Kleines Politik-Lexikon [Reprint 2018 ed.] 9783486800548, 9783486251104

Politisches Leben zwischen zwei Buchdeckeln – von Abberufbarkeit bis Zweitstimme.

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German Pages 275 [276] Year 2001

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Inhalt
Vorwort
Abberufbarkeit
Anhang
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Kleines Politik-Lexikon [Reprint 2018 ed.]
 9783486800548, 9783486251104

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Lehr- und Handbücher der Politikwissenschaft Herausgegeben von Dr. Arno Mohr Bisher erschienene Werke: Bellers, Politische Kultur und Außenpolitik im Vergleich Bellers • Benner • Gerke (Hrg.), Handbuch der Außenpolitik Bellers • Frey • Rosenthal, Einfuhrung in die Kommunalpolitik Bellers • Kipke, Einführung in die Politikwissenschaft, 3. Auflage Bierling, Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland Braun • Fuchs • Lemke -Tons, Feministische Perspektiven der Politikwissenschaft Gabriel • Holtmann, Handbuch Politisches System der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage Glöckler-Fuchs, Institutionalisierung der europäischen Außenpolitik Jäger • Welz, Regierungssystem der USA, 2. Auflage Lehmkuhl, Theorien Internationaler Politik, 2. Auflage Lemke, Internationale Beziehungen Lenz • Ruchlak, Kleines PolitikLexikon Lietzmann • Bleek, Politikwissenschaft - Geschichte und Entwicklung Maier • Rattinger, Methoden der sozialwissenschaftlichen Datenanalyse Mohr (Hrg. mit Claußen, Falter, Prätorius, Schiller, Schmidt,

Waschkuhn, Winkler, Woyke), Grundzüge der Politikwissenschaft, 2. Auflage Naßmacher, Politikwissenschaft, 3. Auflage Pilz • Ortwein, Das politische System Deutschlands, 3. Auflage Rupp, Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage Reese-Schäfer, Politische Theorie heute Riescher • Ruß • Haas (Hrg.), Zweite Kammern Schmid, Verbände Schumann, Repräsentative Umfrage, 3. Auflage Schwinger, Angewandte Ethik Naturrecht • Menschenrechte Sommer, Institutionelle Verantwortung Wagschal, Statistik für Politikwissenschaftler Waschkuhn, Demokratietheorien Waschkuhn, Kritischer Rationalismus Waschkuhn, Kritische Theorie Waschkuhn • Thumfart, Politik in Ostdeutschland Woyke, Europäische Union Xuewu Gu, Theorien der internationalen Beziehungen • Einführung

Kleines PolitikLexikon Von

Carsten Lenz M.A. und

Nicole Ruchlak M.A.

R. Oldenbourg Verlag München Wien

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lenz, Carsten: Kleines Politik-Lexikon / von Carsten Lenz und Nicole Ruchlak. M ü n c h e n ; Wien : Oldenbourg, 2001 (Lehr- und Handbücher der Politikwissenschaft) ISBN 3-486-25110-4

© 2001 Oldenbourg Wissenschaftsverlag G m b H Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad Langensalza ISBN 3-486-25110-4

