingreifens war folglich unterschiedlich. Man kann nur vermuten, welche Ursachen dies hatte. Es deutet sich an, dass die Provinzen unter ehemals ptolemaischem Einfluss stärkeren Sanktionen unterworfen waren. Auch die Neuorganisation des lykischen Koinon nach dem Bürgerkrieg war radikal. Historisch-politische Gründe mögen also den Umgang mitbestimmt haben. Weiterhin spielten die ökonomische Potenz einer Provinz und ihre geostrategische Lage eine Rolle. Ein Kontinuum zu den hellenistischen Vorläufern war die Verlagerung der Kommunikation auf die kultische Ebene. Offenbar war dieser Aspekt, der in der modernen Forschung viel zu stark als Unterwerfungsgestus interpretiert wurde, Teil eines erfolgreichen bilateralen Kommunikationsmodells. Eine erste Veränderung in der Beziehung trat zwangsläufig in dem Moment ein, als auf römischer Seite der jährlich wechselnde Beamte auf Provinzebene durch einen dauerhaft installierten Herrscher überlagert wurde. Im Grunde ermöglichte der Wechsel der Herrschaftsform auf den ersten Blick die Rückkehr zum alten hellenistischen Modell, was sich zumindest in der Titulatur des Archiereus auch andeutet. Tatsächlich veränderten sich die Beziehungen allerdings grundlegender, als es zunächst den Anschein hat. Der seit 29 v. Chr. vorgenommene Umbau in kultischer aber auch struktureller und personeller Hinsicht, wie er sich in Asia und Bithynia fassen lässt, verbunden mit einer Übertragung des Konzeptes auf andere östliche Provinzen – sicher in Kreta, Zypern, Syrien, Galatien – lässt sich nur so interpretieren, dass nun eine aktive Instrumentalisierung durch Augustus stattfand, und zwar orientiert am Prinzip der Machtsicherung. Und nun passierte etwas höchst Bemerkenswertes. Eingebettet in die augusteische Sicherungs- und Eroberungspolitik in Gallien und Germanien wurde die Institution Provinziallandtag quasi eins zu eins auf die Provinzen Tres Galliae und Germania übertragen. Dies ist ein Vorgang, der Fragen aufwirft und bislang in der Forschungsliteratur wenig Beachtung fand.544 Gerade wenn man sich vor Augen hält, wie stark im antiken Diskurs der Kaiserzeit – erwähnt seien hier nur Plutarch oder Aelius Aristides – die Unterschiede zwischen Griechen und Römern betont wurden und wie konsequent auch die administrative Differenzierung zwischen den beiden Reichsteilen im ersten und zweiten Jahrhundert herausgestrichen wurde545, muss dieser Trans544 Deininger kommentiert eher nüchtern: „Die Institution, welche zuerst in Kleinasien begründet worden war, hat nach dem […] Wort des Cassius Dio auch die nichtgriechischen Provinzen des Reiches erobert. So hat sie siebzehn Jahre nach der Begründung des provinzialen Kaiserkultes auch im lateinischen Westen Fuß gefaßt. Zwar ist unbekannt, welche Überlegungen der Einrichtung des gallischen Provinzialkults vorausgingen; sicher ist aber soviel, daß hier, im Gegensatz zu vielen östlichen Provinzen, die Initiative bei den Römern lag und daß, wie schon die weitgehende Übereinstimmung in der äußeren Organisation, aber auch die Eigenart der Institution im ganzen ergibt, das Vorbild der östlichen, kleinasiatischen Provinzen dahinterstand.“ (Deininger, Provinziallandtage, S. 21). 545 Vgl. dazu u. a. die augusteischen Kyrene-Edikte (Oliver 1989, Nr. 8–12) oder die Briefe Hadrians an Aphrodisias (SEG 50, 2000, 1096 = http://insaph.kcl.ac.uk/iaph2007/iAph110412.html, Zugriff am 27.03.2015) und Alexandria Troas (vgl. Petzl, Schwertheim, Hadrian und die dionysischen Künstler).

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

fer verwundern. Dass diese Problematik bislang so wenig Widerhall in der Forschung fand, mag daran liegen, dass auch der zweihundert Jahre nach den Ereignissen schreibende Cassius Dio diesem Vorgang wenig Aufmerksamkeit widmet: καὶ τοῦτ᾽ ἐκεῖθεν ἀρξάμενον καὶ ἐπ᾽ ἄλλων αὐτοκρατόρων οὐ μόνον ἐν τοῖς Ἑλληνικοῖς ἔθνεσιν, ἀλλὰ καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις ὅσα τῶν Ῥωμαίων ἀκούει, ἐγένετο. „Und diese Sitte, die unter seiner Herrschaft ihren Anfang nahm, setzte sich unter anderen Kaisern nicht nur bei den hellenischen, sondern auch bei all den anderen Völkerschaften fort, soweit sie den Römern untertan sind.“546

Mit diesen einfachen Worten beschreibt Cassius Dio einen Prozess, der einmalig zu sein scheint für das Imperium Romanum: Eine religiöse Institution mit politischen Zügen wird im Laufe von ca. 100 Jahren ausgehend von einer östlichen Provinz in beinahe allen anderen östlichen und westlichen Provinzen des Reiches installiert. Dieser Prozess, dessen Ausgangspunkt durchaus als Initiative der Provinzialen von Asia und Bithynia erscheint, wird von den Römern gefördert, gesteuert und legalisiert. Die Nüchternheit des Cassius Dio mag darin begründet sein, dass für ihn als Mann des dritten Jahrhunderts n. Chr. eine solche Strategie der Gleichbehandlung von Ost und West selbstverständlich war und der Tatsache Rechnung trug, dass der Romanisierungsprozess bereits eine Stufe erreicht hatte, die so am Ende des ersten Jahrhunderts noch nicht gegeben war. Betrachtet man diese Übertragung einer im Osten über Jahrhunderte gewachsenen Struktur auf den Westen des Reiches, stellt sich meines Erachtens vor allem die Frage, wieso diese Übertragung letztlich so erfolgreich war, dass sie innerhalb eines Jahrhunderts auf zahlreiche westliche Provinzen übertragen und in neu gegründeten Provinzen installiert wurde. Verbunden damit ist die Frage nach der Art des Transferprozesses, der dabei zu beobachten ist. Haben wir es mit der Übertragung einer religiös-kultischen Einrichtung zu tun, oder handelt es sich vielmehr um einen politischen Transferprozess547? Transferprozesse dieser Art sind anderweitig nicht belegt. Sie lassen sich am ehesten noch mit dem Transfer von Kulten aus dem Osten des Reiches in den Westen vergleichen.548 Diese Kulttransfers zeichneten sich aber dadurch aus, dass die gesamte personelle Infrastruktur mit transferiert wurde und nicht nur die institutionelle Hülle. Der transferierte Kult der Magna Mater blieb auch in Rom ein östlicher Kult. Das Concilium dagegen wurde – abgesehen von Germanien, wo der Transferprozess scheiterte – in die westlichen Provinzen integriert. 546 Cass. Dio 51, 20, 7. 547 Transferprozesse zwischen verschiedenen Kulturkreisen treten in der Forschungsdiskussion immer stärker in den Vordergrund der Betrachtung. Vgl. u. a. Couvenhes, J.-C., Legras, B. (Hgg.), Transferts culturels et politique dans le monde hellénistique, Paris 2006; Legras, B. (Hg.), Transferts culturels et droits dans le monde grec et hellénistique, Paris 2012. Auch Gehrkes Gedanken zur Akkulturationsproblematik bieten hier einen bedenkenswerten theoretischen Hintergrund. Vgl. Gehrke, H.-J., Kulte und Akkulturation. Zur Rolle von religiösen Vorstellungen und Ritualen in kulturellen Austauschprozessen – Roma e l’oriente nel 1o secolo a. C. (Acculturazione o scontro culturale), in: ders. et al. (Hgg.), Rom und der Nahe Osten im 1. Jahrhundert v. Chr. (Akkulturation oder Kampf der Kulturen?) Akten des Humboldt-Kollegs Verona, 19.–21. Februar 2004, Cosenza 2009, S. 65–122. 548 Das klassische Beispiel ist der Transfer der Magna Mater.

II.6 Transferprozesse zwischen divergierenden Räumen

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Zum Problem des Transfers von religiösen Ritualen hat sich Chaniotis in einem erhellenden Aufsatz aus dem Jahr 2003 geäußert. Er stellt dabei fest, dass zwei zentrale Aspekte in der Entwicklung von Ritualen zu beobachten sind: der Ritualtransfer und die Rekursivität von Ritualen: „Der Begriff des Ritualtransfers bezeichnet die Übertragung alttradierter Rituale in einen neuen kultischen, ideologischen, sozialen und z. T. räumlichen Kontext […]. Die Rekursivität von Ritualen bezeichnet die selektive Übernahme einzelner Handlungen, Handlungssequenzen oder Äußerlichkeiten (z. B. Kleider, Bilder usw.), die eigentlich in anderen, z. T. ganz andersartigen Kulten ihren Platz haben, durch einen neu gegründeten oder neu gestalteten Kult. Der Gründer oder Neugestalter des Kultes erfindet in der Regel keine neuen Rituale, sondern rekurriert auf bereits vorhandene Rituale und verbindet sie in ein neues Ganzes. Und dieses neue Ganze verdankt seine Besonderheit nicht der Eigenart jedes einzelnen Rituals, sondern der eigenartigen Kombination.“549

Diese sehr treffenden Bemerkungen zum Ritualtransfer und seine Anwendung auf die Praxis des Kaiserkultes im Osten des Reiches können als Ausgangspunkt einiger Gedanken zum Transfer der gesamten Organisation Koinon in die westliche Reichshälfte dienen. 29 v. Chr. wurde das Koinon von Asia und Bithynia in einen religiösen Verein umgewandelt, an dessen Spitze ein Priester stand. Schon hier haben wir es mit einem ersten Transferprozess zu tun. Ein in der späten Republik politisch aktives Organ der Provinz änderte seinen Charakter, sakralisierte sich gleichsam und übernahm die Ritualpraxis des Götterkultes, der sich seinerseits bereits im hellenistischen Herrscherkult manifestiert hatte.550 Ausweis dafür war die Installation eines Priesters (Archiereus), die Stiftung eines Tempels und die Einrichtung eines Agons.551 Dieser erste Transferprozess muss wohl mit Chaniotis als bewusst gesteuerter Ritualtransfer bezeichnet werden. Diesem Ritualtransfer folgte ein zweiter Transferprozess, der als Institutionentransfer bezeichnet werden kann. In den östlichen Provinzen Syrien und Galatien wurde zwischen ca. 20 und 4 v. Chr. die vollständige Institution Koinon – so, wie sie 29 v. Chr. strukturiert worden war, also inklusive des praktizierten Herrscherkultes – eingerichtet. Unter dem hier verwendeten Begriff des Institutionentransfers versteht die Autorin die Übertragung einer im Kontext der Provinzen Asia und Bithynia entstandenen Organisationsform als provinziales Organ des Kaiserkultes in einen neuen räumlichen, ethnischen und sozialen Kontext. Dabei wurde sowohl die kultische als auch die organisatorische Struktur quasi identisch beibehalten. Anpassungen erfolgten lediglich entsprechend den geographisch-politischen Vorgaben der Provinzen. Parallel zu dieser Übertragung innerhalb eines Raumes mit historisch ähnlichen Traditionen und Entwicklungen (griechischer Osten mit hellenistischer Tradition) erfolgte nun aber auch der Institutionentransfer in einen völlig anders gelagerten geographisch-politischen Raum, nämlich den Westen des Reiches, konkret zu549 Chaniotis, A., Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches im Kontext der zeitgenössischen Ritualpraxis, in: Cancik, H., Hitzl, K. (Hgg.), Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen, Tübingen 2003, S. 3–28, hier S. 4. 550 Vgl. dazu Price, Rituals and power, S. 23 f., 88–91; Habicht, Gottmenschentum. 551 Cass. Dio 51, 20, 9.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

nächst in die Provinzen Tres Galliae und Germania, später dann auch in andere westliche Provinzen. Die Institution wurde dabei nicht verändert, lediglich die Terminologie der Institution selbst und ihrer Funktionsträger dem westlichen Kontext angepasst. Bei der Frage nach den Initiatoren, den handelnden Akteuren bei diesem „OstWest-Transfer“ kommt man nicht umhin, auf die augusteische Politik und ihre offensichtlich extrem weitsichtige Planung zu verweisen. Die provinzialen Eliten darf man dabei allerdings nicht vernachlässigen. Wir wissen aus dem Beispiel der Gesandtschaft von Mytilene nach Tarraco552 oder auch der Tempelbau-Anfrage der Hispania ulterior mit Bezug auf Smyrna553, dass es offenbar einen interprovinzialen Austausch gab, dass die Entscheidungsträger in den Provinzen, die sich im Concilium versammelten, sehr wohl wahrnahmen, was in anderen Provinzen geschah. Und dabei scheint die Trennung in Ost und West wenig Bedeutung gehabt zu haben. Die erkennbare taktische Anlage dieser Koina und Concilia allerdings lässt letztlich nur den Schluss zu, dass es sich um ein von langer Hand geplantes, strategisches Konzept des ersten Prinzeps und seiner Berater handelte, das sich bis in die Details der Kultarchitektur niederschlug.554 II.7 DAS FEHLENDE KOINON: ÄGYPTEN Nicht in allen Provinzen wurden Provinziallandtage installiert. Belege fehlen für die Cyrenaika, für die Provinzen Alpes Poeninae und Corsica, für die Provinz Achaia555 und in Ägypten.556 Während man nun zu Recht für einige dieser Fälle 552 OGIS 456 = IGR IV 39 = IG XII, 2, 58. 553 Tac. ann. 4, 37, 1. 554 So ist vermutet worden, dass die Ähnlichkeit der Kultkomplexe von Ancyra und Tarraco damit erklärt werden kann, dass sie dem Vorbild der Bauten des Augustus auf dem Palatin (aedes Apollinis, area Apollinis und Circus Maximus) folgten. Vgl. Gros, P., Comprendre la ville romaine? Perspectives et problèmes d’une approche structurelle, in: Dupré Raventós, X. (Hg.), La ciutat en el món romà = La ciudad en el mundo romano. Actas XIV Congreso Internacional de Arqueología Clássica (Tarragona 1993), Bd. 1, Tarragona 1994, S. 45–55, hier S. 50 f.; ders., Le palais hellénistique et l’architecture augustéenne: l’exemple du complexe du Palatin, in: Höpfner, W., Brands, G. (Hgg.), Basileia. Die Paläste der hellenistischen Könige. Internationales Symposion in Berlin vom 16.12.1992 bis 20.12.1992, Mainz 1996, S. 234–239, hier S. 236–238. 555 Die Provinz Achaia besaß kein auf die Provinz ausgerichtetes Koinon, das in seinem Aufbau und vor allem in seinen Aufgaben den Koina der übrigen Provinzen vergleichbar war. Es existierten verschiedene kleinere, oft als „landschaftliche“ Koina bezeichnete Städtevereinigungen, wie beispielsweise das achäische, das boiotische, das phokische, das thessalische, das arkadische oder das eleutherolakonische. Zwar lassen sich im ersten Jahrhundert Ansätze nachvollziehen, einen aus den einzelnen landschaftlichen Koina gebildeten größeren Verband zu schaffen, diese Ansätze scheinen aber nicht dauerhaft erfolgreich und nachhaltig gewesen zu sein. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 88–91; Harter-Uibopuu, K., Kaiserkult und Kaiserverehrung; Kantiréa, M., Les dieux et les dieux Augustes. Le culte impérial en Grèce sous les Julio-claudiens et les Flaviens, Athen 2007, bes. S. 190–193. 556 Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 34 f.

II.7 Das fehlende Koinon: Ägypten

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annehmen darf, dass das vermeintliche Fehlen einer Organisationsform Koinon oder Concilium auf die schlechte Überlieferungssituation zurückzuführen ist, kann für eine Provinz mit Sicherheit festgestellt werden, dass bewusst auf die Gründung eines Koinon verzichtet wurde, ja diese sogar von Rom unterbunden wurde: Ägypten. Zwar gab es in Ägypten, wie jüngst Pfeiffer557 in Abgrenzung von älterer Forschungsmeinung nachweisen konnte, einen staatlichen, von der römischen Zentralregierung eingerichteten Kaiserkult, dieser beschränkte sich allerdings auf die Kaisertempel in den Gaumetropolen.558 Warum gab es in Ägypten keinen regelgerechten Provinzialkult, der sich in der Einrichtung eines Koinon niederschlug? Für die Beantwortung dieser Frage sind zwei Aspekte zentral: zum einen die innerägyptischen Strukturen und zum zweiten die römischen Vorgaben bei der Umwandlung Ägyptens in eine römische Provinz. Die innerägyptischen Strukturen standen der Einrichtung eines Provinziallandtags sicherlich im Weg. Bekanntermaßen fehlte eine städtische Struktur beinahe gänzlich. Neben Alexandria gab es nur zwei weitere Poleis, erst mit Hadrian stieg die Zahl auf drei. Alle übrigen Ansiedlungen besaßen rechtlich nur den Status von Dörfern.559 Rom war in keiner Weise daran interessiert, die ägyptischen Strukturen zu verändern. Als Beleg dafür genügt ein nochmaliger Blick auf die augusteische Ägyptenpolitik nach Actium und Alexandria. Aus dem Bericht des Cassius Dio geht hervor, dass Augustus von Anfang an darauf drang, jede Form von politischer Selbstbestimmung in Ägypten zu unterbinden. Er löste zunächst den alexandrinischen Stadtrat auf, jene Institution also, die die politische Autonomie der Polis darstellte.560 Auch das übrige Ägypten wurde wie unterworfenes Feindesland behandelt: Hohe fiskalische Belastungen, Landenteignungen, eine von Rom erzwungene Kalenderreform, Abschaffung der ptolemaiischen Kulte, Niederwerfung von Aufständen, die sich gegen die neuen Regelungen erhoben – dies sind nur einige der Maßnahmen, die die Quellen beschreiben.561 In einen solchen politischen Rahmen passt sich nun auch die Installation eines von Rom eingerichteten, aber nur auf lokaler Ebene organisierten Kaiserkultes ein, der möglicherweise dem alle Kulte Ägyptens beaufsichtigenden „Oberpriester Alexandrias und Ägyptens“562 unterstand. Dieser Umgang der römischen Zentralmacht mit Ägypten erklärt das Fehlen eines Provinziallandtags. In der Literatur ist bereits verschiedentlich darauf eingegangen worden.563 Rom wollte zum einen an Ägypten ein Exempel statuieren. Zum 557 Pfeiffer, Der römische Kaiser und das Land am Nil. 558 Ebd., S. 237–280. 559 Vgl. dazu auch Jördens, A., Der praefectus Aegypti und die Städte, in: Kolb, A. (Hg.), Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis. Konzepte, Prinzipien und Strategien der Administration im römischen Kaiserreich. Akten der Tagung an der Universität Zürich 18.–20.10.2004, Berlin 2006, S. 191–200. 560 Vgl. Cass. Dio 51, 17, 2. 561 Vgl. u. a. Cass. Dio 51, 17, 1–18, 1. Zur Einordnung dieser Maßnahmen in den historischen Kontext vgl. Pfeiffer, Der römische Kaiser und das Land am Nil, S. 41–45. 562 Zu diesem Amt und seiner Kompetenz vgl. Pfeiffer, ebd., S. 270–278. 563 So formulierte u. a. Dundas: „[T]he high level of centralization made a provincial cult and assembly not only potentially dangerous, but also irrelevant and unnecessary.“ (Dundas, G. S.,

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

anderen darf nicht vergessen werden, dass Ägypten keine Provinz wie jede andere war. Politisch gesehen stand sie unter der direkten und ausschließlichen Kontrolle des Augustus. Der Senat hatte in Ägypten keinerlei Einfluss. Die Provinz wurde von einem ritterlichen praefectus Alexandriae et Aegypti verwaltet und selbst Mitglieder der julisch-claudischen Familie mussten ihre Einreise nach Ägypten genehmigen lassen.564 Diese politische Sonderstellung resultierte in großem Maß aus der wirtschaftlichen Bedeutung Ägyptens. Der Reichtum des Landes speiste sich in erster Linie aus der Ausfuhr des wichtigsten Produktes Getreide, die unter staatliche Kontrolle gestellt wurde. Augustus übernahm auch die Herstellung und den Verkauf von Papyrus in Form eines Monopols, das von einer eigenen Verwaltung des kaiserlichen Haushalts geleitet wurde. Dass man auch die Bevölkerung Ägyptens nicht in gleicher Weise behandeln wollte wie die Bevölkerung anderer Provinzen, zeigt das eingeschränkte Recht auf den Erwerb des römischen Bürgerrechts.565 Die hellenisierten ägyptischen Eliten, die als potentielle Trägerschicht eines provinzialen Kaiserkultes von vornherein weniger stark ausgeprägt waren als beispielsweise in Kleinasien, wurden also zusätzlich bewusst innerhalb und außerhalb der Provinz von Einfluss und Macht ferngehalten.566 Sowohl diese auf die Beschneidung der politischen Rechte der Elite des Landes abzielenden Maßnahmen wie der Umgang mit den wirtschaftlichen Ressourcen und Strukturen Ägyptens – in erster Linie Getreide und Papyrus, aber auch der Überseehandel in Richtung Südarabien und Indien – lassen keinen Zweifel daran, dass Ägypten nach den Vorstellungen des ersten Princeps lediglich einen Zweck erfüllen sollte, nämlich durch seine Reichtümer die Macht der herrschenden Familie zu sichern. So verwundert es auch nicht, dass keine Zeugnisse für einen Provinzialkult und einen Provinziallandtag vorliegen, sondern wir im Gegenteil sogar unter Kaiser Claudius eine Situation vorfinden, in der der Kaiser die Einrichtung einer solchen provinzialen Institution zu verhindern sucht.567 In einem Brief an die Alexandriner vom 10. November 41 n. Chr., der als Papyrus überliefert ist568, lehnt Claudius die Einrichtung einer Archierosyne für seine Person sowie den Bau eines Tempels ab.

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Pharao, Basileus and Imperator: The Roman imperial cult in Egypt, Diss., Los Angeles 1994 (unpubliziert), S. 107, zitiert nach Pfeiffer, ebd., S. 279 Anm. 425). Zur Ägyptenreise des Germanicus vgl. Tac. ann. 2, 59, 1–3; Plin. nat. 8, 71; P.Oxy. XXV 2435; P.Berol. Inv. 11547 = Oliver 1989, Nr. 16 f. Vgl. auch Weingärtner, D. G., Die Ägyptenreise des Germanicus, Bonn 1969; Pfeiffer, Der römische Kaiser und das Land am Nil, S. 63–67. Cass. Dio 51, 17, 1–3. Erst unter den severischen Kaisern gelangten Ägypter in den Senat. Vgl. Cass. Dio 76, 5, 5. Nur wenige epigraphische Beispiele belegen, dass es zwar keinen Provinziallandtag, aber durchaus Zusammenschlüsse von Gruppen der hellenisierten Oberschicht gegeben haben muss, die Ehrenbeschlüsse fassen konnten. Vgl. OGIS 709. Allerdings sind die Belege dafür äußerst selten. Vgl. dazu auch Kornemann, RE S IV (1924), bes. Sp. 934; Jördens, Der praefectus Aegypti und die Städte, S. 195 f. Vgl. Pfeiffer, Der römische Kaiser und das Land am Nil, S. 74–88 mit Rez. Herz, ThLZ 137 (2012) 7/8, Sp. 791 f. CJP II 153 = P.Lond. VI 1912.

II.8 Fazit: Provinzialisierung und Kaiserkult

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ἀρχιιερέα δʼ ἐμὸν καὶ ναῶν κατασκευὰς παρετοῦμε, οὔτε φορτι̣κὸς τοῖς κατʼ ἐμαυτὸν ἀνθρόποις βουλόμενος εἶναι τὰ ἱ̣ε̣ρ̣ὰ δὲ καὶ τὰ τοιαῦτα μόνοις τοῖς θεοῖς ἐξέρετα ὑπὸ τοῦ παντὸς αἰῶνος ἀποδεδόσθαι κρίν[ω]ν.569

Diese Ablehnung der Archierosyne allein mit einer generellen kultischen Zurückhaltung des Claudius zu erklären, der sich von seinem Vorgänger Caligula absetzen wollte, greift zu kurz.570 Man muss hier wohl eher Herz zustimmen, der darin „die Abwehr eines Versuches der Alexandriner [sieht], durch die Hintertür eine die gesamte Provinz integrierende Kultorganisation zu etablieren. Der zukünftige Archiereus wäre sicherlich ein Alexandriner gewesen und hätte in Analogie zu den Archiereis etwa von Asia als offizieller Sprecher der gesamten Provinz fungieren können. Nach den alexandrinischen Unruhen unter Caligula wäre dies ein kaum zu vertretendes politisches Risiko gewesen.“571 II.8 FAZIT: PROVINZIALISIERUNG UND KAISERKULT – KOINA UND CONCILIA ALS SPIEGEL VON HERRSCHAFTSKONZEPTIONEN Waren die Provinziallandtage ein Instrument der Romanisierung, das entsprechend dem Grad der Anpassung einzelner Provinzen an die römische Zivilisation Anwendung fand? Lange stand die These Krascheninnikoffs im Raum, der provinziale Kaiserkult in der westlichen Reichshälfte sei am Beginn der Kaiserzeit zuerst in jenen Provinzen eingeführt worden, die am wenigsten romanisiert gewesen seien, und umgekehrt hätten jene Provinzen, in denen der Grad der Romanisierung bereits hoch gewesen sei, erst unter Vespasian einen Kult erhalten.572 Trotz oft erfolgten Widerspruchs573 hielt sie sich hartnäckig, nicht zuletzt auch deshalb, weil das monumentale und verdienstvolle Werk Fishwicks diese These sehr eindimensional verteidigte. Fishwicks Fazit „The advent of a new [Flavian] dynasty marks in this respect an abrupt switch from spontaneous local initiatives, as observable in the Julio-Claudian period, to the planned direction that had guided the earliest Augustan foundations.“574 war auch schon bei Erscheinen der letzten Bände auf der Basis neuer Quellenfunde aus dem Osten und Westen des Reiches nicht haltbar.575 Die vorliegende systematische Untersuchung neuerer Quellenfunde und die Neubearbeitung einiger älterer Zeugnisse zeigen deutlich, dass diese These heute nicht mehr ernsthaft vertreten werden kann. Wenn man von einer geplanten und 569 CJP II 153, Z. 48–51. 570 So Pfeiffer, Der römische Kaiser und das Land am Nil, S. 86: „Alexandria war in Rom das Symbol des Selbstvergottungsstrebens des Gaius geworden, der hier seine Vergöttlichung am besten verwirklicht sah. Besonders mit Rücksicht auf Rom und in klarer Abgrenzung zu Gaius war Claudius also dazu gezwungen, einen deutlichen Gegenakzent zu setzen.“ 571 Herz, Rez. Pfeiffer, Sp. 792. 572 Vgl. Krascheninnikoff, M., Ueber die Einführung des provinzialen Kaisercultus im römischen Westen, S. 169; Deininger, Provinziallandtage, S. 24; Fishwick, ICLW I 2, S. 238, 256, 268, 295–300; II 1, S. 95–98. 573 Zuletzt Clauss, Kaiser und Gott, S. 396–403. 574 Fishwick, ICLW III 1, S. 98. 575 Beispielhaft seien hier nur die Quellenneufunde in Lykien oder Syrien genannt.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

geleiteten Aktion sprechen will, dann für die Zeit der julisch-claudischen Herrscher, insbesondere für Augustus und Claudius. Das Gros der Landtage wurde in julischclaudischer Zeit eingerichtet.576 Viel stärker als bisher in der Forschung muss dabei eine politische Dimension angenommen werden, denn der Landtag war weit mehr als eine religiöse Loyalitätsversammlung. Sie diente der Durchsetzung römischer Interessen, der Integration einheimischer Eliten und der Stabilisierung der Provinz als ökonomischer Größe. Bereits Mommsen hatte davon gesprochen, dass Augustus im ganzen Reich Städteverbindungen anordnete.577 Die vorliegende Studie konnte diese These in ihrem Grundgedanken bestätigen, allerdings muss sie auf die julisch-claudische Zeit ausgedehnt werden. Einer Modifikation bedarf die Annahme Mommsens, die Koina und Concilia hätten „auf dem Fundament der Nationalität“578 beruht. Die frühe Unterteilung des Herrscherkultes in Asia und Bithynia in Hellenen und Römer sowie die Beibehaltung und Neugründung landschaftlicher Koina, die möglicherweise ihre Daseinsberechtigung aus einer besonders ausgeprägten lokalen Identität ableiteten579, können das ethnische Argument nicht gänzlich entkräften. Die Gründung provinzialer Koina über ethnische Bindungen hinweg deutet allerdings darauf hin, dass mit diesen Organisationen, basierend auf dem Kaiserkult, innerhalb der neuen römischen Herrschaftsstruktur der Provinzen auch ein interner Identifikationsraum geschaffen werden sollte. Dies wirft unweigerlich die Frage auf, welche Herrschaftskonzepte und welche Vorstellungen der Provinzialisierung sich dahinter verbergen. Man muss sich einer Bewertung vom chronologischen Ausgangspunkt nähern. Die Provinz Asia als erste Provinz mit einem von den Römern bei Provinzgründung eingerichteten Koinon erwies sich offenbar als Erfolgsmodell. Die erste Übertragung erfolgte dann durch Pompeius auf Bithynien und Pontus. Die nachhaltige und weitsichtige Neuorganisation des Ostens durch Pompeius bediente sich also auch der Institution Koinon als herrschaftsstützender Maßnahme. Allerdings hatte der stadtrömisch geprägte republikanische Staat mit seiner aristokratischen Führungsspitze eine andere Präferenz als der auf das Reich ausgerichtete Kaiser. Erst wieder mit Augustus ist dann ein systematischer Ansatz im Umgang mit den östlichen Koina erkennbar. Unter dem ersten Prinzeps und seinen Nachfolgern aus dem julisch-claudischen Haus wurde diese erfolgreiche, aber bisher im überschaubaren Maß eingesetzte Methode der Provinzialpolitik nun im großen Stil angewandt. Über die Motive kann man nur spekulieren. Allerdings erweist sich die Verbindung von Koinon und Herrscherkult als deutlicher Hinweis darauf, dass die Neukonzeption der Herrschaft in Rom ihren Niederschlag in den Provinzen innerhalb der Koina fand. Vor allem für den Osten darf man als Motiv auch nicht eine klare Absetzbewegung des Augustus vom un576 Gegen diese Annahme hatte sich u. a. Clauss gerichtet (vgl. Clauss, Kaiser und Gott, S. 396– 398). 577 Vgl. Mommsen, Römisches Staatsrecht III 1, S. 743 f. 578 Ebd., S. 744. Dagegen sprechen sich auch Jacques und Scheid aus. (Jacques, F., Scheid, J., Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit. 44 v. Chr. – 260 n. Chr., Bd. 1: Die Struktur der Reiches, Aus dem Französischen übersetzt von Peter Riedlberger, Stuttgart u. a. 1998, S. 211). 579 Vgl. Jacques, Scheid, ebd., S. 209 f.

II.8 Fazit: Provinzialisierung und Kaiserkult

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mittelbaren Vorgänger Marcus Antonius ausschließen. Mit der Etablierung neuer Koina bzw. der kultischen Neuausrichtung setzte Augustus ein deutliches Zeichen für eine territoriale Integration des beherrschten Gebietes und erteilte der von Antonius praktizierten Herrschaft durch lokale Dynasten eine Absage.580 Die Schwierigkeit, Motive und Strategien hinter der Gründung der Provinziallandtage zu erkennen, ergibt sich nicht zuletzt aus einem divergenten Bild der Quellen. Römische Autoren wie Cassius Dio oder Tacitus prägten stark den Eindruck einer reaktiven römischen Politik. Die Zusammenschau der Befunde aus allen Provinzen lässt aber kaum Zweifel daran, dass die Einrichtung der Landtage eine dezidiert proaktive, römische Herrschaftsmaßnahme war. Bereits Augustus setzte den Kult als gezielte Herrschaftsmaßnahme ein, weniger als Loyalitätsreligion, sondern vielmehr als Strategie zur Veränderung der Kommunikationssituation. Dies bleibt bei den römischen Autoren außen vor. Die Etablierung von Koinon und provinzialem Herrscherkult markierte eine Verlagerung innerhalb der Herrschaftssituation. Herrschaft wird nicht mehr klar artikuliert durch die Zuschreibung von Herrschern und Beherrschten, sondern sie wird neu austariert und auf die kultische Ebene verlagert, damit in einen anderen Handlungskontext gestellt und nicht mehr auf einer politischen, sondern stärker auf einer kultisch-religiösen Ebene erfahrbar. Was heute vielleicht wie ein Täuschungsmanöver erscheint, muss nicht so gemeint oder empfunden worden sein. Die große reichsweite Akzeptanz des Koinon-Systems durch die Provinzialen erweist sich als bester Beleg für das Funktionieren dieser neuen Herrschaftsform. Der Wechsel der Kommunikationssituation – nicht mehr Herrscher/Beherrschte, sondern nun Gott/Kultanhänger – einhergehend mit der Schaffung eines neuen administrativen Kosmos, der vordergründig ohne römisches Eingreifen auskam, löste das Konfliktpotential in gewisser Weise auf und schuf neue Handlungsspielräume. So deutlich wie in kaum einer anderen Provinz des Ostens können wir in Lykien die römische Handschrift bei der Neugestaltung des Koinon fassen. Sicherlich trug zu diesem intensiven Eingreifen auch die besondere innenpolitische Situation Lykiens bei, in der das Eingreifen der Römer mit militärischen Mitteln der Provinzialisierung vorausging. Unverkennbar ist allerdings der römische Gestaltungswille im Bezug auf das Koinon. Hier kann sicherlich nicht von einer Initiative der Provinzialen gesprochen werden. Die Verbreitung der Koina im griechischen Osten des Reiches war eine gezielte Herrschaftsmaßnahme, hinter der zunächst einmal das zentrale Motiv stand, die römische Herrschaft zu stabilisieren. Dies erreichte man über die Koina auf zweierlei Wegen: Zum Ersten platzierte man den Kult des herrschenden Kaisers und seiner Familie im Zentrum der politischen Vertreterorganisation der Provinz und fokussierte somit die Handlungen dieses Gremiums und seine Rolle auf den Kult. Zum Zweiten diente das Koinon aber auch als Kompensationsorgan für den Machtverlust der Provinzelite. Indem man eine rechtlich zwar minderbefugte, aber nicht rechtlose Institution schuf, in der die politisch, sozial und ökonomisch führende Klasse der Provinz sich ohne direkte Einflussnahme der römischen Administration 580 Vgl. dazu mit guten Beispielen aus Bithynia-Pontus und Galatien Marek, Stadt, Ära und Territorium, S. 51–59.

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II. Vorgeschichte und Entstehung der Provinziallandtage

organisieren konnte, ihre sozial herausgehobene Stellung beibehalten und durch den Kaiserkult und die Übernahme von Ämtern sogar mehren konnte, beließ man ihr ein für das eigene Selbstbild konstituierendes Moment. Gleichzeitig schuf man ein von Rom unabhängiges innerprovinziales Bewährungsfeld für diese Schicht, ein neues System von Ämtern und Ehrentiteln, das das soziale Prestige der provinzialen Führungselite weiter vergrößerte. Dabei profitierten die Römer ebenfalls enorm, da sie bestehende Strukturen, Netzwerke und politisches Wissen im lokalen Kontext nutzen konnten. Zugleich trugen die Versammlungen dazu bei, innerhalb der Provinzelite eine gemeinsame Identität zu schaffen.

III. RECHTSSTATUS, SPITZENPERSONAL UND IDENTIFIKATIONSPOTENZIAL DER PROVINZIALLANDTAGE III.1 ÜBERLEGUNGEN ZUM RECHTSCHARAKTER DER INSTITUTION PROVINZIALLANDTAG IN DER KAISERZEIT καὶ τοῦτ᾽ ἐκεῖθεν ἀρξάμενον καὶ ἐπ᾽ ἄλλων αὐτοκρατόρων οὐ μόνον ἐν τοῖς Ἑλληνικοῖς ἔθνεσιν, ἀλλὰ καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις ὅσα τῶν Ῥωμαίων ἀκούει, ἐγένετο. „Und diese Sitte [Einrichtung von Kulten für Augustus und die Dea Roma], die unter seiner Herrschaft ihren Anfang nahm, setzte sich unter anderen Kaisern nicht nur bei den hellenischen, sondern auch bei all den anderen Völkerschaften fort, soweit sie den Römern untertan sind.“1

Mit diesen einfachen Worten beschreibt Cassius Dio einen komplizierten Prozess, der für das Imperium Romanum einmalig gewesen zu sein scheint: Eine religiöse Institution mit politischen Zügen wurde im Laufe von wenigen Jahrzehnten ausgehend von zwei östlichen Provinzen in beinahe allen anderen östlichen und westlichen Provinzen des Reiches installiert. Dieser Prozess, dessen Ausgangspunkt durchaus als Initiative der Provinzialen von Asia und Bithynia erscheint, wurde von den Römern gefördert, gesteuert und legalisiert. In welcher Rechtsform diese Legalisierung allerdings stattfand, darüber schweigen die Quellen weitgehend. Damit ist ein Grundproblem bei der Auseinandersetzung mit den Provinziallandtagen angesprochen, das seit Kornemanns wegweisenden RE-Artikeln zu Beginn des 20. Jahrhunderts2 kaum Beachtung gefunden hat.3 Es lässt sich in die Frage kleiden: Was eigentlich ist ein Landtag? Um welche juristische Organisationsform handelt es sich bei dieser Institution und auf welcher rechtlichen Basis funktioniert sie?4 Die Antwort auf diese Frage kann man am ehesten ex negativo eingrenzen, indem man zunächst herausstellt, was ein Landtag definitiv nicht war: Er war kein Organ der römischen Verwaltung, er war auch nicht in die römische Verwaltungsstruktur eingebunden – was nicht heißt, dass er von ihr nicht herangezogen werden konnte. Er war möglicherweise in einigen östlichen Provinzen nicht einmal das Vertretungsorgan der gesamten Provinz, denn nicht notwendig stimmten die Pro-

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Cass. Dio 51, 20, 7. Kornemann, Concilium; ders., Koinon. Wichtige Fragen zu dieser Thematik wurden von Peter Herz im Rahmen eines Vortrags diskutiert: Herz, Priester und Tempel im Kaiserkult Kleinasiens. Deininger spricht nach Kornemann, Concilium, Sp. 819 f. von einer „etwas vage[n] rechtliche[n] Stellung der Landtage in der Mitte zwischen rein staatlichen Körperschaften und kultischen Kollegien.“ (Deininger, Provinziallandtage, S. 180). Er begründet diese Stellung damit, dass für die Provinziallandtage keine Notwendigkeit bestand, „die scheinbar in dieser Institution vorhandenen Möglichkeiten zu erweitern“ (ebd., S. 179).

142 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

vinzgrenzen im Osten mit den Koinon-Grenzen überein.5 Er war im Osten auch nicht das alleinige Vertretungsorgan der Provinzialen, hier existierten zahlreiche repräsentative Versammlungen sowohl auf einer topographisch kleineren Ebene innerhalb der Provinz als auch provinzübergreifend. Diese in der Forschung recht allgemein als „landschaftliche Koina“ bezeichneten Versammlungen stammten oftmals schon aus vorrömischer Zeit und existierten weiterhin parallel zu den neu eingerichteten provinzialen Koina. Ein Beispiel dafür ist das ionische Koinon innerhalb der Provinz Asia, bei dem sogar personelle Überschneidungen mit dem provinzialen Koinon bestanden.6 Positive Aussagen zum rechtlichen Status der Provinziallandtage bewegen sich stets zwischen zwei Polen. Entweder man betrachtet sie als religiöse Vereine – als collegia licita – oder als Einrichtungen des öffentlichen Rechts.7 Kornemann versuchte einen Status zwischen kultischem Kollegium und rein staatlicher Körperschaft zu definieren, wobei er eine Tendenz in Richtung Kultverein sah.8 Er vertrat für die Concilia die These, es habe sich bei den frühen augusteischen Gründungen eher um staatliche Institutionen gehandelt, weil sie auf römische Initiative hin gegründet wurden, während die späteren Gründungen eher den collegia zugeordnet werden sollten, da sie ihre Existenz provinzialen Initiativen verdankten. Diese Argumentation erscheint aus heutiger Perspektive kaum noch nachvollziehbar. Interessant ist aber sein Vorschlag, die Concilia der späteren, nachdiokletianischen Zeit 5

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Mit diesem Problem befasst sich für die Provinz Asia Dimitriev, S., The history and geography of the province of Asia during its first hundred years and the provincialization of Asia minor, Athenaeum 93 (2005), S. 71–133, hier S. 105–115. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es zwischen Provinz und Koinon keine territoriale Übereinstimmung gab: „[T]he Koinon embraced far less territory than the entire province under the same name did in the late Republican and imperial period. […] The ‚Koinon of the Greeks in Asia‘ was one of many Koina in the province of Asia, though it was the most important of them all […].“ (S. 115). Vgl. auch die neueste Arbeit zu dieser Problematik: Vitale, Eparchie und Koinon. Dass nicht zwangsläufig auch die landschaftlichen Koina der Provinzen bewusst mit dem Kaiserkult verknüpft wurden, könnte man aus dem lykaonischen Münzbefund schließen. Die Münzen des lykaonischen Koinon beinhalten keinen Hinweis auf den Kaiserkult. Kaiserbilder oder Kaisertempel werden nicht abgebildet, sondern ausschließlich Götter und Heroen. (Vgl. Aulock, H., Münzen und Städte Lykaoniens (Istanbuler Mitteilungen Beiheft 16), Tübingen 1976, S. 25–32). Das paphlagonische Koinon dagegen war von Beginn der Provinzialisierung in den Herrscherkult integriert, wie der Eid von Gangra zu belegen scheint. (ILS 8781 = OGIS 532 = IGR III 137 = Ehrenberg, Jones 315). Vgl. Kap. II.2.2. Der Versuch Nörrs, die Koina auf eine staatsrechtlich relevante Funktion hin zu untersuchen, zeitigte wenig aussagekräftige Ergebnisse. Seine These, das Koinon habe sich zwischen die Einzelpolis und Rom geschoben und es sei „eine Form des ‚Staaten‘zusammenschlusses“ führt in der Diskussion um den Rechtsstatus der Koina nicht weiter. (Vgl. Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, München 21969). Vgl. Kornemann, Concilium, Sp. 819 f. Diese Ansicht vertritt auch Deininger, Provinziallandtage, S. 180. Beide übernehmen damit Argumente, die schon im 19. Jahrhundert diskutiert wurden. Guiraud definierte die Provinziallandtage als collegia licite coeuntia. (Guiraud, Les assemblées provinciales, S. 113–119). Carette wollte in ihnen staatliche Institutionen sehen, die den städtischen Kurien glichen (Carette, E., Les assemblées provinciales de la Gaule romaine, Paris 1895, S. 50 f.).

III.1 Überlegungen zum Rechtscharakter der Institution

143

aufgrund ihrer stärkeren Einbindung in politische Prozesse als rein staatliche Körperschaften zu betrachten.9 Was den Rechtsstatus der Koina betrifft, findet sich kaum ein Versuch der Bewertung. Am ehesten galten sie als Institutionen des Privatrechts ohne Grundlage im römischen Recht.10 Wie nähert man sich also diesem rechtshistorischen Problem? Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, auf der Basis einiger Quellen zum juristischen Kontext der Provinziallandtage ihren Rechtscharakter zu untersuchen. Ausgangspunkt einer wegweisenden Untersuchung von Herz aus dem Jahr 2005 zum juristischen Status der Institution Provinziallandtag war die Frage nach der Definition des Priestertypus. Allem Anschein nach war der Charakter des provinzialen Priesteramtes sowohl im Osten als auch im Westen des Reiches eher mit einer Magistratur vergleichbar11 und entsprach nicht jenem Priestertum, das durch strenge religiöse Vorgaben gekennzeichnet war, mit einer speziellen sakralen Weihezeremonie einherging und die Einhaltung strenger ritueller Regeln verlangte. Ausgehend von diesen Überlegungen zum Priestertum kann man die Frage stellen, auf Basis welcher Rechtsordnung der Provinziallandtag handelte und ob die Rechtsordnung in den Provinzen des Ostens dieselbe war wie in den Provinzen des Westens. Als Hinweis darauf, dass es hier möglicherweise Unterschiede gab, könnte der Besitz von Sklaven gewertet werden, der bisher nur für die westlichen Provinzen nachgewiesen ist.12 Auch in der Frage des Bürgerrechts, das offenbar nur in den westlichen Provinzen eine zwingende Voraussetzung für das Amt des Provinzialpriesters war, zeigen sich geographische Unterschiede.13 Herz zieht als Beleg für die divergierende juristische Behandlung von Romani und peregrini den Bericht über die Kulteinrichtungen in Asia und Bithynia bei Cassius Dio heran.14 Die Formulierung Dios, Octavian habe den Hellenen die Einrichtung der Kulte gestattet, den Römern aber befohlen, deutet durchaus unterschiedliche Rechtsgrundlagen an. In jedem Fall legalisierte Octavian mit der Erlaubnis der Kulteinrichtung auch die Existenz der Koina von Asia und Bithynia. Dies muss im Text 9 10 11

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Vgl. Kornemann, ebd. So Kennard, J. S., The Jewish provincial assembly, ZNW 53 (1962), S. 25–51, hier S. 28. „Dies bedeutet, für einen künftigen Priester des Kaiserkultes war weder auf der Ebene der Gemeinde noch auf der Ebene der Provinz eine spezielle kultische Vorbildung notwendig. Wenn wir die bekannten Voraussetzungen für die potentiellen Priester des Provinzialkultes nehmen (Mindestalter, offensichtlich vorhergehende Absolvierung von Ämtern in der Heimatstadt, bürgerliche Ehrbarkeit), so handelt es sich in allen Fällen um juristische Vorbedingungen, die auch bei der Bekleidung einer lokalen Magistratur zu beachten wären, aber auf keinen Fall um religiöse Voraussetzungen.“ (Herz, Priester und Tempel im Kaiserkult Kleinasiens, S. 1). Vgl. Kap. IV.2.1.1.6. Vgl. die Regelungen der lex Irnitana, Kap. 21: Quae ad modum civitat[em] Romanam in eo municipio consequantur. Qui ex senatoribus, decurion[ib]us conscriptisve municipii Flavi Irnita|ni magistratus, uti h(ac) l(ege) [co]mprehensum est, creati sunt erunt, ii, cum eo | honore abierint, cum parentibus coniungibusque ac liberis, qui legiti|mis nuptis quaesiti in potestate parentium [fu]er[i]nt, item nepotibus | ac neptibus filio [n]atis, qui quaeve in potestat[e par] entium fuer[i]nt, | cives Romani sunto, dum ne plures cives Romani sint, quan quod | ex h(ac) l(ege) magis[t]ratus creare oportet. (Nach Gonzáles, J., Crawford, M., The lex Irnitana: A new copy of the Flavian municipal law, JRS 76 (1986), S. 147–243). Cass. Dio 51, 20, 6–7.

144 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

Cassius Dios wohl mitgelesen werden, auch wenn er es explizit nicht erwähnt. Herz vermutet weiter, die Koina könnten auf der Basis des römischen Vereinsrechts organisiert gewesen sein.15 Daraus hätten sie ihr Versammlungsrecht ableiten können, das Wahlrecht ihrer Priester als Vorsitzende, den Besitz einer Kasse und das Recht, Beiträge einzutreiben. Auf der Basis dieser Rechtsgrundlage wären ihre Handlungen legal gewesen.16 Hier muss man nun aber noch einmal an die Vorgeschichte der Koina in republikanischer Zeit erinnern. Das Koinon der Provinz Asia existierte wahrscheinlich bereits seit den 90er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. und besaß durchaus weitreichende Kompetenzen, die sich nachweislich auf das Versammlungsrecht, die Finanzen, die kultische Verehrung römischer Magistrate und das Recht auf Repetundenklagen erstreckten.17 Die Maßnahmen von 29 v. Chr. müssen also eher als qualitative Veränderung der bestehenden Koinon-Struktur verstanden werden und stellen weniger eine Neugründung dar.18 Die Veränderungen, die sich nun vollzogen, umfassten – soweit heute nachvollziehbar – nur den Bereich des Kultes. Das Koinon übernahm (zusätzlich oder ausschließlich?) die Funktion des Kultes für Augustus und die Dea Roma – später erweitert um den Kult für die Angehörigen der julisch-claudischen Familie – und es erhielt eine neue Spitze mit dem Archiereus.19

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Vgl. CIL XIV 2112 cultores Dianae et Antinoi. Neue Edition bei Ebel, E., Die Attraktivität früher christlicher Gemeinden, Tübingen 2004; vgl. auch Bendlin, A., Associations, funerals, sociality, and Roman law: The collegium of Diana and Antinous in Lanuvium (CIL 14.2112) reconsidered, in: Öhler, M. (Hg.), Aposteldekret und antikes Vereinswesen. Gemeinschaft und ihre Ordnung, Tübingen 2011, S. 207–296. Nach Dig. 3, 4, 1 besitzen die Vereine folgende Rechte von Körperschaften: Sie verfügen über eine Kasse und bewegliches Vermögen, d. h. Grundbesitz, Liegenschaften, Häuser, Sklaven und res. Dieses Vereinsvermögen ist unabhängig vom Vermögen der einzelnen Mitglieder. Sie können einen Rechtsvertreter vor Gericht bestellen. Vgl. ergänzend auch Dig. 36, 1, 1, 15. Die Folge dieser Rechtsauffassung für den privatrechtlichen Status der Landtage beschreibt Kornemann: „Da aber das Recht, ein korporatives Vermögen zu haben, das Recht, es zu erwerben, zu vermehren und zu verteidigen mit sich bringt, so mussten auch die Bestimmungen des Privatrechts über Eigentumserwerb, Eigentumsschutz usw. […] auf die mit juristischer Person beliehenen Körperschaften, d. h. wie auf die Städte, so auch auf die Kollegien übertragen werden.“ (Kornemann, E., RE IV, 1 (1901), Sp. 380–480, s. v. Collegium, hier Sp. 432). Vgl. auch Ausbüttel, F., Die Verwaltung der Städte und Provinzen im spätantiken Italien, Frankfurt/Main 1988, S. 16–33. Siehe oben Kap. II.3. Problematischer stellt sich die Situation beispielsweise in Lykien dar. Rom und das lykische Koinon hatten im Jahr 46 v. Chr. einen bilateralen Vertrag geschlossen. Rom hatte das Koinon also als Vertragspartner stellvertretend für die gesamte Region und seine Poleis anerkannt. Diese völkerrechtliche Beziehung wurde mit Einrichtung der Provinz 43 n. Chr. zwangsläufig umgewandelt. Das Koinon erhielt eine religiöse Spitze, übernahm den provinzialen Kaiserkult und büßte seine politisch-militärischen Funktionäre ein. Haben wir es hier mit der Umwandlung in einen Kultverein nach römischem Recht zu tun? Vgl. dazu Kap. II.5.1. Die in späterer Zeit (ab dem Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr.) in beinahe allen östlichen Provinzen wieder aufgegriffene hellenistische Titulatur des „Koinarchen“ (Asiarch, Galatarch, Thrakarch, Bithyniarch, Makedoniarch etc.) deutet allerdings auf eine Kontinuität auf der Ebene der Funktionsträger hin.

III.1 Überlegungen zum Rechtscharakter der Institution

145

Geht man von der Richtigkeit der These aus, dass die Koina religiöse Vereine nach römischem Recht waren, ist damit auch eine Aussage über ihre hierarchische Einordnung in das römische Rechtssystem getroffen. In diesem Fall hätten die römischen Autoritäten, also Kaiser und Senat, bzw. ein Legat in den kaiserlichen Provinzen oder der Statthalter in jenen Provinzen, die dem Senat unterstanden, die staatliche Kontrollfunktion und Rechtsaufsicht über die Koina ausgeübt.20 Als Quellenbelege für diese Rechtsauffassung ließen sich die Anfragen der Koina an den Kaiser einordnen, die seine Erlaubnis bei quasi allen Entscheidungen einholten, von der Einrichtung eines neuen Kultzentrums über Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten bis hin zu Änderungen der internen Organisationsprozesse.21 Eine ähnliche Ausrichtung zeigt sich auch in der 62 n. Chr. auf Veranlassung des Kaisers getroffenen Verordnung des Senats, in der Causa Claudius Timarchus aus Kreta initiativ zu werden und einen Beschluss zu fassen, allen Provinziallandtagen zu verbieten, Statthalter nach dem Ausscheiden aus dem Amt mit Ehrenbeschlüssen zu bedenken und dafür Gesandtschaften nach Rom zu senden.22 Hintergrund dieser Entscheidung war die Empörung des Senats über das Verhalten des kretischen Archiereus23, der sich zu der öffentlichen Behauptung verstiegen hatte, es hänge allein von ihm ab, ob die kretischen Statthalter nach ihrer Amtszeit offiziell geehrt werden. Thrasea Paetus legte in der Senatsdebatte in bester antiprovinzialer Tradition – wenn man Tacitus hier Glauben schenken darf24 – seine Auffassung dar, 20 21

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In diesem Zusammenhang erscheint es auch vorstellbar, dass die juristischen Regelungen zu den Koina und Concilia in den leges provinciae festgeschrieben wurden. Als Beispiel für eine Kultgründung im Osten, für die eine kaiserliche Zustimmung belegt ist, kann Smyrna angeführt werden. Smyrna erhielt von Tiberius auf Betreiben des Rhetors Antonius Polemon die zweite Neokorie, Spiele und eine Atelie, die sich möglicherweise auch auf den heiligen Agon bezog (Tac. ann. 4, 15; IvSmyrna 697; Burrell, Neokoroi, S. 38–54). Im Westen geht die Gründung des Provinzialkultes in Tarraco ausdrücklich auf eine kaiserliche Genehmigung zurück (Tac. ann. 1, 78, 1). Für die Klärung von Rechtsstreitigkeiten, in die das Koinon involviert war, vor dem Kaiser sei an dieser Stelle auf den Streit zwischen Termessos und dem lykischen Koinon verwiesen. Das Koinon hatte ein Stück Land von den Termessern gepachtet und den Pachtzins in Form von Ernteerträgen nicht in der vereinbarten Höhe gezahlt. Der Streit landete zunächst vor dem römischen Statthalter und schließlich sogar vor dem Kaiser persönlich. (Vgl. İplikçioğlu, Entscheidung eines Statthalters von Lykien). Es gibt zahlreiche kaiserliche Reskripte zu Koinon-internen Fragen, wie der Stimmenverteilung (Erhebung des lykischen Bubon 190 n. Chr. in den Rang einer Drei-Stimmen-Stadt. Vgl. Schindler, Die Inschriften von Bubon, S. 12–23 Nr. 2 = BE 1973, 451 = AE 1979, 624), der Beitragsbefreiung (Philadelphia in Asia wurde per Kaiserschreiben aus dem Jahr 255 n. Chr. die Befreiung von Beiträgen für Kult und Spiele des Koinon gewährt (vgl. Keil, Gschnitzer, Neue Inschriften aus Lydien, S. 226 Nr. 8; SEG 17, 1960, 528)) oder der Höhe der Mitgliedsbeiträge. (Im Falle Lykiens wird die Abgabe der Städte an das Koinon offenbar im Zollgesetz der Provinz geregelt). Tac. ann. 15, 20–22. Bei Tacitus wird Timarchus nicht als Archiereus bezeichnet, die von ihm selbst instrumentalisierte Machtfülle und die Reaktion der Römer lassen es aber wahrscheinlich erscheinen, ihn als Oberpriester des kretischen Koinon anzusehen. (Vgl. Rouanet-Liesenfelt, Remarques, S. 19). Die Person des Thrasea Paetus muss immer vor dem Hintergrund seines Sturzes 66 n. Chr. gesehen werden (Tac. ann. 16, 21). Der Prozess gegen Thrasea wird von Tacitus als Beispiel der senatorischen Opposition gegen das Regime Neros geschildert. Thrasea, Anhänger der stoischen Weltanschauung, wird als Inbegriff des tugendhaften Senators präsentiert, der letztlich

146 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

wonach ein generelles Verbot der Dankresolutionen beschlossen werden sollte, um zu verhindern, dass sich die Statthalter den Provinzialen anbiedern müssten.25 Diese Rechtsauffassung – wenn auch rhetorisch aufgeladen – findet sich auch in der Rede des Aelius Aristides auf Rom: „Daher glauben sie, dass jener [i. e. der Kaiser] über ihre Tätigkeit besser Bescheid weiß als sie selbst, und so fürchten und scheuen sie ihn mehr als mancher Sklave seinen Herrn, wenn dieser zugegen ist, ihn bewacht und ihm Befehle gibt. Keiner ist so stolz auf sich, dass er ohne Bewegung bleiben könnte, wenn er auch nur den Namen des Herrschers vernimmt, sondern er erhebt sich, preist und verehrt ihn und spricht zwei Gebete, eines für den Herrscher zu den Göttern und eines zu dem Herrscher selbst für das eigene Wohl. Wenn sie auch nur geringen Zweifel über einen Rechtsentscheid oder Gesuche der Untertanen haben, mögen sie von öffentlicher oder privater Seite kommen, so wenden sie sich, wenn einige davon berechtigt sind, sogleich an jenen, fragen an, was zu geschehen habe, und warten, bis er einen Bescheid erteilt, nicht anders wie ein Chor, der auf seinen Leiter wartet.“26

Den Ursprung dieser rechtlichen Regelungen kann man mit guten Gründen im enormen Sicherheitsbedürfnis der Römer suchen.27 Auch die spätantiken Quellen zu den Provinziallandtagen lassen den Schluss zu, sie unter das Vereinsrecht zu subsumieren. Zahlreiche Dokumente befassen sich mit der Garantie des Versammlungsrechts der spätantiken Concilia, das sowohl durch die Vertreter der lokalen Gewalt als auch durch provinziale Magistrate gefährdet gewesen zu sein scheint.28

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lieber den Tod wählt, als die Freiheit seines Denkens aufzugeben. Sein Verhalten wird in der Regel als politische Opposition gedeutet. Thrasea, der aus dem oberitalischen Padua stammte, war im Jahr 56 n. Chr. für einige Monate Konsul gewesen und Mitglied im Kollegium der Quindecimviri. Er war ein äußerst konservativer, den mores maiorum verpflichteter Senator, für den der Bruch mit Nero wohl mit dem Mord an Agrippina 59 n. Chr. begann. Danach begab er sich sukzessive in eine Art innere Emigration und nahm schließlich gar nicht mehr am politischen Leben teil. Der Rückzug bedeutete allerdings auch, dass er seine religiösen Pflichten als Senator wie als Priester nicht mehr erfüllte. Dies warf man ihm im Prozess vor. Tac. ann. 15, 21: ‚Olim quidem non modo praetor aut consul sed privati etiam mittebantur qui provincias viserent et quid de cuiusque obsequio videretur referrent; trepidabantque gentes de aestimatione singulorum: at nunc colimus externos et adulamur, et quo modo ad nutum alicuius grates, ita promptius accusatio decernitur. decernaturque et maneat provincialibus potentiam suam tali modo ostentandi: sed laus falsa et precibus expressa perinde cohibeatur quam malitia, quam crudelitas. plura saepe peccantur, dum demeremur quam dum offendimus. quaedam immo virtutes odio sunt, severitas obstinata, invictus adversum gratiam animus. inde initia magistratuum nostrorum meliora ferme et finis inclinat, dum in modum candidatorum suffragia conquirimus: quae si arceantur, aequabilius atque constantius provinciae regentur. nam ut metu repetundarum infracta avaritia est, ita vetita gratiarum actione ambitio cohibebitur.‘ Aristeid. Εἰς ῾Ρώμην 32. Übersetzung aus: Die Romrede des Aelius Aristides, herausgegeben, übersetzt und mit Erläuterungen versehen von Richard Klein, Darmstadt 1983. Vgl. Herz, Priester und Tempel im Kaiserkult Kleinasiens, S. 5 f. Vgl. u. a. Cod. Theod. 12, 12, 1. Hier findet sich eine Regelung für die Concilia Afrikas aus dem Jahr 355 n. Chr.: Impp. Constantius et Constans aa. ad Taurum praefectum praetorio. In Africanis provinciis universis conciliis liberam tribuo potestatem, ut congruente arbitrio studii condant cuncta decreta aut commodum quod credunt consulant sibi, quod sentiunt eloquantur decretis conditis missisque legatis. Nullus igitur obsistat coetibus dictator, nemo conciliis obloquatur. Dat. kal. aug. Mediolano Arbitione et Lolliano conss. Zu den allgemeinen Regelungen vgl. Cod. Theod. 12, 12, 9 (382 n. Chr.): Idem aaa. ad provinciales. Sive integra dioecesis in commune consulerit sive singulae inter se voluerint provinciae convenire, nullius iudicis

III.1 Überlegungen zum Rechtscharakter der Institution

147

Nun darf man zwar aus den spätantiken Befunden nicht ohne Weiteres auf die frühe Kaiserzeit schließen, spätantike Quellen als Hinweis zu werten, hat aber sicher seine methodische Berechtigung. Als juristisches Vergleichsmodell für den Osten könnte man das bereits erwähnte Koinon der dionysischen Techniten aus hellenistischer Zeit heranziehen.29 Gerade hinsichtlich der Besitzstruktur lassen sich möglicherweise aus vergleichenden Betrachtungen Rückschlüsse ziehen. Das Vereinsheiligtum befand sich bei den dionysischen Techniten beispielsweise im Besitz des Vereins. Die Koina der Techniten verfügten über Einnahmen aus Beiträgen der Mitglieder und der Vereinsfunktionäre, Einnahmen aus Festen und Agonen sowie Darlehen, Schenkungen und Strafgeldern. Die Ausgaben lassen sich klassifizieren in Ausgaben für Kulte, Feste und Agone des Vereins sowie des Staates, Ehrungen, Errichtung und Instandhaltung der Vereinsanlagen und diplomatische Tätigkeiten. Interessanterweise gab es auch bei den Festen dieser Vereine Streitigkeiten um die Aufteilung der Gelder, die zum Teil auf dem Gelände des Vereins und der Stadt, in der sie abgehalten wurden, stattfanden. Offensichtlich fand man hier Lösungen, die Gelder aus Markteinnahmen oder Zöllen, Verkaufssteuern o. ä. aufzuteilen. Inwieweit solche Lösungen immer einer rechtlichen Regelung bedurften, ist nicht schlüssig zu klären. Verwiesen werden muss an dieser Stelle aber auf die lex Narbonensis, die stark den Charakter eines solchen Dokumentes trägt, das zwischen städtischen und Concilia-Angelegenheiten Ausgleich schaffen sollte.30 In einem weiteren Schritt könnte man fragen, wie und wo sich die Provinziallandtage im Kosmos der religiösen, beruflichen und sozialen Collegia einordnen lassen. In der älteren Literatur wird für die Collegia zwischen drei Kategorien31 unterschieden: den amplissima collegia, den sodalitates sacrae32 und den privaten Col-

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potestate tractatus utilitati earum congruus differatur neque provinciae rector aut praesidens vicariae potestati aut ipsa etiam praefectura decretum aestimet requirendum. Vgl. auch Deininger, Provinziallandtage, S. 186. Vgl. Aneziri, Vereine. Aneziri untersucht die vier großen Vereine der dionysischen Techniten in hellenistischer Zeit: die athenische Synodos, das isthmische Koinon, das kleinasiatische Koinon und den ägyptischen Verein. Auch für die Kaiserzeit haben neueste Inschriftenfunde eine wohl im organisatorisch-administrativen Bereich liegende Verbindung der dionysischen Techniten von Kleinasien und des Koinon von Asia aufgezeigt. Vgl. Petzl, Schwertheim, Hadrian und die dionysischen Künstler. Vgl. Kap. II.5.2. Kornemann, Collegium; vgl. auch Rüpke, J., Die Religion der Römer, München 2001, S. 200– 207; Vgl. dazu auch die Beiträge in folgendem Sammelband: Egelhaaf-Gaiser, U., Schäfer, A. (Hgg.), Religiöse Vereine in der römischen Antike. Untersuchungen zu Organisation, Ritual und Raumordnung (Studien und Texte zu Antike und Christentum 13), Tübingen 2002. Kornemann versteht darunter staatlich eingesetzte Kultgenossenschaften zur Verehrung von staatlich rezipierten Gottheiten bzw. zur Übernahme kultischer Funktionen, Veranstaltung von Festen und Unterhaltung eines Tempels. In der Regel waren diese Gruppen in der urbanen Religion angesiedelt, es können darunter aber auch „verbandliche Organisationen der Stadtteile, der montes oder pagi, aufgefasst [werden].“ (ebd., Sp. 385). Kornemann schränkt ihre Zugehörigkeit zu den sodalitates sacrae aber ein, indem er sie als „quasicollegiale Organisation“ bezeichnet.

148 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

legia33. Die ersten beiden waren staatlich gegründete Organisationen, in deren Kompetenzbereich die sacra publica lagen. Neuere Ansätze wenden sich gegen diese strikte Trennung in öffentliche, der Oberschicht zugeordnete, und private, eher unterhalb der Oberschicht angesiedelte Vereine.34 Beiden Zugängen ist gemein, dass sie die Koina oder Concilia nicht in der Kategorie der Collegia berücksichtigen. Einem jeden Verein dürfte eine Gründungscharta zugrunde gelegen haben, also eine lex collegii. Diese Vereinssatzungen bildeten die juristische Basis, auf der die Strafgewalt des Vereins gegenüber seinen Mitgliedern geregelt war.35 Ob wir es möglicherweise bei der lex Narbonensis mit einem solchen Gründungsgesetz des Concilium Narbonensis zu tun haben, lässt sich aufgrund der fragmentarischen Überlieferung der Inschrift nicht entscheiden.36 Für die These, die Provinziallandtage unter die Vereine zu subsumieren, sprechen nun auch der Beamtenapparat37, der ähnlich aufgebaut war, sowie Parallelen in der administrativen Struktur. Sowohl bei den Vereinen als auch den Provinziallandtagen regelten Statuten die Zusammenkünfte. Folgende, von Kornemann für die Vereine konstatierten Charakteristika ließen sich ohne Probleme auf die Provinziallandtage übertragen: „Die beschließende Kompetenz der Kollegien erstreckte sich auf die Gesetzgebung im collegium, die Wahl der Beamten und auf ein Stück richterliche Tätigkeit; ergänzt durch die kultischen Regelungen (Opfer, Feste etc.), die Aufstellung des Budgets und die Kontrolle über die Finanzen, die Verwaltung des Vereinsbesitzes und die Veräußerung von Vermögen, Beschlüsse über die Errichtung neuer Bauten oder Reparatur derselben, Aufstellung von Statuen, Vereidigung der Beamten, Abnahme von Rechenschaftsberichten, Ehrung verdienter Beamter etc.“38 Alle diese Fakten lassen sich anhand der Quellen für westliche und östliche Landtage belegen. Folglich darf man wohl die Behauptung aufstellen, auch in Fragen der bevorzugten staatlichen Behandlung seien die Landtage den staatlichen Vereinen gleichgestellt gewesen. Ob wie bei den staatlichen Vereinen die Kasse der Provinziallandtage Teil des öffentlichen Finanzwesens war, ist kaum zu entscheiden, die Regelungen der lex Narbonensis zu den im Amtsjahr nicht verwendeten Geldern könnten darauf hindeuten.39 Die Forschungsliteratur interpretiert die Rechtsgrundlagen der Kollegien als Versuch einer Nachbildung der Städte als „rechtlich anerkannte öffentliche Institutionen“40 mit all den körperschaftlichen (Kasse, Vermögen, Vertretung vor Gericht) aber auch privatrechtlichen Konsequenzen (Kollegien als Schuldner/Gläubiger, Erbrecht, Recht auf Klage, Möglichkeit der Klage gegen den Verein). Hier schließt sich nahtlos der Befund zum Immobilienbesitzrecht der Provinziallandtage 33 34

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Religiöse Vereine, Vereine von Berufsgruppen, Veteranen, Sterbevereine etc. Vgl. u. a. Rüpke, J., Collegia sacerdotum: Religiöse Vereine in der Oberschicht, in: EgelhaafGaiser, U., Schäfer, A. (Hgg.), Religiöse Vereine in der römischen Antike. Untersuchungen zu Organisation, Ritual und Raumordnung (Studien und Texte zu Antike und Christentum 13), Tübingen 2002, S. 41–67. Vgl. Kornemann, Collegium, Sp. 416. Der Versuch einer Neuinterpretation dieser lex Narbonensis findet sich im Kap. II.5.2. Vgl. Kornemann, ebd., Sp. 420–426. Nach Kornemann, ebd., Sp. 426–428. CIL XII 6038, Z. 25–27. Kornemann, ebd., Sp. 436; vgl. auch Nörr, Imperium und Polis.

III.1 Überlegungen zum Rechtscharakter der Institution

149

aus Kap. IV. an.41 Dort konnte anhand der Untersuchung beispielsweise der Topographie der Kultanlagen nachgewiesen werden, dass die Provinzialversammlungen sowohl im Westen wie im Osten den Status einer juristischen Person besessen haben und über das Eigentumsrecht an von ihnen genutzten Grundstücken verfügen konnten. Die Concilia und Koina schufen bewusst extraterritoriale Heiligtümer, die topographisch wie juristisch außerhalb der Städte lagen. Folgt man nun dieser Hypothese, ergeben sich folgende Anschlussprobleme: Wie war der Status der einzelnen Mitglieder geregelt? Während die Mitglieder eines religiösen Kollegiums tatsächliche Personen waren, setzten sich die Koina und Concilia aus Rechtspersonen zusammen, die selbst ganz unterschiedliche Rechtsformen besaßen.42 Zwar haben Untersuchungen einzelner Provinzen recht eindeutig gezeigt, dass die Mitgliedschaft im Koinon oder Concilium wohl nicht vom Rechtsstatus der Gemeinde abhing43, ob sich dies aber auf alle Provinzen übertragen lässt, steht in Zweifel.44 Sucht man nach Rechtsquellen, die sich mit den Koina und Concilia befassen, muss man zunächst konstatieren, dass weder epigraphische noch literarische Überlieferungen vorliegen, die den Status dieser Institutionen festlegen. Einzig die sogenannte lex Narbonensis beschreibt die Funktionen und Kompetenzen des provinzialen Flamen der Gallia Narbonensis. Charakter und Kontext dieses Dokumentes sind aber derart fragmentarisch, dass sich definitive Aussagen nicht ableiten lassen.45 Gar nichts kann man diesem Text zur Frage des Rechtsstatus des Concilium entnehmen. Bemerkenswert erscheint auch, dass sich in keinem der heute vorliegenden munizipalen oder kolonialen Gründungsgesetze46 ein Hinweis darauf findet, wie die Beziehung zwischen diesen Gemeinden und dem Concilium organisiert war, beispielsweise was die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen oder die Entsendung von Vertretern betrifft. Lediglich für die Provinz Lykien ist ein kaiserliches (oder statthalterliches) Edikt überliefert, das anordnet, die Beiträge an das Koinon aus den städtischen Zolleinnahmen zu zahlen.47 In diesem Fall regelte also die römische Autorität die finanzielle Beziehung zwischen Stadt und Koinon.48 41 42 43

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Vgl. Kap. IV.2.1.3. Vgl. Herz, Priester und Tempel im Kaiserkult Kleinasiens, S. 6 f. Etienne hat in einer überzeugenden Untersuchung Hispania citeriors gezeigt, dass sowohl Kolonien als auch civitates stipendiariae und Munizipien Provinzialpriester stellten, folglich also Mitglieder im Concilium gewesen sein müssen. Vgl. Etienne, R., Le culte impérial dans la Péninsula Ibérique d’Auguste à Dioclétien, Paris 1958, S. 145–147. So lässt sich beispielsweise in der Gallia Narbonensis kein Oberpriester aus Narbo nachweisen, obwohl die Kolonie Sitz des Concilium war. Die Existenz eines Provinzialtempels in einer Stadt automatisch als Beleg für eine Mitgliedschaft im Koinon anzunehmen, ist unzulässig. (So Deininger, Provinziallandtage, S. 141 für Tarraco). Der Versuch einer Neuinterpretation dieses Textes wird im Exkurs im Kap. II.5.2. unten unternommen. Vgl. u. a. lex Flavia municipalis, lex Ursonensis. Zu den römischen Rechtstexten vgl. Crawford, M. (Hg.), Roman statutes, 2 Bde. (Bulletin of the Institute of Classical Studies Supplement 64), London 1996. Vgl. Wörrle, Zwei neue Inschriften aus Myra. Eine detaillierte Diskussion erfolgt im Kap. IV. Möglicherweise wurden die Beziehungen zwischen Provinziallandtag und Stadt – handelte es sich nun um eine Mitgliedsstadt oder den Sitz des Koinon – weniger juristisch definiert, son-

150 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

Auch das Kalenderdekret der Provinz Asia muss hier betrachtet werden.49 Nachdem das Koinon von Asia wohl schon 29 v. Chr. ein Krone ausgelobt hatte für denjenigen, der für den Gott Augustus die größte Ehrenbezeugung beantragte, erhielt diesen Preis der Prokonsul von Asia, Paullus Fabius Maximus, 9 v. Chr. für seinen Vorschlag, den Kalender der Provinz am Geburtstag des Augustus auszurichten, den Neujahrstag also auf den 23. September zu verschieben. Bei dem Vorschlag des Prokonsuls handelt es sich um ein Dokument, das im Griechischen mit dem Wort διάταγμα wiedergegeben wird, dem Äquivalent zum lateinischen edictum.50 Ein Edictum ist in der Regel eine verbindliche Anordnung des Magistraten, kann also nur so interpretiert werden, dass das asianische Koinon eigentlich rechtlich dem Prokonsul untergeordnet war. Warum dann aber die angeschlossene Verabschiedung der Reform durch das Koinon, also die Wahrung einer äußeren Form, nach der das Koinon selbst den Beschluss auf Vorschlag des Statthalters fasste? Man bewegt sich hier in einem Bereich, der mit dem herkömmlichen Instrumentarium althistorischer Rechtsauffassungen nicht mehr beschrieben werden kann. Denn im Vergleich zum Hellenismus, wo die Einführung des Herrscherkultes in den Städten eine interventionistische Maßnahme des Herrschers war, hat sich die Symbolik der Kommunikation mit Augustus verändert.51 Die juristische Unterordnung wird sowohl von römischer als auch von griechischer Seite in eine Form starker religiöser Überhöhung gekleidet und ist nur noch schwer in juristischen Dimensionen zu fassen. Dies muss als eines der beabsichtigten Ergebnisse einer solch umgestalteten Kommunikation verstanden werden.52 Können wir mit diesem Kalenderdekret den Versuch fassen, eine Einbindung des Koinon in den römischen Kosmos der Provinz zu definieren, die sich nicht in den traditionellen juristischen Kontext einfügte? Mit Sicherheit zeigt dieses Beispiel, dass die Schwierigkeiten, den juristischen Rahmen dieser Institution zu definieren, nicht zwangsläufig den fehlenden Quellen geschuldet sein müssen. Sie ergeben sich möglicherweise daraus, dass die Koina des Ostens zunächst keinen klar definierten Platz im Gefüge der römischen provinzialen Ordnung hatten. Sie waren ein Konglomerat hellenisti-

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dern folgten anderen Parametern. Ein Beispiel dafür könnte folgende Inschrift aus Philippopolis in Thrakien sein: Ἡ βουλὴι (sic) καὶ ὁ δῆμος τὸ κοινοβούλιον τῆς Θρακῶν ἐπαρχείας τῆς διηνέκους (sic) εὐνοιας χάριν ἐτείμησεν. („Der Rat und das Volk ehrten den Rat des Koinons der Provinz Thrakien wegen seines ständigen Wohlwollens.“) Die Inschrift wurde 1968 im Theater von Philippopolis gefunden und zum ersten Mal erwähnt in Botusharova, L., Kolarova, V., Archaeological research on Djambaz Hill in Plovdiv in 1968 (bulgarisch mit französischer Zusammenfassung), AM(N)Pl. 7 (1971), S. 75–97. Publikationen in: Gerassimova-Tomova, Zur Untersuchung des thrakischen Koinon, S. 282 f.; Sharankov, The Thracian koinon, S. 519 f. Die Inschrift suggeriert eine Beziehung, die stärker auf sozialen Beziehungen im Rahmen von Ehrenbezeugungen basierte und erinnert an Lendons Vorstellung einer auf interpersonalen Beziehungen basierenden Gesellschaft, die grundsätzlich durch das Diktat eines sozialen Geflechts reguliert wurden. Vgl. Lendon, Empire of honour. Vgl. Laffi, Le iscrizioni; Sherk, Roman documents Nr. 65. Vgl. Laffi, ebd., S. 34–36. Vgl. dazu auch Price, Rituals and power, S. 54–56. Vgl. zur Umstellung des Kalenders auf Zypern nach ähnlichen Vorstellungen Fujii, Imperial cult and imperial representation in Roman Cyprus, S. 144–156.

III.1 Überlegungen zum Rechtscharakter der Institution

151

scher Tradition, umgestaltet nach römischen Vorstellungen, mit einem hohen Grad an Autonomie, allerdings in letzter Konsequenz als Bestandteil der provinzialen Ordnung auch den römischen Autoritäten untergeordnet. Diese faktisch existierende Unterordnung wurde aber nicht nach außen dargestellt. Betont wurde die harmonische Beschlussfassung und Zusammenarbeit – wie am Beispiel des Kalenderdekrets. Einen weiteren Hinweis auf den Rechtsstatus der Provinziallandtage liefert möglicherweise die zweite Rede Ciceros gegen Verres. Der vorliegende Text kann als Gerichtsrede sicherlich zu den literarischen Quellen mit juristischem Kontext gezählt werden. Cicero wirft Verres vor, er habe Zahlungen der Zensoren für eine Statue zu seinen Ehren angeordnet. Er erläutert in diesem Zusammenhang die Rechtspraxis für die Aufstellung von Ehrenstatuen, die offenbar in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr. üblich war und fragt: „Weshalb zahlten dir die Zensoren Beiträge für die Statue? Bilden die Zensoren eine Stand [ordo], einen Berufsverband [conlegium], irgendeine besondere Gruppe von Leuten? Denn derartige Ehrungen sind entweder eine amtliche Angelegenheit der Gemeinden [publice civitates], oder sie obliegen bestimmten Gruppen von Personen [generatim homines], wie den Landwirten [aratores, besser: Grundbesitzer], den Kaufleuten, den Schiffseigentümern […].“53

Wenig später geht er auch auf die Beiträge ein, die Verres von den Städten für eigene Standbilder in Rom verlangte: „[…] daß man Geld für die Standbilder beitrage, die in Rom errichtet werden sollten, hast du befohlen. Dieselben Leute sollten als Landwirte [homines aratorum – offensichtlich sind auch hier die bäuerlichen Berufsvereinigungen gemeint, die mit dem commune Siciliae als Verein bzw. Kollegium gleichgestellt werden54] spenden: sie haben gespendet; dieselben für ihr Teil zu der vom sizilischen Bund aufgewandten Summe beitragen [ut idem pro parte in commune Siciliae conferrent]: sie haben auch das getan. Wenn eine einzige Gemeinde unter so vielen Titeln Geld zusammengeschossen und die übrigen Gemeinden genau dasselbe getan haben, zwingt euch dann nicht die Sache selbst zu dem Urteil, dass man dieser Gier ein Maß setzen müsse?“55

Nach Ciceros Worten können öffentlich aufgestellte Ehrenstatuen für römische Magistrate nur durch Städte oder Kollegien gestiftet werden. In diesem Kontext erwähnt Cicero das commune Siciliae und setzt es mit den Berufskollegien auf eine Stufe. Zwar wird auch in dieser Quelle das commune nicht als Verein bezeichnet, es scheint aber in der Wahrnehmung eines Juristen wie Cicero in diesem Kontext seine Existenz geführt zu haben. 53

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Cic. Verr. 2, 2, 137: deinde quam ob rem censores ad statuam tibi conferebant? Ordo aliqui censorum est, conlegium, genus aliquod hominum? Nam aut publice civitates istos honores habent aut generatim homines, ut aratores, ut mercatores, ut navicularii […]. (Übersetzung nach Marcus Tullius Cicero, Die Reden gegen Verres – In C. Verrem, Bd. 1. Lateinisch-deutsch, herausgegeben, übersetzt und erläutert von Manfred Fuhrmann, Zürich 1995, S. 399). Vgl. auch Cic. Verr. 2, 2, 168. Cic. Verr. 2, 2, 145: Ut in foro statuerent, abstulisti, ut in curia, coegisti, ut pecuniam conferrent in eas statuas quae Romae ponerentur imperasti; ut idem darent homines aratorum nomine, dederunt; ut idem pro parte in commune Siciliae conferrent, etiam id contulerunt. Una civitas cum tot nominibus pecuniam contulerit idemque hoc civitates ceterae fecerint, nonne res ipsa vos admonet ut putetis modum aliquem huic cupiditati constitui oportere? (Übersetzung nach Fuhrmann, S. 409).

152 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

Für die Diskussion, ob die Landtage eher als öffentliche oder private Einrichtungen zu betrachten sind, muss man auch auf ihren Umgang mit Sklaven und Freilassungen hinweisen.56 Dabei zeigen sich deutliche Parallelen zu den servi publici, die im öffentlichen Sektor tätig waren. Die Wahl der Gentilnamen der Freigelassenen deutet zumindest in zwei Fällen darauf hin, dass diese Männer ursprünglich als servi publici verstanden wurden und sich dieser Status bei ihrer Freilassung im nomen gentile Publicius niederschlug. Im Fall des Publius Publicius Fortunatus (provinciae Baeticae libertus)57 findet sich diese Stellung sogar im Praenomen gespiegelt. Darf man daraus im Umkehrschluss folgern, dass zumindest die Concilia des Westens – östliche Koina sind nicht als Eigentümer von Sklaven belegt – als Einrichtungen des öffentlichen Rechts gesehen wurden? Den Ablauf der Freilassung von servi publici kennen wir aus der lex Irnitana.58 Ferner ist aus dem epigraphischen Dossier zu Abascantus aus Ostia59, der erst als Sklave, dann als Freigelassener des gallischen Landtags belegt ist, bekannt, dass das Concilium als dominus iure Quiritum auftrat, die Freilassung folglich entsprechend den römischen Gesetzen gehandhabt wurde und der freigelassene Sklave nicht das eingeschränkte, sondern das volle latinische Bürgerrecht erhielt.60 Die Entscheidung trafen im Falle der städtischen Sklaven von Irni die Dekurionen. Die Belege sind schwach. Möglicherweise kann man aus der Tatsache, dass der Provinziallandtag von Gallien seinen Sklaven auf derselben rechtlichen Basis wie die römischen Munizipien manumittierte, juristisch ähnliche Grundkonstellationen schlussfolgern, wie wir sie aus Texten wie der lex Irnitana kennen. Ob sich diese Grundkonstellationen in Form einer lex niederschlugen oder auch auf anderem Weg umgesetzt wurden, kann aufgrund der fehlenden Quellen nicht rekonstruiert werden. Ein Resümee aus dem Gesagten kann nur lauten: Es gibt Hinweise darauf, dass die Provinziallandtage reichsweit auf der Basis des römischen Vereinsrechts organisiert waren, im Fall der Freilassung von Sklaven beispielsweise aber wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts agieren konnten. In diversen Gesandtschaften traten die Koina und Concilia auch als juristische Vertretungsorgane ihrer Mitgliedsstädte – also von Einrichtungen des öffentlichen Rechts – vor dem Kaiser auf und erbaten gesetzliche Regelungen zu bestimmten, z. B. steuertechnischen Problemen.61 Die

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An anderer Stelle der Arbeit wird ausführlicher auf die Sklaven und Freigelassenen der Landtage eingegangen. Vgl. Kap. IV.2.1.1.6. CIL II2/7, 301. Vgl. Gonzáles, Crawford, The lex Irnitana, S. 206 und 222 f. Speziell zum Freilassungsrecht der städtischen Sklaven gemäß der lex Irnitana vgl. Giménez-Candela, T., Una contribución al estudio de la ley Irnitana. La manumisión de esclavos municipals, Iura 32 (1981), S. 37–56. CIL XIV 326–328. Zu den rechtlichen Aspekten der Freilassung des Abascantus vgl. Herz, P., Claudius Abascantus aus Ostia. Die Nomenklatur eines libertus und sein sozialer Aufstieg, ZPE 76 (1989), S. 167–174. Vgl. Herz, P., Organisation and finances of the provincial assemblies under the empire: problems and solutions, in: Bendlin, A. (Hg.), Religion and culture in the eastern parts of the Roman empire, Oxford [18 Seiten, in Druck], hier S. 8. Vgl. Kap. IV.4.3.

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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juristische Basis dieser Vertreterfunktion und die juristische Rolle der Provinziallandtage bei den Gesandtschaften bleiben einer genauen Definition verschlossen. Man sollte sich allerdings davor hüten zu glauben, die Kompetenzen, Rechte und Aufgaben der Provinziallandtage seien in allen Details juristisch geregelt gewesen.62 Dass immer wieder nachgebessert und im konkreten Einzelfall entschieden wurde, zeigen zahlreiche Beispiele.63 So macht unter anderem das Kalenderdekret der Provinz Asia die Grenzen des Versuchs einer juristisch eindeutigen Zuweisung deutlich. Eine historische Beurteilung der Provinziallandtage, die sich allein an einer juristischen Einordnung in bestehende Rechtsmuster orientiert, ist hier zum Scheitern verurteilt; dafür war der Umgang der römischen Autoritäten mit diesen Organisationen zu diskursiv ausgerichtet. Wir haben es hier mit einer komplexen Kommunikationsstruktur zu tun, die zum Zeitpunkt der Abfassung vieler uns vorliegender Quellen noch im Entstehen begriffen war. III.2 DIE SPITZENFUNKTIONÄRE DER PROVINZIALLANDTAGE III.2.1 Die Provinzialpriester – Status und Selbstbild Seit Deiningers Arbeit zu den Provinziallandtagen ist eine Vielzahl an Spezialuntersuchungen zum Themenkreis der Provinzialpriester erschienen, die sich in prosopographischen Analysen den einzelnen Provinzen des Reiches zuwenden64 oder 62

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Diese Erkenntnis deckt sich auch mit der Annahme, Rom habe nie ein Interesse an einer einheitlichen, alle Ebenen des Reiches umfassenden Rechtsordnung gehabt. Vgl. Galsterer, H., Roman law in the provinces: Some problems of transmission, in: Crawford, M. (Hg.), L’impero Romano e le strutture economiche e sociali delle province, Como 1986, S. 13–27; Cotton, H. M., Private international law or conflict of laws: Reflections on Roman provincial jurisdiction, in: Haensch, R., Heinrichs, J. (Hgg.), Herrschen und Verwalten. Der Alltag der römischen Administration in der hohen Kaiserzeit, Köln u. a. 2007, S. 234–255. Genannt werden sollen hier nur exemplarisch die Erhebung des lykischen Bubon 190 n. Chr. in den Rang einer Drei-Stimmen-Stadt (vgl. Schindler, Die Inschriften von Bubon, S. 12–23 Nr. 2 = BE 1973, 451 = AE 1979, 624), die Beitragsbefreiung von Zahlungen für Kult und Spiele Philadelphias in Asia per Kaiserschreiben aus dem Jahr 255 n. Chr. (vgl. Keil, Gschnitzer, Neue Inschriften aus Lydien, S. 226 Nr. 8; SEG 17, 1960, 528) oder die von römischer Seite vorgegebene Höhe der Mitgliedsbeiträge, wie sie im Falle Lykiens im Zollgesetz der Provinz geregelt war. Das gesamte Material für die Provinz Asia hat Domitilla Campanile verdienstvoll gesammelt und in verschiedenen Untersuchungen seit 1994 besprochen und ergänzt: Campanile, I sacerdoti; dies., I sommi sacerdoti del koinón d’Asia: numero, rango e criteri di elezione, ZPE 100 (1994), S. 422–426; dies., Asiarchi e Archiereis d’Asia; dies., Sommi sacerdoti, asiarchi e culto imperiale: un aggiornamento. Ergänzungen für Ephesos finden sich bei Kirbihler, F., Les grands-prêtres d’Éphèse: Aspects institutionnels et sociaux de l’Asiarchie, in: Rizakis, A. D., Camia, F. (Hgg.), Pathways to power. Civic elites in the eastern part of the Roman empire, Athen 2008, S. 107–148. Weiteren östlichen Provinzen widmen sich folgende Untersuchungen: Kanatsoulis, D., ΤΟ ΚΟΙΝΟΝ ΤΩΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ, in: Μακεδονικά 3, 1953–1955, Thessalonike 1956, S. 27–102; Marek, Pontus et Bithynia, bes. S. 63–103 mit Anm. 3; Fernoux, Notables et élites des cités de Bithynie, bes. S. 349–360; Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester; Mitchell, Cult; Loriot, X., Le culte impérial dans le Pont sous le Haut Empire,

154 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

einen größeren, aus mehreren Provinzen bestehenden geographischen Raum betrachten.65 Hinzu treten Untersuchungen zu den städtischen oder auf der Ebene der conventus angesiedelten Kaiserpriestern, die auch die Interdependenzen von städtischer und provinzialer Priesterschaft untersuchen.66 In der Regel können anhand dieser prosopographischen Auswertungen generelle und subsumierende Aussagen zur geographischen und sozialen Herkunft der provinzialen Oberpriester getroffen werden, speziell zur Problematik des römischen Bürgerrechts, zum Karriereverlauf vor bzw. nach der Amtszeit als Provinzialpriester und zur Einordnung in ethnische oder gesellschaftliche Schichten. Dabei zeigt sich trotz mancher Devianzen in einzelnen Provinzen und trotz Schwankungen aufgrund von Langzeitentwicklungen im Verlauf der ersten drei Jahrhunderte n. Chr., dass in allen Provinzen einem klaren Muster bei der personellen Besetzung dieses Amtes gefolgt wurde. Reichsweit rekrutierten sich die Provinzialpriester aus der lokalen Elite, gehörten also dem obersten Stratum der städtischen Aristokratie oder den unteren Rängen des Ritterstandes an.67 Die Reichsaristokratie – also die Mitglieder des Senatorenstandes und die bedeutendsten Ritterfamilien – konnte schon aus praktischen Erwägungen heraus, da ihr Wohnsitz in Italien war, kein Interesse (mehr) an diesen Ämtern haben, zudem waren ihre politischen Ambitionen auch stärker auf eine politische Karriere im Reichsdienst ausgelegt. Zwar haben wir Belege dafür, dass die Väter und Großväter der ersten Senatoren aus verschiedenen Provinzen als Provinzialpriester fungierten68, daraus aber zu schlussfolgern, das Amt des Archiereus, Flamen oder Sacerdos sei als Sprungbrett in die Reichsaristokratie benutzt wor-

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in: Vigourt, A. et al. (Hgg.), Religion dans le monde romain, Paris 2006, S. 521–540; Mihailov, G., The Western Pontic Koinon, Epigraphica 41 (1979), S. 7–42; Tatscheva, M., Das westpontische Koinon, Eirene 43 (2007), S. 82–87. Für den Bereich der Donauprovinzen und des Balkanraumes haben Arbeiten vorgelegt: Rossignol, B., Municipal and provincial priests from the Danubian Provinces (Pannonia, Dacia, Moesia Superior), in: Richardson, J., Santangelo, F., Priests and state in the Roman world (PAWB 33), Stuttgart 2011, S. 577–603; Sharankov, The Thracian koinon; Gerassimova-Tomova, Zur Untersuchung des thrakischen Koinon. Für den Westen des Reiches existieren prosopographische Studien für einzelne spanische Provinzen: Alföldy, Flamines Provinciae Hispaniae Citerioris; Delgado, J. A., Flamines Provinciae Lusitaniae, Gerión 17 (1999), S. 433–461; Panzram, S., Los flamines provinciae de la Baetica: autorepresentación y culto imperial, AEA 76 Nr. 187–188 (2003), S. 121–130. Das Material für sämtliche westlichen Provinzen sammelt und analysiert Fishwick, ICLW III 2. Die afrikanischen Provinzen wurden erst aktuell von Arnaldi betrachtete: Arnaldi, A., Osservazioni sul flaminato dei Divi nelle province africane, in: L’Africa Romana. I luoghi e le forme dei mestieri e della produzione nelle province africane. Atti del XVIII convegno di studio Olbia, 11–14 dicembre 2008, a cura di Marco Milanese et al., Volume terzo, Rom 2010, S. 1645– 1665, der auf früheren Arbeiten von Bassignano und Pflaum aufbaut. Vgl. aktuell Goffaux, Priests, conventus and provincial organisation in Hispania citerior; Frija, G., Les prêtres des empereurs. Le culte impérial civique dans la province romaine d’Asie, Rennes 2012. Zu dieser Einschätzung kommt nach Auswertung des epigraphischen Materials der westlichen Reichshälfte Fishwick, ICLW III 2, S. 300; vgl. für die Asiarchen von Ephesos Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse, S. 134 f. und 146. Als Beispiele können aufgezählt werden: Lykien (PIR2 C753; Halfmann, H., Die Senatoren aus dem östlichen Teil des Imperium Romanum bis zum Ende des 2. Jh. n. Chr. (Hypomnemata 58), Göttingen 1979, Nr. 28.) und Asia, wo sich die Familien der Vedii, Pompeii, Claudii Cleobuli

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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den69, muss aus mehreren Gründen als eine einseitige Interpretation gedeutet werden. Das epigraphische Material stellt zwar für einzelne Provinzialpriester diese Karrieren dar, verdeutlich aber in seiner Masse viel eher, dass das provinziale Priesteramt nicht automatisch den Sprung in die Reichsaristokratie garantierte.70 Viel eher zeigt sich sowohl im Westen als auch im Osten des römischen Reiches eine starke lokale Verankerung der Karrieren der Provinzialpriester.71 Die vorliegende Untersuchung wird im Kapitel IV die wirtschaftlichen Verflechtungen des Provinziallandtags herausarbeiten und dabei darstellen, dass zumindest im Westen des Reiches die säkularen Amtsträger der Landtage deutlich öfter auf Provinz- oder Reichsebene Funktionen in der römischen Administration bekleideten als Provinzialpriester.72 Man muss daher jener Schicht, aus der sich die Provinzialpriester rekrutierten, bis zu einem gewissen Grad auch den fehlenden Willen unterstellen, in die höchsten Reichskreise vorzustoßen. Nicht alle hatten den Aufstiegswillen des Plinius-Freundes Voconius Romanus, der als Oberpriester des Concilium in Tarraco amtierte. Seine Bemühungen um einen Sitz im Senat können wir aus den Briefen des Plinius entnehmen, allerdings scheiterten sie trotz Unterstützung durch den römischen Autor gleich in zwei Anläufen.73 Dieser fehlende Wille hatte seine Motive sicherlich nicht in einer generellen Ablehnung einer römischen Karriere, vielmehr dürfte eine lokale Verwurzelung und eine innere Ausrichtung auf den sozialen Bezugsrahmen der eigenen Provinz ausschlaggebend gewesen sein. Erkennbar wird eine solche Mentalität an der Tatsache, dass sich erst im zweiten Jahrhundert verstärkt Provinzialpriester unter den Vorfahren von Senatoren aus dem Osten des Reiches finden. Bereits Halfmann konnte in seiner prosopographischen Untersuchung zeigen, dass der Aufstieg in erster Linie den Nachkommen römischer Kaufleute, die sich im Osten angesiedelt hatten, gelang. Provinzialpriester rekrutierten sich aus diesem Kreis zunächst nicht. Die Funktion war folglich primär an ein Herkommen und eine soziale Verankerung in der Provinz gebunden. Zumindest im Westen des römischen Reiches besaß die große Mehrzahl der Oberpriester das römische Bürgerrecht.74 In den Provinzen des Ostens war das Bürgerrecht offensichtlich keine zwingende Voraussetzung für die Bekleidung der

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oder Flavii Clitostheni spätestens in der zweiten Generation nach Bekleidung der Archierosyne im Senat finden. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 193. Diese These findet sich auch in aktueller Literatur. Vgl. Halfmann, Integration der lokalen Eliten, S. 195–202, bes. S. 197. Zu diesem Ergebnis kommt nach Untersuchung des griechischen Materials auch Camia, F., Imperial priests in second century Greece: a socio-political analysis, in: Camia, F., Rizakis, A. (Hgg.), Pathways to power. Civic elites in the eastern part of the Roman empire, Athen 2008, S. 23–42. Vgl. u. a. Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse, S. 135. Vgl. Drinkwater, A note on local careers, S. 95–97. Vgl. dazu auch Kap. IV. Plin. epist. 10, 4; 2, 13; Sherwin-White, A. N., The letters of Pliny. A historical and social commentary, Oxford 1966, S. 173–180, 563–566, 762. Vgl. auch Seelentag, G., Taten und Tugenden Trajans. Herrschaftsdarstellung im Principat (Hermes Einzelschriften 91), Stuttgart 2004, S. 158–170. Zu den Ausnahmen und dem Versuch einer Erklärung („Shortage of Roman citizens looks the likeliest explanation in either case.“) vgl. Fishwick, ICLW III 2, S. 296.