Inhalt

Vorwort

VII

Stichwörter Anhang

I 241

Zeittafel internationaler, europäischer und deutscher Ereignisse nach 1945

242

Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland

262

Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland

263

Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland

264

Mitgliedsländer der Europäischen Union

265

Beitrittskandidaten zur Europäischen Union

266

Mitgliedsländer der N A T O

267

Generalsekretäre der Vereinten Nationen

268

Vorwort Das vorliegende Lexikon will prägnante und zuverlässige Erläuterungen der wichtigsten Stichworte aus dem Bereich der Politik liefern. Jeder, der das politische Tagesgeschehen interessiert beobachtet, hat bisweilen das Bedürfnis, sich genauer über den Inhalt eines Begriffes und über die Zusammenhänge, in denen dieser steht, zu informieren - sei es bei der Zeitungslektüre, beim Verfolgen der Nachrichten, bei politischen Diskussionen oder in Schule und Studium. Diesem Bedürfnis versucht das Buch durch Definitionen und Erläuterungen gerecht zu werden, die den aktuellen Entwicklungen ebenso Rechnung tragen wie dem Kenntnisstand der politischen Wissenschaft. Sowohl bei der Auswahl als auch bei der Erklärung der Stichwörter bilden das politische Geschehen und die politischen Einrichtungen in der Bundesrepublik und der Europäischen Union einen Schwerpunkt. Dabei finden auch angrenzende Fachgebiete wie Wirtschaft, Recht und Geschichte Berücksichtigung. Besonders wichtig erschien es uns, die aktuellsten Informationen zu Themenbereichen aus dem Zeitgeschehen zu liefern - wie etwa die aktuelle Zahl der Unterzeichnerstaaten von Verträgen, die neuesten Modifikationen internationaler Vertragstexte, Entscheidungsprozesse innerhalb der EUInstitutionen und deren Zusammensetzung (Stand der Informationen: Dezember 2000). Eine wesentliche Ergänzung zu den Begriffserklärungen bildet die Chronologie im Anhang: Ein geschichtlicher Überblick stellt in einer Synopse die wichtigsten internationalen, europäischen und deutschen Ereignisse seit 1945 gegenüber. Da politische Begriffe nicht selten Bestandteil oder gar Gegenstand politischer Auseinandersetzungen sind, haben wir uns bemüht, unterschiedliche Standpunkte darzulegen, wenn dies zum besseren Verständnis des Begriffes beiträgt. Was die männliche und weibliche Endung anbelangt, haben wir uns um der Lesbarkeit willen im Zweifelsfall für die männliche Form entschieden. Bei fremdsprachigen Begriffen wird sowohl auf ihre Herkunft als auch auf ihre ursprüngliche Bedeutung verwiesen. Innerhalb eines Eintrages ist das Stichwort mit seinem Anfangsbuchstaben abgekürzt, wobei grammatische Endungen nur bei Pluralformen ergänzt sind. Durch - » gekennzeichnete Verweise sind nicht bei allen Vorkommnissen eines Stichwortes, sondern nur dort eingefugt, wo dies zum Verständnis des jeweiligen Eintrages sinnvoll erscheint. Wir danken RA Thomas M. Novak, der uns bei der Erstellung von Stichwörtern aus dem juristischen Bereich sachkundig beraten hat.

Carsten Lenz

Nicole Ruchlak

VII

Abberufbarkeit

A Abberufbarkeit ist die filr einen Wahlkörper institutionell vorgesehene Möglichkeit, gewählte Repräsentanten noch vor Beendigung ihrer regulären Amtszeit abzuwählen. Insbesondere in —>Rätesystemen und in der -»direkten Demokratie ist A. ein Mittel, die Bindung zwischen Basis und Räten, Wählern und Gewählten zu stärken. Gegenwärtig ist sie nur in wenigen Verfassungen vorgesehen, z.B. in Schweizer Kantonen, einzelnen Staaten der Vereinigten Staaten und in Kommunen der neuen Bundesländer. ABC-Waffen, der Sammelbegriff für atomare, bakteriologische (bzw. biologische) und chemische Waffen, in Abgrenzung zu -»konventionellen Waffen. 1954 verzichtete in den Pariser Verträgen die Bundesrepublik Deutschland auf die Nutzung und die Herstellung von A. auf ihrem Gebiet. Im —>Zweiplus-Vier-Vertrag von 1990, Artikel 3, bekräftigen die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik „ihren Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt" über A. Abgaben, Oberbegriff für die Pflichtzahlungen, die der Staat bzw. eine öffentliche Körperschaft kraft der -»Finanzhoheit erhebt. A. werden eingeteilt in -»Steuern, -»Beiträge, -»Gebühren und -»Sonderabgaben. Abgeordnete, vom Volk gewählte oder, in -»Diktaturen, von Machthabem eingesetzte Mitglieder eines -»Parlaments. In -»repräsentativen Demokratien gelten A. als Vertreter des ganzen Volkes, wobei sie offiziell keinen Weisungen (ihrer Partei, ihres Wahlkreise, ihrer Interessensverbände), sondern, etwa laut Art. 38,1 GG, nur ihrem Gewissen unterworfen sind (-»freies Mandat; -»imperatives Mandat). Da A. allerdings meistens einer -»Partei angehören oder an -»Interessenverbände gebunden sind, unterliegen sie der -»Fraktionsdisziplin und sind häufig dem Druck der Lobbyisten ausgesetzt (-»Lobby-