156 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

Archierosyne. Zwar waren in Asia eine große Mehrzahl der überlieferten Oberpriester und Asiarchen römische Bürger, vor allem ab dem zweiten Jahrhundert n. Chr.75, aber dieses Bild zeigt sich nicht in allen östlichen Provinzen. In Lykien beispielsweise war es von weitaus größerer Bedeutung, über die nötigen finanziellen Mittel zu verfügen als über das römische Bürgerrecht.76 Mit ganz wenigen Ausnahmen stammten auch alle bekannten Oberpriester aus der Provinz, in der sie amtierten.77 Klare Regeln für eine Karriereleiter, an deren Ende das provinziale Priesteramt stand, lassen sich nicht festmachen. In den Provinzen des Westens scheint es verschiedene Möglichkeiten der Karriere gegeben zu haben – jeweils mit unterschiedlichen lokalen Ausprägungen. Entweder durchlief man die munizipale Karriere vor der Übernahme des Priesteramtes, was epigraphisch in der Formel omnibus honoribus apud suos functus ausgedrückt wurde, oder vor der Erlangung des Priesteramtes stand eine ritterliche Laufbahn. Ein dritter, wenn auch seltener Karriereweg bestand darin, vor der Priesterschaft sowohl ritterliche als auch munizipale Ämter auszufüllen. Schließlich lassen sich auch Biographien finden, die sowohl munizipale Ämter als auch ein Geschworenenamt in Rom aufzuweisen hatten und dann als provinzialer Flamen oder Sacerdos amtierten.78 Nicht selten war auch die Ausübung eines lokalen Priestertums.79 In der Hispania citerior findet sich darüber hinaus das Amt des conventus-Priesters als Stufe innerhalb des Cursus.80 Derartige Karrierestrukturen lassen sich im Osten nicht festmachen. Viel stärker im Fokus als Karriereverläufe und juristisch definierte Qualifikationsmerkmale standen bei der Auswahl jener Männer, die das oberste provinziale Priesteramt bekleideten, allerdings Besitz, vor allem Landbesitz, Vermögen, familiäre Herkunft81 – und die Beziehung zu Rom. Betrachtet man die zeitlich frühesten bekannten Beispiele aus allen Provinzen, drängt sich der Eindruck auf, zumindest die heute bekannten Provinzialpriester der ersten Generationen seien in das Amt des Oberpriesters gelangt, weil sie Klienten oder Amici des Kaisers waren.82 75

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„La diminuzione del numero di peregrini sommi sacerdoti è indizio del fatto che dal II secolo d. C. i l possesso della cittadinanza sembra divenire quasi un requisito indispensabile per rivestire tale carica, ma soprattutto è l’indicazione che da questa epoca le élites provinciali sono con poche eccezioni completamente romanizzate.“ (Campanile, I sacerdoti, S. 159). Vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 63–71. Zwei Fälle in der Baetica sind fraglich (CIL II 3271; CIL II 3395). Vgl. Fishwick, ICLW III 2, S. 232, 242, 244. Zu den Ausnahmen im Osten vgl. Deininger, S. 151. Einige Fälle hat vor allem Alföldy für die Provinz Hispania citerior nachgewiesen. Vgl. Alföldy, Flamines Provinciae Hispaniae Citerioris, S. 29–44. Vgl. Fishwick, ICLW III 2, S. 300. Vgl. dazu die Untersuchung von Goffaux, Priests, conventus and provincial organisation in Hispania citerior, S. 445–469 mit Katalog der conventus-Priester, von denen nach Meinung des Autors sieben in das Amt des Provinzialpriesters vorstießen. (CIL II 2637; CIL II 5214; CIL II 4223 = CIL II2/14, 1146; CIL II 4248 = CIL II2/14, 1194; CIL II 6093 = CIL II2/14, 1114; CIL II 6094 = CIL II2/14, 1135; CIL II 4215 = CIL II2/14, 1136). Hier gelten im Grunde dieselben Parameter wie sie Halfmann für die Senatoren aus den östlichen Provinzen deutlich herausgearbeitet hat. Vgl. Halfmann, Senatoren, S. 28–67. Vgl. dazu auch Herz, P., Der Kaiserkult als Mittel der politischen Integration, in: Moosbauer, G., Wiegels, R., (Hgg.), Fines imperii – imperium sine fine? Römische Okkupations­ und Grenzpolitik im frühen Prinzipat. Beiträge zum Kongress ‚Fines imperii – imperium sine fine?‘

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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Schon die Namen der ersten bekannten Provinzialpriester in Asia mit römischem Bürgerrecht zeigen das Spektrum auf: C. Iulius Epikrates, C. Iulius Xeno (vor 5 v. Chr.) und M. Antonius Lepidus (2 bis 1 v. Chr.).83 Für C. Iulius Epikrates84 ist die Quellenlage besonders günstig: In der Provinz Asia hatte er sowohl im ionischen als auch im asianischen – also dem ersten reformierten und mit dem provinzialen Herrscherkult beauftragten – Koinon die Funktion des Oberpriesters (Archiereus) auf Lebenszeit inne.85 Die Familie des Epikrates war seit den 80er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. mit Caesar befreundet und er selbst wird in einer ihm zu Ehren errichteten Inschrift als Freund des Augustus bezeichnet.86 C. Iulius Epikrates muss gemeinsam mit seinem Vater von Octavian bzw. Augustus zu einem heute nicht mehr rekonstruierbaren Zeitpunkt das römische Bürgerrecht erhalten haben. Auch der erste Archiereus des ephesischen Provinzialkultes und erste erwähnte Asiarch, Ti. Claudius Aristion87, könnte einer Familie entstammen, die sich bis ins erste Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen lässt. Sein Großvater (?) Aristion88 war Teilnehmer einer sehr erfolgreichen ephesischen Gesandtschaft 29 v. Chr. an Octavian. Persönliche Beziehungen scheinen hier also möglich. In Syrien war der erste Oberpriester des Koinon ein Mann namens Dexandros mit fürstlicher Abstammung aus einer Tetrarchenfamilie.89 Die Familie, möglicherweise auch er selbst, erhielten unter Augustus das römische Bürgerrecht. In Galatien lassen sich epigraphische und literarische Belege zu einem Bild zusammenfügen, das zumindest für einige der in der Ancyraner Priesterliste90 er-

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in Osnabrück vom 14.–18. September 2009, Rahden/Westf. 2011, S. 297–308; Halfmann, Integration der lokalen Eliten, S. 196–198. Halfmann geht zwar nicht auf die Rolle der Provinziallandtage ein, betont aber den Integrationswillen des Augustus: „Er hat die herrschaftsstabilisierende Wirkung einer an seine Person gebundenen Elitenbildung klar erkannt und bewusst gefördert.“ (S. 196). Vgl. Campanile, I sacerdoti, Nr. 1, 5; dies., Sommi sacerdoti, asiarchi e culto imperiale: un aggiornamento, S. 523–584, Nr. 201. Vgl. Herrmann, Milet unter Augustus. C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkultes; ders., Milet unter Augustus. Erkenntnisse aus einem Inschriften-Neufund; Herz, Zur Geschichte des Kaiserkultes in Kleinasien; IvMilet VI 3, 1131, S. 82–85. Dazu auch Kap. II.4. Vgl. ed pr. Herrmann, Milet unter Augustus. C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkultes, Z. 3 f. IvEphesos II 234, 235, 237, 239, 240, 241, 242, 423, 424, 424a, 425, 425a, 461, 508, IvEphesos III 638, 638a, IvEphesos IV 1128, 1129, 1129a, 1129a2, 1129a3, IvEphesos V 1498, IvEphesos VII/1 3217, IvEphesos VII/2 4105, 5101, 5113; Campanile, I sacerdoti, Nr. 12. Zur Rekonstruktion der Familie vgl. Scherrer, P., Das Ehrengrab des Kaiserpriesters am Embolos – eine Personensuche, in: Thür, H. (Hg.), „…und verschönerte die Stadt…“. Ein ephesischer Priester des Kaiserkultes in seinem Umfeld (Österreichisches Archäologisches Institut Sonderschriften 27), Wien 1997, S. 113–139, hier S. 123–125. Allerdings scheint der zeitliche Abstand zwischen dem Großvater Aristion, der an einer Gesandtschaft der ephesischen Gerousie 29 v. Chr. beteiligt war, und Ti. Claudius Aristion, der wohl um 60 n. Chr. geboren wurde, recht groß. Rey-Coquais, Inscriptions Grecques d’Apamée, Nr. 2; AE 1978, 678; Robert, L., R. E. G. 89 (1976), S. 564 f., Nr. 178; SEG 52, 2002, 1553. Vgl. dazu Kap. II.5.1.2. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 138–150, Nr. 2. Vgl. Kap. II.5.1.1.

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wähnten Männer erhellende prosopographische Hintergründe eröffnet.91 Einer der ersten Provinzialpriester, Pylaimenes, dessen erste Amtszeit wohl in das Jahr 2/1 v. Chr. fiel und der nochmals im Jahr 7/8 n. Chr. amtierte92, stammte vom letzten galatischen König Amyntas ab, der bis zur Einrichtung der römischen Provinz im Jahr 25 v. Chr. ein beachtliches Territorium beherrscht hatte.93 Pylaimenes selbst scheint über beste Beziehungen zum römischen Statthalter des Jahres 15 v. Chr., L. Calpurnius Piso, verfügt zu haben, wie ein Epigramm der Anthologia Palatina zeigt.94 Der galatische Prinz Pylaimenes tritt als einer der führenden Männer des galatischen Landtages auf. Auch der Nachfolger des Pylaimenes, Albiorix, Provinzialpriester 1 v. Chr./1 n. Chr., stammte von einem galatischen Herrscher ab, der schon unter Octavian95 mit der Kontrolle galatischer Gebiete beauftragt worden war. Der Sohn des Albiorix, Aristocles, trat das Amt 11/12 n. Chr. an.96 Ähnliches lässt sich im Westen beobachten: Der erste Amtsträger der Tres Galliae war der Häduer C. Iulius Vercondaridubnus.97 Auch sein Name zeugt von engen Klientelbeziehungen seit Caesar, auch er stammte mit Sicherheit aus dem einheimischen Adel. Der erste Provinzialpriester der Provinz Lykien, Eirenaios98, der plausibel in die Zeit des Kaisers Claudius, also an den Beginn der Provinzialisierung Lykiens datiert wird99, war dagegen kein römischer Bürger. Allerdings zeigt die familiäre 91

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Zum Selbstverständnis der galatischen Eliten und ihren Beziehungen zu Rom in hellenistischer Zeit vgl. Coşkun, A., Annäherung an die lokalen Eliten der Galater in hellenistischer Zeit, in: Dreyer, B., Mittag, P. F. (Hgg.), Lokale Eliten und hellenistische Könige. Zwischen Kooperation und Konfrontation, Berlin 2011, S. 80–104; ders., Das Ende der ‚romfreundlichen Herrschaft‘ in Galatien und das Beispiel einer ‚sanften Provinzialisierung‘ in Zentralanatolien, in: ders. (Hg.), Freundschaft und Gefolgschaft in den auswärtigen Beziehungen der Römer (2. Jahrhundert v. Chr. – 1. Jahrhundert n. Chr.) (= Inklusion/Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart 9), Bern, Frankfurt/Main u. a. 2008, S. 133–164. Vgl. ebd., S. 147. Cass. Dio 53, 26, 3; Strab. 12, 5, 1; 12, 6, 5. Anth. Pal. VI, 241. Vgl. Cichorius, C., Römische Studien, Berlin 1922 (ND Stuttgart 1961), S. 328–330. Vgl. Coşkun, Geißel Asiens. Vgl. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 147 f. Ein Aspekt, auf den an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann, ist die Hierarchie zwischen den religiös legitimierten galatischen Herrscherfamilien und dem römischen Kaiser. Wie alle antiken Herrscherfamilien bezogen auch die galatischen Tetrachen ihre Legitimation aus verschiedenen religiösen Argumentationen. Gleichzeitig fungierten sie als Priester im Kult des römischen Kaisers. Solch eine interessante Konstellation führt zwangsläufig zu der Frage, ob es eine Hierarchie der religiösen Legitimationsmuster gab und ob diese im antiken Diskurs fassbar gemacht werden können. Eine aufschlussreiche Parallele bietet eine Inschrift aus dem bosporanischen Klientelreich unter Sauromates II. (173/74–210/11 n. Chr.). Sie weist den bosporanischen Herrscher als Oberpriester der Augusti aus. Gleichzeitig wird Sauromates II. aber selbst von seinem Oberkammerherrn, der die Inschrift errichtet, als Gott (τὸν ἴδιον θεὸν̣ καὶ δεσπότην) benannt. (Vgl. Kuznecov, V. D., Neue Inschriften aus Phanagoreia, VDI 1 (2006), S. 155–172). Liv. per. 139. Vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 166 f., Kat. Nr. 1. Unpublizierte Inschrift aus Xanthos nach Baker, Thériault, Xanthos. Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 35–44; 166 f.

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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Einordnung des ersten lykischen Archiereus seine herausgehobene Stellung in der Provinz: Er war der erste Oberpriester einer Familie, die in vier aufeinanderfolgenden Generationen das Amt bekleidete, und mit den Licinii aus Oinoanda verwandt war, einer weiteren bedeutenden Familie der Provinz, die ebenfalls mehrfach die Archierosyne innehatte.100 Dass die enge Verbindung zu römischen Amtsträgern aber auch im lykischen Koinon karrierefördernd war, zeigt das Beispiel des dritten bekannten Archiereus, der wohl um das Jahr 50 n. Chr. amtierte101, also wenige Jahre nach der Einrichtung der Provinz 43 n. Chr. Dieser Mann, dessen Name wohl M. Arruntius war102, erhielt das römische Bürgerrecht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bekleidung der Archierosyne, was in der Forschung als Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang gedeutet wurde.103 Dasselbe hat man für den vierten und fünften bekannten Archiereus aus claudischer bzw. neronischer Zeit angenommen: die Brüder C. Licinnius Mousaios104 und Marcius Thoas105. Auffällig oft lassen sich in Lykien zwischen Bürgerrechtsverleihung und Archierosyne zeitliche Verbindungen herstellen. Außerdem existierte ein enges verwandtschaftliches Netzwerk innerhalb der Gruppe, aus der sich die Archiereis oder Archiereiai rekrutierten. Betrachtet man allein die vier aus vorflavischer Zeit bekannten Arch­ iereis, zeigt sich, dass jeder dieser Männer direkt oder über seine Ehefrau(en) mit mehreren, teilweise bis zu zwölf, weiteren Bundespriestern der nachfolgenden Generationen verwandt war. Hinzu kommt, dass der dritte bekannte Archiereus, der bereits erwähnte M. Arruntius, der Vater des ersten lykischen Senators, M. Arruntius Claudianus, aus domitianischer Zeit war.106 Zumindest in den östlichen Provinzen scheint es regelrechte Dynastien von Archiereis gegeben zu haben.107 Nicht nur in der Epigraphik, auch in der Literatur tritt uns die Bekleidung des provinzialen Oberpriestertums als distinktives Statusmerkmal ganzer Familien entgegen. Philostratos gibt dieses familiäre Rangdenken am Beispiel des Skopelianos aus Asia wieder: ἀρχιερεὺς μὲν γὰρ ἐγένετο τῆς Ἀσίας αὐτός τε καὶ οἱ πρόγονοι αὐτοῦ παῖς ἐκ πατρὸς πάντες, ὁ δὲ στέφανος οὗτος πολὺς καὶ ὑπὲρ πολλῶν χρημάτων.

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Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 166 f., Kat. Nr. 1. Zur Datierung vgl. die überzeugende Argumentation von Reitzenstein, ebd. Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 167 f., Kat. Nr. 3. Vgl. Wörrle, Stadt und Fest, S. 99. Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 168 f., Kat. Nr. 4. Zur Bürgerrechtsverleihung unter dem Legaten Licinnius Mucianus vgl. Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae. 105 Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 169 f., Kat. Nr. 5. Zur Statthalterschaft des Sex. Marcius Priscus, der wohl für die Bürgerrechtsverleihung verantwortlich zeichnete, vgl. Eck, W., Die Bauinschrift der neronischen Thermen in Patara. Zur methodischen Auswertung einer partiell eradierten Inschrift, ZPE 166 (2008), S. 269–275. 106 PIR2 C753; Halfmann, Senatoren, Nr. 28. 107 Neben Lykien wäre hier das Beispiel Galatien zu nennen, wo die dynastische Komponente sicherlich auch mit der Tatsache verbunden war, dass die Mitglieder der früheren galatischen Herrscherfamilien nun die Aufgaben des provinzialen Herrscherkultes übernahmen. Für Asia vgl. die Untersuchung über die Asiarchen von Ephesos von Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse, S. 119–138.

160 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage „For he was himself high-priest of Asia and so were his ancestors before him, all of them, inheriting the office from father to son. And this is a great crown of glory and more than great wealth.“108

Diese Familien schlossen über die Provinzgrenzen hinweg Verbindungen, die in der öffentlichen Wahrnehmung bedeutsam waren, wie das Beispiel des T. Marcius Deiotarianus aus Balbura zeigt.109 Marcius Deiotarianus heiratete in eine kibyrische Asiarchen-Familie ein, seine Tochter war Mutter und Großmutter von Asiarchen. Bezeichnenderweise wird er in einer Ehreninschrift der kibyrischen Gerbergilde erwähnt, die seinen Enkel, selbst Asiarch, ehrt und seine verwandtschaftliche Einbettung in eine Familie von Asiarchen, Archiereis und eben Lykiarchen hervorhebt. Und so verwundert es auch nicht, dass die Provinziallandtage sich im Lauf der Zeit mehr und mehr von einer römischen Einflussnahme bei der Besetzung der Ämter befreit haben. Die familiäre Zugehörigkeit ersetzte zunehmend die amicitia oder das direkte patronale Verhältnis zum Kaiser oder römischen Amtsträgern. So wichtig diese Verbindungslinien noch am Beginn der Provinzialisierung gewesen waren, wurden sie später abgelöst durch einen stärker innerprovinzialen Bezug. Dies heißt nicht, dass die Beziehungen zu Rom keine Bedeutung mehr gehabt hätten. Scheinbar kam es zu einer Formalisierung, wie die häufige Korrelation von Priesterwürde und Bürgerrechtsverleihung beispielsweise in Lykien oder Galatien andeutet. Innerhalb der Provinzen scheint es zur Ausbildung eines „Provinzadels“ gekommen zu sein, der bei der Auswahl seiner höchsten Vertreter eigene, lokale Akzente setzte. Diese Gruppe bestand nicht aus neuen, bisher unbekannten Personen, im Gegenteil. Der Ausdruck des neuen „Provinzadels“ bezieht sich dabei lediglich auf die Tatsache, dass sich sein Herkommen und seine Ausrichtung nun auf die von Rom neu kreierte provinziale Struktur bezog und dass die Angehörigen dieser Schicht nicht selten zusätzlich zu ihrem lokalen adeligen Herkommen auch noch durch das römische Bürgerrecht eine Distinktion erfuhren.110 Dass diese Gruppe auch ein neues, an der Provinz ausgerichtetes Selbstbild und Selbstbewusstsein entwickelte, dafür könnte der im Osten des Reiches am Ende des ersten Jahrhunderts aufkommende Titel des „Koinarchen“ stehen.

108 Philostr. soph. 21, 515 f. (Übersetzung nach Philostratus, The lives of the sophists. Eunapius, lives of the philosophers and sophists. Translated by Wilmer C. Wright. 1921). 109 OGIS 495, IK Kibyra Nr. 63; Campanile, I sacerdoti, Nr. 62b. Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 208 f., Nr. 61. Zum familiären Hintergrund vgl. auch Herz, Asiarchen und Archiereiai; Wörrle, Stadt und Fest, S. 43. 110 Zur Verleihung des römischen Bürgerrechts an die früheren Königsdynastien im Osten und ihre Einbindung in die Reichselite hat sich bereits Halfmann ausführlich und mit Beispielen geäußert. Vgl. Halfmann, Senatoren, S. 42–51.

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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III.2.2 Der Titel des „Koinarchen“ III.2.2.1 Forschungslage Mit dem Titel der sogenannten „Koinarchen“111 – also Amtsbezeichnungen, die sich aus dem Namen eines Koinon und -άρχης zusammensetzen, – tritt in den Provinzen des Ostens ein Phänomen im Zusammenhang mit den Landtagen auf, das bislang noch nicht bis in seine Details verstanden werden kann. Die folgenden Überlegungen sollen nicht als Versuch einer Lösung dieses vielschichtigen Problems gesehen werden, sondern als Denkanstoß. Es sei an dieser Stelle sehr deutlich darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser Wortschöpfung „Koinarch“/„Koinarchie“ um einen modernen Begriff handelt, der in dieser Form nicht in der Antike belegt ist. Seine Verwendung als Oberbegriff zur Beschreibung eines provinzübergreifenden Phänomens allerdings scheint der Autorin aus methodischen Gründen angemessen. Die Erschaffung eines solchen Begriffs dient gerade dazu, deutlich zu machen, dass es nötig ist, den Blick von der einzelnen Provinz auf eine größere Entwicklung zu lenken.112 Seit Beginn der Forschungen zu den Koina des Ostens hat die Beschäftigung mit der Frage, was sich hinter der Bezeichnung Asiarch, Makedoniarch, Kilikiarch etc. verbirgt, hohe Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Da das Phänomen des Asiarchen besonders häufig belegt ist, wurde die Diskussion darüber, in welchem Verhältnis diese Funktion zum Archiereus des Provinziallandtags steht, besonders prononciert geführt.113 Die überwiegende Mehrheit der Forschergemeinde stimmt 111 Da es sich außer bei dem Titel des Helladarchen, der einer gesonderten Betrachtung bedarf, um Bildungen handelt, die den Namen einer Provinz als geographischer Basis des Koinon und nicht eines Ethnos tragen, ist die gängige Bezeichnung des „Ethnarchen“ nicht ganz treffend. Man sollte eher von „Koinarchen“ sprechen. 112 Ich danke Frau Prof. Mireille Corbier (Directeur de recherche émérite au CNRS, Directeur de L’Année épigraphique) für ihre äußerst hilfreichen Hinweise zu dieser Problematik. 113 Vgl. den Überblick zur Forschungsdiskussion bis 1965 bei Deininger, Provinziallandtage, S. 41–50. Seitdem wurde die wissenschaftliche Debatte fortgesetzt. Die folgenden Titel geben einen Überblick über die Diskussion: Magie, Roman rule, Bd. 1, S. 449–452, Bd. 2, S. 1298– 1301; Rossner, M., Asiarchen und Archiereis Asias, StudClas 16 (1974), S. 101–142; Kearsley, R. A., Asiarchs, archiereis, and the archiereiai of Asia, GRBS 27 (1986), S. 183–192; dies., M. Ulpius Appuleius Eurykles. Panhellen, Asiarch and Archiereus of Asia, Antichthon 21 (1987), S. 49–56; dies., A leading family of Cibyra and some asiarchs of the first century, AS 38 (1988), S. 43–51; dies., Some asiarchs of Ephesus, in: Horsley, H. G. R. (Hg.), New documents illustrating Early Christianity 4, Sydney 1987, S. 46–55. In direkter Antwort auf Kearsley: Herz, Asiarchen und Archiereiai; Campanile, I sommi sacerdoti del koinón d’Asia: numero, rango e criteri di elezione; dies., Asiarchi e Archiereis d’Asia; dies., Sommi sacerdoti, asiarchi e culto imperiale: un aggiornamento; Friesen, Asiarchs; ders., Highpriests of Asia and asiarchs: Farewell to the identification theory, in: Scherrer, P., Täuber, H., Thür, H. (Hgg.), Steine und Wege. Festschrift für Dieter Knibbe zum 65. Geburtstag (Österreichisches Archäologisches Institut Sonderschriften 32), Wien 1999, S. 303–307; ders., Imperial cults and the apocalypse of John. Reading revelation in the ruins, Oxford 2001; ders., High priestesses of Asia and emancipatory interpretation, in: Matthews, S. et al. (Hgg.), Walk in the ways of wisdom. Essays in honor of Elisabeth Schüssler Fiorenza, Harrisburg, London, New York 2003, S. 136–150; Carter, M., Archiereis and asiarchs: A gladiatorial perspective, GRBS 44 (2004), S. 41–68; Engelmann,

162 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

heute der sogenannten Identifikationstheorie zu, der zufolge es sich beim ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας und ἀσιάρχης (und generell bei Archiereis und „Koinarchen“ einer Provinz) lediglich um unterschiedliche Bezeichnungen für dasselbe Amt handelt.114 Zuletzt hat Kirbihler 2008 die Diskussion zusammengefasst: „Il existe un tel faisceau de présomptions que l’on peut postuler avec un fort degré de certitude l’identité des fonctions de grand-prêtre et d’asiarque.“115 Keiner der Versuche, diese schon im 19. Jahrhundert ins Feld geführte These stichhaltig und nachdrücklich ins Wanken zu bringen, kann als gelungen bezeichnet werden.116 Herz hat bereits 1992 in der Kontroverse mit Kearsley darauf verwiesen, dass die unterschiedlichen Bezeichnungen wohl am ehesten mit den verschiedenen Aufgaben zu erklären seien, die der höchste Repräsentant des Koinon erfüllen musste.117 Zum einen amtierte er als religiöser Spezialist in Ausübung des Kaiserkultes (Archiereus), zum anderen besaß das Amt aber auch eine politisch-administrative Dimension, die sich in der Organisation der jährlichen Versammlungen und ihrem Vorsitz, der Verwaltung von Personal und Besitz des Provinziallandtags, der Organisation der Agone oder auch der Münzprägung118 niederschlug.119 Der am Beginn dieses Kapitels unternom-

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Asiarchs; Weiß, Asiarchen; AE 1999, 1508; Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse, S. 110– 117. Gegenläufige Meinungen wurden unter anderem von Brandis (RE II, 2 (1896), Sp. 1564–1578, s. v. Asiarches und RE II, 1 (1895), Sp. 471–483, s. v. Archiereus) vertreten, der in den Asiarchen Abgeordnete der Städte sah, oder von Magie (Roman Rule in Asia Minor, S. 449–452, 1298–1301), der sie zu lokalen Amtsträgern erklärte. In jüngerer Zeit stehen auf der Seite der Gegner einer Identifikation von Archiereus und Asiarch vor allem Friesen und Kearsley. Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse, S. 117. So auch Thonemann, P., Ertugrul, F., The Carminii of Attouda, EA 38 (2005), S. 78 Anm. 12: „It is assumed throughout that the terms Ἀσιάρχης and ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας refer to a single office. Recent statements of the ‚identity theory‘, object of renewed scepticism in recent years, are persuasive.“ Vgl. Herz, Asiarchen und Archiereiai, S. 102 f. Diese These wird unterstrichen durch drei neugefundene Inschriften aus Makedonien: BE 2000, 473; SEG 49, 1999, 815–818; AE 1999, 1425–1428. Velenis, G., Epigraphes apo ten archaia agora tes Thessalonikes, in: Ancient Macedonia VI. Papers read at the sixth international symposium held at Thessaloniki, October 15– 19, 1996, Thessaloniki 1999, S. 1317–1327. Vgl. auch Herz, Makedonisches Koinon. Vgl. zu all diesen Aspekten das folgende Kapitel IV, das sich mit der wirtschaftlichen und finanziellen Dimension der Provinziallandtage beschäftigt. Einen äußerst interessanten Aspekt zeigt eine Sitzinschrift im Stadion von Magnesia am Mäander. Das seit 2004 unter der Leitung von Orhan Bingöl ausgegrabene Stadion zeichnet sich unter anderem durch eine Reihe sehr gut erhaltener und inhaltlich äußerst interessanter Sitzinschriften aus, die von Boris Dreyer (Erlangen) aufgenommen worden sind. So fand sich in den oberen Reihen unter den Ehrenplätzen für die städtischen Magistrate, Priester (stephanophoroi) und Gesandte anderer Städte, wie z. B. Ephesos und Smyrna, auch ein Ehrenplatz mit der Inschrift ἀσιάρχης. (Vgl. Dreyer, B., Das Stadion, die Sitzinschriften und die Gesellschaft von Magnesia am Mäander, in: Orhan Bingöl’e 67 Yaş Armağanı. A Festschrift for Orhan Bingöl on the occasion of his 67th birthday, hrsg. von Görkem Kökdemir, Ankara 2013, S. 117–132; ders., Bingöl, O., Archäologische und epigraphische Untersuchungen am Stadion von Magnesia am Mäander (2009–2012), in: Dreyer, B. (Hg.), Die Surveys im Hermos- und Kaystrostal und die Grabungen an den Thermen von Metropolis sowie am Stadion von Magnesia am Mäander (Ionien). Neue Methoden und Ergebnisse, Berlin 2014, S. 145–162). Mit dieser Inschrift verbinden sich einige Fragen, die an dieser Stelle nur kurz angerissen werden können. Bezieht

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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mene Versuch, eine eindeutige juristische Zuordnung der Provinziallandtage vorzunehmen, hat gezeigt, dass sie in der Tendenz zwar eher Kultvereine waren, aber doch stets zwischen dem Status eines Vereins und einer Einrichtung des öffentlichen Rechts oszillierten. Vor diesem Hintergrund muss man möglicherweise auch die unterschiedlichen Rollen der führenden Männer dieser Organisationen betrachten. Der Archiereus war stets auf den relativ klar abgrenzbaren Bereich des Kultes festgelegt, während der Titel des „Koinarchen“ die übrigen administrativen und juristischen Aufgaben subsumierte.120 Auch für die Provinzen Lykien120, Galatien121, Makedonien122, Bithynia-Pon123 tus , Thrakien124 und mit deutlichen Einschränkungen Kreta125, in denen aufgrund der Quellendichte belastbare Aussagen zum „Koinarchen“-Titel und seinem

sie sich auf einen lokalen Politiker, der als Asiarch fungierte, oder ist im Theater von Magnesia tatsächlich ein Platz für den höchsten Vertreter des Koinon reserviert? Wenn man das von Dreyer beschriebene Umfeld mit den übrigen Sitzinschriften für die Vertreter der lokalen Elite (und ihre Klienten), Gesandten, die familia gladiatorum und andere städtische Interessengruppen betrachtet, scheint sich hier doch auch in der Frage der Bedeutung der Asiarchie im lokalen Kontext ein neuer Blickwinkel zu öffnen. So findet sich in der Umgebung (?) der Asiarchen­ Inschrift ein ganzer Block von ca. 90 Sitzplätzen, die für Claudius Marcellus, seine Familie, Klienten und Anhänger reserviert waren. Ein Asiarch aus Magnesia am Mäander mit dem Namen Ti. Claudius Polydeukes Marcellus wird von mehreren Inschriften bezeugt. (IvEphesos 23, 472 (?), 642; IvMagnesia 187; Campanile, I sacerdoti, Nr. 63a; Kirbihler, Les grandsprêtres d’Éphèse, S. 125, Nr. 31). Seine Amtszeit als Asiarch fiel in die Regierungszeit des Antoninus Pius (zwischen 146–161 n. Chr.) und er ließ in seiner Heimatstadt eine Statue dieses Herrschers errichten. Daneben tritt er in einem Edikt des Prokonsuls L. Antonius Albus auf, das ihn in die Erneuerung des Hafenbeckens von Ephesos einbindet. Auch sein Bruder fungierte als Erzpriester des asianischen Koinon in Ephesos. Vor diesem Hintergrund spricht doch einiges dafür, den Ehrenplatz im Stadion nicht als Ehrenplatz für den Asiarchen generell oder seinen Vertreter bei den lokalen Spielen zu deuten, sondern hier eine Ehrung für einen Mann der lokalen Elite zu sehen, der das höchste Provinzamt des Asiarchen erreicht hat – vielleicht Ti. Claudius Polydeukes Marcellus. Der Vorschlag von Dreyer, die Topos-Inschriften ins zweite Jahrhundert zu datieren, würde diese These untermauern. 120 Für Lykien vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester. In der umstrittenen Frage des Verhältnisses von Archiereus und Lykiarch führt sie aus, dass der Titel des Lykiarchen ab der Bekleidung der Bundespriesterschaft dauerhaft geführt wurde. Das Wiederaufleben der hellenistischen Amtsbezeichnung im zweiten Jahrhundert n. Chr. führt sie zurück auf ein verändertes Repräsentationsverhalten der lykischen Elite in der hohen Kaiserzeit. Das Konzept der Lykiarchie sei eine dem Senatorenstand vergleichbare Kategorie sozialer Rangstellung. Damit entkräftet sie z. T. frühere Untersuchungen zu diesem Problem, so u. a. Kokkinia, C., Die Opramoas-Inschrift von Rhodiapolis. Euergetismus und soziale Elite in Lykien (Antiquitas. Abhandlungen zur Vor- und Frühgeschichte, zur Klassischen und Provinzial-Römischen Archäologie und zur Geschichte des Altertums Reihe 3 Bd. 40), Bonn 2000, S. 214 f.; Schuler, C., Der Archiereus Embromos aus Arykanda und seine Familie, in: Korkut, T. (Hg.), Anadolu da Doğu. Festschrift für Fahri Işik zum 60. Geburtstag, Istanbul 2004, S. 691–699; Zimmermann, M., Die Archiereis des lykischen Bundes. Prosopographische Überlegungen zu den Bundespriestern, in: Schuler, C. (Hg.), Griechische Epigraphik in Lykien. Eine Zwischenbilanz. Akten des Internationalen Kolloquiums München, 24.–26. Februar 2005, Wien 2007, S. 111–120; Engelmann, H., Zur Lykiarchie, ZPE 158 (2006), S. 183–186. Gegen Reitzenstein argumentierte jüngst erneut Sahin (Sahin, S., Nochmal über die Lykiarchie, Gephyra 9 (2012), S. 119–123).

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Verhältnis zur Archierosyne getroffen werden können, wurde diese Argumentation mit kleineren lokalen Abwandlungen übernommen.121122123124125 So muss man zum gegenwärtigen Stand der Forschung und auf der Basis des heute bekannten Quellenmaterials die Identifikationstheorie als schlüssigstes Erklärungsmodell für die unterschiedliche Terminologie akzeptieren, auch wenn sie nicht auf alle Fragen hinreichende Antworten bietet.126 121 Für Galatien hat Mitchell 1993 die These vertreten, bei den Galatarchen handele es sich um Personen, die ihre Amtszeit als Oberpriester des Koinon abgeschlossen hatten, oder um junge Männer, von denen man erwartete, dass sie das Amt des Oberpriesters absehbar erreichen würden. (Mitchell, S., Anatolia. Land, men, and gods in Asia Minor, Vol. 1: The Celts in Anatolia and the impact of Roman rule, Oxford 1993, S. 116). In Anlehnung an die Provinz Asia argumentierte Chaniotis, die Termini γαλατάρχης and ἀρχιερεὺς Γαλατίας spiegelten zwei separate Aspekte desselben Amtes wider. (Chaniotis, A., Mylonopoulos, J., Epigraphic Bulletin for Greek Religion (EBGR 2005), Kernos 12 (2008), S. 211–269, hier 265 f. Nr. 153). 122 Folgende Untersuchungen arbeiten das Material aus Makedonien auf: Kanatsoulis, D., ΤΟ ΚΟΙΝΟΝ ΤΩΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ, in: Μακεδονικά 3, 1953–1955, Thessalonike 1956, S. 51–93; ders., Μακεδονική προσωπογραφία ἀπὸ 148 π.Χ. μέρι τῶν χρόνων Μ. Κωνσταντίνου, Thessalonike 1955, S. 76, Nr. 709; Chronique des fouilles et découvertes archéologiques en Grèce en 1954, BCH 79 (1955), S. 205–376, hier S. 274; Petraccia Lucernoni, M. F., Il macedoniarca. Funzionario o sacerdote, Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti 142 (1983), S. 365–379; Herz, Makedonisches Koinon. 123 Maßgebliche Untersuchungen für Bithynien-Pontus sind: Marek, Pontus et Bithynia, 2003; Fernoux, Notables et élites des cités de Bithynie, 2004, der aber im Bithyniarchen das Oberhaupt des Koinon sieht und im Archiereus ein untergeordnetes Amt (S. 353); Campanile, Il koinon di Bitinia, 1993; Loriot, Le culte impérial. Loriot weist auf die quantitative Diskrepanz zwischen Archiereis und Pontarchen hin: „[…] les pontarques sont de trois à quatre fois plus nombreux que les archiéreis. S’agissait-il donc d’une fonction moins rare, pouvant être exercée par plusieurs personnes à la fois, autrement dit par un collège de pontarques, dont l’un, peut-être l’archiéreus, aurait assumé la présidence?“ (S. 534); vgl. auch Ameling, IK Prusias ad Hypium, S. 31 f.: „Beides sind nur verschiedene Ausdrücke für dasselbe Amt. […] Obwohl hier ἀρχιερεὺς und ποντάρχης als getrennte Titel vorkommen, spricht auch hier die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich um identische Ämter handelt und die verschiedenen Ausdrücke nur der Variation dienen.“ Zweifel an der Identitätstheorie äußert dagegen Bekker-Nielsen, Urban life, S. 82–95. Zur Funktion des ἄρξας τὴν μεγίστην ἀρχὴν τοῦ κοινοβουλίου oder ἄρξας τοῦ κοινοῦ vgl. Fernoux, S. 352 f. Er hält diese Bezeichnungen für eine Umschreibung der Bithyniarchie. Gegen diese Deutung wendet sich Campanile, die darin zwei verschiedene Ämter sieht. Belege zu dieser Funktion bei Fernoux, S. 350 f., Nr. 5, 8, 15, 16, 17. 124 Sharankov betont, dass die Begriffe Thrakarch und Archiereus dasselbe Amt markieren: „It may well be supposed that the office of ἀρχιερεὺς τῆς Θρᾳκῶν ἐπαρχείας was the same as that of θρᾳκάρχης. […] thracarch was both a name of the office and a honorary title for life, while archiereus denoted the priest only during his priesthood. One could therefore take the case of T. Flavius Priscianus as evidence that the titles thracarch and archiereus of the province denoted the same post.“ (ders., The Thracian koinon: new epigraphic evidence, S. 519 und 531). Vgl. auch Gerassimova-Tomova, Zur Untersuchung des thrakischen Koinon, 2005; Tatscheva, Macht und Gesellschaft in den römischen Provinzen Moesia und Thracia, 2004. 125 Vgl. Rouanet-Liesenfelt, Remarques. 126 Bis zu einem gewissen Grad offen bleibt unter anderem die Frage, warum der Jurist Herennius Modestinus im dritten Jahrhundert n. Chr. davon spricht, dass die „Priesterschaft in einem Ethnos, das heißt die Asiarchie, Bithyniarchie oder die Kappadokarchie“ frei von bestimmten liturgischen Leistungen während der Amtszeit bleibt. (Dig. 27, 1, 6, 14). Die Versuche, die Text-

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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In einigen Punkten scheint die Diskussion um die Identität der beiden Ämter aber den unvoreingenommenen Blick auf das Quellenmaterial ein wenig verstellt zu haben. Nach Ansicht der Autorin gibt es einen Befund, der bislang in der Debatte zu Unrecht nur am Rande behandelt oder ausgeblendet wurde, der aber bei tiefergehender Betrachtung einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis der „Koinarchie“ liefern kann. Dieser Befund ergibt sich aus der Chronologie der „Koinarchie“ in allen östlichen Provinzen. In jenen Provinzen, in denen aufgrund einer Mindestanzahl von datierbaren und aussagekräftigen Quellen eine statistisch relevante Auswertung der Titulaturen möglich ist, zeigt sich dasselbe Ergebnis: Es gibt zwischen dem Ende des ersten Jahrhunderts und dem dritten Jahrhundert n. Chr. einen Wandel in der Bezeichnung des höchsten Amtes im Koinon. Der Titel des Archiereus wird seltener verwendet, ohne zu verschwinden und der Titel des „Koinarchen“ nimmt im epigraphischen Textcorpus zu. III.2.2.2 Quellenlage127 Aus der Provinz Asia sind bis heute ca. 214 Personen bekannt, die entweder den Titel Archiereus oder Asiarch trugen oder beide.128 Zwei Asiarchen werden bei Strabon für die republikanische Zeit erwähnt.129 Ab dem Zeitpunkt der Übertragung des Herrscherkultes an das Koinon 29 v. Chr. bis zum Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. lassen sich epigraphisch etwa 31 Archiereis nachweisen, ein Asiarch130 ist mit Ti. Claudius Aristion allerdings erst unter Domitian am Beginn der letzten De-

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stelle mit Interpolation zu erklären oder Koinon und Ethnos zu austauschbaren Begriffen zu machen, überzeugen nicht bis ins Letzte. (Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 44 f.; Weiß, Asiarchen, S. 250 f.). Daneben gibt es häufig den Fall, dass Cursus epigraphisch beschrieben werden, in denen sowohl die Archierosyne als auch die Koinarchie bekleidet werden. Auch in diesen Fällen lösen die Erklärungsmodelle, wonach die Koinarchie ein lebenslanges Amt gewesen sei, nicht alle Fragen auf. Auch fügen sich nicht alle Provinzen in diese Ergebnisse ein. Vgl. u. a. die skeptischen Anmerkungen bei Bru, H., Le pouvoir impérial dans les provinces syriennes. Représentations et célébrations d’Auguste à Constantin (31 av. J.-C.–337 ap. J.-C.), Leiden, Boston 2011, S. 311–313. Es wurden nur die Inschriften berücksichtigt, die ihrem Zustand nach eindeutige Rückschlüsse erlauben. Nach Campanile, I sacerdoti; Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse. Zu einem ganz aktuellen Neufund aus Metropolis vgl. Aybek, S., Ausgrabungen am unteren (Han Yıkığı) römischen Bad und an der Palästra in Metropolis (Ionien): Ein kurzer Bericht mit epigraphischem Anhang, in: Dreyer, B. (Hg.), Die Surveys im Hermos- und Kaystrostal und die Grabungen an den Thermen von Metropolis sowie am Stadion von Magnesia am Mäander (Ionien). Neue Methoden und Ergebnisse, Berlin 2014, S. 107–123, hier: S. 114 f. Strab. 14, 1, 42; 14, 2, 24. Das einzige Zeugnis für eine Erwähnung des Asiarchen in der Kaiserzeit vor dem epigraphisch frühesten Beleg aus Ephesos unter Domitian stellt die Apostelgeschichte dar (19, 31). Aufgrund der Problematik bei der Datierung dieses Textes, der mit guten Gründen in die Zeit zwischen 80 und 90 n. Chr. datiert werden kann, sollte dieser Beleg aber bei einer Bewertung mit Vorsicht betrachtet werden. Zur späten Datierung der Apostelgeschichte vgl. Botermann, H., Der Heidenapostel und sein Historiker. Zur historischen Kritik der Apostelgeschichte, Theol. Beiträge 24 (1993), S. 62–84, bes. 66; dies., Das Judenedikt des Kaisers Claudius. Römischer Staat und

166 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

kade des ersten nachchristlichen Jahrhunderts belegt. In der Folge findet sich dann die Bezeichnung Asiarch häufig.131 Das zweite Jahrhundert zeigt dann ein eindeutiges Bild: Über 70 Asiarchen stehen etwa 34 Archiereis gegenüber. In zwölf Fällen gibt es eine Überschneidung. Von den ca. 117 Belegen sprechen also ca. 60 % nur von Asiarchen und 29 % nur von Archiereis, ca. 10 % geben beide Titel an. Noch deutlicher wird diese Tendenz im dritten Jahrhundert: Von 66 Belegen sprechen 55 Inschriften (ca. 83 %) von Asiarchen, 9 (ca. 14 %) weisen nur den Titel Archiereus aus und nur zwei Fälle (3 %) geben beide Titel an. Ein ganz ähnliches Ergebnis zeigt sich in Makedonien, wenn auch auf einer deutlich dünneren Quellenbasis.132 Während sich bis zum Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. nur Archiereis nachweisen lassen, zeigen die leider sehr dürftigen Belege des zweiten Jahrhunderts zwei Makedoniarchen133 und einen Archiereus134, während die gute Quellensituation des dritten Jahrhunderts 23 Belege für Makedoniarchen ausweist, von denen vier auch den Titel des Archiereus tragen.135 Dass der Makedoniarchentitel im späten zweiten und vor allem im dritten Jahrhundert den Titel des Archiereus verdrängte, hat bereits Kanatsoulis 1956 erkannt und auf der Basis des bis dahin bekannten Materials beschrieben. Er erklärte diese Entwicklung mit einem Anwachsen des Patriotismus in der Provinz nach der Integration des Kultes für Alexander den Großen in die Aufgaben des Koinon. Angesichts der Parallelität der Entwicklungen in zahlreichen östlichen Provinzen muss diese allein auf Makedonien beschränkte Erklärung allerdings hinterfragt werden.136 Auch die Koina der Provinz Bithynia-Pontus bestätigen nämlich das Ergebnis. Das Koinon der Bithynier führte offenbar unter Domitian die Bezeichnung des Bi-

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Christiani im 1. Jahrhundert, Stuttgart 1996, S. 34–42. Vgl. auch Witetschek, S., Artemis and Asiarchs. Some remarks on Ephesian local colour in Acts 19, Biblica 90 (2009), S. 334–355. Neben Ti. Claudius Aristion (Campanile, I sacerdoti, S. 37 f. Nr. 12 und Kirbihler, Les grandsprêtres d’Éphèse, S. 120 Nr. 1) sind allein bis zum Ende des ersten Jahrhunderts Tiberius Claudius Menander (Campanile, ebd., S. 41 f. Nr. 17, Kirbihler, ebd., S. 121 Nr. 4); Ti. Claudius Perigenes (Campanile, ebd., S. 97 f. Nr. 91, Kirbihler, ebd., Nr. 5, Datierung bei Campanile an den Beginn des zweiten Jahrhunderts, bei Kirbihler 92–100 n. Chr.), möglicherweise Ti. Flavius Pythio (Campanile, ebd., Nr. 91a, Kirbihler, ebd., Nr. 6) und […]us Tatianus (Kirbihler, ebd., Nr. 7) epigraphisch belegt. Die Zahl der bekannten Personen, die das Amt des Makedoniarchen oder Archiereus im makedonischen Koinon ausübten, beläuft sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf 32. Für den lokalen Kult des Augustus in Makedonien kann eine sehr frühe Einrichtung durch eine Neuinterpretation einer Inschrift aus Kalindoia als gesichert gelten. Vgl. Prignitz, S., Ein Augustuspriester des Jahres 27 v. Chr., ZPE 178 (2011), S. 210–214. Vgl. Petraccia Lucernoni, Il macedoniarca, S. 379 Nr. 1 (= ZAnt 15 (1965), S. 137–147) und Nr. 16 (= EKM 1 Beroia Nr. 75 mit neuer Datierung in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr.). Vgl. EKM 1 Beroia Nr. 73; Kanatsoulis, ΤΟ ΚΟΙΝΟΝ ΤΩΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ, S. 74 f. Nr. 5. Vgl. Kanatsoulis, ebd., S. 75–90; Petraccia Lucernoni, ebd., S. 379, zwei weitere Belege: EKM 1 Beroia Nr. 55 = SEG 48, 1998, 748, III = Melemata 19 (1994), S. 68–70 = BE 1995, S. 414 und SEG 49, 1999, 815–817 = AE 1999, 1425–1427 = Anc. Macedonia 6 (1999), 1319, 1320B, 1321C; vgl. Herz, Makedonisches Koinon. Vgl. Kanatsoulis, ebd., S. 68 f.; Nigdelis, P. M., Oberpriester und Gymnasiarchen im Provinziallandtag Makedoniens: eine neue Ehreninschrift aus Beroia, Klio 77 (1995), S. 170–183, bes. S. 176 f.

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

167

thyniarchen ein, wie das die chronologisch erste Erwähnung des Amtes unter Domitian in einer pergamenischen Inschrift nahelegt.137 In der Folgezeit entwickelte sich der Gebrauch der Termini Bithyniarch/Pontarch und Archiereus analog zu dem in Asia und Makedonien. Dem erwähnten domitianischen Bithyniarchen stehen im ersten Jahrhundert n. Chr. drei Inschriften aus Nikaia und Prusa ad Olympum gegenüber, die von Archiereis sprechen.138 Im zweiten Jahrhundert dominieren dann die Bithyniarchen und Pontarchen deutlich den epigraphischen Befund. Neben der dreimaligen Erwähnung von Bithyniarchen und der fünfmaligen Erwähnung von Pontarchen, finden sich weitere vier Personen, die beide Titel tragen. Würde man Fernoux folgen und die Funktion des ἄρξας τὴν μεγίστην ἀρχὴν τοῦ κοινοβουλίου oder ἄρξας τοῦ κοινοῦ139 für eine Umschreibung der Bithyniarchie deuten, kämen im zweiten Jahrhundert noch zwei weitere Bithyniarchen hinzu. Insgesamt hätten wir damit eine Zahl von vierzehn Personen, die mit dem Titel der „Koinarchen“ geehrt worden sind.140 Dagegen stehen im zweiten Jahrhundert ein Archiereus des bithynischen Koinon141 und vier Archiereis des pontischen Koinon.142 Dasselbe Bild ergibt sich für das dritte Jahrhundert: Zwei Bithyniarchen143, zwei Pontarchen144 und drei Erwähnungen des Titels ἄρξας τοῦ κοινοῦ145 stehen einer Erwähnung eines Archiereus gegenüber.146 Selbst wenn die inschriftlichen Belege an der einen oder anderen Stelle Unsicherheiten bei der Datierung aufweisen, zeigt sich auch in Bithynia-Pontus die Tendenz einer Abnahme der Provinzialpriestertitel und einer Zunahme der „Koinarchen“-Titel. Für Thrakien ist die Quellensituation mit 22 epigraphischen Belegen ebenso aussagekräftig und bestätigt das schon erörterte Bild. Für das erste Jahrhundert ist die Situation nicht eindeutig. Eine Inschrift aus der Nähe von Augusta Traiana147 belegt einen ἀρχιερεὺς τοῦ κοινοῦ τῆς ἐπαρχείας, allerdings ist die Datierung um­ 137 IvPergamon III 151. 138 IK Nikaia Nr. 73 und 116, IK Prusa ad Olympum Nr. 24. Zum Problem der fehlenden Spezifizierung der bithynischen Archiereis als τῆς Βειθυνίας vgl. Fernoux, Notables et élites des cités de Bithynie, S. 353 f. 139 Vgl. Fernoux, ebd., S. 350 f. Nr. 5, 8, 15, 16, 17. 140 Bithyniarchen im zweiten Jahrhundert: Fernoux, ebd., S. 350–352 Nr. 2, 9, 22; Pontarchen im zweiten Jahrhundert: Loriot, Le culte impérial, S. 537 f. Nr. 8, 10, 12, 15, 16; Bithyniarch und Pontarch im zweiten Jahrhundert: Loriot, ebd., S. 537 f. Nr. 2–5. In einigen Fällen sind die Datierungen nicht eindeutig. Beispiele, für die keine sichere Datierung angegeben werden konnte, wurden nicht berücksichtigt. 141 TAM IV 33; Fernoux, ebd., S. 350 Nr. 5. 142 Loriot, ebd., S. 537 Nr. 7, 9, 10, 11. 143 Fernoux, ebd., S. 350 f. Nr. 14, 26. 144 Loriot, ebd., S. 537 f. Nr. 13, 19. M. Aurelius Alexander (OGIS 531 = Loriot, ebd., S. 537 Nr. 13, Fernoux, ebd., S. 350 Nr. 3) bekleidete das Amt des Bithyniarchen, Pontarchen und das Amt des Archiereus des pontischen Koinon. 145 Fernoux, ebd., S. 351 Nr. 15–17. 146 Loriot, ebd., S. 537 Nr. 6. 147 IGBulg V 5592: [τ]ὸ ιεʹ Διὶ Σαβαζίῳ θεῷ προγονικῶι Τίτος Φλαούιος Σκελου υἱὸς Κυρείνα Δινις ἱερεὺς ἀπὸ προγόνων διὰ βίου καὶ ἀρχιερεὺς τοῦ κοινοῦ τῆς ἐπαρχείας τὸν βωμὸν ἐκ τῶν ἰδίων κατεσκεύασεν. (Vgl. Tatscheva, M., Macht und Gesellschaft in den römischen Provinzen Moesia und Thracia, Buch 2, Sofia 2004, S. 197). Sharankov dagegen datiert die Inschrift wie

168 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

stritten. Tatscheva hat mit guten Gründen für eine Datierung von Provinzialpriester und Koinon-Gründung in das erste Jahrhundert votiert. Im zweiten und dritten Jahrhundert ist das Amt des Archiereus lediglich jeweils einmal belegt148, während 18 Thrakarchen nachgewiesen sind.149 Die Entwicklung des Spitzenamtes im kretischen Koinon entzieht sich vor dem Hintergrund der äußerst dürftigen Quellenlage jeder belastbaren Aussage, es spricht aber einiges für eine Reorganisation um 110 v. Chr., zu der eventuell auch die Einsetzung eines Kretarchen gehörte.150 Im ersten Jahrhundert n. Chr. beginnt die Überlieferung zu kretischen Archiereis. Bis in das dritte Jahrhundert hinein sind sechs Archiereis sicher überliefert151, weitere acht Männer könnten dieses Amt ausgeübt haben, allerdings sind die Belege nicht eindeutig.152 Erst im vierten Jahrhundert erscheint das Amt des Kretarchen wieder.153 Jede Deutung dieser Befunde bleibt äußerst spekulativ. Allerdings fällt auf, dass die Bezeichnung des Kretarchen erst im vierten Jahrhundert wieder aufgegriffen wird. Für die Provinz Galatien sieht die Situation ebenfalls etwas verändert aus, vergleicht man sie mit Asia, Macedonia, Bithynia-Pontus und Thracia. In Galatien scheint der Titel des Archiereus erst in der Zeit zwischen 50 und 70 n. Chr. installiert worden zu sein, vorher führten die Provinzialpriester den Titel eines Hiereus (zunächst ἱερασάμενοι θεῶι Σεβαστῶι καὶ θεᾷ Ῥώμηι, dann ἱερεύς des vergöttlich-

148

149

150 151 152

153

der Erstherausgeber (IGBulg) in die hadrianische Zeit (Sharankov, The Thracian Koinon, S. 519 mit Anm. 5). Sharankov, ebd., S. 518 Nr. 1 = Sharankov, N., Statue­bases with honorific inscriptions from Philippopolis, Archaeologia Bulgarica 9, 2 (2005), S. 55–71, hier S. 55–58; IGBulg V 5408 = Sharankov, Statue­bases with honorific inscriptions, S. 530 f. Nr. 14 = Gerassimova­Tomova, Zur Untersuchung des thrakischen Koinon, S. 275–277. Umstritten ist, ob es sich bei Ti. Claudius Polemon (IGBulg III, 1, 880) um einen Archiereus des Koinon oder der Stadt Philippopolis handelte. Zu den Thrakarchen vgl. Gerassimova-Tomova, ebd., mit 14 und Sharankov, The Thracian Koinon, mit 18 Beispielen. In einem Fall (IGBulg V 5408 = Sharankov, ebd., S. 530 f. Nr. 14 = Gerassimova-Tomova, ebd., S. 275–277) gibt es eine Überschneidung von Asiarch und Thrakarch. ICret III iv 9; Vgl. Chaniotis, Amnisos, S. 301; Rouanet-Liesenfelt, A.-M., Le crétarche Kydas. ICret IV 330 (1. Jh. n. Chr.); ICret I vii 9 = ICret III ix 10 = SEG 52, 2002, 879 (Ende 1. oder Anfang 2. Jh. n. Chr.); ICret IV 275 (129 n. Chr.); ICret IV 276 (Hadrian); ICret IV 306 A = SEG 2, 1923, 513 (150–250 n. Chr.); ICret IV 305 (3. Jh. n. Chr.). Sen. Contr. 9, 4, 19 (Zeit des Tiberius, nur vorgeschlagener Archiereus, trat sein Amt nicht an); Tac. ann. 15, 20–22 (Nero); SEG 23, 1968, 591; SEG 28, 1978, 738 (102–114 n. Chr.); Bean, G. E., Mitford, T. B., Journeys in rough Cilicia in 1962 and 1963, Wien 1965, S. 41 Nr. 44 = AE 1967, 522 (117 n. Chr.); Magnelli, A., Per la storia di Creta in età romana: una inedita dedica onoraria da Gortina, in: Πεπραγμένα Θ´ Κρητολογικοῦ Συνεδρίου (Ελούντα 2001), Herakleion 2006, vol. A 5, S. 489–498 und ders., Iscrizioni, in: Di Vita, A., Rizzo, M. A., Gortina gorà: scavi 1996–1997, Padova 2011, S. 251–257 (Hadrian); Haensch, Capita provinciarum, S. 512 (Decius); ICret IV 443 (3.–4. Jh. n. Chr.). Es handelt sich um eine Weihinschrift aus Aphrodisias für Kaiser Augustus Constantius II. und Caesar Julian (351–360 n. Chr.). Der Stifter war Flavius Quintilius Eros Monaxios, der als ἀπὸ Κρηταρχῶν bezeichnet wird. CIG 2744; MAMA VIII 426; BE 1966, 393; BE 1968, 507; Roueché, C., Aphrodisias in Late Antiquity, London 1989, Nr. 19; http://insaph.kcl.ac.uk/ ala2004/inscription/eAla019.html (Zugriff am 27.03.2015).

169

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

ten Augustus und des Claudius).154 Von der Einrichtung des Kultes unter Augustus bis zu dieser Umbenennung können wir 22 Personen inschriftlich feststellen, die als Hiereis im provinzialen Kaiserkult ihre Aufgabe versahen. Ab etwa 70 n. Chr. ist dann der Titel des Archiereus bis ins dritte Jahrhundert hinein für 16 Männer aus Ancyra und Pessinous belegt, wobei das Amt mehrmals – bis zu zehnmal155 – ausgeübt werden konnte. Der Titel des Galatarchen ist erst ca. 120–130 n. Chr. mit Ti. Claudius Alexander156 fassbar. Da sich für seine Person kein Hinweis darauf findet, dass er der erste Galatarch in der Provinz war, ist es durchaus denkbar, dass vor ihm andere Galatarchen amtierten, die nicht in der inschriftlichen Überlieferung genannt werden. Neben Ti. Claudius Alexander erscheinen dann bis ins dritte Jahrhundert hinein zehn weitere Galatarchen aus Ancyra und Pessinous, von denen wiederum fünf auch als Archiereis in den Inschriften genannt werden. So kann zwar auch für Galatien eine deutliche Zunahme des „Koinarchen“-Titels konstatiert werden, sie geht aber nicht einher mit einem Rückgang des Oberpriestertitels. Möglicherweise erfolgte die Einführung des „Koinarchen“-Amtes etwas später als in anderen Provinzen – dieser Befund könnte aber ebenso mit der Überlieferungssituation begründet werden. Eine letztlich schlüssige Erklärung für diesen abweichenden Befund verbietet sich aufgrund der dünnen Quellenlage.157 Da für die Provinz Galatien bislang keine Zusammenstellung der Hiereis, Archiereis und Galatarchen existiert, sei an dieser Stelle eine tabellarische Übersicht eingefügt.158 Ort

Beleg

1

Nr.

Anonymus

Name

5/4 v. Chr.

Zeit

Hiereus (Aug., Roma)

Titel

Ancyra

M/F, Nr. 2

2

Castor, S. d. Brigatus

4/3 v. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

3

Rufus

3/2 v. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

4

Pylaimenes, S. d. Amyntas

2/1 v. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

5

Albiorix

1v./1n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

6

Amyntas, S. d. Gaizatodiastos

1/2 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

7

Hermeias, S. d. Diognetos

2/3 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

154 Vgl. Mitchell, Cult, S. 480. 155 Vgl. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 181–185 Nr. 33. 156 Ti. Claudius Alexander wird in einer Ehreninschrift für seinen Sohn, Ti. Claudius Bocchus, aus dem Jahr 145 n. Chr. erwähnt. 157 Möglicherweise ist ein Grund für die galatische Abweichung in der Sonderentwicklung der städtischen Kultur Ancyras zu suchen, auf die jüngst auch Jones in einer Besprechung des neuen Inschriftenbandes von Mitchell und French verwiesen hat. (Jones, C., Rez. Mitchell, French, Inscriptions of Ancyra, JRA 25 (2012), S. 888–893, bes. 893). 158 Die Zusammenstellung basiert in erster Linie auf einer Auswertung des Materials bei Mitchell, French, Inscriptions of Ankara (M/F) und Strubbe, J., The Inscriptions of Pessinous, Bonn 2005 (Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 66) = IK Pessinous. Weiter Angaben aus Mitchell, Cult. Die aus Platzgründen vorgenommenen Abkürzungen S. d. und V. d. stehen für „Sohn des“ und „Vater des“.

170 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage Name

Zeit

Ort

Beleg

8

Nr.

Albiorix (= 5)

3/4 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Titel

Ancyra

M/F, Nr. 2

9

Metrodorus

4/5 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

10

Musanos

5/6 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

11

Anonymus, S. d. Seleukos

6/7 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

12

Pylaimenes, S. d. Amyntas (= 4)

7/8 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

13

Marcus Lollius

8/9 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

14

Seleukos, S. d. Philodamos

9/10 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

15

Iulius Ponticus

10/11 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

16

Aristocles, S. d. Albiorix

11/12 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

17

Q. Gallius Pulcher

12/13 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

18

Philonides, S. d. Philon

13/14 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

19

Anonymus

14/15 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

20

Pylaimenes, S. d. Menas

15/16 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

21

[…] Aquila

16/17 n. Chr.

Hiereus (Aug., Roma)

Ancyra

M/F, Nr. 2

22

Rossolittanos

41–54 n. Chr.

Hiereus (Aug., Claud.) Sinanliköy

23

Pylaimenes, V. d. Cocceius Seleucus

70–80 n. Chr.

ἀρχιερέως τοῦ κοινοῦ Γαλατῶν

Pessinous Mitchell, Cult; IK Pessinous Nr. 12

24

Ti. Claudius Heras

75–95 n. Chr.

Sechsmal ἀρχιερέα τοῦ κοινοῦ Σεβασ­ τηνῶν Γαλατῶν

Pessinous Mitchell, Cult; IK Pessinous Nr. 17

25

T. Claudius Deiotarus 90–120 n. Chr.

Zweimal Archiereus

Pessinous Mitchell, Cult; IK Pessinous Nr. 18

26

M. Cocceius Seleucus 100–120 n. Chr. Archiereus

Ancyra/ Mitchell, Pessinous Cult; M/F, Nr. 4; IK Pessinous Nr. 12

27

C. Iulius Severus

113/114 n. Chr.

Archiereus

Ancyra

M/F, Nr. 72–77

28

Latinius Alexander

117–118 n. Chr. Archiereus

Ancyra

M/F, Nr. 81

M/F, Nr. 3; Mitchell, Cult

171

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage Nr.

Name

Zeit

Titel

Ort

Beleg

29

L. Papirius Alexander 117–138 n. Chr. Archiereus

Ancyra

M/F, Nr. 89 f.

30

Ti. Claudius Alexander, V. d. Ti. Claud. Bocchus (=33)

ca.120– 130 n. Chr.

Galatarch

Ancyra

M/F, Nr. 82

31

Memmius […] Dionysius

128 n. Chr.

Archiereus und Helladarch

Ancyra

M/F, Nr. 141

32

Ulpius Aelius Pompeianus

nach 128 n. Chr. Archiereus und Helladarch159

Ancyra

M/F, Nr. 140–143

33

Ti. Claudius Bocchus (S. d. Nr. 30; V. d. Nr. 34)

140–150 n. Chr. Galatarch und siebenmal Archiereus

Ancyra

M/F, Nr. 8, 82 f.

34

Ti. Claudius Procillianus, S. d. Bocchus (= 33)

ca. 150 n. Chr.

Galatarch

Ancyra

M/F, Nr. 83

35

Iulius Aelius Macedo

ca. 140– 150 n. Chr.

Archiereus und Galatarch

Ancyra

M/F, Nr. 88

36

Ti. Iulius Iustus Iunianus

Mitte 2. Jh. n. Chr.

Dreimal Archiereus

Ancyra

M/F, Nr. 91–95

37

C. Aelius Flavianus Sulpicius

ca.150– 200 n. Chr.

Zweimal Galatarch

Ancyra

M/F, Nr. 103–106

38

Aemilius Statorianus

ca.150– 200 n. Chr.

Galatarch

Ancyra

M/F, Nr. 86

39

[…]los Ianouarios Likinianos

ca.150– 200 n. Chr.

Galatarch

Pessinous IK Pessinous Nr. 19

40

T. Flavius Gaianus

219/220 n. Chr.

Archiereus und Galatarch

Ancyra

M/F, Nr. 96–102

41

Claudius Caecilius Hermianus

253/254 n. Chr.

Archiereus und Galatarch

Ancyra

M/F, Nr. 116, 117

42

Tertullus Varus

Mitte 3. Jh. n. Chr.

Archiereus und Galatarch

Ancyra

M/F, Nr. 118 f.

43

[…]os Klaudianos

?

Dreimal Archiereus

Pessinous IK Pessinous Nr. 14

159

Die Befunde für das lykische Koinon sind mit 135 epigraphischen Belegen, von denen 98 sicher datiert werden können, neben Asia die umfangreichsten.160 Das Bild, das diese Inschriften erkennen lassen, ist aber alles andere als klar. Der älteste Beleg für die Archierosyne im lykischen Koinon stammt aus neronischer Zeit. Es 159 Vgl. auch M/F Nr. 141 und 143. In Ancyra scheint diese Position ausschließlich mit der dionysischen Künstlervereinigung verbunden gewesen zu sein. (M/F, S. 308). Vgl. auch IK Prusias ad Hypium Nr. 7, l.12; 47, l. 10). 160 Vgl. die aktuelle Zusammenstellung und Kommentierung aller Inschriften bei Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester; ergänzt durch dies., Neue Inschriften aus Tlos: Kronoskult, Agonistik und Euergetismus, Chiron 44 (2014), S. 551–613.

172 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

handelt sich dabei nicht um die konkrete Nennung einer Person, sondern um eine Spezifizierung des Aufgabenfeldes des Archiereus in einer Zollinschrift aus Andriake.161 Individualnamen der frühen Provinzialpriester sind kaum direkt überliefert, von den meisten erfährt man erst durch spätere Inschriften, die sich auf das erste Jahrhundert rückbeziehen.162 Die Forschung zur lykischen Epigraphie erklärt diese Entwicklung mit einer Dominanz der römischen Eliten im epigraphischen Material des ersten Jahrhunderts n. Chr.163 oder in Analogie zu Asia als Betonung unterschiedlicher Aspekte desselben Amtes.164 Deutlich wird allerdings, dass es in der Frühzeit des Koinon im ersten Jahrhundert nur Archiereis an der Spitze des Bundes gab. Die Lykiarchie als Konzept, das einen starken Rückbezug auf das hellenistische Koinon besaß, ist in den Inschriften erst deutlich später, im zweiten Jahrhundert n. Chr., auffällig. Eine Veränderung in der Terminologie im Verlauf der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr., die wohl ein verändertes Repräsentationsverhalten widerspiegelt, lässt sich auch daran ablesen, dass uns die frühesten Archiereis aus Oinoanda in Ehrungen des ersten Jahrhunderts für ihre Nachkommen als Archiereis begegnen, während dieselben Personen in der genealogischen Inschrift der Licinii aus Oinoanda165 dann als Lykiarchen firmieren.166 So lässt sich auch erklären, dass das früheste Erscheinen des Begriffes Lykiarch aus einer trajanischen oder hadrianischen Ehreninschrift für Opramoas aus Rhodiapolis stammt und nicht etwa seine Bekleidung der Lykiarchie erwähnt, sondern ihn als Nachfahren hellenistischer Lykiarchen heraushebt.167 Wenn dann dem Licinnius Longus aus Oinoanda168 fast zwanzig Jahre vor seiner Amtszeit als Archiereus bescheinigt wird, er habe sich durch Wohltaten als Kaiserpriester der Stadt für die Lykiarchie qualifiziert169, kann die Lykiarchie nur ein Aufstieg in eine Gruppe von Männern bedeuten, die aufgrund besonderer Leistungen – anknüpfend an die helle161 Vgl. Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae. 162 Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 47 f. 163 „Die ältesten Nachweise von Archiereis sind also in der Mehrzahl der Fälle Datierungen oder Zeugnisse, die in Verbindung mit der römischen Reichsaristokratie stehen, weil die erwähnten Personen, die Errichter der Inschrift selbst oder aber Familienmitglieder römische Ämter übernahmen.“ (Reitzenstein, ebd., S. 48). 164 Vgl. Kokkinia, Die Opramoas-Inschrift von Rhodiapolis, S. 214 f.: „Es handelt sich um ein Amt, das Altes und Neues vereinigte; der Erzpriester des Kaiserkultes trug als oberster Beamter des lykischen Bundes auch den traditionellen Titel Lykiarch, der auf die vorrömische Zeit zurückging. Lykiarchie und Bundespriesterschaft bezeichnen zwei Aspekte ein und desselben Amtes, wobei Archiereus für die Bezeichnung des amtierenden Bundespriesters bevorzugt wurde, Lykiarch dagegen des öfteren als Ehrentitel eines gewesenen Bundespriesters erscheint. Die Forschung hat festgestellt, dass man diesen Titel lebenslang behielt.“ 165 IGR III 500. 166 Vgl. Reitzenstein, ebd., Katalog, S. 168–170 Nr. 4 f. 167 TAM II 905 II A, Z. 8; vgl. Reitzenstein, ebd., S. 51 f. und etwas vorsichtiger formuliert im Katalog, S. 192–195 Nr. 43. 168 Vgl. Reitzenstein, ebd., Katalog, Nr. 39, S. 189 f. 169 IGR III 500, Z. 24–42: ὁ Λικίννιος Λόνγος, ὁ τοῦ δευτέρου Λικιννίου Μουσαίου υἱὸς, γαμεῖ Μαρκίαν Λυκίαν Μαρκίου Τιτιανοῦ θυγατέρα, τοῦ γενομένου πρειμοπειλαρίου καὶ μετὰ τοῦτο Λυκιάρχου, μεθ’ ἧς πρὸ τῆς Λυκιαρχίας ἱερατεύσας τῶν Σεβαστῶν ἐν τῇ πατρίδι ἐπὶ ἀρχιερέος Κλαυδίου Σακέρδωτος μηνὸς Λώου ἐπιτελεῖ κυνηγέσια καὶ θηριομαχίας καὶ μονομαχίας, κα-

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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nistische Lykiarchie – für das Amt des Archiereus in Frage kommen.170 Deutlich wird in jedem Fall, dass die kaiserzeitliche Lykiarchie im ersten Drittel des zweiten Jahrhunderts n. Chr. als Konzept geboren wurde, das eng auf die hellenistische Lykiarchie rekurriert und für jenen Personenkreis kreiert wurde, aus dem sich die Archiereis des lykischen Koinon rekrutierten.171 Erst ab der Mitte des zweiten Jahrhunderts erscheint der Titel des Lykiarchen als offizielle Bezeichnung in Ehreninschriften; die meisten Erwähnungen lassen sich dann im zweiten und dritten Jahrhundert dem Kontext familiärer Repräsentation zuordnen. Möglicherweise wurde der Titel des Lykiarchen ab der Bekleidung der Archierosyne als lebenslange Bezeichnung geführt.172 Im Ergebnis zeigen also auch die epigraphischen Zeugnisse Lykiens die Beschränkung auf das Amt des Archiereus als höchsten Repräsentanten des Koinon ab der Provinzgründung und während des ersten Jahrhunderts n. Chr. Erst ab dem Beginn des zweiten Jahrhunderts treten uns der Lykiarch und die Lykiarchie entgegen und nehmen an Bedeutung im zweiten und dritten Jahrhundert zu. Allerdings nehmen die Belege für Archiereis in Lykien nicht so dramatisch ab wie in anderen Provinzen. Reitzenstein hat den Charakter der Lykiarchie wie folgt beschrieben: Das höchste Bundesamt (Archiereus) dominierte im administrativen und kultischen Bereich. „Grundlage für sein Ansehen als Mitglied der kaiserzeitlichen Elite Lykiens waren Engagement und Euergetismus im gesamten Bundesgebiet, d. h. in allen lykischen Städten, also nicht nur […] beschränkt auf die Heimatpolis. Indem lykienweiter Euergetismus gegenüber den Städten des Bundes vor allem im 2. Jh. neben der Archierosyne ebenfalls als Ausdruck der Loyalität gegenüber dem römischen Kaiser wahrgenommen wurde, bot sich die Möglichkeit, das bereits in späthellenistischer Zeit angelegte Konzept der Lykiarchie vergleichbar dem Senatorenstand als soziale Rangstellung auch auf den Bundespriester anzuwenden.“173

Diese Analyse Reitzensteins weist zu Recht auf die soziale Rangstellung der lykischen Elite bei der Erklärung der Lykiarchie hin. Man habe also mit dem Lykiarchentitel zunächst einmal einen dem euergetischen Engagement geschuldeten Rang geschaffen und diesen dann erst auf das höchste Bundesamt des Oberpriesters übertragen.174 Ob man dem Vergleich mit dem Senatorenstand zustimmen mag, sei da-

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θὼς δείκνυται ἐκ τοῦ γενομένου ψηφίσματος εἰσδόσεως τειμῆς ἐπὶ ἀρχιερέος Λουκίου Οὐιβηρείνου, μηνὸς Ξανδικοῦ ιϛʹ. Anders Reitzenstein: „Wahrscheinlich ist im Fall des Licinnius Longus zunächst gar nicht konkret an eine Eignung oder Qualifikation für die lykische Bundespriesterschaft gedacht, die er erst viel später bekleidete. Eher scheint sich Licinnius Longus aus Oinoanda durch sein Engagement des Ranges eines hellenistischen Lykiarchen würdig erwiesen zu haben.“ (Ebd., S. 52). Erhellend ist dabei auch der Hinweis Reitzensteins (ebd., S. 52) auf einen Mann aus Xanthos namens Philippos. Genau wie Licinnius Longus aus Oinoanda bekleidete er im ersten Jahrhundert das Amt eines städtischen Kaiserpriesters und war dabei auch ähnlich großzügig. Man bescheinigte ihm, sich eines Archiereus’ würdig erwiesen zu haben. Allerdings fehlt bei Philippos im ersten Jahrhundert noch jeder Hinweis auf die Lykiarchie. So Reitzenstein, ebd., S. 56 f. Reitzenstein, ebd., S. 163. Bereits Magie hatte die Asiarchie als städtischen Ehrentitel für Euergeten gedeutet. (Magie, Roman rule, Bd. 1, S. 449 f.).

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hingestellt. Wichtig ist, das Auftreten der „Koinarchie“ ist Ausdruck einer veränderten Haltung der Elite, im Rückgriff auf hellenistische Vorbilder.175 Diese auf die spezielle Situation in Lykien bezogene Deutung der „Koinarchie“ soll im Folgenden als Ausgangspunkt dienen, um die für verschiedene Provinzen des Ostens beschriebenen Entwicklungen von Archierosyne und „Koinarchie“ neu zu analysieren und ein Erklärungsmodell vorzustellen, das das Verhältnis beider Titel und die diametral entgegengesetzte Entwicklung ihres Gebrauchs in einigen Provinzen nachvollziehbar macht. III.2.2.3 Vom Archiereus zum „Koinarchen“ – Ein Erklärungsversuch Weiß hat bereits 2002 in einer kurzen „Skizze“ versucht, die offensichtliche chronologische Diskrepanz in der Verwendung der Titulaturen für die Provinz Asia zu erklären.176 Dabei weist er zu Recht darauf hin, dass in der Provinz Asia der Zeitpunkt des Erscheinens des Asiarchentitels mit der ephesischen Neokorie unter Domitian am Beginn der 90er Jahre des ersten Jahrhunderts n. Chr. zusammenfällt. Weiß schlussfolgert daher, der Titel des Asiarchen müsse vor dem Hintergrund der Rivalitäten zwischen den großen asianischen Städten eingeführt worden sein.177 „Es liegt auf der Hand, daß ‚Asiarches‘ gegenüber den alten, offiziellen Bezeichnungen (seit Augustus) ἀρχιερεὺς, ἀρχιερεὺς θεᾶς Ῥώμης καὶ Αὐτοκράτορος Καίσαρος Σεβαστοῦ und dann ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας als Begriff die vorrangige Stellung der Person viel prägnanter, griffiger und plakativer zum Ausdruck bringt – der so Bezeichnete war ‚Führer von Asia‘. […] In der

175 In dieses Bild fügt sich auch der Befund zum Bürgerrechtsstatus der lykischen Elite ein. Die lykischen Bundespriester besaßen weniger oft das römische Bürgerrecht als die Funktionsträger in anderen Provinzen und es war offenbar nur dann tatsächlich als Distinktionsmerkmal akzeptiert, wenn es sich um eine sehr frühe Verleihung (vorflavische Zeit) handelte. Lykien verfügte auch in späterer Zeit über die größte Zahl von Archiereis und Lykiarchen ohne Bürgerrecht. (Vgl. Reitzenstein, ebd., S. 108–113). 176 Vgl. Weiß, Asiarchen, S. 253 f. 177 Deininger sah keine Änderung in der Terminologie. Er führte die Diskrepanz auf fehlende Quellenbelege für den Asiarchen im ersten Jahrhundert zurück: „Für das erste Jahrhundert fehlen genügend Zeugnisse, doch ist nicht einzusehen, warum die Verhältnisse damals anders gewesen sein sollen. […] Nicht auszuschließen ist dagegen die Annahme, daß es ursprünglich auch in der Provinz Asia nur einen jährlich gewählten Ἀσιάρχης als Vorsitzenden des Koinon gab, dem dann mit der Übertragung des Provinzialkultes an den Landtag auch die Würde des Provinzialpriesters zufiel. Im ersten Jahrhundert beherrschte diese neue Beziehung das Feld, obwohl, wie die Apostelgeschichte zeigt, der ältere Titel des Asiarchen stets fortbestand. Seit dem Anfang des zweiten Jahrhunderts begann dieser dann wiederum den Titel des ἀρχιερεὺς τῆς Ἀσίας, der gleichwohl ebenfalls stets daneben in Gebrauch war, in den Hintergrund zu drängen. Es scheint, dass sich genau dieselbe Erscheinung im gesamten griechischen Osten abspielte, auch wenn das Bild, mit der Ausnahme des makedonischen Koinon, mangels genügenden Materials nirgends so deutlich ist wie in Asia.“ (Deininger, S. 49 f.).

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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Kurzform178 konnte ‚Asiarches‘ so geradezu zu einer Art Standesbezeichnung für die männliche Elite der Provinz werden.“179

Interessant ist dabei auch sein Hinweis auf die durch die Vermehrung der Neokorietempel größer werdende Zahl der Personen in Asia, die diesen Titel führen konnten. Betrachtet man nur die Provinz Asia, macht es durchaus Sinn, der Gruppe von führenden Männern im Koinon – und ihren Familien – mit diesem Titel eine spezifische Bezeichnung zuzuerkennen. Dabei verweist Weiß auch auf die hellenistische und republikanische Tradition, in der dieser Begriff des Asiarchen steht, misst ihr aber keine entscheidende Bedeutung bei.180 Auf die soziale Rangstellung und gesellschaftliche Wandlungsprozesse bei der Erklärung der „Koinarchie“ in Lykien hat ebenfalls – mit Verweis auf Weiß – Reitzenstein in ihrer Untersuchung der lykischen Bundespriester hingewiesen. Sie betont allerdings stärker den Rückgriff auf hellenistische Muster als Weiß dies tut, indem sie die kaiserzeitliche Lykiarchie als Neuinterpretation des hellenistischen Amtes wertet.181 Die Entwicklung ist für Makedonien vor allem von Kanatsoulis erkannt und beschrieben worden. Sein Erklärungsversuch bleibt allerdings auf die Provinz Makedonien beschränkt. Er sieht in der Integration des Kultes für Alexander den Großen in den Aufgabenbereich des Koinon die Ursache für einen anwachsenden Patriotismus, der sich dann in der verstärkten Verwendung des Makedoniarchen-Titels niederschlug.182 Ob bei dieser Einschätzung nicht Ursache und Wirkung vertauscht wurden und die Integration des Alexander-Kultes gerade eine Reaktion auf größere mentalitätsgeschichtliche Entwicklungen der gesamten östlichen Provinzen darstellte, soll im Folgenden betrachtet werden. Grundsätzlich bleiben alle diese auf der Ebene der Provinz angesiedelten Arbeiten begrenzt auf das eigene Untersuchungsgebiet und stoßen daher nicht nur topographisch, sondern auch methodisch-analytisch an Grenzen. Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Untersuchungen verschiedener Provinzen drängt sich allerdings der Eindruck auf, die provinzübergreifende Einführung der „Koinarchie“ ab dem Ende des ersten und am Beginn des zweiten Jahrhunderts n. Chr. sei eine den veränderten politischen Bedingungen der hohen Kaiserzeit geschuldete terminologische Umdeutung gewesen. Die epigraphische Überlieferung spiegelt nach Meinung der Autorin einen provinzinternen Diskurs wider, des178 Es erscheint fraglich, ob Kürze und Prägnanz tatsächlich ein Parameter für die Einführung dieses neuen Begriffes waren. Allerdings war beispielsweise bei der Münzprägung die Kürze sicherlich ein gutes Argument für die Verwendung des Titels Asiarch. Vgl. Herz, Asiarchen und Archiereiai, S. 109 mit Anm. 74. 179 Vgl. Weiß, ebd., S. 253. 180 Vgl. ebd., S. 254: „Hinter der Bezeichnung ἀσιάρχης kann durchaus eine bestimmte (und schon alte) Facette im Tätigkeitsbereich eines provinzialen Archiereus stehen (am ehesten Leitungsfunktionen bei den Treffen), aber das dürfte für die Erfolgsgeschichte des Begriffes nicht entscheidend gewesen sein.“ 181 Reitzenstein geht in ihrer Arbeit kurz auf die parallelen Entwicklungen in den östlichen Provinzen ein, zieht daraus aber keine weiterreichenden Schlüsse. (Vgl. ebd., S. 53 f.). 182 Vgl. Kanatsoulis, ΤΟ ΚΟΙΝΟΝ ΤΩΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ, ebd., S. 68 f.

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sen Kontextualisierung heute nicht mehr ohne Weiteres möglich ist, weil die parallele literarische Überlieferung oft fehlt. Ein Rekonstruktionsversuch lohnt sich dennoch. Unwahrscheinlich ist es zunächst einmal, dass die Begriffe in unterschiedlichen epigraphischen Umgebungen, also Inschriftengattungen, jeweils unterschiedlich verwendet wurden. In Galatien finden sich in Ehreninschriften beide Bezeichnungen.183 Verschiedentlich werden die Titel sogar in einer Inschrift nebeneinander genannt.184 Der erste Asiarch Ti. Claudius Aristion wird in Weihinschriften sowohl als Archiereus als auch als Asiarch bezeichnet.185 In Bauinschriften an von ihm selbst errichteten Gebäuden finden sich ebenfalls beide Amtsbezeichnungen.186 Auch zwischen Privatinschriften und offiziellen Inschriften scheinen die Begriffe austauschbar gewesen zu sein. Allerdings fällt beispielsweise in Lykien auf, dass bei genealogischen Bezügen eher der Terminus Lykiarch verwendet wurde, während eine Vielzahl der Beispiele für Archiereis in Datierungsformeln auftreten. Allein mit dem epigraphic habit lässt sich das Phänomen der terminologischen Verschiebung also nicht erklären. Die neue alte Terminologie, die mit ihren hellenistischen Bezügen eine neue politische Dimension des höchsten Amtes im Koinon möglich erscheinen lässt und gleichzeitig auf eine Abschwächung des religiösen Aspektes hinweist, muss in einen größeren Kontext eingebettet werden. Und so muss man fragen, ob sich in den Provinzen ab der Zeit der flavischen Dynastie eine stärkere Fokussierung der Provinziallandtage von einer eher religiös definierten, auf den Kaiserkult ausgerichteten Einrichtung hin zu einer sich eher (wieder) politisch verstehenden Institution feststellen lässt? Einige Indizien weisen darauf hin. Der Herrschaftsantritt des Vespasian war in nicht unerheblicher Weise durch die östlichen Provinzen gefördert worden, wie beispielsweise die Historien des Tacitus berichten: „Noch vor Mitte Juli war ganz Syrien auf einen Herrn vereidigt. […] Alle Provinzen, die sich bis nach Asien und Achaia hin am Meer erstreckten, auch das ganze landeinwärts bis zum Pontus und Armenien dehnende Land leisteten den Treueschwur […] Die erste Aufgabe für den kommenden Krieg war es, Aushebungen vorzunehmen, die Veteranen wieder einzuberufen; leistungsfähige Gemeinden wurden dazu veranlasst, Waffenwerkstätten in Betrieb zu setzen, in Antiochia wurde Gold und Silber gemünzt, und das alles, jedes an seinem Platz, kam durch geeignete Gehilfen in Schwung. […] So ging es denn, um Schiffe, Mannschaften und Waffen beizubrigen, in den Provinzen laut und lebendig zu, nichts aber machte soviel Mühe wie das Aufbringen von Geld.“187

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Vgl. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, Nr. 82; IK Pessinous Nr.12, 17, 18, 19. Vgl. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, Nr. 82 f., 88, 96–102, 116, 117, 118 f. IvEphesos II 234, 235, 237, 239, 241, 508. IvEphesos II 424, 424a, 425, 425a, 461. Ante idus Iulias Syria omnis in eodem sacramento fuit. […] quidquid provinciarum adluitur mari Asia atque Achaia tenus, quantumque introrsus in Pontum et Armenios patescit, iuravere […] Prima belli cura agere dilectus, revocare veteranos; destinantur validae civitates exercendis armorum officinis; apud Antiochensis aurum argentumque signatur, eaque cuncta per idoneos ministros suis quaeque locis festinabantur. […] Igitur navium militum armorum paratu strepere provinciae, sed nihil aeque fatigabat quam pecuniarum conquisitio […] (Tac. hist. 2,

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Die Unterstützung für Kaiser Vespasian verschaffte den östlichen Provinzen eine neue Stellung im Reich der Flavier. Die nun erfolgende Heranziehung der provinzialen Eliten unter den Flaviern wurde bereits von Halfmann ausführlich beschrieben.188 In dieses Bild fügt sich auch der Aufstieg der Nachkommen von Archiereis in den Senat ab dem Beginn des zweiten Jahrhunderts n. Chr. nahtlos ein. Die von Augustus auf seinen Münzen verkündete Botschaft Asia recepta189 gehörte der Vergangenheit an. Die provinzialenfreundliche Politik, die von Männern wie Tacitus mit Argwohn betrachtet wurde190, ging einher mit einem neuen Selbstbewusstsein in der Provinz, das sich in einer Rückbesinnung auf eigene lokale, zum Teil hellenistische Traditionen widerspiegelte. Die Baupolitik des ersten Asiarchen Ti. Claudius Aristion ist dafür ein gutes Beispiel.191 Die von ihm in Ephesos gestifteten Bauten standen in einer kleinasiatischen Architekturtradition und zeigen sich von römischer Bautradition unbeeinflusst.192 Diese neue Art der Selbstreferenzierung innerhalb der kleinasiatischen Eliten zeigt sich auch an anderen Beispielen. Die Stadt Messene und das achäische Koinon193 ehrten im zweiten Jahrhundert T. Flavius Polybios aus Messene mit zwei Statuen in Olympia194, auf deren Basis man zusätzlich zur Ehreninschrift jeweils ein für den Historiker Polybios verfasstes Epigramm geschrieben hatte.195 Dasselbe Epigramm ehrte den Historiker Polybios bereits aufgrund seiner Verdienste nach 146 v. Chr. auf zwei Inschriften aus Arka-

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81–84. Übersetzung nach: Tacitus, Historien. Lateinisch-deutsch, hrsg. von Joseph Borst unter Mitarbeit von Helmut Hross und Helmut Borst, 2. verbesserte Auflage, München 1969, S. 229– 233). Vgl. Halfmann, Die Senatoren aus dem östlichen Teil des Imperium Romanum, bes. S. 71–81. So die numismatischen Legenden zu den Provinzen und ihrer Unterwerfung bzw. Rückeroberung. (Vgl. u. a. BMC Emp. I Nr. 647–649; RIC I2 Nr. 276. Vgl. auch Schachinger, Propaganda). Olim quidem non modo praetor aut consul sed privati etiam mittebantur qui provincias viserent et quid de cuiusque obsequio videretur referrent; trepidabantque gentes de aestimatione singulorum: at nunc colimus externos et adulamur, et quo modo ad nutum alicuius grates, ita promptius accusatio decernitur. (Tac. ann. 15, 21). Vgl. Quatember, U., Neue Zeiten – Alte Sitten? Ti. Claudius Aristion und seine Bauten in Ephesos, in: Meyer, M. (Hg.), Neue Zeiten – Neue Sitten. Zur Rezeption und Integration römischen und italischen Kulturguts in Kleinasien, Wien 2007, S. 101–114; Scherrer, Ehrengrab. „[D]ie detaillierte Analyse der von Ti Claudius Aristion gestifteten Bauwerke [bestätigt] […]: bei seinen Bauten […] herrschen in kleinasiatischer Tradition stehende Formen vor. […] Vielmehr ist festzustellen, dass sich die Position des Aristion innerhalb der römischen Honoratiorenschicht Kleinasiens und seine Verbindungen nach Italien und in die Stadt Rom nicht in einer stadtrömisch beeinflussten Bauornamentik der von ihm errichteten Gebäude widerspiegelt. Diese zeigen vielmehr immer noch traditionell kleinasiatisches Formengut.“ (Quatember, S. 109). Vgl. dazu die Hinweise in Kap. I.6. Anm. 61 und in Kap. II.7. Anm. 555. Zwar handelte es sich beim achäischen Koinon nicht um einen Provinziallandtag, sondern um ein sogenanntes „landschaftliches“ Koinon, hinsichtlich der Selbstdarstellungs- und Repräsentationsstrategie der Eliten zeigten die Vertreter der landschaftlichen Koina allerdings dieselben Muster wie jene der provinzialen. IvOlympia 449 f. Vgl. Heller, A., D’un Polybe à l’autre: statuaire honorifique et mémoire des ancêtres dans le monde grec d’époque impériale, Chiron 41 (2011), S. 287–312.

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dien, wurde also in der Kaiserzeit schlicht kopiert und in einen neuen Kontext übertragen.196 Dem Historiker Polybios wies man damit die Rolle eines (mehr politischen als biologischen197) Vorfahren oder einer Vorbildfigur des T. Flavius Polybios zu. Man konstruierte also eine eigene, provinziale Tradition, um provinziale Vertreter zu ehren. Dabei griff man im Fall des T. Flavius Polybios auf eine fest im kollektiven Gedächtnis der Provinz verankerte Figur zurück, die zum einen aus demselben geographischen Raum (Megalopolis auf der Peloponnes) stammte, einen starken Bezug zur römischen Aristokratie der späten Republik hatte und als eine Art Wanderer zwischen den Welten betrachtet werden konnte. Von den Römern hochgeschätzt, wurde er nach der Zerstörung Korinths mit dem Wiederaufbau Achaias beauftragt und erlangte durch diese Funktion hohes Ansehen bei seinen Mitbürgern. Zwei Tendenzen in der Konstruktion von Erinnerung werden damit sichtbar: zum Ersten die Bestätigung der eigenen, in der Provinz und im hellenistischen Koinon verorteten Identität198, zum Zweiten der Versuch auf eine Person zurückzugreifen, die auch in die römische Hemisphäre vorgestoßen war. T. Flavius Polybios wird also zum neuen Polybios, nicht nur wegen der Gleichheit des Namens oder des Herkommens, sondern vor allem wegen seiner Rolle in der Provinz und seinem Bezug zu Rom. Hier wird eine allgemeine Entwicklung in der römischen Kaiserzeit exemplarisch vorgeführt, die in zahlreichen Provinzen des Ostens zu beobachten ist: Die griechische Elite, die sich bei der Selbstbestätigung in früherer Zeit oft auf Götter und Heroen, mithin mythische Vorfahren in der Genealogie bezog, greift nun auf historische Figuren zurück, die in der klassischen oder hellenistischen Zeit zu finden sind. Klassik und Hellenismus werden gleichsam mythisiert. Viel zentraler vor dem Hintergrund dieser Arbeit scheint aber der Bedeutungszugewinn der vorrömischen bzw. vorkaiserzeitlichen Epoche für die Erinnerungskultur und die Identitätsfindung. Die Bezugnahme auf den Titel des „Koinarchen“ fügt sich ein in einen weitergehenden Prozess der Selbstfindung der griechischen Elite im römischen Kaiserreich. Die griechische Elite war – nicht zuletzt auch durch die politische Aufwertung nach dem Herrschaftsantritt der flavischen Dynastie – auf der Suche nach einer ihr angemessenen Rolle. Das Koinon, das durchaus als Sammelbecken für eine solche Bewegung verstanden werden kann, bündelte und potenzierte den Repräsentationswillen dieser Gruppe. So wie T. Flavius Polybius als Individuum eine imaginäre Linie zu seinem Namensvetter des zweiten Jahrhunderts v. Chr. schuf, um seine Position in der Stadt und im Koinon zu festigen, so wertete das asianische Koinon sich selbst und seine Führungsfigur auf, indem es den traditionellen Titel des Asiarchen wieder für sich entdeckte, der auf eine Zeit Bezug nahm, in der das Koinon noch vermeintlich unabhängig agieren konnte und nicht zum bloßen Kultverein der Kaiser degradiert war. Natürlich war diese politische Autonomie ebenfalls ein historisches Konstrukt. Auch das republikanische Koinon war ein von Rom abhängiges Organ. Allerdings konnte seine politische Rolle in der Zeit vor der Übertragung des Herrscherkultes noch als relative Autonomie gedeutet wer196 IG V 2, 304, 370. 197 Vgl. Heller, ebd., S. 293. 198 Polybios hatte das Amt des Hipparchen im hellenistischen achäischen Koinon inne.

III.2 Die Spitzenfunktionäre der Provinziallandtage

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den. Die Änderung in der Terminologie macht es also wahrscheinlich, hier von einer gewissen Emanzipation des Koinon zu sprechen, die sich zwar in römischen Augen in erster Linie auf Petitessen konzentrierte, für das Selbstbild einer aufstrebenden kleinasiatischen Elite allerdings eine große Bedeutung hatte, wie die Zunahme des „Koinarchen“-Titels im epigraphischen Befund schlussfolgern lässt. Die neue Titulatur drückt den Versuch aus, sich klarer von der römischen Prägung des Koinon abzugrenzen. Dass der Titel der Asiarchen, Galatarchen, Bithyniarchen etc. für die römische Provinzadministration und die Kaiser keinerlei Probleme bereitete, lässt sich aus dem Gebrauch der Bezeichnungen in offiziellen römischen Schreiben schließen. Ebenso wenig stand dieser Prozess der Selbstversicherung durch das Aufgreifen hellenistischer Bezüge einer fortschreitenden Akkulturation der kleinasiatischen Eliten oder einer römischen Karriere im Weg. Eher das Gegenteil war der Fall. Da Rom in erster Linie daran interessiert war, jenen Personen und Familien den Weg in den Senat zu ebnen, die durch ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und Reputation in der Lage waren, den exklusiven Charakter der Institution zu unterstreichen199, konnte eine innerprovinziale Auslese den Römern nur willkommen sein. III.2.2.4 „Koinarchie“ und provinziale Identität Die zunehmende Verwendung des „Koinarchen“-Titels muss folglich als Teil eines veränderten Selbstverständnisses und der Schaffung einer eigenen provinzialen Identität mit Hilfe eines Rückgriffs auf vorkaiserzeitliche Konzepte verstanden werden.200 Die Ergebnisse der hier vorliegenden Studie scheinen dabei weniger die Theorie eines Eskapimus hin zu klassischen Idealen zu stützen, wie er den Autoren der zweiten Sophistik unterstellt wurde. Dieser Theorie zufolge wandten sich die Griechen der Kaiserzeit verstärkt ihrer Vergangenheit in klassischer Zeit zu, um ihre wenig befriedigende Rolle im römischen Reich zu bewältigen.201 Am Beispiel der Schriften Arrians meinte Bowie Folgendes erkennen zu können: „[…] he admired the Greek past which could exhibit great men and great deeds. Such could not be exampled when autonomy was lost.“202 Die Erinnerungsstrategie auf griechischer Seite richtete sich seiner Ansicht nach primär auf die klassische Zeit, weil sie in den Augen der Griechen eine Zeit der Freiheit war. Dieser Ansicht wurde vielfach widersprochen.203 Die Ergebnisse dieser Studie können sich einreihen in den Widerspruch. 199 Diese Kriterien der Aufnahme von Provinzialen in den Senat verdeutlicht wohl am besten die Rede des Kaisers Claudius über die Aufnahme von Galliern in den Senat (CIL XIII 1668). 200 Die Debatte über Identitäten ist vielfältig und umfangreich. Vgl. zur Forschungsliteratur unten Kap. III 3. 201 Vgl. Bowie, E. L., Greeks and their past in the Second Sophistic, P&P 46 (1970), S. 3–41. 202 Bowie, ebd., S. 27. 203 Gegen diese These wandten sich u. a. Veyne, P., L’empire Gréco-Romaine, Paris 2005, S. 205– 215 und Jones, C. P., Memories of the Roman Republic in the Greek east, in: Salomies, O. (Hg.), The Greek east in the Roman context. Proceedings of a colloquium organised by the Finnish Institute at Athens, May 21 and 22, 1999, Helsinki 2001, S. 11–18.