Abrüstung ismus). Zum Schutz ihrer Unabhängigkeit genießen A. u.a. -»Indemnität und - » I m m u nität. A. haben trotz der Bekleidung öffentlicher Ämter keinen Beamtenstatus (-»Inkompatibilität). Als Mitglieder der -»Legislative geben sie die politische Grundorientierung des Staates vor, wirken im -»parlamentarischen Regierungssystem an der Regierungsbildung mit und kontrollieren die -»Exekutive. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der A. verlagert sich zunehmend vom Auftritt als Redner im -»Plenum hin zur Arbeit als Experten in -»Ausschüssen. Bisweilen wird kritisiert, dass die A. das Volk nicht angemessen vertreten, weil bestimmte Bevölkerungsgruppen (z.B. Frauen, Junge Erwachsene, Arbeiter) unterrepräsentiert sind. Abgestufte Reaktion - » flexible Reaktion Abkommen, eine vertragliche Abmachung zwischen mindestens zwei Partnern, die zwischen Staaten oder innerhalb eines Staates (z.B. zwischen Parteien oder Bund und Bundesländern) mit einer feierlichen Erklärung (in Abgrenzung zu formlosen Übereinkünften) abgeschlossen wird. ABM-Vertrag (Abk. ftir engl. Anti-BallisticMissile: Abwehrsystem gegen ballistische Raketen), im 1972 unterzeichneten und 1974 ergänzten A. verpflichten sich die Vereinigten Staaten und die UdSSR im Rahmen des SALT-I-Abkommens ( - » S A L T ) zur Begrenzung der Abwehrsysteme gegen ballistische Raketen. Im A. beschränken sich beide Mächte auf je ein örtlich begrenztes Abwehrsystem ( - » Rüstungskontrolle). Abrüstung ist in Abgrenzung zur - » R ü s tungskontrolle die Reduzierung militärischer Potentiale, die von einem Staat allein (unilaterale A.) oder von mehreren Staaten (bilaterale, multilaterale A.) vorgenommen wird. Die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 gelten als erste - gescheiterte Versuche zur A. Seitdem tagten unter dem

Abschiebung Dach des Völkerbundes und der -»Vereinten Nationen verschiedene A.-Gremien ohne Ergebnis. Ein entscheidender Schritt im Prozess der A. wurde im -»INF-Vertrag 1987 getan, in dem sich die Vereinigten Staaten und die UdSSR auf die völlige Beseitigung aller Mittelstreckenraketen und Lenkflugkörper mit der Reichweite von 500-5500 km einigten und dessen Einlösung bis 1991 erfolgte. Der bisher umfassendste Vertrag im Rahmen der konventionellen A. ist der -»KSE-Vertrag, in dem die Reduzierung von konventionellen Streitkräften und Waffen in Europa festgelegt wurde. Hinsichtlich der strategischen Nuklearwaffen gelten die START-Verträge als wesentlicher Schritt der A. (-»START). Abschiebung, mit der A. wird die -»Ausweisung eines Ausländers aus dem Staatsgebiet auf Anordnung und unter Überwachung von Staatsorganen zwangsweise vollzogen. In der Bundesrepublik darf eine Person nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen, ethnischen oder religiösen Gruppe bedroht ist. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik oder für die Allgemeinheit darstellt bzw. er für eine besonders schwere Straftat verurteilt ist. Bei einer konkreten Gefahr von Folter oder Todesstrafe ist die A. ausnahmslos unzulässig. In diesem Fall muss der Ausländer in der Bundesrepublik geduldet werden. Den Status einer Duldung können die Behörden einem Ausländer auch aus anderen, etwa dringenden humanitären Gründen verleihen. Abschreckung ist im Bereich der internationalen Politik eine Strategie, einen potentiellen Aggressor von einem Angriff abzuhalten, indem man ihm mit Gegenmaßnahmen droht, die für ihn mit hohen oder unkalkulierbaren Kosten verbunden sind. Während des -»Kalten Kriegs diente A. als nukleare A. zur Aufrechterhaltung eines 2

Abstimmung Machtgleichgewichts zwischen den Supermächten. Bis Mitte der 60er Jahre war A. zentraler Bestandteil der NATO-Doktrin der -»massiven Vergeltung (danach folgte die -»flexible response). Die -»Aufrüstung im Rahmen der wechselseitigen A. im Ost-WestKonflikt führte zu einer Patt-Situation, die beide Seiten einerseits durch weitere Aufrüstung, andererseits durch -»Rüstungskontrolle aufzulösen versuchten. Absolute Mehrheit - » Mehrheitsprinzip Absolutismus (lat. absolutus: losgelöst), allgemein eine Staatsordnung, in der der Herrschaftsträger unumschränkte Gewalt innehat, d.h. insbesondere nicht an Gesetze gebunden ist und keiner Instanz zur Rechenschaft verpflichtet ist. Als Epochenbezeichnung wird A. bezogen auf monarchische Regime des 17. und 18. Jh., insbesondere auf die -»Monarchie Ludwig XIV. in Frankreich. Nach seiner Herrschaft folgt der so genannte aufgeklärte A., der durch eine freiwillige Einschränkung der ungeteilten Gewalt im Sinne des Gemeinwohls gekennzeichnet ist. Mit der Französischen Revolution war die Epoche des A. abgeschlossen. In der politikwissenschaftlichen Charakteristik von -»Herrschaftssystemen sind heute die Begriffe -»Autoritarismus und -»Totalitarismus in den Vordergrund getreten. Abstimmung, Verfahren zur Entscheidungsfindung, das auf dem -»Mehrheitsprinzip beruht. Man unterscheidet zwischen geheimen und offenen (z.B. namentlichen) A.en., sowie zwischen A.en zur Berufung von Personen für ein Amt oder ein Mandat und A.en über Sachaltemativen (-»Wahl, -»Plebiszit). Das A.sverfahren ist in verschiedenen Rechtsnormen geregelt, z.B. in Satzungen, Geschäftsordnungen, Gesetzen und der Verfassung. Eine A. ist häufig nur dann gültig, wenn eine vorgeschriebene Mindestzahl von A.sberechtigten an der A. teilnimmt (-»Quorum). Für einen Beschluss ist eine absolute, relative oder qualifizierte Mehrheit (-»Mehrheitsprinzip) nötig.

Aggression

Abstrakte Normenkontrolle

Abstrakte Normenkontrolle - » Bundesverfassungsgericht Abtretung, bei der A. (Zession) überlässt in einem völkerrechtlichen Vertrag ein Staat ein Gebiet einem anderen Staat. Die Bevölkerung des abgetretenen Gebietes erlangt in der Regel mit der A. die -»Staatsangehörigkeit des Erwerberstaates, zuweilen kann sie die ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten. Abweisung, staatl. Verweigerung der Einreise. In -»Diktaturen als Mittel gegen missliebige Staatsbürger eingesetzt, in der Bundesrepublik als Mittel gegen unerwünschte -»Ausländer. Abwertung, in einem System fester Wechselkurse die Herabsetzung des Wertes einer Währung gegenüber anderen Währungen. In der -»Währungspolitik ein Mittel, den Export anzukurbeln, da durch die A. im Inland produzierte Güter für das Ausland billiger werden. Die gleichzeitige Verteuerung von Importgütern soll dabei zum Ausgleich der Zahlungsbilanz eines Landes beitragen. Abwicklung, Auflösung öffentlicher Einrichtungen der ehemaligen DDR, mit der auch die Suspendierung und anschließende Auflösung der Arbeitsverhältnisse des Personals einhergeht, das von den Betrieben beschäftigt wurde. Die Entscheidungsbefugnis über die A. oblag nach Art. 13 (-»Einigungsvertrag) grundsätzlich den (neugeschaffenen) Ländern, auf deren Gebiet sich die jeweiligen Einrichtungen befanden. Der Bund entschied lediglich über A. derjenigen Einrichtungen, die bis zum Wirksamwerden des Beitritts Funktionen innehatten, die nach dem Grundgesetz vom —»Bund wahrzunehmen sind. Ausgenommen von der Suspendierung und Auflösung der Arbeitsverhältnisse waren nach dem -»Bundesverfassungsgericht Arbeitnehmerinnen unter Mutterschutz. Außerdem mussten so genannten „Problemgruppen" (Alleinerziehende, ältere Arbeitnehmer, Schwerbehinderte) eine „begründete Aus-

sieht" auf eine neue Stelle im -»öffentlichen Dienst geboten werden. Des Weiteren forderte das Bundesverfassungsgericht, A. nicht als Instrument einer „Personalausdünnung" zu missbrauchen. Adelsherrschaft - » Aristokratie Administration - » Verwaltung Agenda 2000, von der -»europäischen Kommission und dem —»Europäischen Rat verabschiedetes Programm zur Reform der Struktur- und -»Agrarpolitik in der - » E G / E U vor allem in Hinblick auf die EUErweiterung. Die A. legt insbesondere einen Finanzrahmen fiir die Jahre 2000 bis 2006 fest. Zu dessen Einhaltung ist unter anderem ein Abbau der Preisstützungen im Agrarbereich und eine Reduzierung derjenigen Gebiete vorgesehen, die von der EU Strukturbeihilfen erhalten. Agent (lat. agens: treibende Kraft), ein diplomatischer A. führt als Vertreter des Staates im Ausland einen besonderen Auftrag aus. Der politische A. organisiert im Auftrag von Regierung, Partei oder politischer Organisation u.a. politische Unruhen, Sabotage und ist als Spion tätig. Als agent provocateur bezeichnet man einen politischen A., der das Vertrauen von Personen der Gegenseite zu gewinnen sucht, um sie zu Straftaten zu veranlassen. Aggression, völkerrechtlich (gemäß einer UN-Resolution von 1974) die Vorbereitung und Durchfuhrung eines bewaffneten Angriffs eines Staates auf einen anderen Staat, der gegen dessen -»Souveränität, territoriale -»Integrität oder politische Unabhängigkeit gerichtet ist. Die Charakterisierung von militärischen Handlungen als A. ist von Fall zu Fall umstritten, insbesondere bei als - » P r ä ventivkrieg bezeichneten Angriffen. A. gilt nach der -»UN-Charta (Art. 2,4) als völkerrechtswidrig. Für die Bundesrepublik beinhaltet Art. 26,1 GG ein A.sverbot.