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Indem sie den Titel des Asiarchen wiederbelebten, siedelten die Koina von Asia (und vielleicht Bithynia) ihren maßgeblichen Erinnerungsraum in der Frühphase der Provinz an. In einem zweiten Schritt scheint der Titel dann in anderen Provinziallandtagen Verwendung gefunden zu haben. Auch in Lykien und eventuell Kreta verweist die „Koinarchen“-Titulatur auf die Zeit der späten Republik, wobei wir in diesen beiden Provinzen ebenfalls das Phänomen beobachten können, dass die späthellenistische „Koinarchen“-Titulatur offensichtlich in einem bewussten Akt römischer Einflussnahme verschwand, der sich für Kreta vielleicht sogar mit der Einführung des Kretarchen-Titels durch Marcus Antonius erklären lässt.204 Diese Art der Erinnerungskonstruktion durch Übertragung einer Amts- und Ehrenbezeichnung der frühen Provinzgeschichte in eine spätere Zeit, konnte auf zweierlei Wegen für die im Koinon versammelte Elite wirksam werden. Zum Ersten setzte sie die traditionelle Bezeichnung des „Koinarchen“ und die hellenistischen Träger des Titels in einen neuen Kontext, indem sie ihn zum aktuellen Gebrauch des Titels in Parallele brachte. In einem zweiten Schritt wurde diese neue Geltung des hellenistischen Titels dann auf die aktuellen Amtsträger transferiert, was diese damit erneut aufwertete. Damit wurde gleichsam eine neue Spur der Erinnerung geschaffen. Neben die Erinnerung an die Euergeten der frühen Koinon-Geschichte, die in den epigraphischen Dokumentationen des Koinon ihren Platz hatten – beispielsweise in der Ehrung zweier Bürger aus Aphrodisias durch das Koinon aus dem Jahr 71 v. Chr.205 – trat nun die entindividualisierte Erinnerung an das Amt des KoinonVorstehers selbst, mithin eine Erinnerung an ein Kollektiv. Die Kollektivierung der Erinnerung potenzierte das Gewicht des Amtes und trug zum besonderen, privilegierten Status der gegenwärtigen Amtsinhaber bzw. wiederum der Gruppe der „Koinarchen“ bei. Das Referenzsystem, innerhalb dessen man sich dabei bewegte, war ein rein griechisch-hellenistisches und hob sich damit von den Ämtern und Rollen, die die „Koinarchen“ gleichzeitig innerhalb der römischen Administration (zivile oder militärische Ämter) und innerhalb des römischen Elite- und Ehrensystems (Senatoren/Ritter) innehatten, ab.206 Die Neuformierung der „Koinarchie“ ist nicht als Gegenbewegung zu verstehen, vielmehr sehen wir eine Gleichzeitigkeit und Parallelität beider Ehrensysteme in den Inschriften. Indem die Erinnerungskonstruktion auf das Feld der Titelvergabe geholt und damit auf eine neue Diskursebene gehoben wurde, verstärkte sich ihre Bedeutung. Der „Koinarchen“-Titel scheint dann 204 Vgl. Kap. II.3.5. 205 Vgl. Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure. Weitere Ehreninschriften, die das republikanisch-asianische Koinon errichtete: OGIS 438 = IGR IV 188; IGR IV 291; Hauvette-Besnault, Dubois, Inscriptions de Tralles, S. 348 Nr. 12. 206 Exemplarisch genannt werden können an dieser Stelle zwei Galatarchen. Ti. Claud. Bocchus, Sohn des ersten bekannten Galatarchen aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. und selbst Träger des Titels. Er war Militärtribun der legio III Cyrenaica im Rang eines Ritters und amtierte dreimal als Archiereus des galatischen Koinon. T. Flavius Gaianus aus Ancyra, ein Mann im Ritterrang aus dem ersten Viertel des dritten Jahrhunderts, erfüllte seine Pflichten unter anderem als städtischer Magistrat, war als Gesandter zum Kaiser aktiv, Agonothet der Provinzialspiele und der isopythischen Asklepieia, Archiereus des galatischen Koinon und Galatarch. (Vgl. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 243 f. Nr. 82; S. 260–268 Nr. 96– 102).

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eine solche Attraktivität gewonnen zu haben, dass er auch in jenen Provinzen aufgegriffen wurde, die keine republikanische Vorgeschichte aufzuweisen hatten. Er muss in diesen Fällen in das weite Umfeld der Ehrentitel „Erster der Provinz“, πρῶτος Ἑλλήνων („Erster der Griechen“), „Hellenarch“, „Helladarch“ eingeordnet werden.207 Der epigraphische Nachweis dieser Titel zeigt, dass auch sie ihren Ursprung in den kleinasiatischen Provinzen hatten – wo Vorläuferformen bereits im zweiten Jahrhundert v. Chr.208 und in den Koina der republikanischen Zeit (κοινὸν τῶν Ἑλλήνων | κοινὸν τῶν ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων) existierten – und sich schließlich auch in andere östliche Provinzen ausbreiteten. Man kann vermuten, dass diese Titel von den Eliten der Provinz, die im Koinon versammelt waren, im Rückgriff auf die eigene griechische Vergangenheit eingeführt wurden, um ihre hellenische Identität oder das, was sie in der Kaiserzeit dazu erklärten, herauszustreichen. Das Hellenentum wurde dabei auch mit einer kulturellen Überlegenheit in Verbindung gebracht, die versuchte, die politische Entmachtung der Eliten zu kompensieren. Da die Römer die Titulaturen selbst in ihrer offiziellen Korrespondenz verwendeten, darf ihre offizielle Akzeptanz vorausgesetzt werden. Dies war – ebenso wie bei der Bezeichnung „Koinarch“ – ein von Rom bewusst geförderter, weil für das römische Machtverständnis unproblematischer Schritt der Akzeptanz.209 Im Gegenteil, Rom war sehr daran interessiert, die lokale Elite in ihrem prädisponierten Status zu fördern und – wie das Beispiel Lykiens deutlich zeigt – unterstützte selbst in erheblichem Maß die Stratifizierung der provinzialen Gesellschaft. Wie stark sich das römische Verständnis von Elite mit dem der Provinzen deckte, lässt sich anhand der von Beginn der Provinzialisierung an geübten Protektion der traditionellen Eliten – auch in Form ihrer Einsetzung als Archiereis in den Koina – ablesen. Diese Entwicklung, die sich vornehmlich im epigraphischen Material nachzeichnen lässt und daher als alleiniger methodischer Ansatz natürlich Schwächen hätte, kann auch im literarischen Diskurs des ersten Jahrhunderts n. Chr. nachvollzogen werden. Insbesondere bei Dion Chrysostomos findet sich mehrfach Kritik an einer Memorialkultur, die sich in erster Linie an einer aktuellen Machtstellung ori207 Vgl. Heller, A., Hellénisme et primauté: remarques sur les koina d’Asie et de Bithynie sous l’Empire, in: Brun, P. (Hg.), Scripta anatolica. Hommages à Pierre Debord, Bordeaux 2007, S. 215–236; Ferrary, Rome et la géographie; Frézouls, E., L’Hellénisme dans l’èpigraphie de l’Asie Mineure romaine, in: Said, S. (Hg.), ΕΛΛΗΝΙΣΜΟΣ. Quelques jalons pour une histoire de l’identité grèque, Leiden u. a. 1991, S. 125–147. Eine 2009 erstmals publizierte Ehreninschrift aus Mygdonia in Makedonien nennt hier zum ersten Mal den Titel des πρῶτος Ἑλλήνων τῆς ἐπαρχείου („Erster der Griechen in der Provinz“). Vgl. dazu die Diskussion bei Nigdelis, P. M., Lioutas, A., „First of the Hellenes in the Province“: A new inscription from Mygdonia, GRBS 49 (2009), S. 101–112. Die Autoren folgen bei der Erklärung des Titels dem Vorschlag Roberts (Robert, L., Voyages épigraphiques en Asie Mineure, RPh 17, 3 (1943), S. 170–201, hier S. 186), der davon ausging, dass er vom Koinon verliehen wurde, um lokale Elitevertreter nach Abschluss ihrer Amtszeit im Koinon zu ehren. 208 Zum Titel protoi in der Auseinandersetzung der konkurrierenden Elitevertreter im Hellenismus vgl. Dreyer, B., Weber, G., Lokale Eliten griechischer Städte und königliche Herrschaft, in: Dreyer, B., Mittag, P. F. (Hgg.), Lokale Eliten und hellenistische Könige. Zwischen Kooperation und Konfrontation, Berlin 2011, S. 14–54. 209 So auch Ferrary, Rome et la géographie de l’hellénisme, S. 29.

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entiert und nicht mehr den traditionellen Leistungsgedanken in den Vordergrund stellt.210 Im konkreten Fall kritisiert er die Umwidmung von Statuen für griechische Vorfahren zugunsten römischer Amtsträger und das damit einhergehende Auslöschen der griechischen Memoria zugunsten einer römischen. Auch im philosophischen Diskurs des ersten Jahrhunderts lässt sich also die Grundkonstante nachzeichnen, dem Versuch, römische Erinnerungstopoi zu übernehmen, ein Festhalten an eigenen Traditionen und Werten entgegenzustellen. Bei all diesem scheinbar auf die eigene, griechische Identität ausgerichteten Bemühen ab dem Ende des ersten Jahrhunderts darf eines nicht übersehen werden: Die Titel des Asiarchen, Bithyniarchen, Galatarchen, Makedoniarchen etc. drücken zwar ein neues Selbstbewusstsein aus, beziehen sich als Referenzrahmen jedoch auf eine römische Einrichtung, nämlich die Provinz. Sie sind also der Versuch einer Abnabelung, aber immer im Rahmen der von Rom vorgegebenen topographischen, administrativen und ideologischen Grenzen. Erstaunlich ist die Homogenität dieser Repräsentationsform im Osten des römischen Reiches. Dies führt zu der Frage, inwieweit das Koinon insgesamt als Raum – im topographischen wie im übertragenen Sinn – der kollektiven provinzialen Identität verstanden werden kann, in dem sich Erinnerungskonstruktion vollzog und der als Kommunikations- und Diskursrahmen einer sich als Einheit verstehenden Gruppe fungierte. III.3 DIE PROVINZIALLANDTAGE ALS IDENTITÄTSSTIFTER211 III.3.1 Die Provinziallandtage im Spannungsfeld paralleler Identitätskonstruktionen Die Provinzen des römischen Reiches waren in der Regel völlig neuartige territoriale Gebilde, die zwar an Vorgängerinstitutionen oder ethnischen Gruppen ausgerichtet waren, sich grundsätzlich aber als etwas Neues verstanden. Gerade ein so heteroge210 Dion Chrys. 31, bes. 9; 43; 107. Vgl. auch Jones, Memories of the Roman Republic, S. 17 f. 211 Die wissenschaftliche Debatte hat in den letzten Jahren zahlreiche Beiträge zur Formierung von Identitäten und zum damit in Korrelation stehenden Prozess der Integration hervorgebracht. (Vgl. zuletzt u. a. Whitmarsh, T. (Hg.), Local knowledge and microidentities in the imperial Greek world, Cambridge 2010; Dignas, B., Smith, R. R. R. (Hgg.), Historical and religious memory in the ancient world, Oxford 2012; Coşkun, A., Heinen, H., Pfeiffer, S. (Hgg.), Identität und Zugehörigkeit im Osten der griechisch-römischen Welt. Aspekte ihrer Repräsentation in Städten, Provinzen und Reichen, Frankfurt 2009; Stephan, E., Honoratioren, Griechen, Polisbürger. Kollektive Identitäten innerhalb der Oberschicht des kaiserzeitlichen Kleinasien, Göttingen 2002; Howgego, C. J. et al. (Hgg.), Coinage and identity in the Roman provinces, Oxford 2005; Roselaar, S. T. (Hg.), Process of integration and identity formation in the Roman Republic, Leiden u. a. 2012.). Verwunderlich ist dabei, dass gerade eine beinahe alle Provinzen betreffende, unter römischem Einfluss entstandene und verbreitete Institution wie der Provinziallandtage keine Beachtung in dieser Debatte gefunden hat, lässt sich ihr integratives Potenzial doch ohne Weiteres anhand allein der religiösen Komponente des Herrscherkultes darstellen und zeigt sich ihre Fähigkeit als Identitätsraum wirksam zu werden im epigraphischen Befund.

III.3 Die Provinziallandtage als Identitätsstifter

183

nes Territorium wie das der Provinz Asia hatte ja mit dem Wegfall der attalidischen Herrscherfigur 133 v. Chr. das einzig verbindende Moment verloren. An seine Stelle trat die Provinz als identitätsstiftendes Kollektiv.212 Darüber hinaus füllte die Provinz aber nicht nur jene Lücken, die durch den Wegfall von Personen geschlossen werden mussten. Sie trat im Verlauf der Kaiserzeit mehr und mehr auch an die Stelle der Polis213 und konnte zum Ausgangspunkt eines Identitätsgefühls werden.214 Welche Rolle spielten die Koina und Concilia nun in diesem Prozess der Herausbildung provinzialer Identitäten? Deininger hatte die Provinziallandtage „primär im Dienste des Universalgedankens“ gesehen. „In dieser eigentümlichen Verbindung von Kaiserkult und regionaler Interessenvertretung, die das Hauptcharakteristikum der Provinziallandtage bildet, war die unbedingte Loyalität gegenüber dem Kaiser, der in seiner Person am sichtbarsten die Einheit des Universalreiches verkörperte, sozusagen a priori sichergestellt.“215 Eine solche Sichtweise auf die Koina und Concilia drückt in erster Linie das Konzept einer Machtstruktur aus, das dem Beherrschten unbedingte Loyalität abverlangte und daher Institutionen kreierte, die diese Loyalität förderten. Ganz auf dieser Linie der Interpretation befindet sich der überwiegende Teil der neueren Literatur.216 Das Potenzial der Provinziallandtage, in die Provinz hinein zu wirken und eine innerprovinziale Diskursplattform zu bieten, wird umfassend vernachlässigt. Koina und Concilia werden lediglich als Akteure in einem dualistischen System von Siegern und Besiegten, Herrschern und Beherrschten betrachtet. Die Provinziallandtage boten den Eliten allerdings bei weitem mehr Möglichkeiten als dass sie Opfer oder Loyalität abverlangten. Unter anderem schuf der Provinziallandtag einen eigenen Raum, in dem sich eine neue, provinziale – das heißt an der geographischadministrativen Einheit provincia ausgerichtete –Identität ausprägen konnte.217 Der Provinziallandtag war immer Eliteversammlung. Integration war daher immer eine Form von Elitenintegration.218 Dies ergab sich als logische Konsequenz 212 Vgl. Ando, Imperial identities. 213 Beispielhaft kann hier sicherlich Aelius Aristides herangezogen werden. (Aristeid. Εἰς ʽΡώμην 8–11). Weitere Belege bei Ando, ebd., S. 38 f. 214 So auch Eck, W., Provinz – Ihre Definition unter politisch­administrativem Aspekt, in: Eck, W., Die Verwaltung des Römischen Reiches in der hohen Kaiserzeit. Ausgewählte und erweiterte Beiträge, Bd. 2, Basel 1998, S. 167–185. 215 Deininger, Provinziallandtage, S. 176. 216 Vgl. u. a. Wesch-Klein, Provincia, S. 16: „Die concilia erfüllten eine doppelte Funktion: Den Provinzialen boten sie die Gelegenheit, ihre Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus kollektiv und institutionalisiert zu demonstrieren. Den Römern eröffneten sie die Möglichkeit, sich diskret der Loyalität ihrer Untertanen zu versichern.“ 217 Eck versteht die Provinziallandtage als Kristallisationspunkte einer einheitlichen Provinzidentität. (Eck, Provinz, S. 183). Ando sieht in den verschiedenen Angeboten an Identifikationsmöglichkeiten das Erfolgsrezept der Kaiserzeit: „The high Roman empire thus represents an extraordinary moment in the history of governmentality, in which a kaleidoscopic potential for identity formation was realized and yet conduced a singular and peculiarly Roman social order.“ (Ando, Imperial identities, S. 20 f.). 218 Zum Begriff der Elite und der Terminologie aristokratischer Herrschaftspraxis im wissenschaftlichen Diskurs vgl. Beck, H. et al. (Hgg.), Die Macht der Wenigen. Aristokratische Herrschaftspraxis, Kommunikation und ‚edler‘ Lebensstil in Antike und Früher Neuzeit, München 2008.

184 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

aus der römischen Herrschaftspraxis über die Provinzen, die mit einem möglichst geringen Aufwand an Personal möglichst effektive Kontrolle ausüben wollte. Die Einbeziehung der lokalen Herrschaftsstrukturen war also unabdingbare Voraussetzung für die römische Herrschaft. In keiner Provinz lässt sich der personelle Bruch mit der Vergangenheit als Prinzip römischer Herrschaftsausübung feststellen. Neben dem Belassen der gewachsenen Sozial- und Herrschaftsstrukturen kann man aber auf römischer Seite durchaus das Bestreben beobachten, Einfluss auf die lokalen Eliten auszuüben und sie an Rom zu binden. Dies geschah zunächst durch das Instrument der amicitia und der persönlichen, individuell oder familiär ausgerichteten Bindung lokaler Eliteangehöriger an Rom.219 Im Zuge der Verstetigung der provinzialen Herrschaft ergab sich für Rom die Notwendigkeit, die Elite als Kollektiv zu integrieren und ihr dabei gleichzeitig als Kollektiv lokale Traditionen zu ermöglichen. Identität speiste sich in antiken Gesellschaften in erster Linie aus Gruppenzugehörigkeit und im Fall der Elite aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit einem distinguierten Kodex. Betrachteten sich die griechischen Städte des Ostens und ihre Vertreter naturgemäß als Vertreter der führenden Schichten, darf dasselbe für die Vertreter der Städte und Civitates im Westen angenommen werden. Die Exponenten dieser Schicht traten auch als Vertreter der einzelnen Städte und Stämme im Kommunikationsprozess mit der römischen Seite in Erscheinung. An der Art der Kommunikation einzelner Städte mit dem Kaiser und seinen Vertretern änderte sich in der Kaiserzeit nichts. Die Provinziallandtage hatten folglich nicht primär die Aufgabe, die Kommunikation zu normieren oder effizienter zu gestalten. Wo lag also der Mehrwert von Koina und Concilia? Die Landtage bildeten ein Desiderat jener Schicht von Leuten, die sich selbst als führend in ihrer Provinz ansahen und aus dieser Führungsrolle heraus auch als Partner der Römer agierten. Diese ausgewählte, im besten Sinne elitäre Gruppe schickte nun ihre Repräsentanten, sozusagen die Elite der Elite, in die Landtagsversammlung, wo sich ein Gremium konstituierte, das für die Elite einen außerordentlichen Mehrwert besaß. Zum Ersten bot es den versammelten Vertretern der Städte eine weitere Plattform, durch die Übernahme von Ämtern und das Erreichen von Ehrenstellungen überregional Prestige zu erwerben. Dass sich in vielen Provinzen (z. B. Galatien) ganz bestimmte Familien immer wieder in den Ämtern des Archiereus und „Koinarchen“ finden lassen, unterstreicht das Bild der Provinzialversammlung als Elite der Elite. Zwischen die Stufe der lokalen Ehrenstellungen und jener des Reiches trat also eine neue Ebene, die letztlich auch ökonomische Konsequenzen hatte. Die Herkunftsstädte der Funktionsträger des Provinziallandtags profitierten aufgrund der investierten Gelder, die im Vorfeld einer solchen Kandidatur mit Sicherheit flossen um sich zu qualifizieren (apud suos functus). Die Zentren der Provinzen konnten auf diese Weise auf Ressourcen aus anderen Städten der Provinz zugreifen, da die Funktionäre der Landtage ihre Gelder nun in Bauprojekte oder die Ausrichtung von Spielen am Sitz der 219 Vgl. Schulz, R., „Freunde“ der Römer und „Erste“ der Gemeinden. Die griechischen Eliten und ihre Kommunikation mit Rom in der Zeit der späten Republik (133–33 v. Chr.), in: Dreyer, B., Mittag, P. F. (Hgg.), Lokale Eliten und hellenistische Könige. Zwischen Kooperation und Konfrontation, Berlin 2011, S. 253–286.

III.3 Die Provinziallandtage als Identitätsstifter

185

Koina und Concilia investierten. Zum Zweiten bildete sich für die provinziale Elite damit eine neue Rolle heraus. Als Vertreter der Provinzorganisation waren sie bis zu einem gewissen Grad gezwungen, die gesamte Provinz als Versammlung aller Städte unter ihre Obhut zu stellen. Die eigene Vaterstadt war nicht mehr allein der Bezugsrahmen des Engagements und die Quelle des Prestiges. Dies führte in letzter Konsequenz auch zu einer Loslösung der Eliten von den Städten.220 Sie mussten sich also aus dem lokalen Kontext lösen und überregionale Interessen vertreten. Diese Verbreiterung ihres Handlungsspielraumes – geographisch wie ideell – trug dazu bei, dass ihr Selbstverständnis, ihr Eigenbild sich wandelte, nun ebenfalls die Provinz als Größe einschloss und nicht mehr allein im städtischen Kontext verhaftet war. Die Titulatur der „Koinarchen“ mag ihren Siegeszug im Osten zu einem nicht näher bestimmbaren Teil dieser gewandelten Identität verdanken. Der Ausweis der eigenen Legitimation innerhalb der Elite erfolgte nun auch unter Bezug auf die Provinz. Man stellte damit heraus, dass man in allen Handlungsbereichen, die politisch relevant waren, verankert war. Die Ehreninschriften der Asiarchen, Galatarchen, Lykiarchen oder Thrakarchen müssen daher als Auflistung der Summe ihrer Referenzrahmen gelesen werden. Dasselbe gilt für die Ehrungen der Provinzialpriester im Westen, wenn auch mit der Einschränkung, dass eine der „Koinarchie“ vergleichbare Titulatur hier fehlt.221 Die Identitätsfrage ist eng verknüpft mit dem Problem von Romanisierung und Romanisation und erlaubt zwei Sichtweisen: eine römische und eine provinziale. Aus römischer Sicht, so wird oft unterstellt, sei die Loyalität gegenüber Rom, die sich ausdrückte in der politischen Akzeptanz und materiellen Unterstützung der römischen Herrschaft, vorrangig gewesen. Dieser Aspekt hatte sicherlich eine zentrale Bedeutung. Es sollte allerdings nicht von der Hand gewiesen werden, dass Kaiser und Statthalter von den provinzialen Eliten auch die Bereitschaft erwarteten, bis zu einem gewissen Grad neben der lokalen Identität eine römische Teilidentität zuzulassen und anzunehmen. Die Verleihung der römischen Nomenklatur als Ausweis besonderer Freundschaftsbeziehungen lässt darauf schließen. Ebenso könnte aber auch der oben beschriebene Versuch, ab dem Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. die eigene Identität durch die Übernahme des „Koinarchen“-Titels zu betonen, als Hinweis darauf gewertet werden, dass die römische Identität die eigene, einheimische zu überlagern drohte. Eng damit verknüpft ist die provinziale Sichtweise auf die Identitätsfrage. Wie bereits angedeutet, wandelte sich seit dem zweiten Jahrhundert v. Chr. das Selbstverständnis der griechischen Eliten. Der Verpflichtungscharakter gegenüber der Stadt trat zurück, das Individuum aus dem Kreis der Elite trug ein neues Selbstverständnis zur Schau, das die eigene Leistung um die Gemeinde ins Zentrum seiner Bemühungen stellte und nicht mehr das positive Er-

220 Den Beginn dieser Entwicklung haben Dreyer und Weber beschrieben. (Dreyer, Weber, Lokale Eliten griechischer Städte und königliche Herrschaft, S. 14–54). 221 Ob der in einer Inschrift aus der Provinz Dakien genannte Beiname coronatus Daciarum zweier Provinzialpriester eine ähnliche Rangstellung ausdrückte wie der „Koinarchen“-Titel, kann hier nur als Möglichkeit in den Raum gestellt werden (CIL III 1433 = ILS 7129; ILD 554 = AE 1969/70, 548 = AE 1971, 395 = AE 1999, 1279).

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gebnis für die Gemeinde, das Kollektiv.222 Zwischen diesen Polen – Herausstellung der individuellen und familiären Bedeutung sowie positiver Effekt für die Herkunftsstadt – oszillierte nun auch der Umgang mit der neuen provinzial-römischen Identität. Das Entgegenkommen Roms wurde bis zu einem gewissen Grad mit der Aufgabe der eigenen Identität erkauft. Ein solcher Akt des Identitätswandels musste vor sich selbst und der sozialen Referenzgruppe, also der Heimatgemeinde, gerechtfertigt werden, indem auf die positiven Effekte der Annahme einer zweiten Identität verwiesen wurde. Ein solcher Verweis konnte in Form der Übernahme eines führenden Amtes im Provinzialkult erfolgen. Dass man von römischer Seite als identifikatorisches Angebot für die Elite gerade das religiöse Konstrukt des Herrscherkultes instrumentalisierte, darf sicherlich als Ausdruck eines tiefen Verständnisses für die traditionellen Herrschafts- und Kommunikationsstrukturen im östlichen Teil des Imperiums verstanden werden. Entsprechend wurden auch die diesen Kommunikationsstrukturen zugeordneten sakralen Räume als Ort geschaffen, an dem sich die provinziale Identität topographisch ansiedeln konnte. Durch die Einbindung des zentralen Herrscherkultes in der Provinz wurden die Provinziallandtage zu Einrichtungen, die eine eigene provinziale Identität stifteten, förderten und verstetigten. Diese provinziale Identität hatte sowohl universale, römische als auch lokale Bezugspunkte. Durch das Element des Herrscherkultes verwiesen sie auf die Reichsebene und damit auf eine universale römische Identität, die sich auch in den Nomenklaturen der Amtsträger relativ früh widerspiegelte. Gleichzeitig waren die Provinziallandtage immer auch Vertreterversammlungen der einzelnen Konstituenten der Provinz, reflektierten also auch stets das lokale Element. Vor diesem Hintergrund erscheint es angebrachter, nicht von nebeneinander existierenden und konkurrierenden Identitäten auszugehen, sondern viel eher von sich überlagernden, je nach Handlungsmoment, Amt und Karrierestatus aktivierten Identitäten der provinzialen Elitevertreter zu sprechen.223 Eben das drücken ja auch die Cursus-Inschriften aus. Die „Romanisierung“224 der Elite ging nicht mit einem Verlust der einheimischen Identität einher. Eher das Gegenteil scheint der Fall gewesen zu sein: Die Provinzialen nutzten die neuen Chancen, die ihnen die Provinziallandtage boten, um ihre provinziale, im Elitestatus verhaftete Identität zu ihrem eigenen Vorteil in neuen Formen zu repräsentieren. Dass dieses scheinbar austarierte Gleichgewicht, in dem sich das Reich, die Gemeinden und die provinziale Elite wiederfinden konnten, nicht immer ohne Spannungen funktionierte, lässt sich an vielen Stellen nur erahnen. Die Quellen 222 Vgl. Schulz, „Freunde“ der Römer. 223 In diesem Kontext muss man wohl auch jene wenigen Belege betrachten, in denen Provinzialpriester und „Koinarchen“ genannt werden, die in verschiedenen Provinziallandtagen amtierten. Vgl. die Beispiele aus Asia, Bithynien und Pontos bei Fernoux, Notables et élites des cités de Bithynie, bes. S. 349–360, und Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse, S. 119–138. M. Aurelius Alexander (OGIS 531 = Loriot, Le culte impérial, S. 537 Nr. 13; Fernoux, ebd., S. 350 Nr. 3) bekleidete das Amt des Bithyniarchen, Pontarchen und das Amt des Archiereus des pontischen Koinon. In einem Fall (IGBulg V 5408 = Sharankov, The Thracian koinon, S. 530 f. Nr. 14 = Gerassimova-Tomova, Zur Untersuchung des thrakischen Koinon, S. 275–277) gibt es eine Überschneidung von Asiarch und Thrakarch. 224 Es wird bewusst an dieser Terminologie festgehalten.

III.3 Die Provinziallandtage als Identitätsstifter

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spiegeln Konflikte und Spannungen nur selten. Die Rangstreitigkeiten und Machtkämpfe in Asia sind noch vergleichsweise gut fassbar, in aller Regel erscheinen die epigraphischen Zeugnisse aber auf den ersten Blick frei von großen Konflikten. Umso spannender ist es, wenn wir bei Tacitus einen der wenigen Momente der Überlieferung fassen können, an denen das römische System des in provinzialen Versammlungen angesiedelten Herrscherkultes in die Krise geriet. Im Jahr 9 n. Chr., dem Jahr des Aufstandes gegen Varus, war der Cherusker Segimundus, Sohn jenes Segestes, der Varus als Verbündeter der Römer und Feind des Arminius warnte, Priester am Altar der Ubier in Köln gewesen: „In dem Jahr, als die germanischen Gebiete abfielen, war er zum Priester am Altar der Ubier gewählt worden; doch er hatte sich die Priesterbinde vom Kopf gerissen und war zu den Abtrünnigen geflohen.“225 Man kann in der Passage des taciteischen Textes sicherlich erkennen, dass Kult, Priesterwürde und vielleicht das Concilium als Ganzes zu diesem frühen Zeitpunkt von einem Teil der Germanen als römisches Ordnungsinstrument empfunden wurden. Allerdings darf man auch nicht außer Acht lassen, dass die literarische Anlage des Stoffes durch Tacitus an dieser Stelle eine dramatische Überzeichnung verlangt, da ja Segimundus später zum reuigen Sünder wird und bei den Römern Buße tut. Er wird damit zum Gegenentwurf seiner Schwester, die – als Ehefrau des Arminius – bei ihrer Ablehnung durch Rom bleibt.226 Es sei also dahingestellt, ob wir Tacitus in der konkreten Schilderung folgen wollen. Es bleibt aber die Tatsache, dass Tacitus den Provinzialkult zum exklusiven Teil einer römisch geprägten provinzialen Identität erklärt, an dessen Annahme oder Ablehnung sich die Akzeptanz der römischen Herrschaft als Ganzes abzeichnet. Im Akt des Herunterreißens der Priesterbinde subsumiert sich das Scheitern der fremdgestifteten Identität und einer religiös aufgeladenen Kommunikationsstruktur zwischen Provinzialen und Kaiser. Dass diese Episode nicht aus dem Osten, sondern aus dem Westen überliefert wird, ist symptomatisch. Die unterschiedlichen Traditionen verhafteten Regionen des Reiches akzeptierten die an den Kaiserkult angebundene provinziale Identität nicht in gleicher Weise. Aus heutiger Perspektive ist dieser Schluss naheliegend und nicht unerwartet, allerdings scheint die römische Sichtweise eine andere gewesen zu sein. Die Ablehnung der römischen Herrschaft, die sich im militärischen Widerstand in der Varusschlacht und parallel dazu symbolhaft im Herunterreißen der Priesterbinde zeigt, deutet auf eine völlig andere Wahrnehmung des identifikatorischen Angebotes durch Rom bei den westlichen Eliten – oder sollte man eher formulieren bei den weniger „romanisierten“ Eliten der westlichen Welt – hin. Der Kult an diesem Altar war ein Merkmal für römische Identität, nicht für germanische.227

225 Tac. ann. 1, 57, 2: quippe anno quo Germaniae descivere sacerdos apud aram Ubiorum creatus ruperat vittas, profugus ad rebellis. 226 Tac. ann. 1, 57–59. 227 Vgl. Eck, Köln, S. 85 f.

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III.3.2 Die Münzemission der Koina als Reflex provinzialer Identität Die Münzemissionen der östlichen Koina runden dieses Bild der identitätsstiftenden Rolle der Provinziallandtage inhaltlich und methodisch ab.228 Im Rahmen der neueren Forschung zu Identitätsfragen wurde die Münzprägung häufig herangezogen.229 Neben dem dürftigen literarischen Material und dem reichen epigraphischen Befund stellen die numismatischen Zeugnisse für die Provinziallandtage einen dritten Quellen-Zugang dar, der vor allem die Koina des Ostens von einer gänzlich neuen Seite beleuchten kann. Reizvoll ist dabei die völlig andersartige Verteilung des Materials im Vergleich zur Epigraphik. Während es für Asia die größte Anzahl epigraphischer Zeugnisse gibt, ist diese Provinz im numismatischen Kontext beinahe bedeutungslos. Die zeitlich und quantitativ umfassendste Münzproduktion findet sich in den Provinzen Makedonien (von Claudius bis Philippus Arabs), Zypern (von Claudius bis Caracalla), Kreta (von ca. 43 v. Chr. bis Antoninus Pius) und Galatien (von Augustus bis Lucius Verus). Die Münzemissionen der östlichen Koina – und nur im Osten treten die Provinziallandtage als prägende Institutionen auf – sind ein Spiegel der neuen Identität, die sich zwar an römischen Parametern (Provinz und Kaiserkult) orientiert, aber dennoch die provinziale Identität in ihrer vom Römischen separierten Eigenheit betont oder bewusst schafft. Beispielhaft geben die makedonischen Münzen dieses provinziale Selbstbewusstsein wieder.230 Auf den Münzen des makedonischen Koinon231 findet sich traditionelle Symbolik, gepaart mit Bezügen zum Kaiser, seiner Familie und seinem Kult. Ganz stark ist die Rückbesinnung der makedonischen Koinon-Prägung auf die Zeit vor der römischen Eroberung. Die eigene, ruhmvolle Vergangenheit rückt in den Fokus der Münzbotschaft. Darin unterscheiden sich die Prägungen des Koinon von lokalen makedonischen Prägungen der Kaiserzeit, die viel stärker im lokalen Kontext verhaftet sind.232 Bereits die frühesten Prägungen weisen durch das Ethnikon ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ auf die kollektive Identität der Provinz, als deren Vertretung das Koinon fungierte, hin. Auch der makedonische Schild als Symbol der ethnischen Identität tritt bereits unter Claudius als Beigabe zum Kriegsgott Ares auf. Seit dem Ende des fünften Jahrhunderts v. Chr. war der makedonische Schild das Symbol der makedonischen Identität.233 Da er in keiner lokalen Prägung vorkommt, sondern dem Koinon vorbehalten gewesen zu sein scheint, ist der Schluss zulässig, dass das Koinon sich mit dieser Prägung als alleiniger Ort der 228 Das in der Forschung bislang unterschätzte Phänomen der Koinon-Prägung wird erstmals ausführlich im Kapitel IV.5. behandelt. Wesentliche Fragen (Prägerecht, Prägeanlässe, ökonomischer Hintergrund, Verhältnis zu städtischen und imperialen Prägungen etc.) werden dort ausführlich behandelt und es wird erstmals ein Katalog aller Provinzialprägungen erstellt. An dieser Stelle müssen aber einige Erkenntnisse im Vorgriff thematisiert werden, da sie für die identitätsstiftende und integrative Rolle der Koina von zentraler Bedeutung sind. 229 Vgl. u. a. Howgego, Coinage and identity; Manders, E., Coining images of power. Patterns in the representation of Roman emperors on imperial coinage, A. D. 193–284, Leiden u. a. 2012. 230 Vgl. Liampi, Münzprägung, S. 891–904. 231 Vgl. den Münzkatalog im Kap. IV.5.3. 232 Vgl. Liampi, Münzprägung, S. 892. 233 Vgl. Liampi, K., Der makedonische Schild, Bonn 1998.

III.3 Die Provinziallandtage als Identitätsstifter

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provinzialen Identität und als Vertretung der Makedonen in ihrer ethnischen Gesamtheit darstellen wollte. Es scheint geradezu eine Art Monopol auf die makedonische Identität erhoben zu haben und stellt sich mit dem Bezug auf das seit frühester Zeit tradierte Symbol des makedonischen Schildes auch als Ort der kollektiven makedonischen Erinnerungskultur dar. Das Koinon trat als Bewahrer und Hüter des makedonischen Elementes auf, verknüpfte diese Konservierung der Traditionalismen gleichzeitig mit der Anbindung an den Kaiser und damit an Rom. Die Rückseiten der frühesten bekannten Koinon-Münzen zeigen diese Verbindung eindrücklich: Der makedonische Schild wird umschlossen von den Wörtern ΣΕΒΑΣΤΟΣ und ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ.234 Auch die numismatischen Quellen zeigen zudem eine Veränderung im Selbstverständnis des Koinon, der für die Entstehungsgeschichte des „Koinarchen“-Amtes in der Kaiserzeit nicht unerheblich ist. Ab domitianischer Zeit werden in der Revers-Legende die Begriffe ΣΕΒΑΣΤΟΣ und ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ abgelöst durch die Angabe der Prägeautorität ΚΟΙΝΟΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ, die konsequent bis zum Ende der Emissionen im dritten Jahrhundert beibehalten wird. Unter Antoninus Pius erscheint dann zusätzlich zum ersten Mal die personifizierte Makedonia, ab Kaiser Elagabal treten Alexander-Motive in den Vordergrund. Betrachtet man diese Entwicklung im Zusammenklang mit der Veränderung des Titels für die Spitzenfunktion der Landtage, scheint sich eine wachsende Rückbesinnung auf makedonische Tradition und Identität gleichzeitig mit einem zunehmenden Selbstbewusstsein der Institution Koinon abzuzeichnen. Dieser Prozess vollzieht sich allerdings nicht in Konkurrenz zu den römischen Autoritäten, sondern im Einklang mit ihnen. In der Münzprägung bleiben die Kaiser stets Referenzpunkt des makedonischen Koinon. Auch die kretische Koinon-Prägung spiegelt das Bild der Epigraphik wider.235 Die bekannte Münze aus der Zeit des Marcus Antonius (43 v. Chr.) nennt den Kretarchen Kydas als verantwortlichen Magistrat und stellt ausdrücklich den Bezug zum Koinon her (ΚΡΗΤΑΙΕΩΝ).236 Diese vorkaiserzeitliche Koinon-Prägung zitiert bereits den auch später für den Koinon-Kult wichtigen Zeus, wohl in seiner Erscheinung als Zeus Kretagenes.237 Der radikale Bruch in Ausrichtung und Selbstständigkeit, den das Koinon mit der augusteischen Herrschaft erleben musste, lässt sich in den Münzen nachvollziehen. Ganz im Gegensatz zum makedonischen Koinon bleibt die kretische Koinon-Prägung unter Claudius und auch Nero allein dem Kaiserhaus verhaftet. Auffällig ist die starke Präsenz der kaiserlichen Frauen auf diesen Münzen. Erst unter Nero erscheint Zeus wieder auf den Münzen. Unter Vespasian und Titus bleiben das Kaiserhaus und die Divi zentrale Motive, Zeus erhält aber mehr Raum. Erst ab Domitian wird das Bildprogramm vielfältiger, verschie234 235 236 237

RPC I 1610–12. Vgl. den Münzkatalog im Kap. IV.5.3. RPC I 926; vgl. Paluchowski, Le koinon crétois. Daneben gibt es epigraphische und numismatische Hinweise darauf, dass auch die Göttin Diktynna und ihr Heiligtum mit dem kretischen Koinon verbunden waren. Vgl. Chaniotis, A., Hadrian, Diktynna, the Cretan Koinon, and the roads of Crete. A new milestone from Faneromeni (Crete), in: Eck, W. et al. (Hgg.), Studia epigraphica in memoriam Géza Alföldy, Bonn 2013, S. 59–68.

190 III. Rechtsstatus, Spitzenpersonal und Identifikationspotenzial der Provinziallandtage

dene Götterfiguren und andere Bildsymboliken ersetzen nun die Kaiserfamilie. Ab Trajan prägt das Koinon auch seine Initialen (K K) auf seine Münzen und behält dies bis zum Ende der Prägungen unter Antoninus Pius bei. Das variable Bildprogramm238 verweist kaum noch spezifisch auf das Koinon, so dass die Buchstabenfolge K(οινὸν τῶν) Κ(ρητῶν) der alleinige Bezugspunkt zur Provinzversammlung bleibt. Schließlich vervollständigt auch der Blick auf die galatische Koinon-Emission das Bild der Epigraphik.239 Allerdings zeigt sich nicht die Eindeutigkeit der Bildsprache wie bei den makedonischen Münzen. Die erste bekannte Prägung des Koinon aus augusteischer Zeit weist neben der üblichen Betonung des Kaisers starke lokale Bezüge auf.240 Interessanterweise verläuft die Umwandlung des Priestertitels von Hiereus zu Archiereus (zwischen 50 und 70 n. Chr.) etwa zeitlich parallel zum ersten Erscheinen des Koinon auf Münzen unter Nero.241 Früh tritt auch der Ancyraner Kaisertempel auf den Münzen in Erscheinung. Die nicht Koinon-spezifischen galatischen Bezüge verschwinden bis in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts gänzlich, lediglich die letzte bekannte Prägung unter Lucius Verus stellt Kybele wieder in den Mittelpunkt. Der Verweis auf das Koinon im Schriftzug und in der Abbildung des Tempels bleiben die einzigen sichtbaren Hinweise auf galatische Identität. Vergleicht man diese Konstruktion der im Koinon propagierten Identität mit jener Makedoniens, so treten die Provinziallandtage in völlig unterschiedlichen identifikatorischen Zusammenhängen auf. Viel stärker als bei anderen Provinzen des Ostens scheinen die Galater im provinzialen, vom Koinon praktizierten Staatskult für Augustus ihre Mitte und Identität als ethnische Gruppe gefunden zu haben. Der Kaiserkult einte die Teilstämme und gab ihnen eine neue, eigene Tradition und Identität. Hier deckt sich der Münzbefund exakt mit dem Bild der Titulatur: Es gab zwar das Amt des Galatarchen, das war aber nicht mit einer Abnahme des Archiereus-Titels verbunden. Die numismatische Untersuchung verdeutlicht auch, welche bedeutende Rolle der Provinzialtempel bei der Erschaffung einer provinzialen Identität spielte. Seine Darstellung auf den Münzen der Koina darf als architektonische Manifestation des provinzialen Zentrums angesehen werden. III.3.3 Fazit Die kaiserzeitlichen Koina und Concilia avancierten innerhalb kurzer Zeit zu Räumen, in denen eine kollektive provinziale Identität produziert wurde. Diese Identität setzte sich aus mehreren Facetten zusammen. Neben der Konstruktion einer 238 Das Bildprogramm umfasst verschiedenste Elemente. Abgebildet werden u. a. die Göttin Tyche, ein nackter bewaffneter Krieger, Tiersymboliken (Adler, Hahn), Altar mit Schlange und Raben, geschmückter Altar, Thymiaterium, Athena mit Schild und Speer, Artemis mit Pfeil, Bogen und Hund, Demeter mit Kornähren an Altar mit Cornucopia. 239 Vgl. den Münzkatalog im Kap. IV.5.3. 240 RPC I 3546 f. Rv: Zeus Tavianos oder Kybele Agdistis thronend. 241 RPC I 3562–3564: ΤΟ ΚΟΙΝΟΝ ΓΑΛΑΤΩΝ.

III.3 Die Provinziallandtage als Identitätsstifter

191

kollektiven Erinnerung und der Schaffung einer Kult- und Versammlungstopographie formte sich die eigene Identität in erster Linie durch die Entstehung einer neuen Provinzelite mit einer neuen Ämterstruktur (Archiereus/Flamen/Sacerdos) und eigenen prestigeträchtigen Rangbezeichnungen („Koinarchen“). Dabei ist eine Entwicklung auszumachen, die mit Fortschreiten der Kaiserzeit eine zunehmende Betonung der provinzialen Identität zeitigte. Die Prozesse verliefen allerdings in Abhängigkeit von lokalen Gegebenheiten unterschiedlich intensiv. Das Referenzsystem, innerhalb dessen sich die provinziale Identität bewegte, stand dabei in keinem Gegensatz zu römischen Strukturen. Vielmehr bot sich der provinzialen Elite eine neue Plattform der Repräsentation, des Prestigegewinns und der Darstellung von Reichtum und Ansehen. Die Eliten agierten in drei parallel existierenden Rang- und Ehrensystemen: dem lokalen in ihrer Heimatgemeinde, dem provinzialen in den Landtagen und dem auf das Reich bezogenen, wobei längst nicht alle lokalen und provinzialen Amtsträger in die Reichselite vorstießen.

IV. DIE WIRTSCHAFTLICHE UND FINANZIELLE DIMENSION DER PROVINZIALLANDTAGE IV.1 FORSCHUNGSSTAND UND METHODE Die wirtschaftliche und finanzielle Bedeutung der Provinziallandtage wurde bislang in der Forschung wenig bis gar nicht beachtet. Die aktuellen Forschungen zu den Provinziallandtagen haben sich in erster Linie mit Fragen der Organisationsstruktur und dem Kaiserkult beschäftigt.1 Dies mag auf das klare Verdikt Deiningers zurückgehen, der die Aufgaben der Concilia und Koina klar definiert hatte. Diese seien beschränkt gewesen auf die innere Verwaltung der Landtage selbst, den provinzialen Kaiserkult, die Abhaltung der Provinzialfestspiele und die Wahrnehmung der Interessen der Provinzialen gegenüber der römischen Provinzialverwaltung.2 Der ökonomischen Seite der Provinziallandtage widmete er sich unter der Überschrift Selbstverwaltung der Landtage auf nicht einmal drei Textseiten.3 Größere Erwähnung findet lediglich die Münzprägung der östlichen Koina als fiskalpolitischer Aufgabenbereich, allerdings spricht er nur den Koinonprägungen von Makedonien und Zypern eine „größere […] praktische […] Bedeutung für den Geldverkehr“4 zu. Deiningers lobenswerter Ansatz, seine Aussagen stets auf eindeutigen Quellenbelegen fußen zu lassen und problematische Quellen mit Landtagsbezug unberücksichtigt zu lassen, führten ihn zu der klaren Absage an eine finanzwirtschaftliche Rolle der Koina und Concilia. Man muss Deininger zugute halten, dass zahlreiche Quellen erst nach der Publikation seines Werkes 1965 im richtigen Kontext gelesen oder erst publiziert wurden, allerdings fiel er mit seiner klaren Ablehnung der ökonomischen Signifikanz durchaus hinter frühere Untersuchungen zurück. So hatte bereits Kornemann in seinem 1900 erschienenen REArtikel zu den Concilia zwar die von Mommsen postulierte5 Mitwirkung der Provinziallandtage bei der Steuererhebung negiert, aber explizit auf die enge personelle Verzahnung von Wirtschaftskorporationen und Landtagen hingewiesen und ausführlich zu den Finanzen der westlichen Landtage Stellung genommen.6 In seinem 1924 publizierten RE-Artikel zu den Koina7 betont er nochmals die umfangreiche Tätigkeit der Landtage in der Finanzwirtschaft. Auch die Rezensenten des Deininger-Werkes monierten die Vernachlässigung des wirtschaftlichen Aspek-

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Vgl. beispielsweise die Debatte um das Amt des Asiarchen. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 170. Vgl. ebd., S. 156–158. Eine kurze Erwähnung findet die Finanzierungsfrage bei Price, Rituals and power, S. 129 f. Ebd., S. 171. Mommsen, Römische Geschichte, Bd. 5, S. 85. Vgl. Kornemann, Concilium, Sp. 816–818. Vgl. Kornemann, Koinon.

194

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

tes.8 Deiningers Ansatz sah den einzelnen Landtagsbeamten als Euergeten stärker im Fokus als die Institution selbst. Man muss anhand der heute bestehenden Quellenlage hinterfragen, ob diese Position noch vertreten werden kann. So wird es zu untersuchen sein, ob Deiningers Aussage hinsichtlich der Finanzierung großer Projekte oder Geldspenden durch Beamte der Provinziallandtage, dies alles beruhe „natürlich nicht auf einer Tätigkeit des Provinziallandtags als solchem, sondern auf der persönlichen Spendenfreudigkeit seiner Würdenträger“9, tatsächlich haltbar ist. Der Blick auf die Quellen hat sich auch hinsichtlich der Verwaltungstätigkeit der Provinzialpriester geändert. Konstatierte Deininger noch, dass „die Untersuchung nirgends greifbare Hinweise auf irgendeine spezielle Verwaltungstätigkeit der Landtage […] erbracht hat“10, ist unter anderem seit der Bearbeitung der Opramoas-Inschriften von Kokkinia11 klar, dass „der Aufgabenbereich des Oberpriesters auch Verwaltungstechnisches umfasste“12. Daneben muss man feststellen, dass sich die aktuelle wirtschaftshistorische Forschung im Bereich der Ökonomie und Finanzpolitik bislang viel zu wenig mit dem Thema Finanzverwaltung der Provinziallandtage auseinandergesetzt hat, ja dieses auch dort negiert, wo die Quellenlage vergleichsweise gut ist.13 Wie anders ist es sonst zu erklären, dass beispielsweise ein Werk zur „Wirtschaftspolitik und Wirtschaft in der römischen Provinz Asia in der Zeit von Augustus bis zum Regierungsantritt Diokletians“14 mit keinem Wort auf das Koinon und seine Bedeutung als selbstständiger Wirtschaftsfaktor eingeht? Sicherlich ist die Quellenlage schwierig bis problematisch zu nennen und auch im Folgenden können keine letztgültigen Wahrheiten verkündet, sondern eher Denkanstöße gegeben werden. Aber das Wenige, was sich erschließen lässt, verändert den Charakter der Provinziallandtage als Mediator zwischen Reich und Region, aber auch als Netzwerkstruktur im ökonomischen wie gesellschaftlichen Sinn grundlegend. Somit werden nicht nur neue Erkenntnisse über die Koina und Concilia gewonnen, sondern es wird auch das Verständnis für die wirtschaftliche Gesamtstruktur des Reiches erweitert. Generell gewinnt man bei der Beschäftigung mit dem Thema den Eindruck, dass die ökonomische Bedeutung der Provinziallandtage in einen größeren Rahmen gestellt werden muss. Das heute immer mehr in Frage gestellte (neo-)primitivisti8

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So u. a. Millar, Rez. Deininger, S. 389 f.: „In general, Deininger, though quoting all the evidence, does not consider carefully enough whether there were not more functions performed by the assemblies than he allows for. […] These seem to imply a more active role played by the assembly in the life of a province than Deininger admits.“ Deininger, Provinziallandtage, S. 171. Ebd. Vgl. Kokkinia, Die Opramoas-Inschrift. Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae. Wichtige Fragen zur Problematik der Finanzverwaltung hat mehrfach Peter Herz aufgeworfen. Vgl. u. a. Herz, Asiarchen und Archiereiai; ders., Herrscherverehrung und lokale Festkultur im Osten des römischen Reiches (Kaiser/Agone), in: Cancik, H., Rüpke, J. (Hgg.), Reichsreligion und Provinzreligion, Tübingen 1997, S. 239–264. Drexhage, H.-W., Wirtschaftspolitik und Wirtschaft in der römischen Provinz Asia in der Zeit von Augustus bis zum Regierungsantritt Diokletians, Bonn 2007.

IV.1 Forschungsstand und Methode

195

sche Modell der römischen Wirtschaft15 hat auch im Bereich der Fiskalpolitik den Blick auf das komplizierte Finanzsystem des Römischen Reiches verstellt. Neuere Untersuchungen lehnen überhaupt die Polarisierung zwischen Modernisten und Primitivisten ab16 und plädieren für eine geographisch wie räumlich diversifizierte Untersuchung des Gegenstandes. Vor allem die Finanzpolitik der römischen Kaiserzeit, und hier wiederum das Geld- und Kreditwesen, das uns für die Provinziallandtage noch beschäftigen wird, erlebt eine völlige Neubewertung.17 Ging man bis vor wenigen Jahren noch davon aus, dass es kaum Kreditwesen, quasi keinen bargeldlosen Zahlungsverkehr und kein fiduziäres Geld im römischen Wirtschaftskreislauf gab, haben neueste Spezialuntersuchungen das Gegenteil gezeigt.18 Wir haben es in der römischen Kaiserzeit mit einer eng verflochtenen Finanz­ und Wirtschaftswelt zu tun, die allerdings – und das macht die Sache schwierig – ihren Niederschlag nicht in der wünschenswerten Form in den Quellen hinterlassen hat. Insbesondere die literarische Überlieferung gaukelt dem modernen Leser in ihrem Versuch, einem moralischen und wirtschaftlichen Standard zu entsprechen, der so sicherlich nicht existiert hat, ein verzerrtes Bild vor. Leider lassen die epigraphischen, papyrologischen und numismatischen Quellen nur bis zu einem gewissen Grad eine Korrektur dieses Bildes zu. Aber immerhin kann man Korrekturen vornehmen, wie das folgende Vorgehen zeigen wird. Darüber hinaus erscheint es auch geboten, moderne wirtschaftshistorische Ansätze stärker bei der Beurteilung antiker Problematiken zu berücksichtigen. Gerade vor dem Hintergrund der dünnen Quellenlage bietet der Rückgriff auf Nachbarwissenschaften und deren Erklärungsmodelle vielleicht eine Chance auf ein besseres Verständnis. Konkret ist dabei an die sogenannte Neue Institutenökonomik zu denken, und hier vor allem an die Transaktionskostentheorie. Mit diesem Ansatz geraten die sozialen, politischen und rechtlichen Eckpfeiler wirtschaftlichen Handelns in den Blick, die sich leider aus den Quellen allein nicht erschließen lassen. Die Transaktionskostentheorie wurde bereits in einschlägigen Arbeiten 15

16 17

18

Vgl. zu den theoretischen Auseinandersetzungen Drexhage, H.­J., Konen, H., Ruffing, K., Die Wirtschaft der römischen Kaiserzeit in der modernen Deutung: Einige Überlegungen, in: Strobel, K. (Hg.), Die Ökonomie des Imperium Romanum. Strukturen, Modelle und Wertungen im Spannungsfeld von Modernismus und Neoprimitivismus (Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike 17), St. Katharinen 2002, S. 1–66. Vgl. ebd., S. 3. Vgl. u. a. Strobel, K., Geldwesen und Währungsgeschichte des Imperium Romanum im Spiegel der Entwicklungen des 3. Jahrhunderts n. Chr. – Wirtschaftsgeschichte im Widerstreit von Metallismus und Nominalismus, in: ders. (Hg.), Die Ökonomie des Imperium Romanum. Strukturen, Modelle und Wertungen im Spannungsfeld von Modernismus und Neoprimitivismus, St. Katharinen 2002, S. 86–168. Vgl. u. a. ebd., S. 51; Harris, W. V., A revisionist view of Roman money, JRS 96 (2006), S. 1–24, hier S. 2; ders., The nature of Roman money, in: ders. (Hg.), The monetary systems of the Greeks and Romans, Oxford 2008, S. 174–207; Rollinger, C., Moral economy in der römischen Welt? Zur Bedeutung von amicitia und Netzwerken für das Finanzwesen der späten Republik, in: Günther, S. (Hg.), Ordnungsrahmen antiker Ökonomien. Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich (Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen 53), Wiesbaden 2012, S. 111–126.

196

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

zur antiken Wirtschaft als Modell nutzbar gemacht und hat sich in der Anwendung bewährt.19 Die methodischen Prämissen, von denen das vorliegende Kapitel ausgeht, sollen zum besseren Verständnis an dieser Stelle kurz umrissen werden. 1. Die Provinziallandtage bildeten in der Kaiserzeit eine relativ stabile Einrichtung. Aus diesem Grund ist es methodisch zulässig, den Zeithorizont bei der Quellenbetrachtung vom frühen Prinzipat bis zum Ende der severischen Zeit bzw. der Soldatenkaiserzeit zu setzen und die Strukturen über diesen Zeitraum hinweg zu vergleichen. 2. Die Koina und Concilia besaßen reichsweit dieselbe Struktur. Daher können die Landtage der einzelnen Provinzen unter Beachtung regionaler Besonderheiten (beispielsweise hellenistischer Vorgänger im Osten oder Stammesstrukturen im Westen) miteinander verglichen werden und Schlüsse aus den Landtagen einer Provinz beispielsweise des Westens auf einen anderen Landtag dieser Reichshälfte oder sogar reichsweit übertragen werden. 3. Diese zeitlich wie räumlich vergleichende Perspektive bedeutet zunächst scheinbar eine gewisse Reduktion von Individualität der einzelnen Provinziallandtage. Nur so kann aber ihr Wert für die Gesamtwirtschaft der Provinz und auch provinzübergreifend ermittelt werden. 4. Provinziallandtage müssen als Wirtschaftssubjekte betrachtet werden, die als juristische Personen, vertreten durch ihre Amtsträger, in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen.20 Dabei gibt es gewisse Schnittmengen mit den großen Heiligtümern, z. B. dem Artemision von Ephesos, die ebenfalls als Wirtschaftsfaktoren fungierten.21 Die Schnittmengen betreffen die Kultpraxis, die Kultbauten, die großen Feste sowie das Kapital, über das sowohl Heiligtümer als auch die Provinziallandtage verfügten. 5. Die Landtage verfügten über eine relativ ähnliche Ausgaben- und Einnahmenstruktur. Dabei scheint gerade eine umfassende Analyse dieser Einnahmen und Ausgaben der Provinziallandtage22 erst eine realistische Verankerung der Institution in dem Gefüge von Reich, Provinz und Stadt zu ermöglichen. 6. Eine Untersuchung der Ausgaben- und Einnahmenstruktur gibt Einblicke in die Aufgabenbereiche der Institution, aber auch in ihre (eingeschränkte) Finanzho19 20 21 22

Vgl. u. a. Silver, M., The economic structures of antiquity, Westport/Conn. u. a. 1995; Scheidel, W., Morris, I., Saller, R. (Hgg.), The Cambridge economic history of the Greco-Roman world, Cambridge 2007. Zu den verschiedenen Wirtschaftssubjekten und ihrem Einfluss in der Provinz Asia vgl. Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 88 mit Anm. 466. Drexhage versäumt es leider, den Provinziallandtag von Asia als eigenes Wirtschaftssubjekt einzubeziehen. Vgl. Dignas, B., Economy of the sacred in Hellenistic and Roman Asia Minor, Oxford 2004. Erste Vorarbeiten stellte die Autorin bei einer Tagung zum Thema „Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme“ 2010 in Mainz vor: Edelmann-Singer, B., Die finanzielle und wirtschaftliche Dimension der Provinziallandtage in der römischen Kaiserzeit, in: Günther, S. (Hg.), Ordnungsrahmen antiker Ökonomien. Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich (Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen 53), Wiesbaden 2012, S. 165–180.

IV.1 Forschungsstand und Methode

197

heit, ihren Beamtenapparat, ihre Verpflichtungen und Möglichkeiten. Sie ist daher ein idealer Startpunkt für weitergehende Untersuchungen zur Rolle der Provinziallandtage als finanzpolitisches und sozioökonomisches Netzwerk. 7. Zur Abrundung einer allgemeinen Betrachtung der Finanzstruktur der Landtage muss die Frage nach der Münzhoheit sowie dem wirtschaftlichen und ideellen Nutzen von Koina­Prägungen und der fiskalischen wie politischen Bedeutung dieser Münzserien gestellt werden. Die Münzproblematik trägt einerseits zum Verständnis der Finanzstruktur bei, wird von dieser wiederum aber auch erklärt. Nur die verschränkte Betrachtung kann hier einen Informationsgewinn liefern. 8. Die genaue Untersuchung von Einnahmen und Ausgaben bringt ferner den Wert der Provinziallandtage als Mittelinstanz zwischen Reich und Stadt zur Geltung, kann doch die Finanzstruktur der Koina und Concilia verglichen werden mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Konstituenten, der Städte, und der römischen Provinzadministration als Vertreterin des Reiches. Erst das Zusammenspiel dieser drei Felder – Stadt, Landtag und Provinz – ermöglicht es, die wirtschaftliche, personelle und strukturelle Vernetzung der verschiedenen Ebenen zu durchschauen. 9. Städte, Provinziallandtage und römische Administration griffen letztlich bei ihren Einnahmen auf die gleiche Klientel zurück, das heißt, es muss zu Überschneidungen gekommen sein. Im positiven Fall mag das heißen, dass es auch bei den Aufgaben dieser drei Institutionen Synergieeffekte gab (dies ist beispielsweise bei Bauten oder Spielen denkbar). Im negativen Fall muss man davon ausgehen, dass es Streitigkeiten um die Einnahmen gab, da die Ressourcen begrenzt waren. Methodisch ist es also sinnvoll, sich zunächst einen Überblick über die Finanzkraft und die Finanzstruktur der Provinziallandtage zu verschaffen. Dazu werden sämtliche Quellen zu Einnahmen und Ausgaben von Koina und Concilia systematisch zusammengestellt und bewertet. Um ein realistisches Ergebnis zu erhalten, ist es notwendig, zwischen regulären und außergewöhnlichen Ausgaben und Einnahmen zu unterscheiden. Nur so ist gewährleistet, dass man das Alltagsgeschäft vom Sonderfall unterscheidet. In einem anschließenden Schritt werden die Einflussmöglichkeiten der römischen Provinzadministration und des Kaisers auf diese Finanzen untersucht. Aus den Ergebnissen der Quellenuntersuchungen werden abschließend Argumente abgeleitet, die den Provinziallandtag als finanzpolitisches und sozioökonomisches Netzwerk charakterisieren. Dieses systematische Vorgehen unter Einbeziehung wirtschaftshistorischer Modelle ermöglicht es auch, Quellen einzubeziehen, die bis dato in ihrer Relevanz für die Provinziallandtage vernachlässigt wurden. So wird beispielsweise ein neuer Blick auf die Kooperation lokaler Handelsgesellschaften und der Concilia im Westen des Reiches zu werfen sein. Der abschließende Teil der Untersuchung gilt der Münzprägung der Provinziallandtage. Eine umfassende Gesamtschau dieser Prägeserien wird in der Forschung seit Langem als Desiderat angesehen. Im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanzkraft der Concilia und Koina muss unbedingt die Frage aufgeworfen werden, in welchem Umfang und vor allem zu welchem Zweck die Landtage Münzen prägten.

198

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

Zwar wurde in der bisherigen Forschung23 zugestanden, dass diese Prägungen allein durch ihren Umfang eine ökonomische Bedeutung gehabt haben müssen, die Numismatik – auch in aktuellen Werken24 – hat sich zu diesen Serien allerdings sehr zurückhaltend geäußert, ihnen eine Sonderrolle zugeschrieben oder sich gleich auf die reine Beschreibung dieser Münzen beschränkt. Der dahinterstehende Verwaltungsablauf, die Fragen nach dem Profit, der aus einer solchen Prägung entspringt, oder gar nach der Verwendung dieses Profits blieben ebenso unbeantwortet wie die Frage nach den Prägerechten. Abschließend werden die Ergebnisse dieser Untersuchung in die Gesamtproblematik der Provinziallandtage eingebettet. IV.2 DIE AUSGABEN- UND EINNAHMENSTRUKTUR DER PROVINZIALLANDTAGE IV.2.1 Reguläre Ausgaben und Einnahmen der Provinziallandtage Aufgrund der Quellenlage steht am Beginn die Auseinandersetzung mit den Personalkosten. Auch wenn dies nicht notwendigerweise der größte Ausgabeposten im Budget der Provinzialversammlung gewesen sein dürfte, sind wir über diese Angelegenheiten doch vergleichsweise gut informiert oder können sie erschließen. Die Ausführungen zu den Personalkosten sind verbunden mit einer grundlegenden Untersuchung über die Personalstruktur der Landtage. IV.2.1.1 Personal Sowohl für den Westen als auch für den Osten des Reiches sind neben dem Amt des Provinzialpriesters und des nach der jeweiligen Provinz benannten „Koinarchen“ hochstehende, mittlere und untergeordnete Verwaltungsbeamte der Provinziallandtage überliefert.25 Diese Ämter, die sicherlich als Kostenfaktoren angesehen werden müssen – wohingegen die höchsten Ämter im Provinziallandtag sich wohl selbst trugen bzw. sogar Teile der Landtagsausgaben finanzierten – fallen bei der Frage nach den Ausgaben ins Gewicht. IV.2.1.1.1 Asia Für das asianische Koinon sind zunächst die Ämter eines ἔκδικος und eines συνδικήσας belegt.26 Deininger sieht in beiden Beamte, die als „Rechts- und Interessen23 24 25 26

Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 171. Vgl. RPC I 1, S. 14. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 155 f. Die Erwähnung des ἔκδικος ὑπὸ τοῦ κοινοῦ τῶν ἐπὶ τῆς Ἀσίας Ἑλλήνων erfolgt im Kalenderdekret der Provinz Asia aus dem Jahr 9 v. Chr. (Ehrenberg, Jones, Nr. 98, Z. 64; Laffi, Le iscrizioni, S. 22, Z. 64 und Kommentar S. 66) und in der Ehreninschrift des asianischen Koinon für

IV.2 Die Ausgaben- und Einnahmenstruktur der Provinziallandtage

199

vertreter des Koinon“27 agierten. Mit ἔκδικος und συνδικήσας sind auf alle Fälle Funktionäre beschrieben, die für das Koinon Tätigkeiten im juristischen Bereich ausübten, sei es, dass es sich dabei um innere Angelegenheiten handelte, wie die juristische Abwicklung von Geschäften oder Verträgen, sei es, dass sie im Interesse der Landtage mit der römischen Seite verhandelten. Die wenigen Belege lassen deutlich die Auswahlkriterien für diese Funktionäre zu Tage treten. Man griff von Seiten des Landtags hier auf Männer zurück, die zur städtischen Oberschicht gehörten, die in der städtischen Verwaltung Erfahrung hatten und deren juristischer Sachverstand sich bereits im städtischen Kontext erwiesen hatte.28 Für das asianische Koinon ist daneben mehrmals das Amt eines Grammateus29 inschriftlich belegt.30 Die landläufige Meinung, den Grammateus als eine Art Sekretär zu betrachten, muss revidiert werden. Mir scheint es sinnvoll, in dem Amt eher eine Art Kanzler des Landtags zu sehen. Folgende Beobachtungen stützen diese These: Grundsätzliche Parallelen sind hier zu den städtischen Grammateis zu ziehen, die ebenfalls eher in die Riege der städtischen Magistrate zu rechnen sind als in die einfacher Hilfsbeamter der eigentlichen Magistrate.31 Die Untersuchung von Schulte zu den Grammateis von Ephesos konnte zeigen, dass die „Träger der hohen und zugleich prestigeträchtigen Ämter [i. e. an erster Stelle der grammateus tou demou] der höchsten sozialen Schicht der Bevölkerung von Ephesos angehörten“32. Jener grammateus tou demou „war der mächtigste Beamte der Stadt, hatte eine Schlüsselstellung beim Zustandekommen von Volksbeschlüssen und trug bis zur Einsetzung von Kuratoren zur Kontrolle der Finanzen […] in den Städten offenbar auch die alleinige Verantwortung für die städtischen Gelder. Dafür spricht die Tatsache, daß bei allen Ausgaben, die die Stadt tätigte […] der grammateus tou demou diese gegenzuzeichnen und dadurch zu genehmigen hatte.

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Menogenes aus den Jahren 5–1 v. Chr. (IGR IV 1756 = ISardis 8 = Ehrenberg, Jones, Nr. 99). Den συνδικήσαντα δὲ καὶ ὑπ[ὲρ] [το]ῦ κοινοῦ τῆς Ἀσίας ἔθνους finden wir in SEG 17, 1960, 505, Z. 22 f.; vgl. Keil, J., Ein ephesischer Anwalt des 3. Jahrhunderts durchreist das Imperium Romanum (SBAW 1956/3), München 1956. In einer im Jahr 1987 bzw. 1999 entdeckten Inschrift aus Philippopolis in Thrakien, die möglicherweise einen Katalog der Landtagsabgeordneten geordnet nach Städten wiedergibt, wird ebenfalls ein σύνδικος unter den Abgeordneten genannt. Allerdings bleibt aufgrund des fragmentarischen Zustandes der Inschrift unklar, ob er seine Funktion im Dienst des Koinon ausübte. (Vgl. Erstpublikation und Foto bei Sharankov, The Thracian koinon, S. 522 f.). Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 51; Marek, Geschichte Kleinasiens, S. 533. Vgl. Keil, Ein ephesischer Anwalt. Da die Termini „Grammateus“/„Grammateis“ im Folgenden häufig verwendet werden, wurden sie in den Fließtext in lateinischen Buchstaben wie eine deutsche Amtsbezeichnung eingebunden, um den Textfluss nicht unnötig zu stören. Dasselbe Verfahren wurde aus Gründen der klaren Textstrukturierung auch für die Begriffe Archiereus/Archiereis, Koinarch, Asiarch, Bithyniarch, Galatarch etc. angewendet. FiE III, 40; 80; Kalenderdekret bei Laffi, Le iscrizioni; Ehrenberg, Jones 98 mit neuer Kopie bei Dreyer, B., Engelmann, H., Augustus und Germanicus im ionischen Metropolis, ZPE 158 (2006), S. 173–182 = AE 2006, 1449–50; IGR IV 821–822 = AvHierapolis Nr. 40, 41 = SEG 56, 2006, 1499; ISardis 46. Vgl. Schulte, C., Die Grammateis von Ephesos. Schreiberamt und Sozialstruktur in einer Provinzhauptstadt des römischen Kaiserreiches (Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien 15), Stuttgart 1994. Schulte, Die Grammateis von Ephesos, S. 94.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage […] Schließlich war er wie kein anderer ephesischer Beamter der Ansprechpartner für die in der Stadt ansässigen Vertreter der Reichsverwaltung und fungierte so als Bindeglied zwischen Gemeinde und der Reichsregierung.“33

Die inschriftlichen Belege zu den Grammateis von Asia lassen eine ähnliche Stellung vermuten. Die beiden aus Ephesos überlieferten Männer, die das Amt des Grammateus von Asia innehatten, bekleideten weitere hohe Ämter in der Stadt: C. Licinius Atimetos Aurelianos (166/7 n. Chr.) war beispielsweise νεοποιός der Artemis und Iulius Faustus Iunior fungierte in der Zeit Caracallas als βούλαρχος.34 Der Grammateus aus Sardes, T. Flavius Eisigonos35, ist durch eine sardische Münze als στρατηγός der Stadt in vespasianischer Zeit belegt.36 Bislang zu wenig beachtet blieben auch die Inschriften aus Hierapolis, die einen γραμματὲυς ναῶν τῶν ἐν Ἀσία ehren.37 Die Erstherausgeber postulierten, hier handele es sich um einen „Hilfsbeamten des Oberpriesters“ des Koinon von Asia.38 Ob man sich allerdings jenen Tiberius Claudius Zoticus aus Hierapolis, der nicht nur in der städtischen Honoratiorenschicht anzusiedeln ist, sondern hier auch höchste Posten bekleidete, unter anderem das Amt des städtischen Kaiserpriesters, das des Strategen, des Agonotheten und Presbyters, und der von den einflussreichen Handwerkergilden der Wollwäscher und der Purpurfärber39 mit zwei Monumenten geehrt wurde, als „Hilfsbeamten“ vorstellen kann, darf bezweifelt werden. Zoticus lässt sich aufgrund seiner städtischen Laufbahn sicherlich nicht als einfacher Verwaltungsbeamter des Koinon bezeichnen. Vielmehr berief das Koinon mit diesem Mann ebenso wie mit den beiden Grammateis aus Ephesos hochqualifizierte Funktionäre aus dem Bereich Verwaltung und Finanzen mit besten Kontakten zur lokalen und provinzialen Wirtschaft, die nicht nur über das notwendige Fachwissen, sondern auch über nützliche Verbindungen, vor allem aber über die finanziellen Mittel verfügten, das Amt ausüben zu können. Gestützt wird diese Annahme auch durch das sogenannte Kalenderdekret aus dem Jahr 9 v. Chr., mit dem der Provinziallandtag von Asia den julianischen Kalender für die Provinz einführte. Das Dossier besteht aus sieben Dokumenten, davon zwei Beschlüssen des asianischen Landtags. Der erste erwähnt 33 34 35

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Ebd., S. 131. Vgl. ebd., Kat. Nr. 48 und 82. Deininger (Provinziallandtage, S. 50 Anm. 2) zweifelte an diesem Beleg. Ungewöhnlich scheint auch die Bezeichnung κοινὸν τῶν Ἑλλήνων für das asianische Koinon zu sein, allerdings haben wir aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. einige Quellen mit dieser Bezeichnung des Provinziallandtags von Asia. So u. a. einen Beschluss des asianischen Koinon von 71 v. Chr. (Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure, Z. 4, 21, 22) und eine Anordnung des Propraetors von Asia Q. Minucius Q. f. Thermus aus dem Jahr 51/50 v. Chr. (Sherk, Roman documents from the Greek East, Nr. 52). RPC II 1315 = BMC Lydia, S. 255. IGR IV 821–822 = AvHierapolis Nr. 40, 41 = SEG 56, 2006, 1499. Erwähnt zwar schon bei Kornemann, Koinon, Sp. 940, aber ohne nähere Erläuterung. Vgl. Humann, C. et al. (Hgg.), Altertümer von Hierapolis: mit 61 Abbildungen und einem Stadtplan, Berlin 1898, S. 86. Diese Verbindung von Koinon-Beamten und Wirtschaftskorporationen wird an späterer Stelle noch genauer zu untersuchen sein und es wird zu zeigen sein, wie die Wirtschaftskorporationen hier Kontakte und Netzwerke knüpften (vgl. Kap. IV. 4).

IV.2 Die Ausgaben- und Einnahmenstruktur der Provinziallandtage

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den Grammateus Papias aus dem Ort Dios Hieron. Bereits 1967 hat Laffi40 in seiner Edition des Gesamtdossiers auf den ungewöhnlichen Umstand hingewiesen, dass das Dokument auf einen Beschluss des Koinon aus Smyrna wohl aus dem Jahr 29 v. Chr. verweist, der nicht nach dem amtierenden Oberpriester des Koinon, sondern nach dem Prokonsul Lucius Volcacius Tullus und eben diesem Grammateus Papias datiert.41 Laffi greift in seiner Erklärung des Umstands, dass kein Archiereus genannt wird, auf Grant zurück, der einen zweimaligen Ehrenvorsitz des Landtags durch Augustus selbst (29 und 19 v. Chr.) ins Spiel brachte.42 Diese Hypothese lässt sich nicht erhärten und ist in der Literatur auch mehrfach angezweifelt worden43. Vielleicht muss man aber gar nicht von einem fehlenden Archiereus ausgehen, um die Hervorhebung des Grammateus plausibel zu machen. Wir wissen seit der Publikation einer Ehreninschrift aus Aphrodisias im Jahr 1972 durch Drew-Bear, dass der Provinziallandtag von Asia bereits in seiner frühesten Phase über institutionalisierte Gremien und Funktionsträger verfügte.44 Hier ist die Rede von mehreren πρόεδροι und einem γραματεύς (sic!), die offensichtlich dem Koinon nicht nur präsidierten, sondern auch ein gewisses Vorschlagsrecht bzw. Vorberatungsrecht besaßen.45 Es existierte also in der Provinz Asia bereits im Jahr 71 v. Chr. ein Verwaltungsstab, der die Arbeit der Abgeordneten koordinierte, Versammlungen und den Prozess der Beschlussfassung vorbereitete und wohl auch die Kasse des Koinon verwaltete.46 Auch in dieser frühen, republikanischen Inschrift wird dem Amt des Grammateus eine wichtige, ja zentrale Rolle im Organigramm des Landtags zugeschrieben. Ganz ähnlich den städtischen Grammateis hatten auch die des Landtags einen einjährigen Turnus – anders ergibt die erwähnte Datierung im Kalenderdekret keinen Sinn. So muss man wohl schlussfolgern, dass wir es bei den Grammateis nicht nur mit Verwaltungsbeamten der mittleren oder gar unteren Ebene zu tun haben, sondern mit Amtsträgern, die man wohl als säkulare Ergänzung zum Archiereus betrachten kann und die gemeinsam mit ihm für eine jeweils einjährige Amtszeit vom Koinon bestimmt wurden. Die Bezeichnung „Kanzler des Provinziallandtags“ erscheint mir daher besser geeignet, diesen Amtsbereich zu umreißen, als der herkömmliche Begriff des „Schreibers“.

40 41 42 43 44 45

46

Vgl. Laffi, Le iscrizioni, S. 5–98. Ergänzt durch die neue Kopie aus Metropolis bei Dreyer, Engelmann, Augustus und Germanicus. Vgl. Laffi, ebd., S. 59–62. Vgl. Grant, M., From imperium to auctoritas. A historical study of Aes coinage in the Roman Empire 49 B. C.–A. D. 14, Cambridge 1946, S. 377. Vgl. u. a. Deininger, Provinziallandtage, S. 38 Anm. 7. Vgl. Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure; vgl. zur weiteren Diskussion über das Dokument http://insaph.kcl.ac.uk/iaph2007/iAph020503.html, Zugriff 31.12.2012. Vgl. Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure. Zu Entstehung und Organisation des Provinziallandtags von Asia vgl. Edelmann-Singer, Die Provinzen und der Kaiserkult. Möglicherweise lässt sich die Erwähnung dieser πρόεδροι auch mit Strabons erster Erwähnung eines Asiarchen um das Jahr 50 v. Chr. in Verbindung bringen (Strab. 14, 1, 42). Vgl. Kap. II.3.3., S. 57–62.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

Stellt man die Frage nach der Besoldung dieser Amtsträger, stößt man in der Literatur auf die einhellige Meinung, dass es eine solche nicht gab.47 Am deutlichsten wird Deininger, der zu dem Fazit kommt, „[…] daß besoldete Ämter dem Wesen der Provinziallandtage überhaupt fremd sind.“48 Sämtliche Kosten, die mit diesem Amt verbunden waren – und das dürften nicht geringe Summen gewesen sein, wie aus den folgenden Ausführungen zu den Finanzen der Landtage ersichtlich werden wird –, wurden demnach von den Grammateis privat erstattet. Gehen wir vom asianischen Landtag mit einer geschätzten Anzahl von über 100 Mitgliedsstädten aus49, so erschließt sich annäherungsweise die administrative Dimension eines einzigen Verwaltungsaktes eines solchen Landtags. Es ist also davon auszugehen, dass der Schreiber über einen größeren Stab an Personal verfügte, für dessen Kosten er ebenfalls aufkommen musste. Da wir den Aufgabenbereich des Grammateus nicht genauer umreißen können, wissen wir auch nicht, inwiefern er in die Organisation der Provinzspiele involviert war. Allein die Organisation, Vorbereitung und Durchführung der jährlichen Versammlung sowie die Korrespondenz dürften einen einigermaßen großen Aufwand bedeutet haben. So müssen wir ferner die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Grammateus mit Mitteln ausgestattet wurde, die beispielsweise aus den jährlichen Mitgliedsbeiträgen finanziert wurden. Dafür sprächen auch die nicht wenigen belegten Umwidmungen von Geldern, die für bestimmte Ausgabezwecke vorgesehen waren.50 Eine noch deutlichere Sprache sprechen jene Inschriften, in denen von überschüssigen Geldern die Rede ist, die ein Amtsträger nicht für die dafür vorgesehene Aufgabe verwendet, sondern anderweitig einsetzt.51 Diese Erwähnung von Amtsspesen und festen Budgets der Amtsträger lässt an der rein auf Euergesie beruhenden Finanzierung der Ämter zweifeln. Cramme hat bereits sehr ausführlich für den städtischen Bereich gezeigt, dass euer-

47

48 49

50 51

Vgl. Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 117 Anm. 700: „Eine generelle Besoldung der Amtsträger [der Städte] erfolgte nicht. Insbesondere die bedeutenden Ämter […] wurden von Honoratioren bekleidet, die keinerlei Ansprüche auf Besoldung hatten. […] Lediglich die untergeordneten Funktionsträger, zu denen das Hilfspersonal der städtischen Magistrate gehörte, erhielten eine Vergütung, die aber wahrscheinlich äußerst bescheiden ausfiel.“ Ähnlich argumentiert Schwarz (Schwarz, H., Soll oder Haben. Die Finanzwirtschaft kleinasiatischer Städte in der Römischen Kaiserzeit am Beispiel von Bithynien, Lykien und Ephesos (29 v. Chr. – 284 n. Chr.), Bonn 2001, S. 300). Deininger, Provinziallandtage, S. 104 Anm. 4. Die Überlieferung erwähnt nur für zwei Landtage genaue Zahlen: Gallien hatte zur Zeit des Augustus 60 (Strab. 4, 3, 2) bzw. 64 (Tac. ann. 3, 44; Serv. Aen. 1, 286) Abgeordnete, im Koinon von Asia entschieden in der Sitzung des Jahres 4 v. Chr. 150 Abgeordnete (ISardis 8, Z. 76 f.), allerdings hatte nicht jede Stadt nur einen Abgeordneten (Aristeid. ῾Ιεροὶ λόγοι 103). (Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 141–143). Vgl. Cramme, S., Die Bedeutung des Euergetismus für die Finanzierung städtischer Aufgaben in der Provinz Asia, Diss., Köln 2001, S. 64–66 und 280–286. Cramme konstatiert: „Die zahlreichen Erwähnungen von ‚überschüssigen Geldern‘ zeigen, wie […] die aus öffentlichen Einnahmen stammenden und von den städtischen Amtsträgern verwalteten Gelder nicht etwa von untergeordneter Bedeutung waren, sondern offenbar mitunter beträchtliche Höhen erreichen und den Städten damit einen deutlichen Spielraum für eigene Aktivitäten geben konnten.“ (Ebd., S. 66).

IV.2 Die Ausgaben- und Einnahmenstruktur der Provinziallandtage

203

getische Beiträge nicht so Umfassendes leisten konnten und leisteten, wie oft angenommen wird. Im zweiten Jahrhundert n. Chr. gab es einen ἀργυροταμίας τῆς Ἀσίας52 sowie einen οἰκονόμος τῆς Ἀσίας53, die Deininger als „mit der Finanzverwaltung des Landtags betraut“54 charakterisiert. Eine Gleichsetzung dieser Ämter, wie sie etwa von den Herausgebern des IGR vorgenommen werden, darf heute als ausgeschlossen gelten.55 Trotzdem bleibt eine Differenzierung der Amtsbereiche schwierig. Hilfreich ist auch hier wieder ein Blick auf die städtischen Verhältnisse. Zunächst einmal muss der ἀργυροταμίας deutlich unterschieden werden vom ταμίας. Während letzteres allgemein das Amt des Kämmerers gewesen zu sein scheint, handelte es sich beim ἀργυροταμίας um einen „Geldkämmerer“.56 Bereits im 19. Jahrhundert wurde seine Funktion parallel gesehen zu den curatores kalendarii im Westen, die die Darlehensund Kreditbücher einer Stadt überwachten sowie Zinszahlungen und ausstehende Rückzahlungen dokumentierten.57 Aus Bithynia und Pontos ist das Amt eines städtischen ἀργυροταμίας τῶν βουλευτικῶν χρημάτων58 bekannt sowie ein ἀργυροταμίας τῶν ἐ[λαιωνικ]ῶν χρημάτ[ων]59, der den städtischen Ölfonds verwaltete. Im phrygischen Acmonia ehren die νέοι καὶ ὑμνῳδοὶ einen ἀργυροταμίας wohl vor dem Hintergrund, dass der Amtsträger Stiftungsgelder aus Land oder Geld verwaltete, die diesen Korporationen zugute kamen.60 Dass der Landtag von Asia die Mitgliedsbeiträge in einer Stiftung in Form von Geld oder Land anlegte und aus den Zinserträgen die Spiele finanzierte, wissen wir bereits aus dem ersten Jahrhundert v. Chr., als Cicero den jüngeren L. Valerius Flaccus wegen der Entwendung dieser Stiftungsgelder gegen eine Anklage der Provinz verteidigte.61 Möglicherweise versteckt sich hinter dem Amt des ἀργυροταμίας der Verwalter der Stiftungsgelder des Landtags, aus denen die Spiele oder andere Ausgaben bestritten wurden. Im οἰκονόμος müsste man dann ein Amt sehen, das eher für die Verwaltung der übrigen Gelder, also zum Beispiel der Einnahmen und Ausgaben der Landtagsverwaltung oder die Personalkosten zustän52 53 54 55 56 57 58

59 60 61

Clerc, M. A., Inscriptions de la vallée du Méandre. Tralles, Nysa, Attuda, Laodicée et Colosses, BCH 11 (1887), S. 346–354, hier S. 348 f., Nr. 5 = CIG 2782 = http://insaph.kcl.ac.uk/iaph2007/ iAph121111.html, Z. 12, Zugriff am 27.03.2015; vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 51. IGR IV 1474. Deininger, Provinziallandtage, S. 51. IGR IV 1474 Anm. 2. Vgl. Cramme, Euergetismus, S. 62. Vgl. Paris, P., Inscriptions d’Élatée, BCH 10 (1886), S. 356–385, hier S. 373 f. Zum ἀργυροταμίας τῶν βουλευτικῶν χρημάτων (TAM IV 262) vgl. Marek, Pontus et Bithynia, S. 87. Marek sieht in diesem Amt einen Verwalter der Eintrittsgelder der Ratsherren. Etwas weiter gefasst will den Begriff Bartels sehen (Bartels, J., Rez. Christian Marek, Pontus et Bithynia. Die römischen Provinzen im Norden Kleinasiens, Mainz 2003, Bryn Mawr Classical Review, http://bmcr.brynmawr.edu/2004/2004-04-09.html, Zugriff am 27.03.2015). Vgl. auch Marek, Geschichte Kleinasiens, S. 533. IK Nikaia 1260. Vgl. Legrand, P.-E., Chamonard, J., Inscriptions de Phrygie, BCH 17 (1893), S. 241–293, hier S. 261 = IGR IV 657. Cic. Flacc. 55; vgl. Erkelenz, Finanzierung, S. 50 f. mit Anm. 37. Erkelenz hat überzeugend dargelegt, dass diese Art der Finanzierung der Spiele aus den Angaben bei Cicero rekonstruierbar ist. Ausführlicher dazu in Kap. II.3.3.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

dig gewesen sein könnte.62 Hierarchisch war der οἰκονόμος dem ἀργυροταμίας sicherlich untergeordnet. Diese Sichtweise unterstreicht auch ein Blick auf die Person des uns bekannten ἀργυροταμίας M. Ulpius Carminius Claudianus, der in einer großen Ehreninschrift aus Aphrodisias geehrt wird. Er gehört zu einer der am besten belegten Familien Asias.63 Die Familie erhielt wahrscheinlich das römische Bürgerrecht unter Trajan und trat spätestens unter Antoninus Pius als eine der führenden Familien der Region auf.64 Der Vater des ἀργυροταμίας M. Ulpius Carminius Claudianus mit Namen M. Ulpius Carminius Polydeukes Claudianus hatte neben einer beeindruckenden städtischen Karriere vor allem das Amt des asianischen Archiereus aufzuweisen. Der Sohn erwarb sich in Aphrodisias einen Ruf als großzügiger Geldspender und Euerget. Im besagten Ehrendekret aus Aphrodisias wird er unter anderem geehrt für seine finanziellen Wohltaten für den Rat und die Gerousie von Aphrodisias sowie für Spenden für das Theater und das Gymnasium.65 So ließen lokale Ämter nicht lange auf sich warten. Claudianus bekleidete unter anderem das Amt des städtischen Kaiserpriesters und das Priesteramt im Aphroditekult, erwähnt wird daneben, dass er als Kämmerer (ταμίας) in Aphrodisias tätig war. Offensichtlich lag hier eine seiner Stärken. Sein Aufstieg in sozialer Hinsicht spiegelte sich ebenfalls in seiner Heirat mit Flavia Appia wider, der Tochter eines der angesehensten Häuser aus Aphrodisias, ihr Vater selbst hatte als Ritter und procurator Augusti beste Verbindungen in die senatorische Klasse Roms, sodass sein Sohn, Appias Bruder, Senator wurde. Unter diesen Vorzeichen muss man sicherlich die provinzialen und übergeordneten Ämter des M. Ulpius Carminius Claudianus betrachten. Er wird als ἀργυροταμίας von Asia und λογιστής66 (lat. curator rei publicae) von Kyzikos genannt. Dass diese beiden Ämter durch eine innere Logik verbunden sind, zeigt die Nennung in der Inschrift in unmittelbarer Folge (Z. 12–13). Möglicherweise hatte sich Claudianus mit der erfolgreichen Verwaltung der Stiftungsgelder des Provinziallandtags für die heikle Aufgabe des kaiserlichen Sonderbevollmächtigten qualifiziert.67 Immerhin betraute man ihn mit der Finanzaufsicht einer der bedeutendsten Städte der Provinz Asia, einer der fünf Metropolen mit einem provinzialen Kaisertempel. Wie weit die Vollmachten eines λογιστής gingen, wissen wir aus einer ephesischen Inschrift auch aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr.68 Dass man bei diesem Mann, der nur dem Kaiser gegenüber re62 63 64 65 66 67

68

Vgl. Marek, Geschichte Kleinasiens, S. 533. Marek beschreibt den oikonomos als Vorsteher über die Einkünfte. Vgl. Thonemann, Ertugrul, Carminii, S. 75–86; vgl. zu den Carminii auch Halfmann, Senatoren, S. 203 f.; Campanile, I sacerdoti, S. 69 f. Vgl. Thonemann, Ertugrul, Carminii, S. 78. Vgl. auch Laum, B., Stiftungen in der griechischen und römischen Antike. Ein Beitrag zur antiken Kulturgeschichte, Bd. 1: Darstellung, Berlin 1914, S. 109 Nr. 108. Zur häufigen Verbindung des Amtes eines λογιστής mit den höchsten Koinon-Ämtern vgl. Campanile, Il koinon di Bitinia. Zu den curatores rei publicae vgl. Burton, G. P., The curator rei publicae: Towards a reappraisal?, Chiron 9 (1979), S. 465–487; Jacques, F., Les curateurs des cités dans l’occident romain de Trajan à Gallien. Études prosopographiques, Paris 1983; Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 119–122. IvEphesos Ia 15–16. Zu den curatores rei publicae vgl. auch Eck, W., Der Kaiser, die Führungsschichten und die Administration des Reiches (von Vespasian bis zum Ende der antonini-

IV.2 Die Ausgaben- und Einnahmenstruktur der Provinziallandtage

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chenschaftspflichtig war und unabhängig vom Statthalter sein Amt ausübte, auf einen in finanziellen Dingen äußerst gut beleumundeten und bereits in anderer Tätigkeit ausgewiesenen Funktionär zurückgriff, verstand sich von selbst. Ganz deutlich tritt hier die personelle Verbindung von Reich, Provinz und Stadt hervor. Jener M. Ulpius Carminius Claudianus war aufgrund seiner sozialen Herkunft, seiner familiären Verbindungen, seines Reichtums, aber sicherlich auch seiner persönlichen Qualifikation auf allen drei Ebenen eingebunden. Sein Erfolg zahlte sich schließlich für seinen Sohn aus. T. Flavius Carminius Athenagoras Claudianus konnte seine steile Karriere in Rom beginnen und erreichte unter Commodus ein Prokonsulat und schließlich etwa 190 n. Chr. ein Suffektkonsulat. An dieser Stelle sei noch auf eine Funktion des Provinziallandtags von Asia hingewiesen, die eventuell aus drei Briefen Hadrians, die in Alexandria Troas gefunden wurden, hervorgeht.69 Behandelt wird das Problem der Entlohnung der Xystarchen und Hadrian verweist dieses Problem zur Lösung an das Synhedrion des Provinziallandtags von Asia. Die Herausgeber der Kaiserbriefe vermuten nun, das Synhedrion des Koinon von Asia sei „die in dieser Zeit für alle Agone im Imperium Romanum wenn nicht insgesamt zuständige, so doch richtungsweisende Institution gewesen“70. Träfe dies zu, so müsste man sicherlich daraus schlussfolgern, dass die Personaldecke des asianischen Landtags deutlich stärker war, als das die überlieferten Amtsträger erkennen lassen. Eine Einbindung in die reichsweite Organisation der Agone hätte eine umfangreiche administrative Infrastruktur zur Folge gehabt. Aber selbst wenn die einzelnen Provinziallandtage lediglich die in ihrer Provinz ansässigen Agone betreut hätten, wäre dies mit den wenigen Funktionären kaum zu leisten gewesen. Hier werden zukünftige Funde das Bild hoffentlich weiter differenzieren. IV.2.1.1.2 Tres Galliae An dieser Stelle scheint es lohnenswert, einen Blick auf jene westlichen Provinzen zu werfen, die uns über das Oberpriesteramt hinaus Einblicke in die Verwaltungsstruktur eines Provinziallandtags freigeben: die Tres Galliae. Für die drei gallischen Provinzen sind neben dem Provinzialpriester weitere Verwaltungsbeamte überliefert und auch hier überschneiden sich die Tätigkeitsfelder des Provinziallandtags

69 70

schen Dynastie), in: ders. (Hg.), Die Verwaltung des Römischen Reiches in der hohen Kaiserzeit. Ausgewählte und erweiterte Beiträge, Bd. 2, Basel 1998, S. 3–145, hier S. 130 f.: „Ihre Tätigkeit erstreckt sich nicht auf alle Bereiche der Stadt, sie ersetzen auch nicht irgendwelche Munizipalmagistrate. Sie haben vielmehr in dieser Zeit allein den finanziellen Sektor des öffentlichen Lebens und die Amtsführung der Magistrate, soweit davon die Finanzen betroffen waren, zu kontrollieren. Stiftungsgelder, das Vermögen städtischer Tempel, Gemeindeländereien unterstanden genauso ihrer Kontrolle wie die Reparatur von Gebäuden oder Neubauten, denen sie zustimmen mußten […]“. Vgl. Petzl, Schwertheim, Hadrian und die dionysischen Künstler. Ebd., S. 51.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

mit denen der römischen Administration.71 Mehrfach überliefert sind der iudex arcae Galliarum72 sowie ein allectus arcae Galliarum73, die wohl mit der Finanzverwaltung betraut waren.74 Das Amt des inquisitor Galliarum75 ist relativ häufig belegt, allerdings nur für Gallien, ohne dass es einen schlüssigen Hinweis auf das Tätigkeitsfeld gäbe.76 Immer wieder wurde das Inquisitorenamt mit der Finanzverwaltung des Landtags in Verbindung gebracht, obgleich die Etymologie eher einen juristischen Kompetenzbereich erwarten ließe. Über prosopographische Methoden lassen sich aber einige interessante Feststellungen treffen: Alle Amtsträger hatten eine abgeschlossene Munizipalkarriere. Jeweils zwei der allecti wie der inquisitores bekleideten neben ihrer Finanztätigkeit für das concilium provinciae auch Patronatsämter in den ökonomisch bedeutenden lokalen Flussschifferkorporationen Galliens. Möglicherweise verlieh Kaiser Hadrian dem inquisitor und patronus Q. Otacilius Pollinus für seine Tätigkeit beim Transport der annona oder für Transportaufgaben im militärischen Kontext die immunitas, von der eine Ehreninschrift berichtet.77 Über die personelle Verschränkung von Landtag und Wirtschaftskorporationen wird an späterer Stelle noch näher zu sprechen sein (Kap. IV.4.1.), es deutet sich aber auch in Gallien an, dass finanzwirtschaftliches Fachwissen für die Kassenaufsicht der Provinziallandtage requiriert wurde, das sich in inner- und transprovinzialen Netzwerken bewährt hatte. Die angeführten Ämter werden gemeinhin in ihrem Rang unterhalb des Priesteramtes eingeordnet. Es ist aber bemerkenswert, dass sich in keinem Fall eine Karrierestruktur von diesen vermeintlich niedrigeren Ämtern in der Verwaltung der Provinziallandtage zu dem vermeintlich übergeordneten Amt des Sacerdos erkennen lässt.78 Der einzige Fall einer solchen Bekleidung von religiösem Amt und Verwaltungsamt ist der des T. Sennius Sollemnis. Gerade er scheint aber atypisch zu sein, da Sollemnis das Amt des iudex arcae ferrariarum lange nach seiner Amtszeit als Oberpriester des Provinziallandtags des Tres Galliae ausübte. Drinkwater wies völlig zu Recht bereits 1979 darauf hin, dass im Vergleich zu den Sacerdotes, 71 72 73

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Zwei der Beamten des gallischen Concilium waren vor Ihrer Amtszeit als curatores für gallische Gemeinden tätig gewesen. Vgl. Drinkwater, J. F., A note on local careers in the Three Gauls under the early empire, Britannia 10 (1979), S. 89–100, hier S. 96 f. CIL XIII 1686, 1707, 1708. CIL XIII 1709, 1688. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 102 f. Interessanterweise spricht CIL XIII 1688 nicht von einem allectus arcae Galliarum, sondern von einem allectus arae Galliarum. Ob hier eine Verschreibung vorliegt oder als Synonym für die Kasse des Landtags der Altar in Lugdunum, an dem sich die Vertreter Galliens versammelten, gemeint ist, lässt sich nicht abschließend klären. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 102 f.; Kornemann, Concilia, Sp. 817 f. sieht im iudex arcae Galliarum den „juristischen Beirat bei der Cassenverwaltung des Landtags, der über die die arca betreffende Streitigkeiten und Processe zu entscheiden hatte“. CIL XIII 1690, 1695, 1697, 1703, 3528, 5116; vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 103. Zu den diversen Vorschlägen vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 102 f. mit Anmerkungen. Vgl. Frei-Stolba, R., Q. Otacilius Pollinus: Inquisitor III Galliarum, in: Kneissl, P., Losemann, V. (Hgg.), Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Christ zum 65. Geburtstag, Darmstadt 1988, S. 186–201, hier S. 194–201. Vgl. Drinkwater, A note on local careers, S. 95–97.