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Agitation Agitation (lat. agitare: antreiben), Verbreiten von hauptsächlich radikalen politischen Ideen, die sich an die Masse der Bevölkerung richten, wobei auf diverse Verbreitungsmittel (Medien, Reden etc.) zurückgegriffen wird. Häufig wird A. aufgrund ihrer vor allem emotional wirkenden Beeinflussung der - » ö f fentlichen Meinung und aufgrund der verkürzten Darstellung von Sachverhalten eng verbunden mit Manipulation und -»Demagogie. Agitprop, im -»Kommunismus gebrauchte Abkürzung für „Agitation und Propaganda". A. soll zur Erzeugung und Erhaltung des sozialistischen Bewusstseins, zur Stabilisierung der kommunistischen Herrschaft sowie zur Destabilisierung der kapitalistischen Systeme dienen. A. stützt sich auf den Marxismus-Leninismus (-»Marxismus, -»Leninismus), demzufolge die Partei die Funktion hat, das Bewusstsein der Gesellschaft im sozialistischen Sinne zu formen. Agrarpolitik, alle politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen v.a. des Staates zur unterstützenden Regulierung der Produktion von und des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die A. der europäischen Länder wird mittlerweile nahezu gänzlich von der - » E G / E U bestimmt. Begründet wird die A. mit dem Ziel der Ernährungssicherung und den auf Grund des Klimas instabilen Produktionsbedingungen. Zum einen garantiert die A. steuerliche Vergünstigungen und verbilligte Kredite. Zum anderen hält die EU-A. die Erzeugerpreise stabil, indem sie die europäischen Agrarerzeugnisse gegen Konkurrenz auf dem Weltmarkt schützt, wobei sie sich u.a. folgender Mittel bedient: -»Schutzzölle, Abschöpfungen, Einfuhrbeschränkungen und Exportsubventionen. Die Erfolge der A. sind umstritten, da sie zur Überproduktion (z.B. Butterberge) auf Grund ökologisch fragwürdiger Intensivierung der Landwirtschaft und steigenden Subventionskosten geführt hat bzw. führt. Daher ist die EU dazu übergegangen, die Produktion mit 4

Aktives Wahlrecht administrativen Mitteln zu reduzieren (Quotenregelungen, Preisabstufüngen, Flächenstilllegungsprogramme). Überdies bringen protektionistische und interventionistische Maßnahmen der A. immer wieder Handelskonflikte, etwa zwischen den Vereinigten Staaten und der EU, mit sich. Reformen der A. gehen auf Grund des starken politischen Einflusses der landwirtschaftlichen -»Interessenverbände nur schleppend voran. Allerdings zwingen sowohl die Regelungen der - » W T O als auch der bevorstehende Beitritt mittel- und osteuropäischer Länder die EU zu Reformen der A., wie sie unter anderem die -»Agenda 2000 enthält. Agreement (engl, für Abmachung), mündliche („gentlemen's a.") oder schriftliche Übereinkunft zwischen Staaten, die zwar den Charakter eines völkerrechtlich verbindlichen Vertrages hat, aber im Gegensatz zu diesem nicht der -»Ratifikation durch die Parlamente bedarf. Akklamation (lat. acclamatio: Zurufen), Modus der -»Abstimmung, in dem man seine Stimme durch Zuruf oder Beifall abgibt. Weder kann man dabei zwischen Enthaltung und Ablehnung unterscheiden, noch die genaue Stimmenzahl feststellen. Bei einer akklamatorischen - » W a h l sind zum vorgeschlagenen Kandidaten keine Gegenkandidaten aufgestellt. Daher wird die A. kaum in -»Demokratien, sondern v.a. in -»Diktaturen angewandt. Akkreditierung (frz. credit: Vertrauen), Beglaubigung eines Diplomaten im Rang eines Missionschefs durch das -»Staatsoberhaupt. AKP-Staaten (Abkürzung für afrikanisch, karibisch und pazifisch), die derzeit 71 Unterzeichnerstaaten der -»Lome-Abkommen aus dem afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum. Aktives Wahlrecht, die Berechtigung, bei -»Wahlen eine Stimme abzugeben. In der

Aktuelle Stunde Bundesrepublik besitzt für die -»Bundestagswahl jeder, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, seit drei Monaten in der Bundesrepublik wohnt und aufgrund zusätzlicher Bestimmungen nicht vom -»Wahlrecht ausgeschlossen ist, das A. Bei Kommunalwahlen besitzen auch EU-Bürger das A. Aktuelle Stunde, in der Bundesrepublik eine Debatte im -»Plenum des -»Bundestages über Fragen von allgemeinem und aktuellem Interesse, in der jeder Einzelbeitrag nicht länger als fünf Minuten dauern darf. Eine A. erfolgt auf Verlangen von mindestens einer -»Fraktion bzw. fünf Prozent der Mitglieder des Bundestags. Sie wird v.a. von der - » O p position in Anspruch genommen. Alleinvertretungsanspruch, nach in Kraft Treten der Verfassung der DDR erhob die -»Bundesregierung den A., der 1955 in der Hallstein-Doktrin formuliert wurde. Demnach betrachtet sie sich als einzige legitime Vertretung des gesamten deutschen Volkes. Bis zur neuen Ostpolitik 1969 war der A. eine fundamentale -»Doktrin der bundesdeutschen Politik. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen - » Menschenrechte Alliierte (lat. alligare: verbinden), im weiten Sinne Staaten, die in einem -»Bündnis zusammengeschlossen sind. Im engen Sinn die Staaten, die sich im Zweiten Weltkrieg gegen das Deutsche Reich verbündeten. Alternativbewegung, seit den 1970er-Jahren Selbstbezeichnung eines Teiles der -»neuen sozialen Bewegungen, der den etablierten Wertvorstellungen und Lebensweisen der Gesellschaft eine Absage erteilt und anstelle dessen „alternative", d.h. andere Lebens- und Produktionsweisen praktiziert. Im Unterschied zu den -»Arbeiterbewegungen drücken die A.en. ihren Protest nicht in festen, zum Teil hierarchischen Strukturen aus, sondern bewegen sich außerhalb von diesen.

Amnestie Schwerpunkte der A.en sind u.a. die Themen Frieden, Anti-Atomkraft, Emanzipation, Umwelt. Der Kern der A.en konzentriert sich zunehmend auf die Umsetzung der von ihm neu konzipierten Lebensformen in Projekten. Ältestenrat, ursprünglich ein aus den ältesten Mitgliedern einer Versammlung bestehendes Gremium. Der Ä. des -»Bundestags der BRD setzt sich aus dem -»Bundestagspräsidenten, den Bundestagsvizepräsidenten und 23 Mitgliedern des Bundestages zusammen, die gemäß den Fraktionsstärken benannt werden. Der Ä. unterstützt den Bundestagspräsidenten bei der Geschäftsführung, übt eine Mittlerrolle zwischen den -»Fraktionen aus und arbeitet als Koordinator bei der Aufstellung des Arbeitsplans, der Tagesordnung, der Zahl und Größe der -»Ausschüsse und deren Besetzung mit. Hierbei ist er kein Beschlussorgan, d.h. seine Entscheidungen benötigen die Bestätigung durch das -»Plenum des Bundestages. Hingegen beschließt der Ä. über die inneren Angelegenheiten des Bundestages, sofern diese nicht unter die Zuständigkeit des Präsidiums fallen, z.B. den Entwurf des -»Haushaltsplanes des Bundestages. Amendment (engl, für Änderung), im angloamerikanischen Recht (Antrag auf) Ergänzungen und Änderungen eines -»Gesetzes, die im Gegensatz zum kontinentaleuropäischen Recht nicht in die Normtexte eingefugt, sondern in chronologischer Reihenfolge angehängt werden. Im engen Sinne die bisher 26 Änderungen bzw. Ergänzungen der -»Verfassung der Vereinigten Staaten. Amnestie (lat. amnestia: Vergebung), allgemeine, d.h. auf eine unbestimmte Zahl von Fällen bezogene Form der -»Begnadigung. Die A. hebt die Rechtsfolgen, insbesondere die Strafen, für bereits verurteilte Straftäter auf. In der Bundesrepublik ist die A., wie in allen -»Rechtsstaaten, nur in Gesetzesform zulässig.