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die mit wenigen Ausnahmen nur auf lokale Karrieren zurückblicken konnten79, die Verwaltungsbeamten des gallischen Concilium über überregionale oder sogar überprovinziale Erfahrungen verfügten.80 Er leitet daraus den Schluss ab, dass das eher repräsentative Amt des Oberpriesters nicht zwingend bedeutender war als die Ämter des iudex, allectus oder inquisitor (arcae) Galliarum.81 Es deuten sich hier also Ergebnisse an, die Parallelen zur Provinz Asia aufweisen. Die religiösen und die säkularen Ämter der Provinziallandtage stehen eher neben- als hierarchisch untereinander. Fishwicks Vorschlag zu den Ämtern der Finanzverwaltung des Concilium verknüpft ihre Einrichtung mit einer Neuregelung der westlichen Provinziallandtage unter Vespasian, die sich in der lex Narbonensis niedergeschlagen haben soll. Erst mit diesem Gesetz – so Fishwick – erfolgte auch die Einrichtung einer arca mit nun festgelegten Beiträgen (stips annua) und damit wiederum die Einrichtung von Ämtern (iudex, allectus, inquisitor) zur Verwaltung dieser Gelder.82 Die Autorin sieht in der lex Narbonensis eher eine interne Regelung des Concilium und bezweifelt die Datierung in vespasianische Zeit. Angesichts der Einrichtung des Concilium der Tres Galliae 12 v. Chr. muss man wohl eher davon ausgehen, dass auch eine finanzielle Verwaltung bereits früh installiert wurde. Es ist wohl nicht zu viel Spekulation, hinter den genannten Ämtern die Verwalter verschiedener Kapitalfonds (Land oder Geld) zu vermuten, ganz ähnlich den Verhältnissen in der Provinz Asia. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird über die Einnahmen der Landtage zu sprechen sein und es wird deutlich werden, dass wir es mit einer Einnahmenstruktur zu tun haben, die wesentlich vielfältiger war als bisher angenommen. Dementsprechend darf man annehmen, dass es eines breiteren personellen Aufwandes bedurfte, diese Gelder einzutreiben und zu verwalten, als bisher angenommen. Eine interessante Nachricht besitzen wir für Gallien aus dem Jahr 238 n. Chr. In der berühmten Inschrift für T. Sennius Sollemnis wird ihm in seiner Funktion als iudex arcae ferrariarum vom Landtag der Tres Galliae eine große Ehreninschrift 79 80 81

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Vgl. Fishwick, D., The later careers of provincial priests in the Western Roman Empire, Epigraphica 62 (2000), S. 87–100. Vgl. ebd., S. 96 f. „The honour, glory and expense of the chief priesthood went for the most part to men of essentially Gallic outlook. These could and did involve themselves in Gallic affairs at the Ara, but their period of office was short and, most important, their executive powers were restricted to religious observances and the chairing of debates. The responsibility of actually running the organization of the Council of the Three Gauls – collecting its dues, administering its lands etc. – was given to men of proved ability in widescale administrative and commercial affairs, who would be less likely to let the thing go bankrupt. (Perhaps such officials were appointed for longer than the single year of a high priest, i. e. they were more professional – which would go some way in explaining the rarity of their inscriptions?) The officers of the Council may have had less status but more practical importance than the high priests in the running of the affairs of the Tres Galliae; added to which, they would have had greater opportunities for financial gain in the fulfillment of their duties. This might well explain the otherwise rather odd acceptance by the ex-high priest Sollemnis of the ‚inferior‘ rank of iudex arcae ferrariarum.“ (Drinkwater, ebd., S. 96). Vgl. auch Fishwick, ICLW III, 2, S. 53 f. Vgl. Fishwick, D., Flavian regulations at the sanctuary of the Three Gauls?, ZPE 124 (1999), S. 249–260; ders., ICLW III, 1, S. 154–156 und III, 2, S. 46–55.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

errichtet, die explizit betont, dass dies zum ersten Mal am Heimatort eines Funktionsträgers geschieht. Es wird also schon in der Inschrift das Außergewöhnliche des Amtsträgers und seiner Funktionen betont. Die Inschrift wurde zahlreich kommentiert und interpretiert, weil sie für die Rekonstruktion der Ereignisse des Jahres 238 um den Sturz des Maximinus Thrax wichtige Hinweise liefert.83 Sie ist im Zusammenhang dieser Arbeit insbesondere aufschlussreich für die Verknüpfung der provinzialen und römischen Eliten und für ihre Netzwerke. Die Frage, die sich hier hinsichtlich des Amtes stellt, ist aber, ob dieses Amt zum Tätigkeitsbereich des Provinziallandtags der Tres Galliae gehört. Im Gegensatz zu Pflaum in seinem bis heute grundlegenden Kommentar84 lehnt Deininger dies ab.85 Die neueste ausführliche Besprechung des Marmor Tauriniacum aus dem Jahr 2008 geht aber wieder von einem innerconciliaren Amt aus.86 Wir wissen heute sicher, dass die gallischen Eisenerzminen in der Kaiserzeit von verschiedenen Instanzen kontrolliert wurden: entweder vom Staat (ferrarie Gallicae), von einer Instanz, die sich aus dem Landtag ableitete (arca ferrariarum), oder von Privatpersonen oder Städten.87 Man kann aus der Ehreninschrift für T. Sennius Sollemnis sicherlich konstatieren, dass das Amt des Kassenverwalters der Eisenerzminen aufs engste mit dem Provinziallandtag verbunden gewesen sein muss, vielleicht sogar zwischenzeitlich in seinem Tätigkeitsbereich lag und aus seinen Reihen besetzt wurde. Zumindest wäre das eine Erklärung dafür, dass Sollemnis die Funktion nach seinem Ausscheiden aus dem 83

84 85

86 87

Vgl. u. a. Pflaum, H. G., Le marbre de Thorigny, Paris 1948; Drinkwater, J. F., Roman Gaul. The Three Provinces, 58 BC-AD 260, London 1983, S. 113 f.; Vipard, P., Marmor Tauriniacum. Le marbre de Thorigny. La carrière d’un grand notable Gaulois au début du troisième siècle ap. J.-C., Paris 2008; Haegemans, K., The ‚Marbre de Thorigny‘: Rebellion or loyalty?, in: van Nuffelen, P. (Hg.), Faces of hellenism. Studies in the history of the eastern Mediterranean (4th century B. C. – 5th century A. D.), Leuven u. a. 2009, S. 277–288; Fishwick, ICLW I, 2, S. 361– 366. Vgl. Pflaum, Le marbre de Thorigny, S. 17 f. Deininger, Provinziallandtage, S. 104 Anm. 4: „Daß das einmal genannte Amt des iudex arcae ferrariarum […] ein Landtagsamt gewesen sein soll […] erscheint kaum glaubhaft. Weder geht es aus dem Titel hervor, noch ist die Verwaltung der Eisenminen durch den Landtag, wofür es nirgends eine Parallele gibt, wahrscheinlich.“ Vgl. Vipard, Marmor Tauriniacum, S. 93: „[…] Sollemnis a exercé le poste de iudex arcae ferrariarum au sein du conseil fédéral.“ So auch Drinkwater, Roman Gaul, S. 113. Vgl. Sablayrolles, R., L’administration des mines de fer en Gaule romain, in: Domergue, C. (Hg.), Minería y metalurgia en las antiguas civiliaciones mediterraneas y europeas. Coloquio internacional asociado, Madrid 24–28 octobre 1985, Madrid 1989, S. 157–159 und ders., Analyses d’économie antique: textes anciens et archéologie récente, in: L’Aquitaine et l’Hispanie septentrionale à l’époque julio-claudienne. Organisation et exploitation des espaces provinciaux. Colloque Aquitania, Saintes (septembre 2003), Bordeaux 2005, S. 415–422. Nichts Neues zu dieser Frage liefert Hirt, A. M., Imperial mines and quarries in the Roman world. Organizational aspects 27 BC – AD 235, Oxford 2010, S. 89 Anm. 193. Vgl. auch CIL X 7584 = ILS 1359. Hier wird Quintus Cosconius Fronto als kaiserlicher Prokurator für die Abgaben der gallischen Eisenbergwerke erwähnt (proc(uratori) Augg(ustorum) ad vectig(al) ferr(ariarum) Gallic(arum). Vgl. auch CIL XIII 1808, wo ein Freigelassener des Kaisers als tabul(arius) ration(is) ferrariarum erwähnt wird. Vgl. zu dem Komplex der Eisengewinnung und ihrer Organisation Herz, P., Gedanken zu Wirtschaft und Gesellschaft des römischen vicus Bliesbruck/Reinheim, Vortrag unpubliziert.

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Priesteramt übernahm, was sogar für eine höhere Bedeutung des Kassenamtes spricht88, und er schließlich auch noch in seiner Eigenschaft als iudex arcae ferrariarum vom Landtag geehrt wird. Gerade im Licht der Ereignisse um 238 hatten die Erzminen immense Bedeutung bei der Machtsicherung und bildeten höchstwahrscheinlich auch für die Elitevertreter der Provinz ein wirtschaftliches Rückgrat. Wir wissen, dass zahlreiche Minen im dritten Jahrhundert in Schwierigkeiten gerieten und sogar schließen mussten.89 Die Ehrung des Sollemnis in seiner Eigenschaft als Verwalter der Minen darf sicherlich als Ausweis seiner erfolgreichen Arbeit gesehen werden und damit als Stabilitätsgarant für die Provinz und ihre Vertreter in einer Zeit politischer Umstürze. Möglicherweise haben wir es hier auch mit einem Amt zu tun, das in der Krisensituation erstmals oder nur kurzfristig eingerichtet wurde und für das reibungslose Funktionieren der Einnahmen aus den Eisenerzminen sorgen sollte. Dass man gerade dabei auf ranghohe Mitglieder des Concilium und gewesene Oberpriester mit besten Verbindungen zu römischen Funktionsträgern zurückgriff, zeigt, dass der Landtag auch als Pool für spezialisierte Amtsträger gesehen wurde. IV.2.1.1.3 Zur Rolle der patroni provinciae Die Ämter, die neben den sakralen Funktionen aus der dreihundertjährigen Geschichte der Provinzialversammlungen überliefert sind, lassen sich beinahe alle auf das Aufgabenfeld „Finanzen und juristische Beratung“ zurückführen. Dies zeugt von der großen Bedeutung dieses Sektors. Bislang wurde die Quellenlage meist negativ gedeutet und stets darauf verwiesen, dass die Quellenbasis sehr dünn sei und man wenig Belastbares sagen könne.90 Versucht man aber eine positive Deutung der Quellen, so kommt man an den Finanzen nicht vorbei. Selbst bei der dünnen Quellenlage zeigt sich ein eindeutiger Trend: Die Finanzverwaltung der Provinziallandtage war ausgefeilt und differenziert. Zwei Schlussfolgerungen können daraus gezogen werden: Zum Ersten gab es eine ausgebildete Finanzstruktur des Landtags, weil er diese benötigte. Zum Zweiten waren die Provinziallandtage mit der römischen und vor allem provinzialrömischen Finanz- und Wirtschaftswelt verbunden: Die Provinzbewohner erschlossen über den Landtag Märkte, wickelten Geschäfte ab und koordinierten Geschäftskontakte; die römische Reichszentrale nutzte den Landtag als nicht in die römische Administration eingebundene Finanzund Wirtschaftsinstitution beispielsweise für Transportaufgaben, im Rahmen der annona oder beim Straßenbau. Eine solche Zusammenarbeit trägt die Züge dessen, was man modern mit dem Begriff des „Lobbyismus“ umschreiben würde. Zu jenen Personen, die in Rom am deutlichsten für die Provinz Lobbyarbeit betrieben – wobei dieser Begriff hier völlig wertneutral gebraucht und nicht mit der negativen Konnotation belegt wird, die dem Lobbyismus in der Gegenwart anhaftet 88 89 90

Vgl. dazu Haegemans, The ‚Marbre de Thorigny‘, S. 280 und 286. Vgl. Haegemans, The ‚Marbre de Thorigny‘, S. 286 Anm. 23. So z. B. Vipard, Marmor Tauriniacum, S. 93–95.

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– gehören sicherlich die Patrone der Provinzen. Kornemann subsumiert sie bereits unter die Verwaltungsbeamten der Provinz, wobei sie mit Sicherheit nicht als klassische Beamte mit Tätigkeitsbereich oder sogar Budget betrachtet werden können.91 Zu den Provinzpatronen hat sich jüngst Wesch-Klein ausführlicher geäußert.92 Die Entwicklung des Provinzpatronats von der Zeit der Republik bis in die hohe Kaiserzeit ist geprägt von einem Wandel sowohl die gesellschaftliche Stellung der Personengruppe betreffend, aus der es sich rekrutierte, aber auch – wenn auch weniger gravierend – ihrer Aufgaben. Haben wir es bei den ersten Provinzpatronen ab dem ausgehenden dritten Jahrhundert v. Chr. noch mit jenen Feldherren zu tun, die die von ihnen unterworfenen Provinzen in Rom vertraten, geht die Patronatsbeziehung in der späten Republik vermehrt aus magistratischen Tätigkeiten oder juristischer Betreuung hervor. Diese Art der Patronage wurde auf die Nachfahren der patroni vererbt.93 Mit dem Wandel der Patronage seit Augustus hin zur einer reichsweiten Patronage durch die Kaiser als patronus Romani imperii94 scheint die Provinzpatronage marginalisiert worden zu sein. Zwar ehrten Provinzen weiterhin römische Magistrate und Senatoren für die ihnen entgegengebrachten Leistungen und es existieren auch danach Belege für die Vertretung der Provinzialen vor Gericht, aber erst ab der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. finden wir die Benennung als patronus provinciae auf Inschriften. Diese „neuen“ Provinzpatrone rekrutierten sich hauptsächlich aus der Elite der Provinz oder sie waren ritterlicher Herkunft und in der jeweiligen Provinz tätig. Zum Teil amtierten sie auch als Priester des Provinzialkultes.95 Gerade im dritten Jahrhundert muss man die Provinzpatronage wohl als Versuch verstehen, die lokalen Machtstrukturen für die Bewältigung der innen- wie außenpolitischen Krisensymptome in der Zeit der sogenannten Reichskrise nutzbar zu machen. Ein Mann wie der aus Nordafrika bekannte Q. Gargilius Martialis steht dabei beispielhaft für die Provinzpatrone des dritten Jahrhunderts.96 IV.2.1.1.4 Lykien Als Sonderfall hinsichtlich seiner Entstehung wie seiner Amtsträger wird nach wie vor das lykische Koinon behandelt.97 Diese Sonderstellung schrieb man der langen Tradition dieses Koinon zu, das weit in die hellenistische Zeit zurückreichte und Gremien wie Ämter seiner dreihundertjährigen Geschichte in die Kaiserzeit und in 91 92 93 94 95 96 97

Vgl. Kornemann, Concilia, Sp. 818; zu den patroni vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 168– 169. Vgl. Wesch-Klein, Provincia, S. 158–170. Beispiele finden sich bei Wesch­Klein, Provincia. Vell. 2, 120, 1. In Hispania citerior M. Iulius Serenianus Adoptivus (AE 1897, 100 = RIT 284); in den Alpes maritimae: C. Subrius Secundinius (CIL V 8917), Valerius (AE 1924, 61 = ILGN 3). Vgl. Herz, P., Gargilius Martialis. Lokale Gesellschaft und Militär im römischen Nordafrika, unpubliziert. Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. II.3.5.3. und II.5.1.4.

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die Provinzialisierung hinein teilweise transferierte. Viele Probleme, die Deininger noch nicht zu lösen vermochte, können heute aber aufgrund neuer Inschriftenfunde und Untersuchungen als geklärt gelten.98 Eine breite Diskussion gibt es unter den Spezialisten der lykischen Epigraphie über das Verhältnis der Ämter Archiereus und Lykiarch.99 Bereits Deininger vermutete hier eine Identität. Neuere Auswertungen der inschriftlichen Befunde kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Lykiarch und Archiereus des Bundes „zwei Aspekte ein und desselben Amtes“ bezeichnen.100 Aber erst in jüngster Zeit wurde die Identitätsthese wieder in Frage gestellt. Engelmann interpretierte 2006 eine neue Inschrift aus Patara als Beleg dafür, dass die Lykiarchie „ein Begriff [war], der die zwei höchsten lykischen Ämter der Kaiserzeit [archiereus und grammateus] in sich vereinte.[…] Der Titel Lykiarch, ‚Herr über Lykien‘, stand jener Persönlichkeit zu, die beide Ämter ausübte, die Erzpriester des Kaiserhauses und Sekretär des lykischen Bundes war.“101 Widerspruch erfuhr diese vermeintlich abschließende Deutung bereits im selben Jahr von Sahin. Auch er beruft sich auf epigraphisches Material und schreibt: „In diesem Sinne umfasste Lykiarchie beide Ämter, Grammateia und Archiereia, so dass sowohl Grammateus als auch Archiereus sich nebeneinander als Lykiarch bezeichnen durften.“102 Einen neuen und sehr anregenden Denkanstoß lieferte 2011 Reitzenstein in ihrer Dissertation zu den lykischen Bundespriestern. Sie plädiert dafür, die Ämter des Bundes – zunächst einmal in Lykien – nicht als monolithische Institutionen, die über vier Jahrhunderte hinweg unveränderlich waren, zu betrachten. Diesem Gedanken folgend, kommt sie zu dem Ergebnis, dass in der epigraphischen Überlieferung die „Lykiarchie […] erst sehr viel später zu beobachten ist als die Archierosyne“103. Sie erklärt das mit einer kaiserzeitlichen Neuinterpretation des hellenistischen Lykiarchentitels. Interessanter unter dem Aspekt der finanziellen Struktur des lykischen Bundes ist aber eine Reihe von Ämtern, die nur für diesen Provinziallandtag nachgewiesen sind und in der aktuellen Forschung als Ausweis für den Sonderstatus des lykischen Provinziallandtags gesehen werden.104 Neben dem bereits aus Asia bekannten Amt des Grammateus ist für Lykien auch ein Hypogrammateus belegt. Bemerkenswerterweise werden diese beiden Ämter neben dem Archiereus in einem neuen Zolldokument aus Andriake105 als jene Beamte genannt, die die Zolleinnahmen einziehen und Bürgen der Provinz gegenüber dem römischen Fiskus sind. Wie die drei Ämter die Aufgabe untereinander aufteilten bzw. welche Kompetenzen sie im Einzelnen hatten, lässt auch die neue Inschrift offen, es liegt aber ein ganz klarer Beleg dafür 98 99 100 101 102 103 104

Für eine Auswahl der wesentlichen Literatur vgl. Kap. II.5.1.4. Dazu bereits ausführlich in Kap. III. 2.2.2. Kokkinia, Die Opramoas-Inschrift von Rhodiapolis, S. 215. Engelmann, Zur Lykiarchie, S. 184. Sahin, Disput, S. 42. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 51. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 69–81; Behrwald, Der lykische Bund, S. 209–224; Brand, Kolb, Lycia et Pamphylia, S. 27–33; Reitzenstein, ebd., S. 80–86 spricht von „mehr Kompetenzen in der Selbstverwaltung als andere Bundesorganisationen“ (S. 80). 105 Vgl. Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae.

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vor, dass ein Provinziallandtag in die römische Finanzverwaltung eingebunden war und für den römischen Staat Zölle einzog. Der Erstherausgeber unterstreicht dabei die Rolle des Provinziallandtags bei dem Plan Neros, die publicani zu entmachten. Die in der Forschung viel diskutierte personelle Identität von Archiereus und Grammateus kann seit der Andriake-Inschrift ad acta gelegt werden. Es handelt sich um getrennte Ämter106, die stark in die Finanzverwaltung des Koinon wie der Provinz eingebunden waren. Allerdings haben wir zahlreiche Beispiele für eine Personalunion dieser beiden Ämter.107 Der Hypogrammateus wird als „subalternes Amt“ gesehen, das dem Grammateus unterstand.108 Die lykische Archiphylakie ist ein Sonderfall und sonst in keinem Koinon bekannt. Seine Aufgabe hat Engelmann auf der Basis der Opramoas-Inschrift109 wie folgt zusammengefasst: „Ein Archiphylax sollte: – dem römischen Fiscus im Namen des lykischen Bundes für die Steuer bürgen; – die Steuer in voller Höhe und zum fälligen Termin an den römischen Fiscus abführen; – die Steuern nicht mit Härte eintreiben; – eigenes Geld vorschießen, falls die Steuererhebung nicht die erforderliche Summe erbrachte; – auf den sozialen Frieden […] und das Wohlergehen der Provinz […] achten.“110.

In der Regel bekleideten die Amtsträger dieses Amtes auch weitere Provinzämter. Dem Archiphylax unterstand ein Hypophylax.111 Diese Beispiele des Funktionsstabes der bekanntesten und am besten bezeugten Provinziallandtage zeigen deutlich, dass wir es hier mit einem zahlenmäßig nicht zu vernachlässigenden Apparat zu tun haben, der einerseits – wie das Beispiel Asia zeigt – über ein Budget verfügte, das ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung stand, der andererseits – zumindest unterhalb der Ebene der Archiereus – auch alimentiert werden musste. Daneben waren sicher etliche Personen im Umkreis des Tempels und des Kultes beschäftigt112, sei es als Hausmeister, Opferdiener, Begleitpersonal der Provinzialpriester bei Prozessionen und Agonen oder Träger der Kaiserbilder113. 106 Vgl. ebd., S. 177. 107 Reitzenstein sieht dies sogar als Regelfall an (Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 82). 108 Ebd., S. 81. 109 TAM II 905 = IGR III 739. 110 Engelmann, Opramoas als Archiphylax, S. 124. Vgl. auch Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 83. Engelmann sieht die Begleichung der Steuerschuld gegenüber Rom als Aufgabe der Archiphylakie. Dies ist nicht unumstritten. 111 Vgl. Zimmermann, ὑποφύλαξ. Zimmermann sieht das Amt des Hypophylax im lykischen Bund nicht als erstes Amt innerhalb einer Art cursus honorum, sondern als lokal begrenztes Tätigkeitsgebiet innerhalb der Steuereinziehung, die – so seine Vermutung – nicht von den Römern selbst, sondern vom Koinon ausgeübt wurde. Offensichtlich haben Hypophylakes und Archiphylakes das Steueraufkommen der Provinz vorgestreckt und daher wurde diese Funktion auf mehrere Schultern verteilt. Die Hypophylakes agierten dabei auf lokaler Ebene, da sie der lokalen Oberschicht entstammten und ihre finanziellen Ressourcen begrenzt waren, anders der Archiphylax, der zur provinzialen Oberschicht gehörte. 112 Vgl. die Abrechnungen des Iuppiter Capitolinus-Tempels im ägyptischen Arsinoe in BGU II 362, die hier gewiss als Analogie herangezogen werden dürfen. 113 Hierophant, Sebastophant in Bithynien (Deininger, Provinziallandtage, S. 61); vgl. Edelmann, Pompa.

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IV.2.1.1.5 Kultpersonal – das Beispiel der Hymnoden Aus dem umfangreich überlieferten Kultpersonal114 der Provinziallandtage sollen im Folgenden die Hymnoden exemplarisch herausgegriffen werden, eine Gruppe, die insbesondere die Ausgabenstruktur deutlich macht, die mit den kultischen Aufgaben im Zusammenhang steht. Die Hymnoden, also die Sänger von Festliedern zu Ehren des Kaisers, treten uns in der Provinz Asia beinahe ausschließlich in epigraphischer Form115 entgegen. Der Verein der Hymnoden des Augustus und der Dea Roma von Pergamon wird mit der Einrichtung des provinzialen Kaiserkultes 29 v. Chr.116 gegründet. Eine Inschrift der Sänger kultischer Lieder aus hadrianischer Zeit gibt uns einen Überblick über die regelmäßigen Opfer dieses Kultes.117 Es fanden jährlich an zwölf Tagen Opfer für Augustus statt, ein großes Opfer an seinem Geburtstag, dem 23. September, und elf kleinere Opfer an jedem ersten Tag eines Monats des asianischen Jahres, sozusagen als Reminiszenz an das große September-Opfer. Darüber hinaus wurden weitere große Feiertage118 begangen und Opfer für alle zu den divi et divae zählenden Kaiser und Kaiserinnen zelebriert.119 Allein mit diesen sicheren Opferanlässen kommt man auf eine Zahl von 26 Tagen im Jahr, an denen Opfer stattfanden und Hymnen gesungen wurden. Für die Tempel und den Kult der übrigen Kaiser, also Trajan oder Hadrian, dürfen wir eine ähnliche Anzahl an Feierlichkeiten und Opfern annehmen.120 Dabei sind noch nicht eingerechnet die großen über mehrere Tage andauernden Provinzspiele der Rhomeia Sebasta und Traianeia, die beide in Pergamon stattfanden. Rechnet man diese Zahlen hoch, muss man wohl in der Summe von siebzig bis einhundert Auftritten der Hymnoden von Pergamon pro Jahr ausgehen. Von den dreißig Hymnoden des Augustus in Pergamon wissen wir mit Sicherheit, dass die Kosten dieser Vereinigung auf ganz Asien umgelegt und vom Provinziallandtag bestritten wurden, da sie – wie es im Edikt des Prokonsuls aus dem Jahr 44 n. Chr. heißt – zu „drückend für eine einzige Stadt“ waren.121 Für die anderen Städte legte Kaiser Claudius in seinem Edikt desselben Jahres fest, dass aus Kostengründen eine Entprofessionalisierung stattfinden sollte und die Epheben zukünf-

114 Überliefert sind u. a. Komponisten und Sänger (IvEphesos Ia 22) sowie Prosadichter (Robert, Voyages, S. 184–186; IvDidyma 148 mit Robert, Le culte de Caligula, S. 210). 115 Vgl. AvP VIII 2, 374; IvEphesos Ia 17–19; IvEphesos VII/2, 3801. Vgl. auch Halfmann, H., Hymnoden von Asia in Kyzikos, in: Schwertheim, E. (Hg.), Mysische Studien (Asia Minor Studien 1), Bonn 1990, S. 21–26. 116 Cass. Dio 51, 20, 6 f.; Tac. ann. 4, 37. 117 AvP VIII 2, 374. 118 1. Januar Anfangstag des julianischen Jahres, 24.–26. Mai Rosenfest, 23.–25. Juni Mysterien, 21. September Geburtstag Diva Augusta, 22. September letzter Tag des asianischen Jahres. 119 Zur Zeit Hadrians zählten zum offiziellen Kanon sicherlich die Divi Claudius (1. August), Vespasian (17. November), Titus (30. Dezember), Nerva (8. November), Trajan (18. September), Hadrian (24. Januar) sowie die Divae Matidia, Marciana und Plotina. 120 Zur Aufführungspraxis vgl. Bremer, J. M., Greek hymns, in: Versnel, H. S. (Hg.), Faith, hope and worship. Aspects of religious mentality in the ancient world, Leiden 1981, S. 193–215. 121 IvEphesos Ia 17–19.

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tig als Hymnoden auftreten sollten.122 Welchen Stellenwert und welche provinzübergreifende Bedeutung die Hymnoden von Pergamon erlangten, haben jüngst Mitchell und French verdeutlicht, die nachvollziehbar vermuten, einer der 35 Hymnoden des Jahres 129 n. Chr., die den bereits erwähnten Altar für Hadrian stifteten, sei der Sohn des Galatarchen und siebenmaligen Oberpriesters von Galatien Ti. Claudius Bocchus gewesen.123 Es wird deutlich, dass nur dieser eine Posten an Personalkosten im Ausgabenbudget des Provinziallandtags bereits eine Höhe erreichte, die das Potential einer Stadt wie Pergamon überschritt. Auch ist hier keine Rede von einer Übernahme der Kosten durch einen hohen Funktionär wie etwa den Archiereus. IV.2.1.1.6 Sklaven und Freigelassene Funktion und Umfang der Provinzialversammlung lassen einen Stab an untergeordnetem Verwaltungspersonal plausibel erscheinen, der im Status von Unfreien tätig war. Eine größere Anzahl von Sklaven und Freigelassenen im Umfeld der Provinziallandtage deuten auf einen gewissen Kreis dieser Kategorie von Beschäftigen hin. Diese servi publici können in enger Anlehnung an die servi der Städte betrachtet werden. Weiß sammelte in seiner Studie zu den Sklaven und Freigelassenen der Städte reichsweit 397 Belege.124 Zu den acht Sklaven und Freigelassenen der Provinziallandtage, die Deininger in seiner Arbeit von 1965 auflistete, kommen nach Recherchen der Autorin weitere acht epigraphische Zeugnisse hinzu. Allein für den westlichen Reichsteil – Italien, Gallien, Britannien, Spanien, Pannonien – verfügen wir also nach derzeitigem Wissensstand über 16 Inschriften, in denen Sklaven und Freigelassene der Landtage erwähnt werden.125 Bemerkenswert ist, dass für die 122 Zwar führt das Edikt des Paullus Fabius Persicus an, dass die Epheben an Alter, Ansehen und Lernfähigkeit dieser Aufgabe besser gewachsen wären, es wird aber sehr deutlich, dass eigentlich die hohen Kosten dazu führten, dass man diesem sowieso schon bestehenden Kollegium der Epheben den Hymnendienst zuschlug. Denn es heißt ausdrücklich: „Desgleichen ist es mein Wille, dass die Hymnoden, für die ein nicht geringer Teil der Einkünfte der Stadt verwendet wird, aus dem Dienst entlassen werden und dass dafür die Epheben […] diesen Dienst ohne Bezahlung übernehmen.“ (IvEphesos Ia 17–19; Übersetzung Wankel, ebd. S. 121). 123 Vgl. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 244–247, Nr. 83 mit Kommentar auf S. 246. 124 Stand 1997 nach AE und SEG. 125 Bereits Deininger verwies auf Sklaven und Freigelassene der Landtage. Gallien: 1. CIL XIV 326–328 Abascantus Galliarum bzw. P. Claudius III provinciarum libertus Abascantus (Inschriften aus Ostia); 2. CIL VI 29687: Atticus III provinciarum Galliarum servus (Inschrift aus Rom); 3. CIL XIII 1725 Firmanus Galliarum tabularius (Lugdunum); Britannien: 4. CILVII 28 = RIB 21 Anencletus provincialis (Londinium). Die Zweifel bei Fishwick, provincialis als servus provinciae zu lesen (The imperial cult in Roman Britain, S. 165 f., Phoenix 15 (1961), S. 159–229), auf die sich Haensch, Capita Provinciarum, S. 129 Anm. 69 beruft, sind mit der Stempelgravur RIB II 2409, 35 Tertullus provincialis und der Inschrift CIL II 2410 für Provincialis Nereus provinciae libertus wohl ausgeräumt. Interessant bleibt die Tatsache, dass sich die Inschrift in Londinium findet und nicht in Camolodunum, dem Sitz des Landtags. Baetica: 5. CIL II2/7, 300 (= CIL II 2230) C. Publicius provinciae Baeticae libertus (Corduba); Hispania citerior: 6. CIL II2/14, 1199 = AE 1919, 25 L. Fabius provinciae libertus Victor (Tarraco); 7.

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östlichen Koina keine entsprechenden Nachrichten vorliegen. Ob dies ein Quellenproblem ist oder ob es hier keine Sklaven der Landtage gab, kann nicht entschieden werden. Allerdings hat der öffentliche Sektor grundsätzlich auch im Osten des Reiches auf die Hilfe von Sklaven zurückgegriffen.126 Aber es fällt auch bei den städtischen Sklaven eine quantitative Diskrepanz auf. Von den von Weiß überlieferten Sklaven und Freigelassenen der Städte kommt nur etwa ein Fünftel aus dem griechischen Osten. Zwei spezielle Tätigkeiten der Sklaven im Einzugsbereich der Concilia lassen sich näher benennen. Der gallische Landtag beschäftige einen wohl für das Archiv zuständigen Sklaven als tabularius Galliarum.127 Mit diesem Amt bewegen wir uns sicherlich im Bereich der untergeordneten Verwaltungsämter. Darauf deutet zumindest die Besetzung des Amtes durch einen Sklaven hin. Ein weiterer bei Deininger noch nicht angeführter Beleg für einen Freigelassenen der Provinz Baetica zeichnet ihn als marmorarius signuarius aus.128 Hier haben wir es wohl mit einem Mann zu tun, der im Bereich der Anfertigung der zahlreichen Ehreninschriften für den Provinziallandtag tätig war. Die Belege für Sklaven im Eigentum der Provinziallandtage in verschiedenen Provinzen deuten generell darauf hin, dass die Verwaltungstätigkeit zum Teil von Unfreien erledigt wurde oder sie zumindest den Beamten der Landtage assistierten. Als Kostenfaktor sind sie in jedem Fall zu berücksichtigen, da ihre Anschaffung sowie der Unterhalt und ihre Unterbringung vom Landtag getragen werden mussten, auch wenn die Sklaven in der Regel nicht wie angestellte Fachkräfte entlohnt wurden, hier also weniger Kosten anfielen. Dass zumindest aber für hoch qualifizierte Kräfte eine Art Lohnersatz bezahlt wurde, überliefert Frontin für die servi publici bei der Wasserversorgung, die ein Verpflegungsgeld erhielten.129 Der-

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CIL II 6101 = CIL II2/14, 1103 (Tarraco) ist eher umstritten; Pannonia: 8. AErt 1943, S. 80 Nr. 4 = RIU 146 = AE 2003, 1366 Valentiana provinciae liberta Repentina (Savaria). Ergänzend zu Deininger belegen folgende Inschriften Sklaven und Freigelassene der Landtage: 9. CIL IX 3186 Fadius Provincialis (Corfinum). Dieser Fall ist umstritten, es könnte sich bei Provincialis auch um ein Cognomen handeln. 10. AE 1988, 106 Porcia Provinciae (Rom); 11. InscrAqu 1, 909 = IEAquil 140 Barbia Spuri filia Procula Provinciae liberta (Aquileia); Baetica: 12. CIL II2/7, 301 Publius Publicius provinciae Baeticae libertus Fortunatus marmorarius signuarius (Corduba); Hispania citerior: 13. CIL II 2410 Provincialis Nereus provinciae libertus (Bracara); 14. CIL II2/14, 1199 = AE 1919, 25 Gavia Athenais (Tarraco) „Ex cognomine Graeco etiam Gavia Athenais liberta scil. provinciae fuisse videtur.“ (Alföldy, G., CIL II2/14, 1199, S. 464.); Pannonia inferior: 15. CIL III 3482 Pannonius libertus (Aquincum); Britannien: 16. EEpigr. IV, S. 211, Nr. 717 = AJ 33 (1876), S. 262 Tertull(us) Provinc(ialis) (bei RIB II 2409, 35 ergänzt als Tertulli Provincialis. Dagegen Birley, A. R., The people of Roman Britain, Berkley, Los Angeles 1980, S. 145 f. und ders., Review RIB II, fasc. 1–4, JRS 83 (1993), S. 237–239, hier S. 238). Vgl. Weiß, A., Sklave der Stadt. Untersuchungen zur Sklaverei in den Städten des Römischen Reiches, Stuttgart 2004; Marinovič, L. P. et al., Die Sklaverei in den östlichen Provinzen des Römischen Reiches im 1.–3. Jahrhundert. Übersetzung von J. Kriz et al. (Übersetzungen ausländischer Arbeiten zur antiken Sklaverei 5), Stuttgart 1992. CIL XIII 1725. CIL II2/7, 301. Frontin. aqu. 116–118.

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selbe Autor gibt die Kosten für einen servus publicus bei der Wasserversorgung mit 1000 Sesterzen pro Jahr im ersten Jahrhundert n. Chr. an.130 Als eine Möglichkeit des Erwerbs darf der Kauf von Sklaven parallel zum Kauf öffentlicher Sklaven durch eine Stadt angenommen werden. Weitere in Betracht kommende Möglichkeiten sind Konfiskation, Erbschaft, Schenkung und Reproduktion. Weiß konnte nachweisen, dass die Gemeinden in der Kaiserzeit den Kauf in der juristischen Form der emptio vollzogen. Ferner lesen wir im Stadtgesetz aus dem spanischen Irni von regelmäßigen Ausgaben der Stadt für Sklavenkäufe.131 Auch für die Provinziallandtage ist der wahrscheinlichste Herkunftsort der gekauften Sklaven der Haushalt eines Magistrats oder Mitglieds im Concilium. Die Namen der Landtagssklaven helfen in den wenigsten Fällen bei der Bestimmung ihrer Herkunft weiter. Es lassen sich aber einige interessante Beobachtungen machen. Bei den Sklaven der Landtage werden in der Regel durch den Zusatz (servus) provinciae, die Bezeichnung Provincialis oder auch den Namen der Provinz im Genitiv (Galliarum) die Eigentumsverhältnisse deutlich gemacht. Folgende Namen der Sklaven sind überliefert: Fadius Provincialis, Porcia [serva] Provinciae, Abascantus Galliarum, Attico (III provinciarum Galliarum servo), Firmanus Galliarum (tabularius), Anencletus Provincialis und Tertullus Provincialis. Welche Aussagen machen die epigraphischen Dokumente über diese Sklaven? In der Mehrzahl haben wir es mit Grabinschriften zu tun. Bei einem Beleg handelt es sich um einen Bronzestempel. Auffällig ist zunächst, dass sich eine Reihe der Inschriften in italischen Städten oder Rom finden, also nicht am Sitz der Landtage in den Provinzen. Dies deutet darauf hin, dass die Landtage geschäftliche Beziehungen pflegten und zumindest ihre Sklaven regelmäßig dienstlich auf Reisen schickten oder sogar Dependancen oder Kontore in Italien bzw. Rom unterhielten.132 Letzteres scheint durchaus Sinn zu machen, wenn man die Inschrift über eine statio Noricorum in Rom heranzieht.133 Auch innerhalb der Provinzen scheint der Landtag geschäftliche Beziehungen über seinen Sitz hinaus unterhalten zu haben. So zumindest lassen sich die Inschrift für Anencletus, den Sklaven des britannischen Landtags, aus London oder der Stempel des Tertullus, Sklave des Landtags, aus einem Kastell des Hadrianswalls möglicherweise deuten.134 Beide könnten im 130 Ebd. Vgl. auch Eder, W., Servitus publica. Untersuchungen zur Entstehung, Entwicklung und Funktion der öffentlichen Sklaverei in Rom, Wiesbaden 1980, S. 108–110. 131 Parallel kann hier wieder auf die lex Irnitana verwiesen werden, die Kosten für die städtischen Sklaven ausdrücklich zu jenen Ausgaben zählt, die der Stadt anfallen. (vgl. Gonzáles, Crawford, lex Irnitana, S. 194; Wolf, J. G. (Hg.), Die Lex Irnitana. Ein römisches Stadtrecht aus Spanien. Lateinisch und deutsch (Texte zur Forschung 101), Darmstadt 2011). 132 Dazu näher Kap. IV.4. 133 Vgl. Kolb, A., Die Statio Noricorum in Rom. Ein Diskussionsbeitrag, in: Festschrift für G. Winkler, hg. von der Gesellschaft für Landeskunde von Oberösterreich/Oberösterreichischer Musealverein, Linz 2005, 125–128. 134 Vgl. Birley, People, S. 112 und 145 f.: „The temple at Colchester doubtless [sic!] remained the main centre, but the concilium probably set up an office in London when the governor’s residence was established there, and this would explain Anencletus’ presence in the city, as a member of the council’s permanent staff. […] Whether the seal [Tertullus provincialis] may be taken to demonstrate operations of the concilium Britanniae in the far north, for example endeavour-

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Dienst ihres Besitzers und Arbeitgebers am Sitz des Statthalters bzw. in den Grenzregionen der Provinz unterwegs gewesen sein. Die Bestattung der Ehefrau des Anencletus in London und nicht am Sitz des Landtags in Colchester deutet Birley als Beleg für ein Büro des Landtags am Statthaltersitz.135 Der Stempel des Tertullus wäre demnach nicht als Privatsiegel zu deuten, sondern als offizielles Siegel des Provinziallandtags, das von einem offiziellen Vertreter benutzt wird. Einige der Inschriften deuten ferner darauf hin, dass diese Sklaven finanziell durchaus gutgestellt waren und es gibt Hinweise auf eine gewisse soziale Höherstellung im Vergleich zu anderen Sklaven.136 So bietet auch hier der Grabstein, den der Sklave Anencletus für seine Frau errichten lässt, Grund zu der Annahme, er habe über einen gewissen Wohlstand verfügt, der den eines gewöhnlichen Haushaltssklaven überschritt.137 Er errichtete ihn für seine freie Frau Claudia Martina, die zudem noch das römische Bürgerrecht besaß. Nach der Rechtslage des ersten Jahrhunderts n. Chr. – in diese Zeit muss eine mögliche Datierung fallen – hieße das, die Frau wäre durch ihre Ehe mit einem Sklaven im besten Falle einer Zustimmung des Sklavenbesitzers – hier des Landtags – auf das rechtliche Niveau einer Freigelassenen zurückgefallen, im schlechtesten Fall der Verweigerung der Zustimmung wäre sie selbst Sklavin geworden.138 Auch Abascantus, der Sklave des gallischen Landtags, der 177 n. Chr. in Ostia einen Grabstein für Modestia Epigone errichtete, scheint vor seiner Freilassung kein armer Mann gewesen zu sein.139 Sein Kollege Atticus, ebenfalls Sklave des gallischen Landtags140, übte seine Tätigkeit in Rom aus. Dafür, dass auch er sich längerfristig in der Hauptstadt aufhielt, spricht die Tatsache, dass sein Sohn ihm einen Grabstein errichtete. Dieser Sohn, C(aius) Licinius Ianuarius, besaß das römische Bürgerrecht, das er wohl von seiner Mutter, Licinia Calliope, die in der Inschrift ebenfalls erwähnt wird, geerbt hat. Auch Atticus heiratete also eine freie Frau mit römischem Bürgerrecht, wohl eine Freigelassene aus der Familie der Licinii. Es lässt sich festhalten, dass die Sklaven der Landtage über einen gewissen Wohlstand verfügten, ihr Aktionsradius sich über die Provinzgrenze hinaus erstreckte und ihre soziale Stellung deutlich über der eines einfachen Haushaltssklaven angesiedelt werden muss. Dies deutet m. E. auf die besondere Rolle der Eigentümerorganisationen hin. Bei den Freigelassenen liegen die Dinge etwas komplizierter. Folgende Namen freigelassener Männer und Frauen der Provinzen sind sicher verifizierbar: P. Claudius Abascantus, Barbia (Spuri filia) Procula, C. Publicius (provinciae Baeticae li-

135 136 137 138 139 140

ing to secure representation from the northern tribes – and financial contributions – is another matter. The seal may have found its way to the Forth by chance, with consignment of goods sent by sea from London.“ Vgl. Birley, ebd., S. 145. Vgl. zur allgemeinen Problematik der Rangunterschiede bei Sklaven unterschiedlicher Herkunft Herrmann-Otto, E., Ex ancilla natus. Untersuchungen zu den ‚hausgeborenen‘ Sklaven und Sklavinnen im Westen des römischen Kaiserreiches, Stuttgart 1994. Vgl. CIL VII 28 = RIB 21; Birley, ebd., S. 112 und 145. Vgl. Birley, ebd., S. 145. CIL XIV 328; vgl. Herz, Abascantus, S. 167 f. CIL VI 29687.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

bertus), Publius Publicius Fortunatus (provinciae Baeticae libertus), L. Fabius Victor (provinciae libertus), Provincialis Nereus (provinciae libertus), Sextus Iuventus [3]nil() (Pannonius libertus) und Valentia (provinciae liberta). Grundsätzlich muss man wohl davon ausgehen, dass die Namensgebung bei Freigelassenen der Provinziallandtage in gleicher Weise funktionierte wie bei Freigelassenen von Städten.141 Es wurden also die Gentilnamen entweder vom ehemaligen Status als servus publicus (Publicius) abgeleitet oder sogar konkret vom Status eines servus provinciae (Provincialis Nereus). Mit einem besonderen Fall der Namensgebung haben wir es bei Publius Claudius Abascantus zu tun. Herz konnte in seiner Studie zu diesem Mann zeigen, dass die seltene Kombination aus Praenomen Publius und Gentilnomen Claudius wohl den historischen Ereignissen in Gallien geschuldet ist.142 Das Gentilnomen Claudius muss demnach auf Drusus Claudius zurückgeführt werden, dessen Person eng mit der Einrichtung des gallischen Landtags 12 v. Chr. verbunden ist und der möglicherweise ein Patron des Concilium gewesen ist. Das Praenomen Publius mag an Publicus angelehnt sein. Als weitere Möglichkeit der Namensgebung muss in Betracht gezogen werden, dass die Freigelassenen der Landtage die Gentilnamen von freilassenden Magistraten oder Funktionsträgern des Landtags (sacerdotes, flamines provinciae) übernahmen.143 Dies ist eventuell denkbar bei Lucius Fabius provinciae libertus Victor aus der Provinz Hispania citerior. Drei der bekannten flamines provinciae Hispaniae citerioris stammten aus der gens der Fabii.144 Einer von ihnen trug sogar das Praenomen Lucius. Jener L. Fabius L. f. Quir. Silo übte sein Amt zwischen 140 und 180 n. Chr. aus, was in zeitlicher Übereinstimmung mit der Datierung jener Inschrift zu bringen ist, die Lucius Fabius provinciae libertus Victor erwähnt.145 Im Fall des Freigelassenen L. Fabius Victor wäre aber auch eine ähnliche Konstruktion wie beim Gallier Abascantus denkbar, wenn man davon ausgeht, dass die gens der Fabier in der Frühzeit der Provinz Hispania citerior Patroni der Provinz waren. Viele der uns bekannten städtischen Sklaven leiteten ihr Gentil nach der Freilassung von der freilassenden Stadt ab (Aquileiensis146). Für die uns bekannten Freigelassenen der Provinziallandtage liegen allerdings keine Beispiele für solche vom Namen der Provinz abgeleitete Gentilizien vor. Wir kennen daneben zahlreiche Beispiele römischer Gentilnamen, die sich von Provinzen ableiten (Numidius, Asiaticus, Dacius, Gallius, Hispanus, Cilicius, Britannius, Macedonius, Sicilius, Pannonius, Raetius, griech. Dakesis)147. Vor allem der Fall des P(ublius) Raet[i] 141 Zur Namensgebung der städtischen Freigelassenen vgl. Weiß, Sklave der Stadt, S. 191 f.; Eder, servitus publica, S. 114–116. 142 Vgl. Herz, Abascantus, S. 168–170. 143 Vgl. Eder, servitus publica, S. 115; Alföldy, Kommentar zu CIL II2/14, 1199, S. 464. 144 CIL II 4213 f., 6094 (= CIL II2/14, 1133–1135). 145 Vgl. Alföldy, G., Flamines Provinciae Hispaniae Citerioris (Anejos de Archivo Español de Arqueologia 6), Madrid 1973, S. 71; ders., Kommentar zu CIL II2/14, 1199, S. 464. 146 Vgl. u. a. AE 1990, 858 = IMSup III/2, 31. 147 An dieser Stelle seien nur einige Beispiele erwähnt: C. Numidius Eros (AE 1956 55, AE 1999, 1722, AE 1999, 1723, PanDeser 64, PanDeser 64a); C. Asiaticus Felix (AE 1969/70, 665 = ITebessa 3); Dacius Privatus (AE 2000, 1078); M. Gallius Maximus (AE 1966, 548, AE 1972, 766); Hispanus Avellicus (CIL II 3133 = CIL II 5875); M. Cilicius Felix (ILTun 1715); Britan-

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us148 könnte die Spekulation zulassen, dass es sich hier um einen Freigelassenen des raetischen Landtags oder seine Nachfahren handelte, dessen Gentilname von dem der Provinz abgeleitet wurde. Dies ist aber nicht mit Sicherheit zu sagen.149 Welche Informationen liefern uns die Inschriften der Freigelassenen der Concilia? Umfangreiche Informationen liefert P. Claudius Abascantus, jener Freigelassene der Tres Galliae, der schon 177 n. Chr. als Sklave in Ostia epigraphisch in Erscheinung trat, als er seine erste Frau beisetzte. Drei weitere Inschriften belegen seinen Aufstieg.150 Nach seiner Freilassung erscheint er als wohlhabender Bürger Ostias, heiratete zweimal in Familien wohlhabender liberti ein, deren Mitglieder führend im ordo Augustalium der Stadt waren.151 Abascantus selbst begegnet uns als quinquennalis iterum in der Korporation der dendrophori.152 Die Kultorganisation war zumindest in Ostia auch mit dem collegium fabrum tignariorum, also einem Verein der Zimmerleute153, verbunden. Inschriftliche Belege aus der westlichen Reichshälfte stellen einen Kontakt mit dem Kaiserkult her.154 Inwieweit dies ein Engagement des Abascantus war, das auf seine Tätigkeit für den Landtag zurückging, muss offenbleiben. Der Freigelassene der Provinz Tres Galliae P. Claudius Abascantus war also durchaus wohlhabend und in die führenden Kreise der Freigelassenen von Ostia sozial integriert. Dies setzt voraus, dass er in seiner Zeit als Sklave des Landtags ein gewisses Grundvermögen erwerben und wirtschaftliche Beziehungen knüpfen konnte, die ihm als libertus nützlich wurden. Worin genau seine Tätigkeit für den Landtag bestand, kann nur vermutet werden.155 Die wahrscheinlichste Lösung liegt wohl in einer Tätigkeit, die die wirtschaftlichen Interessen des Landtags und seiner Mitglieder repräsentierte. In der sozialen Hierarchie nicht ganz so weit nach oben dürfte es Publius Publicius Fortunatus geschafft haben, der sich auf seinem Grabstein als libertus der Provinz Baetica bezeichnete.156 Nichtsdestotrotz weist der Grabstein zwei einmalige Charakteristika dieses Mannes aus, die ihm offensichtlich wichtig waren und die er daher mitteilte. Zum Ersten gibt er seinen Beruf als marmorarius signuarius an, zum Zweiten seine Herkunft als verna urbicus. Soweit ich sehe, hat die Inschrift

148 149 150 151 152 153 154 155 156

nius Candianus (AEA 1993/98, 140 = AEA 1999/00, 19 = AEA 2001/02, 39 = AEA 2007, 49 = AE 1993, 1245a); Macedonius Iulianus (ICUR 09, 24040); M. Sicilius (CIL IX 6083,136); M. Pannonius Solutus (CIL XIII 6211 = AE 1994, 1288); P. Ratius A(?) (CIL VIII 19621 = ILAlg 2, 1, 1594); Skírtos Dakésis in einer griech. Gladiatoreninschrift aus Tomis (Vgl. Robert, L., Les Gladiateurs dans l’Orient Grec, Paris 1940, S. 104 Nr. 44). CIL VIII 19621. Zur umstrittenen Frage, ob es ein raetisches Concilium gab vgl. u. a. Weber, Kempten, S. 230– 232. CIL XIV 326–328. Vgl. Herz, Abascantus, S. 170–172. CIL XIV 324. AE 1987, 198. Vgl. Gordon, R. L., Dendrophoroi, DNPonline 2011. Brill Online. Universitätsbibliothek Regensburg. http://www.brillonline.nl/subscriber/entry?entry=dnp_e315640, Zugriff am 27.03.2015. Ausführlich dazu in Kap. IV.4.1. CIL II2/7, 301.

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in der Forschung noch nicht viel Interpretation erfahren, obgleich sie doch ungewöhnlich ist. So ist zwar der Begriff des marmorarius einwandfrei als Bildhauer oder Steinmetz belegt, ein signuarius aber nicht. Sicherlich besteht zwischen diesen beiden Berufsbezeichnungen ein Zusammenhang, eventuell ist signuarius eine nähere Beschreibung des Arbeitsfeldes. Er mag also auf bildhauerische Tätigkeiten spezialisiert gewesen sein. Seine Herkunft gibt er mit urbicus an, also aus Rom stammend, wobei er als Sklave (verna157) geboren ist. Wie er in die Provinz Baetica gelangte, ob als Sklave oder bereits als freier Mann, ist nicht klar. Es scheint aber wahrscheinlicher, dass er erst in der Baetica vom Landtag freigelassen wurde. Der Grund mag sein Alter gewesen sein, immerhin ist er bei seinem Tod 75 Jahre alt, oder auch seine besondere Qualifikation und Leistung für das Concilium, die mit der Freilassung vom Landtag gewürdigt wurde. Denn wir dürfen wohl annehmen, dass er seine Tätigkeit als Bildhauer für den Provinziallandtag ausübte, Ehreninschriften und Ehrenstatuen für verdiente Mitglieder des Concilium oder auch für Personen, die von diesem geehrt wurden, anfertigte. Möglicherweise stammen einige der uns aus dem zweiten Jahrhundert vorliegenden plastischen und epigraphischen Zeugnisse aus Corduba von seiner Hand. Seine Vita liefert ein weiteres Beispiel für eine wie auch immer geartete Verbindung des Landtags der Baetica nach Rom, die dazu führte, dass Fortunatus beim Landtag als Sklave tätig war. Vielleicht gelangte er über einen Vertreter der Baetica in Rom nach Corduba. Dies bleibt aber Spekulation. Eine interessante Notiz bietet auch die Grabinschrift des ersten Jahrhunderts n. Chr. für Barbia Procula provinciae liberta aus Aquileia. Sie bestattete hier ihren Ehemann Aulus Barbius Auctus in einem monumentalen Grabbau. Diese Frau trägt zwar den Familiennamen ihre Mannes als Nomen Gentile (Barbii), wird aber ausdrücklich als Freigelassene einer Provinz charakterisiert, wobei nicht klar ist, um welche Provinz es sich dabei handelte. Die Familie der Barbii158 hat ihren Stammsitz in Aquileia und verzweigte sich seit der späten Republik nach Noricum, wo intensive Wirtschaftsbeziehungen nachweisbar sind.159 Das Hauptaugenmerk lag auf ökonomischen Tätigkeiten im Baugewerbe und im Handel. Šašel konnte in einer sehr detailreichen Studie zur den inschriftlich bekannten Barbii zeigen, dass sich auch ein Zweig dieser gens im pannonischen Savaria niederließ und politisch engagierte. Man könnte davon ausgehen, dass Barbia Procula über familiäre Beziehungen innerhalb der gens Barbii in die Ehe mit A. Barbius Auctus gelangte. Möglicherweise war sie eine Freigelassene der Provinz Noricum oder Pannonia superior, die möglicherweise ihren Namen Barbia dem freilassenden Vertreter des Concilium verdankte und durch dessen Vermittlung in den aquileiischen Zweig der Familie einheiratete. Auch Frauen gehörten also zu den Sklaven und Freigelassenen der Provinziallandtage. Barbia Procula – wie gerade beschrieben – war Freigelassene der Provinz und Ehefrau eines Aulus Barbius Auctus aus Aquileia. Für Porcia, eine Sklavin der 157 Zum Begriff des verna vgl. Herrmann-Otto, Ex ancilla natus. 158 Vgl. zur Familie der Barbii, ihrer Herkunft, ökonomischen Betätigung und Verbreitung in der Provinz Noricum Šašel, J., Barbii, Eirene 5 (1966), S. 117–137. 159 Vgl. ebd.

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Provinz, errichtete ihr Ehemann Epander, ein kaiserlicher Freigelassener, einen Grabstein in Rom. Beide hatten offensichtlich keinen lokalen Bezugspunkt in einer Provinz. Für Valentiana Repentina, Freigelassene der Provinz Pannonia, errichtete ein Veteran der legio XV Apollinaris namens Sextus Uttiedius Celer einen gemeinsamen Grabstein.160 Datiert wird der Stein in die 90er Jahre des ersten Jahrhunderts n. Chr.161 Dieser Text muss als das zum gegenwärtigen Zeitpunkt früheste bekannte Zeugnis des pannonischen Provinziallandtags angesehen werden. Es stammt aus der Zeit vor der trajanischen Teilung der Provinz. Auch hier lassen sich nur Vermutungen anstellen, wie eine Freigelassene der Provinz in den erweiterten Familienkreis eines Veteranen und Gründungsbürgers der colonia Claudia Savaria gelangte. Bekanntermaßen war Savaria Sitz des Oberpannonischen Landtags, hier befand sich mit der ara Augusti oder ara Augustorum das kultische Zentrum des Provinzialkultes.162 Leider ist über die Vertreter und Funktionäre dieses Provinziallandtags wenig bekannt, sodass auch keine Aussage über die Verbindung des Celer zum Concilium getroffen werden kann. Anders als bei den männlichen Sklaven und Freigelassenen sind in den Grabinschriften keine Hinweise auf die Tätigkeiten dieser Frauen zu finden. Möglicherweise müssen sie dem Umfeld der Provinzialpriesterinnen zugeordnet werden, denen der Kult für die weiblichen lebenden und verstorbenen Mitglieder des Kaiserhauses oblag. Offensichtlich gab es – abgesehen von wenigen Ausnahmen – eine Geschlechtertrennung im kultischen Bereich, woraus man schließen kann, dass auch das den Priesterinnen untergeordnete Kultpersonal für den Kult der weiblichen Mitglieder des Kaiserhauses weiblich war.163 Das daraus resultierende Prestige könnte auch erklären, warum die weiblichen Sklaven und Freigelassenen der Landtage wirtschaftlich vorteilhafte Ehen schließen konnten. Gerade die beiden freigelassenen Frauen scheinen eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit gehabt zu haben, was darauf hinweisen könnte, dass sie genau wie die männlichen Sklaven und Freigelassenen über ein peculium verfügten, aus dem sie sich eventuell auch selbst freikaufen konnten. Kommen wir von der Betrachtung der Einzelfälle zurück zur übergreifenden Frage der Finanzierung. Wir wissen, dass im Fall der Freilassung von Sklaven generell eine fünfprozentige Freilassungssteuer (vicesima libertatis vel manumissionum) anfiel, die in der Kaiserzeit von privaten Steuerpächtern eingezogen wurde.164 Grundlegend für die Höhe der Steuer war der aktuelle Wert des Sklaven, sie stellte also keinen festen Betrag dar, sondern variierte von Fall zu Fall, je nach Ausbildung und Fähigkeit des Sklaven. Von den 15 Belegen für Sklaven und Freie der Provin160 Vgl. Szabó, A., Provinziallandtag in Savaria, in: ders., Tóth, E. (Hgg.), Pannonica. Provincialia et Archaeologia. Studia Sollemnia Auctorum Hungarorum Eugenio Fitz Octogenario Dedicata, Budapest 2003, S. 395–410. 161 Szabó, Provinziallandtag in Savaria, S. 396. 162 Vgl. Haensch, Capita provinciarum, S. 352 mit Anm. 172. 163 Vgl. Hemelrijk, E. A., Priestesses of the imperial cult in the Latin west: Titles and function, AC 74 (2005), S. 137–170, hier S. 150 f. 164 Vgl. Günther, S., „Vectigalia nervos esse rei publicae“. Die indirekten Steuern in der römischen Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian, Wiesbaden 2008, S. 102–104.

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ziallandtage entfallen acht auf Sklaven und sieben auf Freigelassene. Für die letzteren muss also mit der Zahlung der fünfprozentigen Freilassungssteuer kalkuliert werden. Allerdings gab es keine eindeutige Regelung dafür, wer die Steuer zahlte. Dies scheint individuell geregelt worden zu sein. Entweder übernahm der Sklave selbst die Kosten seiner Freilassung aus dem eigenen peculium, schließlich hatte er ein Interesse daran, seine Freiheit zu erlangen. Es sind aber auch Fälle überliefert, in denen die Steuer vom Freilasser selbst übernommen wurde.165 Den Ablauf der Freilassung von servi publici kennen wir aus der lex Irnitana.166 Das epigraphische Dossier zu Abascantus aus Ostia167, der zunächst als Sklave und später als Freigelassener des gallischen Landtags belegt ist, zeigt, dass das Concilium als dominus iure Quiritum auftrat, die Freilassung folglich entsprechend den römischen Gesetzen gehandhabt wurde und der freigelassene Sklave nicht das eingeschränkte, sondern das volle latinische Bürgerrecht erhielt.168 Die Entscheidung trafen im Falle der städtischen Sklaven von Irni die Dekurionen. Den anfallenden Kosten der Freilassung in Form der fünfprozentigen Freilassungssteuer steht die Summe gegenüber, die der Sklave für seine Freilassung in die Kasse des Landtags zahlte.169 Vorstellbar wäre natürlich auch die Möglichkeit einer Befreiung der Provinziallandtage von der Freilassungssteuer. Es gibt hinreichend Belege dafür, dass der römische Staat Einzelpersonen, aber auch Korporationen und Städten, die sich in staatlichen Aufgaben engagierten, Abgaben und Steuern erlassen konnte.170 So befreiten beispielsweise Marcus Aurelius und Commodus die mensores von den munera171, Augustus gewährte dem Berufskollegium der Walker Abgabenfreiheit bei der Nutzung von Wasser aus einem öffentlichen Aquädukt172 und Claudius befreite die Stadt Byzantion für fünf Jahre von der Steuer173. Das eben Gesagte lässt den Schluss zu, dass die Sklaven der Provinziallandtage – ganz ähnlich wie die Sklaven im öffentlichen Besitz – eine privilegierte Stellung in der Gruppe der Unfreien einnahmen. Ihre Aufgaben, ihr sich in den Inschriften materialisierender wirtschaftlicher Wohlstand, ihr Tätigkeitsumfeld und ihre rechtliche Stellung nach der Freilassung deuten darauf hin, dass sie diese Sonderstellung dem Umstand verdankten, Teil der Provinziallandtage zu sein. 165 Der dritte mögliche Fall einer Bezahlung der Freilassungssteuer aus dem Vermögen des Erblassers bei einer testamentarischen Freilassung entfällt bei der Freilassung durch eine Korporation. (Vgl. Günther, Vectigalia, S. 123 f.). 166 Vgl. Gonzáles, Crawford, lex Irnitana, S. 206 und 222 f. Speziell zum Freilassungsrecht der städtischen Sklaven gemäß der lex Irnitana vgl. Giménez-Candela, T., Una contribución al estudio de la ley Irnitana. La manumisión de esclavos municipals, Iura 32 (1981), S. 37–56. 167 CIL XIV 326–328. Zu den rechtlichen Aspekten der Freilassung des Abascantus vgl. Herz, Abascantus. 168 Vgl. Herz, Organisation and finances, S. 8. 169 Auch hier können wir die Abläufe aus der lex Irnitana rekonstruieren. Vgl. Gonzáles, Crawford, lex Irnitana, § 72, S. 171 mit Kommentar S. 222 f. 170 Vgl. Schulz-Falkenthal, H., Römische Handwerkerkollegien im Dienst der städtischen Gemeinschaft und ihre Begünstigung durch staatliche Privilegien, WZHalle 22 (1973), S. 21–35. 171 Dig. 27, 1, 26; 27, 1, 17, 6; 50, 5, 10. 172 Dig. 1, 15. 173 Tac. ann. 12, 62 f.

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An dieser Stelle sei eine generelle methodische Anmerkung eingefügt. Die Sklaven der Landtage mit den servi publici zu vergleichen und nicht mit den Privatsklaven, bedeutet nicht, die Provinziallandtage stillschweigend dem öffentlichen Sektor zuzuschlagen. Aber man muss in diesem Zusammenhang auf die grundsätzlichen Erwägungen zum juristischen Status der Koina und Concilia, die im Kap. III. angestellt wurden, verweisen. Man muss festhalten: In zwei Fällen deutet die Wahl der Gentilnamen der Freigelassenen darauf hin, dass die Männer ursprünglich unter die Kategorie der servi publici fielen und sich dieser Status bei ihrer Freilassung im Familiennamen Publicius niederschlug. Bei Publius Publicius Fortunatus (provinciae Baeticae libertus)174 findet sich diese Stellung sogar im Praenomen gespiegelt. Nehmen wir also an, die Sklaven der Landtage wurden rechtlich behandelt wie servi publici, so müssen für sie auch dieselben Privilegien im Vergleich zu den Sklaven im Privatbesitz gegolten haben. Öffentliche Sklaven durften beispielsweise die Hälfte ihres Vermögens (peculium) frei vererben.175 IV.2.1.2 Sonstige reguläre Kosten: Kult, regelmäßige Gesandtschaften und Ehrungen Viel schwieriger zu ermitteln oder gar zu beziffern sind jene Kosten, die für die Infrastruktur des Provinziallandtags und des Kultes anfielen.176 Zu nennen wären beispielsweise jene für den Unterhalt der Gebäude, aber auch für Opfertiere177, Kerzen, Kränze und Blumenschmuck für die Bekränzung von Statuen178, (Salb)öl für Statuen179 und eventuell spezielle Fachkräfte, die mit dem Ölen der Bronzebilder betraut wurden180, Öl für die Lampen181, Opferkuchen, Weihrauch, Lampen182 und Wein für supplicationes, aber auch so banale Posten wie die Anmietung von Eseln für den Transport bestimmter Güter183. Ebenso sind die Bilder, die während

174 CIL II2/7, 301. 175 Ulp. reg. 20, 16 (FIRA II 284). 176 Vgl. die Studie von Duncan-Jones, R., The economy of the Roman empire. Quantitative studies, Cambridge 21982. Duncan-Jones liefert zu zahlreichen Gütern und Dienstleistungen Beispiele und durchschnittliche Kostenberechnungen. 177 Vgl. das Opfer einer Hekatombe in der Priesterliste aus Ancyra (Bosch, E., Quellen zur Geschichte der Stadt Ankara im Altertum, Ankara 1967, S. 35–49, Nr. 51, Z. 36 und 51 = Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 138–150, Nr. 2). 178 BGU II 362. Interessant ist die Unterscheidung zwischen Holz- und Bronzestatuen. Die Arbeiter, die mit dem Schmücken der Holzstatuen beschäftigt waren, kosteten erheblich mehr als diejenigen, die die Bronzebilder einsalbten. 179 Vgl. Bosch, Quellen, S. 35–49, Nr. 51 = Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 138–150, Nr. 2 und BGU II 362. 180 BGU II 362. 181 BGU II 362. 182 Zur Darbringung von Opferkuchen, Weihrauch und Lampen vor dem Bild des Kaisers vgl. AvP VIII 2, 374. 183 Vgl. BGU II 362, wo die Kosten für Esel zum Transport von Palmwedeln und Holz abgerechnet werden.

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der Opferzeremonien und der Pompa184 eine Rolle spielten, als Kostenfaktor einzubeziehen185: Standbilder des Kaisers und anderer Mitglieder der Kaiserfamilie oder Kultbilder.186 Zu den regelmäßigen Ausgaben möchte ich ferner Kosten für die Verleihung von Ehrenkränzen und die Errichtung von Statuen für verdiente Mitglieder des Landtags rechnen sowie Kosten für regelmäßige Gesandtschaften an den Kaiser oder den Statthalter. Zwar wird es zum Teil vorgekommen sein, dass wohlhabende Gesandte ihre Reisekosten selbst finanzierten187, aber davon darf man nicht in jedem Fall ausgehen. Für die städtischen Gesandten sind wir in der Regel besser informiert und hier zeichnet sich ab, dass sogar der Kaiser darauf drang, die Gesandten aus der Stadtkasse mit den nötigen Mitteln auszustatten bzw. die Kosten gering zu halten.188 Die bei Plinius erwähnten 12 000 Sesterzen, die für die jährliche Gesandtschaft der Stadt Byzanz zum Kaiser und zum Statthalter von Moesia inferior ausgegeben wurden, werfen ein Schlaglicht auf die mögliche Höhe solcher Gesandtschaftskosten.189 Ferner muss auch die öffentliche Dokumentation von Landtagsbeschlüssen oder Briefen des Kaisers an den Landtag in Form von Inschriften zu den regelmäßig wiederkehrenden Kosten gerechnet werden. Hier muss wiederum auf den für die Baetica belegten Steinmetz verwiesen werden. Offensichtlich war die Anfertigung von Inschriften des Landtags so umfangreich, dass es sich lohnte, einen eigenen Steinmetz-Sklaven zu unterhalten. Nicht zu vergessen sind auch Ausgaben, die beim Unterhalt von Gebäuden anfallen, also beispielsweise Handwerkerkosten190, Materialkosten191, Reinigungskosten etc. IV.2.1.3 Steuerpflicht und Besitz von Immobilien und Land Die Forschung hat bislang die Frage noch nicht thematisiert, ob der Provinziallandtag selbst steuerpflichtig war oder ob er grundsätzlich von allen Steuern, die der römische Staat Privatleuten, juristischen Personen, Gemeinden oder Kollektiven auferlegte, befreit war. An dieser Stelle muss man etwas weiter ausholen, um einige grundlegende Verständnisprobleme anzusprechen. Es wäre zunächst einmal wichtig zu wissen, ob es sich bei einem Provinziallandtag um eine juristische Person handelte und ob er über die Eigentumsrechte an den von ihm genutzten Grundstücken verfügte. Daraus ergibt sich zwingend die Frage nach dem Eigentumsrecht am Tempel und seinem Besitz. War der Landtag 184 Zur Rolle der Kaiserbilder in der Pompa vgl. Edelmann, Pompa. 185 Vgl. dazu auch die Angaben in der sog. lex Narbonensis (CIL XII 6038), die von Geldüberschüssen und ihrer Verwendung für Kaiserbilder spricht. 186 Mit den Kaiserbildern sind auch Kosten verbunden, an die man im ersten Moment nicht denkt, so erwähnt z. B. BGU II 362 eine Seilwinde zur Aufstellung einer Kolossalstatue des Kaisers. 187 Vgl. Ziethen, G., Gesandte vor Kaiser und Senat. Studien zum römischen Gesandtschaftswesen zwischen 30 v. Chr. und 117 n. Chr., St. Katharinen 1994, S. 12. 188 Vgl. Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 117; Ziethen, Gesandte, S. 77 f. 189 Plin. epist. 10, 43. 190 BGU II 362: Handwerker, die eine Mauer niederreißen, Stuckateur, Hilfsarbeiter. 191 BGU II 362: Lehmziegel und ihr Transport.

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als Institution auch Eigentümer des Tempels und seines Besitzes oder wurde der Tempel als Besitz des in ihm verehrten Gottes angesehen? Im griechischen Osten existierte eine bis in die archaische Zeit reichende Tradition, die den jeweiligen Gott als Besitzer des Heiligtums und seines gesamten Landes ansah.192 Mit Sicherheit lassen sich Beispiele dafür belegen, dass zahlreiche nichtrömische Gottheiten juristische Personen nach römischem Recht waren und beispielsweise Erbschaften empfangen konnten.193 Auch in der römischen Tradition vollzog man mit der Dedikation eines Tempels die bodenrechtliche Eigentumsübertragung an die Gottheit.194 Dies müsste in der Konsequenz heißen, die Divi bzw. die lebenden Kaiser wären die eigentlichen Besitzer des Tempels wie auch des heiligen Landes und die verantwortlichen Priester der Provinziallandtage trügen stellvertretend Sorge für das Heiligtum.195 Agierte folglich der Archiereus als Oberpriester juristisch in einer anderen Funktion als der Asiarch, der den Vorsitz des Provinziallandtags innehatte? Haben Koinon und Tempel unterschiedliche Kassen?196 Diese eigenartige Vermischung von sakralen und politischen wie ökonomischen Vorstellungen verdeutlicht, dass es sich bei den römischen Provinziallandtagen um eine Kopfgeburt handelte, die zwar hellenistische Traditionen aufgriff, aber unweigerlich auch religiöse, juristische und diplomatische Grenzgänge nach sich zog. Wir wissen wenig über die ökonomischen Konsequenzen einer solchen Vorstellung, die den lebenden oder toten Herrscher zum Besitzer von Tempeln und Tempelland machte. Möglicherweise bedeuteten sie aber einen gewissen Druck auf den Herrscher, sich selbst in stärkerem Maß als bei anderen religiösen Bauprojekten zu engagieren oder zum Unterhalt bestehender Tempelanlagen beizutragen – über das übliche Maß euergetischen Engagements hinaus.197 Welche konkreten ökonomischen Auswirkungen hinter diesen Vorstellungen standen, können wir in Ägypten beobachten. Aus BGU 362 wissen wir, dass auch der Iuppiter-Capitolinus-Tempel im ägyptischen Arsinoe auf seine landwirtschaftlich genutzten Besitzungen wie auf von ihm betriebene Bäder Steuern zahlte. Wir kennen aber auch Beispiele dafür, 192 Vgl. Horster, M., Landbesitz griechischer Heiligtümer in archaischer und klassischer Zeit, Berlin, New York 2004. 193 Bei Ulpian findet sich ein Beleg dafür, dass die Diana Ephesia als Erbin im Testament eingesetzt werden konnte (FIRA II 285). 194 Vgl. Rüpke, Religion der Römer, S. 34. 195 Diese Frage geht auf einen Vortrag von Herz zurück, der im Jahr 1998 am Brasenose College in Oxford gehalten wurde und mir als Manuskript vorlag. Herz kommt zu folgendem Schluss: „[S]uch a solution makes sense if we think of the usual combination of god and emperor (e. g. Dea Roma and Augustus in Pergamum, Zeus Philios and Trajan in Pergamum, Zeus Olympios and Hadrian in Smyrna)“. Er sieht aber auch die Grenzen einer solchen Zuweisung: „But how shall we deal with the case of the second temple in Smyrna, dedicated to the Senate, Tiberius and Livia?“ (Herz, Organisation and finances, S. 5). 196 Vgl. Herz, Organisation and finances, ebd. 197 In ihrer wegweisenden Arbeit zur wirtschaftlichen Bedeutung der großen Heiligtümer im Osten des Reiches geht Beate Dignas leider nicht auf diese Fragen ein. Es ist aber anzunehmen, dass die von ihr beschriebene „conventional balance between the ‚giving‘ and the ‚taking‘ deity“ durch die neue Doppelrolle des Herrschers als Gottheit einerseits und höchste administrative Instanz andererseits verschoben wurde. (Vgl. Dignas, B., Economy of the sacred in Hellenistic and Roman Asia Minor, Oxford 2004, S. 272).

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

dass bestimmte Tempel oder Feste von Steuern befreit waren. So berichtet die lex portorii aus Asia davon, dass eine Atelie für die Rhomeia Sebasta von Pergamon von Augustus dekretiert wurde.198 Allerdings erging diese kaiserliche Steuerbefreiung ausdrücklich auf Antrag einer städtischen Gesandtschaft und galt ausschließlich für die 30 Tage andauernden Festivitäten. Smyrna erhielt auf Betreiben von Antonius Polemon die zweite Neokorie, Spiele und eine Atelie, die sich möglicherweise auch auf den heiligen Agon bezog.199 Ebenso erhielt der Artemis-Tempel von Ephesos von Caracalla im Zuge der Neokorie-Verleihung auch eine Atelie, eventuell auf Antrag des Koinon von Asia, das sich für die dritte Neokorie für den Artemis-Tempel von Ephesos eingesetzt und eine Gesandtschaft an den Kaiser geschickt hatte.200 Aus den Beispielen wird deutlich, dass zahlreiche Orte mit Kaisertempeln generell oder für die Dauer von Spielen befristete Steuerfreiheit hatten. Allerdings wurde dieses Privileg stets nur auf Antrag für den Einzelfall erstattet und war kein Automatismus. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Steuerpflicht generell auch für Institutionen wie das Koinon galt. Als Eigentümer oder Pächter von Land wäre der Provinziallandtag der Grundund Ertragssteuer unterworfen gewesen, als Eigentümer von Sklaven201 hätte er als steuerpflichtige Körperschaft bei deren Freilassung die fünfprozentige Freilassungssteuer zahlen müssen. Über die Freilassungssteuer wurde bereits an anderer Stelle ausführlicher Stellung genommen. Für die Frage nach dem tributum muss zunächst geklärt werden, inwieweit Provinziallandtage über Grundbesitz verfügten bzw. Erträge erzielten. Letzteres scheint zumindest für das lykische Koinon gesichert. İplikçioğlu legte 2005 erstmals eine Inschrift vor, die von einem Rechtsstreit zwischen der Stadt Termessos und dem lykischen Koinon in claudischer Zeit handelt.202 Das Koinon hatte ein Stück Land von den Termessern gepachtet und den Pachtzins in Form von Ernteerträgen nicht in der vereinbarten Höhe gezahlt. Der Streit landete zunächst vor dem römischen Statthalter und schließlich sogar vor dem Kaiser persönlich. Abgesehen von der interessanten rechtlichen Konstellation, die die Frage nach der Rechtsaufsicht über das Koinon aufwirft, wird für die Frage der Ertragssteuer deutlich, dass ein Landtag über Erträge aus landwirtschaftlichem Anbau verfügen konnte. Dass die Koina und Concilia auch über Grundbesitz verfügten, ist eine Vermutung, die sich aus der Tatsache ergibt, dass sie eine religiöse und administrative Infrastruktur benötigten. Dabei stellt sich die Frage, in wessen Eigentum sich die Tempel und Versammlungsorte der Landtage befanden. Waren die Provinziallandtage selbst Eigentümer oder die Städte, in denen sie sich befan198 Monumentum Ephesenum ll.128–133 § 57 (Edition: Cottier, M. et al. (Hgg.), The customs law of Asia, Oxford 2008, S. 76 f. und Kommentar S. 153–155). 199 IvSmyrna 697; Burrell, Neokoroi, S. 43 f. 200 IvEphesos II 212. Vgl. Robert, L., Sur des inscriptions d’Éphèse: fêtes, athlètes, empereurs, épigrammes, RPh 41, 3 (1967), S. 7–84, hier S. 44–64. Interessanterweise richtet sich der Brief Caracallas mit der Mitteilung der Neokorieverleihung an den Artemis-Tempel an das Koinon von Asia und nicht an die Stadt, nachdem auch das Koinon offensichtlich um die Neokorie für den ephesischen Artemis-Tempel gebeten hatte. Vgl. auch Burrell, Neokoroi, S. 70–72. 201 Zu Sklaven und Freigelassenen der Provinziallandtage siehe Kap. IV.2.1.1.6. Zur Erhebungspraxis der Freilassungssteuer vgl. Günther, Vectigalia, S. 118–126. 202 Vgl. İplikçioğlu, Entscheidung eines Statthalters von Lykien.

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den? Wer verfügte über die Grundstücke, wenn sie sich nicht auf dem Territorium einer Stadt befanden wie in Gallien? Eine mögliche Antwort finden wir in Galatien. In der Priesterliste des ancyranischen Tempels für Augustus und Roma ist von einer Landschenkung des Pylaimenes die Rede. Hier heißt es: ἤλιψεν τὴν πόλιν, τόπους ἀνῆκε, ὅπου τὸ Σεβαστῆόν ἐστιν καὶ ἡ πανήγυρις γείνεται καί ὁ ἱππόδρομος. Bosch übersetzt „[…] er [Pylaimenes] spendete der Stadt Salböl und schenkte (ihr) Grundstücke, wo das Augusteum ist, und wo die Festversammlung stattfindet und das Wagenrennen.“203 Grammatikalisch und inhaltlich gibt es keinen Grund, die Schenkung der Grundstücke auf die Stadt zu beziehen. Weil es sich bei dem Dokument um die Priesterliste des galatischen Provinzialkultes handelt, müssen die Geschenke und Wohltaten an das Koinon erfolgt sein.204 Lediglich die Spenden, die sich nicht auf die Provinzialversammlung beziehen, werden explizit hervorgehoben, wie bei jenem Salböl, das Pylaimenes der Stadt Ancyra spendete. Ganz richtig hat Bosch festgestellt, dass die Festversammlung beim Augusteum aus „Leuten der ganzen Provinz, die zu den im Namen des Augustus abgehaltenen Festlichkeiten sich regelmäßig in Ankara einfanden“, bestand.205 Nichts anderes als der Provinziallandtag und seine Treffen werden hier also beschrieben. Ganz offensichtlich handelt es sich bei den Grundstücken also um von dem galatischen Koinon genutzte Flächen, auf denen die Zusammenkünfte oder kultische Feierlichkeiten stattfanden. Warum sollte Pylaimenes als Oberpriester des Koinon jene Grundstücke der Stadt Ancyra schenken? Viel wahrscheinlicher ist es doch, dass er sie aus seinem Privatbesitz dem Provinziallandtag als Veranstaltungsort übereignete, der sie dann ja auch entsprechend nutzte. Das Koinon war folglich Eigentümer der Grundstücke.206 Dieser Inter203 Bosch, Quellen, Nr. 51, Z. 27–29. 204 Die erste explizite Erwähnung des galatischen Koinon erfolgte erst in neronischer Zeit. Coşkun bietet allerdings eine schlüssige Erklärung dafür an, wer zu diesem frühen Zeitpunkt nach der Gründung der Provinz und des Kaiserkultes in Ancyra für dessen Ausgestaltung verantwortlich war: Er sieht einen der gallischen Stammesverbände stellvertretend für die Polis der Galater als verantwortlich für das Sebasteion an und bezeichnet ihn als „Vorgängerorganisation des Koinon“. (Coşkun, Der Ankyraner Kaiserkult, S. 178 f.) Auch erst ab neronischer Zeit gab es wohl das Amt des Archiereus. Die vorher belegten Priester des Kaiserkultes am Tempel in Ancyra sind Hiereis. Die erste explizite Erwähnung eines Archiereus datiert in die Jahre zwischen 70 und 80 n. Chr. (Vgl. Mitchell, Cult). 205 Ebd., S. 43. 206 Eine Kontroverse gibt es darüber, ob es sich bei den Grundstücken, die Pylaimenes dem Koinon schenkte, um jene handelte, auf denen auch das Sebasteion stand. Diese These wird von Hänlein-Schäfer vertreten (vgl. Hänlein-Schäfer, H., Zur Datierung des Augustustempels in Ankara, AA (1981), S. 511–513 und dies., Veneratio Augusti, S. 289 f.). Gegen eine solche Identität argumentieren Fittschen, K., Zur Datierung des Augustus-Roma-Tempels in Ankara, AA (1985), S. 309–315 und Halfmann, H., Zur Datierung und Deutung der Priesterliste am Augustus-Roma-Tempel in Ankara, Chiron 16 (1986), S. 35–42. Letztere halten die „Schenkungen des Pylaimenes [für] zusätzliche Erweiterungen bereits bestehender, im Besitz des Landtags befindlicher Areale“ (Halfmann, S. 40). Dies würde erklären, wie es sein kann, dass die Schenkung des Pylaimenes erst Jahre nach der Einrichtung des Kultes stattfand. Für Fittschen ist das wichtigste Argument der Datierung des Tempels in die augusteische Zeit die Anbringung der Res Gestae, die wohl tatsächlich nur kurz nach dem Tod des Augustus erfolgt sein kann. Fittschens Analyse überzeugt vor allem, weil er zur Datierung nicht nur die Inschriften heranzieht, sondern auch Stilelemente. Seiner zeitlichen Einordnung des Baus in die mittelau-

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pretation folgt auch die neueste Edition der Inschrift von Mitchell und French.207 Die Landschenkung wird hier als Voraussetzung für den Bau des Tempels gedeutet: „Pylaemenes […] provided oil for the city, made available the places where the Sebasteion is and the festival gathering and the horse-race take place.“208 In ihrem Kommentar der Inschrift streichen sie auch einen wichtigen Punkt heraus, nämlich dass zwar Priester genannt werden, die Grundstücke schenkten, Statuenerrichtung finanzierten und Feste bezahlten, aber über die Finanzierung des Tempelbaus keine Informationen zu finden sind. Dabei dürfen wir davon ausgehen, dass dieser Bau recht kostenintensiv ausgefallen sein muss, handelte es sich doch um das aufwendigste und anspruchsvollste Sakralbauwerk in Zentralasien in dieser Zeit, das von Architekten und Handwerkern aus Rom oder Westkleinasien erbaut worden sein dürfte.209 Eine spätere Inschrift vom Ende des ersten oder Anfang des zweiten Jahrhunderts legt allerdings den Schluss nahe, dass Reparaturarbeiten auch von den Provinzialpriestern übernommen wurden.210 Hätten also einer oder mehrere der ersten Priester des galatischen Koinon die Finanzierung übernommen oder sich an ihr beteiligt, hätte das sicherlich in der Priesterliste explizit Erwähnung gefunden. Dieses argumentum ex silentio deutet darauf hin, dass entweder der Kaiser selbst oder das Koinon für den Tempelbau aufkamen. Als historisches Vergleichsmodell könnte man in all diesen Punkten das Koinon der dionysischen Techniten aus hellenistischer Zeit heranziehen.211 Hier ist das Vereinsheiligtum im Grundbesitz des Vereins. Diese Koina der Techniten verfügten über Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, Beiträgen der Vereinsfunktionäre, Einnahmen aus Festen und Agonen sowie Darlehen, Schenkungen und Strafgelder. Die Ausgaben lassen sich klassifizieren in Ausgaben für Kulte, Feste und Agone des Vereins sowie des Staates, Ehrungen, Errichtung und Instandhaltung der Vereinsanlagen und diplomatische Tätigkeiten. Interessanterweise gab es auch bei den Festen dieser Vereine Streitigkeiten um die Aufteilung der Gelder, da die Feste zum Teil auf dem Gelände des Vereins und der Stadt, in der sie abgehalten wurden, stattfan-

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gusteische Zeit zu folgen, scheint plausibel. Dass das Areal des Provinziallandtags mit Festplatz, Hippodrom und Altar allmählich um den Tempel herum wuchs, erkannte schon Bosch. In seiner Ergänzung von Zeile 84 f. der Inschrift zu einem namentlich unbekannten Priester des Provinzialkultes („ […] stiftete den Altar für die Opfer“) erläutert er: „Man sieht hieraus, wie die ganze Tempelanlage allmählich entstand. Die Ausübung des Kultes begann im Jahr 10/11 […], der Festplatz […] wurde im Jahre 13/14 angelegt, und erst jetzt, im Jahre 31/32 kam der Altar hinzu. Auch später noch wurde an der Tempelanlage weitergebaut.“ (Bosch, Quellen, S. 47). Eine noch frühere, augusteische Datierung von Priesterliste, Kult und Tempel schlägt Mitchell vor (Mitchell, Cult). Er bezieht sich auf die neuesten Ergebnisse der Studien von Coşkun (Coşkun, Geißel Asiens; ders., Ankyraner Kaiserkult; ders., Edikt). Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, Nr. 2, S. 138–150. Ebd., S. 143. Mitchell und French legen recht schlüssig dar, dass die Kultgründung wohl in das Jahr 5 v. Chr. zu datieren ist. In diesem Jahr wurde der erste Provinzialpriester inauguriert und das Heiligtum gegründet. Unter dem vierten Provinzialpriester Pylaimenes erfolgte dann die Schenkung des Grundstücks, auf dem das Sebasteion ab 2/1 v. Chr. erbaut wurde. Vgl. ebd., S. 150. Vgl. Bosch, Quellen, S. 118, Nr. 102; Mitchell, Cult, S. 476–480; Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 152 f., Nr. 4. Vgl. Aneziri, Vereine, S. 169–202.

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den. Offensichtlich fand man hier Lösungen, die Gelder aus Markteinnahmen oder Zöllen, Verkaufssteuern o. ä. aufzuteilen.212 Auch die Handwerker- und Militärvereine des römischen Westens zeigen gewisse parallele Entwicklungen.213 Dass die Städte, in denen sich der Provinzialtempel befand, und das Koinon eine durchaus heikle Beziehung hatten, die hin und wieder kleiner Aufmerksamkeiten und Pflege bedurfte, kann man wohl aus einer thrakischen Inschrift aus Philippopolis schließen, die in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. datiert: Ἡ βουλὴι (sic) καὶ ὁ δῆμος τὸ κοινοβούλιον τῆς Θρακῶν ἐπαρχείας τῆς διηνέκους (sic) εὐνοιας χάριν ἐτείμησεν. „Der Rat und das Volk ehrten den Rat des Koinons der Provinz Thrakien wegen seines ständigen Wohlwollens.“214

Im Westen des Reiches haben wir einige Beispiele dafür, dass das Tempelareal außerhalb einer Gemeinde lag und damit sicher ebenfalls nicht den städtischen Magistraten unterstand: Der Versammlungsort des Concilium der Tres Galliae lag außerhalb von Lugdunum im pagus Condrustis.215 Das Gelände des Provinziallandtags der Tres Daciae lag ebenfalls außerhalb der Grenze der Kolonie Sarmizegetusa. In Tarraco kann man anhand der Statuenaufstellungen auf dem sogenannten Provinzialforum216 ebenfalls davon ausgehen, dass dieses Gelände extraterritorial war, fehlen bei den hier aufgestellten Statuen und Inschriften doch die üblichen Hinweise auf die genehmigende städtische Autorität (locus datus decreto decurionum).217 Die Besonderheit von Tarraco liegt allerdings darin, dass das Areal des Provinziallandtags geographisch innerhalb der Stadt lag, juristisch aber – beispielsweise bei der Genehmigung von Statuenaufstellungen oder was das Polizeirecht bei Prozessionen anging – wohl von ihr getrennt war.218 Ein ähnliches topographisches

212 Vgl. ebd., S. 187 f. 213 Vgl. Ausbüttel, F., Untersuchungen zu den Vereinen im Westen des römischen Reiches, Kallmünz 1982. 214 Die Inschrift wurde 1968 im Theater von Philippopolis gefunden und zum ersten Mal erwähnt in Botusharova, L., Kolarova, V., Archaeological Research on Djambaz Hill in Plovdiv in 1968 (bulgarisch mit französischer Zusammenfassung), AM(N)Pl. 7 (1971), S. 75–97. Publikationen in: Gerassimova-Tomova, Zur Untersuchung des thrakischen Koinon, S. 282 f.; Sharankov, The Thracian koinon, S. 519 f. 215 Vgl. Fishwick, ICLW III 3, S. 105–127. 216 Vgl. zu diesem problematischen Begriff Trillmich, W., „Foro provincial“ und „Foro municipal“ in den Hauptstädten der drei hispanischen Provinzen: eine Fiktion, in: Ciudad y comunidad cívica en Hispania. Actes du colloque organisé par la Casa de Velázquez et par le Conseil Superior de Investigaciones Científicas, Madrid, 25–27 janvier 1990 (Collection de la Casa de Velázquez 40), Madrid 1993, S. 115–124, der sich mit äußerster Vehemenz gegen die Bezeichnung „Provinzialforum“ wendet. Zumindest für Tarraco und die Provinz Hispania citerior überzeugt seine Argumentation allerdings nicht. Zu den kultischen und administrativen Anlagen des Provinziallandtags der Tarraconensis vgl. auch Panzram, Stadtbild und Elite, S. 45–50. 217 Vgl. Fishwick, D., Provincial forum and municipal forum: fiction or fact?, Anas 8 (1994), S. 169–186; ders., ICLW III 3, S. 5–40. 218 Vgl. jüngst Alföldy, G., CIL II2/14, 2, Berlin u. a. 2011, S. CXVII mit Überblick über die Forschungsliteratur.

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Modell scheint ferner in Narbo, Emerita und Cordoba vorzuliegen.219 Insbesondere die in Narbo gefundene Inschrift zum Flaminat des provinzialen Kultes (CIL XII 6038) muss wohl viel stärker als bisher angenommen als Dokument der rechtlichen Grenzziehung zwischen Kolonie und Concilium verstanden werden.220 Für Germanien geben neueste archäologische Funde aus Köln Anlass zu der Vermutung, dass der Kultbezirk am Rande der Siedlung, im Osten an den Rhein angrenzend, gelegen war, möglicherweise schloss sich im Westen ein eigenes Provinzialforum an.221 Als Resümee lässt sich formulieren, dass die Provinzialversammlungen sowohl im Westen wie im Osten den Status einer juristischen Person besessen zu haben scheinen und über das Eigentumsrecht an von ihnen genutzten Grundstücken verfügen konnten. Die Concilia und Koina schufen bewusst extraterritoriale Anlagen, die topographisch wie juristisch außerhalb der Städte lagen. Es lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass die Divi selbst oder die lebenden Kaiser juristisch involviert waren. Sollten solche Vorstellungen eine Rolle gespielt haben, hatten sie eher ideelle und weniger juristische Konsequenzen. IV.2.1.4 Spiele als Kostenfaktor Die in regelmäßigem Turnus veranstalteten Agone müssen ebenfalls angeführt werden, wenn man von den regulären Ausgaben spricht.222 Der Unterhalt und die Bereitstellung der Spielstätten verursachten dabei einen wichtigen Posten, das Personal einen anderen. Auch das Startgeld für hochklassige Athleten und Künstler und die Kosten für Siegerkränze und Ehrenstatuen für die Sieger fielen als Fixkosten an. 219 Für Narbo vgl. Fishwick, ICLW III 3, S. 129–133. Duncan Fishwick konnte auch in Emerita ein Areal des Provinziallandtags der Lusitania lokalisieren. Vgl. Fishwick, Provincial forum and municipal forum, S. 175–181; ders., ICLW III 3, S. 41–69. Er resümiert hierzu: „[…] the provincial sector here […] was entirely different from Tarraco, where a special precinct was built in an area some distance from the city centre. At Emerita in contrast […] this area was part of the original plan of the city. […] At Emerita things look to have been different in so far as an existing sector of the city must have been adapted to provincial uses.“ (Ebd., S. 181). In der Baetica lässt die archäologische wie epigraphische Situation kein so klares Bild erkennen. Auch hier scheint das Concilium allerdings institutionell in der Stadt verankert gewesen zu sein. „[…] at Corduba two such existing fora, an accident of the formative years of the colony, look to have been similarly utilized to varying degrees by the province of Baetica.“ (Fishwick, Provincial forum and municipal forum, S. 186; vgl. auch ders., ICLW III 3, S. 71–104). Gegen ein eigenes provinziales Forum argumentiert Panzram: „There was no forum which was reserved for municipal or provincial affairs.“ (Panzram, S., Los flamines provinciae de la Baetica: autorepresentación y culto imperial, AEA 76 Nr. 187–188 (2003), S. 121–130, hier S. 121). Neuere Untersuchungen in Cordoba positionieren das Forum Provinciae mit Tempel und Circus außerhalb der Stadt. Vgl. Ventura Villanueva, Reflexiones. 220 Zur Interpretation von CIL XII 6038 vgl. Kap. II.5.2.4 mit Exkurs. 221 So Eck, Köln, S. 88–90, 172–174. Leider ist die Befundlage hier aber zu dünn, um schlüssige Anworten auf die Frage nach einer juristischen Zuordnung zu finden. 222 Zu Finanzierungsfragen von Agonen und der Kostenproblematik vgl. u. a. Wörrle, Stadt und Fest, S. 151–164; Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse, S. 140–145.