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amnesty international amnesty international (Abk.: ai), 1961 gegründete Organisation zum weltweiten Schutz der -»Menschenrechte, ai setzt sich insbesondere gegen die Todesstrafe ein und für Menschen, die aus politischen, ethnischen, religiösen Gründen oder aufgrund ihres Geschlechts verfolgt werden. Die Arbeit der Organisation folgt den Grundsätzen der weltanschaulichen Neutralität, der politischen und geographischen Ausgewogenheit und der Unabhängigkeit. 1977 wurde ai mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Amsterdamer Vertrag, im Oktober 1997 von den Außenministern und dem Präsidenten der -»Europäischen Kommission in Amsterdam unterzeichneter Vertrag, der im Mai 1999 in Kraft trat. Der A., der Änderungen des EU- und EG-Vertrags ebenso wie Protokolle und Erklärungen, die diese Verträge ergänzen, umfasst, beinhaltet unter anderem folgende Punkte: Vergemeinschaftung zentraler Bereiche der Visa- und Einwanderungspolitik, des Asylrechts und des Aufenthaltsrechts von Drittstaatsangehörigen; Stärkung des -»Europäischen Parlaments durch Erweiterung und Änderung des Bereiches, in dem es mitentscheiden kann (-»Mitentscheidung); Vertiefung der polizeilichen Zusammenarbeit und Ausbau von —»Europol; Betonung des -»Subsidiaritätsprinzips (siehe auch -»EG/EU). Amt, 1. ein festgelegter Aufgabenbereich, der an eine Person (Amtsträger) in Form einer Handlungsermächtigung deligiert wird und mit der Pflicht zur Rechenschaftsablegung verbunden ist. Ein öffentliches A. ist in diesem Sinne eine öffentliche, insbesondere durch den Staat übertragene Tätigkeit in einem rechtlich konkret festgelegten Aufgabenkreis. Die hier handelnden A.spersonen üben hoheitliche Befugnisse des Staates aus und sind damit Träger der öffentlichen Gewalt (-»Staatsgewalt). A.sinhaber können sowohl - » B e a m t e als auch öffentliche Angestellte sein. Charakteristisch für moderne -»Institutionen ist die Trennung von A. und Person, die das Fortbestehen des Aufgaben-

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Anarchie bereiches unabhängig vom jeweiligen Inhaber vorsieht. Man unterscheidet zwischen Verwaltungs- und politischem A.: Lediglich ins letztere wird man (in demokratischen Systemen) durch - » W a h l berufen. Neben den besoldeten gibt es auch ehrenamtliche, d.h. unbezahlte Ä. 2. Einrichtung für die Wahrnehmung öffentlicher bzw. staatlicher Aufgaben (-»Behörde). Ämterpatronage, Zuweisung von öffentlichen -»Ämtern nicht aufgrund fachlicher Qualifikationen eines Bewerbers, sondern aufgrund seiner Zugehörigkeit oder Nähe zu einem -»Interessenverband oder einer - » P a r tei. Ämterrotation, Besetzung öffentlicher -»Ämter durch regelmäßigen Wechsel der Amtsinhaber aufgrund eines Wiederwahlverbots oder einer anderweitigen Beschränkung der Amtsperiode. Im engeren Sinn die Ablösung eines -»Abgeordneten durch einen anderen innerhalb der -»Legislaturperiode, wie es in der Bundesrepublik von den Grünen praktiziert wurde (Mandatsrotation). Die Ä. ist ein Element basis- bzw. rätedemokratischer Konzepte (-»Rätesystem). Sie soll möglichst vielen Personen die Partizipation an Ämtern ermöglichen, um so Machtanhäufung und bürokratische Verkrustungen zu vermeiden. Amtsbonus, gesteigerte Wiederwahlchancen eines Kandidaten nicht wegen seiner erfolgreichen Amtsführung, sondern aufgrund der schon bestehenden Amtsinhabe und der damit verbundenen starken Öffentlichkeitswirkung. In der Bundesrepublik insbesondere als Kanzlerbonus bekannt. Anarchie (griech. anarchia: Gesetzlosigkeit), Bezeichnung eines Gesellschaftszustandes, der durch Gesetz- und Herrschaftslosigkeit gekennzeichnet ist. Im positiven Sinn eine vom -»Anarchismus angestrebte Gesellschaftsordnung. Im negativen Sinn das Fehlen von -»Normen und gesetzlichen Rege-

Anarchismus lungen, die ein friedliches Zusammenleben gestatten. Häufig wird das internationale Staatensystem wegen des Fehlens einer allgemein akzeptierten Autorität zur Streitbeilegung als anarchisch bezeichnet. Anarchismus (griech. anarchia: Gesetzlosigkeit), 1. Lehre von einer freien Gesellschaftsordnung ohne hierarchische, insbesondere staatliche Organisation. An die Stelle von Zwang soll die freiwillige Assoziation der Individuen zu selbstverwalteten Vereinigungen treten (-»Selbstverwaltung). Man unterscheidet j e nach Assoziationsform grundsätzlich vier Richtungen des A.: Im individualistischen/libertären A. wird jegliche Form der Organisation abgelehnt, da sie die -»Autonomie des Individuums begrenzte. Ziel dieses A. ist die größtmögliche Genussbefriedigung und/oder Förderung des Eigennutzes. Hauptvertreter dieses Konzepts sind William Godwin (1756-1836) und Max Stirner (18061856). Der solidarische/soziale A. propagiert Zusammenschlüsse von autonomen Kleinproduzenten und -eigentümern zur gegenseitigen Unterstützung (Mutualismus). Jegliche Form des Eigentums, das nicht durch menschliche Arbeit gewonnen wird, wie z.B. Zinsen und Dividenden, betrachtet der Hauptvertreter des solidarisch/sozialen A., Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865), als Quelle der Tyrannei. Der solidarisch/soziale A. verlangt keine Abschaffung des Privateigentums im Gegensatz zum kollektiven/sozietären A. Dieser fordert eine -»Kollektivierung des Privateigentums zu Gunsten von Arbeiterassoziationen. Michail Bakunin (1814-1876) zufolge, der diese Form des A. wesentlich konzipierte, muss dies durch eine gewaltsame, spontane -»Revolution des Volkes erreicht werden. Der kommunistische A. fordert ebenso eine Revolution im großen Rahmen, um mit der Enteignung der Eigentümer den Übergang zum —»Gemeineigentum zu schaffen. Wie der kollektiv/sozietäre A. sieht der kommunistische A. freiwillige Assoziationen in Kommunen vor, im Gegensatz zu ersterem jedoch tritt der kommunistische A. für eine Abschaf-