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Vor allem die Abhaltung von Gladiatorenspielen oder Tierhetzen, die bei den Koinon-Spielen aus der römischen Tradition ergänzend zu den herkömmlichen griechischen Wettbewerben in das Programm aufgenommen wurden, schlug dabei mit hohen Summen zu Buche.223 Einen besonders hohen Kostenfaktor, den wir heute auch anhand der Quellen gut nachzeichnen können, bildete die familia gladiatoria, die zum Umfeld des Provinzialpriesters gehörte.224 Die Ausrichtung von Gladiatorenspielen wurde wohl vom Archiereus erwartet und er kam dieser Erwartungshaltung nach, indem er entweder die Gladiatoren-Truppe von einem lanista mietete oder sie selbst unterhielt. Neben den Unterhaltskosten für die Gladiatoren war dann vor allem ihre medizinische Versorgung zu gewährleisten, wie wir aus den Aufzeichnungen Galens wissen, der als Arzt die Gladiatoren verschiedener Archiereis in Pergamon betreute. Im besten Fall bedeutete dies hohe Kosten für die medizinische Wiederherstellung verletzter Gladiatoren; im widrigsten Fall kam ein Kämpfer ums Leben und bescherte damit dem Provinzialpriester einen wirtschaftlichen Totalausfall. Welche Folgen die hohen Kosten bei der Ausrichtung von Gladiatorenspielen für das Amt des Provinzialpriesters hatten, lässt sich aus einem Brief Hadrians an Aphrodisias ersehen.225 Die enormen Kosten der Gladiatorenspiele führten nämlich dazu, dass kaum noch Personen gefunden werden konnten, die das Amt des Archiereus von Aphrodisias übernahmen. Der Stadtrat von Aphrodisias sah sich daher gezwungen, Hadrian um eine Neuregelung der wohl verpflichtenden Abhaltung solcher Gladiatorenspiele zu ersuchen.226 Aber auch in nach-hadrianischer Zeit scheint der Kostendruck auf die Veranstalter der Spiele, bei denen Gladiatoren zum Einsatz kamen, enorm hoch gewesen zu sein, so dass schließlich Marcus Aurelius 177 n. Chr. die Ausgaben reichsweit per Dekret senkte.227 Für die Provinzialpriester wurde explizit festgelegt, dass sie ihre Gladiatoren zu einem höheren Preis an den jeweiligen Nachfolger verkaufen müssen. Hier sollte eine finanzielle Überbelastung verhindert werden, die eingetreten wäre, wenn der Provinzialpriester nach seiner Amtszeit auf diesen Kosten sitzengeblieben wäre. 223 Vgl. Quaß, Honoratiorenschicht, S. 307 f.; Robert, Gladiateurs, S. 270–275. 224 Vgl. Carter, Archiereis. 225 http://insaph.kcl.ac.uk/iaph2007/iAph110412.html, Z. 27–41, Zugriff am 27.03.2015. Vgl. Reynolds, J., New letters from Hadrian to Aphrodisias: trials, taxes, gladiators and an aqueduct, JRA 13 (2000), S. 5–20. Zwar handelt es sich dabei um einen auf lokaler Ebene angesiedelten Fall, die Problematik der hohen Kosten ist aber ohne Weiteres auf die Ebene der Provinz übertragbar. 226 Vgl. Reynolds, ebd., Nr. 1–4; SEG 50, 2000, 1096; Campanile, M. D., Noterelle ai nuovi documenti da Afrodisia, ZPE 135 (2001), S. 136–138; http://insaph.kcl.ac.uk/iaph2007/iAph110412. html, Zugriff am 27.03.2015. Eine etwas andere Interpretation schlägt Coleman vor. Sie deutet die Umwidmung der Gelder für Gladiatorenspiele zugunsten öffentlicher Bauten als Versuch, einerseits der lokalen Elite eine attraktivere Option zu bieten, ihre finanziellen Ressourcen prestigeträchtig einzusetzen, andererseits die Gelder der Elite zu kanalisieren und sie in öffentliche Bauten umzuleiten, um so die städtischen Finanzen und den Kaiser zu entlasten. (Vgl. Coleman, K. M., Exchanging gladiators for an aqueduct at Aphrodisias (SEG 50.1096), AClass 51 (2008), S. 31–46). 227 CIL II 6278 = ILS 5163. Vgl. dazu Carter, M., Gladiatorial ranking and the SC de pretiis gladiatorum minuendis (CIL II 6278 = ILS 5163), Phoenix 57 (2003), S. 83–114.

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Möglicherweise führte der enorme Kostendruck, der auf den Oberpriestern, Agonotheten und Panegyriarchen lastete, auch dazu, das Finanzierungssystem im dritten Jahrhundert zu verändern. Der Brief Valerians an die Stadt Philadelphia aus dem Jahr 255 n. Chr. könnte dahingehend interpretiert werden, dass die Kosten von den Schultern des einzelnen Amtsträgers genommen und auf die Städte umgeschlagen wurden.228 Ob damit eine wirkliche und langfristige Lösung des Kostenproblems erreicht werden konnte, ist fraglich. Die ökonomischen Probleme des dritten Jahrhunderts hinterließen ihre Spuren auch in anderen Koina, wie beispielweise dem der Provinz Macedonia. Epigraphische Neufunde aus Thessalonike lassen die ökonomischen Folgen der politischen Krisen heute in einem klareren Licht erscheinen.229 Es handelt sich dabei um drei agonistische Bekanntmachungen munera betreffend, die in Verantwortung des Makedoniarchen, Archiereus des makedonischen Koinon und Agonotheten abgehalten wurden. Verglichen mit zwei bereits bekannten Einladungen dieser Art230 verfügen wir über fünf Dokumente zwischen 228 und 260 n. Chr., die den finanziellen Niedergang des makedonischen Koinon widerspiegeln. Werden in den Jahren 228, 240 und 252 n. Chr. die Spiele mit jeweils drei Kampftagen und teilweise 18 Tieren veranstaltet, reduziert sich die Zahl im Jahr 260 n. Chr. auf einen Kampftag mit sechs Tieren. Offensichtlich schlägt sich hier die Belastung der makedonischen Oberschicht und damit verbunden auch der Städte als Mitglieder im Koinon in einem Rückgang der finanziellen Ressourcen des Provinziallandtags nieder. Möglicherweise wurde von römischer Seite auch auf die in Stiftungen angelegten Gelder zugegriffen, die für die Veranstaltung der Spiele vorgesehen waren.231 IV.2.1.5 Das Bestreiten der regulären Ausgaben aus Liturgien und Mitgliedsbeiträgen IV.2.1.5.1 Die Bedeutung der Liturgien Dieses Beispiel verdeutlicht zum Teil schon, wie die Kosten der Provinziallandtage gedeckt wurden. Einen großen Teil der Kosten für die Spiele übernahmen sicherlich die Oberpriester als Liturgie. Die finanziellen Risiken, die damit verbunden waren, lassen sich recht gut belegen. So lesen wir bei Tacitus, dass die Provinzialpriester in Britannien ihr gesamtes Vermögen zur Aufrechterhaltung des Kultes investierten.232 Die Höhe der privat geschulterten Ausgaben scheint dabei vom Willen und der finanziellen Leistungskraft des einzelnen Amtsträgers abhängig gewesen zu 228 Vgl. Keil, Gschnitzer, Neue Inschriften aus Lydien, S. 226 Nr. 8; SEG 17, 1960, 528. 229 BE 2000, 473, SEG 49, 1999, 815–818; AE 1999, 1425–1428. Velenis, Epigraphes apo ten archaia agora tes Thessalonikes, S. 1317–1327. Vgl. zur Aussagekraft dieser Texte Herz, Makedonisches Koinon. 230 AE 1971, 430 f. 231 So Herz, Makedonisches Koinon, S. 130 f. 232 Tac. ann. 14, 31.

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sein.233 Die Gratwanderung zwischen Prestigegewinn durch möglichst teure Spiele und finanziellem Ruin deutet sich dabei auch in einigen Quellen aus dem Osten des Reiches an. Epiktet warnte vor der Übernahme der Augustuspriesterschaft mit dem Argument, man gebe dabei nur Unsummen für eine sinnlose Sache aus234, Plutarch berichtet von Kandidaten, die sich für die Ausrichtung von Gladiatorenspielen verschuldeten235, und Maecenas riet angeblich bereits dem Augustus, die Ausrichtung von Spielen stärker zu kontrollieren, um zu verhindern, dass öffentliche Kassen und private Vermögen ruiniert würden236. Mit dem Amt des Provinzialpriesters war in einigen Fällen in Asia auch die Würde des Neokoros verknüpft, eines Amtes, das in dieser Zeit weniger eine sakrale Aufgabe war, sondern die Finanzierung von Bauund Erhaltungsmaßnahmen beinhaltete.237 Die Beispiele sollten aber nicht dazu verleiten, den Beitrag des Einzelnen im Rahmen euergetischer Maßnahmen überzubewerten. Die schriftlichen Quellen neigen dazu, das Besondere zu verallgemeinern und zum Alltäglichen zu erklären. In der Forschung der letzten Jahre wurde die Bedeutung des Euergetismus zumindest für den Bereich der städtischen Finanzen des griechischen Ostens zunehmend hinterfragt. Teilweise verneinte man seine Rolle zur Aufrechterhaltung der städtischen Finanzen sogar völlig.238 Auch wenn diese Sichtweise zu drastisch ist, herrscht doch Einigkeit darin, euergetische Leistungen nicht als überlebensnotwendigen Beitrag städtischer Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betrachten.239 Entsprechend darf an der Sichtweise gezweifelt werden, dass die finanziellen Zuwendungen des einzelnen Archiereus für den Provinziallandtag erst dessen Funktionsfähigkeit herstellten. Wäre die Institution der Concilia und Koina tatsächlich von den Finanzen ihrer Funktionsträger abhängig gewesen, hätte man sicherlich nicht reichsweit ein solch reibungsloses Funktionieren über Jahrhunderte erreicht. Diese finanzielle Konstruktion hätte auf viel zu wackeligen Füßen gestanden, um die notwendige Kontinuität und Stabilität garantieren zu können. Daher erscheint es auch für die Provinziallandtage sinnvoll, davon auszugehen, dass das finanzielle Fundament strukturell abgesichert und breiter angelegt war und der persönliche Euergetismus hier eher unterstützend als systemerhaltend fungierte. Die Richtigkeit dieser Einschätzung zeigt die Inschrift IvEphesos 721: Die Stadt Ephesos ehrte einen Mann namens Timaios, Archiereus der Provinz Asia, weil er sein Amt mit besonderer Hingabe und großem Aufwand versah. Die Inschrift spezifiziert seine Wohltat genauer, indem sie sagt, Timaios habe 70 000 De233 Laut Strabon besaß der Asiarch Pythodoros von Tralleis ein Vermögen von mehr als 2000 Talenten. (Strab. 14, 1, 42). Vgl. auch Philostr. soph. 1, 21, 2. 234 Epikt. 1, 19, 26 f. 235 Plut. mor. 823e. 236 Cass. Dio 52, 31. In Rom wurden die von den Prätoren ausgerichteten Gladiatorenspiele auf Befehl des Augustus anfangs aus der Staatskasse bezuschusst. Diese Bezuschussung entfiel allerdings bereits 7 n. Chr. wieder (Cass. Dio 55, 31, 4). Vgl. dazu auch Klingenberg, A., Sozialer Abstieg in der römischen Kaiserzeit. Risiken in der Oberschicht in der Zeit von Augustus bis zum Ende der Severer, Paderborn u. a. 2011, S. 63–82. 237 Vgl. Scherrer, Ehrengrab, S. 116. 238 Vgl. u. a. Schwarz, Soll oder Haben, S. 261–279; Cramme, Euergetismus, S. 271–277. 239 Vgl. Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 103–105.

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nare aus dem für Tierhetzen vorgesehenen Budget umgeleitet und dafür das sogenannte Parther-Monument in Ephesos, ein Denkmal, das an den Sieg des Lucius Verus über die Parther 166 n. Chr. erinnerte, errichtet.240 Angesichts der Ehrung darf man annehmen, dass die Tierhetzen bei den großen Spielen der Provinz nicht ausfallen mussten, sondern Timaios sie aus eigener Tasche finanzierte. Der Archiereus des Provinziallandtags von Asia konnte folglich über einen jährlichen Haushalt mit verschiedenen Posten verfügen. Es gab offensichtlich festgesetzte Summen, aus denen einzelne Ereignisse oder laufende Kosten bestritten wurden. Die Höhe der Ausgaben war begrenzt und richtete sich nach den zu erwartenden Einnahmen. Anzunehmen ist, dass der Landtag bei seiner jährlichen Zusammenkunft über den Haushalt beriet und ihn verabschiedete. Entsprechend wird der Oberpriester des Landtags nach Ablauf seiner Amtszeit für seine Haushaltsführung Rechenschaft abgelegt haben. Nur in Ausnahmen, die wie im Fall von IvEphesos 721 als Abweichung von der Regel dokumentiert wurden, konnten die Ausgaben umgeleitet oder durch private Spenden ergänzt werden. Die finanzielle Last der Spiele musste aber nicht immer und ausschließlich auf den Schultern des Archiereus liegen. Aus einigen Provinzen ist die Existenz von Gymnasiarchen für die Festspiele der Provinzen belegt, die für die Dauer der Spiele amtierten und deren Hauptaufgabe es war, das teure Salböl in den Gymnasien und Bädern, die als Austragungsorte der Wettkämpfe dienten, bereitzustellen.241 Solche Belege haben wir beispielsweise für Asia242, Lykien243, Zypern244 und Makedonien245. Wenn die Priester des Augustustempels in Galatien das Salböl aus eigener Tasche finanzierten, könnte man daraus zumindest für die frühe Kaiserzeit schließen, dass die Aufgaben und damit die Kosten des Gymnasiarchenamtes in dieser Provinz von den Archiereis übernommen wurden.246 Einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtbudget der Provinziallandtage leisteten die Oberpriester und möglicherweise auch andere Beamte der Landtags des Ostens wie des Westens sicherlich über die summae honorariae, die sie wie jeder Amtsträger bei Amtsantritt zahlten.247 Diese feste Summe, die unabhängig von den 240 Vgl. Engelmann, H., Eine Victoria Caesaris und das Parthermonument (IvEphesos 721), ZPE 113 (1996), S. 91–93. 241 Vgl. Nigdelis, Oberpriester, S. 180–182. 242 IGR IV 454 und AvP VIII 3, 165. 243 IGR III 495; Balland, Inscriptions du Létôon, S. 230, Nr. 69. 244 Pouilloux, J., Roesch, P., Marcillet-Jaubert, J. (Hgg.), Salamine de Chypre XIII, Testimonia Salaminia 2: Corpus épigraphique, Paris 1987, Nr. 48; LBW 2734 = Nikolaou, K., The historical topography of Kition, Göteborg 1976, S. 133, Nr. 9. 245 So Gauthier, P., Hatzopoulos, M. B., La loi gymnasiarchique de Beroea, Athen 1993, S. 147– 151. Dagegen Nigdelis, Oberpriester, S. 179–182. Nigdelis äußert die Vermutung, dass die Gymnasiarchen jeweils aus der Bürgerschaft der die Spiele veranstaltenden Stadt gewählt worden sein könnten, weil diese Städte und ihre prominenten Bürger die Last der Spiele zu tragen hatten. 246 So Nigdelis, ebd., S. 181. Zu den Kosten der Gymnasiarchie und ihrer Abdeckung vgl. u. a. Laum, Stiftungen. 247 Vgl. Duncan-Jones, Economy, S. 82–88; Cramme, Euergetismus, S. 41–47; Quaß, Honoratiorenschicht, S. 328–334. Als summa honoraria müssen die im Opramoas-Dossier erwähnten ἀναλώματα (TAM II 905 VIII F Z. 16 f.) verstanden werden. Vgl. Reitzenstein, Die lykischen

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freiwilligen Zusatzleistungen bei Amtsantritt gezahlt werden musste, bildete einen fixen Bestandteil des Haushalts. Bestens belegt sind die summae honorariae für die afrikanischen Provinzen, allerdings fehlen konkrete Hinweise auf die Amtsträger der Provinziallandtage. Da die lokalen Unterschiede die Höhe der Summen betreffend recht groß sind, muss man sich auch davor hüten, Rückschlüsse aus der Höhe der Summe für städtische Kaiserpriester und -priesterinnen248 auf die Amtsträger der Provinziallandtage zu treffen. Vermutlich bildeten sie aber einen nicht unwichtigen Teil des Budgets. Man könnte darüber spekulieren, ob die summae honorariae in das Gesamtbudget einflossen, der Provinziallandtag bei seinen Haushaltsberatungen also über ihre Verwendung mitentschied oder ob der Oberpriester daraus seine Verpflichtungen – wie zum Beispiel Spiele – bestritt. Greift man hier auf parallele Vorgänge in den Städten zurück, scheint sich die Lösung anzudeuten, dass die Gremien und nicht der Amtsträger allein entschieden.249 IV.2.1.5.2 Mitgliedsbeiträge Die Provinziallandtage verfügten allerdings auch über reguläre Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen der einzelnen Städte und Gemeinden, die wohl am ehesten für die laufenden Kosten – also Personal, regelmäßigen Kult und Infrastruktur – eingesetzt wurden. Einzelne Städte leisteten einen ihrer Größe angemessenen Beitrag zu den Kosten der Gemeinschaftsaufgaben des Koinon durch die Zahlung von eisphorai, deren Höhe wohl dem jeweiligen Bedarf entsprechend immer wieder neu festgesetzt wurde. Zumindest für die Provinz Lykien ist dabei durch Strabon belegt, dass die Höhe der Abgaben sich ebenso wie das Stimmrecht nach der Größe der Stadt richtete.250 Ein 1972 erstmals publizierter Brief des Commodus an die lykische Gemeinde Bubon unterstreicht, dass dieses System der Stimmverteilung auch noch im zweiten Jahrhundert n. Chr. existierte. Der Brief aus dem Jahr 190 n. Chr. bestätigt die durch das lykische Koinon vorgeschlagene Erhebung der Gemeinde Bubon in den Status einer sogenannten Drei-Stimmen-Stadt251 aufgrund ihres Ein-

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Bundespriester, S. 62–65. Deininger geht aufgrund des fehlenden Quellenbelegs für summae honorariae der Landtagsbeamten davon aus, dass keine gezahlt wurden. Er sieht den einzelnen Spender viel stärker in der Pflicht. (Deininger, Provinziallandtage, S. 157). Angesichts der umfänglichen Aufgaben der Landtage scheint dies allerdings nicht überzeugend. Vgl. Hemelrijk, E. A., Priestesses of the imperial cult in the Latin west: Benefactions and public honour, AC 75 (2006), S. 86–117, hier S. 88. Vgl. Cramme, Euergetismus, S. 45–47. „Es sind dreiundzwanzig stimmberechtigte Städte, und aus jeder Stadt kommen sie zu gemeinsamer Sitzung zusammen in der Stadt, die sie jedesmal nach Gutdünken wählen. Von den Städten verfügen die größten über je drei Stimmen, die mittelgroßen über zwei, die übrigen über eine; und in demselben Verhältnis bringen sie auch ihre Steuerbeiträge und übrigen öffentlichen Leistungen auf.“ (Strab. 14, 3, 3; Übersetzung nach Radt, S. (Hg.), Strabons Geographika. Mit Übersetzung und Kommentar, Bd. 4, Göttingen 2005, S. 87–89). Vgl. Schindler, Die Inschriften von Bubon, S. 12–23 Nr. 2 = BE 1973, 451 = AE 1979, 624.

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satzes gegen das Räuberunwesen.252 Ein ähnliches System der Stimmverteilung – und dementsprechend auch der abgestuften Mitgliedsbeiträge – könnte es neuen Inschriftenfunden zufolge auch in Thrakien gegeben haben. Sharankov hat 2007 erstmals zwei Inschriftenfragmente aus Philippopolis publiziert, die einen Katalog von Personen aus mindestens fünf thrakischen Städten zeigen, die allerdings nicht mehr namentlich nachvollzogen werden können.253 Die Personennamen stehen unter den Namen der Städte, wobei auffällt, dass die Zahl der Namen variiert. Unter zwei Städten finden sich vier Namen, unter einer Stadt finden sich zwei Namen und zwei weiteren Städten werden mindesten zwei Personennamen zugeordnet. Der Erstherausgeber hat plausibel machen können, dass es sich bei diesem Dokument, das zeitlich an das Ende des zweiten oder den Anfang des dritten Jahrhunderts gehört, um eine Inschrift des thrakischen Koinon handelt. Er vermutet, es handele sich um eine Liste der Delegierten einer Jahresversammlung, die gemeinsam diese Inschrift als Ehreninschrift oder Weihinschrift errichtet haben. Offensichtlich können wir hier ein dem lykischen Koinon analoges System fassen. Die Größe der Städte bestimmte die Anzahl ihrer Delegierten und die Höhe ihrer Mitgliedsbeiträge. Dass die regelmäßigen Beitragszahlungen der Städte und Gemeinden provinzübergreifend die finanzielle Basis der Provinziallandtage bildeten, zeigt ein Brief Kaiser Valerians an die Stadt Philadelphia aus dem Jahr 255 n. Chr. In diesem Schreiben greift der Kaiser in die Finanzhoheit des asianischen Landtags ein und gewährt der Stadt Philadelphia – so die allgemeine Lesart – die Befreiung von Beiträgen für Kult und Spiele des Koinon. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –Ο̣ỊΕ̣ỊΑ̣Σ̣ ὑμῖν ὁ [– – – – – – – – – – – – – – πρε]σβευτὴς ὁ λαμπρότατος ὑπατικὸς καὶ φίλο]ς̣ ἡμῶν καὶ διαλεχθεὶς πά[λιν(?) – – – – – – – – – – –] ἐ̣π̣ὶ̣ τοῦ ψηφίσματος ἤτει τε– – – – – – – – – – – – – ἡ̣μας ἀφεῖναι τὴν πόλιν τῆς ἐπὶ τὰς [ἀρχιερ]ωσύνας καὶ τὰς τῶν πανηγύρεων ἀρχὰς [πρ]ὸς τὰς μητροπόλεις συντελείας ὡς ὑπάρξαν αὐτῇ πρότερον τὸ καὶ ταῖς μητροπόλεσιν αὐταῖς συναριθμεῖσθαι. δέχεσθε δὴ κοσμίως τὴν χάριν ὡσανεὶ συμψηφισαμένων ὑμεῖν ταῦτα καὶ τῶν μητροπόλεων οὐχ ὡς ἀφελόμενοί τι αὐτάς · πρέπειε γὰρ οὕτω καὶ τοὺς διά τι χρηστὸν τυχόντας δωρεᾶς ἐπιεικεστάτην {χρὴ} τὴν παράλημψιν αὐτῆς καὶ ἀξίαν τῶν διδομένων ποιεῖσθαι, βλάβης μὲν μηδεμιᾶς μήτε ἐκ ταύτης τῆς δωρεᾶς μήτε ἐξ ἄλλης ἡστινοσοῦν ἑτέρᾳ πόλει συμβαίνειν ὀφειλούσης, αὐτὸ δὲ τοῦτο οὐχ ὑπολογιουμένων τῶν μητροπόλεων ἑαυτῶν ζημίαν, εἰ τῆς περὶ τὰ ῥηθέντα λιτουργίας ἀξίοις οὖσιν ὑμεῖν ἄφεσιν 252 Dieses Prinzip, das Stimmrecht sowie die Abgabenlast nach der Größe der Stadt zu verteilen, existierte bereits im hellenistischen Koinon von Lykien und wird in der einschlägigen Literatur stets als singuläre Erscheinung gesehen, wie das lykische Koinon generell als Sonderfall betrachtet wird (vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 69–81; Behrwald, Der lykische Bund). Allerdings macht dieser Brief einige Details des Prozederes deutlich, das bei Änderungen in der Struktur eines Provinziallandtags üblich war. Zum Ersten musste offenbar eine Änderung im Stimmverhältnis vom Kaiser genehmigt werden. Es scheint sogar so gewesen zu sein, dass jede Änderung oder Abweichung vom Protokoll eines Kaisererlasses bedurfte. Der Kaiser war die letzte Rechtsinstanz in diesen Fragen. Die Provinziallandtage waren also keine völlig unabhängigen Organisationen, sondern unterlagen der letztinstanzlichen Urteilsmacht des Kaisers. Zum Zweiten kann man folgenden Ablauf rekonstruieren: Der Provinziallandtag der Provinz Lykien fasste einen Beschluss, entsandte dann eine Gesandtschaft an den Kaiser, um diesen Beschluss bestätigen zu lassen, und dokumentierte die Bestätigung des Kaisers anschließend öffentlich, womit sie wahrscheinlich Rechtskraft erlangte. 253 Vgl. Sharankov, The Thracian koinon, S. 522 f.

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ἔδομεν. vacat Ἐπρέσβευεν Πόπλιος Αἴλιος Πίγρης ὁ φίλος ἡμῶν. Εὐτυχεῖτε, Φιλαδελφεῖς ἡμέτεροι. Ἐδόθη πρὸ ιεʹ καλανδῶν Φεβρουαρίων τοῖς κυρίοις ἡμῶν Οὐαλεριανῷ τὸ γʹ καὶ Γαλλιηνῷ τὸ βʹ Σεβαστοῖς ὑπάτοις ν ν ἀπὸ Ἀντιοχείας.254

Man muss dieses Schreiben inhaltlich wohl so verstehen, dass (zumindest im dritten Jahrhundert) die Metropolen der Provinz Asia Sonderrechte bei der Beitragszahlung besessen haben. Der Kaiser gewährte der Stadt Philadelphia die Befreiung von bestimmten Zahlungen mit der Begründung, dass sie früher Metropole war und – so muss man wohl mitdenken – mit dem Verlust dieses Status auch die Privilegien der Beitragsbefreiung verloren hatte. In der bisherigen Forschung zu wenig beachtet scheint die Formulierung, die Stadt sei „von der Beitragszahlung für die [Erz] priesterstellen und die Panegyriarchenämter“ befreit worden. Hier ist also nicht die Rede von einem allgemeinen Beitrag zum Provinziallandtag, sondern es scheint im dritten Jahrhundert spezielle Beiträge zu den Budgets einzelner Landtagsbeamter gegeben zu haben. Bei den beiden genannten dürfte es sich um die kostenintensivsten Haushaltsposten gehandelt haben, zeichnete doch wahrscheinlich der Archiereus verantwortlich für den Kult und der Panegyriarch für die Finanzierung der Spiele. Die Inschrift legt also den Schluss nahe, es habe im dritten Jahrhundert nicht eine Summe gegeben, die jede Stadt an das Koinon von Asia zahlte, sondern verschiedene Beiträge zu den jeweiligen Ausgabeposten des Koinon. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge kennen wir nur in zwei Fällen aus Lykien: Die Stadt Myra in Lykien entrichtete an das Koinon der Provinz jährlich 7000 Denare, die Stadt Kaunos wohl 6000255. Eine Inschrift aus Myra erwähnt den Beitrag von 7000 Denaren und stellt ihn in einen Zusammenhang mit der Erhebung des städtischen Zolls.256 Bei der Inschrift handelt es sich wohl um einen Brief aus der kaiserlichen oder statthalterlichen Kanzlei, die hier mit einer ordnenden Maßnahme in die Finanzverwaltung von Stadt und Koinon eingreift. Von Seiten der römischen Provinzverwaltung wollte man offenbar für ein reibungsloses Funktionieren des Provin254 „[…nachdem Euer] Gesandter, seine Excellenz und … unser [Freund] … über den Beschluss (des Landtages der Provinz Asien) gesprochen hatte, verlangte er (oder verlangt ihr), dass wir die Stadt von der Beitragszahlung für die [Erz]priesterstellen und die Panegyrarchenämter befreien, da es der Stadt früher vergönnt war, zu den Metropolen selbst gezählt zu werden. Empfanget also loyal diese Begünstigung so, als ob auch die Metropolen selbst dies mitbeschlossen hätten und nicht, als ob ihr ihnen etwas weggenommen hättet; denn dies dürfte auch so angemessen sein für diejenigen, die infolge einer tüchtigen Tat Privilegien erhalten haben; die Annahme derselben soll sehr geziemend und würdig der verliehenen Rechte erfolgen, ohne dass ein Schaden aus diesen oder einem anderen Privileg für eine andere Stadt entstehen darf und ohne dass die Metropolen es als eine Bestrafung für sie ansehen, wenn wir Euch, da Ihr es wert seid, von der genannten Liturgie Befreiung gewährten. Die Gesandtschaft hatte Publius Aelius Pigres, unser Freund, übernommen. Lebt wohl unsere Bürger von Philadelphia! Gegeben am 15. Tag vor den Kalenden des Februar unter dem Konsulat unseres Herrn Valerianus Augustus zum 3. und Gallienus Augustus zum 2. Mal. Von Antiochia – 18.1.255 -.“ (Keil, Gschnitzer, Neue Inschriften aus Lydien, S. 226 Nr. 8 = SEG 17, 1960, 528; Übersetzung nach Freis, H. (Hg.), Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis Konstantin, Darmstadt 1984, Nr. 147); vgl. auch Deininger, Provinziallandtage, S. 59. 255 Berechnung nach Marek, Inschriften von Kaunos, S. 212. 256 Zum städtischen Zoll allgemein vgl. Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 107–109; Schwarz, Soll oder Haben.

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ziallandtags sorgen, indem man ihn mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausstattete. Das heißt aber auch, dass der römische Staat sich davon Vorteile versprach. Leider ist der Anfang des Steins verloren, so dass der genaue Kontext nicht restlos erschließbar ist. Es heißt dort aber: „[…] und von der Stadt sollen dem Bund durch die Pächter […] nur für das Zollamt in Myra jährlich 7000 Denare bezahlt werden aus (dem Ertrag) des 2 ½ prozentigen Zolls auf die aus dem Ausland eingeführten und in Myra verkauften Waren […]“.257 Eine andere Interpretation der Inschrift liefern Engelmann und Schwarz.258 Die Thesen von Wörrle konnten allerdings von Marek 2006 bestätigt werden.259 Seine Untersuchung einer Stiftungsurkunde aus Kaunos aus hadrianischer Zeit, die Informationen zu Zollfragen und Handelssteuern liefert, konnte zeigen, dass sowohl Myra als auch Kaunos einem eigenen lykischen Zollgesetz unterworfen waren, das völlig anders zugeschnitten war als das bekannte asianische. Für die Frage des Koinon von größter Bedeutung ist die Erkenntnis, dass in Lykien offenbar eine individuell festgesetzte Zollsteuer existierte, die jede Stadt an den Bund zahlte.260 Darüber hinaus erhob der Bund selbst Zoll auf grenzüberschreitenden Warentransfer an jeder Außen- und Binnengrenze, solange die Ware nicht verkauft wurde. Marek vermutet hinter diesem System eine vorrömische Einrichtung, die bei Einrichtung der Provinz unter Kaiser Claudius beibehalten wurde. Die Städte einer Provinz zahlten also offensichtlich eine feste jährliche Summe an das Koinon. In Lykien wurden diese Ausgaben aus den 2 ½-prozentigen Zolleinnahmen auf die Einfuhr von Waren gedeckt. Die lykische Regelung ist allerdings ein Sonderfall, der nicht auf die übrigen Provinzen des Reiches übertragbar ist. Takmer hat im Rahmen der Erstpublikation einer neuen Zollinschrift aus dem lykischen Hafen von Andriake und auf der Basis der von Marek aus der Kaunos-Inschrift erstellten Analyse folgendes Bild der Zollorganisation Lykiens zusammengefügt: „Rom überließ die Zollerhebung entgegen der üblichen Praxis weder römischen Pächtern nach Prokuratoren, sondern dem Lykischen Bund. Der Bund erhob den Ausfuhrzoll, überließ seinen Mitgliedsstädten jedoch das Recht, die auf ihrem Markt verkauften Waren mit Einfuhrzoll zu belegen. Die Städte mussten von diesen Einnahmen eine jährliche Pauschale an den Bund abführen. [Myra 7000 Denare, Kaunos 6000 Denare] Verließ die Ware jedoch unverkauft das Stadtterritorium, kassierte der Bund 5 % des Warenwertes als Ein- und Ausfuhrzoll. Demnach haben die städtischen Zöllner bei Verkauf auf ihren Märkten Einfuhrzoll erhoben, die des Bundes aber bei Wideraustritt der unverkauften Ware doppelten Zoll eingezogen. […] Schließlich führte der Bund eine festgesetzte Summe an den kaiserlichen Fiskus ab [100 000 Denare]. Die Andriakeinschrift bestätigt im Wesentlichen die oben angeführten Feststellungen und nennt darüber hinaus eine Reihe von Einzelheiten zum Zollwesen.“261 257 Übersetzung nach Wörrle, Myra, S. 287. 258 Vgl. Engelmann, H., Die Zollinschrift von Myra, ZPE 59 (1985), S. 113–119; Schwarz, Soll oder Haben, S. 286 f., 395–401; dies., Anmerkungen zu der Zollinschrift aus Myra, EA 33 (2001), S. 15–38. 259 Vgl. Marek, Inschriften von Kaunos, S. 200–215; ders., Stadt. 260 Interessant ist der Hinweis Takmers zur Verwendung der Mitgliedsbeiträge: „Die von den Städten an das Koinon abgeführten Summen wurden mit Genehmigung römischer Autoritäten bisweilen für Bauprojekte verausgabt, die den einzelnen Städten zugute kamen.“ Takmer nennt einmal den Bau eines Aquädukts und zum anderen zwei Thermenanlagen. (Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae, S. 177). 261 Vgl. Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae, S. 172 f.; SEG 57, 2007, 1666.

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Kann man diese Zahlen nun einer Berechnung der gesamten Einnahmen des lykischen Koinon aus Mitgliedsbeiträgen zugrunde legen? In Anbetracht fehlender alternativer Quellen muss man mit dem Zahlenmaterial arbeiten. Strabon berichtet für die Zeit um 100 v. Chr. von 23 Mitgliedsstädten des lykischen Koinon262. In den Inschriften der lykischen Großspender Opramoas und Jason263 sind für die Kaiserzeit 33 Städte erwähnt, die wohl Mitglieder des lykischen Provinziallandtags waren.264 Diese Zahl muss ein ungefährer Wert bleiben, lässt aber eine Annäherung an die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen zu. Bei einer Mitgliederzahl von 33 Städten und einem angenommenen Mittelwert von 5000 Denaren (nicht alle Städte hatten als Hafenstädte Einnahmen aus überseeischem Handel) ergäbe sich eine Summe von 165 000 Denaren, über die das lykische Koinon jährlich nur aus den Beiträgen seiner Mitgliedsstädte verfügen konnte. So spannend es ist, wenigstens in einem Fall über die Erhebungspraxis der Mitgliedsbeiträge zum Koinon Bescheid zu wissen, so wenig hilft der lykische Einzelfall weiter, wenn man nach der Erhebung der Mitgliedsbeiträge in anderen Provinzen fragt. Die Abtretung der Zollerhebung von römischer Seite an den Bund kann nur als Sonderfall gesehen werden und bestätigt die Sonderrolle des lykischen Bundes im Provinzverband und seine große Autonomie. In den übrigen Provinzen verpachteten die Römer die Zölle selbst. Dennoch können die Ergebnisse aus der Untersuchung zu Lykien zum größeren Verständnis der generellen Erhebungspraxis von Mitgliedsbeiträgen herangezogen werden. Das lykische Beispiel kann als Türöffner verstanden werden. Wir erkennen nämlich, dass die römische Administration daran interessiert war, Richtlinien bei der Erhebung der Mitgliedsbeiträge vorzugeben, die folgende Standards265 erfüllten: 1. Die Städte sollten nicht über Gebühr belastet werden. 2. Die Beiträge sollten verlässlich durch fest definierte Finanz­ oder Steuergeschäfte eingenommen werden. 3. Eine gewisse Einheitlichkeit in der Provinz, die sich dennoch an der Wirtschaftskraft der einzelnen Stadt orientierte, sollte gegeben sein. 4. Die Steuersubjekte sollten in transparenter Weise nachvollziehen können, wie hoch die Abgaben sind und wie die Abgaben erhoben werden. 5. Die Städte legten in einem definierten Rahmen selbst die Abgabenart fest. Halten wir uns diese Standards vor Augen und blicken geographisch nur ein wenig hinaus aus Lykien, bleibt der Blick unweigerlich an der Provinz Asia hängen und einer Inschrift, die durch ihren kryptischen Charakter seit ihrer Erstpublikation widersprüchlichste Interpretationen erfahren hat. Das von Habicht erstmals publizierte und in den Inschriften von Ephesos unter der Nummer 13 (IvEphesos 13) aufgenom262 263 264 265

Strab. 14, 3, 3. TAM II 905 = IGR III 739; TAM II 578 = IGR III 679; TAM II 1203; IGR III 704. Zur Diskussion vgl. Magie, Roman rule, Bd. 2, S. 1391 Anm. 59. Auf die Setzung von allgemein verbindlichen Standards durch die Römer hat bereits Mitchell bei der Kommentierung des 46 v. Chr. geschlossenen Vertrages zwischen Rom und dem lykischen Koinon hingewiesen. (Vgl. Mitchell, Treaty, S. 193).

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mene Dokument266 beinhaltet eine Liste aller Orte der Provinz Asia, geordnet nach Diözesen. Der Nennung des jeweiligen Ortsnamens folgen verschiedene Abgabenkategorien, entweder mit oder ohne Angabe von Summen, wobei die Summen meist in Denaren angegeben werden. Habichts Datierung der Inschrift in die 70er oder 80er Jahre des ersten Jahrhunderts n. Chr. ist allgemein akzeptiert, darüber hinaus scheiden sich aber die Geister. Während sich Habicht und Wankel in der Deutung der Gebührenordnung eher zurückhielten, sah Gschnitzer darin Beurkundungsgebühren, deren Publikation für ihn den Sinn erfüllten, eine Übersicht über das ganze Gebühren- und Urkundenwesen für einen bestimmten Interessentenkreis zu liefern. Er betonte also den „praktischen Wert“ eines solchen Dokuments.267 Dies leuchtet insofern nicht ein, als gerade die Aufstellung an nur einem Ort in der Provinz gegen einen praktischen Wert der Inschrift spricht. Hier wäre die Aufstellung vor Ort viel eher nützlich. Zudem bietet auch die Vergleichbarkeit der Gebühren keinen tatsächlichen Mehrwert. Denn erstens sind die aufgeführten Gebühren nicht einheitlich und zweitens nützt es demjenigen, der ein Rechtsgeschäft in einer bestimmten Stadt tätigen muss, nichts, wenn er weiß, dass dasselbe Rechtsgeschäft 100 km entfernt billiger zu haben gewesen wäre. Der praktische Nutzen kann m. E. als primärer Aufstellungsgrund dieses Dokumentes vernachlässigt werden. Die Publikation erfüllte sicherlich einen stärker dokumentarischen Zweck, als dass sie als Referenzwerk diente. Knibbe machte den Vorschlag, die Inschrift als Dokument der römischen Verwaltung zu deuten, mit der die Römer ihre Ansprüche an die πόλεις, δῆμοι καὶ ἔθνη Asias öffentlich machten. Er hielt es sogar für möglich, hierin das steuertechnische Inventar des fiscus Asiaticus zu sehen und versuchte die zweifelsohne vorhandenen Ungereimtheiten damit zu erklären, dass es sich um einen Sammeltopf von alter pergamenischer und neuer römischer Steuerpraxis handelte. Seine hochkomplizierte Analyse überzeugt nicht. Sollte es sich um ein fiskalisches Dokument handeln, wäre wohl mehr Einheitlichkeit und eine gleiche Bemessungsgrundlage zu erwarten. Knibbes Vorschlag hat sich dementsprechend auch nicht durchgesetzt. Soweit ich sehe, ist bis dato noch nicht ernsthaft der Versuch unternommen worden, dieses Dokument in den Kontext der Mitgliedsbeiträge zum Koinon zu setzen268, was insofern nicht verwunderlich ist, als auch für Lykien erst mit der 266 Erstpublikation mit Kommentar Habicht, Evidence. Kommentiert wurde die Inschrift später bei Wankel IvEphesos Ia 13; Robert, REG 89 (1976), S. 532–537 (= BE 595); 90 (1977), S. 408 (= BE 450); SEG 37, 1987, 884. Interpretationen liegen u. a. vor von Knibbe, D., Zeigt das Fragment IvE 13 das steuertechnische Inventar des „fiscus Asiaticus“?, Tyche 2 (1987), S. 75–93; Gschnitzer, F., Beurkundungsgebühren im römischen Kaiserreich. Zu Inschr. Eph. Ia 13, in: Thür, G. (Hg.), Symposion 1985. Vorträge zur griechischen und römischen Rechtsgeschichte (Ringberg 24.–26. Juli 1985), Köln u. a. 1989, S. 389–403 (= Trümpy, C., Schmitt, T. (Hgg.), Kleine Schriften zum griechischen und römischen Altertum, Bd. II: Historische und epigraphische Studien zur alten Geschichte seit den Perserkriegen, Stuttgart 2003, S. 432–446); Merola, G. D., Autonomia locale, governo imperiale. Fiscalità e amministrazione nelle province asiane, Bari 2001, S. 152– 159. 267 Vgl. Knibbe, Zeigt das Fragment IvEphesos 13 das steuertechnische Inventar des „fiscus Asiaticus“?, S. 401. 268 Lediglich bei Bowersock findet sich der Hinweis auf „contributi o imposte di un qualque tipo versati dalle città d’Asia“. (Bowersock, G. W., La Grecia e le province orientali, in: Storia di

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Publikation der neuen Dokumente aus Kaunos und Andriake Licht ins Dunkel gebracht werden konnte, das nun vielleicht auf andere Provinzen ausstrahlt.269 Wir wissen aus Dion Chrysostomos, dass die Städte Asiens entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit Beiträge an das Koinon zahlten.270 Ruft man sich die Zollinschriften aus dem lykischen Myra und Andriake erneut ins Gedächtnis und rekapituliert man vor allem die Regelungen der Stiftung aus Kaunos, die den städtischen Mitgliedsbeitrag für das Koinon übernahm, indem sie den Einfuhrzoll aussetzte und den Einnahmeausfall aus den Zinsen des Stiftungskapitals beglich, lassen sich hier möglicherweise das Szenario für die Provinz Asia und die Erhebungspraxis für die Mitgliedsbeiträge zum Koinon rekonstruieren. Es scheint sich bei IvEphesos 13 um eine Gebührenordnung für die Beurkundung von Eigentumsübertragungen, Übertragungen von Sklaven sowie allgemeine Archivabgaben zu handeln.271 Die Städte hatten intern einen gewissen Spielraum, aus welchen Einnahmen sie die Summe aufbrachten (Gebühren, Kopfabgabe, Eigentumsabgabe). Da es sich um unterschiedlich hohe Gebührensätze handelt, muss man annehmen, dass die Städte sich auf einen grundsätzlichen Pool von Abgaben geeinigt hatten, deren Höhe aber wohl jede Stadt selbst bestimmen konnte. Bereits Dion hatte ja in einer im phrygischen Apameia gehaltenen Rede die Stadt gelobt, weil ihr Beitrag dieselbe Höhe hatte wie der einer Stadt mit Provinzialtempel.272 Möglicherweise fand sich am leider verlorenen Beginn des Dokuments eine Auflistung der Gesamtbeiträge, die jede Stadt jährlich an das Koinon leistete. Bereits Habicht hatte in seiner Erstpublikation aus dem Jahr 1975 darauf hingewiesen, dass es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um ein Dokument des Provinziallandtags handelt.273 Der Aufstellungsort Ephesos, möglicherweise auf der Agora274, deutet m. E. als weiteres Indiz auf die große Bedeutung der Inschrift für sämtliche Städte der Provinz hin. Die Ordnung der Städte nach Diözesen, also jenen Gerichtsbezirken, die aus der attalidischen Verwaltungspraxis hervorgegangen waren und hauptsächlich dem römischen Statthalter als Verwaltungseinheiten in der Rechtsprechung dienten, spricht nicht zwangsläufig gegen einen Koinon­Hintergrund. Im Gegenteil. Die Mitglieder im Kollegium der „Tempelbauer“ in Milet wurden von der Vollversammlung des Landtags der Provinz Asia ausgewählt und zwar jeweils einer pro

Roma 2, 2, Turin 1991, S. 409–432, hier S. 413). 269 In einer früheren Arbeit hat die Autorin die Idee diskutiert, das Dokument könnte eine Auflis­ tung der einzelnen Leistungen der Städte und Gemeinden zum neuen Kaisertempel der Flavier von Ephesos sein. (Vgl. Edelmann-Singer, Finanzielle Dimension, S. 175). Dies lässt sich nicht von der Hand weisen und muss als Alternative sicher bedacht werden. Ich werde auf diesen Vorschlag, den Herz 1997 erstmals machte, im Verlauf der Arbeit (Kap. IV.2.2.1.) eingehen. 270 Dion Chrys. 35, 17. 271 Vgl. als Parallelüberlieferung die Gebührenordnung IvEphesos Ia 14, wo es ausdrücklich heißt: „[…] Gebühren, die für die im altehrwürdigen Antigrapheion ausgefertigten Bescheinigungen gezahlt werden müssen.“ 272 Dio Chrys. 35, 17. 273 Habicht, Evidence, S. 90. 274 Habicht, Evidence, S. 64: „It is not known where exactly it was found, although D. Knibbe has suggested privately that is was originally set up in the Agora.“

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Diözese.275 Vermutlich war das asianische Koinon intern auf der Basis dieser geographischen Ordnung gegliedert. Der Aufstellungsort Ephesos muss sicherlich mit dem Entstehen des Provinzialtempels in Ephesos in flavischer Zeit in Verbindung gebracht werden. Gerade in der Provinz Asia, die berühmt war für ihre internen Streitigkeiten um das Ansehen und die Vorrangstellung der einzelnen Städte, waren ein solcher Aufstellungsort und eine solche umfassende und vergleichbare Publikation der Beiträge und ihrer Zusammensetzung wichtig. Diese Form der Transparenz sollte möglicherweise verhindern, dass sich die einzelnen Mitglieder des Koinon ungleich behandelt oder zu stark belastet fühlten.276 Es sei an dieser Stelle betont, dass die Inschrift IvEphesos 13 in ihrer enigmatischen Sprache Spielraum für verschiedene Interpretationen gibt und hier nicht der Eindruck erweckt werden soll, es könne sich nur um eine Liste der regulären, jährlichen Mitgliedsbeiträge handeln. Im Folgenden (Kap. IV.2.2.1.) wird auch die Möglichkeit erwogen, dass dieses dokumentarische Verzeichnis die einmaligen Beiträge der Städte Asias zu einem einmaligen Bauprojekt darstellt. Auch für diese Deutung gibt es gute Argumente. Sicher ist allerdings nur, dass es sich um eine Inschrift handelt, die im Kontext des Provinziallandtags und seiner Finanzen gesehen werden muss. Neben den Nachrichten aus Lykien und Asia wissen wir, dass auch die westlichen Concilia über eine Kasse mit regulären Einnahmen verfügten. Allerdings bestätigt sich hier das Bild, dass es keine einheitliche Handhabung in der Einnahmepraxis der Landtage gab. Aus Tacitus277 scheint man entnehmen zu können, dass es in Britannia keine regelmäßigen Beiträge gab. Hier – so die allgemeine Lesart – führten nicht zuletzt die ad hoc erhobenen Beiträge zum Tempel in Camolodunum zum großen Aufstand von 60 n. Chr. Auch die lange Bauzeit des Tempels von Tarraco von Tiberius bis Vespasian wird als Zeichen einer fehlenden finanziellen Infrastruktur in Form von regelmäßigen Mitgliedsbeiträgen gedeutet.278 In der Provinz Alpes Maritimae muss es eine Kasse gegeben haben, denn eine Ehreninschrift für Kaiser Caracalla erwähnt explizit, dass die Provinz sie aus ihren eigenen finanziellen Mitteln errichtet hat.279 Lediglich in den Tres Galliae finden sich aber tatsächlich epigraphische Hinweise auf regelmäßige Mitgliedsbeiträge – die stips annua – und eine Provinzkasse (arca Galliarum).280 Wie bereits erwähnt, besteht die 275 IvDidyma 148. Vgl. Robert, Le culte de Caligula; Merola, Autonomia locale, S. 149–151. 276 Wir wissen, dass weder die römische Praxis der Erhebung von Steuern und Abgaben mit Hilfe der Pachtgesellschaften noch die Abgabenpraxis der Städte des griechischen Ostens sich durch Transparenz auszeichneten. Im Gegenteil: Immer wieder hören wir von Versuchen des Kaisers, gegen Korruption und Missbrauch vorzugehen. Vgl. u. a. die neronischen Reformgesetze (Tac. ann. 13, 51) oder die Einsetzung der curatores rei publicae (Plin. epist. 10, 18). 277 Tac. ann. 14, 31. Vgl. Fishwick ICLW I 1, S. 216; III 1, S. 154. Zur Situation in den spanischen Provinzen vgl. Fishwick, D., The ‚temple of Augustus‘ at Tarraco, Latomus 58 (1999), S. 121– 137; ders., Four temples at Tarraco, in: Small, A. (Hg.), Subject and ruler: The cult of the ruling power in classical antiquity (JRA Suppl. 17), Ann Arbor 1996, S. 165–194, hier S. 179–182. 278 Vgl. Fishwick, Four temples at Tarraco, S. 180; ders., The ‚temple of Augustus‘ at Tarraco, S. 135; ders., ICLW III 1, S. 52 und 154. 279 CIL V 7980. 280 Vgl. CIL XIII 1675 zur stips annua. Fishwick ist überzeugt, dass die Einrichtung dieser jährlichen Beitragspflicht an die Provinzkasse (arca) mit der Reform der Concilia unter Vespasian in

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Möglichkeit, dass Einnahmen aus den gallischen Eisenerzminen in die Kasse des Provinziallandtags flossen.281 Zwar könnte auch die lex Narbonensis den Schluss nahelegen, dass es in der Provinz Gallia Narbonensis eine Kasse gab, die von Rom vorgegebenen Regeln folgte, wenn davon die Rede ist, dass Geldüberschüsse zur Anfertigung von Kaiserbildern verwendet werden sollen, im Westen des Reiches bleiben diese Nachrichten aber spärlich.282 Umso wichtiger ist es, die wenigen Hinweise in der Gesamtschau zu betrachten. Fishwick vermutet, dass eine vespasianische Reform den Herrscherkult für die westlichen Provinzen erstmals einheitlich regelte und damit einhergehend auch die Finanzangelegenheiten der Concilia des Westens erstmals fixierte.283 In der Einrichtung der stips annua und den Regelungen der lex Narbonensis sieht er den Niederschlag dieser Reform.284 Ob man seiner etwas psychologisierenden Erklärung, es handle sich dabei um den Ausweis der „penny-pinching mentality of an emperor who was himself the son of a tax-collector“285, folgen muss, sei dahingestellt, der generellen Einschätzung, erst Vespasian habe den westlichen Concilia ihre entscheidende institutionelle wie finanzielle Selbstständigkeit gegeben, muss man sich sicherlich anschließen. IV.2.2 Außergewöhnliche Ausgaben und ihre Deckung Nachdem die wesentlichen Posten des regulären Finanzhaushaltes der Provinziallandtage dargestellt wurden, sollen im Folgenden die heute noch greifbaren Informationen zu den nicht-regulären Ausgaben zusammengetragen werden. Hierzu zähle ich die Kosten für den provinzialen Tempelbau oder die Ausgaben für Kaiserbesuche. IV.2.2.1 Tempelbau Zu den wichtigsten außergewöhnlichen, das heißt nicht-alltäglichen Kosten des Landtags zählte sicherlich der Bau von Tempeln für den Kaiserkult. Mehrere Nachrichten gewähren uns in der Zusammenschau Einblicke in die für die Landtage oft schwierige Problematik. Die negativen Beispiele aus Britannien und Hispania cite-

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den westlichen Provinzen einherging, deren Niederschlag sich in der sog. lex Narbonensis (CIL XII 6038 = ILS 6964) findet. Vgl. Fishwick, Flavian regulations; ders., ICLW III 1, S. 154 f. Für diese Kasse sind eine Reihe von Amtsträgern überliefert, deren genaue Funktion nicht klar ist: iudex arcae Galliarum (CIL XIII 1686, 1707 f.); allectus arcae Galliarum (CIL XIII 1688, 1709); inquisitor arcae Galliarum (CIL XIII 1690, 1695, 1697, 1703, 3528, 5116). Vgl. dazu die Vorschläge der Autorin in Kap. IV.2.1.1.2. Vgl. Kap. IV.2.1.1.2. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 108 f.; CIL XII 6038; Ehrenberg, Jones 105. „The advent of a new dynasty marks in this respect an abrupt switch from spontaneous local initiatives, as observable in the Julio-Claudian period, to the planned direction that had guided the earliest Augustan foundations.“ Fishwick, ICLW III 1, S. 98. Fishwick, ICLW III 1, S. 154. Ebd., S. 155.

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rior lassen das Konfliktpotential heute noch erahnen.286 Einblicke in die Finanzierungsmodalitäten gewinnen wir in erster Linie aus der Provinz Asia.287 Bereits in republikanischer Zeit scheint das Koinon von Asia gemeinsam den Bau von Tempeln für römische Magistrate finanziert zu haben. Dies legt zumindest Ciceros Darstellung zum Bau des für ihn vorgesehenen Tempels nahe.288 In der Kaiserzeit fließen die Quellen dann ein wenig reicher, bleiben aber kryptisch. Aus einer milesischen Inschrift289 wissen wir von der Existenz einer Gruppe sogenannter neopoioi, die mit der Aufsicht über die Konstruktion des neuen Caligula-Tempels in Milet betraut waren. Im griechischen Kultbetrieb waren die neopoioi Kultfunktionäre, die ursprünglich für die bauliche Struktur und später für die Verwaltung der Finanzen und des Landbesitzes eines Tempels verantwortlich zeichneten. Die Mitglieder im genannten Kollegium der milesischen „Tempelbauer“ wurden von der Vollversammlung des Landtags der Provinz Asia ausgewählt und zwar jeweils einer pro Diözese. Es oblag also dem Landtag, den Bau dieses Heiligtums für Kaiser Caligula zu überwachen. Zwar ließe sich noch die Frage stellen, ob nicht die Stadt Milet, auf deren Territorium der Tempel immerhin gebaut wurde, hier ein Mitspracherecht hatte, die letztliche Entscheidungsgewalt lag aber sicher in den Händen des Koinon.290 Dafür spricht auch die Inschrift IvDidyma 107, die Handwerker erwähnt, die von der Provinz gestellt und bezahlt werden, um den didymäischen Tempel des Apoll umzubauen, den Caligula wohl zu seinem Provinztempel ausgestalten wollte.291 Auch der hadrianische Kaisertempel in Kyzikos wurde von der gesamten Provinz errichtet, wie ein Epigramm zeigt, das vermutlich über der Eingangstür zur Cella des Heiligtums angebracht war.292 Daraus lässt sich nur der Schluss ableiten, dass die Finanzierung zum überwiegenden Teil durch das Koinon sichergestellt wurde. Eine etwas andere Sichtweise gibt Tacitus wieder, der vom Streit der Gesandten aus den Städten Asias vor Kaiser Tiberius berichtet, als die Entscheidung 22 n. Chr. anstand, wer den zweiten Neokorie-Tempel der Provinz 286 Vgl. Tac. ann. 14, 31; Fishwick ICLW I 1, S. 216, III 1, S. 52, 154. Zur Situation in den spanischen Provinzen vgl. ders., The ‚temple of Augustus‘ at Tarraco, S. 135; ders., Four temples at Tarraco, S. 179–182. 287 Vgl. auch Heller, A., „Les Bêtises des Grecs“. Conflicts et rivalités entre cités d’Asie et de Bithynie à l’époque romaine (129 a. C.–235 p. C.), Bordeaux 2006, S. 180–185. 288 Cic. ad Q. fr. 1, 26. 289 IvDidyma 148. Vgl. Robert, Le culte de Caligula; Merola, Autonomia locale, S. 149–151. 290 Vgl. auch Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 111: „Da die Finanzierung des Kaiserkultes letztlich eine gemeinsame Aufgabe aller Mitgliedsstädte war, lag die Verwaltung eines provinzialen Kaisertempels auch beim Koinon und nicht bei der Stadt, in der das Heiligtum errichtet wurde.“ 291 ἀπὸ τῆς Ἀσίας τεχνεῖται οἱ ἐργαζόμενοι τὸν ἐν Διδύμοις ναὸν (IvDidyma 107, 1–3). Vgl. Herrmann, P., Ein Tempel für Caligula in Milet?, MDAI(I) 39 (1989), S. 191–196. 292 Ἑκ δαπέδου μ’ ὤρθωσεν ὅλης Ἀσίας […]/ἀφθονίῃ χειρῶν δῖος Ἀριστένετος (IGR IV 140). Leider liegt der metrisch verfasste Text der Inschrift nur noch als Kopie vor. Der italienische Kaufmann und Humanist Cyriacus von Ancona, der als einer der ersten Epigraphiker gilt, notierte den Text auf einer seiner Reisen im 15. Jahrhundert. Vgl. auch Schulz, A., Winter, E., Historisch-Archäologische Untersuchungen zum Hadrianstempel von Kyzikos, in: Schwertheim, E. (Hg.), Mysische Studien (Asia Minor Studien 1), Bonn 1990, S. 33–82, hier S. 37–40; Herrmann, P., Epigraphische Notizen 4–9: 5. Epigramm am „Hadrianstempel“ in Kyzikos, EA 20 (1992), S. 69–70; Cramme, Euergetismus, S. 54–57; Burrell, Neokoroi, S. 90.

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erhalten sollte: „Undecim urbes certabant, pari ambitione, viribus diversae.“293 Darf man diese Textstelle als Beschreibung der ökonomischen Ressourcen der Städte verstehen?294 Dann müsste man annehmen, die Städte hätten zum großen Teil den Bau der Provinzialtempel finanziert. Die folgende Beschreibung der Argumente, die die Städte für sich ins Feld führen, deutet in eine andere Richtung. Viribus diversae muss wohl eher als unterschiedlich im Prestige verstanden werden. Dass das ökonomische Argument allerdings nicht gänzlich von der Hand zu weisen war, zeigt das Ausschlusskriterium für Ephesos und Milet: Sie hätten mit den Kulten für Artemis und Apoll ihre Kapazitäten bereits ausgelastet.295 Woher aber nahm der Provinziallandtag die Summe für solch einen Tempelbau?296 Sicherlich war er nicht aus den regelmäßigen Einnahmen zu bestreiten. Für einige Fälle ist die finanzielle Beteiligung des Kaisers an diesen Tempelbauten belegt.297 Allerdings handelte es sich dabei nicht um eine in die Planung einbeziehbare Größe. Da diese Bauförderung in den Quellen explizit erwähnt und als besondere Leistung des Herrschers herausgestrichen wird, muss es sich bei diesen Geldern um einmalige Zuschüsse nach Gutdünken der Kaiser gehandelt haben. Die Finanzierung eines solchen Großprojektes bedurfte einer verlässlichen und langfristigen Planung. Viel einleuchtender ist daher ein Prozedere, nach dem sich die Städte entsprechend ihrer Leistungskraft mit einem einmaligen Beitrag an einem solchen Bauprojekt beteiligten und dabei vielleicht die Stadt, in der der Tempel lag, eine höhere Summe zuschoss.298 So muss man wohl auch die Aussage Dion Chrysostomos’ verstehen, der zu den Bürgern von Apameia in Phrygien – einem der conventus-Vororte in Asia – sagte: „Und schließlich seid ihr an den Heiligtümern Asiens und an den Aufwendungen für sie beteiligt, nicht weniger als die Städte selbst, in denen die Heiligtümer liegen.“299 Es scheint hilfreich, anlässlich der Finanzierungfrage noch einmal auf die bereits oben erwähnte Inschrift IvEphesos 13 zurückkommen, die im Kontext der Mitgliedsbeiträge des asianischen Landtags näher besprochen wurde. Bereits an 293 Tac. ann. 4, 55. 294 So hat sie zumindest Burrell aufgefasst: „equal in ambition but differing in resources“ (Neokoroi, S. 38). 295 Tac. ann. 4, 55: Ephesii Milesique, hi Apollinis, illi Dianae caerimonia occupavisse civitates visi. 296 Vgl. hier auch die Überlegungen bei Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 111 f. 297 Für Kyzikos vgl. Schulz, Winter, Hadrianstempel von Kyzikos, S. 36 Anm. 30, der dies aus schol. Lukian. Icarom. 24 schließt. Für Didyma wird dies allgemein aus Suet. Cal. 21 angenommen. Im Westen des Reiches wissen wir, dass Hadrian und Septimius Severus die Restaurierung des Provinzialtempels von Tarraco übernahmen. (SHA Hadr. 12, 3; SHA Sept. Sev. 3, 4). Zur kaiserlichen Baupolitik in Kleinasien allgemein vgl. Winter, E., Staatliche Baupolitik und Baufürsorge in den römischen Provinzen des kaiserzeitlichen Kleinasien (Asia Minor Studien 20), Bonn 1996. 298 Für eine enge Verzahnung der Landtage mit den Städten, in denen sie sich versammelten, spricht auch die sogenannte lex Narbonensis (CIL XII 6038), in der festgelegt wurde, dass der Oberpriester des narbonensischen Landtags eine Stimmrecht im lokalen Stadtrat von Narbo besaß. Vgl. Fishwick, ICLW III 2, S. 6. 299 Dion Chrys. or. 35, 17. Übersetzung nach Dion Chrysostomos, Sämtliche Reden. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von W. Elliger, Zürich, Stuttgart 1967.

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dieser Stelle war auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass es sich nicht um eine Auflistung der regelmäßigen jährlichen Mitgliedsbeiträge der Städte an das Koinon handelte, sondern dass der Stein auch jene Summen dokumentieren könnte, die die einzelnen Mitglieder des Landtags von Asia einmalig für ein Großprojekt beizusteuern zugesagt hatten. Wie bereits oben ausführlich dargestellt, handelt es sich bei dem Dokument um eine Liste aller Orte der Provinz Asia, geordnet nach Diözesen, denen verschiedene Abgabenkategorien zugeordnet werden. Die allgemein akzeptierte Datierung in die flavische Zeit und der Aufstellungsort Ephesos lassen es durchaus auch reizvoll erscheinen, an eine Auflistung der einzelnen Leistungen der Städte und Gemeinden zum neuen Kaisertempel der Flavier von Ephesos300 zu denken.301 Die für die Beurkundung von Eigentumsübertragungen, Übertragungen von Sklaven sowie Archivgebühren erhobenen Abgaben flossen möglicherweise einmalig an das Koinon, um die außerordentliche Ausgabe des Tempelbaus zu finanzieren. Die unterschiedlich hohen Gebührensätze lassen sich nur so deuten, dass die einzelnen Städte im Rahmen ihrer Abgabenpraxis und finanziellen Voraussetzungen selbst festlegen konnten, wie sich die Summe, die letztlich an das Koinon floss, zusammensetzte. Die Städte waren also bereit, für eine gewisse Zeit auf einen Teil ihrer städtischen Einnahmen zu verzichten, um das Gemeinschaftsprojekt zu finanzieren. Die Inschrift könnte also als Dokumentation der Zusagen verstanden werden. Man hielt fest, wie viel jede Stadt als Beitrag zugesagt hatte, um die Einlösung der Summen später einfordern zu können. Für diese Art der öffentlichen Erinnerung an gemachte finanzielle Zusagen gibt es eine parallele Inschrift aus Galatien.302 Dort versprechen einige Oberpriester des ancyranischen Provinztempels Stiftungen zum Umbau des Tempels. Es handelt sich wohl um ein Kollektiv von vier bis fünf Männern, die während ihrer Amtszeit Zuwendungen materieller Art für die Instandhaltung und Verschönerung des galatischen Provinztempels zugesagt haben. Das Versprechen scheint sofort schriftlich am Tempel festgehalten worden zu sein, um es zu dokumentieren und die Amtsträger selbst oder ihre Nachkommen zur Einhaltung dieser Verpflichtung zwingen zu können.303 Interessanterweise wird in Galatien ein Teil der Leistungen durch private Spenden aus dem Kollektiv der gewesenen Oberpriester gedeckt. Dies verdeutlicht, dass es keine provinzübergreifende Praxis für Finanzierung und Unterhalt der Provinztempel gab. Es wurden individuelle Lösungen geschaffen und verschiedene Geldquellen angezapft (Koinon, Kaiser, Priester). In Galatien scheint der Beitrag der einzelnen Kaiserpriester generell größer gewesen zu sein. Zumindest die Grundstücke zum Bau bzw. zur Erweiterung der Kultanlage des Provinziallandtags stammten aus einer Schenkung des Archiereus Pylaimenes. Die unterschiedlichen Finanzierungs300 Zum Kaisertempel der Flavier in Ephesos vgl. Burrell, Neokoroi, S. 61–66 und Friesen, S. J., Twice Neokoros. Ephesus, Asia and the cult of the imperial family (Religion in the Greco-Roman World 116), Leiden 1993, S. 41–49. 301 Vgl. Herz, Herrscherverehrung. 302 Vgl. Bosch, Quellen, S. 118–120, Nr. 102; Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 152 f., Nr. 4. Stiftungen der Oberpriester des Augustus, Ende erstes oder Anfang zweites Jahrhundert n. Chr. 303 Vgl. Kommentar von Bosch, Quellen, S. 119.

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modelle in Asia und Galatia lassen sich mit Blick auf den historischen Hintergrund erklären. Die Priesterliste des ancyranischen Tempels weist die Männer, die dieses Amt am Beginn der Kaiserzeit ausübten, als vornehmste Schicht des galatischen Adels aus und stellt in vielen Fällen einen familiären Bezug zu alten galatischen oder anatolischen Herrschergeschlechtern her.304 Die Gesellschaft basierte hier also viel stärker als in Asia auf den Familien der ehemaligen Herrscherhäuser, die auch unter römischer Herrschaft die lokalen Eliten bildeten und formten. Entsprechend lag der provinziale Kaiserkult in ihren Händen und wurde von ihnen personell wie finanziell getragen. In Asia bildeten die Städte das Rückgrat des Koinon und es wurde Wert darauf gelegt, dass alle Städte sich an den gemeinsamen Großprojekten finanziell beteiligten. Gerade der Hinweis des Chrysostomos, dass eben auch das kleine phrygische Kelainai seinen Beitrag wie die großen Städte Asias leistete und stolz darauf war, zeigt die Differenz zu den Verhältnissen in Galatien. IV.2.2.2 Kaiserbesuche Im Zusammenhang mit Kaiserbesuchen dürften sich besonders hohe Belastungen ergeben haben. Auch hier ist es sinnvoll, Analogieschlüsse aus den ägyptischen Papyri zu ziehen. So verzeichnet das Rechnungsbuch des Iuppiter-Capitolinus-Tempels von Arsinoe außergewöhliche Ausgaben beim Besuch des Prokurators von Ägypten, etwa für zusätzliche Kränze und Schmuck, Arbeiter oder Sänger.305 Es bedarf nicht viel Fantasie sich vorzustellen, um wie viel höher die Ausgaben lagen, wenn der Besuch eines Kaisers anstand, zumal es sich im ägyptischen Arsinoe um den Iuppiter-Capitolinus-Tempel handelte und nicht um einen Tempel des Herrscherkultes. Die Untersuchung Halfmanns zu den Kaiserreisen306 zeichnet ein umfassendes Bild der entstehenden Kosten eines solchen Besuches. Diese wurden sicherlich zum großen Teil von den Städten und deren Oberschicht getragen, aber gerade die provinzialen Tempel des Kaiserkultes waren ebenfalls von den Kosten betroffen. Einen direkten Zusammenhang von Kaiserbesuch und Tätigkeit der Provinziallandtage können wir beispielsweise im Bereich der Münzprägung herstellen.307 Das Koinon reagierte also auf den Kaiserbesuch – sofern nicht ganz kurzfristig anberaumt – mit einer eigenen Münzemission, deren Finanzierung zunächst einmal unter die außergewöhnlichen Ausgaben zu zählen ist.

304 Vgl. Bosch, Quellen, S. 35–48, Nr. 51 = Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 138–150, Nr. 2. 305 Vgl. BGU II 362. 306 Vgl. Halfmann, H., Itinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Römischen Reich, Stuttgart 1986, S. 70–74 und 133–137. 307 Vgl. Kap. IV.5.2.2.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

IV.2.2.3 Außergewöhnliche Einnahmen Unter dieser Rubrik werden Einnahmen der Landtage zusammengefasst, die sie aus privatrechtlichem wirtschaftlichem Engagement, aus Stiftungen, Schenkungen (und Strafgeldern?) erzielten. So wenig Konkretes wir über die Finanzen der Provinziallandtage wissen, so klein muss unsere Kenntnis über die nicht-regulären Einnahmen sein. Einige wenige Quellen lassen aber den Schluss zu, dass die Koina und Concilia neben den regulären Mitgliedsbeiträgen auch Gelder oder Beiträge anderer Art kassieren durften. Zu denken wäre hier zunächst einmal an Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Land oder Immobilien. Die Einnahmen aus der Verpachtung von Läden beispielsweise, die sich auf dem Gelände des Tempels oder des Provinziallandtags befanden, müssen hierzu gezählt werden.308 Ferner ist hier an Abgaben im Rahmen der Provinzialspiele für Verkaufs- oder Marktrechte zu denken. Man muss sich auch die Frage stellen, wie die bauliche Infrastruktur der Landtage genutzt wurde. Da sich der Landtag nur einmal jährlich in seiner Vollversammlung traf und die Feste auf wenige Tage im Jahr beschränkt waren, könnte man annehmen, dass Gebäude wie Sportanlagen oder Amphitheater auch anderweitig benutzt wurden. Bereits Deininger listet für die drei gallischen Provinzen und Lykien einmalige Beiträge von Einzelpersonen zum Besitz des Landtags auf. So wurde beispielweise das Amphitheater des Provinziallandtags der Tres Galliae von C. Iulius Rufus und einem mit ihm verwandten Mann (Sohn oder Cousin?) finanziert.309 Das Beispiel des Opramoas aus Lykien ist hinlänglich bekannt.310 Für den aus dem kleinen Ort Rhodiapolis stammenden Euergeten sind Geldspenden, Agonstiftungen und Bauten im Wert von über zwei Millionen Denaren inschriftlich bezeugt. Das Geld floss größtenteils an lykische Städte – unter anderem zu deren Wiederaufbau nach dem großen Erdbeben 141 n. Chr. Darüber hinaus finanzierte er die Renovierung des Bundesheiligtums in Xanthos.311 Opramoas sprang aber auch als Archiphylax (114 n. Chr.) des lykischen Bundes für die Steuerschuld der Provinz an Rom ein und legte die fälligen Zahlungen aus seinem eigenen Vermögen aus.312 Bemerkenswert ist seine Großspende an den lykischen Bund in Höhe von 55 000 Denaren, die wohl in die Jahre 129–132 fällt. Aus den Zinsen des Betrages sollten den Archostatai, also den Delegierten der Mitgliedstädte zur jährlichen Bundesversammlung, den Ratsherren und den Bundesbeamten Diäten gezahlt werden.313 Er selbst scheint in 308 Aus den Befunden von Städten wie Tarraco, in denen man die Architektur der Provinziallandtage archäologisch nachweisen kann, lassen sich diese wirtschaftlichen Strukturen schlussfolgern. 309 ILA Santons 7, Vol. I 1, Pl. 20 (nach Fishwick, ICLW III 3, S. 120). 310 TAM II 905 = IGR III 739. Vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 192–195; Kokkinia, Die Opramoas-Inschrift; Engelmann, Opramoas als Archiphylax, S. 121–124; Wörrle, M., Wurster, W., Dereköy: Eine befestigte Siedlung im nordwestlichen Lykien und die Reform ihres dörflichen Zensuskultes, Chiron 27 (1997), S. 393–469, hier S. 410–413; Behrwald, Der lykische Bund, S. 175–220. 311 Vgl. Behrwald, Der lykische Bund, S. 185. 312 Vgl. Engelmann, ebd. 313 TAM II 905, col. VI.21.75–85; Kokkinia, Die Opramoas-Inschrift Nr. 22. VI F (S. 32 f.).

IV.3 Der Einfluss des Kaisers und der Provinzialadministration auf die Finanzen

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dieser Zeit kein Amtsträger des lykischen Koinon gewesen zu sein. Erst später übernahm er dann die Archierosyne und Grammatie und wurde Lykiarch. Die galatischen Sonderleistungen der gewesenen Erzpriester wurden ebenfalls bereits ausführlich analysiert und sollen an dieser Stelle nochmals ergänzend erwähnt werden. Auch die Rolle des Kaisers, der sich wohl vor allem am Bau der Tempel beteiligte, wie der Fall Kyzikos zeigt, wurde bereits besprochen. IV.3 Der Einfluss des Kaisers und der Provinzialadministration auf die Finanzen IV.3 DER EINFLUSS DES KAISERS UND DER RÖMISCHEN PROVINZIALADMINISTRATION AUF DIE FINANZEN DER LANDTAGE Die bisherigen Ausführungen zu den Finanzen der Provinziallandtage erlauben es, als Zwischenergebnis zu formulieren, dass es wohl für die Institution reichsweit eine umfangreiche Finanzhoheit gegeben haben muss. Gerade die Fälle der Städte Myra, Kaunos, Philadelphia und Bubon lassen allerdings keine andere Interpretation zu, als dass Rom sich Einflussmöglichkeiten auf die Provinziallandtage bewahrte und steuernd eingriff. In der Regel scheint der Kaiser als höchste Rechtsinstanz aber nur auf Anfrage in die Belange der Landtage eingegriffen zu haben. So im Fall der lykischen Gemeinde Bubon, die vom lykischen Koinon selbst in den Rang einer Drei-Stimmen Stadt erhoben wurde. Der Kaiser bestätigte in dem überlieferten Schreiben an die Archonten, die Boule und den Rat der Stadt lediglich das bereits Beschlossene. Αὐτοκ̣ρ̣άτωρ Καῖσαρ, θεοῦ Μάρκου Ἀντωνείνο̣[υ] Εὐσεβοῦς Γερμανικοῦ Σαρματικοῦ υἱός, θεοῦ Εὐσεβοῦς υἱωνός, θεοῦ Ἁδριανοῦ ἔγγονος, θεοῦ Τραιανοῦ Παρθικοῦ καὶ θεοῦ Νέρουα ἀπόγονος, Μᾶρκος Αὐρήλιος Κόμμοδος Ἀντωνεῖνος Εὐσεβὴς Εὐτυχὴς Σεβαστὸς Σαρματικὸς Γερμανικὸς μέγιστος Βρεταννικός, ἀρχιερεὺς μέγιστος, δημαρχικῆς ἐξουσίας τὸ ιεʹ, αὐτοκράτωρ τὸ ηʹ, ὕπατος τὸ ϛʹ, πατὴρ πατρίδος Βουβωνέων τοῖς ἄρχουσιν καὶ τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ χαίρειν. καὶ ὑμᾶς τῆς προθυμίας καὶ τῆς ἀνδρείας ἐπῄνεσα καὶ τὴν κοινὴν βουλὴν τοῦ Λυκίων ἔθνους ἀπεδεξάμην, ὑμᾶς μὲν σὺν τοσαύτῃ τῇ προθυμίᾳ ὁρμήσαντας ἐπὶ τὴν τῶν λῃστῶν σύνλημψιν καὶ περιγενομένους γε αὐτῶν καὶ τοὺς μὲν ἀποκτείναντας, τοὺς δὲ καὶ ζωγρήσαντας· ἐπὶ τούτοις δὲ τὸ κοινὸν τῶν Λυκίων ὀρθῶς ἐποίησεν τειμὴν τὴν προσήκουσαν ἀπονεῖμαν ὑμεῖν καὶ τὴν μίαν ψῆφον προσθέν, ὅθεν ἠμέλλετε ἐνδοξότεροι γενήσεσθε, προθυμοτέρους δὲ καὶ τοὺς ἄλλους ἀπειργάσατο πρὸς τὰ τοιαῦτα τῶν ἀνδραγαθημάτων. ἐκύρωσα δὴ καὶ αὐτὸς τὴν γνώμην τοῦ κοινοῦ βουλεύματος καὶ ἐπέτρεψα ὑμεῖν τοῦ λοιποῦ ἐν ταῖς τριψήφοις τῶν πόλεων καταριθ̣μεῖσθαι. ἐπρέσβευσεν Μελέαγρος δὶς τοῦ Ἀρτέμωνος εὐτυχεῖτε.314 314 „Imperator Caesar Marcus Aurelius Commodus Antoninus Pius Felix Augustus Sarmaticus Germanicus Maximus Britannicus, Sohn des divus Marcus Antonius Augustus Germanicus Sarmaticus [es folgt die gesamte Folge der Vorfahren bis auf Kaiser Nerva], pontifex maximus, im 15. Jahr seiner tribunicia potestas, mit der achten imperatorischen Akklamation, zum sechsten Mal consul, pater patriae grüßt die Archonten und die boulé und den Rat der Bouboneoi. Ich habe euch wegen Eures Mutes und eurer Tapferkeit gelobt und habe den gemeinsamen Beschluss des lykischen Volkes angenommen, dass ihr mit einem solchen Mut zur Ergreifung der Räuber aufgebrochen seid, sie besiegt und einen Teil von ihnen getötet, einen anderen Teil lebendig gefangen genommen habt. Diesbezüglich hat euch das Koinon der Lykier richtig die passende Ehre erwiesen, euch noch eine Stimme dazu zu erteilen, wodurch ihr noch berühmter werden müsstet, und es hat auch die anderen mutiger gemacht zu solchen Heldentaten. Daher

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

Aus diesem Brief geht klar hervor, dass jede Änderung oder Abweichung vom Protokoll eines Kaisererlasses bedurfte. Der Kaiser war die letzte Rechtsinstanz in diesen Fragen. Die Provinziallandtage waren also keine völlig unabhängigen Organisationen, sondern unterlagen der letztinstanzlichen Urteilsmacht des Kaisers. Man kann folgenden Ablauf rekonstruieren: Der Provinziallandtag der Provinz Lykien fasst einen Beschluss, entsendet dann eine Gesandtschaft an den Kaiser, um diesen Beschluss bestätigen zu lassen, und dokumentiert die Bestätigung des Kaisers dann öffentlich, womit sie wahrscheinlich Rechtkraft erlangt. Die Provinziallandtage sind also in ihren internen Entscheidungen nicht völlig frei. Aus dem Text des Kaiserbriefes ergibt sich eine weitere Frage. Warum wurden zwei Gesandtschaften an den Herrscher gerichtet? Möglicherweise spiegelt der kaiserliche Erlass nicht die ganze Problematik der Verhandlungen zwischen lykischem Koinon und Rom wider. Die auf dem Papier scheinbar so einfache Erhebung Bubons in den höheren Rang dürfte erst nach zähen Verhandlungen und mehrmaligen Gesandtschaften an den Kaiser zustande gekommen sein. Dies würde im Rückschluss bedeuten, dass Rom bestrebt war, an der internen Struktur der Provinziallandtage so wenig wie möglich zu ändern, und eher auf Kontinuität denn auf Umgestaltung setzte. Der Kaiser konnte allerdings auch selbst initiativ werden und ohne Vorsprache von Gesandten des Provinziallandtags in die internen Regelungen eingreifen. So zumindest muss man wohl den Brief Valerians an die Stadt Philadelphia verstehen, in dem er dieser Gemeinde die Befreiung von den Mitgliedsbeiträgen zum Koinon gewährt, „die ihr zuvor ein Landtagsbeschluss auferlegt hatte“315. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Ο̣ỊΕ̣ỊΑ̣Σ̣ ὑμῖν ὁ [– – – – – – – – – – – – – – πρε]σβευτὴς ὁ λαμπρότατος ὑπατικὸς καὶ φίλο]ς̣ ἡμῶν καὶ διαλεχθεὶς πά[λιν(?) – – – – – – – – – – –] ἐ̣π̣ὶ̣ τοῦ ψηφίσματος ἤτει τε – – – – – – – – – – – – – ἡ̣μας ἀφεῖναι τὴν πόλιν τῆς ἐπὶ τὰς [ἀρχιερ]ωσύνας καὶ τὰς τῶν πανηγύρεων ἀρχὰς [πρ]ὸς τὰς μητροπόλεις συντελείας ὡς ὑπάρξαν αὐτῇ πρότερον τὸ καὶ ταῖς μητροπόλεσιν αὐταῖς συναριθμεῖσθαι. δέχεσθε δὴ κοσμίως τὴν χάριν ὡσανεὶ συμψηφισαμένων ὑμεῖν ταῦτα καὶ τῶν μητροπόλεων οὐχ ὡς ἀφελόμενοί τι αὐτάς · πρέπειε γὰρ οὕτω καὶ τοὺς διά τι χρηστὸν τυχόντας δωρεᾶς ἐπιεικεστάτην {χρὴ} τὴν παράλημψιν αὐτῆς καὶ ἀξίαν τῶν διδομένων ποιεῖσθαι, βλάβης μὲν μηδεμιᾶς μήτε ἐκ ταύτης τῆς δωρεᾶς μήτε ἐξ ἄλλης ἡστινοσοῦν ἑτέρᾳ πόλει συμβαίνειν ὀφειλούσης, αὐτὸ δὲ τοῦτο οὐχ ὑπολογιουμένων τῶν μητροπόλεων ἑαυτῶν ζημίαν, εἰ τῆς περὶ τὰ ῥηθέντα λιτουργίας ἀξίοις οὖσιν ὑμεῖν ἄφεσιν ἔδομεν. vacat Ἐπρέσβευεν Πόπλιος Αἴλιος Πίγρης ὁ φίλος ἡμῶν. Εὐτυχεῖτε, Φιλαδελφεῖς ἡμέτεροι. Ἐδόθη πρὸ ιεʹ καλανδῶν Φεβρουαρίων τοῖς κυρίοις ἡμῶν Οὐαλεριανῷ τὸ γʹ καὶ Γαλλιηνῷ τὸ βʹ Σεβαστοῖς ὑπάτοις ν ν ἀπὸ Ἀντιοχείας.316 habe ich auch den Antrag des gemeinsamen Beschlusses bestätigt und euch erlaubt, fortan unter die Städte mit einem dreifachen Stimmrecht gezählt zu werden. Die Gesandtschaft hatte Meleager, der Sohn des Meleager, Enkel des Artemon, zweimal übernommen. Lebt wohl.“ (Schindler, Die Inschriften von Bubon, S. 12–23 Nr. 2 = BE 1973, 451 = AE 1979, 624.). 315 Deininger, Provinziallandtage, S. 59. 316 „[…nachdem Euer] Gesandter, seine Excellenz und … unser [Freund] … über den Beschluss (des Landtages der Provinz Asien) gesprochen hatte, verlangte er (oder verlangt ihr), dass wir die Stadt von der Beitragszahlung für die [Erz]priesterstellen und die Panegyrarchenämter befreien, da es der Stadt früher vergönnt war, zu den Metropolen selbst gezählt zu werden. Empfanget also loyal diese Begünstigung so, als ob auch die Metropolen selbst dies mitbeschlossen hätten und nicht, als ob ihr ihnen etwas weggenommen hättet; denn dies dürfte auch so angemessen sein für diejenigen, die infolge einer tüchtigen Tat Privilegien erhalten haben; die An-

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Die Sonderrechte der Metropolen in der Provinz Asia scheinen vom Kaiser abgesegnet gewesen zu sein. Philadelphia – als frühere Metropole – forderte für sich offenbar eine Behandlung, wie sie die aktuellen Metropolen erfuhren. Warum der Kaiser dem zustimmte, erfahren wir nicht. Es scheint, als ob die Städte Beschlüsse der Landtage durch Vorsprache beim Herrscher aushebeln konnten. Wie oft dies geschah, lässt sich leider nicht sagen, aber es wird wohl kaum die Autorität der Provinziallandtage gestärkt haben. Zumal die Kaiser, wie im vorliegenden Fall, sich bei freundschaftlichen Beziehungen zu den Gesandten eher bereit fanden, ihrem Anliegen zuzustimmen. Ausdrücklich bestätigte der Kaiser im Schreiben an Philadelphia, dass er sich mit diesem Dokument an die Stelle der beschlussfassenden Städteversammlung setzt („als ob auch die Metropolen selbst dies mitbeschlossen hätten“). Dass er dabei Streit provozierte, scheint dem Kaiser durchaus bewusst gewesen zu sein, betonte er doch schon präventiv, die Befreiung Philadelphias von der Liturgie sollte nicht als Bestrafung der übrigen Metropolen gedeutet werden.317 Der Provinziallandtag sah sich also immer der möglichen Einmischung der kaiserlichen Autorität ausgesetzt, der es einerseits um das Funktionieren des Provinzgremiums ging, andererseits aber auch um die gesunden städtischen Finanzhaushalte. Vor allem ab dem zweiten Jahrhundert sah sich der Kaiser mehr und mehr veranlasst, die städtischen und provinzialen Finanzverwaltungen mittels kaiserlicher Kommissare (curatores rei publicae/correctores rei publicae) überprüfen zu lassen, was nicht ohne Auswirkung auf die Finanzen der Landtage bleiben konnte.318 Der nahme derselben soll sehr geziemend und würdig der verliehenen Rechte erfolgen, ohne dass ein Schaden aus diesem oder einem anderen Privileg für eine andere Stadt entstehen darf und ohne dass die Metropolen es als eine Bestrafung für sie ansehen, wenn wir Euch, da Ihr es wert seid, von der genannten Liturgie Befreiung gewährten. Die Gesandtschaft hatte Publius Aelius Pigres, unser Freund, übernommen. Lebt wohl unsere Bürger von Philadelphia! Gegeben am 15. Tag vor den Kalenden des Februar unter dem Konsulat unseres Herrn Valerianus Augustus zum dritten und Gallienus Augustus zum zweiten Mal. Von Antiochia – 18.1.255 –.“ (Keil, Gschnitzer, Neue Inschriften aus Lydien, S. 226 Nr. 8; SEG 17, 1960, 528; Übersetzung nach Freis, Historische Inschriften, Nr. 147). 317 Parallelen zeigen sich auch hier wiederum, wenn man den Einfluss des Kaisers auf das städtische Budget betrachtet. Vgl. dazu Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 118 mit Anm. 703: „Im Regelfall musste bei allen Unternehmungen, die mit größeren außerplanmäßigen Kosten verbunden waren, die Genehmigung des Statthalters oder des Kaisers eingeholt werden. Gleiches galt für einen beabsichtigten Verzicht auf Einnahmen oder geldwerte Rechtspositionen, wie z. B. Beschlüsse über den Erlass von Munizipalsteuern anlässlich lokaler Agone oder Verleihungen von Immunität an bestimmte Personen oder Personengruppen. Derartige Genehmigungsvorbehalte waren eine Möglichkeit, auf das Finanzgebaren der Städte Einfluss zu nehmen. Daneben behielten sich Kaiser und Statthalter natürlich auch das Recht vor, in Einzelfällen von sich aus in die wirtschaftlichen und fiskalischen Angelegenheiten der Städte einzugreifen, wenn sie dies für erforderlich hielt (sic!).“ 318 Aus dem Briefwechsel zwischen Kaiser Trajan und dem von ihm nach Bithynien gesandten corrector Plinius erhellt sich für uns die zum Teil verheerende Finanzsituation der Provinzstädte. Plin. epist. 10, 17 (Plinius an Trajan): „Zur Zeit prüfe ich die Einnahmen, Ausgaben und Außenstände der Stadt Prusa […].“ Plin. epist. 10, 18 (Trajan an Plinius): „Vor allem aber ist es Deine Aufgabe, die Finanzhaushalte der Städte zu prüfen, denn es ist hinlänglich bekannt, wie zerrüttet sie sind.“ Im Rahmen dieser Gesamtprüfung kamen sicherlich auch die Ausgaben der Städte Bithyniens für das bithynische Koinon auf den Prüfstand.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

Kaiser musste hier eine Abwägung treffen zwischen dem Funktionieren der Provinziallandtage, für die ein gewisser finanzieller Spielraum unerlässlich war, und dem Wohlergehen der Städte, deren wirtschaftliche Sicherheit für die Stabilität im Reich notwendig war. Die Beiträge der Städte an Koina und Concilia waren daher sicherlich in jedem Fall von der Reichsspitze abgesegnet. In Lykien wurde die Abgabe der Städte an das Koinon offenbar im Zollgesetz der Provinz geregelt. Bei diesem Gesetz handelte es sich um „ein römisches bzw. ein noch älteres Bundesgesetz, das von Rom übernommen, modifiziert und/oder erweitert“319 wurde. In Lykien wird also offenbar mit Einrichtung der Provinz durch Claudius ein für die ganze Provinz geltendes Zollgesetz erlassen, in dem von römischer Seite die genaue Abgabe an den Provinziallandtag festgelegt wird. Eine solche Regelung wirft ein interessantes Licht auf die Einrichtung des Landtags, vermittelt sie doch den Eindruck, es habe sich um einen von Rom gesteuerten Prozess gehandelt. Weitere Beispiele verdeutlichen die Möglichkeiten von Statthaltern und Kaisern, in Belange der Landtage einzugreifen, die letztlich auch die Finanzhoheit betrafen. Der Rechtsstreit zwischen der Stadt Termessos und dem lykischen Koinon um nicht ordnungsgemäß gezahlte Pacht wurde vom Kaiser persönlich entschieden320 und der Senat entsandte einen eigenen Legaten zum Statthalter von Asia, um den Bau des zweiten Kaisertempels für Tiberius, Iulia und den Senat in Smyrna zu überwachen.321 Das römische Eingreifen bedeutete offensichtlich nicht, dass der Tempel auch von römischer Seite finanziert wurde, sondern lediglich, dass seine Finanzierung und sein Bau überwacht wurden.322 Die bisherigen Erfahrungen bewogen den Senat offensichtlich zum genauen Hinschauen. Ob dieses Hinschauen dem Koinon galt oder dem Statthalter, bleibt verborgen. Kontrolle konnte auch durch personelle Doppelfunktionen in der römischen Administration und im Provinziallandtag erzielt werden. Aus der Provinz Thrakien ist das Beispiel eines Thrakarchen überliefert, der vor der Übernahme des höchsten Amtes im Koinon als procurator ducenarius in Thrakien tätig war.323 Ob die Wahl zum Thrakarchen als Fortführung seiner Tätigkeit mit anderen Mitteln zu verstehen ist oder als Dank der Provinz, muss offen bleiben. Generell scheint die römische Administration nach denselben Prinzipien verfahren zu sein wie bei der Behandlung der Städte324: Man respektierte die Autonomie der Provinziallandtage, solange finanzielle Stabilität und Amtsführung gewährleistet waren. Im Falle von Streitigkeiten zwischen dem Provinziallandtag und sei-

319 320 321 322 323

Marek, Inschriften von Kaunos, S. 206. Vgl. İplikçioğlu, Entscheidung eines Statthalters von Lykien. Tac. ann. 4, 56. Vgl. Burrell, Neokoroi, S. 39 und 312 f. IGBulg III, 1, 1183: Τί(τος) Φλ(άβιος) Οὐάριος Λοῦππος ὁ κρ(άτιστος) δου[κηνάριος καὶ] νεωκόρος τῆς Θρᾳκῶν ἐπαρχεία̣[ς καὶ – – – –]­γραφεὺς θεῷ Ἀσκληπιῷ ἀνέθη[κεν εὐχαριστή] ριον θρᾳκαρχῶν. εὐτυχῶς. 324 Zu den Städten vgl. Nörr, Imperium und Polis.

IV.4 Der Provinziallandtag als finanzpolitisches und sozioökonomisches Netzwerk

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nen Mitgliedern oder bei Konflikten mit einzelnen Personen325 hatten Kaiser oder Statthalter die Funktion von Schlichtern. Vor allem dann, wenn finanzielle Beiträge der Städte, Liturgien oder munera von Einzelpersonen betroffen waren, Leistungen also, die für das Funktionieren des gesamten Systems Relevanz besaßen, griff Rom steuernd ein. IV.4 DER PROVINZIALLANDTAG ALS FINANZPOLITISCHES UND SOZIOÖKONOMISCHES NETZWERK – „LOBBYISMUS“ IN DER RÖMISCHEN KAISERZEIT Die Landtage wurden bislang zu wenig als wirtschaftspolitische Instanz wahrgenommen und zu sehr auf den Bereich der Herrscherverehrung festgelegt.326 Zahlreiche Hinweise lassen aber den Schluss zu, dass die Landtage auch wirtschaftliches Engagement bündelten und den wohlhabenden Eliten der vertretenen Städte dazu dienten, Kontakte zu knüpfen und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Im Folgenden soll daher die Rolle der Landtage als sozioökonomisches Netzwerk untersucht werden. IV.4.1 Provinziallandtag und Wirtschaftskorporationen Welcher Art die Verflechtungen waren, die zwischen der politisch­religiösen Seite der Provinziallandtage und der ökonomischen bestanden, verdeutlicht folgendes Beispiel aus Gallien. Der Provinziallandtag der Tres Galliae verfügte über eine Kasse (arca), in die von den Mitgliedern jährliche Beiträge eingezahlt wurden.327 In insgesamt elf Inschriften328 sind drei Ämter belegt, die mit der Verwaltung und Kontrolle dieser Kasse in Verbindung standen, aber in ihren Aufgaben nicht genau umrissen werden können. Es handelt sich dabei um die Ämter des iudex arcae Galliarum, des allectus arcae Galliarum und des inquisitor arcae Galliarum.329 Die Mehrzahl der Inschriften wurde vom Landtag der Tres Galliae als Ehreninschriften 325 Hier könnte man das Beispiel des Aelius Aristides nennen, der sich der Kandidatur für das Amt des Archiereus erfolgreich entzog, indem er Klage beim Proconsul einlegte. (Aristeid. ῾Ιεροὶ λόγοι 101–104). 326 Diese Einschätzung geht zurück auf Deininger: „Die Tätigkeit der Provinziallandtage muß ganz allgemein, abgesehen vom provinzialen Kaiserkult, auf solche Angelegenheiten beschränkt gewesen sein, die keine besonderen Beamte notwendig machten, sondern vornehmlich durch ad hoc zusammengestellte Gesandtschaften wahrgenommen werden konnten.“ (Deininger, Provinziallandtage, S. 156). 327 Zur stips annua vgl. CIL XIII 1675 und Kap. IV.2.1.5. 328 Es handelt sich dabei um zehn Ehreninschriften und eine Weihinschrift. 329 Deininger, Provinziallandtage, S. 103 vermutet hinsichtlich der Funktion des inquisitor, dass er die Höhe der stips annua festlegte, das Vermögen der Kandidaten für das Amt des Provinzialpriesters prüfte oder sich mit Klagen der civitates gegen römische Beamte befasste. Die Kompetenzen eines inquisitor weisen nach Suet. Iul. 1 und Cic. Verr. 1, 6, 37 aber wohl eher in eine juristische bzw. prozessrechtliche Richtung.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

errichtet und es ist erkennbar, dass es sich bei allen Geehrten um Mitglieder der lokalen Elite handelte. In vier Fällen fällt aber zusätzlich auf, dass die Geehrten patroni nautarum Araricorum, Ligericorum oder Rhodanicorum, also hohe Funktionäre der lokalen Flussschiffergesellschaften330 von Saône, Loire und Rhône waren.331 Einer dieser Männer war darüber hinaus auch Patron im corpus Cisalpinorum et Transalpinorum sowie Patron im Kollegium der Sklavenhändler (patronus venaliciorum).332 Die große Schnittmenge macht stutzig. Fast 40 % jener uns bekannten Männer, die bei der Kasse des Provinziallandtags tätig waren, waren in Wirtschaftskorporationen tätig bzw. hatten hier führende Positionen inne. Unter den übrigen sieben finden sich zwei curatores333, die das Amt vor ihrer Tätigkeit als Beamte der Provinzkasse ausübten. Über die Hälfte (55 %) der Männer, die für die Kasse des Concilium tätig waren, hatten folglich Verbindungen zum privatwirtschaftlichen Sektor oder waren als Finanzkontrolleure der römischen Administration eingesetzt. Zwei Richtungen der Deutung dieser Informationen scheinen möglich. Zum einen zeigt sich die enge Verzahnung von politischer, religiöser und wirtschaftlicher Sphäre. Der Provinziallandtag war ein Medium im Netzwerk zwischen Politik, Verwaltung und Ökonomie. Die lokale Elite nutzte ihre Möglichkeiten, um auf der Ebene der Provinz Einfluss zu erlangen und über den Kaiserkult auch ihre Loyalität zu beweisen. Sie investierte diesen politischen Einfluss aber auch, um kaiserliche Privilegien für die Transportgesellschaften zu erlangen, beispielsweise bei der Versorgung Roms oder des Militärs in den Provinzen.334 Neuere Forschungen betonen die Bedeutung der Transportgesellschaft der Cisalpini et Transalpini und der Schiffergilden für den staatlichen Wirtschaftssektor gerade im Raum Lyon.335 Sie erhielten eine staatliche Zulassung und die Anerkennung in der Rechtsform als corpus.336 Vermutlich unterstanden die Schiffer von Rhône und Saône sogar kaiserlichem Befehl und waren in den Transport staatlichen Getreides und von Truppenverbänden

330 Zu den Schifffahrtskollegien vgl. Schlippschuh, O., Die Händler im römischen Kaiserreich in Gallien, Germanien und den Donauprovinzen Rätien, Noricum und Pannonien, Amsterdam 1974. 331 Vgl. auch die Kommentare zu den Inschriften bei Wierschowski, L., Fremde in Gallien – „Gallier“ in der Fremde. Die epigraphisch bezeugte Mobilität in, von und nach Gallien vom 1. bis 3. Jh. n. Chr.; Texte, Übersetzungen, Kommentare, Stuttgart 2001, S. 302–304. 332 CIL XIII 11480. Die aktuellste Rekonstruktion dieser Inschrift liefert Oelschig, S., Methode und Geschichte. Variationen zur Inschrift CIL XIII 11480, in: Koenig, F. E., Rebetez, S. (Hgg.), Arculiana. Festschrift zum 65. Geburtstag für Hans Bögli, Avenches 1995, S. 47–59. 333 C. Suiccius La(tinus?) als curator der Suessiones (CIL XIII 3528) und L. Lentulus Censorinus als curator der Bituriges Vivisci (CIL XIII 1697). 334 Vgl. dazu Walser, G., Studien zur Alpengeschichte in antiker Zeit (Historia Einzelschriften 86), Stuttgart 1994, S. 73–80. Eine Parallele zu den gallischen Flussschiffergesellschaften findet sich in den Händlern, die im transalpinen Handel tätig waren. Auch hier sicherten kaiserliche Privilegien die Einkünfte der Händler im Wallis und gleichzeitig nutzten die römischen Autoritäten das weitgespannte Netz der Handelskontore von Budapest bis in die Bretagne. 335 Vgl. Rougé, J., Aspects économique du Lyon antique, in: Les martyrs de Lyon, Colloques intern du CNRS, Paris 1978, S. 47–63. 336 Vgl. Frei-Stolba, Q. Otacilius Pollinus.

IV.4 Der Provinziallandtag als finanzpolitisches und sozioökonomisches Netzwerk

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involviert.337 Daraus könnte auch die Verleihung der immunitas an den Patron im corpus Cisalpinorum et Transalpinorum Otacilius – einen jener Männer, die sowohl in der Transportgilde als auch bei der Kasse des Landtags beschäftigt waren – durch Hadrian resultiert haben, hatte Hadrian doch bereits den navicularii, die mit dem Transport der annona nach Rom beauftragt waren, immunitas gewährt.338 Der Provinziallandtag nutzte also die Kontakte und Netzwerke der überregionalen Handelsgesellschaften, vor allem wenn es um ihr Know-how in Fragen der Finanzen oder des Geld- und Warentransfers ging. So verwundert es nicht, dass gerade diese Männer als Funktionäre der Provinzkasse tätig waren und im Gegensatz zu den Oberpriestern des gallischen Landtags, deren Karrieren in der Regel lokal beschränkt blieben, auch in der Reichsadministration ritterliche Karrieren verzeichneten.339 In der Konsequenz heißt dies aber, dass ein stärker differenzierter Blick auf die Funktionsträger des Landtags nötig ist. Wie bereits von Drinkwater und Fishwick340 nahegelegt, sollte man nicht aus dem Übergewicht der inschriftlichen Belege für die Sacerdotes schlussfolgern, die religiöse Komponente der Provinziallandtage sei konstituierend gewesen. Vielmehr gab es eine Ebene dieser Institution, die sich uns heute nur noch rudimentär erschließt, in ihrer Bedeutung aber deswegen nicht unterschätzt werden darf. Der Provinziallandtag der Tres Galliae war aber nicht nur im staatlichen Transportwesen aktiv. Möglicherweise exportierte er selbst Waren (man könnte hier an Wein oder Sklaven denken) nach Rom und wickelte den Transport über die Handelsgesellschaften ab. Dies könnte erklären, warum jener bereits erwähnte Claudius Abascantus – zunächst Sklave, später Freigelassener des Landtags der Tres Galliae – in Ostia wirtschaftlich tätig war.341 Claudius Abascantus scheint aufgrund eigener Verdienste und Heiraten in den äußerst vermögenden Stand der Freigelassenen Ostias und ihre Korporationen vorgedrungen zu sein. Betrachtet man die Biographie des Abascantus vor dem Hintergrund der bereits dargestellten Verknüpfungen von Provinziallandtag, Handelsgesellschaften und römischem Staat, kann man zu seiner Tätigkeit die Vermutung anstellen, dass er in Ostia in einer Art Handelskontor die überregionalen Handelsgeschäfte des Landtags der Tres Galliae organisierte.342 Der Landtag fungierte dabei als Exporteur lokaler Güter, die von den Korporationen der Händler und Schiffer nach Rom transportiert wurden und deren weiterer Verkauf 337 Vgl. Drinkwater, J. F., The rise and fall of the Gallic Iulii: Aspects of the development of the aristocracy of the Three Gauls under the early Empire, Latomus 37 (1978), S. 817–850, hier S. 844–846. 338 Dig. 50, 6, 6 (5) 5, 5. 339 Vgl. Fishwick, ICLW III 2, S. 53. 340 Vgl. Drinkwater, A note on local careers, S. 95–97; Fishwick, ICLW III 2, S. 53 f. 341 CIL XIV 326–328. Zunächst begegnet uns Abascantus 177 n. Chr. als Sklave (Abascantus Galliarum), der einer (seiner?) Frau einen Grabstein errichtet, später (Mitte der 80er Jahre des zweiten Jahrhunderts n. Chr.) dann als Freigelassener (P. Claudius Trium Galliarum libertus Abascantus), der seinem früh verstorbenen Pflegesohn einen Grabstein setzt. Aus zwei weiteren Stiftungsinschriften lässt sich das Leben und Schicksal des ehemaligen Sklaven Abascantus weiter rekonstruieren. Er heiratete noch zwei Mal und beide Ehen scheinen ökonomisch und sozial lohnende Verbindungen gewesen zu sein. 342 Vgl. Herz, Abascantus.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

und Transport durch Abascantus überwacht und kontrolliert wurde.343 Um eine solche Handelsvertretung könnte es sich auch bei jener statio Noricorum handeln, die in einer römischen Inschrift erwähnt ist.344 Diese statio wurde bereits früher als Handelsstützpunkt oder politisch-administrative Interessenvertretung des Provinziallandtags von Noricum gedeutet.345 Beide Aspekte miteinander zu verbinden, scheint hier die plausibelste Lösung zu sein. In diesem Kontext muss man auch den Fall des Titus Sennius Sollemnis346 betrachten, jenes provinzialen Oberpriesters des Jahres 220 n. Chr., der als einer der wenigen religiösen Funktionsträger des gallischen Provinziallandtags als iudex arcae ferrariarum auch in Finanzangelegenheiten des Landtags tätig war.347 Wir wissen heute sicher, dass die gallischen Eisenerzminen in der Kaiserzeit von verschiedenen Instanzen kontrolliert werden konnten: entweder vom Staat (ferrarie Gallicae), von einer Instanz, die sich aus dem Landtag ableitete (arca ferrariarum), aber auch von Privatpersonen oder Städten.348 Man kann also sicherlich konstatieren, dass das Amt des Kassenverwalters der Eisenerzminen aufs Engste verbunden gewesen sein muss mit dem Provinziallandtag, vielleicht sogar in seinem Tätigkeitsbereich lag und aus seinen Reihen besetzt wurde. Anders ist kaum erklärbar, warum ein gewesener Oberpriester des Landtags dieses Amt ausübte – und zwar nach seinem Ausscheiden aus dem Priesteramt, was sogar für eine höhere Bedeutung des Kassenamtes spricht349 – und dieser Mann dann auch noch in seiner Eigenschaft als iudex arcae ferrariarum vom Landtag geehrt wird. Dass man gerade auf einem 343 In jedem Fall lag der Vorteil bei der Zusammenarbeit von Landtag und Handelsgesellschaften auf beiden Seiten, wie das Beispiel des Quintus Otacilius (CIL XIII 11480) zeigt. Die ihm von Hadrian persönlich verliehene dreimalige immunitas zeugt von einer besonderen Leistung für den römischen Staat. Möglicherweise war Otacilius beim Bau des Tempels der divi in Lyon als inquisitor der Provinzkasse beteiligt. Der Stein wurde von den Helvetiern in Avenche errichtet. Vgl. Frei-Stolba, Q. Otacilius Pollinus; dies., Die Patroni von Aventicum, in: Koenig, F. E., Rebetez, S. (Hgg.), Arculiana. Festschrift zum 65. Geburtstag für Hans Bögli, Avenches 1995, S. 33–46. 344 CILVI 250 = 30723 = ILS 3675 = AE 1982, 162. Vgl. Kolb, Statio Noricorum. 345 Vgl. Loane, H. C., Industry and commerce of the city of Rome, Baltimore 1938, S. 46; Alföldy, G., Noricum, London 1974, S. 102; Galsterer, Rez. Deininger, S. 369. 346 CIL XIII 3162. Vgl. Pflaum, Le marbre de Thorigny; Drinkwater, Roman Gaul, S. 113 f.; Vipard, Marmor Tauriniacum; Haegemans, The ‚Marbre de Thorigny‘; Fishwick, ICLW I 2, S. 361–366. 347 Die neueste ausführliche Besprechung des Marmor Tauriniacum aus dem Jahr 2008 geht von einem innerconciliaren Amt aus. Vgl. Vipard, Marmor Tauriniacum, S. 93: „[…] Sollemnis a exercé le poste de iudex arcae ferrariarum au sein du conseil fédéral.“ So auch Drinkwater, Roman Gaul, S. 113. 348 Vgl. Sablayrolles, L’administration des mines de fer en Gaule romain, S. 157–159; ders., Analyses d’économie antique: textes anciens et archéologie récente, S. 415–422; Hirt, Imperial mines. Folgende Belege stehen im Zusammenhang mit der Eisengewinnung in Gallien: CIL X 7584 = ILS 1359 (Ehreninschrift für einen kaiserlichen Prokurator für die Abgaben der gallischen Eisenbergwerke); CIL XIII 1808 = ILS 1454 (Ehreninschrift für den Finanzprokurator der Provinzen Lugdunensis und Aquitania, errichtet von Appianus Augusti libertus tabularius rationis ferrariarum); CIL XIII 1797 (Ehreninschrift für einen procurator ferrariarum); CIL XIII 1825 (Grabinschrift für die Töchter des kaiserlichen Freigelassenen Aurelius Calocaerus, tabularius ferrariarum). 349 Vgl. dazu Haegemans, The ‚Marbre de Thorigny‘, S. 280 und 286.

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ökonomisch so bedeutsamen Feld wie der Verwaltung der Eisenminen auf ranghohe Mitglieder des Concilium und gewesene Oberpriester mit besten Verbindungen zu römischen Funktionsträgern350 zurückgriff, zeigt deutlich die Rolle des Landtags als Pool für spezialisierte Amtsträger. Diese Verbindung von Provinziallandtag und Wirtschaftswelt ist kein Phänomen des gallischen Landtags, sondern kann ebenfalls für die Provinzen Asia und Kilikien anhand inschriftlicher Zeugnisse nachgewiesen werden. Bislang kaum beachtet blieben zwei Inschriften aus Hierapolis, die einen γραμματὲυς ναῶν τῶν ἐν Ἀσία ehren.351 Über die vermeintliche Fehleinschätzung der Erstherausgeber, die in diesem Amt einen „Hilfsbeamten des Oberpriesters“ des Koinon von Asia352 sahen, wurde bereits gesprochen. Besonders hervorzuheben ist nun die Tatsache, dass sie von zwei der einflussreichsten Handwerkergilden aus Hierapolis errichtet wurden, nämlich der Wollwäschergilde und der Purpurfärbergilde353, und zwar für einen Mann, der in seiner Heimatstadt höchste Posten bekleidet hatte, unter anderem das Amt des städtischen Kaiserpriesters und des Strategen, und der in der städtischen Honoratiorenschicht ganz oben anzusiedeln ist. Das Koinon wählte mit diesem Mann sicherlich eine führende Person aus dem Bereich Verwaltung und Finanzen mit besten Kontakten zur lokalen und provinzialen Wirtschaft, der nicht nur über das notwendige Spezialwissen, sondern auch über nützliche Verbindungen, vor allem aber über die finanziellen Mittel verfügte, dieses Amt ausüben zu können. Weitere Belege dieser Art lassen sich finden: In Thyatira ehrte die Bäckergilde C. Iulius Iulianus Tatianus, Asiarch und Archiereus.354 Der Asiarch M. Fulvius Publicianus Nicephorus wurde von verschiedenen Handwerkerzünften für seine Wohltaten für die Stadt Ephesos geehrt.355 Die Gilde der Weber aus Thyatira wiederum errichtete dem Asiarchen L. (Aur.?) Annianus eine Inschrift.356 In der Zeit Trajans ehrten die Walker aus Acmonia T. Flavius Montanus, Archiereus von Asia.357 Die Gerberzunft aus Kibyra stellte eine Ehreninschrift für den Asiarchen T. Claudius Polemo auf.358 Und schließlich finden wir eine weitere 350 Es wird zum ersten ein Statthalter der Lugdunensis und späterer Prätorianerpräfekt und Präfekt Ägyptens erwähnt. Zum anderen ein proprätorischer Kaiserlegat in der Lugdunensis, später Statthalter in Gallia Narbonensis, Lugdunensis und in Britannien. 351 AvHierapolis Nr. 40, 41 (= SEG 56, 2006, 1499). 352 Vgl. Altertümer von Hierapolis, S. 86. 353 Zur Purpurfärbergilde von Hierapolis vgl. u. a. Herz, P., Färben und Gerben in der Vormoderne, in: Onken, B., Rohde, D. (Hgg.), in omni historia curiosus. Studien zur Geschichte von der Antike bis zur Neuzeit. Festschrift für Helmuth Schneider zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 2011, S. 141–158; Huttner, U., Die Färber von Laodikeia und Hierapolis. Eine Nachricht aus dem Corpus der Alchemisten, in: MBAH 26 (2008), S. 139–157. 354 TAM V 966 = IGR IV 1244; Campanile, I sacerdoti, Nr. 157b. 355 Vgl. u. a. IvEphesos II 444 = SEG 4, 1929, 539; Campanile, I sacerdoti, Nr. 155. Vgl. Knibbe, D., Der Asiarch M. Fulvius Publicianus Nikephoros, die ephesischen Handwerkzünfte und die Stoa des Servilius, ÖJh 56 (1985), S. 71–77. 356 TAM V 933; Campanile, I sacerdoti, Nr. 120. 357 IGR IV 643, IvEphesos II 498; Campanile, I sacerdoti, Nr. 90. 358 OGIS 495, IK Kibyra Nr. 63; Campanile, I sacerdoti, Nr. 62b. Vgl. Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester, S. 208 f., Nr. 61. Zum familiären Hintergrund vgl. auch Herz, Asiarchen und Archiereiai.

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Ehrung aus Thyatira für den Oberpriester der Tempel von Asia in Pergamon, T. Claudius Sokrates, geweiht durch die Färber.359 Auch in Asia gab es also augenscheinlich wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Landtag und Berufsvereinen, die bislang zu wenig beachtet wurden. Und diese Verbindungen reichten bis zu den höchsten Ämtern des asianischen Koinon. Mehr als ein Drittel der bekannten Euergeten von Berufsvereinigungen bekleidete die Ämter der Archiereis und „Koinarchen“ von Asia.360 Der Befund in Kilikien ist ähnlich: Wirtschaftskorporationen errichteten Ehreninschriften für die höchsten Beamten des Koinon. In Kilikien waren die Verbindungen zwischen Landtag und Wirtschaft folglich ebenso wichtig und eng wie in den übrigen Provinzen. Zwei Inschriften aus Tarsos können uns – in Verbindung gelesen – einen Einblick dahingehend vermitteln, wie das Koinon unterstützend zugunsten der lokalen Korporationen eingriff. Die Korporation der Getreideträger bzw. der Träger des Getreidemarktes von Tarsos ehrt in einer monumentalen Inschrift den Kilikiarchen und gewesenen Oberpriester des provinzialen Kaiserkultes Marcus Aurelius Gaianus, der offenbar als Patron dieser Vereinigung fungierte.361 Die Inschrift betont, dass er als Anwalt geehrt wird, es scheint also, dass er die Korporation in einem Prozess vertreten hat. Eine weitere Ehrung aus Tarsos für einen Mann namens Hemerios wird von den Δήμητρος θεράποντες dargebracht, einer Korporation, die nach Robert wohl die Gilde der Getreidehändler abbildete, vergleichbar den mensores frumentarii.362 Beide Korporationen könnten in Tarsos, dem Wirtschaftszentrum und Verkehrsknotenpunkt des reichen Kilikien, in die Abwicklung des Getreidehandels involviert gewesen sein. Bekanntermaßen war Tarsos auch Umschlagplatz für das staatliche Getreide aus Ägypten, das für die Truppenversorgung benötigt wurde.363 Es hat den Anschein, die Vertreter des Koinon fungierten als Interessenvertreter und griffen zugunsten der Wirtschaftskorporationen ein. IV.4.2 Provinziallandtag und „Wirtschaftslobbyismus“ Die Rolle der Provinziallandtage bei der politischen Willensbildung in der Provinz und deren Vertretung gegenüber den römischen Autoritäten wurde in der Forschung mehrfach anerkannt und analysiert.364 Gleichzeitig wurden jene Quellen, die die Landtage als wirtschaftliche Interessenvertretung darstellen, zu Unrecht vernachlässigt oder als Einzelbeispiele abgetan. 359 TAM V 978; Campanile, I sacerdoti, Nr. 82. 360 Vgl. Dittmann-Schöne, I., Die Berufsvereine in den Städten des kaiserzeitlichen Kleinasiens, Regensburg 2001, S. 55. 361 BE 1961, 399; Robert, L., Documents d’Asie Mineure, BCH 101 (1977), S. 43–132, hier S. 88. 362 Vgl. Robert, ebd., S. 93. 363 Vgl. Robert, ebd., S. 94 mit Anm. 24. Zu den Zusammenhängen von Getreidehandel, kaiserlicher Politik und lokaler Wirtschaft in Kilikien vgl. u. a. Ziegler, R., Münzen Kilikiens als Zeugnis kaiserlicher Getreidespenden, JNG 27 (1977), S. 29–67. 364 Vgl. u. a. Galsterer, Roman law in the provinces, S. 18.

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So hören wir von einem erfolgreichen Vorgehen des asianischen Landtags gegen einen Erlass Domitians, der vorsah, die halbe Weinproduktion in den Provinzen zu kappen.365 Nun wissen wir aus papyrologischen Quellen über die Handelskontakte beispielsweise mit Alexandria, welchen Stellenwert die Weinproduktion für die asianische Wirtschaft besaß, und an der Reaktion des Provinziallandtags von Asia lässt sich ablesen, dass die Zurücknahme dieser Entscheidung überlebenswichtig für die asianische Wirtschaft war. Man entsandte nämlich den berühmtesten Sophisten seiner Zeit, Skopelianos von Smyrna, als Gesandten der Provinz nach Rom und überzeugte den Kaiser mit Hilfe von dessen Autorität, seinen Erlass zurückzunehmen.366 Der Erlass des Kaisers wurde bereits von Rostovtzeff als protektionistische Maßnahme zur Unterstützung der italischen Weinbauern gegen die Konkurrenz aus der Provinz gedeutet.367 Der Kaiser griff steuernd in die Anbaukulturen in den Provinzen ein und wollte den Weinbau zugunsten des Getreideanbaus zurückdrängen, der nicht nur weniger Konkurrenz für italische Weine bedeutete, sondern auch dem römischen Bedürfnis nach einer gesicherten Getreideversorgung Roms und der Armeen stärker entsprach. Zweierlei ist an dieser Überlieferung bemerkenswert: Zum Ersten die Bündelung wirtschaftlicher Interessen im Provinziallandtag und zweitens der Erfolg, den der asianische Protest hatte. Offensichtlich stellte der Kaiser sogar die Interessen der italischen Wirtschaft zurück, wenn der Widerstand aus einer so wichtigen Provinz wie Asia, gebündelt in einer Aktion des Landtags kam. Auch die Person des Skopelianos bedarf hier näherer Betrachtung. Philostrat beschreibt ihn als Gelehrten, betont aber überdeutlich die politische Rolle dieses Mannes und seiner Familie für das asianische Koinon: Ἀρχιερεὺς μὲν γὰρ ἐγένετο τῆς Ἀσίας αὐτός τε καὶ οἱ πρόγονοι αὐτοῦ παῖς ἐκ πατρὸς πάντες, ὁ δὲ στέφανος οὗτος πολὺς καὶ ὑπὲρ πολλῶν χρημάτων.368 Skopelianos ist nicht nur als Sophist und Rhetor mit dieser wirtschaftlich so wichtigen Mission zum Kaiser betraut worden, sondern auch als Spross einer großen ErzpriesterFamilie. Seine Verantwortung für das Koinon resultierte aus einer beinahe schon in genealogischer Erklärung dargebotenen Familientradition und die Rettung der Provinz schlägt sich nieder in einer wirtschaftspolitischen Aufgabe. Die Rolle des Archiereus ist also eng mit dem Wohl der Provinz verbunden und dieses wiederum speist sich aus einer stabilen wirtschaftlichen Prosperität. Die wirtschaftliche Relevanz des einzigen erhaltenen Reskripts eines Kaisers an einen westlichen Landtag ist bis dato ebenfalls nicht beleuchtet worden.369 Offenbar hatte das Concilium der Provinz Baetica eine Anfrage an Kaiser Hadrian gerichtet, in der es sich über die Rechtsprechung durch die römischen Autoritäten im Falle von Viehdiebstahl in der Provinz beschwerte.370 Der Kaiser schrieb da365 Suet. Dom. 7, 2. 366 Philostr. soph. 1, 21. 367 Vgl. Magie, Roman rule, Bd. 2, S. 1443 Anm. 36. Vgl. auch die aktuellere Diskussion bei Levick, B., Domitian and the provinces, Latomus 41 (1982), S. 50–73, hier S. 66–73. 368 Philostr. soph. 1, 21. Zitiert nach Philostratus, The lives of the sophists. Eunapius, lives of the philosophers and sophists. Translated by Wilmer C. Wright, London 1921, S. 72. 369 Dig. 47, 14, 1. 370 Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 129; Millar, F., The emperor in the Roman world (31 BC – 337 AD), London 1977, S. 393 mit Anm. 49; Herz, P., Latrocinium und Viehdiebstahl. Sozi-

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raufhin an den Landtag der Provinz und legte dar, wie das Problem des Viehdiebstahls in verschiedenen Fällen bestraft werden sollte. Nun leuchtet es ein, dass das Reskript des Kaisers mit seinen Konsequenzen für die Rechtsprechung zunächst als juristisches Problem und möglicherweise auch als Problem der juristischen Kompetenzverteilung interpretiert wird. Ausgangspunkt der ganzen Korrespondenz dürften allerdings wiederum handfeste wirtschaftliche Interessen der im Provinziallandtag vertretenen Städte und ihrer Einwohner, die im Viehhandel tätig waren, gewesen sein. Der Provinziallandtag trat hier einmal mehr als Vertreter wirtschaftlicher Interessen auf. IV.4.3 Provinziallandtag und Steuererhebung Für Mommsen gab es keine Zweifel: „[Der gallische Landtag] wirkte […] mit wenn nicht bei der Auferlegung, so doch bei der Repartition der Steuern, zumal da diese nicht nach den einzelnen Provinzen, sondern für Gallien insgemein angelegt wurden.“371 Dies schloss er aus CIL XIII 1680 und 1694.372 Der parallele Fall aus Hispania citerior, wo in CIL II 4248 (= CIL II2/14, 1194) Gaius Valerius Arabicus gelobt wird ob curam tabulari censualis fideliter administratam, lässt Mommsen dann das Fazit ziehen: „[E]s waren also mit der Steuerrepartirung wohl die Landtage aller Provinzen befaßt.“373 Kornemann und Deininger, die den Landtagen jede finanzpolitische Dimension absprachen, lehnten Mommsens Interpretation mangels weiterer Belege ab. Bereits Millar hatte diese Position in einer Rezension des Deininger-Werkes aus dem Jahr 1966 mit Blick auf die Quellen aber hinterfragt374 und auch Kanatsoulis sah in der Finanzpolitik eine Aufgabe der Landtage.375 In jüngerer Zeit haben sich France und

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ale Spannungen und Strafrecht in römischer Zeit, in: Weiler, I. (Hg.), Soziale Randgruppen und Außenseiter im Altertum, Graz 1988, S. 205–225. Mommsen, Römische Geschichte, Bd. 5, S. 85. CIL XIII 1680: Tib(erio) Antistio Faus|ti fil(io) Quirina Marci|ano domo Circina | praef(ecto) coh(ortis) II Hispanae | trib(uno) leg(ionis) XV [Apo]llinaris | Piae Fideli[s pr]aefecto a|lae Sulpic[i]ae c(ivium) R(omanorum) secun|dum mandata Impp(eratorum) do|minor(um) nn(ostrorum) Augg(ustorum) inte|gerrim(o) abstinentissimo|que procur(atori) tres provinc(iae) | Galliae primo umquam | eq(uiti) R(omano) a censibus accipi|endis ad aram Caesa|rum statuam equestrem | ponendam censue|runt. CIL XIII 1694: C(aio) Iulio Ma[3] | Carnut(eno) | sa[cerd(oti) ad aram] | [R]omae et Au[gustorum] | [o]mnibus hon[orib(us) apud] | suos functo [qui?] | toti[u]s cens[us Galliarum?] | dedi[t] | [tr]es pro[v]inc[iae Galliae. Mommsen, ebd., S. 85 Anm. 1. „CIL 4248 refers to a tabularium censuale administered by the assembly. It may therefore be that some assemblies at least played an intermediate role between the cities and the Roman officials in respect of the census.“ (Millar, Rez. Deininger, S. 389 f.). Millar ging sogar noch weiter: „If so, they might perhaps also sometimes have done the same in respect of tribute; Q. Popillius Python’s payment of the tributum capitis for Macedonia was not necessarily (as Deininger argues on p. 95) strictly irrelevant to his tenure of the High Priesthood of the province at that moment.“ (Ebd.). Vgl. Kanatsoulis, D., Ἡ Μακεδονικη πόλις ἀπο τῆς ἐμφανίσεως τῆς μεχρι τῶν χρόνων τοῦ μεγάλου Κωνσταντίνου, in: Μακεδονικά 4 (1956–1960), Thessalonike 1960, S. 232–314.

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Ruiz de Arbulo dieser Frage mit überzeugenden Argumentationen angenommen und kommen zu dem Fazit: Die Provinziallandtage hatten Einfluss auf fiskalische Belange der Provinz, sowohl bei der römischen Administration als auch beim Kaiser selbst und sie waren anscheinend mit verschiedenen Aspekten der Einführung und der Bemessung der Provinzsteuer befasst.376 Ausgangspunkt der Betrachtungen von France ist die Frage nach der Provinzialsteuer im römischen Reich – tributa –, die als eine Umlagesteuer pauschal festgesetzt war und umgelegt wurde auf die verschiedenen Gemeinwesen, die das römische Reich bildeten. Eingezogen wurde diese Steuer nicht direkt vom Staat, sondern von den Gemeinwesen; die führenden Beamten der Gemeinwesen legten ihre Beitragskapazitäten fest und kalkulierten den individuellen Beitrag. Inwieweit griff nun die Staatsmacht in die Autonomie der Städte und Gemeinden ein, wenn sie diese Steuern eintrieb? Wer waren die Leute, die auf städtischer Seite und unter Anleitung der Magistrate die Steuererfassung, die Festsetzung und die Steuererhebung regelten und inwieweit wurde ihre Arbeit von den römischen Autoritäten angeleitet und kontrolliert? In diesem Zusammenhang versuchte France die Rolle der Concilia und Koina zu klären, zumal sie die direkten Gesprächspartner Roms – und durch den Kult auch des Kaisers selbst – waren. France versuchte nun eine Neuinterpretation jener bereits von Mommsen ins Feld geführten Inschrift CIL II 4248 (= CIL II2/14, 1194) aus Tarraco, die wohl in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. datiert. C(aio) Val(erio) Arabico | Flaviani f(ilio) Bergido F(lavio) | omnib(us) hon(oribus) in re p(ublica) | sua func(to) sacerdoti | Romae et Aug(usti) p(rovincia) H(ispania) c(iterior) | ob curam tabulari | censualis fideliter | administr(atam) statuam | inter flaminales | viros positam ex|ornandm univers(i) | censuer(unt)

Die Aufstellung der Statue auf jener Terrasse, die als Versammlungsort des Provinziallandtags besondere Bedeutung besaß und symbolisch aufgeladen war, und ihre Einreihung unter die Statuen der Flamines bezeichneten den besonderen Rang dieses Gaius Valerius Arabicus. Er stammte aus Bergidum Flavium, einem wichtigen Kommunikationsknotenpunkt seit flavischer Zeit, der wegen der Nähe zu den Goldminen der Region Bierzo als administratives wie ökonomisches Zentrum angesehen werden muss. Die Nomenklatur weist ihn als römischen Bürger mit indigener Herkunft aus; man darf ihn sicherlich ob seiner familiären Herkunft in die lokale Elite einordnen. Das in der Inschrift genannte Priesteramt für den Kaiserkult bezieht sich nicht auf den Provinziallandtag, sondern den conventus von Asturica 376 Vgl. für das Folgende France, J., Les rapports fiscaux entre les cités et le pouvoir impérial dans l’empire Romain: Le rôle des assemblées provinciales (à propos d’une dédicace de Tarragone, CIL II 4248), CCG 14 (2003), S. 209–225; Ruiz de Arbulo, J., Bauliche Inszenierung und literarische Stilisierung: das „Provinzialforum“ von Tarraco, in: Panzram, S. (Hg.), Städte im Wandel. Bauliche Inszenierung und literarische Stilisierung lokaler Eliten auf der Iberischen Halbinsel; Akten des internationalen Kolloquiums des Arbeitsbereiches für Alte Geschichte des Historischen Seminars der Universität Hamburg und des Seminars für Klassische Archäologie der Universität Trier im Warburg-Haus Hamburg, 20.–22. Oktober 2005, Hamburg 2007, S. 149–212, bes. 181–185. Dieser Argumentation hat sich auch Geza Alföldy angeschlossen. (CIL II2/14, 1194, S. 461).

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Augusta.377 Der Aufstellungsort inter flaminales viros positam zeigt, dass Arabinus, der selbst kein Priester des provinzialen Kaiserkultes gewesen ist, in besonderer Weise für das Concilium tätig geworden sein muss. Diese Tätigkeit wird mit ob curam tabulari censualis fideliter administratam näher beschrieben. Worum aber handelt es sich bei dem tabularium censuale und wie sah die cura aus, die Arabinus ausübte? Nach Alföldy und Fishwick muss man unter dem tabularium wohl ein Archiv verstehen, in dem Zensusunterlagen aufbewahrt wurden. Das wirft aber die Frage auf, wer dieses Tabularium in Tarraco anlegte und kontrollierte. Haben wir es hier mit einer munizipalen, provinzialen oder imperialen Institution zu tun? Da der Zensus zunächst einmal eine Aufgabe der römischen Fiskaladministration war, könnte man annehmen, dass es sich um ein Archiv der römischen Administration handelte. Ein Blick auf die weiteren Inschriften zum Tabularium der Provinz Hispania citerior ist hier hilfreich.378 Die drei Belege für tabularii provinciae Hispaniae citerioris weisen einen tabularius als libertus Augusti aus, deuten also eher auf die römische Administration als Aufsichtsorgan hin. Gleichzeitig wissen wir, dass es in der Provinz Tres Galliae ein Tabularium des Landtags gab, das von einem Sklaven des Landtags verwaltet wurde.379 France schließt daraus, dass dieses Tabularium das Zensusverzeichnis aller Städte einer Provinz beinhaltete und als Verwaltungsorgan für die Reichsadministration arbeitete. Das Attribut censuale – so viel lässt sich mit Sicherheit formulieren – ist also als Referenz auf den Zensus der Provinz zu verstehen, der von den Städten unter der Ägide der Reichsverwaltung umgesetzt wurde. Hinter dem Begriff tabularium censuale versteckt sich demnach das Tabularium des Finanzprokurators der Tarraconensis, in dem die Kopien aufbewahrt wurden, deren Originale in den städtischen Archiven lagen.380 Aufgrund der Tatsache nun, dass Arabinus von der Provinz mit der höchsten Ehrung versehen wurde, kommt man nicht umhin, diese cura in einen Kontext mit dem Landtag zu stellen. Die cura tabulari censualis kann eigentlich nur in der Aufgabe bestehen, dieses Archiv ordnungsgemäß zu führen. Wenn nun Arabinus dafür vom Landtag mit einer solchen außergewöhnlichen Ehrung bedacht wird, muss er dieses Amt im Sinne oder sogar im Auftrag des Landtags ausgeführt haben. Es deutet sich also an, dass es eine Zusammenarbeit zwischen römischer Administration und Provinziallandtag in der Frage der Zensuserhebung gab. Wir wissen aus anderen Teilen des Reiches, mit welchen Schwierigkeiten die römische Administration bei der Archivverwaltung zu kämpfen hatte und wie oft Schlamperei, Korruption und Misswirtschaft beklagt wurden.381 So wäre es nur nachvollziehbar, wenn die 377 So auch Alföldy, Flamines provinciae, S. 4 f.; Deininger, Provinziallandtage, S. 127; Fishwick, ICLW III 3, S. 188; Trillmich, „Foro provincial“ und „Foro municipal“ in den Hauptstädten der drei hispanischen Provinzen: eine Fiktion, S. 115–124. 378 CIL II 4089 = CIL II2/14, 853 = RIT 50; CIL II 4181 = CIL II2/14, 1094 = RIT 242; CIL II 4183 = CIL II2/14, 840 = RIT 40. Vgl. France, Les rapports fiscaux, S. 216 f. 379 CIL XIII 1725. 380 Vgl. France, Les rapports fiscaux, S. 217. 381 Vgl. u. a. P.Oxy. II 237, in dem der praefectus Aegypti die nachgeordneten Behörden anweist, endlich die bibliotheke enktheseon in Ordnung zu bringen. Solche Zustände scheinen auch in Lykien an der Tagesordnung gewesen zu sein. (Vgl. Wörrle, Myra).

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römische Fiskalverwaltung auf lokale Organisationen zurückgegriffen hätte. Einmal bot sich damit die Möglichkeit, Beschwerden im Vorhinein vorzubeugen. Andererseits brachten gerade die aufwendigen Abläufe eines Provinzialzensus die personellen Kapazitäten der römischen Fiskaladministration an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.382 Jede Institution, die provinzweit agieren konnte und über ein eigenes kommunikatives und personelles Netzwerk verfügte, musste in diesen Prozess eingebunden sein. Gleichzeitig leuchtet es aber auch ein, dass die im Landtag vertretenen Städte und Gemeinden ein großes Interesse daran hatten, Einfluss auf einen für sie so zentralen Verwaltungsakt zu nehmen. Der Zensus bildete in erster Linie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Gebietes ab und stellte die Grundlage für die Forderungen dar, die man für den Zentralstaat in Form von Steuern und Abgaben erhob. Anzunehmen ist auch, dass die Stadtgemeinden selbst auf diese Daten zurückgriffen, um jene Mitglieder zu definieren, die lokale Ämter aufgrund ihres Vermögens bekleiden konnten – ganz ähnlich dem Senatorenstand in Rom. Es kann ferner nicht ausgeschlossen werden, dass die Landtage selbst ihre internen Stimmenverteilungen auf der Basis der mit dem Zensus einhergehenden Personenzählung festlegten. Diese Sicht auf die durch die Zensuserhebung erweiterten Aufgaben des Landtags wird durch CIL XIII 1694 gestützt. Mit dieser Inschrift ehrt der Landtag in Lyon den Oberpriester Gaius Iulius Ma[…], [qui ---] totius cens[us Galliarum] dedi[t].383 Um zu einem abschließenden Fazit zu kommen, muss man nun die übrigen epigraphischen Belege, die einen Zusammenhang von Provinziallandtagen und Zensus in den Provinzen zeigen, in diese Betrachtungen einbeziehen. CIL IV 4208 = RIT 332384 aus Tarraco berichtet von einer Gesandtschaft ob legationem censualem nach Sirmium zu Kaiser Marcus Aurelius, die wohl in die Zeit zwischen 173 bis 175 fällt. Nach France steht diese Gesandtschaft im Zusammenhang mit einer Neuverteilung von Steuern nach der kurzfristigen Vereinigung der Provinzen Baetica und Hispania citerior 171–172 n. Chr. und einem daher durchgeführten Zensus wohl 172–173 n. Chr.385 Der Gesandte Gaius Cornelius Valens wird von der Provinzversammlung für diese legatio censualis geehrt, weil er mit seiner von ihm kostenlos übernommenen Gesandtschaft Erfolg hatte. Deininger konstatiert ohne Diskussion der Quelle: „[D]och bleibt unklar, was unter legatio censualis genau zu verstehen ist.“386 Über das konkrete Prozedere eines Provinzialzensus ist wenig bekannt. Lediglich die Regelungen der Tabula Heracleensis dokumentieren die Abläufe, nach de382 Vgl. dazu auch Kunkel, W., Galsterer, H. (Hgg.), Staatsordnung und Staatspraxis der römischen Republik, Abschn. 2: Die Magistratur (HdbA 3, 2, 2), München 1995, S. 419–471. 383 Vgl. Kunkel, Galsterer, Staatsordnung, S. 222 f. mit Diskussion bei France, Les rapports fiscaux. 384 Vgl. auch France, ebd., S. 220 f. 385 Vgl. Herz, P., Soziale und juristische Folgen der Markomannenkriege unter Kaiser Marcus Aurelius, in: Günther, S., Ruffing, K., Stoll, O. (Hgg.), Pragmata. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der Antike in Gedenken an Harald Winkel (Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen 17), Wiesbaden 2007, S. 97–116. 386 Deininger, Provinziallandtage, S. 127.

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nen der Zensus durchgeführt werden soll. Allerdings reicht die Abfassung dieses Gesetzes zurück bis in die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts v. Chr.387 und es ist fraglich, ob es in der Kaiserzeit noch Anwendung fand. Die Tabula Heracleensis erwähnt zwar auch die Gesandtschaften, die die Ergebnisse der Schätzung weiterleiten sollen388, es ist aber nicht plausibel anzunehmen, dass wir es bei Gaius Cornelius Valens mit einem der Gesandten zu tun haben, der die Zensuslisten, deren Kopien wie oben gesehen an einem Zentralort der Provinz, dem tabularium censuale aufbewahrt wurden, nach Rom brachte.389 Aufgrund der Anmerkungen zum tabularium censuale dürfte allerdings sicher sein, dass der Landtag in irgendeiner Form in die Zensusabläufe eingebunden war. Hier stellt sich nun die Frage, ob auch diese Gesandtschaft ihren Hintergrund in einer Kooperation zwischen Concilium und Zensor hat. Danach sieht es nicht aus. Der Hinweis auf den Erfolg des Valens deutet eher darauf hin, dass ein Konflikt der Zensusbehörde mit dem Landtag vorlag und der Kaiser als höchste Rechtsinstanz aufgesucht wurde. Es muss sich für die Provinzversammlung um eine Frage von größter Wichtigkeit gehandelt haben, sonst hätte man nicht den beschwerlichen Weg bis nach Sirmium in Kauf genommen. Dass es sich dabei nur um einen Protest gegen eine zu hohe Besteuerung gehandelt haben kann, liegt auf der Hand. Das Aufgabenspektrum des Landtags umfasste folglich auch die Kontrolle der gerechten Steuerfestsetzung und gegebenenfalls die Erhebung von Einspruch dagegen. Zunächst wird man sich an den censitor gewandt haben, danach an den Statthalter. Der Gang nach Sirmium lässt darauf schließen, dass die Provinz diese Einspruchsmöglichkeiten schon ausgeschöpft hatte. Wie bedeutsam die Überwachung der regulären Besteuerung der Provinzialen für die Landtage war, legt CIL XIII 1680 nahe.390 Mit dieser Statue, die den Honorand wohl in seiner ritterlichen Tracht darstellte, ehrte der Landtag Tiberius Antistius Marcianus procuratori, tres provinciae Galliae primo umquam equiti Romano a censibus accipiendis. Der Grund der Ehrung war die vorbildliche Amtsführung des Marcianus (integerrimo abstinentissimoque). Es war also wohl alles andere als selbstverständlich, dass der Provinzialzensus zur Zufriedenheit und in Übereinstim387 Vgl. Giovannini, A., Die Tabula Heracleensis: Neue Interpretationen und Perspektiven. Teil I: Die frumentationes, Chiron 34 (2004), S. 187–204. 388 IG XIV 645 = CIL I2 593 = ILS 6085 = FIRA I 13. Übersetzung nach Freis, Historische Inschriften, Nr. 41. Zunächst soll der zuständige lokale Beamte die Schätzung innerhalb von 60 Tagen durchführen und anschließend die Ergebnislisten „[…] zu den Beamten, die in Rom die Vermögensschätzung vornehmen, durch Gesandte schicken, die nach dem Beschluss der Mehrheit der Dekurionen und Beigeordneten zum Zeitpunkt der Beratung zu diesem Zweck als Gesandte ernannt und geschickt wurden; […] und der Zensor [in Rom] […] soll auf Treu und Glauben innerhalb von fünf Tagen nach der Aufwartung des Gesandten des Munizipiums, der Kolonie oder Präfektur diese Zensuslisten, die ihm von diesen Gesandten übergeben werden, in Empfang nehmen. Aus diesen Listen soll er die darin aufgeführten Angaben in die staatlichen Urkundenbücher eintragen lassen.“ (Tabula Heracleensis, Z. 142–156. Übersetzung nach Freis, Historische Inschriften, Nr. 41). 389 Diese hatte Millar in seiner Rezension zu Deininger impliziert (Millar, Rez. Deininger, S. 389). 390 Vgl. France, Les rapports fiscaux, S. 222–224; Fishwick, ICLW I 2, S. 318; Pflaum, H.­G., Les carrières procuratoriennes équestres sous le Haut-Empire romain, Paris 1960–61, Bd. 2, S. 725, Nr. 272.

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mung mit den Provinzialen durchgeführt wurde. Ebenso wie die Beschwerdeführung in der Hand der Provinzialen lag, konnte der Landtag auch die positiven Beispiele hervorheben. Dies bringt wiederum die Kontakte zwischen Landtag, Provinzadministration und Steuererhebung zum Ausdruck. Weitere Belege aus dem Osten des römischen Reiches und Afrika machen eine Involvierung der Landtage in Steuerfragen wahrscheinlich. Bereits Ende des ersten Jahrhunderts reiste aus Asia die Gesandtschaft des Tiberius Claudius Amphimachos aus Thyatira wegen Steuerangelegenheiten nach Rom.391 Deininger interpretiert diese Gesandtschaft als provinziale, da die Notlage der gesamten Provinz angesprochen wurde, und bezieht auch die Finanzanfrage an den Kaiser auf ein die gesamte Provinz betreffendes Problem.392 Auch die neu entdeckte lex portorii provinciae Lyciae weist auf die Einbindung des lykischen Koinon in Finanzfragen der Provinzen hin. Wie bereits dargestellt, werden die Zolleinnahmen in Lykien vom Koinon kontrolliert, Rom überließ also dem Bund die Zolleinnahmen und verlangte im Gegenzug dazu eine nicht allzu hohe Pauschale von 100 000 Denaren. Takmer hat nun plausibel gemacht, dass dies möglicherweise nicht nur für die indirekten Steuern (vectigalia), sondern auch die direkten Steuern (tributa) zutraf: „Die von den Städten an das Koinon abgeführten Summen werden mit Genehmigung der römischen Autoritäten bisweilen für Bauprojekte verausgabt, die den einzelnen Städten zugute kamen.“393 In diesem Zusammenhang würde die von Engelmann postulierte Autonomie in Steuerfragen Sinn machen, aus der das nur in Lykien nachgewiesene Amt des Archiphylax394 resultierte: „Der lykische Bund hatte Rom ein Zugeständnis abgerungen, das große politische Bedeutung besaß: Lykien erhob die Steuern, die an den römischen Fiscus zu entrichten waren, in eigener Regie. Im Gegenzug garantierte die lykische Regierung, die fälligen Steuern vollständig und rechtzeitig abzuliefern.“395 Ob man den makedonischen Archiereus Q. Popillius Python, der in seiner Amtszeit die Kopfsteuer der Provinz aus eigenen Mitteln finanzierte, ebenfalls in diesem Kontext betrachten muss, lässt sich abschließend nicht klären.396 Die Digesten überliefern ferner eine Anfrage des asianischen Koinon an Kaiser Antoninus Pius, wie hoch die Anzahl der von Abgaben befreiten Ärzte, Rhetorik391 IGR IV 1236. 392 Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 58; Ziethen, Gesandte, S. 43 und 233 f. Nr. 104. Sie interpretiert die Gesandtschaft als städtisch (Thyatira). 393 Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae, S. 177 mit Anm. 49, 50 und 51. Takmer denkt hier zum Beispiel an die Finanzierung der Wasserversorgung, da die Bauinschriften der Druckrohraquädukte von Delikemer und der Thermen von Patara und Kadyanda inschriftliche Hinweise auf diese Art der Finanzierung bieten. 394 Engelmann, Opramoas als Archiphylax, S. 121–124: „Ein Archiphylax sollte: – dem römischen Fiscus im Namen des lykischen Bundes für die Steuer bürgen; – die Steuer in voller Höhe und zum fälligen Termin an den römischen Fiscus abführen; – die Steuern nicht mit Härte eintreiben; – eigenes Geld vorschießen, falls die Steuererhebung nicht die erforderliche Summe erbrachte; – auf den sozialen Frieden […] und das Wohlergehen der Provinz […] achten.“ (S. 124). 395 Vgl. Engelmann, Opramoas als Archiphylax, S.124. 396 SEG 17, 1960, 315.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

und Grammatiklehrer in einer Stadt sein dürfe.397 Offenbar handelte es sich dabei um ein nicht nur die gesamte Provinz Asia betreffendes steuertechnisches Problem, das man mittels der Autorität des Koinon vor den Kaiser brachte, denn das kaiserliche Reskript an den asianischen Landtag mit der Festlegung von Höchstzahlen erhielt schließlich Gesetzeskraft für das gesamte Reich. Ein letztes Beispiel aus Afrika belegt, dass die Involvierung in Steuerfragen ein Phänomen aller Provinziallandtage gewesen sein muss. Der Codex Theodosianus überliefert ein Antwortschreiben Kaiser Konstantins aus dem Jahr 327 n. Chr. an den Landtag, das auf eine Gesandtschaft reagiert. Hintergrund ist eine Anfrage zu Steuerfragen, konkret zum Verkauf von Eigentum eines Steuerschuldners und die Rechtskraft dieses Geschäftes, die vom Herrscher bestätigt wird.398 Als Fazit lässt sich formulieren: Die Provinziallandtage waren augenscheinlich mit verschiedenen Aspekten der Einführung, Erhebung und Abwicklung der Provinzsteuer befasst.399 Die personelle Einbindung lässt sich anhand des epigraphischen Materials vor allem der Provinzen Hispania citerior und Tres Galliae darstellen. Die Provinziallandtage waren ferner die erste Anlaufstelle für Beschwerden bei der Steuererhebung durch die römische Fiskaladministration, sie konnten wohl zwischen dem Beschwerdeführer und dem censitor vermitteln. Vor diesem Hintergrund könnte man auch an eine Vermittlung oder Schlichtung durch Ämter wie den iudex oder inquisitor Galliarum denken. Scheiterte die provinzinterne Beschwerde, war es der Landtag, der in Form von Beschwerdegesandtschaften den Kaiser als letzte Rechtsinstanz anrufen konnte. Solche Beschwerdegesandtschaften sind auch für einzelne Städte belegt, es muss also angenommen werden, dass der Landtag dann eingriff, wenn mehrere Städte einer Provinz betroffen waren. Die Concilia und Koina hatten folglich maßgeblichen Einfluss auf fiskalische Fragen der Provinz, sowohl bei der römischen Administration als auch beim Kaiser selbst. IV.4.4 Netzwerkstruktur und Transaktionskosten Die vorangegangenen Analysen lassen nur die Schlussfolgerung zu, dass die Provinziallandtage von den Eliten der römischen Provinzen als Netzwerkstrukturen mit wirtschaftlichen Vorteilen verstanden und genutzt wurden. Konkret bedeutete das: Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder, Gewinnung von Informationsvorsprüngen bzw. Abbau von Informationsdefiziten und als Konsequenz daraus die Verringerung von Kosten sowie die Umsetzung von politischem und sozialem Prestige in wirtschaftlichen Gewinn. Diese Überlegungen führen auf das Feld der sogenannten Neuen Institutenökonomik, deren Transaktionskostentheorie bereits vielfach für die historische Forschung zu Mittelalter oder Neuzeit nutzbar gemacht wurde.400 Die Auswirkungen 397 398 399 400

Dig. 27, 1, 6, 2. Cod.Theod. 11, 7, 4. Vgl. France, Les rapports fiscaux, S. 224 f. Als Beispiele seien hier nur genannt: Selzer, S., Ewert, U. C., Die Neue Institutenökonomik als Herausforderung an die Hanseforschung, Hansische Geschichtsblätter 123 (2005), S. 7–29;

IV.4 Der Provinziallandtag als finanzpolitisches und sozioökonomisches Netzwerk

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dieses wirtschaftshistorischen Ansatzes auf antike Themen blieben bislang überschaubar.401 Es soll im Folgenden versucht werden, die problematische Quellensituation zu den wirtschaftlichen Dimensionen der Provinziallandtage zu ergänzen, indem dieser wirtschaftshistorisch-theoretische Ansatz fruchtbar gemacht wird. Die Transaktionskostentheorie darf dabei sicherlich nicht als alleiniges Erklärungsmuster für Abläufe dienen, dies wäre zu eindimensional, sie kann aber helfen, wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen. Die Neue Institutenökonomik gilt als Erweiterung des neoklassischen Tauschmodells, das von zwei Grundannahmen ausgeht402: erstens dem Zusammentreffen des Tauschinteresses von Individuen auf Märkten und dessen Regelung durch einen Preismechanismus, zweitens dem opportunistischen Verhalten von Marktteilnehmern, die daran interessiert sind, ihren Nutzen zu maximieren. Dabei vernachlässigt das neoklassische Modell aber einerseits die Frage nach den Kosten des Tausches und geht vor allem davon aus, dass Informationen jedem Marktteilnehmer uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Dieses unrealistische Szenario wird nun durch die Neue Institutenökonomik in ein wesentlich wirklichkeitsnäheres Modell umgewandelt, indem auch die sogenannten Transaktionskosten berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich um Kosten, die bei der Produktsuche, der Suche nach Käufern oder Verkäufern, der Informationsbeschaffung, dem Abschluss eines Vertrages, der Prüfung von Sicherheiten und der Überwachung des Geschäfts, aber ebenso durch Personal entstehen. Das opportunistische Verhalten des Marktteilnehmers zielt folglich nicht nur darauf ab, den günstigsten Preis zu erzielen, sondern auch diese Transaktionskosten so gering und stabil wie möglich zu halten. Dies geschieht durch die das Marktgeschehen und das Handeln der Individuen bestimmende Institutionen. North, der für die Entwicklung der Neuen Institutenökonomik 1993 den Nobelpreis erhielt, definiert in einem 1991 erschienenen Aufsatz, was man unter den Institutions versteht: „Institutions are the humanly devised constraints that structure political, economic and social interaction. They consist of both informal constraints (sanctions, taboos, customs, traditions, and codes of conduct), and formal rules (constitutions, laws, property rights). Throughout history, institutions have been devised by human beings to create order and reduce uncertainty in exchange. Together with the standard constraints of economics they define the choice set and therefore determine transaction and production costs and hence the profitability and feasibility of engaging in economic activity. They evolve incrementally, connecting the past with the present and the future; history in consequence is largely a story of institutional evolution in which the historical performance of economies can only be understood as a part of a sequential story. Institutions provide the incentive structure of an economy; as that structure evolves, it shapes the direction of economic change towards growth, stagnation, or decline. In this essay I

Jenks, S., Transaktionskostentheorie und die mittelalterliche Hanse, ebd., S. 31–42; Wischermann, C., Nieberding, A., Die institutionelle Revolution: Eine Einführung in die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2004. 401 Vgl. u. a. Silver, Structures; Frier, B. W., Kehoe, D. P., Law and economic institutions, in: Scheidel, W. et al. (Hgg.), The Cambridge economic history of Greco-Roman world, Cambridge 2007, S. 113–143. 402 Vgl. für das Folgende Selzer, Ewert, Die Neue Institutenökonomik, S. 19 f.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage intend to elaborate on the role of institutions in the performance of economies and illustrate my analysis from economic history.“403

Bereits Silver hat in seinem Werk Economic structures of antiquity versucht, die Transaktionskostentheorie auf altorientalische und griechische Gesellschaften anzuwenden und kommt dabei zu dem Schluss, dass auch in prämodernen Gesellschaften – bei aller Berücksichtigung ihrer spezifischen Grundbedingungen – ökonomische Prozesse an Kostensenkung für Produktion und Distribution ausgerichtet waren.404 Damit steht Silver diametral entgegengesetzt zu sogenannten primitivistischen Vorstellungen antiker Wirtschaftsabläufe.405 Unter Anwendung der Transaktionskostentheorie verdeutlicht er überzeugend, wie antike Wirtschaftssysteme die Rationalisierung von Produktions- und Distributionskosten unter Ausnutzung und Optimierung vorhandener Kommunikationsstrukturen anstrebten. In diesen Zusammenhang lassen sich nun auch die Erkenntnisse zu den ökonomischen Verflechtungen der Provinziallandtage einordnen. Der Provinziallandtag bildete für die in ihm versammelte ökonomische Elite der Provinzen eine Institution, die sich durch folgende ihr inhärente, ökonomisch relevante Eigenschaften auszeichnete: Sie bildete ein kommunikatives Netzwerk, das der effektiven Informationsgewinnung und -weitergabe diente. Sie bedeutete ein Moment der Risikoabsicherung für geschäftliche Vorgänge durch die soziale Bindung ihrer Mitglieder. Sie konnte ein kostensenkender Faktor sein in dem Fall, dass sich die Mitglieder des gemeinsamen Landtagspersonals für die Abwicklung geschäftlicher Vorgänge bedienten. Und sie konnte schlicht als Marktplatz dienen, als geschützter Raum, in dem ökonomische Verbindungen unter der übergeordneten Kontrolle religiöser Abläufe und sozialer Beziehungen geschlossen und Verträge ausgehandelt wurden. Das Gesagte soll nicht der These Vorschub leisten, die Provinziallandtage würden auf ihren ökonomischen Charakter reduziert. Dass die übergeordneten Beobachtungen von Silver richtig sind, heißt nicht automatisch, dass das ganze Phänomen der Landtage nur unter den Prämissen von Kostensenkung und ökonomischem Nutzen interpretiert werden kann. Dies wäre sicher viel zu kurzsichtig. Die Silverschen Thesen zur antiken Wirtschaft vereinfachen doch an vielen Stellen die komplexe Verwobenheit antiker Wirtschaftsabläufe mit politischen und gesellschaftlichen Strukturen.406 Eich hat bereits in seiner ideengeschichtlichen Untersuchung 403 North, D. C., Institutions, Journal of Economic Perspectives 5 (1991), S. 97–112, hier S. 97. 404 Vgl. auch Eich, A., Die politische Ökonomie des antiken Griechenland (6.–3. Jahrhundert v. Chr.) (Passauer Historische Forschungen 14), Köln u. a. 2006, S. 98–104. 405 Zu nennen ist hier das einflussreiche Werk Finleys aus dem Jahr 1973 (Finley, M. I., The an­ cient economy, New York, London 1973). Zur „Jahrhundert-Debatte“ zwischen Primitivisten und Modernisten vgl. Drexhage, H.­J., Konen, H., Ruffing, K., Die Wirtschaft des römischen Reiches (1.–3. Jahrhundert). Eine Einführung, Berlin 2002, S. 19–21; Jacques, F., Scheid, J., Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit: 44 v. Chr. – 260 n. Chr., Bd. 1: Die Struktur des Reiches, Stuttgart, Leipzig 1998, S. 317–321; Pleket, H. W., Wirtschaft, in: Fischer, W. et al. (Hgg.), Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd.1: Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit, Stuttgart 1990, S. 25–160, hier S. 32–48. 406 Bereits Eich hat die Eindimensionalität der Silverschen Denkweise kritisiert: „Unschwer erkennbar gehört das Werk in die letzte Phase des optimistischen Aufschwungs neoliberaler

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

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zur griechischen Wirtschaft des 6. bis 3. Jahrhunderts v. Chr. die Anwendbarkeit der Silverschen Vorstellungen kritisch beleuchtet und kommt zu dem Schluss, dass sie im Ergebnis objektiv richtig seien, auch wenn die ökonomische Intention der handelnden Individuen nicht notwendigerweise immer von wirtschaftlichen Maßgaben bestimmt war. Im konkreten Fall ist es also möglich, in vielen ökonomischen Handlungen kostensenkende Momente zu finden, ohne dass der beabsichtigte Zweck der Handlungen immer auf die Senkung von Transaktionskosten abzielte. „[E]ine artikulierte Reflexion über die Mittel und Wege der ‚Transaktionskostensenkung‘ [fand im antiken Kontext] nicht statt – im lebhaften Kontrast zum ‚rationalen‘ ökonomischen Diskurs der Moderne, in dem die Kontrolle der Kosten artikuliert und bewußt ein Moment bei der Erreichung des strategischen Ziels, Gewinnmaximierung, eingebaut ist.“407

Der Silversche Ansatz, den Quellen grundsätzlich eine oberflächliche und eine eigentliche Bedeutung zuzusprechen, darf also nicht ausschließlich verfolgt werden. Die ökonomische Lesart muss ergänzend und nicht aufdeckend angewandt werden. Sie darf aber auch nicht als unhistorisch abgetan werden, denn die in der antiken „Sozialisation eingeübte Verdrängung des mit dem Austausch von symbolischen Gütern verbundenen zweckrationalen Moments hat es notwendig gemacht, dass dieses Moment in der wissenschaftlichen Literatur wieder aufgedeckt werden muss. Das darf nicht vergessen lassen, dass die Aufdeckung dieses Moments nur sekundär möglich, d. h. der erlebten Praxis fremd ist. […] Die Beteiligten hatten, wie es Bourdieu formuliert, ein lebhaftes ‚Interesse am Desinteresse.‘“408

Damit lässt sich auch das überwiegende Schweigen der Quellen über wirtschaftspolitische Zusammenhänge besser verstehen: Es ist nicht so, dass wir diese Quellen nicht nur nicht gefunden haben oder sie verloren gegangen wären, sondern sie waren nie da und können folglich auch nicht gefunden werden. Die Reflexion der ökonomischen Seite der Medaille fand so gut wie nicht statt. Umso wichtiger ist es, diskursanalytisch und anhand wirtschaftshistorischer und soziologischer Modellüberlegungen die ungeschriebenen Quellen zum Sprechen zu bringen. IV.5 DIE MÜNZPRÄGUNG DER PROVINZIALLANDTAGE IV.5.1 Forschungsstand und Probleme Aufgrund von Deiningers Absage an eine fiskalpolitische Rolle der Landtage ist die historische Auseinandersetzung mit dieser Institution geprägt durch eine Unterbewertung, ja sogar Verneinung ihrer ökonomischen Bedeutung. Besonders greifbar Denkmuster, die das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts geprägt haben: Die abstrakte Reduktion des Menschen auf einen profitorientierten ‚rationalen Entscheider‘ hatte offenbar eine solche Anziehungskraft entwickelt, daß sie auch die Vergangenheit zu durchdringen begann: Wenn man die Quellen unter den richtigen Prämissen las, erwiesen sich bereits die Zeitgenossen Hammurabis oder Platons als inkarnierte homines oeconomici.“ (Eich, Politische Ökonomie, S. 101). 407 Eich, ebd., S. 103. 408 Ebd., S. 104.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

wird dies auf dem Gebiet der Münzprägung. Zwar finden sich bei Deininger die wichtigsten Prägungen der Provinziallandtage erwähnt409, allerdings nur am Rande, ohne Bezug zu politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungen der Landtage und vor allem ohne Erklärung der fiskalischen und ökonomischen Prozesse, die hinter einer solchen Münzproduktion stehen. In der numismatischen Literatur treffen die Münzen der Provinziallandtage ebenfalls auf eine gewisse Nichtbeachtung, was daran liegen mag, dass sie sich nicht problemlos in das etablierte Schema von Reichs- und Provinzialprägung einordnen lassen.410 Hinzu kommt eine Neigung der Numismatik, Münzanalyse auf die Ebene der Münzbeschreibung zu beschränken oder in geographisch sehr eng gesteckten Bereichen durchzuführen, sodass eine Einordnung der Münzbefunde in den gesamtwirtschaftlichen Kontext oft nicht stattfindet.411 So fehlt denn auch eine reichsweite Untersuchung der Prägung aller Provinziallandtage während der römischen Kaiserzeit, die an dieser Stelle nicht zum ersten Mal als Forschungsdesiderat angemahnt wird. Ziegler hob den potentiellen Wert einer solchen Gesamtuntersuchung bereits 1985 hervor412 und Kos konstatierte 1992 mit Verweis auf Howgego: „There are, however, many questions connected with the coinage of the provincial assemblies during the Roman Empire which have not been properly dealt with, such as what was the reason and purpose of the production of these coins?“413 Einzeluntersuchungen für Provinzen sind extrem hilfreich, zeigen sie doch wie in allen Fragen zu den Koina und Concilia, dass die Fülle des Materials stetig zunimmt und neue Deutungsansätze bietet.414 Gleichzeitig sind die auf eine Provinz konzentrierten Analysen oft zu wenig auf das Problem der Prägerechte ausgerichtet, was für die Einschätzung der Landtage als Wirtschaftsorganisation zentral ist. Die vorliegende Arbeit kann eine erschöpfende Studie zu den Münzen der Provinziallandtage nicht ersetzen, denn es ist unmöglich, in diesem Rahmen alle Aspekte der Landtagsprägungen in ihren numismatischen, ökonomischen, administrativen und politischen Dimensionen zu untersuchen. Möglich ist es aber im Kontext der wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte der Provinziallandtage die Bedeutung der Münzprägung zu betrachten. Es soll der Versuch unternommen werden, ein Stück weit Systematik in diese Münzemissionen zu 409 Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 170–172. 410 Das ist zum Beispiel ein Problem des neuen RPC-Projekts. 411 Diese Kritik wird häufig geäußert. So bemängelt Strobel den problematischen Zugang der Numismatik, „deren Augenmerk traditionell auf die qualitativen Kriterien der Münzen und auf die Systematik der Münzprägung ausgerichtet ist und die, was den Wert des Münzgeldes betrifft, den Metallgehalt und damit den Warenwert der Münze in den Vordergrund stellt, sofern sie nicht überhaupt auf die Herausarbeitung wirtschaftsgeschichtlicher Bezüge verzichtet.“ (Strobel, K., Geldwesen und Währungsgeschichte des Imperium Romanum im Spiegel der Entwicklung des 3. Jahrhunderts n. Chr. – Wirtschaftsgeschichte im Widerstreit von Metallismus und Nominalismus, in: ders. (Hg.), Die Ökonomie des Imperium Romanum. Strukturen, Modelle und Wertungen im Spannungsfeld von Modernismus und Neoprimitivismus (PHAROS Studien zur griechisch-römischen Antike), St. Katharinen 2002, S. 86–168, hier S. 86). 412 Ziegler, Städtisches Prestige, S. 58 Anm. 215. 413 Koš, P., The Provincia Moesia Superior in Viminacium, ZPE 91 (1992), S. 209–214. 414 So zeigt beispielsweise die Untersuchung von Katerini Liampi, wie die numismatische Forschung zum Wissen über die Koina beitragen kann. (Vgl. Liampi, Münzprägung).

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

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bringen, um eine Antwort auf die Frage zu finden, ob sie sich von den Reichs­ und Provinzialprägungen (damit sind die städtischen Prägungen gemeint) unterscheiden und wie sie sich in den ökonomischen Kontext der Landtage einordnen lassen. Angelehnt an die offenen Fragen zur städtischen Münzemission bei Howgego415, lässt sich für die Provinziallandtage ein Fragenkatalog formulieren, der dem folgenden Kapitel einen Rahmen setzt: Welche Rolle spielten die Münzen der Provinziallandtage für den allgemeinen Geldumlauf? Wie sahen ihre Produktionsstrukturen aus? Wie wurde die Produktion organisiert und wer übte die Münzautorität aus? Inwieweit unterstand sie römischer Kontrolle? Warum wurden diese Münzen geprägt? Konnte man mit ihnen Profit erzielen? Wie wurden sie in Umlauf gebracht? Wie und von wem wurden diese Münzen genutzt, nachdem sie in Umlauf gebracht waren? Wie lang blieben sie in Umlauf? Und warum fand diese Emission ein Ende? Ein zentrales Problem berührt sicher auch die Frage, warum die Provinziallandtage des Westens – außer Dacia und Moesia superior416 – keine eigenen Kupfermünzen prägten. Die augusteischen Cistophoren-Prägungen und die sogenannten CA-Münzen von Asia und Bithynia scheinen darauf hinzudeuten, dass es gemeinsame Überlegungen und Projekte von römischer und provinzialer Seite auf dem Feld der Münzemission gab. Zumindest bezog sich die römische Seite explizit in Bild und Wort der Münzprägung auf die Provinziallandtage, ihre Tempel und Kulte. Diese augusteische Bezugnahme könnte der Ausgangs- oder zumindest ein Fixpunkt für die Münzprägung der Landtage gewesen sein. In jedem Fall muss für die Koina des Ostens ein finanzieller und/oder politisch­ideologischer Mehrwert aus dieser Münzprägung entstanden sein. Wie sich die Münzprägung auf das innerprovinziale Machtgefüge auswirkte und ob sie den Landtag gegenüber einzelnen Städten aufwertete, gilt es zu diskutieren. Die Analyse der Münzprägungen wird zeigen, dass einige Koina im Osten durchaus regelmäßig und im Umfang größerer Städte Münzen prägten417, so dass die in der Forschung stattfindende Vernachlässigung der Koina als Münzherren nicht nachvollziehbar erscheint. IV.5.2 Die Prägungen der Landtage im Kontext kaiserzeitlicher Münzemission IV.5.2.1 Das „Prägerecht“ der Landtage Die Prägung von Gold- und Silbermünzen war bekanntlich den Reichsmünzstätten vorbehalten.418 Zahlreiche Städte419 reichsweit und die Koina des Ostens prägten in der Regel Bronzemünzen. Auf welcher rechtlichen Basis taten sie das? Sind wir über 415 Howgego, C. J., Greek imperial countermarks. Studies in the provincial coinage of the Roman empire (Royal Numismatic Society Special Publication 17), London 1985, S. 83. 416 Vgl. Koš, Provincia. 417 In Makedonien ist die zahlenmäßig größte Produktion aus Thessalonike belegt, darauf folgen die Emissionen des Koinon. 418 Nur ausnahmsweise erhielten civitates liberae und/oder foederatae das Recht der Silberprägung. Vgl. Ziegler, Kaiser, S. 132. 419 Städtische Prägungen sind von über 500 Städten bekannt. Vgl. Howgego, Countermarks, S. IX.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

das Prägerecht für Gold- und Silbermünzen vergleichsweise gut informiert, muss man für das Kupfergeld das fast vollständige Fehlen von Quellen konstatieren. Als sicher darf angenommen werden, dass das Prägerecht ein Ausdruck staatlicher Souveränität war und als Hoheitsrecht durch den Kaiser oder den Senat vergeben wurde. Explizit wird diese Autorisierung auf Münzen aus Spanien, Afrika und Syrien unter Augustus und Tiberius420 sowie auf griechischen Münzen aus der Zeit Domitians421. Implizite Hinweise auf eine eindeutig definierte Regelung zum Prägerecht lassen sich durch Vergleiche mit der vorrömischen Zeit gewinnen. So finden sich ab der römischen Vorherrschaft im Unterschied zur vorrömischen Zeit, in der auch abhängige Städte und ländliche Gemeinden eigene Münzen emittierten, nur Prägungen der Städte und Provinziallandtage.422 Dies war eine neue Entwicklung, die auf eine römische Maßnahme zurückgehen muss. Innerhalb der Rahmenregelungen scheint zumindest in Bezug auf die Poleis ein großer Entscheidungsspielraum existiert zu haben, was die produzierte Geldmenge oder die Anlässe für eigene Münzemissionen betrifft.423 Da für keine Stadt eine kontinuierliche Prägung belegt ist, erfolgte die Vergabe des Prägerechts offenbar nur für eine begrenzte Zeitspanne. Möglicherweise wurde das Münzrecht bei einem Kaiserwechsel vom neuen Machthaber bestätigt oder neu verliehen.424 Die Städte emittierten autonom auf der Basis eines Ratsbeschlusses oder im Fall der coloniae auf Beschluss der Dekurionen.425 In Analogie dazu war die Provinzialversammlung auf einer dem Kaiser untergeordneten Ebene das die Münzprägung autorisierende Organ.426 Als verantwortliche Beamte, deren Namen sich auch auf den Münzen wiederfinden lassen, zeichnen keine ausschließlich mit der Münzprägung beschäftigten Spezialisten, sondern Poleis- oder Landtagsbeamte. Die Münzemission erfolgte nicht kontinuierlich, sondern war bestimmten Anlässen wie Festen, Kaiserbesuchen oder geplanten militärischen Unterneh-

420 RPC I 11 PERMIS(S)U CAESARIS AUGUSTI (Emerita); vgl. Ziegler, Kaiser, S. 133 Anm. 17. 421 RPC II 101–104, 106; RPC II 219. Korinthische Münzen mit der Legende PERM(issu) IMP(eratoris), Münzen aus Patras mit der Legende INDULGENTIAE AUG MONETA INPETRATA. 422 Lediglich für einige Klientelherrscher sind daneben Prägungen bis in die vespasianische Zeit nachgewiesen. So prägten beispielsweise lokale Dynasten in Kappadokien oder Kilikien eigene Münzen. Vgl. Marek, Geschichte Kleinasiens, S. 511. 423 Für das Folgende vgl. Marek, ebd., S. 511–514. 424 Vgl. ebd., S. 512. 425 RPC = Burnett, A., Amandry, M. (Hgg.), Roman Provincial Coinage, London u. a. 1992 ff. Vol. I: Burnett, A., Amandry, M., Ripollès, P. P. (Hgg.), From the death of Caesar to the death of Vitellius (44 BC – AD 69), Bd. 1: Introduction and Catalogue; Bd. 2: Indexes and Plates, London u. a. 1992. (Supplement I, 1998). Vol. II: Burnett, A., Amandry, M., Carradice, I. (Hgg.), From Vespasian to Domitian (AD 69– 96), Bd. 1: Introduction and catalogue; Bd. 2: Indexes and plates, London u. a. 1999. (Supplement II, 2006, auch online: http://www.uv.es/~ripolles/rpc_s2). Vol. IV: RPC online The Antonines (AD 138–181) http://rpc.ashmus.ox.ac.uk/. Vol. VII 1: Spoerri Butcher, M., Gordian I to Gordian III (AD 235–238). Province of Asia, London u. a. 2006. 426 RPC I 1, S. 2 f.

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

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mungen unterworfen.427 In der Regel wird die Einführung der Provinzialprägung damit erklärt, dass der Münzbedarf des Reiches aufgrund seiner wachsenden Größe nicht mehr durch die Münzstätte in Rom gedeckt werden konnte.428 Der römische Staat verlieh deshalb Städten oder Provinziallandtagen das Münzrecht.429 Allerdings durften die provinzialen Münzen in der Regel nur Kupferprägungen sein und sie blieben meist auf ein lokales Umlaufgebiet begrenzt. Die kaiserliche Autorisierung darf allerdings nicht als völlige Aufgabe jeglicher Einflussmöglichkeiten von römischer Seite verstanden werden. Wie verschiedene Beispiele der Koina-Prägungen zeigen, übten die römischen Autoritäten einen gewissen Einfluss gerade auf diese provinzialen Emissionen aus, der mehr oder weniger intensiv sein konnte. Dass es auch einen antiken Diskurs über die Einflussmöglichkeiten auf die provinzialen Prägungen und zumindest in einem begrenzten Rahmen Standardisierungsabsichten gab, zeigt Cassius Dio. Er rekonstruiert einen Dialog zwischen Augustus und Maecenas, in dem dieser dem Kaiser rät, die städtische Münzprägung in den Provinzen zu verbieten und ein einheitliches (römisches) System einzuführen.430 Ob Cassius Dio hier von seinen eigenen Erlebnissen im dritten Jahrhundert beeinflusst ist oder tatsächlich die Debatten der Führungszirkel des frühen Prinzipats wiedergibt, muss offen bleiben. In der Forschung wird die bewusste Einflussnahme auf die provinziale Münzprägung – gemeint ist hier die Prägung durch die Städte – allerdings eher abgeschwächt. Burnett431 legt in einer aktuellen Untersuchung eine Sichtung des Münzmaterials der Städte aus der julisch­claudischen und flavischen Zeit vor und kann deutlich herausarbeiten, dass gerade die Zeit des Augustus als „turning point“ gedeutet werden kann. Allerdings betrachtet er die Veränderungen als städtische Antworten auf die städtische Situation und deutet sie nicht als Reflexion einer zentral gesteuerten oder kontrollierten Einflussnahme.432 Auch Nollé sieht keine römische Rechtssetzung auf dem Gebiet der städtischen Bronzeprägungen gegeben.433 Allerdings musste es sicher im Interesse des Reiches sein, dass die Provinzen mit genügend Mitteln im Bereich Kleingeld versorgt wurden. Schon die nachweisbare enge Verzahnung von geplanten militärischen Aktionen mit der Emission von Bronzegeld legt diesen Zusammenhang offen.434 Ob man wie Beyer von einem Zwang 427 Nicht außer Acht lassen sollte man sicherlich auch die Frage des Zugriffs auf entsprechende Münzwerkstätten. Vgl. Kraft, K., Das System der kaiserzeitlichen Münzprägung in Kleinasien. Materialien und Entwürfe, Berlin 1972. 428 Vgl. Schönert-Geiss, E., Das Ende der Provinzialprägung in Thrakien und Mösien, Klio 50 (1968), S. 251–256. 429 So u. a. Regling, K., RE XVI, 1 (1933), Sp. 457–491, s. v. Münzwesen; RPC II 1, S. 1–7; Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 73–78, aber durchaus hinterfragt, z. B. Howgego, C. J., Review of A. Burnett, M. Amandry, and P. P. Ripollès, Roman Provincial Coinage I. From the Death of Caesar to the Death of Vitellius (44 BC–AD 69), JRS 83 (1993), S. 199–203, hier 201. 430 Cass. Dio 52, 30, 9. 431 Vgl. Burnett, A., The Augustan revolution seen from the mints of the provinces, JRS 101 (2011), S. 1–30. 432 Vgl. ebd., S. 28–30. 433 Vgl. Nollé, J., Städtisches Prägerecht und römische Kaiser, RIN 95 (1993), S. 487–504. Leider äußert sich Nollé nicht zur Prägung der Provinziallandtage. 434 Vgl. Ziegler, Kaiser, S. 67–69.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

zur Versorgung der Bevölkerung mit Kleingeld sprechen kann, ist fraglich.435 Dass der Kaiser aber letztlich alle Münzprägung steuern konnte, wenn er es denn für notwendig hielt, zeigt der Entzug des Münzrechts für Antiochia in Syrien durch Septimius Severus, nachdem die Stadt sich im Bürgerkrieg auf die letztlich falsche Seite geschlagen hatte.436 Auch das Ende der städtischen Provinzialprägungen in Thrakien und Moesien im dritten Jahrhundert wird in Teilen der Forschung als staatlicher Eingriff in die provinziale Münzprägung interpretiert. Das Ende der Prägungen in diesen Provinzen spiegele demnach den Versuch der Soldatenkaiser wider, der Finanzkrise Herr zu werden.437 Im Zuge der offiziell verordneten Einstellung lokaler und Koina-Prägungen wurde auch das Reichsmünzsystem reformiert und viel stärker als bisher einer staatlichen Kontrolle unterworfen. Im Bereich der Münzprägung findet sich nun auch einer der Hauptunterschiede zwischen den Concilia des Westens und den Koina des Ostens, denn das Prägerecht war augenscheinlich beinahe ausschließlich den Koina vorbehalten438 – ein Phänomen, das sich sicherlich aus der Prägetradition der östlichen Reichshälfte generell und der östlichen Koina im Speziellen erklärt.439 Lediglich für die Provinzen Dakien (Philippus Arabs bis Gallienus zwischen 246 und 257 n. Chr.) und Moesia superior (Gordian III. bis Valerian) – also jenen östlichsten Provinzen des Balkanraums, in denen der Einfluss der benachbarten griechischen Provinzen sicherlich am stärksten war – sind Prägungen erwähnt, die vereinzelt dem Landtag zugeschrieben werden.440 Diese unterschiedliche Prägetradition spiegelt auch den inhomogenen Grad der Monetarisierung im Reich wider. Die westlichen Provinzen waren erwiesenermaßen weniger ausreichend mit Geld versorgt als Italien, Kleinasien oder Ägypten und wurden beinahe ausschließlich von Rom und Lugdunum mit Münzen beliefert.441 IV.5.2.2 Prägeanlässe Ähnlich wie bei den Städten waren die Emissionen der Provinziallandtage ereignisabhängig und nicht kontinuierlich. Man kann die Prägeanlässe wohl in zwei große Gruppen unterteilen: zum Ersten die vom Reich, zum Zweiten die von den Provinziallandtagen und seinen Aktivitäten ausgehenden. 435 Vgl. Beyer, F., Geldpolitik in der römischen Kaiserzeit. Von der Währungsreform des Augustus bis Septimius Severus, Wiesbaden 1995, S. 40 f. 436 Vgl. Howgego, Countermarks, S. 89. 437 Vgl. Schönert-Geiss, Das Ende der Provinzialprägung in Thrakien und Mösien, S. 251–256. Gegen diese Sicht spricht sich mit einiger Überzeugungskraft Ziegler aus (Ziegler, Kaiser, S. 153–156). 438 Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 170; Koš, Provincia, S. 210 f. 439 Lediglich Wruck sieht in den augusteischen Kupferprägungen aus Lugdunum mit dem Altar für Roma und Augustus eine vom gallischen Provinzialverband ausgehende Prägung (vgl. Wruck, W., Zu den Provinzialprägungen der römischen Kaiserzeit, BNZ 1 (1949–1952), S. 255–266, hier S. 257. 440 Vgl. Koš, Provincia, S. 209–214. 441 Vgl. Beyer, Geldpolitik, S. 72 f.

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

275

Als wichtigste vom Reich vorgegebene Prägeanlässe müssen sicherlich die militärischen Expansionen angesehen werden, die einen enormen Geldbedarf produzierten. Mehrfach hat Ruprecht Ziegler442 in seinen Arbeiten nachgewiesen, dass geplante militärische Aktionen im Osten des Reiches zu einer Münzemission führten, die aufgrund der Münzbilder eindeutig als auf den bevorstehenden Feldzug ausgerichtet eingeordnet werden kann. Offenbar wurden die von einem geplanten Feldzug betroffenen Gebiete frühzeitig informiert und eventuell angewiesen, genügend Kleinmünzen für die Soldaten zur Verfügung zu stellen.443 Ähnliche der Provinz von außen angetragene Anlässe für eine Münzemission wegen erhöhten Geldbedarfs waren sicher die Kaiserbesuche, bei denen eine mehrere tausend Personen umfassende Reisegesellschaft unterwegs war und während derer auch der gesamte diplomatische Verkehr in Form von Gesandtschaften vor Ort abgewickelt wurde.444 Ziegler formuliert treffend: „Herrscherbesuche wurden so für die betroffenen Städte zu einem sozialen, kultischen und ökonomischen Ereignis höchsten Ausmaßes.“445 Eine Untersuchung der Koinon-Prägungen lässt es in einigen Fällen zu, einen Kaiserbesuch und eine Münzemission in Einklang zu bringen. So ist es möglich, die Reise Trajans zum parthischen Kriegsschauplatz ab Oktober 113 n. Chr. und seinen Aufenthalt im parthischen Grenzgebiet anhand der Münzprägung verschiedener Koina nachzuzeichnen. Trajan begab sich von Rom aus nach Athen und Asia, wo er von Ephesos aus über das Mäandertal nach Lykien und – nach einem Abstecher nach Zypern – von dort per Schiff in die Provinz Syrien reiste.446 Das lykische Koinon prägte eine Münze, die Trajan im Lorbeer und auf der Rückseite zwei Lyren mit Eule zeigt.447 Diese Prägung wird in die Anfangsjahre der trajanischen Herrschaft datiert, lässt sich aber überzeugender – vor allem im Kontext der übrigen Provinzialprägungen für Trajan – dieser Durchreise zuordnen. Das Koinon der Zyprer prägte unter Trajan (112–117 n. Chr.) eine Münze mit der Abbildung eines Tempels und der Aufschrift ΚΟΙΝΟΝ ΚΥΠΡΙΩΝ.448 Trajans Ankunft in Antiochia in Syrien im Januar 114 n. Chr. könnte den Rahmen für eine ungewöhnliche Prä442 Vgl. Ziegler, Kaiser, S. 67–105; ders., Plante Kaiser Pupienus einen Feldzug gegen die Sasaniden? Bemerkungen zur Münzprägung von Tarsos in Kilikien und zur vita Maximi et Balbini 13, 5 in der Historia Augusta, JNG 51/52 (2001/02), S. 37–47. 443 Ziegler konnte in einer Untersuchung der städtischen Münzprägung in Ostkilikien 1993 nachweisen, dass eine Ausweitung der Münzproduktion in vielen Städten an der pontischen Küste und in Kilikien in den Jahren 204/5 und 206/7 n. Chr. im Vorfeld einer militärischen Aktion gegen die Parther stattfand. Offensichtlich plante Septimius Severus einen dritten Partherkrieg. Die Münzbilder weisen eindeutig kriegerische Thematiken auf und greifen teilweise sogar Bilder aus den Partherkriegen Trajans auf. Nach einer erfolgreichen parthischen Gesandtschaft fand dieser Kriegszug allerdings nicht statt, sondern Septimius Severus richtete sein Augenmerk auf Britannien (Ziegler, Kaiser, S. 67–69). Ganz ähnlich argumentiert Ziegler auch für eine tarsische Münzserie aus dem Jahr 238, die er in Verbindung bringt mit einem geplanten Feldzug des Kaisers Pupienus gegen die Sasaniden. (Ziegler, Pupienus, S. 37–47). 444 Cass. Dio 68, 24, 1; Ios. bell. Iud. 4, 11, 5; Phil. Leg. ad Gaium 248–250; vgl. Halfmann, Itinera, S. 110; Ziegler, Kaiser, S. 139 f. 445 Ziegler, ebd., S. 143. 446 Vgl. Halfmann, Itinera, S. 184–188. 447 SNG Aulock 4267, 4268. 448 BMC Cyprus Nr. 36–41 S. 82 f.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

gung des syrischen Koinon449 mit der Aufschrift ΚΟΙΝΟΝ ΣΥΡΙΑΣ und einer Darstellung der Tyche sein. Mit Sicherheit den Jahren 114/115 zuzuordnen sind die Münzen des armenischen Koinon, da sie eine Datierung tragen.450 Auf der Vorderseite zeigen sie Trajan im Lorbeer und auf der Rückseite eine trauernde Gefangene mit Mauerkrone auf einem Tropaion und die Umschrift ΚΟΙΝΟΝ ΑΡΜΕΝΙΑΣ.451 Die theoretischen Überlegungen zu Rolle und Funktion der Prägungen von Provinziallandtagen gewinnen mit diesen Beispielen praktische Anwendung. Die Reisen und Feldzüge Kaiser Trajans lassen sich mit den Emissionen jener Landtage verbinden, deren Einflussgebiete er bereiste und stehen damit in einem deutlichen ökonomischen Zusammenhang. Aber auch aus dem Leben des Landtags heraus konnte sich ein gesteigerter Bedarf an Kupfergeld für die Abwicklung alltäglicher Geschäfte ergeben. Vor allem die jährlichen Landtagsversammlungen und die großen Feste bildeten hier natürlich oft den Anlass für eine Prägung. Wie Dion Chrysostomos am Beispiel der Konventstadt Kelainai in Phrygien deutlich macht, bestand ein enger Zusammengang von Menschenmassen und Geldbedarf: „Wo nämlich die größte Menschenmenge zusammenkommt, da muß auch das meiste Geld zusammenfließen, und man kann erwarten, daß der Ort gedeiht.“452 Die durch die Vielzahl an Menschen entstandenen Bedürfnisse führten zu einer hohen Nachfrage nach allen Arten von Gütern und damit wiederum zu einem Preisanstieg, der nur durch ein erhöhtes Geldaufkommen gedeckt werden konnte. Ein Großteil des Geldes wurde sicherlich von den Soldaten, Gesandten, Beamten oder sonstigen Reisenden mitgebracht, allerdings in Form von Silber- und Goldmünzen. Für den Wechsel dieser Edelmetallmünzen mit relativ hohem Wert benötigte man lokales Bronzegeld. Dieses Bronzegeld musste – so geht es aus einer pergamenischen Inschrift hervor453 – in einem offiziellen Wechselbüro, dessen Betreiber der Stadt eine Pacht zu zahlen hatten, gegen Reichsgeld in Silber und Gold eingetauscht werden und dafür war ein Agio454 zu zahlen. Die Stadt bzw. die prägende Institution nahm bei der Ausgabe des Geldes also einen Profit ein, der zusätzlich noch durch den bei jeder Prägung anfallenden Profit aus dem Schlagschatz ergänzt wurde.455 Wie sah aber nun der konkrete Prozess einer solchen Münzemission vom Landtagsbeschluss bis zur Verbreitung des Geldes aus? Howgego hat bereits in den 1980er Jahren versucht, ein konzeptionelles Modell der provinzialen Münzprägung zu entwerfen.456 Seine Bemerkungen lassen einige interessante Rückschlüsse auf die ökonomische Rolle der Provinziallandtage zu. Zunächst einmal geht auch er 449 SNG XII, 2, Nr. 2586–88. 450 Vgl. Leschhorn, W., Antike Ären. Zeitrechnung, Politik und Geschichte im Schwarzmeerraum und in Kleinasien nördlich des Tauros, Stuttgart 1993, S. 146–148. 451 Rec.gén. 8; SNG Aulock 145–146. 452 Dion Chrys. 35, 15 f., zitiert nach Ziegler, Kaiser, S. 142. 453 OGIS 484 = IGR IV 352 = Freis, Römische Inschriften, Nr. 87. 454 Aus P.Bad. 37 geht hervor, dass der Agio bei einem Übergang vom Silber- zum Goldstandard in Höhe von 15 % bzw. ab 108 n. Chr. 11 % zu zahlen war. Vgl. Strobel, Geldwesen, S. 90 f. 455 Vgl. dazu auch Ziegler, Kaiser, S. 144 mit Anm. 101. 456 Vgl. Howgego, Countermarks, S. 83–99.

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

277

davon aus, dass die Bronzeprägungen des griechischen Ostens in erster Linie die Funktion hatten, Kleingeld für die Provinzen zur Verfügung zu stellen, das durch die Reichsprägungen nicht abgedeckt wurde. Ganz in der hellenistischen Tradition wurde die Münzprägung dabei als epimeleia, als liturgische Leistung, verstanden und war – im modernen Sinne gesprochen – „outsourced“ in den privaten oder halbprivaten Sektor. Die Übernahme dieser Pflichten konnte einerseits Prestige bedeuten, war aber auch mit großem finanziellen Aufwand verbunden. Zu den Kosten sind die Bereitstellung des ungemünzten Edelmetalls und der Prägestempel, der Münzstätte und des Personals, der zumindest zum Teil aus öffentlichen Sklaven rekrutiert worden sein dürfte, zu rechnen. Möglicherweise arbeitete man aber auch mit Subunternehmen, das heißt, man lagerte die eigentlichen Prägearbeiten an eine professionelle Münzstätte aus und übernahm entsprechend die Kosten. Im Falle der Provinziallandtage erscheint es möglich, dass die Gelder aus der Kasse des Landtags bezahlt oder vom amtierenden Oberpriester übernommen wurden. Das Beispiel Makedonien zeigt, dass die Landtage bei ihrer Münzproduktion versuchten, die Kosten niedrig zu halten. Als das makedonische Koinon ab Septimius Severus, vor allem aber Kaiser Elagabal umfangreiche Emissionen mit dem Bild Alexanders des Großen prägte, schmolz man dazu bereits sich im Umlauf befindliche Münzen mit den Porträts früherer Kaiser ein. Der Ankauf neuen Metalls für die Prägung der Alexandermünzen hätte wohl eine zu große finanzielle Belastung bedeutet.457 Die den Provinziallandtagen zugeschriebenen Münzen lassen nur sehr vereinzelt Hinweise auf die mit der Organisation der Emission betrauten Beamten zu. Nur selten finden wir die Präposition ἐπί, die aber in ihrer Deutung als Hinweis auf den Finanzier umstritten ist.458 In beiden Fällen wird die Versammlung der Provinzialen dem Verfahren in einem offiziellen Beschluss zugestimmt haben. Man muss wohl ebenfalls davon ausgehen, dass vor einer solchen Prägung auf lokaler oder auch Koinon-Ebene, bei den römischen Autoritäten eine Genehmigung eingeholt wurde. Für städtische Prägungen ist dies in wenigen Fällen belegt.459 Ob für jede Prägeserie eine neue Genehmigung gebraucht wurde oder ob dieses Recht auch für eine längere Dauer verliehen werden konnte und gegebenenfalls nur bestätigt werden musste, bleibt unklar. Dass der Kaiser das Recht auf Erteilung oder Entzug des Münzrechts wahrnahm, ist indes sicher belegt.460 Allerdings ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, ob die staatlichen Stellen auch regulierend und steuernd in die Münzproduktion eingriffen. Dies scheint angesichts der immer wieder auftretenden Probleme mit ausreichender Münzversorgung fraglich. Die Haltung des Kaisers muss wohl eher als reaktiv denn als proaktiv bewertet werden.

457 Vgl. Liampi, Münzprägung, S. 899. 458 RPC I 2994–5; vgl. Ziegler, Kaiser, S. 134. 459 Vgl. ebd., S. 88; Robert, L., ΑΙΤΗΣΑΜΕΝΟΣ sur les monnaies, Hellenica XI–XII (1960), S. 53–62. Zum Gesandtschaftswesen allgemein in Fragen von Handel und Wirtschaft vgl. Ziethen, Gesandte, S. 53–65. 460 Vgl. Cass. Dio 52, 30, 9. Vgl. auch Howgego, Countermarks, S. 89 mit Anm. 48.

278

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

463464

IV.5.3 Katalog der Landtagsemissionen461

Blicken wir auf die kleinasiatischen Koina462, so können als gesichert jene Kupferprägungen des asianischen Koinon gelten, die in die Jahre 23 bis 26 n. Chr. datieren. Zeit Tiberius 23–26463 n. Chr. Neuprägung durch Asinius Pollio 28/29 n. Chr.464

Prägeort Sardes ?

Avers

Revers

Literatur

ΔΡΟΥΣΟΣ ΚΑΙ ΓΕΡΜΑΝΙΚΟΣ ΚΑΙΣΑΡΕΣ ΝΕΟΙ ΘΕΟΙ ΦΙΛΑΔΕΛΦΟΙ; zwei junge Männer in Toga, sitzend auf kurulischen Stühlen

ΕΠΙ ΑΡΧΙΕΡΕΩΣ ΑΛΕΞΑΝΔΡΟΥ ΚΛΕΩΝΟΣ ΣΑΡΔΙΑΝΟΥ; Eichenkranz, im Inneren: ΚΟΙΝΟΥ ΑΣΙΑΣ

RPC I 2994–5.

Nicht eindeutig dem asianischen Landtag als Prägeinstitution zuzuweisen sind dagegen zwei Münzemissionen aus dem dritten Jahrhundert. Sie beziehen sich in ihrer Legende allerdings explizit auf das Koinon. In der neueren Forschung werden sie als gemeinsame Emission von Smyrna und dem asianischen Koinon gesehen. Zeit

Prägeort

238–240 n. Chr. Smyrna

Avers

Revers

Literatur

ΑV ΚΑΙ Μ ΑΝΤ ΓΟΡΔΙΑΝΟΣ; drapierte Büste Gordian III. mit Lorbeerkranz

ΑΣΙΑ ΟΜΟΝΟΙΑ ΣΜΥΡΝΑ i. A. ΕΠ Σ ΠΟΛΛΙΑΝΟΥ; Tyche von Asia stehend, über flammendem Altar opfernd, die Linke auf einen Speer gestützt; ihr gegenüber die Amazone von Smyrna mit Mauerkrone, einen Tempel in der Rechten, Bipennis, Pelta und Chlamys in der Linken, zu Füßen eine Prora

RPC VII, S. 39-43, 178–184, Nr. 330. Homonoia-Prägung aus Smyrna gemeinsam mit Koinon Asias. Klose geht von Smyrna als Prägeherr aus (Klose, D., Die Münzprägung von Smyrna in der römischen Zeit, Berlin 1987, S. 55 und 344) Nr. 1 (= Taf. VI Nr. 5).465

461 Der Katalog wertet die wichtigsten Münzkataloge aus, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aufgeführt werden jeweils die Prägezeit (wenn datierbar), der Prägeort (wenn bekannt), die Legenden und Abbildungen Avers und Revers sowie der Nachweis in der numismatischen Literatur mit eventueller Diskussion. 462 Vgl. Marek, Geschichte Kleinasiens, S. 524 f. 463 Campanile datiert die Münzen in die Jahre zwischen 14 und 19 n. Chr. Sie widerspricht der Annahme, dass der Titel ΝΕΟΙ ΘΕΟΙ ΦΙΛΑΔΕΛΦΟΙ erst nach dem Tod beider Männer verliehen wurde. (Campanile, I sacerdoti, S. 34 f.). 464 Vgl. Levy, B., The date of Asinius Pollio’s Asian proconsulship, JNG 44 (1994), S. 79–89. 465 Vgl. zu Frage der Homonoia auch Kienast, D., Zu den Homonoia-Vereinbarungen in der römischen Kaiserzeit, ZPE 109 (1995), S. 267–282.

279

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage Zeit

Prägeort

Avers

Septimius Philadelphia, Severus bis 268 Sardes u. a. n. Chr.

Revers KOINA AΣΙΑΣ

Literatur Nach Κarl, H., Νumismatische Beiträge zum Festwesen der Kleinasiatischen und Nordgriechischen Städte im 2./3. Jahrhundert, Diss., Saarbrücken 1975, S. 76 f.

Das Koinon der Bithynier prägte eigene Münzen eventuell von Claudius (?)466 bis Hadrian. Zeit

Prägeort

Claudius

Nicaea, Nicomedia (?)

Avers ΤΙ ΚΛΑΥΔΙΟΣ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒ ΑΡΧ ΜΕΓ Δ; (in Abwandlung) Kopf Claudius

Revers Λ ΜΙΝΔΙΟΣ ΠΟΛΛΙΩΝ ΑΝΘΥΠΑΤΟΣ ΠΑΤΡΩΝ; Roma mit Helm / Kopf Zeus/ Kopf Tyche

ΒΡΕΤΑΝΝΙΚΟΣ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΕΠΙ Γ ΚΑΔΙΟΥ ΒΑΣΤΟΥ ΥΙΟΣ; ΡΟΥΦΟΥ Kopf Britannicus ΑΝΘΥΠΑΤΟΥ ΠΑΤΡ; Steinbock auf Bogen mit Inschrift ΓΕΥΔΟΣ

Vespasian

Nicaea, Nicomedia

ΑΥΤΟΚΡ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣ ΟΥΕΣΠΑΣΙΑ­ ΝΟΣ; Kopf Vespasian

ΒΙΘΥΝΙΑ(Σ); sitzende / stehende Bithynia / Dionysos, mit verschiedenen Symbolen;

ΑΥΤΟΡΚ ΤΙΤΟΣ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣ ΥΙΟΣ; Kopf Titus

Nennung des Namens zweier Prokonsulen (M. Maecius Rufus; M. Salvidenus Asprenas) und eines Prokurators (L. Antonius Naso)

ΔΟΜΙΤΙΑΝΟΣ ΚΑΙΣΡ ΣΕΒΑΣ ΥΙΟΣ; Kopf Domitian

Literatur RPC I 2031, 2065–2069.

RPC I 2075. RPC: städtisch. Diese Prägung wurde ursprünglich dem Koinon zugewiesen (Rec. gén., S. 235 f. Commune Bithyniae 1–5). RPC II 601–618 mit Diskussion S. 96–98.

466 Diskussion vgl. Nicols, J., Patrons of provinces in the early principate: The case of Bithynia, ZPE 80 (1990), S. 101–108; RPC I 1, S. 340 und 349 f.

280

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage Zeit

Trajan

Prägeort ?

Hadrian

?

Avers

Revers

Literatur

ΑΥ ΝΕΡ ΤΡΑΙΑΝΟΣ ΚΑΙ ΣΕ ΓΕΡ ΔΑ; Kopf Trajan im Lorbeer

ΚΤΙΣΤΗΣ; Adler auf Kugel

Kopf Hadrian/ Sabina

ΚΟΙΝΟΝ ΒΕΙΘΥΝΙΑΣ;

Kopf Hadrian

Tempel mit sechs Säulen und Inschrift ROM ET AUGUST, einmal stehender Kaiser im Tempel; links und rechts neben dem Tempel COM BIT, einmal SPQR

SNG Aulock 279–282, 6913–6915.

ΕΠΙ ΓΑΙΟΥ ΒΑΣΣΟΥ ΑΝΘΥΠΑΤΟΥ; Demeter mit Zepter und Ähren SNG Aulock 283–291, 6916–6917. SNG Aulock 6606– 6609.

Das pontische Koinon hat eine eigene Münzprägung von Marcus Aurelius bis in die Zeit Galliens.467 Zeit

Prägeort

Avers

Revers

Literatur

Marc Aurel

Neokaisareia

Kopf Marc Aurel mit Umschrift

ΚΟΙΝΟΝ ΠΟΝΤΟΥ

Rec. gén. 1–1a; SNG Aulock 6692.

Septimius Severus bis Gallien

Neokaisareia

Kopf mit Umschrift

Bild des Provinzialtempels oder agonistische Kränze

Rec. gén. 28 f. 120–122; BMC Pontus S. 32–34, Nr. 1–15; SNG Aulock 99–104, 106–112, 114, 6759–6760, 6762–6765, 6768, 6770.

467 Bei den Prägungen von Septimius Severus bis Gallien handelt es sich um Prägungen der Stadt Neokaisareia, die aber Bezug nehmen auf das Koinon.

281

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

In Galatien gab es eine Landtagsprägung eventuell schon unter Augustus und Tiberius, spätestens aber ab Nero bis in die Zeit von Trajan und Lucius Verus.468469470471 Zeit

Prägeort

Avers

Revers

Literatur RPC I 3546 f.469

Augustus

Ancyra (?)

ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣΤΟΣ; ΕΠΙ ΒΑΣΙΛΑ Kaiserporträt ΠΡΕΣΒΕΥΤΟΥ; Zeus Tavianos oder Kybele Agdistis thronend

Tiberius

Ancyra (?)

ΤΙΒΕΡΙΟΣ ΚΑΙΣΑΡ; Kaiserbüste

ΕΠΙ ΒΑΣΙΛΑ RPC I 3548 f., ΠΡΕΣ(ΒΕΥΤΟΥ) ähnlich auch RPC ΣΕΒΑΣΤΟΣ; Hexastyler Ι 3550 f.470 Podiumtempel

Nero

Ancyra, Pessinous, Tavium

ΝΕΡΩΝΟΣ ΣΕΒΑΣΤΟΥ; ΠΟΠΠΑΙΑΣ ΣΕΒΑΣΤΗ471; bekränzter Kopf

ΠΟΠΠΑΙΑΣ ΣΕΒΑΣΤΗΣ; Büste der Poppaea ΤΟ ΚΟΙΝΟΝ ΓΑΛΑΤΩΝ; Tempel mit vier Säulen oder Altar

RPC I 3562– 3564.

Galba

Ancyra, Pessinous, Tavium

ΓΑΛΒΑΣ ΑΥΤΟΚΡΑΤΩΡ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣΤΟΣ ΓΑΛΒΑΣ ΣΕΒΑΣΤΟΣ ΚΟΙΝΟΝ ΓΑΛΑΤΩΝ oder Attis-Mên

ΣΕΡΟΥΙΟΣ ΓΑΛΒΑΣ ΣΕΒΑΣΤΟΣ; stehender Mann ΣΕΒΑΣΤΩΝ; Tempel mit sechs Säulen

RPC I 3565– 3567; vgl. auch Coşkun, Der Ankyraner Kaiserkult, S. 186 f.

Vespasian

Ancyra

ΑΥΤΟΚΡ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣ ΟΥΕΣΠΑΣΙΑ­ΝΟΣ; Kopf Vespasian

Titus

Ancyra

Trajan

?

ΕΠΙ Μ ΝΕΡΑ ΠΑΝΣΑ ΠΡΕΣΒΕΥΤΟΥ ΚΟ ΓΑ; Eichenkranz, Adler mit Blitzbündel, drei KornΑΥΤΟΡΚ ΤΙΤΟΣ ΚΑΙ ähren, Stier ΣΕΒΑΣΤΟΣ; Kopf Titus Trajan im Lorbeer

RPC II 1614 f.

RPC II 1616 f.

EΠI [ΠOM] BAΣΣOY SNG Cop. 105 KOINON ΓAΛATIAΣ; SNG Aulock Provinzialtempel Ancyra 6121–28. oder Zeus mit Zepter und Adler oder Göttin mit Mauerkrone

468 Coşkun sieht dagegen das Ende der Koinon­Prägungen nach der trajanischen Zeit, die er mit der Teilung der Großprovinz Cappadocia­Galatia (113 n. Chr.) begründet. Vgl. Coşkun, Der Ankyraner Kaiserkult, S. 192–194. 469 Nach Coşkun wurde diese Münze von der Vorgängerorganisation des galatischen Koinon geprägt, also jenem Stammesverband, der das Sebasteion in Ancyra bei seiner Gründung leitete. Vgl. Coşkun, Der Ankyraner Kaiserkult, S. 177–179. 470 Ebd., S. 180. 471 Vgl. Hahn, U., Die Frauen des römischen Kaiserhauses und ihre Ehrungen im griechischen Osten anhand epigraphischer und numismatischer Zeugnisse von Livia bis Sabina (Saarbrücker Studien zur Archäologie und Alten Geschichte 8), Saarbrücken 1994, S. 219 Anm. 13.

282

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage Zeit

Lucius Verus

Prägeort ?

Avers Α Κ Λ ΟΥ ΣΕΒΑΣΤΟΣ; Kopf Lucius Verus

Revers

Literatur RPC online472 4126.

ΘΕΑ ΚΕΡΕΙΑ; stehende verhüllte weibliche Figur mit Mauerkrone (Kybele?) mit Patera

472 Die innerhalb der Provinz Galatia liegende Landschaft Paphlagonien besaß ein eigenes Koinon473, das in der Zeit Domitians selbstständig Münzen prägte. Zeit Domitian

Prägeort Pompeiopolis (?)

Avers ΔΟΜΙΤΙΑΝΟΣ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣΤΟΣ; Kopf Domitian

Revers ΚΟΙΝΟΝ ΠΑΦΛΑΓΟΝΙΑΣ

Literatur RPC II 1629.

In Kilikien sind Münzen des provinzialen Koinon möglicherweise bereits aus vorhadrianischer Zeit belegt, gesichert allerdings erst von Antoninus Pius bis Caracalla.474475 Zeit

Prägeort

Antoninus Pius Tarsos (138–161 n. Chr.), Annius Verus und Commodus Commodus

138–192 n. Chr.

Caracalla

Tarsos

Avers

Revers

Literatur

ΑΥΤ[]Σ ΚΑΙΣΑΡ ΑΝΤΩΝΙΝΟΣ ΣΕ; Büste Antoninus Pius mit Brustpanzer und Paludamentum, oder Commodus/ Annius Verus

ΑΔΡΙΑΝΩΝ ΤΑΡΣΕΩΝ ΜΗΤΡΟΠΟΛΕΩΣ, ΚΟΙΝΟΣ ΚΙΛΙΚΙΑΣ im Architrav eines Tempels mit zehn Säulen, im Giebel stehender Adler mit ausgebreiteten Flügeln

SNG Aulock 5989; RPC online 5844, 10202, BMC Lycaonia, Isaurica, Cilicia, S. 190–1.475

ΜΗΤΡΟΠΟΛΕ ΤΑΡΣΟΥ; stehende, verhüllte, betürmte Tyche

ΚΟΙΝΟΣ ΚΙΛΙΚΙΑΣ RPC online im Architrav eines Tem- 8505. pels mit zehn Säulen, im Giebel stehender Adler mit ausgebreiteten Flügeln

Kopf Caracalla

ΚΟΙΝΟΣ ΚΙΛΙΚΙΑΣ in Priesterkrone

BMC Cilicia, Nr. 197.

472 RPC online The Antonines (AD 138–181), http://rpc.ashmus.ox.ac.uk/. Alle Zugriffe auf RPC online erfolgten am 29.12.2012. 473 Ob diese landschaftlichen Koina dem Landtag der Provinz angeschlossen waren, ist umstritten. Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 69 Anm. 2. 474 Dagegen Ziegler, Städtisches Prestige, S. 58 Anm. 215: „Vom Koinon selbst emittierte Münzen gibt es in Kilikien nicht.“ 475 Ziegler deutet diese Münzen als städtische Prägung von Tarsos. Vgl. Ziegler, ebd., S. 58.

283

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

Der lykaonische Landtag476 prägte selbstständig unter Lucius Verus und Marc Aurel (161–169) sowie unter Philippus Arabs und seinem Sohn Philipp II. (244–249).477 Zeit

Prägeort

Avers

Revers

Literatur

163–166 n. Chr.

Barata, Dalisandos, Derbe, Hyde, Ilistra, Laranda

Bildnisse Marc Aurels und seiner Familienmitglieder

ΚΟΙΝΟΝ ΛΥΚΑΟΝΙΑΣ; prägende Stadt

Aulock, H., Münzen und Städte Lykaoniens (Istanbuler Mitteilungen Beiheft 16), Tübingen 1976, S. 25–32, 62–72.

244–249 n. Chr.

Barata, Dalisandos, Ilistra, Laranda

Je nach Stadt verschiedene Motive und Umschriften

ΚΟΙΝΟΝ ΛΥΚΑΟΝΙΑΣ; prägende Stadt

Ebd.

Das lykische Koinon prägte schon in der Zeit der rhodischen Hegemonie Münzen.478 Noch vor der Provinzialisierung zeigte sich der römische Einfluss auf Lykien durch Emissionen, die in das erste Jahrhundert v. Chr. datiert werden müssen und in der bildlichen Darstellung bereits Bezug nahmen auf Augustus. Mit der Provinzeinrichtung unter Claudius 43 n. Chr. gab es erneut eine Prägung des Koinon, der lykische Bund verlor aber das Münzrecht noch unter Claudius. Nur kurzfristig wurde dem Koinon unter Gordian III. das Recht auf eine eigene Prägung wieder eingeräumt.479 Darüber hinaus liegen nur kaiserliche Provinzialprägungen von Domitian, Nerva und Trajan vor.480

476 Die Landschaft Lykaonien gehörte zum galatischen Königreich und ging bei der Provinzwerdung 25 v. Chr. in die Provinz Galatia ein. Wahrscheinlich unter Claudius fielen Teile Lykaoniens an Kommagene. Antoninus Pius schlug den südlichen Teil Lykaoniens der Dreierprovinz Kilikien, Isaurien und Lykaonien zu. Der nördliche Teil verblieb bis zum Ende des 3. Jahrhunderts bei Galatien. 477 Zur Münzprägung des lykaonischen Landtages vgl. Aulock, H., Münzen und Städte Lykaoniens (Istanbuler Mitteilungen Beiheft 16), Tübingen 1976, S. 25–32. Aulock kann zumindest die erste Serie mit dem Partherfeldzug des Lucius Verus in Zusammenhang bringen. Er geht sogar so weit, dieses landschaftliche Koinon auf „einen Verein [zu] reduzieren, der ausschließlich für die Emission von Münzen gegründet wurde und nur vorübergehend in Tätigkeit trat. Andernfalls hätten sich doch auch auf anderen Gebieten irgendwelche Spuren oder Hinweise auf sonstige Funktionen finden lassen müssen.“ (Ebd., S. 27). 478 Vgl. Troxell, Coinage; Zimmermann, M., Bemerkungen zur rhodischen Vorherrschaft in Lykien (189/88–167 v. Chr.), Klio 75 (1993), S. 110–130; Behrwald, Der lykische Bund, S. 99– 105; Kolb, Lykiens Weg in die Provinzordnung, S. 208. 479 Vgl. Aulock, H., Die Münzprägung Gordians III. und der Tranquillina in Lykien, Wasmuth 1974. 480 Domitian: RPC II 1501–1505; Nerva: SNG Aulock 4206; Trajan: SNG Aulock 4267 f.; Vgl. Kolb, Lykiens Weg in die römische Provinzordnung, S. 215; Behrwald, Der lykische Bund, S. 145 f.

284

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage Zeit

Prägeort

48-Anfang 1. Jh. n. Chr.

Avers

Revers

?

Silber- und Bronzemünzen des vorprovinzialen Koinon mit ΛΥ/ ΛΥΚΙΩΝ, z. T. Kopf des Augustus oder augusteische Anklänge (Apoll)

Meist Kithara, Köcher, Apoll oder Artemis und Initialen der Münzorte/Münzmagistrate

RPC I 3301–3333.

?

ΤΙΒΕΡΙΟΣ ΚΛΑΥΔΙΟΣ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣΤΟΣ, z. T. ΛΥ; Kopf Claudius

(ΠΑΤΕΡ ΠΑΤΡΙΟΣ) ΓΕΡΜΑΝΙΚΟΣ ΑΥΤΟΚΡΑΤΩΡ; Apoll Patroös, Artemis, (Eleuthera)

RPC I 3334–3352; Troxell, Coinage.

ab 27 v. Chr.

Claudius (Silber und Bronze)

Literatur

Der Provinziallandtag von Armenia minor prägte nur unter Trajan. Zeit

Prägeort

114/115 n. Chr.

Nikopolis

Avers Trajan mit Lorbeer

Revers ΚΟΙΝΟΝ ΑΡΜΕΝΙΑΣ; Gefangene mit Mauerkrone neben Tropaion

Literatur Rec.gén. 8; SNG Aulock 145–146.

Daneben finden wir Münzprägungen des Landtags von Zypern von Claudius bis Caracalla. Zeit

Prägeort

Avers

Revers

Literatur

Claudius

?

TI CLAUDIUS CAESAR AUG P M TR P IMP; bekränzter Kopf

ΚΟΙΝΟΝ ΚΥΠΡΙΩΝ in RPC I 3927–31. Lorbeerkranz

Galba

?

ΓΑΛΒΑΣ ΣΕΒΑΣΤΟΣ; bekränzter Kopf

ΚΟΙΝΟΝ ΚΥΠΡΙΩΝ ΕΤΟΥΣ Β; Tempel der paphianischen Aphrodite/Zeus Salaminios

RPC I 3934–35.

Vespasian und ? Titus

Kopf Vespasian/Titus mit Umschrift

ΚΟΙΝΟΝ ΚΥΠΡΙΩΝ; Tempel der paphianischen Aphrodite/ Zeus Salaminios

RPC II 1818–26.

Trajan

?

Kopf Trajan mit Umschrift

ΚΟΙΝΟΝ ΚΥΠΡΙΩΝ; Tempel der paphianischen Aphrodite/ Zeus Salaminios

BMC Cyprus, S. 82 f. Nr. 36–41.

Septimius Severus

?

Kopf Septimius Severus

ΚΟΙΝΟΝ ΚΥΠΡΙΩΝ; Tempel der paphianischen Aphrodite

BMC Cyprus, S. 85.

Iulia Domna

Kopf Iulia Domna

Caracalla

Kopf Caracalla jeweils mit Umschrift

BMC Cyprus, S. 86. BMC Cyprus, S. 87.

285

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

Das kretische Koinon prägte eigene Münzen bereits vom ersten Jahrhundert v. Chr. bis Antoninus Pius. Zeit

Prägeort

Avers

Revers

Literatur

1. Jh. v. Chr.

Gortyn (Silbermünzen)

Cista mystica mit Schlange im Efeukranz

ΚΥΔΑΣ ΚΡΗΤΑΡΧΑΣ, Zeus mit Blitzstrahl und Adler, zwischen zwei Schlangen, daneben ΚΡΗΤΑΙΕΩΝ

RPC I 926; vgl. Paluchowski, Koinon crétois.

Claudius

Gortyn (?)

ΤΙ ΚΛΑΥΔΙΟΣ ΚΑΙΣΑΡ ΓΕΡΜΑΝΙΚΟΣ ΣΕΒΑΣΤΟΣ Kopf Claudius

ΘΕΟΣ ΣΕΒΑΣΤΟΣ; Divus Augustus sitzend mit acrostolium und Zepter;

RPC I 1029– 1036.

ΘΕΑ ΣΕΒΑΣΤΑ; Kopf Livia(?) mit Diadem ΔΡΟΥ ΚΛΑΥ ΓΕΡΜ, darunter ΑΝΤΩΝΙΑ; Antonia mit verhülltem Haupt, Kopf des Nero Drusus ΟΥΑΛΕΡΙΑ ΜΕΣΣΑΛΕΙΝΑ; Porträtbüste der Messalina ΚΛΑΥ ΟΚΤΑΙΑ ΚΛΑΥ ΑΝΤΩΝΙΑ; Doppelbüste Octavia und Antonia; ΑΓΡΙΠΠΙΝΗ ΓΥΝ ΤΙ ΚΛΑΥΔΙΟΥ ΚΑΙΣΑ; Büste Agrippina

Nero

Gortyn (?)

ΝΕΡΩΝ ΚΛΑΥ […]; Kopf Nero

ΤΙ […] ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣ; Kopf Divus Claudius;

] ΓΕΡΜΑΝΙΚΟΣ; Kopf Nero

] ΔΙΟ […] ΚΑΙ ΑΓΡΙΠΠΙΝΗ ΣΕΒ(ΑΣ) ΓΕΡ; verhüllter Kopf Agrippina/Kopf Divus Claudius

ΝΕΡΩΝ ΚΑΙΣΑΡ; Kopf Nero

ΖΕΥ[; Kopf Zeus

RPC I 1037– 1039.

286

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage Zeit

Vespasian

Prägeort ?

Avers

Revers

ΑΥΤΟΚΡΑΤΟΡ ΟΥΕΣΠΑΣΙΑ­ ΝΟΣ ΣΕ;

ΕΠΙ ΑΝΘΥΠΑΤΟΥ ΣΙΛΩΝΩΣ; Divus Augustus, sitzender Zeus, Kopf Zeus, Artemis

Vespasian, cos VIII

sitzender / stehender Zeus, Artemis

Titus, cos VI

Titus

Domitian, cos V

Domitian, Zeus sitzend

Literatur RPC II 1–24.

Vespasian Titus Vespasian Titus

?

ΑΥΤΟ ΤΙΤΟ ΚΑΙΣΑΡΙ; Kopf Titus

ΙΟΥΛΙΑ ΣΕΒΑΣΤΗ; Büste Iulia

RPC II 25–26.

Domitian

?

ΔΟΜΙΤΙΑΝΟΣ ΑΥΓΟΥΣΤΟΣ / ΣΕΒΑΣΤΟΣ; Kopf Domitian

ΕΥΘΗΝΙΑ ΣΕΒΑΣΤΗ / ΔΙΟΣ ΙΔΑΙΟΥ / ΔΙΟΣ ΑΓΟΡΑΙΟΥ / ΔΙΚΤΥΝΝΑ ΣΕΒΑΣΤΗ mit diversen Symbolen (Adler, Altar, gekreuzte Kornukopien, Germania, Athena, Zeus, Asclepius, Demeter, Raben)

RPC II 27–45.

Trajan

?

Kopf des Kaisers und Umschrift

KOINON KPHTΩN / KK; thronender Zeus mit Adler und Zepter

BMC Crete, S. 24, 30.

ΑΥ ΑΝΤΩΝΕΙΝΟΣ; Kopf Antoninus Pius

K K und diverse Abbildungen (Tyche, nackter bewaffneter Krieger, Adler, Hahn, Altar mit Schlange und Raben, geschmückter Altar, Thymiaterium, Athena mit Schild und Speer, Artemis mit Pfeil und Bogen und Hund, Demeter mit Kornähren an Altar mit Kornukopien)

RPC online 4691–2, 4694– 4697, 5266–70, 4689–90, 10973.

Antoninus Pius

287

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

Das syrische Koinon emittierte lediglich in trajanischer Zeit Münzen. Zeit Trajan

Prägeort

Avers

Antiocheia ad Kopf Trajan mit Orontem Umschrift

Revers ΚΟΙΝΟΝ ΣΥΡΙΑΣ; Tyche

Literatur BMC Galat., S. 43; SNG XII, 2, Nr. 2586–88.

Das phönikische Koinon hinterließ Münzen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert. Zeit

Prägeort

Spätes Tyros ? 2. Jh. n. Chr., 217–218 n. Chr. 253–260 n. Chr.

Avers

Revers

Literatur

ΤΥΡΟΥ ΚΟΙΝΟΥ ΦΟΙΝΙΚΗΣ ΜΗΤΡΟ­ COENV PHOENICES ΠΟΛΕΩΣ; CAENV PHOENICES Kopf Melqarth

BMC Phoen., S. 268. JIAN 1904, S. 100, 2509. JIAN 1904, S. 71, 2335.

Der Provinziallandtag von Makedonien gab eigene Kupfermünzen von Claudius bis Philippus Arabs heraus.481 Zeit

Prägeort

Avers

Revers

Literatur

Claudius

Beroia ΤΙΒΕΡΙΟΣ (nach Liampi, ΚΛΑΥΔΙΟΣ S. 900) ΚΑΙΣΑΡ ΓΕΡΜΑΝΙΚΟΣ; Kopf Claudius

ΣΕΒΑΣΤΟΣ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; geflügelter Blitz oder makedon. Schild

RPC I 1610–12; Liampi, S. 892 f., Kat.Nr. 2.

Nero

Beroia ΝΕΡΩΝ ΚΑΙΣΑΡ; (nach Liampi, Kopf Nero S. 900)

ΣΕΒΑΣΤΟΣ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; madekon. Schild oder Mars stehend mit Kranz, Speer, Schild

RPC I 1613–14; Liampi, S. 892 f., Kat.Nr. 3.

Vitellius

Beroia ΑΥ(ΛΟΣ) (nach Liampi, ΟΥΙΤΕΛΛΙΟΣ S. 900) ΓΕΡΜΑΝΙΚΟΣ ΑΥΤΟΚΡΑ(TΩΡ) ΚΑΙΣΑΡ; Kopf Vitellius

ΣΕΒΑΣΤΟΣ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; madekon. Schild oder Mars stehend mit Kranz, Speer, Schild

RPC I 1615–18; Liampi, S. 892 f., Kat.Nr. 4.

481 Dagegen Gaebler, H., Münzkunde Makedoniens. IV. Makedonien in der Kaiserzeit, ZfN 24 (1904), S. 245–338, hier S. 256 f. Gaebler sieht nur in den Münzen mit der Aufschrift ΚΟΙΝΟΥ (Genitiv) tatsächlich vom Landtag geprägte Münzen. Die vorhandenen Münzen sind aber mit ΚΟΙΝΟΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ versehen, was er als Prägung der Provinz (Prägeherr) deutet, die aus Anlass des Zusammentretens des Landtags veranlasst wurde. Dies ist ein Analogieschluss aus Prägungen der Art ΚΟΙΝΟΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ Β ΝΕΩΚΟΡΩΝ ΒΕΡΟΙΑΙΩΝ, die Gaebler als „zum makedonischen Landtag (geprägte Münze) der Beroiaier“ (S. 257) deutet. Einschränkungen bei Regling, K., RE XI, 1 (1922), Sp. 1054 f., s. v. κοινόν als Münzaufschrift, der eine Unterscheidung zwischen Koinon und Provinz ablehnt, „da der Landtag ja eben der einzige Träger der aus der provinzialen Selbstverwaltung resultierenden Rechte war.“ Den neuesten Stand der Forschung zum makedonischen Koinon gibt Liampi wieder: dies., Münzprägung, S. 891–904 (in der Tabelle aus Platzgründen abgekürzt als Liampi).

288

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage Zeit

Prägeort

Avers

Revers

Literatur

Ohne Kaiserporträt

Beroia ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; (nach Liampi, (Nike mit Kranz S. 900) und Palmzweig auf Globus

ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; makedon. Schild

RPC I 1619–25; Liampi, S. 893 f., Kat. Nr.1. Datierung umstritten; Liampi: Claudius.

Vespasian

Beroia ΑΥΤΟΚΡΑ(ΤΩΡ) (nach Liampi, ΚΑΙΣΑΡ; S. 900) Kopf und Name Vespasians

(ΣΕΒΑΣΤΟΣ) ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; Ares mit Speer und Schild / makedon. Schild

RPC II 331– 334; Liampi, S. 892 f., Kat. Nr. 5.

Domitian

Beroia ΑΥΤΟΚΡΑΤΩΡ / (nach Liampi, ΚΑΙΣΑΡ; S. 900) Kopf und Name Domitian

ΚΟΙΝΟΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; Ares mit Speer und Schild / makedon. Schild

RPC II 335–6; Liampi, S. 894 f., Kat.Nr. 6.

Hadrian

Beroia ΚΑΙΣΑΡ; (nach Liampi, Kopf Hadrian S. 900)

ΚΟΙΝΟΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; geflügelter Blitz

BMC Macedonia, S. 28, Nr. 151–153; Liampi, S. 894 f., Kat.Nr. 7.

Antoninus Pius

Beroia ΚΑΙΣΑΡ (nach Liampi, ΑΝΤΩΝΕΙΝΟΣ; S. 900) Kopf Antoninus Pius

ΚΟΙΝΟΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; makedon. Schild, Ares, geflügelter Blitz, erstmals personifizierte Makedonia

RPC online 4261 f., 4264 f., 4267–73, 5017, 9612, 10232; Liampi, S. 894 f., Kat.Nr. 8.

Marc Aurel bis Commodus

Beroia ΚΑΙΣΑΡ (nach Liampi, ΑΥΤΟΚΡΑΤΩΡ S. 900)

ΚΟΙΝΟΝ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ; Ares, geflügelter Blitz, makedon. Schild

RPC online 4275–84, 4286, 4289–4294, 9613, 10940; Liampi, S. 894 f., Kat.Nr. 9–12. RPC online 4296.

Faustina Septimius Severus bis Macrinus und Diadumenianus (mit Iulia Domna)

ΣΕΒΑΣΤΗ Beroia ΚΑΙΣΑΡ (nach Liampi, ΑΥΤΟΚΡΑΤΩΡ; S. 900) Kaiserbild Diadumenianus, sonst ΑΥΤΟΚΡΑΤΩΡ oder ΑΥΓΟΥΣΤΑ (Iulia Domna)

Gorgoneion Zeus, personifizierte Makedonia, makedon. Schild, Adventus-Typ, ΝΕΩΚΟΡΩΝ (unter Macrinus) u. a.

Deininger, S. 170, Gaebler, ZfN 24 (1904); Liampi, S. 895 f., Kat.Nr. 13–16.

289

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage Zeit Elagabal bis Philippus Arabs 246 n.Chr. (mit Iulia Mameia)

Prägeort

Avers

Beroia

Revers

ΚΑΙΣΑΡ ΑΥΤΟΚΡΑΤΩΡ oder ΑΥΓΟΥΣΤΑ / ΣΕΒΑΣΤΗ (Iulia Mameia); kaiserliches Bildnis oder Alexander der Große

Literatur

Alexander d.Gr., Liampi, Tisch mit PreiskroS. 896 f., Kat. nen (Spiele), Athena, Nr. 17–34.482 Reiter, Adventus-Typ, Kaiser mit Nike, Nike mit Makedonia und Kabeiros, Kaisertempel, Götter mit Tempel in Beroia, mythische Motive (Herakles)

Das thrakische Koinon emittierte Münzen unter Caracalla.482 Zeit Caracalla

Prägeort Philippopolis

Avers

Revers

Literatur

AVT K M AVP CEVH ΑΝΤΩΝΕΙΝΟΣ; gekrönte Büste Caracalla

KOINON ΘΡΑΚΩΝ ΑΛΕΖΑΝΔΡΙΑ ΠΥΘΙΑ ΕΝ ΦΙΛΙΠΠΟΠΟΛΙ; Siegeskranz der Pythia mit fünf Äpfeln auf Tisch

Private Sammlung Gavrilov, Sofia; vgl. Peter, U., Religious-cultural identity in Thrace and Moesia Inferior, in: Howgego, C. J. et al. (Hgg.), Coinage and identity, S. 107–114, hier S. 109 und Pl. 8.1.12 Koinonspiele.

Wie bereits oben erwähnt gaben die Provinzen Dacia und Moesia superior als einzige westliche Concilia Münzen heraus. Zeit

Prägeort

Avers

Revers

Literatur

Philipp I. Sarmizegetusa bis Gallien (244–268 n. Chr.)

Kaiser oder Familienmitglied mit entsprechender Legende

PROVINCIA DACIA; Koš, Provincia. eigene Datierung, personifizierte Provinz zwischen zwei Tieren (Stier, Löwe, Adler)

Gordian III Viminacum bis Valerian (238–260 n. Chr.)

Kaiser oder Familienmitglied mit entsprechender Legende

P(rovincia) M(oesia) Koš, Provincia. S(uperior) COL(onia) VIM(inacium); eigene Datierung, personifizierte Provinz zwischen zwei Tieren (Stier, Löwe, Adler)

482 Diese Veränderung in der Münzprägung mit der deutlichen Herausstellung Alexanders lässt sich auch in der Benennung der Kaiserspiele nachzeichnen. Vgl. dazu Herz, Makedonisches Koinon.

290

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

Erwähnenswert sind abschließend sicher auch einige weitere Prägungen sogenannter landschaftlicher Koina, wie die des achäischen, des phrygischen, des thessalischen Koinon oder der Landschaft Cennatae und Lalasseis in Kilikien. Achaea?483 Zeit Nero

Prägeort

Avers

Nicopolis ΝΕΡΩΝΙ ΑΠΟΛΛΩΝΙ ΚΤΙΣΤΗ; Nero als Apoll

Revers

Literatur

ΝΕΡΩΝΟΣ (ΝΙΚΗ), RPC I Nike 1371–77483. ΝΕΡΩΝΙ (ΔΗΜΟΣΙΩ) ΠΑΤΡΟΝΙ ΕΛΛΑΔΟΣ; Eleutheria

Phrygia Zeit Vespasian

Prägeort

Avers

Apameia ΑΥΤΟΚΡΑΤΩΡ ΚΑΙΣΑΡ ΣΕΒΑΣΤΟΣ ΟΥΕΣΠΑ­ ΣΙΑΝΟΣ; Kopf Vespasian

Revers

Literatur

ΕΠΙ ΠΛΑΝΚΙΟΥ ΟΥΑΡΟΥ ΚΟΙΝΟΝ ΦΡΥΓΙΑΣ ΑΠΑΜΕΙΣ; Kornähren

RPC II 1389.

Revers

Literatur

Thessalia Zeit

Prägeort

138–180 n. Chr. ?

Avers

Verhüllter Kopf der Athena mit Helm, Faustina II/Büste Marc Speer und Schild Aurel mit Brustpanzer und Paludamentum

RPC online 4563–70.

Cennatae & Lalasseis (in Kilikien) Zeit Domitian

Prägeort Olba

Avers ΔΟΜΙΤΙΑΝΟΥ ΚΑΙΣΑΡΟΣ; Kopf Domitian

Revers ΚΟΙΝΟΝ ΛΑΛΑΣΣΕΩΝ ΚΑΙ ΚΕΝΝΑΤΩΝ

Literatur RPC ΙΙ 1721.

Betrachtet man die Emissionen chronologisch, ergibt sich folgender Befund: Bereits in der julisch-claudischen Zeit emittierten die Provinzialversammlungen von Asia, Makedonien, Galatien, Zypern, Kreta und Lykien mit großer Sicherheit eigene Koinon­Prägungen. In flavischer Zeit erlischt die asianische Emission. Die Koina von Makedonien, Galatien, Zypern, Kreta und Lykien prägen allerdings weiterhin kontinuierlich. Es treten gesichert Bithynien und möglicherweise Kilikien hinzu. In der Epoche der Adoptivkaiser setzten sich die Emissionen in Makedonien, 483 Für die Diskussion um diese Münzen vgl. RPC I 1, S. 272 f., dass diese Münzen evtl. „federal Achaean issue“ seien; RPC: städtisch aus Nikomedeia.

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

291

Galatien, Zypern, Kreta, Lykien, Bithynien und Kilikien fort. Neu sind Prägungen des pontischen und syrischen Koinon sowie aus Armenia minor. Ab der Zeit der severischen Dynastie und während der Epoche der Soldatenkaiser veränderte sich die Situation deutlich. Lediglich Makedonien, Zypern, Kilikien und Pontos setzten ihre Prägungen fort. Aus Galatien, Kreta, Lykien, Bithynien, Syrien und Armenia minor gibt es keine Überlieferung mehr aus dieser Epoche. Eher umstritten ist, ob Asia seine Prägung wieder aufnimmt. Zum ersten Mal emittierten nun die Provinzen Phönikien, Dakien, Moesia superior und Thrakien. In allen Provinzen endete die Emission der Landtagsmünzen spätestens unter Gallienus, dies deckt sich mit dem Ende der städtischen Münzen in Kleinasien.484 In der numismatischen Forschung liegen verschiedene Erklärungsmodelle für dieses einheitliche Ende vor. Generelle Übereinstimmung besteht dabei zwar darüber, dass die Wirtschafts- und Währungskrise des dritten Jahrhunderts den ökonomischen Hintergrund bildete, darüber hinaus scheiden sich aber die Geister. Ein Erklärungsmodell geht von einer Zentralisierung des Prägerechts in römischer Hand aus, also einem Verbot lokaler Prägung. Die zweite, historisch wie fiskalpolitisch überzeugendere Meinung argumentiert mit der Unrentabilität der städtischen und Koina-Prägungen durch den sich verschlechternden Feingehalt des Antoninians.485 Sucht man nach äußerlich fassbaren Gemeinsamkeiten der Koinon-Prägungen, so stellt man zunächst einmal fest, dass sie sich nicht entscheidend von städtischen Prägungen abheben.486 Die Entwicklungen der Darstellungstypen, der Kaisernamen, der Porträts und auch der Rückseitendarstellung gehen bei den städtischen wie provinzialen Münzen parallel. Man findet typischerweise – allerdings nicht immer – auf der Vorderseite ein Porträt des Kaisers oder der Kaiserin. Dazu wird in der Legende der Name des Herrschers angegeben. Auf der Rückseite wird üblicherweise – auch hier aber nicht immer – in der Legende das Koinon erwähnt und es findet sich eine religiös aufgeladene Abbildung, die auf den kultischen Hintergrund des Landtags hinweist. Oft ist ein Tempel abgebildet, ein Altar, eine Gottheit, ein vergöttlichter Herrscher oder – wie im Fall der frühen Münzen des makedonischen Koinon – ein Symbol der Provinz. Nicht zuletzt aufgrund der Ähnlichkeiten von städtischer und Landtags-Prägung ist die Zuweisung nicht immer völlig klar. So wurden beispielsweise die claudischen Koinon-Prägungen aus Bithynien in der neueren Forschung angezweifelt und eher als städtische Emissionen von Nikomedeia interpretiert.487 Das Problem der exakten Zuordnung ergibt sich, weil auf keiner der Münzen explizit Bezug auf das Koinon genommen wird, sondern man lediglich aus der fehlenden Nennung eines Städtenamens folgert, dass das Koinon Prägeherr war. Dieses Ausschlussverfahren erweist sich oft als wenig zuverlässig. Tendenziell wird in aktuelleren Münzkatalogen eher die städtische Prägung als Lö484 Vgl. Ehling, K., Das Münzwesen, in: Johne, K.-P. (Hg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284), Bd. II, Berlin 2008, S. 843–860, hier S. 843. 485 Vgl. Ziegler, Kaiser, S. 153–156. 486 Vgl. zu den städtischen Prägungen Burnett, Augustan revolution, S. 3. 487 Diskussion vgl. Nicols, Patrons of Provinces in the Early Principate, S. 101–108; RPC I 1, S. 340 und 349 f.

292

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

sung bevorzugt und die Koinon-Prägung nur noch im Fall des expliziten Bezuges zum Landtag angenommen. Innerhalb der Provinzen lassen sich Kontinuitäten bei der Münzprägung ausmachen, was bestimmte bildliche Darstellungen angeht. So finden sich beispielsweise in der Münzprägung des makedonischen Koinon von Claudius bis Antoninus Pius Abbildungen des makedonischen Schildes. Auch die erst jüngst von Burnett beschriebene zunehmende Abbildung von Tempelarchitekturen auf römischen Münzen findet sich auf städtischen wie Landtagsmünzen gleichermaßen.488 Burnetts Beobachtungen, dass damit ein Wandel der kulturellen Identität einhergeht, ist dabei nur zuzustimmen. Die typisch römische Betonung des öffentlichen Raumes in der Münzdarstellung kann folglich als Indiz für einen signifikanten römischen Einfluss auf die kleinasiatische Münzgestaltung gewertet werden, der sich sowohl in den städtischen als auch in den Koina-Prägungen niederschlägt. All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Prägungen der einzelnen Koina einen starken lokalen Einschlag haben und es in der äußeren Gestaltung der Münzen keine Anzeichen dafür gibt, dass hier römische Vorgaben umgesetzt wurden. Als die frühesten Koinon-Münzen können sicherlich die asianischen Münzen aus den zwanziger Jahren des ersten Jahrhunderts n. Chr. gelten.489 Sie wurden zu Ehren der verstorbenen Kaisersöhne Drusus und Germanicus geprägt, die auf der Vorderseite der Münze abgebildet und als neoi theoi philadelphoi tituliert werden. Die Rückseite nennt den asianischen Landtag im Genitiv490 und den Archiereus Alexandros Kleonos aus Sardes als verantwortlichen Oberpriester. Unter dem Statthalter Asinius Pollio (wohl 28/29 n. Chr.491, möglicherweise aber auch erst 37/38 n. Chr.) gab es eine Neuprägung dieser Münzen. In einer überzeugenden Argumentation hat Levy 1994 nachgewiesen, dass sie zunächst als postume Gedenkmünzen für Germanicus und Drusus geprägt wurden. Zwar wurden beide TiberiusSöhne auch zu Lebzeiten mehrfach auf Münzen, mit Ehrenstatuen oder in Inschriften reichsweit geehrt492, die besondere Größe und Qualität der asianischen Münze und der Titel theoi philadelphoi lassen aber wenig Zweifel daran, dass diese Münzemission über das übliche Maß an Ehrungen hinausreichte.493 Der Prägeanlass mag darüber hinaus auch mit der Dekretierung des zweiten Neokorietempels für Asia im Jahr 26 in Verbindung stehen oder mit großzügigen Hilfen des Kaisers nach den Erdbeben 17 und 23 n. Chr.494 Die übrigen Provinzen prägten mit Sicherheit nach488 Vgl. Burnett, Augustan revolution, S. 24 f. 489 Vgl. zur Datierung Levy, Date. 490 Hin und wieder wird die Bezeichnung ΚΟΙΝΟΥ ΑΣΙΑΣ auch als Referenz auf die Provinzialspiele von Smyrna gedeutet. Dagegen spricht allerdings der Genitiv, da die Spiele in der Regel als KOINA ASIAS bezeichnet werden. Zur Diskussion vgl. auch RPC I 1, S. 487 f. 491 Vgl. Levy, Date. 492 Vgl. beispielsweise die Ehrungen der beiden Tiberius-Söhne in Leptis Magna (Trillmich, W., Der Germanicus-Bogen in Rom und das Monument für Germanicus und Drusus in Leptis Magna. Archäologisches zur Tabula Siarensis (I 9–21), in: Gonzáles, J., Arce, J. (Hgg.), Estudios sobre la Tabula Siarensis, Sevilla 1985, S. 51–60). 493 Vgl. Levy, Date, S. 83–85. 494 Tac. ann. 2, 47, 3. Für seine Hilfe ehrten die vom Erdbeben getroffenen Städte Tiberius mit einer Kolossalstatue in Rom auf dem Forum Caesaris, die umgeben war von kleinen Darstel-

IV.5 Die Münzprägung der Provinziallandtage

293

weisbar erst unter Claudius. Man muss an dieser Stelle die Frage diskutieren, warum es erst ab 23 n. Chr. eigene Koinon-Prägungen gibt. Zwei Antworten sind hier nach Ansicht der Autorin möglich. Zum einen muss man das rechtliche Argument ins Auge fassen. Die Koinon-Prägungen bedurften einer Autorisierung durch den Kaiser. Der Beginn der Koinon-Prägungen erst unter Tiberius lässt daher darauf schließen, dass eine rechtliche Autorisierung des Provinziallandtags unter Augustus nicht vorlag.495 Dazu würde das Bild passen, das wir aus den Cistophoren-Prägungen und den CA-Prägungen des Augustus zeichnen können (Vgl. unten Kap. IV.5.4.1.). Damit ist bereits die zweite Antwort auf die Frage, warum erst in tiberischer Zeit eigene Koinon­Prägungen zu finden sind, angerissen, nämlich der politische Hintergrund. Unter Augustus scheint es den Versuch gegeben zu haben, die mit den Landtagen in Verbindung stehenden Prägungen zu steuern und als Herrschafts- und möglicherweise auch Wirtschaftsinstrument des Reiches zu verstehen.496 In dieses Bild passen die augusteischen Prägungen der westlichen Concilia. In Gallien gab die von Augustus eingerichtete Reichs-Münzstätte in Lugdunum Prägungen in Gold und Silber heraus, die den Altar des gallischen Landtags für Roma und Augustus zeigen. Es gab in der numismatischen Forschung zeitweilig die Annahme, dass unter Augustus auch die westlichen Concilia eigene Prägungen emittierten, heute werden diese Serien allerdings als Reichsprägungen angesehen.497 Mit Tiberius scheinen die Landtage größere Freiheiten gewonnen zu haben und selbst als Prägeherren aufgetreten zu sein. Diese Entwicklungen müssen sicherlich im größeren Rahmen der augusteischen Münzpolitik diskutiert werden. IV.5.4 Römische Münzen mit Koinon-Bezug IV.5.4.1 Die Cistophoren-Prägungen Eine Besonderheit stellen die Cistophoren-Prägungen mit der Aufschrift COM ASIAE/COM BIT dar, die in Asia von Kaiser Augustus bis Trajan und in Bithynien unter Hadrian herausgegeben wurden. Die Cistophoren waren eine neben der Reichswährung stehende Silber-Sonderwährung, die vom Kaiser als Münzherrn emittiert wurde. Sie stand in der Tradition der attalidischen Herrscher, die die cistolungen der jeweiligen Stadtgöttinnen. Phlegon. mirab. fr. 13 (FGrH 257 F 36, 13); RIC2 Tib. 48 aus 22/23 n. Chr. mit dem Bildnis des Tiberius und der Umschrift CIVITATIBUS ASIAE RESTITUTIS. 495 Vgl. Marek, Geschichte Kleinasiens, S. 525. 496 Diese römischen Eingriffe in die provinziale Münzprägung mit dem Ziel einer Standardisierung beschreibt auch Burnett, Augustan revolution, S. 8–10. Burnett sieht darin ein Experiment, das aber aus nicht bekannten Gründen wieder eingestellt wurde. 497 Allerdings hatte Wruck in seiner Analyse der Römischen Provinzialprägungen noch gesagt: „Münzbild, Stil und Fundort der Münzen sprechen eindeutig dafür, daß diese Münzen nur vom gallischen Provinzialverband ausgehen können. Da aber die Aufschrift des Landtages, wie wir es aus anderen Provinzen kennen, fehlt, handelt es sich nicht um eine einmalige Gelegenheitsprägung […], sondern wir haben es hier mit einer Provinzialmünze zu tun.“ (Wruck, Provinzialprägungen, S. 257).

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

phoroi498 als reichseinheitliche Münze geschaffen hatten und ihr Bildprogramm für die eigene Herrscherpropaganda nutzten. In republikanischer Zeit hatten bereits die römischen Statthalter, unter ihnen Cicero, diese Münze übernommen und so für die römische Provinzialprägung umgewidmet.499 Die im Osten agierenden Feldherren der Bürgerkriege, insbesondere Marcus Antonius, verwandelten dann diese Silberwährung – im Wert drei Denaren entsprechend – mehr und mehr in eine römische Münze und nutzten sie vor allem zur ausreichenden Versorgung ihrer Truppen mit Geld.500 Die Münzen aus Asia zeigen wohl den pergamenischen Tempel für Roma und Augustus mit der Aufschrift ROM ET AUGUST bzw. ROM ET AUG, und links und rechts neben der Tempeldarstellung finden sich die Abkürzungen COM ASIAE bzw. COM ASI.501 Vor allem die Cistophoren mit der Aufschrift COM ASIAE, die unter Augustus geprägt wurden, bedürfen einer besonderen Betrachtung. Die Serie der augusteischen Cistophoren aus Ephesos und Pergamon umfasst die Zeitspanne zwischen 28 und 18 v. Chr., fällt also in jene Phase, in der die Begründung der Prinzipatsherrschaft anzusiedeln ist und die Provinz Asia einen provinzialen Kaiserkulttempel in Pergamon erhielt, der mit dem Koinon verknüpft wurde.502 Die komplette Serie der Cistophoren steht dabei unter dem Einfluss augusteischer Herrschaftspropaganda. Auf der Vorderseite findet sich meist eine Abbildung des Augustus mit entsprechender Umschrift. Er wird entweder als Befreier und Friedensbringer gefeiert oder es werden seine Imperatorentitel und die Anzahl der tribunizischen Amtsgewalten aufgezählt. Auf vielen Münzen steht als Bezeichnung lediglich IMP CAES AUGUSTUS. Die Rückseite der Münzen spricht nun die Propagandasprache des Augustus. Dargestellt werden die personifizierte Pax, die Sphinx als Herrschaftssymbol dieser Jahre mit Anklängen an Alexander den Großen und Ägypten, Ährengebinde, wie wir sie aus dem Kontext der Arvalbrüder, also jener Bruderschaft, die von Augustus für den Kult seiner Person und seiner Familie umstrukturiert wurde, kennen503 oder ein Capricornus, als Sternzeichen des Augustus, das auch bei seiner Vergöttlichung eine Rolle spielte504. Weitere Cistophoren dieser 498 Der Name Cistophoroi erklärt sich aus dem Bildmotiv des Kastens (cista) des Gottes Dionysos, aus dem sich eine Schlange windet. Die Münzen mit diesem Bild werden cista-Träger (cistophoroi) genannt. 499 Vgl. Kinns, P., Asia Minor, in: Burnett, A. M., Crawford, M. H. (Hgg.), The coinage of the Roman world in the late republic. Proceedings of a colloquium held at the British Museum in September 1985 (BAR Int. Series 326), Oxford 1987, S. 105–119. 500 Vgl. RPC I 1, S. 376 f.; Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 73–77. 501 RPC I 1, S. 377–379; vgl. Sutherland, C. H. V., The Cistophori of Augustus (Royal Numismatic Society 5), London 1970. 502 Vgl. Kienast, D., Augustus. Prinzeps und Monarch, 4. bibliographisch aktualisierte und um ein Vorwort ergänzte Auflage, Darmstadt 2009, S. 386 f. 503 Vgl. Edelmann, B., Arvalbrüder und Kaiserkult. Zur Topographie des römischen Kaiserkultes, in: Cancik, H., Hitzl, K. (Hgg.), Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen, Tübingen 2003, S. 189–205. 504 Vgl. Edelmann-Singer, B., Wie kommt der Kaiser zu den Göttern? Was die Kaiserapotheose über religiöse Grundeinstellungen antiker Kulturen offenbart, in: Barceló, P. (Hg.), Religiöser Fundamentalismus in der römischen Kaiserzeit (Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge 29), Stuttgart 2010, S. 81–98, hier S. 86 mit Anm. 19.

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Dekade zeigen in Anspielung auf die Initialisierung des Prinzeps in die eleusinischen Mysterien den ephesischen Altar der Artemis mit dem darüber stehenden Wort AUGUSTUS, den anlässlich der Rückgewinnung der Feldzeichen von den Parthern errichteten Triumphbogen mit einer Quadriga und der Aufschrift IMP IX TR PO IV/V sowie S P R SIGNIS RECEPTIS in der Öffnung des Bogens und den auf dem Kapitol errichteten Rundtempel des Mars Ultor mit den von den Parthern zurückgewonnenen Feldzeichen.505 Der Themenkreis, der auf diesen Münzen angeschnitten wurde, kann unter die Überschriften „Herrscherkult“ und „Überhöhung augusteischer Taten“ gestellt werden. Die zentralen Themen der Jahre nach Actium wurden in verschiedenen Spielarten variiert. Viele Anklänge finden sich an die Res Gestae und es wäre eine lohnenswerte Aufgabe, diesen Bezug deutlicher herauszuarbeiten. Die Klaviatur der Propagandathemen, auf der Augustus spielte, blieb in seiner langen Regierungszeit relativ begrenzt; die Themen waren schon früh gesetzt. Wie geht man nun in der Perspektive der vorliegenden Untersuchung mit dem latinisierten Erscheinen des asianischen Koinon als commune Asiae gemeinsam mit der Abbildung des ersten Tempels für Roma und Augustus um?506 Zunächst einmal ist die Einbettung der COM ASIAE-Münzen in die Cistophoren-Serie sicher als Hinweis darauf zu werten, dass es sich bei dem commune Asiae nicht um die rechtliche Autorität handelte, die hinter der Prägung stand.507 Diese Rolle hatte der Kaiser bzw. in seiner Stellvertretung der Statthalter inne. Die gesamte Emission muss also ganz stark in den Kontext der geplanten Gestaltung der kleinasiatischen Provinzen innerhalb des augusteischen Herrschaftsgebildes eingeordnet werden. Welche Wichtigkeit Augustus der Münzerschließung Asiens zumaß, zeigt die Herkunft des Silbers, das für diese Prägung verwendet wurde. Da es Silbervorkommen von solchen Ausmaßen in Asia nicht gab, muss man aufgrund des Beginns der Prägeserie im Jahr 29 v. Chr. die Quelle im Silber des ägyptischen Staatsschatzes annehmen. Auch der Umfang der Cistophoren-Serie weist in diese Richtung. Die 505 Gegen die Existenz dieses Tempels argumentiert Simpson, C. J., The date of dedication of the temple of Mars Ultor, JRS 67 (1977), S. 91–94. Die Cistophoren und Cass. Dio 54, 8, 3 sprechen allerdings eine so deutliche Sprache, dass an der Errichtung dieses kleinen Rundtempels auf dem Kapitol zur Zwischenaufbewahrung der parthischen Feldzeichen – bis zur Fertigstellung des Mars Ultor Tempels auf dem Augustusforum 2 v. Chr. – kaum gezweifelt werden kann. Auch die Ausführungen von Ganzert zu Apsis und Cella des Mars Ultor Tempels auf dem Augustusforum machen deutlich, dass die auf den Cistophoren abgebildeten Feldzeichen wohl in diesem später errichteten Bauwerk ihren endgültigen Sitz gefunden haben. (Vgl. Ganzert, J., Der Mars-Ultor-Tempel auf dem Augustusforum in Rom, 2 Bde., Mainz 1996 und ders., Im Allerheiligsten des Augustusforums. Fokus „Oikoumenischer Akkulturation“, Mainz 2000). Zu den Reflexen des Partherfeldzuges in der griechischen Welt vgl. Schäfer, T., Spolia et signa: Baupolitik und Reichskultur nach dem Parthererfolg des Augustus (NAWG 1998/2), Göttingen 1998. 506 Die Darstellung von Tempeln auf der Rückseite von Münzen beginnt erst mit Augustus und wird zum Standard unter der julisch-claudischen Dynastie. Vgl. Burnett, Augustan revolution, S. 24. 507 Sowohl Deininger, Provinziallandtage, S. 52 f. als auch Marek, Geschichte Kleinasiens, S. 524 f. äußern sich vorsichtig hinsichtlich des Prägeherrn. Beide schließen nicht explizit aus, dass die Koina als rechtlich verantwortliche Institutionen in Frage kommen.

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numismatischen Untersuchungen haben ergeben, dass allein mit den bekannten Stempeln eine Metallmenge von bis zu 40 Tonnen verprägt wurde.508 Man kann sicherlich ein großes wirtschaftliches Programm hinter dieser Silberprägung vermuten, das in erster Linie der im Bürgerkrieg schwer gebeutelten Provinz Asia zugute kommen sollte. Kienast vermutet, ein erhöhtes Preisniveau im Osten habe die Prägungen veranlasst. Möglicherweise waren die Münzen aber auch in Vorbereitung der militärischen Auseinandersetzungen mit den Parthern geprägt worden. Die Typenwahl sprach in erster Linie eine römische Klientel an, also neben römischen Soldaten, Beamten und Funktionären509 die relativ große Menge der römischen Bürger, die sich mittlerweile aus unterschiedlichen Motiven in Asia angesiedelt hatten.510 Die Bildsprache vermittelte dem antiken Betrachter durch die Tempeldarstellung zunächst einmal einen religiösen Bezug. Eine realistische Darstellung des in Pergamon errichteten Tempels zeigen die Münzen nicht, mal wird er mit sechs Säulen, mal mit lediglich zwei Säulen abgebildet. Geht man von der Richtigkeit der zeitlichen Zusammenhänge aus, die Cassius Dio berichtet, gestattete Augustus 29 v. Chr. den Bau des Tempels.511 Leider kennen wir bis heute weder seinen genauen Standpunkt noch wissen wir Näheres über Bau und Ausstattung, geschweige denn seine Baugeschichte. Sicher ist, es muss sich um eine imposante Architektur gehandelt haben, die die Bedeutung des provinzialen Kaiserkultes eindrucksvoll widerspiegelte. Noch im zweiten Jahrhundert n. Chr. verfasste der pergamenische Gelehrte Telephus ein zweibändiges Werk über diesen ersten Kaiserkulttempel der Provinz Asia.512 Zweifel müssen aber erlaubt sein, ob die Münzabbildung aus dem Jahr 19/18 v. Chr. bereits den fertiggestellten Tempel zeigt. Zunächst einmal muss man für ein so bedeutendes Bauwerk sicherlich mit einer langwierigen Planungs- und Bauphase rechnen. Hinzu kommt die schwierige Frage der Finanzierung. Die Städte von Asia mussten den Tempel mutmaßlich aus eigener Tasche finanzieren und bekanntermaßen war gerade die Provinz Asia in den Bürgerkriegsjahren erheblich belastet worden. Es dürfte daher alles andere als einfach gewesen sein, die Summe für den Bau des Roma-und-Augustus-Tempels bereitzustellen. Von den aus späterer Zeit üblichen Querelen zwischen den einzelnen Städten in Finanzierungsfragen einmal ganz zu schweigen. Selbst wenn ein großer Teil der Summe aus privater Hand finanziert wurde – zu denken wäre hier an Männer wie Gaius Iulius Epikrates, den möglicherweise ersten Archiereus von Asia513, – 508 Vgl. Sutherland, Cistophori; vgl. auch die Zusammenfassung bei Kienast, Augustus, S. 386 f. mit Anm. 30. 509 Kunisz, A., Recherches sur le monnayage et la circulation monétaire sous le règne d’Auguste, Warschau 1976, S. 49 f. sieht die Zielgruppe eher bei den Städten des Ostens, was allerdings aufgrund der Typenwahl wenig wahrscheinlich ist. Vgl. dazu auch Kienast, Augustus, S. 387 mit Anm. 30. 510 Vgl. Lepelley, Rom und das Reich, Bd. 2, S. 355. 511 Cass. Dio 51, 20, 6 f. 512 FGrH 505 T 1 (Suda). Vgl. auch Price, der in dieser Gelehrtenarbeit einen Hinweis auf die Bedeutung des Tempels sieht: „The treatment of the building in the local scholarly tradition allows us to divine something of the importance of the building for the history and architecture of Pergamum.“ (Rituals and power, S. 133). 513 Vgl. Herz, Zur Geschichte des Kaiserkultes.

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oder mit finanzieller Unterstützung des Augustus selbst, erscheint eine Dekade für Finanzierung, Planung und Bau des Tempels extrem kurz, aber nicht unmöglich. Sollte der Tempel tatsächlich in der knappen Zeit fertiggestellt worden sein, spräche dies für ein enormes Engagement der Bauherren, was wiederum die Bedeutung dieses Tempels für die Provinz hervorheben würde. Man könnte sich aber auch vorstellen, dass es sich bei der Abbildung auf den COM ASIAE-Münzen um eine idealisierte Darstellung handelte, die vor allem das religiöse Moment und die Organisation des asianischen Koinon in seiner Funktion als Träger des Kaiserkultes betonen sollte. Daneben darf der integrative Deutungsspielraum nicht vernachlässigt werden. Die Tempeldarstellung als pars pro toto für das gesamte Koinon drückt doch bereits sehr früh nach der Erlaubnis der Kulteinrichtung die Exponiertheit dieser Institution als zentraler topographischer wie religiöser Raum des provinzialen Kaiserkultes aus. Damit wird auch die Wertschätzung des Augustus für die hier versammelten Honoratioren angezeigt. Denn gerade die Gruppe der im Koinon versammelten Elitevertreter der Provinz wurde durch diese Münzen angesprochen. Die Cistophoren mit der Aufschrift COM ASIAE dürfen daher ohne Weiteres als integratives Moment betrachtet werden, das auch der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Gruppe Rechnung trägt. Daneben trug die Münzprägung zur weiteren Vernetzung von politischer und wirtschaftlicher Elite der Provinz mit der römischen Funktionskaste bei. Das Medium in diesem integrativen Prozess stellte der Kult dar, auf den die Münzen durch ihre Darstellung des provinzialen Kaiserkulttempels von Pergamon Bezug nehmen. Die Münze weist aber auch darauf hin, dass der Provinziallandtag von Asia bereits 19 v. Chr. eine bedeutende Rolle im Herrschaftsgefüge der wichtigen Provinz Asia spielte und dass man ihn in der Herrschaftspropaganda nicht vernachlässigen konnte. Die Aussage lautete: Das asianische Koinon wird vom Kaiser als höchste provinziale Instanz angesehen und dies wird gegenüber den römischen Eliten entsprechend propagiert. Es scheint, dass dieses Münzexperiment recht gut in die Phase der augusteischen Herrschaft zwischen der Krise der späten zwanziger Jahre und die Saecularspiele passt. Das Bemühen des Augustus, sein Herrschaftsmodell zu konstruieren, war ja stets geprägt von Versuchen und Experimenten im politischen, kultischen und sozialen Bereich, die nicht selten später modifiziert oder ganz zurückgenommen werden.514 So könnte die Prägung als kurzfristige Maßnahme gesehen werden, als früher Versuch, die attalidische Reichsprägung zu imitieren. Erinnert sei an den von Cassius Dio überlieferten Dialog zwischen Augustus und Maecenas. Maecenas rät dem Kaiser, die städtische Münzprägung in den Provinzen zu verbieten und ein einheitliches römisches System einzuführen.515

514 Erinnert sei hier nur an die Apoll-Angleichung der frühen Jahre, die in den späten Regierungsjahren beinahe gänzlich aufgegeben wird. 515 Cass. Dio 52, 30, 9.

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IV.5.4.2 Die CA-Münzen und die gallischen Altarmünzen Im Kontext einer numismatischen Untersuchung der Provinziallandtage müssen auch die sogenannten CA-Münzen516 betrachtet werden. Hierbei handelt es sich um eine ausgedehnte Serie von Kupfer- und Bronzemünzen, die hauptsächlich in den zwanziger Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. in Asia geprägt wurden und durch ihre rückseitige Aufschrift CA im Lorbeer- oder Siegerkranz charakterisiert sind. Sowohl ihre Herkunft als auch ihre Deutung ist dabei umstritten. Die CA-Serie hatte ein weitreichendes Umlaufgebiet und lässt sich aufgrund ihrer stilistischen Vielfalt schwer klassifizieren. Als sicher darf angenommen werden, dass alle Münzen in jene Phase der augusteischen Münzprägung fallen, in der nach den Bürgerkriegen wieder eine stabile reichsweite Versorgung mit Bronzegeld angestrebt wurde. Eine gewisse Ähnlichkeit mit den ephesischen Cistophoren führte die Autoren des RPC zu dem Schluss, es habe sich um Prägungen aus der Münzstätte von Ephesus gehandelt.517 Howgego allerdings verneint dies und plädiert für eine syrische Prägung.518 Auch die Datierung beruht auf Vergleichen mit den augusteischen Cistophoren. Es besteht noch die größte Übereinstimmung in der Forschung darin, den Zeitraum zwischen 29 und 18 v. Chr. anzusetzen. Die Deutung der Abkürzung CA ist dagegen strittig. Zwei mögliche Varianten zeichnen sich ab: COMMUNE ASIAE und CAESAR AUGUSTUS. Howgego sieht in der von ihm selbst postulierten Annahme, die Münzen wären mehrheitlich in Syrien geprägt worden, ein starkes Argument gegen die Auflösung als COMMUNE ASIAE. Gleichzeitig deutet für ihn das typologische Argument auf das asianische Koinon hin.519 Vielleicht muss man aber beim Verständnis dieser Münzen einen anderen Gedanken zulassen: Wenn es selbst den Numismatik-Experten nicht gelingt, die programmatische Aussage dieser Münzen eindeutig zu lesen, war dies für den antiken Menschen dann vielleicht ebenso? Und man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und sich fragen, ob diese Uneindeutigkeit nicht Intention war. Das Gebiet, in dem die CAMünzen geprägt und in Umlauf gebracht wurden, bietet sich für diesen Gedanken geradezu an. Konnte der römische Soldat oder Magistrat auf dem rückseitigen CA eine Reminiszenz an seinen Dienstherrn CAESAR AUGUSTUS erkennen, so ließ die provinziale Sicht eine Deutung als COMMUNE ASIAE zu. Dass es sich bei den CA-Münzen um Prägungen in der Autorität des Landtags von Asia handelt, darf wohl mit Sicherheit ausgeschlossen werden, sind doch alle übrigen Selbstreferenzen des Koinon in griechischer Sprache, sei es im epigraphischen oder numismatischen Kontext. Diese Münzen waren folglich Reichsmünzen, 516 Vgl. RPC I 1, S. 380 f.; Howgego, C. J., Coinage and military finance: The imperial bronze coinage of the Augustan east, NC 142 (1982), S. 1–20; Wolters, R., Nummi Signati. Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft, München 1999, S. 135–144. Deininger lehnt die Einordnung in den Kontext der Provinziallandtage ab. (Deininger, Provinziallandtage, S. 52 Anm. 5). 517 Vgl. RPC I 1, S. 380. 518 Vgl. Howgego, Coinage and military finance, S. 1–20. 519 Vgl. Howgego, ebd., S. 19; ebenso Burnett, A. M., The authority to coin in the late republic and early empire, NC 137 (1977), S. 37–63. So auch Wolters, Nummi Signati, S. 137.

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die vor allem einen Nutzen für das römische Militär hatten, wie die Überprägungen (countermarks) zeigen.520 Howgego konnte nachweisen, dass die Produktion der Münzen in engem Zusammenhang mit den militärischen Aktivitäten gegen die Parther und Armenier standen.521 Die militärischen Planungen zwischen Actium und 18 v. Chr. umfassten offensichtlich auch eine umfassende Münzemission, um das römische Militär in Asia, dem Ausgangspunkt der Kampagne, mit Geld zu versorgen. Dass in diesem Kontext auch der Provinziallandtag – in jedem Fall auf den Silber-Cistophoren des Augustus, eventuell auf den Bronzeprägungen mit der Aufschrift CA – eine Rolle spielte, führt einmal mehr seine Bedeutung für den militärischen Zusammenhang vor Augen. Der erst 29 v. Chr. geschaffene Kult des Augustus unter Aufsicht des asianischen Koinon darf also sicherlich auch als Versuch gesehen werden, dieses militärisch und ökonomisch so wichtige Organ der Provinz für das Kaiserhaus zu sichern, seine Loyalität zu bündeln und im konkreten Fall nutzbar zu machen.522 Den gelungensten Versuch die CA-Münzen einzuordnen und zu deuten unternimmt nach Ansicht der Autorin Sutherland in seinem bereits 1965 erschienen Artikel zur Symbolik der frühen Aes-Prägungen unter Augustus.523 Sutherlands Argumentation überzeugt dabei vor allem, weil er nicht die einzelnen Münzserien, unterteilt nach den modernen Kategorien „Reichs- oder Provinzialmünze“ oder „Prägeautorität“ untersucht, sondern die Gemeinsamkeiten der augusteischen Bildsprache in ein Gesamtkonstrukt einfügt und so für das Verständnis öffnet. Sutherlands Ausgangspunkt sind die CA- und SC-Münzen der frühen Kaiserzeit. Über die Deutungen der CA-Münzen wurde bereits gesprochen, die SC-Münzen werden in der klassischen Numismatikerdeutung als S(ENATUS) C(ONSULTO)-Münzen verstanden, also Münzen, die auf Beschluss des Senates geprägt wurden. Nach Sutherlands Meinung verstellt hier aber der legalistische Ansatz, der stets nach der administrativen Autorität des Prägeherrn fragt und davon ausgeht, dass sich die prägende Instanz notwendigerweise auf der Münze verewigt, den Blick auf die tatsächlichen Zusammenhänge. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei die Kranzsymbolik beider Serien. Sowohl die Buchstaben CA als auch SC sind eingebettet in eine corona laurea oder eine corona navalis. Der Kranz wird dabei als Symbol der Ehrungen gedeutet, die Augustus als Sieger von Actium und Triumphator erhält. Die Münzen sind demnach eine visuelle Darstellung von Ehrung (corona laurea/ corona navalis), Geehrtem (Augustus) und Quelle der Ehrung (Koinon/Senat). Die 520 Vgl. Ziegler, Kaiser, S. 67–69. 521 Vgl. Howgego, Coinage and military finance, S. 10–13. 522 Ein Beispiel aus der Zeit der Severer macht den Zusammenhang zwischen Münzprägung und militärischer Kampagne deutlich: In den Jahren 204/5 und 206/7 n. Chr. fand im Vorfeld einer militärischen Aktion gegen die Parther eine Ausweitung der Münzproduktion in vielen Städten an der pontischen Küste und in Kilikien statt. Offensichtlich plante Septimius Severus einen dritten Partherkrieg. Die Münzbilder weisen eindeutig kriegerische Thematiken auf und greifen teilweise sogar Bilder aus den Partherkriegen Trajans auf. Nach einer erfolgreichen parthischen Gesandtschaft (P.Dura 60 B.) fand dieser Kriegszug allerdings nicht statt, sondern Septimius Severus richtete sein Augenmerk auf Britannien. (Vgl. Ziegler, Kaiser, S. 75–81). 523 Sutherland, C. H. V., The symbolism of the early Aes coinage under Augustus, RN 7 (1965), S. 94–109.

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SC-Münzen geben also nicht die Tatsache wieder, dass diese Münzen in der Autorität des Senats geprägt wurden, sondern dass die Ehrungen (Lorbeer und Siegerkranz), die abgebildet oder in der Umschrift genannt werden (Augustus-Titel, tribunicia potestas), senatus consulto verliehen wurden.524 Die allgemeine Verständlichkeit, die aus dieser Interpretation für das C(OMMUNE) A(SIAE) abgeleitet werden muss, rückt die Bedeutung dieser Institution einmal mehr ins Licht.525 Der Provinziallandtag von Asia muss innerhalb der Provinz eine politische Größe gewesen sein. Für einen Griechen aus einer der Mitgliedsstädte des Koinon darf seine zentrale Rolle als bekannt vorausgesetzt werden. Aber auch die lateinisch sprechende Bevölkerung muss mit den Buchstaben CA und dem dahinter stehenden Koinon vertraut gewesen sein. Bereits Cassius Dio verknüpfte ja den einheimischen Kult in Pergamon und den Kult für die römische Bevölkerung in Ephesos. Auch im Westen des Reiches können zumindest für die Zeit von Augustus bis Nero Spuren einer ähnlichen Münzpolitik verfolgt werden. Die Reichsmünzstätte von Lugdunum prägte in dieser Zeit Bronzemünzen, die die ara Romae et Augusti, also den kultischen Mittelpunkt des gallischen Landtags im ersten Jahrhundert abbildeten.526 Ähnlich dem Verweis auf das asianische Koinon auf den CA-Münzen muss diese Abbildung wohl als „Zeichen der Autorität [gesehen werden], das Wert und somit Akzeptanz dieser Münzen in ihrem Umlaufgebiet garantieren sollte.“527 Das concilium Galliarum wie das commune Asiae waren also weit mehr als ein Medium der Augustusverehrung528, ihre bildliche Darstellung stand für die ökonomische Sicherheit, die das Reich seinen Untertanen in den Provinzen bot. IV.5.5 Ökonomie und Identität Die Münzen müssen unter zwei Aspekten betrachtet werden: dem ökonomischen und dem der Selbstdarstellung. Die Ökonomie steht dabei sicherlich im Vordergrund, denn jede Produktion von Zahlungsmitteln hat in erster Linie einen ökonomischen Zweck.529 Die Emission von Bronzemünzen durch die Landtage war ein Profitgeschäft.530 Bereits im Kap. IV.2. wurde dargelegt, dass die Finanzsituation der Provinziallandtage keine großen Spielräume zuließ. Hohe Kosten für die Prägungen ohne einen wirtschaftlichen Gewinn können also ausgeschlossen werden. Dieser Punkt kommt in den numismatischen Betrachtungen oft zu kurz.531 Wir 524 Vgl. dazu auch Kraft, K., S(enatus) C(onsulto), JNG 12 (1962), S. 7–49 (= Kleine Schriften III, Darmstadt 1985, S. 143–185). 525 Vgl. dazu auch Sutherland, Symbolism, S. 99. 526 Wruck, Provinzialprägungen; Deininger, Provinziallandtage, S. 100 f.; Fishwick, Coinage. 527 Wolters, Nummi Signati, S. 141. 528 Vgl. Sutherland, Symbolism, S. 104. 529 Dies betont überzeugend Ziegler, Kaiser, S. 70–72. 530 Dies wurde bereits im Kap. IV.5.2.2. dargestellt. 531 Vgl. zum Beispiel Kremydi-Sicilianou, S., ‚Belonging‘ to Rome, ‚remaining‘ Greek: coinage and identity in Roman Macedonia, in: Howgego, C. J. et al. (Hgg.), Coinage and identity in the Roman provinces, Oxford 2005, S. 95–106.

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müssen davon ausgehen, dass die Landtagsversammlungen mit den Münzemissionen auch ökonomisch Profit erzielen wollten und dass dies von römischer Seite auch gewünscht war. Wiederum wird die Rolle deutlich, die die Provinziallandtage im ökonomischen Gesamtkonzept der Provinzen und für das Reich spielten. Sie dienten neben den Städten als finanzielle Ressource, auf die bei Bedarf zurückgegriffen und die für Reichsaufgaben mobilisiert werden konnte. Dies war aber keine ökonomische Einbahnstraße. Auch die Landtage selbst profitierten von diesem System, da sie so ihre Einkommensseite aufbessern konnten. Die Münzprägung der Landtage stellte also eine Situation dar, von der beide Seiten profitierten. Hier schließt sich die Frage an, in welchem Verhältnis städtische und KoinonPrägung standen. Gab es eine Konkurrenz oder organisierte man die stark an den außerprovinzialen Anlässen ausgerichteten Münzemissionen eventuell sogar in Kooperation? Die Münzstempel zeigen, dass alle Prägeherren die gleichen Stempelschneider oder wandernde Werkstätten engagierten, die Frage nach den Prägestätten also zweitrangig ist.532 Städtische Prägungen wurden hauptsächlich von Metropolstädten oder zumindest ökonomisch bedeutsamen Städten ausgegeben, zahlreiche kleinere Provinzstädte emittierten nicht selbst. Ihr trotzdem unzweifelhaft vorhandener Münzbedarf könnte durch die Emissionen der Landtage gedeckt worden sein. In diesen Fällen könnte der Landtag eine Art Verteilungsfunktion innerhalb der Provinz gehabt haben.533 Für diese Möglichkeit spricht das Beispiel Makedoniens, wo in der Zeit des Claudius sowohl eine städtische Prägung aus Thessalonike als auch eine des Koinon, die wohl aus dieser Münzstätte stammt, existierte. Möglichweise wurde die städtische Prägung eher lokal verwendet, während die des Koinon stärker auf kleinere Gemeinden verteilt wurde.534 Deutlich wird durch diesen Vorgang der parallelen Emission, dass die Münzprägung nicht rein dem Profit geschuldet war. Wäre der Zweck der Münzprägung ein rein utilitaristischer gewesen mit dem Ziel, die Münzmenge zu erhöhen, hätte man vielleicht mit weniger Aufwand das Ergebnis erreichen können. Viel eher zeigt dieses Beispiel, dass die Münzprägung der Koina ihr Prestige und ihre identitätsstiftende Funktion für die gesamte Provinz unterstreichen sollte. Die Münzprägung der Koina darf folglich nicht nur unter dem utilitaristischen Aspekt betrachtet werden. Ihr identitätsstiftender Wert und ihre propagandistische Aussagekraft müssen die Interpretation ergänzen. Allerdings bildet den Ausgangspunkt immer zuerst die ökonomische Notwendigkeit, die dann zum Anlass genommen wird, eine Münze als Prestigeobjekt zu formen. Die Prägungen der Koina boten in ihrer Bildsprache einen Mehrwert, der den einzelnen Städten verwehrt war. In Makedonien tragen die Münzen des Koinon, die in der Kaiserzeit erstmals wieder unter Claudius emittiert werden, den makedonischen Schild und den geflügelten Blitzstrahl, also jene traditionellen makedonischen Symbole, die bereits in der Münzprägung unter Philipp V. und Perseus die 532 Vgl. Liampi, Münzprägung, S. 900. 533 Hier wäre dann auch eine Erklärung dafür zu finden, warum beispielsweise das asianische Koinon so gut wie keine Münzen prägte. Der Bedarf war eventuell durch die zahlreichen städtischen Prägungen in Asia weitgehend gedeckt. 534 Gegen eine Prägung des Koinon in Thessalonike vgl. Liampi, Münzprägung, S. 900.

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makedonische Identität reflektierten.535 Ganz ähnliche Beobachtungen lassen sich in anderen Provinzen machen. Lokale, auf die Provinz bezogene Symbolik, ergänzt durch die Legende KOINON, versinnbildlichte den Bezug zur Provinzidentität. Meist handelte es sich um Gottheiten mit Provinzbezug: Zeus und Diktynna in Kreta, die Göttin Bithynia in Bithynien oder Apoll Patroös in Lykien. Nicht selten erschien auch eine Tempelarchitektur mit provinzialem Bezug, meist der provinziale Kaisertempel, der wie die Götter als bildlicher pars pro toto für die gesamte Provinz verstanden wurde. Schließlich konnte auch ein Bezug zu den Provinzspielen hergestellt werden, wie beispielsweise in Thrakien, das Münzen mit Hinweisen auf die pythischen Provinzspiele in Philippopolis emittierte.536 Die Münzen waren in der gesamten Provinz präsent, nicht nur am Ort der Provinzialversammlung oder der Provinzspiele. In Makedonien zirkulierten die Münzen in allen Teilen der Provinz.537 Ihre „dynamische Präsenz auf den Märkten der makedonischen Städte“538 zeigt deutlich, dass in erster Linie die Provinzbevölkerung als Adressat angesehen werden muss. Da die Münzen durch Handelsrouten oder durchmarschierende Heere sicherlich auch eine gewisse Außenwirkung erzielen konnten, dienten sie dem makedonischen Landtag auch zur Außendarstellung. IV.6 GAB ES EINEN BEITRAG DER PROVINZIALLANDTAGE ZUR RÖMISCHEN PROVINZIALVERWALTUNG? Die Provinziallandtage waren kein Teil der römischen Provinzialverwaltung. Sie waren ein autonomes Organ der Provinzbewohner, das in letzter Instanz nur dem Kaiser und seinen Entscheidungen unterworfen war. Die Koina und Concilia waren kein Glied im Organigramm der Provinzverwaltung, das automatisch in die regelmäßigen Abläufe beispielsweise der Steuererhebung oder Truppenversorgung eingebunden war. Das bedeutete allerdings nicht, dass das römische Reich nicht auf die personellen, materiellen und Wissensressourcen der Landtage zugreifen konnte. Wie bereits für die Bereiche der Münzprägung und der Steuererhebung dargelegt wurde, griffen römische Provinzialverwaltung und Reichszentrale zumindest bei Bedarf auf die Landtage und ihre Netzwerke zurück. Oder anders formuliert, die Landtage und ihre Funktionäre stießen durch euergetische Leistungen in den Bereich der Provinzialadministration vor, ganz im Sinne der in den Digesten dargelegten Formen der munera als Tätigkeiten im Auftrag der Zentralregierung, die als die römische Provinzialadministration flankierende Maßnahmen verstanden werden müssen.539 So belegen verschiedene Beispiele, wie Funktionäre des Provinziallandtags immer wieder für öffentliche Aufgaben wie die Truppenversorgung oder den Straßenbau Beiträge leisteten. Das berühmteste dürfte hier der galatische Oberpriester 535 536 537 538 539

Vgl. Liampi, Münzprägung, S. 892; Kremydi-Sicilianou, ‚Belonging‘ to Rome, S. 101 f. Vgl. Peter, Identity. Vgl. Liampi, Münzprägung, S. 900. Ebd. Dig. 50, 4, 1; 50, 4, 18.

IV.6 Gab es einen Beitrag der Provinziallandtage zur römischen Provinzialverwaltung? 303

Gaius Iulius Severus sein.540 Severus unterstützte die durchmarschierenden römischen Truppen Trajans im Jahr 113/114 n. Chr., als sie auf ihrem Weg von der Donau nach Syrien in Ancyra überwinterten. Auch der Rückmarsch des Heeres 117 kurz nach dem Tod Trajans unter dem neuen Kaiser Hadrian, der den parthischen Krieg rasch beendete, wurde offenbar durch Spenden des galatischen Archiereus Latinius Alexander unterstützt.541 In Makedonien hebt sich der Archiereus C. Popillius Python explizit in einer Inschrift durch die Finanzierung von Straßenbaumaßnahmen hervor.542 Die cura viarum wird allerdings stets als genuin römische Hoheitsaufgabe gesehen, die ab Beginn der Kaiserzeit vom Herrscher an die Statthalter übertragen wird.543 Interessanterweise weisen aber nur 13 % aller Meilensteine auch den Namen eines Statthalters auf. Dagegen haben wir einige Meilensteine aus verschiedenen Provinzen, auf denen als verantwortliche administrative Einheit die Provinz genannt wird. So in Makedonien (viam a Dyrrachio usque Neapolim per provinciam Macedoniam)544 in trajanischer Zeit, in Africa proconsularis unter Maximinus Thrax (viam Karthagine usque ad fines Numidiae Provinciae)545 und in Asia unter Caracalla (provinciam Asiam per viam et flumina pontibus subiugavit).546 Diese eher ungewöhnliche Betonung der Provinz als Ganzes wurde stets so gedeutet, dass „nur der Proconsul als dahinterstehende Institution gemeint sein kann“547. Es scheint aber auch möglich, den Begriff der provincia in diesem Kontext nicht als Verwaltungseinheit des römischen Reiches zu verstehen, sondern als Provinziallandtag. Erinnern wir uns an die Inschriften der Sklaven und Freigelassenen. Auch hier wurde von provinciae libertus/liberta oder provinciae servus548 gesprochen, um die Zugehörigkeit zum Landtag auszudrücken. Auch Plinius verwendet die Bezeichnung provincia synonym für Concilium.549 Dieselbe Deckungsgleichheit der Begriffe treffen wir auf einem Altar aus Sarmizegetusa in der Dacia, der zu Ehren des legatus Augustorum P. Furius Saturninus in der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. errichtet wurde.550 Möglicherweise haben wir also nicht nur Belege dafür, dass herausgehobene Vertreter der Provinziallandtage sich im provinzialen Straßenbau engagierten, sondern die Versammlungen selbst diese Aufgabe 540 Bosch, Quellen, S. 122–130, Nr. 105 f. = OGIS 544; vgl. Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 227–237, Nr. 72–77. 541 Bosch, Quellen, S. 141–147, Nr. 117 = Mitchell, French, Inscriptions of Ankara, S. 241–243, Nr. 81. 542 SEG 17, 1960, 315. 543 Vgl. Rathmann, M., Der Statthalter und die Verwaltung der Reichsstraßen in der Kaiserzeit, in: Kolb, A. (Hg.), Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis. Konzepte, Prinzipien und Strategien der Administration im römischen Kaiserreich. Akten der Tagung an der Universität Zürich 18.–20.10.2004, Berlin 2006, S. 201–259, hier S. 207. 544 Collart, P., Les milliaires de la Via Egnatia, BCH 100, 1 (1976), S. 177–200, hier S. 197 Nr. 2. 545 CIL VIII 22009. 546 IK Alexandreia Troas Nr. 56 = CIL III 467. 547 Rathmann, Statthalter, S. 211 Anm. 46. 548 So u. a. InscrAqu 1, 909 = IEAquil 140; CIL II2/7, 301; CIL II 2410; EEpigr. IV, S. 211, Nr. 717 = AJ 33 (1876), S. 262 = RIB II 2409, 35. 549 Vgl. u. a. Plin. epist. 7, 6, 1–4; 7, 10, 2. 550 CIL III 7902 = ILS 7155 = IDR 3/2, 93; vgl. Fishwick, ICLW III 1, S. 174 f.

304

IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

übernahmen. Bereits 1983 unterbreitete Robert den Vorschlag, das asianische Koinon als eine Art zentrale Verteilungsstelle für Straßenbauarbeiten in der Provinz anzusehen.551 Neueste Untersuchungen zum kretischen und zum lykischen Koinon unterstreichen ebenfalls die Einbindung der Landtage. Chaniotis konnte kürzlich zeigen, dass das kretische Koinon in den Bau römischer Straßen involviert war: Unter Hadrian wurden Straßenbauarbeiten mit Geldern des Heiligtums der Diktynna finanziert, das mit großer Wahrscheinlichkeit unter der Kontrolle des kretischen Koinon stand und als Bundesheiligtum fungierte.552 In Lykien verdeutlicht eine ebenfalls kürzlich veröffentlichte Inschrift, wie aus reinvestierten Steuergeldern und Geldern des lykischen Bundes eine Wasserleitung nach Patara finanziert wurde. In einer Kooperation von Reichszentrale und Koinon wurden also in den Provinzen große Bauprojekte realisiert.553 Der Beitrag des Archiereus M. Aurelius […] zum Hafenbau in Ephesos muss wohl auch in der Rubrik Beiträge des Landtags zur Provinzialverwaltung gesehen werden.554 Jener Oberpriester spendete 20 000 Denarii während seiner Amtszeit – worauf die Inschrift ausdrücklich verweist – für das Ausheben des Hafenbeckens in den Jahren zwischen 222 und 238. Dass diese Aufgabe keine genuin der Stadt zugeordnete Pflicht war, sondern sowohl von städtischen und provinzialen Amtsträgern oder sogar dem Kaiser wahrgenommen wurde, machen die weiteren Belege für Arbeiten am Hafenbecken von Ephesos deutlich: 61 n. Chr. sorgte der Prokonsul Marcius Barea Soranus bereits für die Vertiefung des ephesischen Hafens.555 Im frühen zweiten Jahrhundert spendete der Prytane C. Licinius Maximus Iulianus 2500 Denare für solche Arbeiten556, und auch Kaiser Hadrian selbst leistete einen Beitrag, indem er den Fluss Cayster ableiten ließ, um die Verschlickung des Hafens ursächlich zu verhindern.557 Der explizite Hinweis darauf, dass in severischer Zeit die Arbeiten von einem Archiereus während seiner Amtszeit durchgeführt wurden (δόντα καὶ ἐν τῷ καιρῷ τῆς ἀρχιερωσύνης εἰς τὴν ἀνακάθαρσιν τοῦ λιμένος δηναρίων μυριάδας δύο) muss man wohl so verstehen, dass das Amt und damit auch der Landtag in infrastrukturelle Maßnahmen eingebunden waren. Analog zu 551 Robert, J., Robert, L., Fouilles d’Amizon en Carie, I: Exploration, histoire, monnaies et inscriptions, Paris 1983, S. 31 f.; vgl. Mitchell, S., The administration of Roman Asia from 133 BC to AD 250, in: Eck, W. (Hg.), Lokale Autonomie und römische Ordnungsmacht in den kaiserzeitlichen Provinzen vom 1. bis 3. Jahrhundert (Schriften des Historischen Kollegs – Kolloquien 42), München 1999, S. 17–46, hier S. 22–29. 552 Vgl. Chaniotis, Hadrian, Diktynna, the Cretan Koinon. 553 Vgl. SEG 57, 2007, 1673; vgl. İşkan Işik, H., Eck, W., Engelmann, H., Der Leuchtturm von Patara und Sex. Marcius Priscus als Statthalter der Provinz Lycia von Nero bis Vespasian, ZPE 164 (2008), S. 91–121; Schuler, C., Fernwasserleitungen und römische Administration im griechischen Osten, in: Kolb, A. (Hg.), Infrastruktur und Herrschaftsorganisation im Imperium Romanum. Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis III: Akten der Tagung in Zürich 19.– 20.10.2012, Berlin 2014, S. 103–120, hier S. 110–112. 554 IvEphesos VII/1 3071; Campanile, I sacerdoti, Nr. 193. 555 Tac. ann. 16, 23. 556 IvEphesos VII/1 3066. 557 IvEphesos II 274.

IV.6 Gab es einen Beitrag der Provinziallandtage zur römischen Provinzialverwaltung? 305

diesem Befund kann auch die Nachricht über den Asiarchen Ti. Claudius Polydeukes Marcellus558 eingeordnet werden. Er übte sein Amt in der Regierungszeit des Antoninus Pius aus, zwischen 146/147 und 160/161 n. Chr.559, und war in die Erneuerung des Hafenbeckens, die vom Prokonsul L. Antonius Albus angeordnet wurde, eingebunden. Unter Commodus trat M. Aurelius Mindius Matidianus Pollio560 wohl besonders hervor. Seine Karriere in der römischen Provinzialverwaltung scheint eng mit seinen höchsten Ämtern im asianischen und im bithynischen Koinon verknüpft gewesen zu sein. Einen durchaus wichtigen Beitrag leisteten die Provinziallandtage im Bereich der Polizeigewalt. Ulpian hebt als wichtigste Aufgabe der römischen Statthalter hervor, dass sie für Ruhe und Frieden in der von ihnen verwalteten Provinz zu sorgen hätten.561 Darunter verstand man wohl in erster Linie die Garantie der öffentlichen Sicherheit und das Funktionieren des Gerichtswesens. Die Verfolgung von mali homines war folglich eine der zentralen Aufgaben des Statthalters. Oftmals fehlten der römischen Autorität dabei allerdings die nötigen materiellen und vor allem personellen Ressourcen. Lokale und provinziale Polizeikräfte mussten hier aushelfen. Dies wird deutlich im Beschluss des lykischen Provinziallandtags, die Gemeinde Bubon wegen ihrer Verdienste im Kampf gegen das Räuberunwesen in den Rang einer Drei-Stimmen-Stadt zu erheben.562 Die lokale Initiative gegen die latrones wird hier mit einer Aufwertung der Gemeinde im Koinon belohnt und dies wird vom Kaiser bestätigt. Der Provinziallandtag konnte also als Belohnungs- und Belobigungsorgan für die römischen Autoritäten funktionieren, wenn Aufgaben im Sinne der römischen Provinzverwaltung – in diesem Fall Polizeiaufgaben – übernommen wurden. Man muss folglich die Frage, ob es einen Beitrag der Landtage zur römischen Provinzialadministration gab, bejahen. Es handelte sich augenscheinlich nicht um regelmäßige Beiträge, sondern Leistungen, die in Ausnahmefällen oder Notsituationen abgerufen oder von den Landtagen und ihren Funktionären zur Verfügung gestellt wurden. Wenn aber ein so sensibles römisches Aufgabenfeld wie die Truppenversorgung durch externe Ressourcen ergänzt wurde, kann man darin sicherlich einen entlastenden Beitrag für die Provinzverwaltung sehen. Dies erscheint schon aus logischen Gründen eine zwangsläufige Ergänzung der römischen Administration gewesen zu sein. Betrachtet man beispielsweise die auf wenige Personen konzentrierte, jährlich wechselnde römische Verwaltungsstruktur der Provinz Asia im Vergleich zur attalidischen Reichsverwaltung, die immerhin in jeder der Diözesen

558 IvEphesos Ia 23, II 472 (?), III 642; IvMagnesia 187; Campanile, I sacerdoti, Nr. 63a; Kirbihler, Les grands-prêtres d’Éphèse, S. 125, Nr. 31. 559 Zur Datierung des Prokonsulats des L. Antonius Albus in das Jahr 146/147 vgl. Eck, W., Prosopographische Bemerkungen zum XII. Supplememt-Band der Real-Encyklopädie, ZPE 8 (1971), S. 82; Bowersock datiert sie in das Jahr 160/161 (ders., The proconsulate of Albus, HSCPh 71 (1968), S. 223–228). 560 IvEphesos III 627, VII/1 3056, OGIS 525; Campanile, I sacerdoti, Nr. 52. 561 Ulp. Dig. 1, 18, 13 pr. (lib. vii off. procos.). 562 Vgl. Schindler, Die Inschriften von Bubon, S. 12–23 Nr. 2 = BE 1973, 451 = AE 1979, 624.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

über einen eigenen Statthalter mit entsprechendem Stab verfügte, erscheint eine provinzübergreifende, einheimische Ergänzung in römischer Zeit zwingend. Der Provinziallandtag war ein Instrument zur Bündelung der ökonomischen Ressourcen und des finanziellen Potentials in der Provinz, der neben der römischen Verwaltung operierte und sie im besten Fall optimierte. Die Netzwerke der Provinzen wurden nicht zuletzt auch deshalb genutzt, weil sie mitunter besser funktionierten als die römische Verwaltung.563 Betrachtet man Münzproduktion, Steuererhebung in den Provinzen, Truppenversorgung und Straßenbau im Zusammenhang, müssen die Provinziallandtage als Teil der öffentlichen Administration verstanden werden. IV.7 FAZIT Die Untersuchung hat ergeben, dass Deiningers Aussage, die Aufgaben der Landtage seien auf die innere Verwaltung der Landtage selbst, den provinzialen Kaiserkult, die Abhaltung der Provinzialfestspiele und die Wahrnehmung der Interessen der Provinzialen gegenüber der römischen Provinzialverwaltung beschränkt gewesen564, auf der Basis einer aktuellen Quellenanalyse nicht haltbar ist. Die Provinziallandtage besaßen eine wichtige Funktion im wirtschaftlichen Gefüge der Provinz, spielten aber auch eine nicht zu unterschätzende Rolle im Wirtschaftgefüge des Reiches. Dabei ist es unerlässlich, sich die Komplexität der Finanzstruktur des römischen Reiches vor Augen zu halten. Leider haben wir davon nur rudimentäre Kenntnis, dies genügt jedoch, um einen Einblick in ein System zu erhalten, das einer modernen Finanzverwaltung kaum nachstand. Der römische Autor Statius bietet eines der wenigen literarischen Zeugnisse, die uns die Zusammenhänge erahnen lassen. Sein Bericht über den Tätigkeitsbereich des a rationibus stammt aus der Zeit des Kaisers Domitian.565 Die Auflistung regulärer wie außergewöhnlicher Einnahmen und Ausgaben der Provinziallandtage zeigt deutlich, über welche finanziellen Mittel diese Organisation verfügte und wie diese durch den Kaiserkult aber auch darüber hinaus gehende Aufgaben für Mitgliedstädte, Provinz und Reich kanalisiert und gebunden wurden. Ganz ähnlich wie Drexhage es für die Finanzen der Städte formulierte, lässt sich auch für die Provinziallandtage formulieren, dass die „Finanzierung dieser ständigen und zumeist sehr kostenintensiven Aufgaben […] in Eigenverantwortung nur gelingen [konnte], wenn grundsätzliche Fragen und Probleme des Haushaltswesens gesehen und beachtet wurden. Dies setzte zunächst einen Überblick der verantwortlichen Behörden und Magistrate über die wesentlichen Einnahmen und 563 Vgl. dazu den Hinweis bei Mitchell, Administration, S. 28 mit Anm. 46 darauf, dass das asianische Koinon den Straßenbau organisierte und den Städten einzelne Bauabschnitte zuwies, entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu den Diözesen. 564 Vgl. Deininger, Provinziallandtage, S. 170. 565 Stat. silv. 3, 3, 85–105. Vgl. Wolters, Nummi Signati, S. 199–201; Eich, P., Zur Metamorphose des politischen Systems in der römischen Kaiserzeit. Die Entstehung einer „personalen Bürokratie“ im langen dritten Jahrhundert, Berlin 2005, S. 159–188.

IV.7 Fazit

307

Ausgaben sowie den Willen zu einer einigermaßen geordneten […] Finanzwirtschaft voraus.“566 Die Landtage verfügten grundsätzlich über Budgets zur Finanzierung ihrer Aufgaben, nur in Einzelfällen scheinen die Amtsträger diese Aufgaben übernommen zu haben. Die Budgets speisten sich aus Mitgliedsbeiträgen, die von Provinz zu Provinz individuell erhoben wurden, aber – möglicherweise auch reichsweit vorgegebenen – Standards unterworfen waren. Diese sollten sowohl dem Landtag Planungssicherheit verschaffen als auch die Städte nicht über Gebühr belasten. Diese Standards machen die Vermutung plausibel, dass es bei Einrichtung der Provinz eine Regelung von römischer Seite gab, die Beiträge und Stimmen festschrieb. Die römische Administration gewährte den Provinziallandtagen in Finanzfragen eine relativ große Autonomie, behielt sich steuernde Eingriffe aber vor und hatte dazu auch die rechtliche Autorität. Diese nutzte sie offenbar aber nur selten und sehr gezielt, um das diffizile innere Gleichgewicht der Versammlungen nicht zu gefährden. Die ökonomische Bedeutung für Städte und Provinzen durch die Übernahme von Kosten für Prestigebauten, große Spiele, Infrastruktur und Münzprägung war enorm. Hier wurde ein eigener Finanzsektor geschaffen, der zwischen den Städten und Provinzen noch einmal die Möglichkeit bot, Kosten zu verteilen, aber auch Ansehen zu gewinnen. Die vor allem in der Provinz Asia zu findende explosionsartige Ausbreitung neuer provinzialer Kulte ab der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. zeigt aber, dass man diese Bürde von Seiten der Städte bereitwillig auf sich nahm und hohe Geldleistungen beitrug, um die diversen Zentren des Kaiserkultes zu finanzieren. Offensichtlich war der ideelle und materielle Profit, den man daraus zog, groß genug, um diese Aufgaben stemmen zu wollen. Die repräsentative Rolle der Landtage folgte dabei der jeweils individuellen Tradition der einzelnen Provinzen. In Asia bot der Landtag den einzelnen Städten die Möglichkeit, ihr Prestige zu vergrößern, in Galatien nutzte die alte Adelskaste das Koinon für die Selbstrepräsentation. Insbesondere im Bereich des Personals der Provinziallandtage konnte die Untersuchung den Fokus stärker auf die nicht-kultischen Funktionsträger des Landtags richten. Dabei wurde deutlich, dass die religiösen und säkularen Ämter eher nebeneinander als in einer hierarchischen Struktur gesehen werden müssen. Das Oberpriesteramt als kultisch und repräsentativ sicherlich wichtigstes Amt, das als eine Art imitatio des Kaiserpaares im Kult interpretiert werden kann567, muss nicht zwingend auch innerhalb der Landtage die wichtigste Stellung innegehabt haben. Die prosopographischen Analysen der Finanz- und Verwaltungsbeamten von Koina und Concilia lässt den Schluss zu, die mit wirtschaftlichen Angelegenheiten befassten Funktionäre in die höchsten Kreise der Provinzelite einzuordnen. Sie – und nicht die Provinzialpriester – stießen mit ihren Ämtern ihre Karrieren in der Reichs566 Drexhage, Wirtschaftspolitik, S. 97 f. 567 Vgl. Hemelrijk, E. A., Imperial priestesses, a preliminary survey, in: de Blois, L. et al. (Hgg.), The impact of imperial Rome on religions, ritual and religious life in the Roman empire. Proceedings of the fifth workshop of the international network Impact of Empire (Roman Empire, 200 B. C. – A. D. 476), Münster, June 30 – July 4, 2004, Leiden, Boston 2006, S. 179–193, hier S. 191–193.

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IV. Die wirtschaftliche und finanzielle Dimension der Provinziallandtage

administration an. In Anlehnung an Funke, der den Begriff einer eigenen classe politique prägte, die sich auf der Ebene der hellenistischen Koina gebildet habe und die sich aus den Eliten der einzelnen Gliedstaaten rekrutierte568, erscheint es begründet, für die Provinziallandtage der Kaiserzeit von einer eigenen classe politique et économique zu sprechen. Im Bereich der untergeordneten freien und unfreien Angestellten der Landtage zeigen die wenigen Beispiele ein reichsweit agierendes wirtschaftliches Netzwerk. Sklaven wie Freigelassene verfügten über eine privilegierte Stellung und Wohlstand, die aus ihrer Beschäftigung resultierten. Zusammenschau und Neuinterpretation der Quellen geben ebenfalls Hinweise darauf, dass die Landtage mit verschiedenen Aspekten der Einführung, Erhebung und Abwicklung der Provinzsteuer befasst waren. Daneben oder besser dadurch hatten sie sowohl beim Kaiser als auch bei der römischen Administration in den Provinzen maßgeblichen Einfluss auf fiskalische Fragen der Provinz. Ein zentrales Ergebnis der vorliegenden Analyse ist sicherlich die Erkenntnis, dass und wie die Landtage auf einer informellen, heute nur noch schwer fassbaren Ebene Politik und eben auch Wirtschaftspolitik betrieben. Das Beispiel Gallien macht ganz klar, dass der religiöse Zweck allein die Elite der Provinz sicherlich nicht jährlich in Lyon an der ara Trium Galliarum bzw. seit Hadrian am Tempel der Divi zusammenführte.

568 Vgl. Funke, Staatliche Neuformierung, S. 94.

V. SCHLUSSBETRACHTUNG – KOINA UND CONCILIA. GENESE, ORGANISATION UND SOZIOÖKONOMISCHE FUNKTION DER PROVINZIALLANDTAGE IM RÖMISCHEN REICH Eine Beschäftigung mit den Provinziallandtagen der römischen Kaiserzeit verlangt zu allererst eine Reflexion des eigenen Verständnisses hinsichtlich der Funktionsweise des römischen Reiches. Eine der Forschung oft immanente, Rom-zentrierte Sichtweise steht einer realistischen Einordnung der reichsübergreifenden provinzialen Strukturen nicht selten entgegen. So sind die Urteile jener Historiker zu verstehen, die die Provinziallandtage mit Begriffen wie „eigentümliche Institution“1 belegen. Diese Einschätzung ist allerdings eher dem modernen Missverstehen der Organisation geschuldet als einem antiken Verständnis. Auch die Versuche, ihre Bedeutung zu minimieren, indem man sie allein unter die Einrichtungen des Herrscherkultes subsumiert und als Organisationen mit „religiösem Grundcharakter“2 beschreibt, sind nur ein weiterer Versuch, das moderne Unbehagen auszudrücken, das sich mit ihnen verbindet. Sie passen einfach nicht in die gängigen Erklärungsmodelle römischer Herrschaft. Also werden sie passend gemacht und ausschließlich für die Romanisierungspolitik der Kaiserzeit in Anspruch genommen. Provinziallandtage waren nach dieser Meinung dazu da, die Provinzialen an die römische Kultur und Zivilisation heranzuführen. So entstand aus einer Melange von induktiver Geschichtsdeutung und Fehlinterpretation des Quellenmaterials die These, in den westlichen Provinzen habe sich die Einrichtung der Landtage am Grad der Romanisierung orientiert. Diese These darf heute als überholt gelten. Die neuen Befunde zu den Landtagsgründungen aus den spanischen Provinzen, aus Gallia Narbonensis, aus Syrien, Kreta, Zypern, aus Pannonien, Dalmatien, dem Alpenraum und dem Donauraum lassen nur den Schluss zu, dass es sich um eine geplante Aktion der julisch-claudischen Herrscher, vor allem der Kaiser Augustus und Claudius handelte. Zwar zeigt die Umwandlung des asianischen Koinon 29 v. Chr. den deutlichen Einfluss provinzialer Kreise, die im Interesse des eigenen Machterhalts Wege und Möglichkeiten suchten, Kompromisse mit Rom zu schließen, der letztlich erfolgte Transfer der Institution auf weitere Provinzen im Osten und den gesamten Westen des Reiches kann aber kaum an einer gezielten Herrschaftsmaßnahme zweifeln lassen, hinter der das zentrale Motiv stand, die römische Herrschaft zu stabilisieren. Denn der Landtag war weit mehr als eine religiöse Loyalitätsversammlung. Mit ihm veränderten sich die operativen Mittel der Politik im Vergleich zur römischen Republik. Die offizielle und systematisch installierte Verbindung von Koinon und Kult war ein Reflex der monarchischen Neukonzeption der Herrschaft in Rom. Da1 2

Deininger, Provinziallandtage, S. 189. Kornemann, Concilium, Sp. 814.

310

V. Schlussbetrachtung

mit veränderte sich die Kommunikationsstruktur von Kaiser und Provinzialen, indem letztere von beherrschten Objekten zu handelnden Subjekten in einer religiös aufgeladenen Beziehung wurden. Die Herrschaftsausübung wurde auf die Ebene von Kult und Ritual verlagert und damit in einen neuen Handlungskontext gestellt. Mit der Etablierung neuer Koina bzw. ihrer kultischen Neuausrichtung ergänzte Augustus ferner seine Politik der Einverleibung der von Rom beherrschten Gebiete ins Reich in Form von provinciae unter weitgehendem Verzicht auf lokale Herrscher. Koina und Concilia bildeten nun den Rahmen, in dem sich die traditionellen Eliten überregional engagieren und bewähren konnten. In diesem neuen Handlungskontext lösten sich nicht nur bisherige Kontrollmechanismen bis zu einem gewissen Grad auf, sondern es wurde eine Art der Selbstkontrolle durch das integrative Moment der Provinziallandtage geschaffen. Dabei ist es ein Missverständnis, das Integrationspotential der Koina und Concilia lediglich als Maßnahme zu deuten, die römischen Interessen zugute kam. Die Provinziallandtage wirkten deutlich stärker in die Provinz hinein, indem sie eine neue provinziale Elite schufen, die sich an lokalen Traditionen orientierte, aber durchaus neue Ämter- und Ehrensysteme schuf. In der Wiederaufnahme des hellenistischen „Koinarchen“-Titels lässt sich dieser Befund epigraphisch gut dokumentieren. Diese terminologische Reminiszenz an die Zeit vor der Übernahme des provinzialen Herrscherkultes, die einhergeht mit einer Abschwächung des religiös aufgeladenen Titels des Archiereus deutet auf ein sich seit flavischer Zeit entwickelndes Selbstbewusstsein der Provinzialen hin. Sie ist gleichzeitig Ausdruck der Konstruktion einer provinzialen Identität, indem eine eigene Memorialkultur geschaffen und der Provinziallandtag somit zum Erinnerungsraum für die provinziale Elite als Kollektiv erweitert wurde. Die auf das Kollektiv der „Koinarchen“ ausgerichtete Memoria potenzierte das Gewicht des höchsten Amtes und trug zum besonderen, privilegierten Status der gegenwärtigen Amtsinhaber bzw. wiederum der Gruppe der „Koinarchen“ bei. Das Referenzsystem, innerhalb dessen man sich dabei bewegte, war ein rein griechisch-hellenistisches und hob sich damit von den Ämtern und Rollen ab, die die „Koinarchen“ gleichzeitig innerhalb der römischen Administration und innerhalb des römischen Elite- und Ehrensystems innehatten. Die Neuformierung der provinzialen Identitätsstruktur ist allerdings nicht als provinziale Gegenbewegung zu römischen Vorgaben zu verstehen, vielmehr sehen wir eine Gleichzeitigkeit und Parallelität beider Ehrensysteme in den Inschriften vorliegen. Die vorliegende Untersuchung konnte zeigen, dass es sich bei den Provinziallandtagen nicht um monolithische Einrichtungen handelte, sondern um Gebilde, die eine gewisse Flexibilität besaßen und sich den sich wandelnden Erwartungen von Seiten der Provinzialen wie der Zentralmacht anpassen konnten. Ob dies bereits bei ihrer Einrichtung intentional angelegt war, kann aus heutiger Sicht nicht mehr entschieden werden, es hat allerdings den Anschein, dass ihre Rolle weit umfassender konzipiert war, als sich dies in den Quellen, die uns heute zur Verfügung stehen, niederschlug. Im Laufe des ersten Jahrhunderts n. Chr. avancierten die Provinziallandtage damit auch zu Einrichtungen, die eine eigene provinziale Identität stifteten, förderten und verstetigten. Diese provinziale Identität weist sowohl provinzinterne wie zen-

V. Schlussbetrachtung

311

tralrömische Komponenten auf, die nebeneinander existierten und sich ergänzten. Interessanterweise spielt das religiöse Moment des Herrscherkultes bei der Frage der Identitätskonstruktion kaum eine Rolle. Es muss viel eher als Rahmen verstanden werden, in dem sich die beschriebenen Prozesse vollzogen. Auch für den letzten zentralen Aspekt der vorliegenden Studie erweist es sich, dass der religiöse Nimbus der Provinziallandtage als Kaiserkultverein nur wenig zu seinem Verständnis beitragen kann. Die vorliegende Untersuchung konnte zum ersten Mal umfassend darstellen, wie die Koina und Concilia zur ökonomischen Stabilisierung der Provinz beitrugen und einen wichtigen Platz im Wirtschaftsgefüge des Reiches einnahmen. Die Provinziallandtage verfügten über reguläre wie außergewöhnliche Einnahmen, die es ihnen erlaubten, über den Kaiserkult hinausgehende Aufgaben für Mitgliedsstädte, Provinz und Reich zu erfüllen. Zwar versuchte die römische Administration, diese Mittel zu kanalisieren und durch die Schaffung von einheitlichen Standards eine gewisse Sicherheit hinsichtlich der finanziellen Belastung für Landtag und Mitgliedsstädte zu erreichen, grundsätzlich waren die Landtage aber wirtschaftlich autonom. Eingriffe von Seiten der Kaisers, die die rechtlich übergeordnete Instanz darstellten, erfolgten nur selten und gezielt, was darauf schließen lässt, dass sie sich der stabilisierenden Funktion der Landtage in den innerprovinzialen Strukturen bewusst waren und sie nicht gefährdeten. Gerade im Bereich der Ökonomie und Finanzen zeigt sich die zweifache Zielrichtung der Provinziallandtage: Zum einen wirkten sie nach innen, indem sie regelmäßig Provinzialspiele ausrichteten, große Bauprojekte finanzierten, religiöse wie weltliche Infrastruktur unterhielten und die Münzprägung mitgestalteten, auch wenn letzteres nur für den Osten des Reiches gilt. Diese Aufgaben zu erfüllen war nur möglich, weil die Provinziallandtage über einen deutlich größeren und differenzierteren Stab an freien und unfreien Mitarbeitern verfügten, als bisher angenommen. All die genannten Felder der wirtschaftlichen Betätigung boten wiederum auch der neuen Provinzelite Raum für Prestigegewinn und Repräsentation. Zum anderen wurde ihre Wirtschaftsleistung aber auch für das Reich wirksam, indem nämlich materielle und personelle Ressourcen aus den Provinziallandtagen für zentrale Aufgaben genutzt wurden. Die Zusammenschau und Neuinterpretation der Quellen konnten plausibel machen, dass die Landtage mit verschiedenen Aspekten der Einführung, Erhebung und Abwicklung der Provinzsteuer befasst waren. Daneben oder besser dadurch hatten sie sowohl beim Kaiser als auch bei der römischen Administration vor Ort maßgeblichen Einfluss auf fiskalische Fragen der Provinz. Unterstrichen wird dies durch die Erkenntnis, dass neben den Provinzialpriestern die mit wirtschaftlichen Angelegenheiten befassten Funktionäre ebenfalls zu den höchsten Kreisen der Provinzelite zählten. Man gewinnt sogar den Eindruck, dass die in diesen vermeintlich untergeordneten Ämtern tätigen Personen mitunter bessere Karrierechancen oder einen größeren Karrierewillen besaßen als die sakralen Funktionäre. Die vorliegende Studie konnte feststellen, dass Landtage als reichsweit agierendes wirtschaftliches Netzwerk verstanden werden müssen. Die Verflechtung von provinzialer Wirtschaft und Provinziallandtag in personeller Hinsicht, aber auch durch persönliche, familiäre und politische Verbindungen, lassen es gerechtfertigt

312

V. Schlussbetrachtung

erscheinen, Koina und Concilia als finanzpolitische und sozioökonomische Netzwerke zu beschreiben. Sie hatten folglich nicht nur eine religiöse und politische Bedeutung, sondern auch eine fiskalisch­ökonomische. Dass die Landtage in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gleichberechtigt neben die Städte traten und als ökonomische Faktoren in den Provinzen begriffen werden müssen, bezeugt nicht zuletzt die Münzprägung. Umfang, Prägeanlässe und ökonomischer wie ideeller Mehrwert dieser Prägungen trugen dazu bei, die Landtage innerhalb der Provinzen aber auch aus Sicht Roms zu einem Wirtschaftsfaktor avancieren zu lassen. Dass ihnen diese Rolle bereits früh zugeschrieben wurde, ja vielleicht sogar von Anfang an zugedacht war, darauf weisen die Reichsprägungen mit Koinon-Bezug hin.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Das Abkürzungsverzeichnis wurde erstellt nach APh, SEG und DNP.

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Archäologischer Anzeiger Annales archéologiques arabes syriennes Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologischhistorische Klasse Österreichische Akademie der Wissenschaften Wien. Anzeiger der philosophisch-historischen Klasse L’Antiquité classique Annuaire du Collège de France Acta classica. Proceedings of the Classical Association of South Africa, Pretoria L’Année épigraphique Archivo Espanol de Arqueología Archaeologiai értesítő. Budapest The Archaeological Journal. London Anas. Mérida: Museo Nacional de Arte Romano Wolfgang Haase, Hildegard Temporini (Hgg.), Aufstieg und Niedergang der römischen Welt/Rise and decline of the Roman world. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, Berlin/New York 1972 ff. Antiquités africaines Antichthon. Journal of the Australian Society for Classical Studies. Sydney (Australia) Anatolian Studies Annuario della Scuola Archeologica di Atene e delle Missioni italiane in Oriente American Studies in Papyrology Athenaeum Bulletin d’archéologie algérienne Bulletin de correspondance hellénique Bulletin épigraphique Bonner Jahrbücher Berliner Numismatische Zeitschrift Boreas. Münstersche Beiträge zur Archäologie Britannia. A journal of Romano-British and kindred studies Classica et Mediaevalia Cahiers du Centre Gustave-Glotz, Paris Chiron. Mitteilungen der Kommission für alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts Classical Journal Classical Antiquity Classical Philology Classical Review

314 EA Eirene Eos Epigraphica FiE Gallia Gephyra Gerión GFA Gnomon GRBS HdbA Hermes Hesperia Historia HSPh HZ Iura JDAI JHS JIAN JNG JRA JRGZ JRS KADMOS Klio Koinonia Ktema Latomus MBAH MDAI(I) MediterrAnt Mnemosyne NAC NAWG NC ÖJh P&P Philologus PHist Phoenix RAN RE REA REG RhM RIN

Abkürzungsverzeichnis Epigraphica Anatolica. Zeitschrift für Epigraphik und historische Geographie Anatoliens Eirene. Studia Graeca et Latina, Prag Eos. Organ Polskiego Towarzystwa Filologicznego, Warschau Epigraphica. Periodico internazionale di epigrafia, Faenza Forschungen in Ephesos Gallia. Archéologie de la France antique, Paris Gephyra. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Antike auf dem Gebiet der heutigen Türkei, Universität Akdeniz Gerión, Madrid Göttinger Forum für Altertumswissenschaft Gnomon. Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft Greek, Roman and Byzantine studies Müller, I. v., Bengtson, H. (Hgg.), Handbuch der Altertumswissenschaft, München 51977 ff. Hermes. Zeitschrift für klassische Philologie Hesperia. Journal of the American School of Classical Studies at Athens Historia. Zeitschrift für Alte Geschichte, Stuttgart Harvard Studies in Classical Philology Historische Zeitschrift IVRA, Rivista internazionale di diritto romano e antico Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts Journal of Hellenic Studies Journal International d’Archéologie Numismatique Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte Journal of Roman Archaeology Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz Journal of Roman Studies Kadmos. Zeitschrift für vor- und frühgriechische Epigraphik Klio. Beiträge zur Alten Geschichte Κοινωνία. Napoli Ktema. Civilisations de l’Orient, de la Grèce et de Rome antiques Latomus. Revue d’études latines Marburger Beiträge zur antiken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte Istanbuler Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts Mediterraneo antico. Economie, società, culture Mnemosyne. Bibliotheca classica Batava Numismatica e antichità classiche Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse Numismatic chronicle Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instituts in Wien Past and present. A journal of historical studies Philologus. Zeitschrift für klassische Philologie Przeglad historyczny Phoenix. Journal of the Classical Association of Canada Revue archéologique de Narbonnaise Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Revue des études anciennes Revue des études grecques Rheinisches Museum für Philologie Rivista italiana di numismatica e scienze affini

Abkürzungsverzeichnis RN RPh SAWW SBAW SCO Stadion StudClas TAPhA Theol. Beiträge ThLZ TürkAD Tyche VDI WZHalle ZfN ZPE ZRG

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Revue numismatique Revue de philologie Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philologischhistorische Klasse Studi Classici e Orientali Stadion. Zeitschrift für Geschichte des Sports Studii clasice Transactions and Proceedings of the American Philological Association Theologische Beiträge Theologische Literaturzeitung Türk arkeoloji dergisi Tyche. Beiträge zur Alten Geschichte, Papyrologie und Epigraphik Vestnik Drevnej Istorii Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Zeitschrift für Numismatik Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung

Quelleneditionen (Inschriften, Münzen, Papyri, Quellensammlungen) QUELLENEDITIONEN (INSCHRIFTEN, MÜNZEN, PAPYRI, QUELLENSAMMLUNGEN) AvHierapolis AvP BGU BMC CID CIG CIL CW EEpigr. Ehrenberg, Jones EKM 1 Beroia

FIRA Gauthier, Sardes

ICret ICUR

Humann, C. et al. (Hgg.), Altertümer von Hierapolis: mit 61 Abbildungen und einem Stadtplan, Berlin 1898. Fränkel, M. (Hg.), Altertümer von Pergamon, Bd. VIII 2: Die Inschriften von Pergamon, Berlin 1895. Ägyptische (Griechische) Urkunden aus den Kaiserlichen (ab Bd. 6 Staatlichen) Museen zu Berlin, 13 Bde., Berlin 1895–1976. A catalogue of the Greek coins in the British Museum, 29 Bde., London 1873– 1965. Corpus des inscriptions de Delphes, Paris 1977–. Corpus Inscriptionum Graecarum, 4 Bde., Berlin 1828–77. Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin 1863 ff. Babelon, E., Inventaire sommaire de la collection Waddington. Acquisé par l’Etat en 1897; pour le Département des Médailles et Antiques de la Bibliothèque Nationale, 2 Bde., Paris 1898. Ephemeris Epigraphica Ehrenberg, V., Jones, A. (Hgg.), Documents illustrating the reigns of Augustus and Tiberius, Oxford 1949. Ἐπιγραφες Κάτω Μακεδονίας (μεταξυ τοῦ Βερμίου ὄρους και τοῦ Ἀξιοῦ ποταμοῦ) = Inscriptiones Macedoniae Inferioris (inter Bermium montem et Axium flumen repertae), Bd. 1: Gounaropoulou, L., Hatzopoulos, M. B. (Hgg.), Ἐπιγραφες Βέροιας = Inscriptiones Beroeae, Paris 1998. Riccobono, S. et al. (Hgg.), Fontes Iuris Anteiustiniani, Bde. 1–3, Florenz 21940–43. Gauthier, P. (Hg.), Nouvelles Inscriptions de Sardes, II. Archaeological Exploration of Sardis (Centre de recherche d’histoire et de philologie de la IVe Section de l’École pratique des Hautes Études, III: Hautes Études du monde gréco-romain 15), Genève 1989. Halbherr, F., Guarducci, M. (Hgg.), Inscriptiones Creticae, Rom 1935–1950. Inscriptiones christianae urbis Romae. Nova series, Rom 1922 ff.

316 IDR IEAquil IG IGLS IGR IK IK Alexandreia Troas IK Hadrianoi und Hadrianeia IK Kibyra IK Kyzikos IK Metropolis I

IK Nikaia IK Pessinous IK Prusa ad Olympum IK Prusias ad Hypium ILA Santons ILAlg ILD ILGN ILS ILTun IMSup InscrAqu IscM ITebessa IvDidyma IvEphesos IvErythrai IvMagnesia IvMilet

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Abkürzungsverzeichnis IvMylasa IvOlympia IvPriene IvSalamis IvSmyrna LBW MAMA OGIS P.Bad. P.Berol. P.Dura P.Lond.

P.Oxy. PanDeser PIR Rec.gén. RIC RIT RIU RPC

SEG

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318 SNG SNG Aulock SNG Cop. Syll.2 Syll.3 TAM

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INDICES QUELLENINDEX a) Literarische Quellen Anth. Pal. VI, 241: 158, Anm. 94 Apg. 19, 31: 165, Anm. 130 App. Mithr. 61, 252: 70, Anm. 234. – 61, 252–62, 260: 70, Anm. 235. – 62, 260: 70, Anm. 236 Aristeid. ῾Ιεροὶ λόγοι 101–104: 253, Anm. 325. – 103: 202, Anm. 49 Εἰς Ῥώμην 8–11: 183, Anm. 213. – 32: 146, Anm. 26 Arr. an. 1, 9, 9: 59, Anm. 172 Caes. bell. Gall. 7, 63: 108, Anm. 430 Cass. Dio 51, 17, 1–18,1: 87, Anm. 327; 135, Anm. 561. – 51, 17, 1–3: 136, Anm. 565. – 51, 17, 2: 87, Anm. 326; 135, Anm. 560. – 51, 19, 1–20, 3: 88, Anm. 329. – 51, 20, 6–7: 45, Anm. 82; 71, Anm. 242; 72, Anm. 246; 89, Anm. 330; 100, Anm. 392; 105, Anm. 419; 110, Anm. 440; 132, Anm. 546; 141, Anm. 1; 143, Anm. 14; 213, Anm. 116; 296, Anm. 511. – 51, 20, 9: 133, Anm. 551. – 52, 30, 9: 273, Anm. 430; 277, Anm. 460; 297, Anm. 515. – 52, 31: 233, Anm. 236. – 53, 2, 5: 93, Anm. 353. – 53, 26, 3: 95, Anm. 361; 158, Anm. 93. – 54, 4, 1: 76, Anm. 260. – 54, 8, 3: 295, Anm. 505. – 54, 32, 1: 107, Anm. 428. – 55, 31, 4: 233, Anm. 236. – 56, 18, 2–3: 109, Anm. 435. – 60, 17, 3: 82, Anm. 307; 102, Anm. 398. – 60, 17, 5: 103, Anm. 408. – 68, 24, 1: 275, Anm. 444. – 76, 5, 5: 136, Anm. 565 Cassiod. Chron. p.130: 70, Anm. 237 Cic. ad Q. fr. 1, 26: 244, Anm. 288 Balb. 23, 53: 81, Anm. 300 div. in Caec. 4, 14: 56, Anm. 152. – 57: 53, Anm. 134 Flacc. 55: 54, Anm. 140; 67, Anm. 215; 203, Anm. 61 Verr. 1, 6, 37: 253, Anm. 329. – 2, 2, 27: 53, Anm. 134. – 2, 2, 51: 53, Anm. 132; 56, Anm. 154; 64, Anm. 195. – 2, 2, 103: 56, Anm. 150. – 2, 2, 114: 56, Anm. 150. – 2, 2, 137: 151, Anm. 53. – 2, 2, 145–46: 56,

Anm. 150; 151, Anm. 55. – 2, 2, 154: 57, Anm. 156. – 2, 2, 168: 151, Anm. 54 Clem. Al. Protr. 4, 54, 6: 52, Anm. 120 Diod. 17, 113, 2: 59, Anm. 172. – 37, 5: 53, Anm. 134 Dion Chrys. 31, 9: 182, Anm. 210. – 31, 43: 182, Anm. 210. – 31, 107: 182, Anm. 210. – 35, 15–16: 276, Anm. 452. – 35, 17: 241, Anm. 270; 241, Anm. 272; 245, Anm. 299. – 38, 31: 72, Anm. 244. – 38, 39: 72, Anm. 244 Dion. Hal. 8, 69, 2: 81, Anm. 300 Duris FGrH 76 F 71, F 26: 47, Anm. 95 Epikt. 1, 19, 26–27: 233, Anm. 234 Frontin. aqu. 116–118: 215, Anm. 129 Hdt. 1, 142–143: 39, Anm. 47 Hor. carm. 3, 5, 2: 52, Anm. 126 Ios. bell. Iud. 4, 11, 5: 275, Anm. 444 Liv. 2, 33, 4: 81, Anm. 300. – 2, 33, 9: 81, Anm. 300. – 29,12, 8–16: 36, Anm. 20. – 35, 32, 2: 36, Anm. 23. – 36, 15–17: 36, Anm. 24. – 43, 7, 1–5: 78, Anm. 274. – 44, 40–42: 36, Anm. 25. – 45, 18: 58, Anm. 162. – 45, 29–32: 58, Anm. 162. – 45, 29, 1: 59, Anm. 172. – 45, 29, 1–5: 63, Anm. 191. – 45, 32, 1–3: 63, Anm. 194. – 45, 32, 2: 63, Anm. 193 per. 45, 6: 63, Anm. 192. – 102: 72, Anm. 244. – 134: 114, Anm. 464. – 139: 107, Anm. 428; 158, Anm. 97 Paus. 7, 10, 11: 36, Anm. 26. – 7, 16, 9: 36, Anm. 28 Phil. Leg. ad Gaium 248–250: 275, Anm. 444 Philostr. soph. 1, 21, 2: 233, Anm. 233; 259, Anm. 366; 259, Anm. 368 Phlegon. mirab. fr. 13 (FGrH 257 F 36, 13): 293, Anm. 494 Plin. epist. 7, 6, 1–4; 7, 10, 2. – 10, 17: 251, Anm. 318. – 10, 18: 242, Anm. 276; 251, Anm. 318. – 10, 43: 224, Anm. 189 nat. 8, 71: 136, Anm. 564 paneg. 1: 52, Anm. 126 Plut. Demetrios 10, 5: 52, Anm. 120 Flamininus 10–11: 36, Anm. 22. – 16: 50, Anm. 112. – 17, 2: 52, Anm. 129

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Indices

Lucullus 23, 1: 54, Anm. 142; 68, Anm. 222 Marcellus 23, 7: 56, Anm. 154 mor. 338a: 52, Anm. 120. – 823e: 233, Anm. 235 Pompeius 38: 72, Anm. 244 Pol. 2, 37, 11: 36, Anm. 31. – 2, 38: 36, Anm. 30; 37, Anm. 32. – 7, 9: 36, Anm. 20. – 18, 22: 36, Anm. 21 Quint. inst. 6, 3, 77: 107, Anm. 424; 111, Anm. 442. – 6, 3, 79: 107, Anm. 428 schol. Lukian. Icarom. 24: 245, Anm. 297 Sen. Contr. 9, 4, 19: 168, Anm. 152 Serv. Aen. 1, 286: 202, Anm. 49 SHA Hadr. 12, 3: 245, Anm. 297 Sept. Sev. 3, 4: 245, Anm. 297 Stat. silv. 3, 3, 85–105: 306, Anm. 565 Strab. 4, 3, 2: 107, Anm. 428; 202, Anm. 49. – 12, 3, 1: 72, Anm. 244. – 12, 5, 1: 158, Anm. 93. – 12, 6, 5: 158, Anm. 93. – 12, 18, 14: 95, Anm. 361. – 13, 4, 9: 68, Anm. 221. – 14, 1, 31: 40, Anm. 54. – 14, 1, 38: 61, Anm. 180. – 14, 1, 42: 45, Anm. 85; 69, Anm. 226; 87, Anm. 323; 117, Anm. 484; 165, Anm. 129; 201, Anm. 45; 233, Anm. 233. – 14, 2, 24: 69, Anm. 227; 87, Anm. 323; 165, Anm. 129. – 14, 3, 3: 79, Anm. 284; 235, Anm. 250; 239, Anm. 262 Suda (FGrH 505 T 1): 296, Anm. 512 Suet. Aug. 52: 89, Anm. 333 Cal. 21: 245, Anm. 297 Claud. 2, 1: 107, Anm. 428. – 25, 3: 82, Anm. 307; 102, Anm. 398 Dom. 7, 2: 259, Anm. 365 Iul. 1: 253, Anm. 329 Symm. epist. 1, 17: 57, Anm. 158 Tac. ann. 1, 57, 2: 109, Anm. 436; 109, Anm. 437; 187, Anm. 225. – 1, 78, 1: 107, Anm. 425; 110, Anm. 439; 145, Anm. 21. – 2, 47, 3: 292, Anm. 494. – 2, 59, 1–3: 136, Anm. 564. – 3, 44: 202, Anm. 49. – 4, 15: 107, Anm. 427; 145, Anm. 21. – 4, 37, 1: 45, Anm. 83; 107, Anm. 426; 112, Anm. 450; 134, Anm. 553; 213, Anm. 116. – 4, 37, 3: 89, Anm. 331. – 4, 56: 49, Anm. 103; 252, Anm. 321. – 12, 62–63: 222, Anm. 173. – 13, 51: 242, Anm. 276. – 14, 28: 126, Anm. 520. – 14, 31: 126, Anm. 519; 232, Anm. 232; 242, Anm. 277; 244, Anm. 286. – 15, 20–22: 145, Anm. 22; 168, Anm. 152. – 15, 21: 146, Anm. 25; 177, Anm. 190. – 16, 21: 145, Anm. 24. – 16, 23: 304, Anm. 555

hist. 2, 81–84: 176, Anm. 187 Vell. 2, 120, 1: 210, Anm. 94

b) Rechtsquellen Cod.Theod. 11, 7, 4: 266, Anm. 398. – 12, 12, 1: 146, Anm. 28. – 12, 12, 9: 146, Anm. 28 Dig. 1, 15: 222, Anm. 172. – 1, 18, 13: 305, Anm. 561. – 3, 4, 1: 144, Anm. 16. – 27, 1, 6, 2: 266, Anm. 397. – 27, 1, 17, 6: 222, Anm. 171. – 27, 1, 26: 222, Anm. 171. – 36, 1, 1, 15: 144, Anm. 16. – 47, 14, 1: 259, Anm. 369. – 50, 4, 1: 302, Anm. 539. – 50, 4, 18: 302, Anm. 539. – 50, 5, 10: 222, Anm. 171. – 50, 6, 6 (5) 5, 5: 255, Anm. 338 FIRA I 13: 264, Anm. 388. – II 284: 223, Anm. 175. – II 285: 225, Anm. 193

c) Inschriften AE 1897, 100: 210, Anm. 95 1919, 25: 214, Anm. 125 1924, 61: 210, Anm. 95 1929, 99–100: 120, Anm. 504 1947, 69: 113, Anm. 458 1956 55: 218, Anm. 147 1957, 19: 121, Anm. 507 1966, 548: 218, Anm. 147 1967, 522: 168, Anm. 152 1969/70, 548: 185, Anm. 221. – 665: 218, Anm. 147 1971, 395: 185, Anm. 221. – 430–431: 232, Anm. 230 1972, 766: 218, Anm. 147 1976, 677–685: 99, Anm. 385 1977, 613: 91, Anm. 346 1979, 624: 105, Anm. 417; 145, Anm. 21; 153, Anm. 63; 235, Anm. 251; 250, Anm. 314; 305, Anm. 562 1982, 162: 256, Anm. 344 1987, 198: 219, Anm. 153. – 749: 34, Anm. 12; 113, Anm. 457 1988, 106: 215, Anm. 125 1989, 608: 128, Anm. 528 1990, 858: 218, Anm. 146 1993, 1245a: 219, Anm. 147 1994, 1288: 219, Anm. 147 1999, 1279: 185, Anm. 221. – 1425–1428: 162, Anm. 117; 166, Anm. 135; 232, Anm. 229. – 1722: 218, Anm. 147. – 1723: 218, Anm. 147

Quellenindex 2000, 760: 114, Anm. 464. – 1078: 218, Anm. 147 2003, 1366: 126, Anm. 522; 215, Anm. 125 2004, 772: 110, Anm. 438 2005, 1487: 81, Anm. 299 2006, 431: 19, Anm. 23. – 1449–1450: 199, Anm. 30 AEA 1993/98, 140: 219, Anm. 147 1999/00, 19: 219, Anm. 147 2001/02, 39: 219, Anm. 147 2007, 49: 219, Anm. 147 AErt 1943, 4: 126, Anm. 522; 215, Anm. 125 AJ 33 (1876), 262: 215, Anm. 125; 303, Anm. 548 AvHierapolis 40–41: 199, Anm. 30; 200, Anm. 37; 257, Anm. 351 Anc. Macedonia 6 (1999), 1319, 1320B, 1321C: 166, Anm. 135 AvP VIII 2, 374: 213, Anm. 115; 213, Anm. 117; 223, Anm. 182. – VIII 3, 165: 234, Anm. 242 Aybek, Ausgrabungen in Metropolis (Ionien): 165, Anm. 128 Baker / Thériault, Xanthos et le Letoon: 118, Anm. 485; 158, Anm. 98 Balland, Inscriptions du Létôon 18–19: 81, Anm. 298. – 65, 71, 76, 91: 83, Anm. 311. – 67: 104, Anm. 414. – 69: 83, Anm. 311; 234, Anm. 243 BE 1961, 399: 258, Anm. 361 1966, 393: 79, Anm. 282; 168, Anm. 153 1968, 507: 79, Anm. 282; 168, Anm. 153 1973, 451: 105, Anm. 417; 145, Anm. 21; 153, Anm. 63; 235, Anm. 251; 250, Anm. 314; 305, Anm. 562 1995, 414: 166, Anm. 135 2000, 473: 162, Anm. 117; 232, Anm. 229 Bean / Mitford, Journeys in rough Cilicia 44: 168, Anm. 152 Bean, Notes and inscriptions from Lycia 11: 50, Anm. 106; 80, Anm. 293 Bosch, Quellen zur Geschichte der Stadt Ankara 51: 223, Anm. 177; 223, Anm. 179; 227; 227, Anm. 203; 228; 228, Anm. 210; 247, Anm. 304. – 102: 246, Anm. 302. – 105–106: 303, Anm. 540. – 117: 303, Anm. 541 Brun / Gascou, Un grand-prêtre du culte impérial de la province Narbonnaise: 113, Anm. 463; 114, Anm. 465; 114, Anm. 466; 116, Anm. 476 CID IV 106, 107, 127, 128, 130: 39, Anm. 46

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CIG 2744: 79, Anm. 282; 168, Anm. 153. – 2782: 203, Anm. 52. – 2957: 52, Anm. 125; 83, Anm. 308 CIL I2 593: 264, Anm. 388. – 725: 81, Anm. 296. – 726: 81, Anm. 297 II 2230: 214, Anm. 125. – II 2410: 214, Anm. 125; 215, Anm. 125; 303, Anm. 548. – 2637: 156, Anm. 80. – 3133: 218, Anm. 147. – 3271: 112, Anm. 453; 116; 119, Anm. 491; 156, Anm. 77. – 3395: 156, Anm. 77. – 4089: 262, Anm. 378. – 4181: 262, Anm. 378. – 4183: 262, Anm. 378. – 4213: 218, Anm. 144. – 4214: 218, Anm. 144. – 4215: 156, Anm. 80. – 4223: 156, Anm. 80. – 4248: 19, Anm. 22; 156, Anm. 80; 260; 260, Anm. 374; 261. – 5214: 156, Anm. 80. – 5875: 218, Anm. 147. – 6093: 156, Anm. 80. – 6094: 156, Anm. 80; 218, Anm. 144. – 6101: 215, Anm. 125. – 6278: 231, Anm. 227 II2/7, 300: 214, Anm. 125. – 301: 152, Anm. 57; 215, Anm. 125; 219, Anm. 156; 223; Anm. 174; 303, Anm. 548 II2/14, 840: 262, Anm. 378. – 853: 262, Anm. 378. – 1094: 262, Anm. 378. – 1103: 215, Anm. 125. – 1114: 156, Anm. 80. – 1133–1134: 218, Anm. 144. – 1135: 156, Anm. 80; 218, Anm. 144. – 1136: 156, Anm. 80. – 1146: 156, Anm. 80. – 1194: 19, Anm. 22; 156, Anm. 80; 260; 260, Anm. 374; 261. – 1199: 214, Anm. 125; 218, Anm. 143; 218, Anm. 145 III 467: 303, Anm. 546. – 1433: 185, Anm. 221. – 1741: 128, Anm. 528. – 2733: 91, Anm. 346. – 2810: 128, Anm. 529. – 3482: 215, Anm. 125. – 7902: 303, Anm. 550 IV 4208: 263 V 7980: 242, Anm. 279. – 8917: 210, Anm. 95 VI 250: 256, Anm. 344. – 372: 81, Anm. 296. – 29687: 214, Anm. 125; 217, Anm. 140. – 30723: 256, Anm. 344. – 30927: 81, Anm. 297. – 31267: 112, Anm. 452; 119, Anm. 491 VII 28: 214, Anm. 125; 217, Anm. 137 VIII 19621: 219, Anm. 148. – 22009: 303, Anm. 545 IX 3186: 215, Anm. 125. – 5834: 57, Anm. 159. – 6083, 136: 219, Anm. 147 X 7584: 208, Anm. 87; 256, Anm. 348

352

Indices

XII 392: 118. – 2516: 120, Anm. 501. – 4333: 123, Anm. 514; 124. – 6038: 34, Anm. 12; 113, Anm. 457; 148, Anm. 39; 224, Anm. 185; 230; 242, Anm. 280; 243, Anm. 282; 245, Anm. 298 XIII 1664: 107, Anm. 428. – 1675: 242, Anm. 280; 253, Anm. 327. – 1680: 260; 260, Anm. 372; 263. – 1686: 206, Anm. 72; 243, Anm. 280. – 1688: 206, Anm. 73; 243, Anm. 280. – 1690: 206, Anm. 75; 243, Anm. 280. – 1694: 260; 260, Anm. 372; 263. – 1695: 206, Anm. 75; 243, Anm. 280. – 1697: 206, Anm. 75; 243, Anm. 280; 254, Anm. 333. – 1703: 206, Anm. 75; 243, Anm. 280. – 1707: 206, Anm. 72; 243, Anm. 280. – 1708: 206, Anm. 72. – 1709: 206, Anm. 73; 243, Anm. 280. – 1725: 214, Anm. 125; 215, Anm. 125; 262, Anm. 379. – 1797: 256, Anm. 348. – 1808: 208, Anm. 87; 256, Anm. 348. – 1825: 256, Anm. 348. – 1900: 91, Anm. 346. – 1921: 91, Anm. 346. – 3162: 256, Anm. 346. – 3528: 206, Anm. 75; 243, Anm. 280; 254, Anm. 333. – 5116: 206, Anm. 75; 243, Anm. 280. – 6211: 219, Anm. 147. – 11480: 254, Anm. 332; 256, Anm. 343 XIV 324: 219, Anm. 152. – 326–328: 152, Anm. 59; 214, Anm. 125; 217, Anm. 139; 219, Anm. 150; 222, Anm. 167; 255, Anm. 341. – 2112: 144, Anm. 15 Collart, Les milliaires de la Via Egnatia 2: 303, Anm. 544 Cottier, The customs law of Asia: 226, Anm. 198 Drew-Bear, Deux décrets hellénistiques d’Asie Mineure: 55, Anm. 146; 65, Anm. 202; 65, Anm. 206; 68; 91, Anm. 342; 180, Anm. 205; 200, Anm. 35; 201; 201, Anm. 44; 201, Anm. 45 Dreyer, Das Stadion, die Sitzinschriften und die Gesellschaft von Magnesia am Mäander: 162, Anm. 119 Dreyer / Engelmann, Augustus und Germanicus im ionischen Metropolis: 199, Anm. 30; 201, Anm. 40 EEpigr. IV 717: 215, Anm. 125; 303, Anm. 548 Ehrenberg / Jones, Documents illustrating the reigns of Augustus and Tiberius 42: 112, Anm. 452; 119, Anm. 491. – 98: 198, Anm. 26; 199, Anm. 30. – 99: 199,

Anm. 26. – 105: 243, Anm. 282. – 315: 96, Anm. 364; 142, Anm. 5 EKM 1 Beroia 55: 166, Anm. 135. – 73: 166, Anm. 134. – 75: 166, Anm. 133 Ferrary, Les inscriptions du sanctuaire de Claros en l’honneur de Romains 4: 43, Anm. 65; 43, Anm. 66 FiE III 40: 199, Anm. 30. – 66: 50, Anm. 113. – 80: 199, Anm. 30 IV 3, 24: 92, Anm. 351 Fouilles de Delphes III 4, 302: 39, Anm. 48 Gonzáles / Crawford, The lex Irnitana: 143, Anm. 13; 152, Anm. 58 Habicht, New evidence on the province of Asia: 66, Anm. 211; 239; 240, Anm. 266; 241, Anm. 273–274 Hatzopoulos, Macedonian institutions, Bd. 2: Epigraphic appendix 32: 59, Anm. 167. – 33–34: 59, Anm. 169 Hauvette-Besnault / Dubois, Inscriptions de Tralles 12: 64, Anm. 200; 180, Anm. 205 Herrmann, Milet unter Augustus. C. Iulius Epikrates und die Anfänge des Kaiserkultes: 157, Anm. 86 ICret I vii 9: 168, Anm. 151 III iv 9: 78, Anm. 276; 168, Anm. 150 III ix 10: 168, Anm. 151 IV 250–251: 79, Anm 281. – 275–276: 168, Anm. 151. – 305: 168, Anm. 151. – 306 A: 168, Anm. 151. – 330: 168, Anm. 151. – 443: 168, Anm. 152 ICUR 09, 24040: 219, Anm. 147 IDR 3/2, 93: 303, Anm. 550 IEAquil 140: 215, Anm. 125; 303, Anm. 548 IG II2 4193: 113, Anm. 458; 113, Anm. 459; 116, Anm. 471; 116, Anm. 473 V 2, 304: 178, Anm. 196. – 370: 178, Anm. 196 XII 2, 25: 50, Anm. 114; 83, Anm. 309. – 58: 106, Anm. 422; 134, Anm. 552 XII 9, 899b: 50, Anm. 105 XIV 645: 264, Anm. 388 IGBulg III, 1, 880: 168, Anm. 148. – 1183: 252, Anm. 232 V 5592: 127, Anm. 524; 127, Anm. 525; 167, Anm. 147. – 5408: 168, Anm. 148; 186, Anm. 223 IGLS 1314: 100, Anm. 389 IGR III 137: 96, Anm. 364; 142, Anm. 5. – 483: 81, Anm. 298. – 495: 83, Anm. 311; 234, Anm. 243. – 500: 172, Anm. 165; 172, Anm. 169. – 563: 83, Anm. 310. – 679: 239, Anm. 263. – 704: 239,

Quellenindex Anm. 263. – 739: 212, Anm. 109; 239, Anm. 263; 248, Anm. 310. – 950: 76, Anm. 257. – 994: 76, Anm. 261 IV 39: 106, Anm. 422; 134, Anm. 552. – 149: 244, Anm. 292. – 188: 53, Anm. 132; 64, Anm. 198; 91, Anm. 341; 180, Anm. 205. – 291: 64, Anm. 199; 91, Anm. 341; 180, Anm. 205. – 292: 45, Anm. 84; 52, Anm. 130. – 293: 45, Anm. 84; 52, Anm. 130. – 297: 45, Anm. 84; 64, Anm. 195; 91, Anm. 340. – 352: 276, Anm. 453. – 454: 234, Anm. 242. – 643: 257, Anm. 357. – 657: 203, Anm. 60. – 821: 199, Anm. 30; 200, Anm. 37. – 822: 199, Anm. 30; 200, Anm. 37. – 860: 91, Anm. 346. – 1236: 265, Anm. 391. – 1244: 257, Anm. 354. – 1474: 203, Anm. 53, 55. – 1756: 199, Anm. 26 IK Alexandreia Troas 56: 303, Anm. 546 IK Kibyra 63: 257, Anm. 358 IK Metropolis I: 50, Anm. 110 IK Nikaia 73, 116: 167, Anm. 138 IK Nikaia 1260: 203, Anm. 59 IK Pessinous 12, 14, 17–19: 170–171; 176, Anm. 183 IK Prusa ad Olympum 24: 167, Anm. 138 IK Prusias ad Hypium 7, 47: 171, Anm. 159 ILAlg 2, 1, 1594: 219, Anm. 147 ILD 554: 185, Anm. 221 ILGN 3: 210, Anm. 95 ILS 31: 81, Anm. 296. – 32: 81, Anm. 297. – 103: 112, Anm. 452; 119, Anm. 491. – 112: 123, Anm. 514. – 926: 57, Anm. 159. – 938: 128, Anm. 528. – 1359: 208, Anm. 87; 256, Anm. 348. – 1454: 256, Anm. 348. – 3675: 256, Anm. 344. – 5163: 231, Anm. 227. – 6085: 264, Anm. 388. – 6964: 34, Anm. 12; 113, Anm. 457; 242, Anm. 280. – 7024: 91, Anm. 346. – 7025: 91, Anm. 346. – 7129: 185, Anm. 221. – 7155: 303, Anm. 550. – 7157: 128, Anm. 529. – 8781: 96, Anm. 364; 142, Anm. 5 ILTun 1715: 218, Anm. 147 IMSup III/2, 31: 218, Anm. 146 InscrAqu 1, 909: 215, Anm. 125; 303, Anm. 548 IScM I 207: 117, Anm. 477 III 99: 117, Anm. 480. – III 100: 117, Anm. 480 V 194: 128, Anm. 535 ITebessa 3: 218, Anm. 147

353

IvDidyma 107: 244; 244, Anm. 291. – 148: 213, Anm. 114; 241, Anm. 275; 244, Anm. 289. – 488: 67, Anm. 218 IvEphesos Ia 13: 239; 239–242; 245–247. – 14: 241, Anm. 271. – 15–16: 204, Anm. 68. – 17–19: 213, Anm. 115; 213, Anm. 121; 214, Anm. 122. – 22: 213, Anm. 114. – 23: 163, Anm. 119; 305, Anm. 558 II 212: 226, Anm. 200. – 234–235, 237, 239, 240, 241, 242: 157, Anm. 87; 176, Anm. 185. – 251: 52, Anm. 125; 65, Anm. 207; 83, Anm. 308. – 274: 304, Anm. 557. – 423, 424, 424a, 425, 425a: 157, Anm. 87; 176, Anm. 186. – 444: 257, Anm. 355. – 461: 157, Anm. 87; 176, Anm. 186. – 472: 163, Anm. 119; 305, Anm. 558. – 498: 257, Anm. 357. – 508: 157, Anm. 87; 176, Anm. 185 III 627: 305, Anm. 560. – 638, 638a: 157, Anm. 87. – 642: 163, Anm. 119; 305, Anm. 558. – 721: 233; 234 IV 1128, 1129, 1129a, 1129a2, 1129a3: 157, Anm. 87 V 1498: 157, Anm. 87 VII/1 3056: 305, Anm. 560. – 3066: 304, Anm. 556. – 3071: 304, Anm. 554. – 3217: 157, Anm. 87 VII/2 3801: 213, Anm. 115. – 4105, 5101, 5113: 157, Anm. 87 IvErythrai 207: 41, Anm. 58. – 347–359: 41, Anm. 60 IvKyzikos II 24: 43, Anm. 68 IvMagnesia 16: 53, Anm. 137. – 187: 163, Anm. 119163, Anm. 119; 305, Anm. 558 IvMilet VI 3, 1131: 43, Anm. 69; 157, Anm. 84 IvMylasa 135: 50, Anm. 115 IvOlympia 327: 45, Anm. 84; 53, Anm. 132; 64, Anm. 197; 91, Anm. 341. – 449–450: 177, Anm. 194 IvPergamon II 381, 383A: 43, Anm. 67. III 151: 167, Anm. 137 IvPriene 55: 41, Anm. 59; 41, Anm. 62. – 106: 91, Anm. 343 IvSmyrna 697: 145, Anm. 21; 226, Anm. 199 Keil / Gschnitzer, Neue Inschriften aus Lydien 8: 121, Anm. 507; 145, Anm. 21; 153, Anm. 63; 232, Anm. 228; 237, Anm. 254; 251, Anm. 216 Kuznecov, Neue Inschriften aus Phanagoreia: 158, Anm. 96

354

Indices

Laffi, Le iscrizioni: 150, Anm. 49; 198, Anm. 26; 199, Anm. 30; 201; 201, Anm. 40; 201, Anm. 41 LBW 2734: 234, Anm. 244 Magnelli, Per la storia di Creta in età romana: 168, Anm. 152 MAMA VIII 426: 79, Anm. 282; 168, Anm. 153 Marek, Inschriften von Kaunos: 237, Anm. 255; 238; 238, Anm. 259; Mitchell, The treaty between Rome and Lycia of 46 BC: 81, Anm. 299; 82, Anm. 301; 82, Anm. 306; 239, Anm. 265 Mitchell / French, Inscriptions of Ankara (Ancyra) 2: 97, Anm. 369–372; 157, Anm. 90; 169; 170; 223, Anm. 177; 223, Anm. 179; 228, Anm. 207–210; 247, Anm. 304. – 3: 170. – 4: 170; 246, Anm. 302. – 8: 171. – 33: 169, Anm. 155. – 50: 77, Anm. 268. – 72–74: 170; 303, Anm. 540. – 75–77: 303, Anm. 540. – 81: 171; 303, Anm. 541. – 82: 171; 176, Anm. 183; 176, Anm. 184; 180, Anm. 206. – 83; 171; 176, Anm. 184; 214, Anm. 123. – 86: 171. – 88: 171; 176, Anm. 184. – 89; 90: 171. – 91–95: 171. – 96–102: 171; 176, Anm. 184; 180, Anm. 206. – 103–106: 171. – 116–117: 171; 176, Anm. 184. – 118–119; 171; 176, Anm. 184. – 140–143: 171 Mitford, A Cypriot oath of allegiance to Tiberius: 77, Anm. 266 Moretti, Iscrizioni agonistiche greche 62: 101, Anm. 394 Nigdelis / Lioutas, A new inscription from Mygdonia: 181, Anm. 207 OGIS 99: 80, Anm. 293. – 164–165: 75, Anm. 254. – 222: 40, Anm. 54; 40 Anm. 55; 40 Anm. 56. – 437: 45, Anm. 84; 53, Anm. 135; 64, Anm. 195; 91, Anm. 340. – 438: 64, Anm. 197; 64, Anm. 198; 64, Anm. 199; 68, Anm. 223; 91, Anm. 341; 180, Anm. 205. – 439: 45, Anm. 84; 64, Anm. 197; 91, Anm. 341. – 456: 106, Anm. 422; 134, Anm. 552. – 484: 276, Anm. 453. – 495: 257, Anm. 358. – 525: 305, Anm. 560. – 531: 167, Anm. 144; 186, Anm. 223. – 532: 96, Anm. 364; 142, Anm. 5. – 544: 303, Anm. 540. – 555: 81, Anm. 298. – 556: 83, Anm. 310. – 582: 76, Anm. 261. – 709: 136, Anm. 566. – 763: 40, Anm. 55 Oliver / Meritt, Greek inscriptions 32: 113, Anm. 458; 116, Anm. 473

Oliver, Greek constitutions of early Roman emperors from inscriptions and papyri 8–12: 131, Anm. 545 PanDeser 64, 64a: 218, Anm. 147 Paris, Inscriptions d’Élatée 373–374: 203, Anm. 57 Petzl / Schwertheim, Hadrian und die dionysischen Künstler: 39, Anm. 49; 66, Anm. 213; 131, Anm. 545 Pouilloux / Roesch / Marcillet-Jaubert, Salamine de Chypre XIII, Testimonia Salaminia 2, 48: 234, Anm. 244 Reitzenstein, Die lykischen Bundespriester 1: 159, Anm. 100. – 3: 159, Anm. 102. – 4: 159, Anm. 104; 172, Anm. 166. – 5: 159, Anm. 105; 172, Anm. 166. – 13: 83, Anm. 311. – 43: 172, Anm. 167. – 39: 172, Anm. 168. – 61: 257, Anm. 358 Reitzenstein, Neue Inschriften aus Tlos: 171, Anm. 160 Rey-Coquais, Inscriptions Grecques d’Apamée 1–9: 99, Anm. 385. – 2: 157, Anm. 89 Reynolds, New letters from Hadrian to Aphrodisias 1–4: 231, Anm. 225–226 RIB 21: 214, Anm. 125; 217, Anm. 137 II 2409, 35: 214, Anm. 125; 215, Anm. 125; 303, Anm. 548 Rigsby, Asylia 9: 53, Anm. 137. – 66–131: 53, Anm. 137. – 167: 53, Anm. 137. RIT 40: 262, Anm. 378. – 50: 262, Anm. 378. – 242: 262, Anm. 378. – 284: 210, Anm. 95. – 332: 263 RIU 146: 126, Anm. 522; 215, Anm. 125 Robert, Le culte de Caligula 210: 213, Anm. 114; 241, Anm. 275; 244, Anm. 289 Robert, Les Gladiateurs dans l’Orient Grec 44: 219, Anm. 147 Robert, REG 89 (1976), 532–537: 240, Anm. 266; 90 (1977), 408: 240, Anm. 266 Robert, Voyages 184–186: 213, Anm. 114 Roueché, Aphrodisias in late antiquity 19: 79, Anm. 282; 168, Anm. 153 Schindler, Die Inschriften von Bubon 2: 105, Anm. 417; 121, Anm. 507; 145, Anm. 21; 153, Anm. 63; 235, Anm. 251; 250, Anm. 314; 305, Anm. 562 SEG 2, 1923, 513: 168, Anm. 151 4, 1929, 539: 257, Anm. 355 12, 1955, 922–923: 120, Anm. 504 17, 1960, 315: 265, Anm. 396. – 528: 121, Anm. 507; 145, Anm. 21; 153, Anm. 63;

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Quellenindex 232, Anm. 228; 237, Anm. 254; 251, Anm. 216; 303, Anm. 542 18, 1962, 570: 50, Anm. 106; 80, Anm. 293 23, 1968, 591: 168, Anm. 152 28, 1978, 738: 168, Anm. 152 29, 1979, 181: 113, Anm. 458 37, 1987, 884: 240, Anm. 266. – 1010: 44, Anm. 73 39, 1989, 1243: 42, Anm. 64. – 1244: 42, Anm. 64. – 1284: 47, Anm. 90 41, 1991, 1117: 101, Anm. 394 46, 1996, 1519: 45, Anm. 79. – 1721: 45, Anm. 78 48, 1998, 748: 166, Anm. 135 49, 1999, 815–818: 162, Anm. 117; 166, Anm. 135; 232, Anm. 229. – 1016: 117, Anm. 480 50, 2000, 1096: 131, Anm. 545; 231, Anm. 226 52, 2002, 879: 168, Anm. 151. – 1552–1560: 99, Anm. 385. – 1553: 157, Anm. 189 54, 2004, 1396: 83, Anm. 311 55, 2005, 1452: 81, Anm. 299 56, 2006, 1113: 19, Anm. 23. – 1231: 53, Anm. 137. – 1499: 199, Anm. 30; 200, Anm. 37; 257, Anm. 351 57, 2007, 1666: 238, Anm. 261. – 1673: 304, Anm. 553. – 1838: 44, Anm. 75 Sharankov, The Thracian koinon: New epigraphic evidence: 127, Anm. 524–525; 150, Anm. 48; 154, Anm. 64; 164, Anm. 124; 167, Anm. 147; 168, Anm. 148–149; 186, Anm. 223; 199, Anm. 26; 229, Anm. 214; 236; 236, Anm. 253 Sherk, Roman documents 47: 45, Anm. 84; 64, Anm. 195; 91, Anm. 340. – 52: 66, Anm. 210; 73, Anm. 251; 91, Anm. 343; 200, Anm. 35. – 57: 66, Anm. 212; 73, Anm. 251; 91, Anm. 344. – 65: 150, Anm. 49 Syll. 3700: 52, Anm. 131. – 3760: 52, Anm. 125; 65, Anm. 207; 83, Anm. 308 Takmer, Lex Portorii Provinciae Lyciae: 159, Anm. 104; 172, Anm. 161; 238, Anm. 260–261 TAM II 578: 239, Anm. 263. – 583: 83, Anm. 310. – 790: 83, Anm. 311. – 905: 83, Anm. 311; 172, Anm. 167; 212, Anm. 109; 234, Anm. 247; 239, Anm. 263; 248, Anm. 310; 248, Anm. 313. – 916: 83, Anm. 311. – 1203: 239, Anm. 263

IV 33: 167, Anm. 141. – 262: 203, Anm. 58 V 933: 257, Anm. 356. – 966: 257, Anm. 354. – 978: 258, Anm. 359 Velenis, Epigraphes apo ten archaia agora tes Thessalonikes 1317–1327: 162, Anm. 117; 232, Anm. 229 Williamson, A Roman law from Narbonne: 114–115 Wörrle, Pergamon 62; 62, Anm. 184–186 Wörrle, Zwei neue Inschriften aus Myra: 102, Anm. 400; 103, Anm. 405–406; 149; Anm. 47; 238, Anm. 257; 262, Anm. 381 Wörrle, Stadt und Fest: 62, Anm. 188; 67, Anm. 217; 102, Anm. 397; 121, Anm. 506; 122, Anm. 509; 150, Anm. 103; 160, Anm. 109; 230, Anm. 222

d) Papyri BGU II 362: 212, Anm. 112; 223, Anm. 178; 223, Anm. 180; 223, Anm. 181; 223, Anm. 183; 224, Anm. 186; 224, Anm. 190; 224, Anm. 191; 225; 247, Anm. 305 CJP II 153: 136, Anm. 568, 137, Anm. 569 Oliver, Greek constitutions of early Roman emperors from inscriptions and papyri 16–17: 136, Anm. 564 P.Bad. 37: 276, Anm. 454 P.Berol. Inv. 11547: 136, Anm. 564 P.Dura 60 B: 299 Anm. 522 P.Lond. VI 1912: 136, Anm. 568 P.Oxy. II 237: 261, Anm. 381 P.Oxy. XXV 2435: 136, Anm. 564

e) Münzen Aulock, Münzen und Städte Lykaoniens: 283 BMC Cilicia 197: 282 BMC Crete 24, 30: 286 BMC Cyprus 36–41: 275, Anm. 448; 284 BMC Emp. I 647–649: 86, Anm. 321; 88, Anm. 328; 177, Anm. 189 BMC Galat. 43: 287 BMC Lycaonia, Isaurica, Cilicia 190–191: 282 BMC Macedonia 151–153: 288 BMC Phoen. 268: 287 BMC Pontus 1–15: 280 Klose, Die Münzprägung von Smyrna in der römischen Zeit, 1 (= Taf. VI Nr. 5): 278 Koš, The Provincia Moesia Superior in Viminacium: 289

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Indices

Liampi, Die Münzprägung des Makedonischen Koinon in der Kaiserzeit 2–4: 287. – 1, 5–16: 288. – 17–34: 289 Peter, Religious-cultural identity in Thrace and Moesia Inferior, 109, Pl. 8.1.12: 289 Rec.gén. 1–1a: 280. – 8: 276, Anm. 451; 284. – 120–122: 280 RIC I2 Aug. 276: 86, Anm. 321; 88, Anm. 328; 177, Anm. 189. – Tib. 48: 293, Anm. 494 RPC I 11: 272, Anm. 420. – 218–226, 231: 111, Anm. 445. – 926: 189, Anm. 236; 285. – 1029–1039: 285. – 1371–1377: 290. – 1610–1612: 189, Anm. 234; 287. – 1613–1618: 287. – 1619–1625: 288. – 2031, 2065–2069, 2075: 279. – 2994– 2995: 277, Anm. 458; 278. – 3301–3333: 81, Anm. 298; 284. – 3334–3352: 284. – 3546–3547: 190, Anm. 240; 281. – 3548–3551: 281. – 3562–3564: 97, Anm. 374; 190, Anm. 241; 281. – 3565– 3567: 281. – 3927–3931: 284. – 3934–35: 284

II 1–45: 286. – 101–104: 272, Anm. 421. – 106, 219: 272, Anm. 421. – 331–336: 288. – 601–618: 279. – 1315: 200, Anm. 36. – 1389: 290. – 1501–1505: 283, Anm. 480. – 1614–1617: 281. – 1629: 282. – 1721: 290. – 1818–1826: 284 VII 330: 278 online 4126: 282. – 4261–4262, 4264–4265, 4267–4273, 4275–4284, 4286, 4289– 4294, 4296: 288. – 4563–4570: 290. – 4689–4292, 4694–4697: 286. – 5017: 288. – 5266–5270: 286. – 5844, 8505: 282. – 9612–9613: 288. – 10202: 282. – 10232, 10940: 288. – 10973: 286 SNG XII, 2, 2586–2588: 276, Anm. 451; 287 SNG Cop. 105: 281 SNG Aulock 99–104, 106–112, 114: 280. – 145–146: 276, Anm. 451; 284. – 279–291: 280. – 4206: 283, Anm. 480. – 4267– 4268: 275, Anm. 447; 283, Anm. 480. – 5989: 282. – 6121–6128: 281. – 6606– 6609, 6692, 6759–6760, 6762–6765, 6768, 6770, 6913–6917: 280

PERSONEN-, ORTS- UND SACHINDEX Personen erscheinen meist unter ihrem Gentilnamen. Herrscher und bekannte Persönlichkeiten sind unter ihrem im Deutschen geläufigen Namen angeführt. Griechische Begriffe sind in lateinischem Alphabet wiedergegeben. Achaia 28; 28, Anm. 61; 134; 134, Anm. 555; 176; 177; 177, Anm. 193; 178; 178, Anm. 198 Acmonia 203; 257 Actium 79; 135; 299 Aelius Aristides 131 Ägypten 29; 76; 86; 87; 88; 134–137; 294; 295 T. Aelius Minicius 117 L. Aemilius Paullus 58;59; 60, 63 Agenor, Sohn des Demetrios 64 Agon 133; 145, Anm. 21 Agonothet 180, Anm. 206; 200; 232 M. Agrippa 100 Agrippina 146, Anm. 24 Albiorix 158; 169, 170 Alexander der Große 40; 41; 42; 87; 175; 189; 277; 289, Anm. 482; 294 Alexandreia 40 Alexandria 135; 137; 259 Alexandria Troas 39, Anm. 49; 131, Anm. 545; 205

Alexandros Kleonos 292 allectus arcae Galliarum 206–209; 253 Alpes Maritimae 242 Alpes Poeninae 134 Altar / ara 105; 106, Anm. 421; 107; 109; 110; 111; 123; 124; 125; 128, Anm. 529; 221; 293; 295; 300 amicitia 160; 184 Amphiktyonie 38–39 amplissima collegia 147 Amyntas 95; 157; 169 Ancyra / Ankara 95; 134, Anm. 554; 157; 169–171; 180, Anm. 206; 190; 227; 227, Anm. 204; 281; 281, Anm. 469; 303 Andriake 172; 211; 241; 246; 247 M. Annius 52 annona 206 Antigoneia 38 Antigoniden 38; 47, Anm. 92 Antigonos Monophthalmos 51 Antiochia in Syrien 274; 275; 287 Antiochos I. Soter 40, Anm. 56

Personen-, Orts- und Sachindex Antiochos II. 44, Anm. 73 Antiochos III. 36; 44; 44, Anm. 73; 49; 80 Antiochos IV. Epiphanes 51 Ti. Antistius Marcianus 264 Antoninus Pius 163, Anm. 119; 188; 189; 190; 204; 265; 282; 283, Anm. 476; 285; 286; 288; 292; 305 L. Antonius Albus 163, Anm. 119; 305; 305, Anm. 559 M. Antonius Lepidus 90; 157 Antonius Polemon 145, Anm. 21; 226 Apameia in Phrygien 241; 245; 290 Apameia in Syrien 99; 100 Aphrodisias 64; 66, Anm. 210; 67; 68; 180; 201; 204; 231 Apoll 244; 245; 297, Anm. 514 Apoll Patroös 302 Aquileia 220 M. Aquilius 52 ara Dianae 123 ara Ubiorum 109; 187 Archiereia / Oberpriesterin 24, Anm. 52; 25, Anm. 53; 28, Anm. 60; 29; 44; 76; 159 Archiereus / Oberpriester 13, Anm. 2; 24, Anm. 52; 25, Anm. 53; 43; 44; 44, Anm. 73; 44, Anm. 75; 45; 46; 46, Anm. 87, 47; 47, Anm. 94; 55; 62; 68, Anm. 225; 74, Anm. 253, 75; 76; 76, Anm. 260; 79; 87; 90; 97; 98; 102, Anm. 397; 104; 104, Anm. 413; 108; 113; 116, Anm. 474; 127; 131; 133; 136; 137; 143; 144; 145; 145, Anm. 23; 153; 155, Anm. 68, 155–182; 184; 186, Anm. 223; 190; 191; 193; 201; 204; 205; 211; 212; 214; 225; 227; 228; 231; 232; 233; 234; 245, Anm. 298; 246; 247; 249; 255; 257; 258; 263; 265; 296; 302; 303; 304; 310 Archiphylax 212; 248; 265 Argyrotamias 203–204 Aristion 157 Aristocles 158; 170 Aristonikos 50; 62, Anm. 189 Arkadien 177–178 Armeniarch 128 Arminius 187 Arrian 179 M. Arruntius 159 M. Arruntius Claudianus 159 Arsinoe II. 56 Arsinoe in Ägypten 225; 247 Artemidoros von Ephesos 79 Artemis 64; 200; 245; 295

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Artemision von Ephesos 193; 226; 226, Anm. 200 Asiarch 13, Anm. 2; 45; 46; 46, Anm. 87; 68; 68, Anm. 225; 69; 144, Anm 19; 157; 160–182; 186, Anm 223; 193, Anm. 1; 257; 305 Asinius Pollio 278; 292 Asturica Augusta 261–262 Athen 51; 113; 116; 117; 129, Anm. 539; 275 Attaliden 42; 45; 46; 61; 66, Anm. 209; 183; 241; 293; 297; 305 Attalos III. 44, Anm. 73 Augusta Emerita 112 Augusta Traiana 167 Augustus / Octavian 43; 45; 51; 52; 57; 59; 61; 71; 73; 76; 76, Anm. 260; 77; 81; 83; 84; 85; 86; 87; 88; 89; 90; 91; 93; 95; 97; 98; 99; 106; 110; 111; 112; 113; 114; 119; 129; 131; 134, Anm. 554; 136; 138; 139; 141; 143; 150; 157; 158; 169; 177; 188; 201; 213; 222; 226; 227; 233, Anm. 236; 271; 272; 273; 281; 283; 293; 294; 295; 296; 297; 298; 299; 300; 309; 310 Augustus Constantius II. 79, Anm. 282 M. Aurelius Alexander 186, Anm. 223 L. (Aur.?) Annianus 257 M. Aurelius Gaianus 258 M. Aurelius Mindius Matidianus Pollio 305 Barata 283 M. Barea Soranus 304 Balbura 160 Barbia Procula 220 A. Barbius Auctus 220 Beroia 287–289 Bergidum Flavium 261 Bierzo 261 Bithyniarch 13, Anm. 2; 144, Anm. 19; 167; 167, Anm. 140; 144; 186, Anm. 223 Brutus 72; 73; 83; 86 Bubon 121, Anm. 507; 235; 249; 305 Bürgerrecht 17, Anm. 16; 46; 93, Anm. 354; 100; 103; 117, Anm. 480; 136; 143; 152; 154; 155; 156; 157; 159; 159, Anm. 104; 159, Anm. 105; 160; 160, Anm. 110; 174, Anm. 175; 204, 217; 222 Byzantion 222 Caesar 43; 46; 50, 52; 65; 65, Anm. 204; 66; 66, Anm. 209; 81; 83; 89; 92; 157; 158 Caesar Julian 79, Anm. 282 Caligula 123; 126; 137; 244 L. Calpurnius Piso 158 Camolodunum 242 CA-Prägungen 271; 293; 298–300

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Indices

Caracalla 188; 200; 226; 226, Anm. 200; 242; 282; 284; 289; 303 T. Flavius Carminius Athenagoras Claudianus 205 M. Ulpius Carminius Claudianus 204; 205 M. Ulpius Carminius Polydeukes Claudianus 204 C. Cassius 69 Cassius Dio 90; 92; 93; 273; 296; 297 Castor 169 Chalkis 49; 52 Cherusker 109; 187 Chremonideischer Krieg 77 Cicero 67, 68; 294 Cistophoren 106; 271; 293–297; 298; 299 Claudius 59; 84; 85; 97; 102; 102, Anm. 399; 103; 111; 126; 126, Anm. 521; 127; 136; 137; 138; 158; 159; 169; 179, Anm. 199; 188; 189; 213; 222; 238; 279; 283; 283, Anm. 476; 284; 285; 287; 291; 292; 301; 309 P. Claudius Abascantus 152; 216; 218; 219; 222; 222, Anm. 167; 255 Ti. Claudius Alexander 169; 169, Anm. 156; 171 Ti. Claudius Amphimachos 265 Ti. Claudius Aristion 157; 165; 176; 177 Ti. Claudius Bocchus 169, Anm. 156; 180, Anm. 206; 214 T. Claudius Deiotarus 170 Ti. Claudius Heras 170 Claudius Marcellus 163, Anm. 119 M. Claudius Marcellus 53, Anm. 133; 56; 57; 57, Anm. 155 T. Claudius Polemo 257 Ti. Claudius Polydeukes Marcellus 163, Anm. 119; 305 T. Claudius Sokrates 258 Claudius Timarchus 145 Ti. Claudius Zoticus 200 P. Clodius Thrasea Paetus 145; 145, Anm. 24 M. Cocceius Seleucus 170 collegia licita 142; 145 Commodus 105; 205; 222; 235; 282; 288; 305 Concilium / Concilia Africa Proconsularis 115; 116; 119; 128; 303 Alpenprovinzen 126–127; 309 Britannien 126–127; 232; 242; 243 Dakien 129; 185, Anm. 221; 229; 271; 274; 289; 291 Dalmatien 127–128; 309 Gallia Narbonensis 94; 113–126; 149; 149, Anm. 44; 243; 309

Germanien 94; 109–110; 111; 119; 131; 132; 230 Hispania citerior 24, 94; 106; 110–111; 119; 149, Anm. 43; 156; 156, Anm. 77; 156, Anm. 78; 210, Anm. 95; 214 Anm. 125; 218; 229, Anm. 216; 243; 260; 262; 263; 266 Hispania ulterior Baetica 24; 94; 106; 107; 112–113; 112, Anm. 452; 115; 116; 119; 119, Anm. 491; 126, Anm. 517; 134; 152; 156, Anm. 77; 214, Anm. 125; 215; 217; 218; 219; 220; 223; 224; 230, Anm. 219; 259; 263 Lusitania 24; 94; 106; 111–112 Mauretanien 126–127 Noricum 127–128 Pannonien 94; 126–127; 221; 309 Raetien 127–128 Sardinien 129 Tres Galliae 24; 90; 90, Anm. 337; 94; 106; 107–109; 111; 119; 120; 131; 158; 205–209; 219; 229; 242; 248; 253–257; 263; 266; 300; 308 conventus 110; 128; 128, Anm. 529; 156; 261; 276 conventus civium Romanorum 91 Corduba 230 L. Cornelius Bocchus 112 P. Cornelius Scipio Nasica Serapio 62, Anm. 189; 62, Anm. 190 C. Cornelius Valens 263; 264 corpus Cisalpinorum et Transalpinorum 254 Corsica 134 Q. Cosconius Fronto 208, Anm. 87 curator rei publicae 204; 204, Anm. 67–68; 206, Anm. 71; 242, Anm. 276; 251 curatores kalendarii 203 Cyrenaika 134 Dalisandos 283 Deiotaros 95 Delphi 50 Demetrieia 38 Demetrios Poliorketes 51 Demostheneia 67, Anm. 217; 121, Anm. 506; 122; 122, Anm. 509; 121, Anm. 506; 122; 122, Anm. 509 Derbe 283 Dexandros 98; 99, Anm. 387; 100; 157 Diadumenianus 288 Didyma 245, Anm. 297 Didymeia 53, Anm. 137 Diktynna 189, Anm. 237; 302; 304 Dion Chrysostomos 181; 241; 276

Personen-, Orts- und Sachindex Dionysios 65; 67 Dionysische Techniten 39; 147; 228–229 Dionysos 295 Dios Hieron 201 Diözesen 240; 241; 244; 246; 305 Divus Iulius 89; 90; 91; 92; 92, Anm. 351; 93 Dolabella 73 Domitian 119; 165; 166; 167; 174; 189; 259; 272; 282; 283; 286; 288; 290; 306 Drusus d.Ä. 107; 120; 218 Drusus d.J. 287; 292 Eirenaios 118; 158 Ekdikos 198–199 Elagabal 189; 277; 289 Emerita 230 Epheben 213; 214; 214, Anm. 122 Ephesos 64; 65; 70; 71; 89; 91; 92; 92, Anm. 351; 157; 163, Anm. 119; 174; 177; 200; 204; 226; 233; 234; 241; 242; 245; 246; 257; 275; 294; 295; 298; 300; 304 Epidaurum 128 Epiktet 233 Erythrai 41; 50 Euerget / Euergetismus / Euergesie 84, Anm. 317; 202; 204; 233 Euthydemos 69 Paullus Fabius Maximus 150 Paullus Fabius Persicus 214 L. Fabius Victor 218 familia gladiatoria 231 Faustina 288 ferrarie Gallicae 208; 243; 256 fiscus Asiaticus 240 Flamen / Flaminat 13, Anm. 2; 92, Anm. 351; 111; 111, Anm. 446; 112; 116; 118; 119; 119, Anm. 491; 120; 121; 122; 124; 125; 149; 156; 191; 218 Flamen Dialis 119 Flamen Divi Iuli 119 Flaminica 120; 120, Anm. 501; 126, Anm. 518 Flavia Appia 204 Flavier 19; 112, Anm. 451; 113; 127; 177; 241, Anm. 269; 246; 310 T. Flavius Eisigonos 200 T. Flavius Gaianus 180, Anm. 206 T. Flavius Montanus 257 T. Flavius Polybios 177; 178 Flussschifferkorporationen in Gallien 206; 253–258 Fourcade, Pascal 71, Anm. 243 Freigelassene der Landtage 25; 127; 152; 214–223; 226; 303; 308 L. Fulcinius Trio 112

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M. Fulvius Publicianus Nicephorus 257 P. Furius Saturninus 303 Galatarch 13, Anm. 2; 144, Anm. 19; 164, Anm. 121; 169–171; 180, Anm. 206; 214 Galba 281; 284 Galen 231 Gallienus 274; 280; 280, Anm. 467; 289; 291 Q. Gallius Pulcher 170 Q. Gargilius Martialis 210 Germanicus 76; 102, Anm. 399; 136, Anm. 564; 278; 292 Gesandtschaften 56; 121, Anm. 506; 145; 152; 223–224; 226; 244; 250; 251; 259; 263; 264; 265; 266; 275 Gladiatoren 231; 233 Gordian III. 274; 278; 283; 289 Gortyn 78; 285 Grammateus / Grammateis 13, Anm. 2; 68; 104, Anm. 413; 199–203; 211; 212; 249; 257 Gymnasiarch 234 Gytheion 120; 121, Anm. 506; 122; 122, Anm. 509 Hadrian 121, Anm. 506; 129; 129, Anm. 539; 135; 205; 206; 213; 214; 231; 244; 245, Anm. 297; 255; 256, Anm. 343; 259; 279; 280; 288; 303; 304; 308 Häduer 108; 109 Halys 95 Heliodoros 44, Anm. 75 Helladarch 181 Hellenarch 181 Hemerios 258 Hermeias 170 Herostratos, Sohn des Dorkalion 64 Herrscherkult 20; 23; 88; 90; 104; 105; 108; 109; 111; 112; 115; 122; 133; 137; 139; 219; 294; 295; 296; 297; 299; 310; 311 Hierapolis 200; 257 Hiereus / Hiereis 97; 98; 100; 168; 169; 190; 227, Anm. 204 Hierokles 65; 67 Hieron II. von Syrakus 56 Hipparch 83; 104; 178, Anm. 198 Hyde 283 Hymnoden 213–214 Hypogrammateus 211 Identität 14; 29; 179–191; 300–302; 310 Ilistra 283 Immobilienbesitz der Landtage 224–230 Immunitas 206 inquisitor Galliarum 206–209; 253; 253, Anm. 329; 266

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Indices

Ionisches Koinon 35, Anm. 15; 37; 39, Anm. 47; 40–43; 50; 53; 55; 90; 142; 157; Irni 216 iudex arcae ferrariarum 206–209; 256 iudex arcae Galliarum 206–209; 253; 266 Iulia Domna 284; 288 Iulia Mameia 289 L. Iulius Agrippa 99; 99, Anm. 387; 100 C. Iulius Epikrates 43; 46; 90; 157; 296 Iulius Faustus Iunior 200 C. Iulius Iulianus Tatianus 257 Gaius Iulius Ma[…] 263 Iulius Ponticus 170 C. Iulius Rufus 248 M. Iulius Serenianus Adoptivus 210, Anm. 95 C. Iulius Severus 170; 303 C. Iulius Vercondaridubnus 108; 158 C. Iulius Xeno 90; 157 Iunia Theodora 103 Kaiser 120; 121; 121, Anm. 507; 145; 156; 224; 225; 236; 236, Anm. 252; 242, Anm. 276; 249–253; 272; 292; 293; 295; 302; 308; 311 Kaiserbesuch 243; 247; 275 Kaisereid 77; 77, Anm. 267; 93, Anm. 354; 96, Anm. 364 Kalender / Kalenderreform 76; 77; 135; 150; 153; 198, Anm. 26; 200 Kallatis 117 Kasse der Landtage 201; 206; 242; 243; 253 Kaunos 82; 237; 238; 241; 249 Kelainai in Phrygien 247; 276 Kibyra 257 Kilikiarch 161; 258 Kleopatra VII. 86 Knidos 82 Knossos 78 „Koinarch“ 13, Anm. 2; 24, Anm. 52; 29; 76; 87; 104; 160; 161–182; 184; 185; 186, Anm. 223; 191; 258; 310 Koinon / Koina in klassischer und hellenistischer Zeit 34–40 Koinon / Koina in Republik und Kaiserzeit Armenia minor 128; 284; 291; 276; 284; 291 Asia 24; 29; 50; 51; 52; 60–71; 72; 77; 83; 85; 86–94; 98; 106; 107; 111; 112; 118; 125; 130; 132; 138; 143; 144; 150; 154; Anm. 68; 156; 157; 160; 161–163; 161–163, Anm. 113–119; 165–66; 165–166, Anm. 128–131; 180; 188; 198–205; 213; 226; 234; 236; 239–242; 244; 246–247; 252; 257; 259; 265; 271;

278–279; 290; 291; 294; 296; 297; 298–300; 303; 304; 305; 306, Anm. 563; 307; 309 Bithynia-Pontus 24; 29; 52; 71–73; 83; 85; 86–94; 98; 106; 125; 130; 132; 138; 143; 164, Anm. 123; 166–167; 167, Anm. 137– 146; 251, Anm. 318; 271; 279–280; 290; 291; 302; 305 Galatien 24; 90; 90, Anm. 337; 94; 95–98; 100; 111; 118; 119, Anm. 494; 131; 157; 164, Anm. 121; 168–171; 184; 188; 190; 227–229; 234; 246–247; 281–282; 290; 291; 302–303; 307 Kappadokien 94; 100–101 Kilikien 94; 118; 129; 258; 282; 290; 291 Kreta 29; 74–75; 77–79; 85; 94; 131; 145, Anm. 22; 168; 180; 188; 189–190; 285–286; 290; 291; 302; 304; 309 Lykien 18; 24; 29; 45; 56; 73; 74–75; 76, Anm. 260; 79–85; 94; 101–105; 118; 121, Anm. 507; 131; 139; 144, Anm. 18; 145, Anm. 21; 149; 154; Anm. 68; 156; 158; 159; 160; 163, Anm. 120; 171–174; 175; 176; 180; 210–212; 226; 234; 235; 236; 236, Anm. 252; 237; 238; 239; 248; 249–250; 252; 262, Anm. 381; 265; 275; 283–284; 290; 291; 302; 304; 305 Macedonia 18; 24, Anm. 52; 28; 52; 58–60; 60, Anm. 175; 63; 85; 118; 164, Anm. 122; 166; 166, Anm. 132–136; 175; 188; 189; 193; 232; 234; 265; 271, Anm. 417; 277; 287–289; 290; 301–302; 303 Moesia inferior 128; 224 Moesia superior 128; 271; 274; 289; 291; 289; 291 Sicilia 29; 56–57; 68; 85; 151 Syrien 94; 98–100; 111; 119, Anm. 494; 131; 157; 275; 287; 291; 309 Thrakien 24, Anm. 51; 94; 126–127; 150, Anm. 48; 164, Anm. 124; 167; 167–168, Anm. 147–149; 236; 252; 289; 291; 302 Westpontisches Koinon 94; 116; 117; 128; 280; 291 Zypern 29; 74–77; 85; 94; 131; 188; 193; 234; 275; 284; 290; 291; 309 Kolophon 42 Konstantin 266 Korinth 103; 178 Kretarch 78; 79; 168; 180; 189 Kybele 190 Kydas 189 Kynoskephalai 36

Personen-, Orts- und Sachindex Kyzikos 53, Anm. 137; 204; 244; 245, Anm. 297; 249 Laodikeia am Lykos 91, Anm. 346 Laranda 283 Latinius Alexander 303 lex Irnitana 152; 216; 222 lex Narbonensis / lex de flamonio provinciae Narbonensis 34; 100, Anm. 390; 113–126; 129; 147; 148; 149; 207; 224, Anm. 185; 230; 243 lex Rufrena 92; 92, Anm. 351; 93 Licinnius Longus 172; 173, Anm. 171 C. Licinius Atimetos Aurelianos 200 L. Licinius Lucullus 54; 68; 72 C. Licinius Maximus Iulianus 304 C. Licinnius Mousaios 159 Liturgien 232–235 Livia 97; 107; 111; 112; 121, Anm. 506; 252 Logistes 204; 204, Anm. 66 M. Lollius 97; 170 Lucius Verus 188; 190; 234; 281; 282; 283; 283, Anm. 477 Luculleia 54; 68 Lugdunum / Lyon 229; 263; 274; 293; 300 Lykaonien 95; 283; 283, Anm. 476 Lykiarch 82; 83; 104; 104, Anm. 413; 118; 160; 171–174; 175; 176; 210–211; 249 Lysander 47; 48 Macrinus 288 Maecenas 233; 273; 297 Magnesia am Mäander 53, Anm. 137; 162, Anm. 119 Magnesia am Sipylos 80 Makedoniarch 144, Anm. 19; 161; 166; 232 Makedoniarchissa 24, Anm. 52. Marcellia 53, Anm. 133; 56 T. Marcius Deiotarianus 160 Marcius Thoas 159 Marcus Antonius 66; 73, Anm. 251; 78; 86; 89; 92, Anm. 351; 139; 180; 189; 293 Marcus Aurelius 72, Anm. 244; 129; 222; 231; 263; 280; 283; 288 Marmor Tauriniacum 208 marmorarius signuarius 215; 219; 220 Mars Ultor 295 Maximinus Thrax 208; 303 Megalopolis 178 Melitus 97 Menodoros aus Pergamon 46; 62; 63 Messene 177 Metrodorus 170 Metropole 237; 237, Anm. 254; 245; 250, Anm. 316; 251

361

Metropolis 49, Anm. 104; 50; 165, Anm. 128 Milet 53, Anm. 137; 90; 244; 245 Q. Minucius Thermus 66; 73, Anm. 251; 200, Anm. 35 Mitgliedsbeiträge zum Koinon 82; 121, Anm. 507; 145, Anm. 21; 149; 153, Anm. 63; 202; 232; 235–243; 245; 246; 248 Mithridatische Kriege 65; 69; 70 Münzprägung der Landtage 24; 25; 188–190; 193; 197; 269–302 Montesquieu 79 Moukieia / Mucia 53; 61; 64, Anm. 195; 66; 67; 68; 93 Q. Mucius Scaevola 53; 54; 61; 61, Anm. 178; 64; 65, Anm. 208; 67; 85; 86; 93 L. Munatius Plancus 50 Munera 232 Musanos 170 Mylasa 50; 69 Myra 82; 237; 238; 241; 249 Mytilene 50; 82; 83; 106; 134 Narbo 113; 121; 122; 123; 124; 125; 149, Anm. 44; 230; 245, Anm. 298 Nauarch 83; 104 Neokaisareia 280; 280, Anm. 467 Neokorie 145, Anm. 21; 174; 226; 226, Anm. 200; 244 Neokoros 233 Neopoios / Neopoioi 200; 244 Nero 97; 102, Anm. 397; 126, Anm. 521; 145, Anm. 24; 159; 172; 189; 190; 212; 227, Anm. 204; 242, Anm. 276; 281; 285; 287; 290; 300 Nerva 283 Nesiotenbund 35, Anm. 19; 37–38; 47, Anm. 92 Neue Institutenökonomik 27, Anm. 59; 196; 266–269 Nikaia 89; 91; 167; 279 Nikanor (Archiereus) 44, Anm. 73 Nikephoria 53, Anm. 137 Nikomedeia 72, Anm. 244; 73; 89; 279; 291 Nikomedes II. Epiphanes 41 Nikopolis 284; 290 numen Augusti 123 Oikonomos 203–204 Oinoanda 67, Anm. 217; 121, Anm. 506; 158; 172; 173 Olba 290 Olympia 64; 177 Opfer 13; 14; 41; 47; 49; 79; 81; 148; 213; 223; 224

362

Indices

oppidum Ubiorum 109 Opramoas aus Rhodiapolis 172; 193; 234, Anm. 247; 239; 248 Ostia 219; 222 Q. Otacilius Pollinus 206; 255; 256, Anm. 343 Palaipaphos 75 Pamphylien 95 Panegyriarch 232; 237 Panhellenion 129, Anm. 539 Paphlagonia 96; 96, Anm. 364; 282 Paphlagoniarch 96 Papias 201 Parther 234; 275; 275, Anm. 443; 283, Anm. 477; 295; 299; 299 Anm. 522 Patara 210; 304 patronus provinciae 209–210 peculium 221; 222; 223 peregrini 89; 90; 91; 93; 143 Pergamon 50; 52; 53; 53, Anm. 137; 64; 89; 90; 167; 213; 214; 231; 258; 294; 296; 300 Perseus 36; 301 Pessinous 97; 169–171; 281 Pharsalos 65 Philadelphia 121, Anm. 507; 232; 236; 237; 249; 250; 251; 279 Philipp V. von Makedonien 36; 301 Philippopolis 168, Anm. 148; 229; 236; 289; 302 Philippos 173, Anm. 171 Philippus Arabs 188; 274; 283; 287; 289 Philistis 56 Philonides 170 Pisidien 95 C. Plautius Rufus 57 Plinius d.J. 251, Anm. 318; 303 Plutarch 131; 233 Poemanenum 64 Polybios 177; 178; 178, Anm. 198 Pompeiopolis 96; 282 Pompeius 43; 65; 69; 72; 72, Anm. 244; 82; 138 Pontarch 117; 167; 167, Anm. 140; 144; 186, Anm. 223 Q. Popillius Python 265; 303 Porcia 220 praefectus Alexandriae et Aegypti 136; 262, Anm. 381 Prägerecht 271–274 Priene 41 procurator Augusti 204 Provinziallandtag, Begriff 13–14; 26–27 Prusa ad Olympum 167

Ptolemaier 38; 45; 47, Anm. 92; 48; 74, Anm. 253; 75; 76; 77; 80; 84; 131 Ptolemaios II. Philadelphos 56 Ptolemaios V. 51 P. Publicius Fortunatus 219 Purpurfärber 200; 257 Pydna 58 Pylaimenes 97; 157; 169; 170; 227; 246 Pythodoros 69; 233, Anm. 233 T. Quinctius Flamininus 50; 52 Rechtsstatus der Landtage 105 Repetundenklagen 14; 23; 24, Anm. 50; 56; 126; 203 Rhodos / Rhodier 80; 81; 82; 283 Rhomeia Sebasta 213; 226 Ritter / Ritterstand 154; 156; 180; 180, Anm. 206; 204 Ritual / Ritualtransfer 133 Rom 81; 112; 259; 274; 275; 292, Anm. 494 Romani consistentes 91; 91, Anm. 346 Rossolittanos 170 Rossolittanos 97 Rufus 169 Sacerdos 13, Anm. 2; 109; 128; 156; 191; 206; 218; 255 Sangarios 95 Sardes 64; 200; 278; 279; 292 Sarmizegetusa 229; 289; 303 Sauromates II. 158, Anm. 96 Savaria 126; 220 Scardona 128, Anm. 529 SC-Prägungen 299 Segimundus 109; 109, Anm. 436; 187 Seleukiden 42; 46; 48; 62 Seleukos 170 Seleukos IV. 44, Anm. 75 Senat / Senatoren 76, Anm. 260; 86; 123; 136; 136, Anm. 565; 145; 145, Anm. 24, 155; 155, Anm. 68; 174; 177; 179; 179, Anm. 199; 180; 204; 252; 272; 299–300 T. Sennius Sollemnis 206; 207; 208; 256 Septimius Severus 245, Anm. 297; 274; 275, Anm. 443; 277; 279; 280; 280, Anm. 467; 284; 288; 299 Anm. 522 servi publici 152; 214; 215; 216; 222; 223 Severer 128; 136, Anm. 565; 196; 291; 299 Anm. 522; 304 P. Servilius Isauricus 50; 51; 92 Sirmium 263; 264 Sklaven der Landtage 25; 127; 143; 152; 214–223; 226; 262; 303; 308 Skopelianos von Smyrna 159; 259

Personen-, Orts- und Sachindex Smyrna 49; 107; 134; 145, Anm. 21; 201; 226; 278 sodalitates sacrae 147 Soldatenkaiser 274; 291 Soteria 53, Anm. 137 Sparta 77 Spiele 67; 145, Anm. 21; 202; 213; 226; 230–232; 234; 236; 237; 302 Stadiasmus Patarensis/Itinera Romana provinciae Lyciae 102 statio Noricorum 216; 216, Anm. 133; 256 Steuererhebung 260–266 Steuerpflicht der Landtage 221; 224–230 Stiftungen 248–249 stips annua 207; 242; 243; 253; 253, Anm. 329 Strabon 79; 80 Stratege 75; 104; 200; 257 C. Subrius Secundinius 210, Anm. 95 Sulla 65; 66, Anm. 209; 70; 71; 88 summa honoraria 234 Symmachie 78 Syndikesas 198–199 Syrakus 53, Anm. 133 Syrien 176 Tabula Heracleensis 263; 264 Tabularius 262 Tabularius Galliarum 215; 262 Tacitus 187 Tarraco 106; 107; 110; 111; 134; 134, Anm. 554; 145, Anm. 21; 155; 229; 242; 245, Anm. 297; 248, Anm. 308; 261; 263 Tarsos 258; 282 Tavium 97; 281 Tektosagen 95 Telephus 296 Tempel / Tempelbau 96; 98; 107; 110; 112; 119; 122; 126; 133; 134; 135; 136; 190; 204; 225; 226; 227, Anm. 204; 228; 229; 234; 241; 242; 243–247; 252; 256, Anm. 343; 291; 292; 294; 296; 297; 302 Termessos 105; 145, Anm. 21; 226; 252 Thea Rhome / Dea Roma / Göttin Roma 41; 48–52; 60; 71; 80; 82; 83, Anm. 309; 85; 86; 89; 90; 92; 97; 110; 130; 141; 213; 227; 293; 294; 295 Thessalonike 232; 301 Thrakarch 144, Anm. 19; 168; 168, Anm. 149; 186, Anm. 223; 252 Thyatira 257; 258; 265 Tiberius 77; 77, Anm. 268; 101; 107; 110; 111; 112; 113; 113, Anm. 462; 119; 121,

363

Anm. 506; 145, Anm. 21; 242; 244; 252; 272; 278; 281; 292; 292, Anm. 492; 292, Anm. 494 Timaios 233 Titus 189; 281; 284; 286 Tlos 83 Tolistobogier 95 Tolosa 116 Traianeia 213 Trajan 129; 190; 204; 213; 251, Anm. 318; 257; 275; 275, Anm. 443; 276; 280; 281; 283; 284; 286; 287; 299 Anm. 522; 303 Tralleis 64; 67; 68; 69; 117; 233, Anm. 233 Transaktionskostentheorie 27, Anm. 59; 196; 266–269 Transferprozesse 130–134 Q. Trebellius Rufus 113; 116; 118 Trokmer 95 M. Ulpius Artemidoros 116 uxor flaminis 120; 121; 126, Anm. 518 Valentiana Repentina 126; 221 Valerian 232; 236; 250; 274; 289 C. Valerius Arabicus 260; 261 L. Valerius Flaccus d. Ä. 67; 68 L. Valerius Flaccus d. J. 54; 67; 68; 203 Varus 187 Q. Veranius 102; 102, Anm. 399 Verres 85; 151 Vespasian 97; 113; 113, Anm. 454; 114; 115; 119; 126; 126, Anm. 517; 128; 129; 137; 176; 177; 189; 200; 242; 243; 279; 281; 284; 286; 288; 290 Vienna 123 Viminacum 289 Vitellius 287 Voconius Romanus 155 L. Volcacius Tullus 201 Wirtschaftskorporationen 200, Anm. 39; 206; 253–258 Wollwäscher 200; 257 Xanthos 81; 248 Xystarchen 205 Zeus 189; 302 Zoll 82; 104; 149; 172; 212; 237; 238; 239; 265 Zollgesetz der Provinz Asia / lex portorii Asiae 66, Anm. 209; 145, Anm. 21; 211; 226; 238 Zollgesetz der Provinz Lykien / lex portorii provinciae Lyciae 102, Anm. 397; 104; 238; 241; 252; 265; 265, Anm. 393 Zweite Sophistik 179

h e i d e l b e rg e r a lt h i s t o r i s c h e b e i t r äg e und epigraphische studien

Herausgegeben von Angelos Chaniotis und Christian Witschel. Beirat: François Berard (Lyon), Anthony R. Birley (Vindolanda/Friedberg), Kostas Buraselis (Athen), Lucas de Blois (Nijmegen), Ségolène Demougin (Paris), Elio Lo Cascio (Rom), Mischa Meier (Tübingen), Elizabeth Meyer (Charlottsville), Silvio Panciera (Rom), Michael Peachin (New York), Henk Versnel (Leiden) und Martin Zimmermann (München)

Franz Steiner Verlag

ISSN 0930–1208

43. György Németh Kritias und die Dreißig Tyrannen Untersuchungen zur Politik und Prosopo­ graphie der Führungselite in Athen 404/403 v. Chr. 2006. 203 S., kt. ISBN 978­3­515­08866­4 44. Jerzy Linderski Roman Questions II Selected Papers 2007. XI, 726 S., geb. ISBN 978­3­515­08134­4 45. Irene Berti / Marta García Morcillo (Hg.) Hellas on Screen Cinematic Receptions of Ancient History, Literature and Myth 2008. 267 S., 16 Taf., kt. ISBN 978­3­515­09223­4 46. Angelos Chaniotis / Annika Kuhn / Christina Kuhn (Hg.) Applied Classics Comparisons, Constructs, Controversies 2009. 259 S., kt. ISBN 978­3­515­09430­6 47. Henning Wirth Die linke Hand Wahrnehmung und Bewertung in der griechischen und römischen Antike 2010. 271 S., 12 Taf., kt. ISBN 978­3­515­09449­8 48. Patrick Sänger Veteranen unter den Severern und frühen Soldatenkaisern Die Dokumentensammlungen der Veteranen Aelius Sarapammon und Aelius Syrion 2011. 416 S., 14 Taf., kt. ISBN 978­3­515­09904­2 49. Angelos Chaniotis (Hg.) Ritual Dynamics in the Ancient Mediterranean

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Agency, Emotion, Gender, Representation 2011. 390 S., kt. ISBN 978­3­515­09916­5 in Vorbereitung Ralf Behrwald / Christian Witschel (Hg.) Rom in der Spätantike Historische Erinnerung im städtischen Raum 2012. 409 S., kt. ISBN 978­3­515­09445­0 Angelos Chaniotis (Hg.) Unveiling Emotions Sources and Methods for the Study of Emotions in the Greek World 2012. 490 S. mit 25 Abb., kt. ISBN 978­3­515­10226­1 Takashi Fujii Imperial Cult and Imperial Representation in Roman Cyprus 2013. 248 S. mit 1 Abb., kt. ISBN 978­3­515­10257­5 Elizabeth A. Meyer The Inscriptions of Dodona and a New History of Molossia 2014. 201 S. mit 44 Abb., kt. ISBN 978­3­515­10311­4 Angelos Chaniotis / Pierre Ducrey (Hg.) Unveiling Emotions II Emotions in Greece and Rome: Texts, Images, Material Culture 2014. 387 S. mit 33 Abb., kt. ISBN 978­3­515­10637­5 James H. Richardson / Federico Santangelo (Hg.) Andreas Alföldi in the Twenty-First Century 2015. 327 S. mit 12 Abb., kt. ISBN 978­3­515­10961­1

Die Frage der Integration verschiedener ethnischer Gruppen in ein wachsendes Europa unter Bewahrung lokaler Interessen ist eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Umso wichtiger ist es, historische Vergleichsmomente zu analysieren, um zu verstehen, unter welchen Bedingungen Prozesse von Integration, Kommunikation und Herausbildung überregionaler Identitäten erfolgreich ablaufen können. Ein solches Vergleichsmoment stellen die sogenannten „Provinziallandtage“ in der römischen Kaiserzeit (1. Jahrhundert v. Chr. – 3. Jahrhundert n.Chr.) dar, die in den Provinzen des griechischen Ostens Koina, im lateinischen Westen Concilia genannt wurden.

Anhand neuer Funde und neuer Fragestellungen der althistorischen Forschung beleuchtet Babett Edelmann-Singer diese in beinahe allen Provinzen anzutreffenden Versammlungen lokaler Eliten. Die Entstehungsgeschichte der Provinziallandtage, ihre politische Funktion für Rom und die Provinzbewohner sowie ihre soziale und ökonomische Bedeutung werden einer Neubewertung unterworfen und neben ihre traditionell in der Forschung betonte Rolle im Herrscherkult der Provinzen gestellt. Dies hat auch Auswirkungen auf die gängigen Erklärungsmodelle römischer Herrschaft in den Provinzen.

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ISBN 978-3-515-11100-3

9 783515 111003