ANC fung des Lohnsystems ein und propagiert an Stelle dessen eine bedürfnisorientierte Güterverteilung. Als Hauptvertreter des kommunistischen A. gilt Petr Kropotkin (1842-1921) (-»Kommunismus). In Abgrenzung zum -»Marxismus, der die Auflösung des Staates und die Errichtung einer freien Gesellschaftsordnung als Ergebnis eines langen historischen Prozesses betrachtet, geht der A. meist von einer unmittelbar erreichbaren neuen Gesellschaftsordnung aus. Zu deren Verwirklichung bestehen allerdings im A. unterschiedliche Auffassungen über die notwendigen und zulässigen Mittel. Dementsprechend lässt sich der A. in revolutionären und pazifistischen (Leo Tolstoi 1828-1910) A. unterteilen. 2. V.a. von Bakunin inspirierte Bewegung um 1900 insbesondere in Südeuropa und Russland, die sich in terroristischen Aktionen gegen zentrale Repräsentanten des Staates richtete (z.B. Ermordung des Zaren Alexander III.). Anarcho-Syndikalismus (griech. anarchia: Gesetzlosigkeit; lat. syndicare: gerichtlich prüfen), um 1900 Versuch der Umsetzung anarchistischer und syndikalistischer Gedanken in Theorie und Praxis, der v.a. in Spanien, Frankreich und Italien politisch wirksam wurde (-»Anarchismus, -»Syndikalismus). Ziel des A. war es, den -»Kapitalismus durch eine herrschaftsfreie Ordnung zu ersetzen, die in selbstverwalteten Produktionsund Berufsverbänden (Syndikate) organisiert sein sollte. Im spanischen Bürgerkrieg spielten Bewegungen des A. eine wichtige Rolle. A N C (Abkürzung für African National Congress: Afrikanischer Nationalkongress), 1912 gegründete, seit 1925 unter der Bezeichnung A. - zeitweise militant agierende südafrikanische -»Befreiungsbewegung. Der A. und sein Präsident Nelson Mandela spielten als Verhandlungspartner der Regierung eine entscheidende Rolle bei der Abschaffung der -»Apartheid in Südafrika Anfang der 1990er-Jahre.

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Anciennitätsprinzip Anciennitätsprinzip Senioritätsprinzip

Anhörung (frz. ancien: alt)

->

Anerkennung, völkerrechtlich die von einem Staat oder einem anderen -»Völkerrechtssubjekt ausgehende einseitige Willenserklärung, durch die über einen bis dato rechtlich ungeklärten Tatbestand entschieden wird. Im Unterschied zur de jure A., die ausdrücklich erfolgt und als verbindlich und endgültig gilt, ist eine de facto A., d.h. eine stillschweigende und nur durch das Verhalten zum Ausdruck gebrachte A., widerrufbar und provisorisch. Rechtswirkung hat die A. lediglich zwischen dem anerkennenden Subjekt und dem anerkannten Subjekt (meist ein anderer Staat). Man unterscheidet in Hinblick auf den anzuerkennenden Sachverhalt hauptsächlich folgende Formen der A.: 1. Durch die A. eines Staates durch einen anderen Staat treten die beiden in ein offiziell geregeltes Verhältnis zueinander ein. Strittig ist, ob die A. die Tatsache, dass ein Staat völkerrechtlich existiert, konstituiert oder lediglich deklariert. Mittlerweile wird v.a. die deklaratorische Lehre vertreten, der zufolge auch ein nicht anerkanntes Gemeinwesen, das alle Kennzeichen eines Staates aufweist (-»Staatsvolk, -»Staatsgebiet, -»Staatsgewalt), völkerrechtlich als Staat gilt. 2. Die A. einer Regierung erfolgt, wenn mehrere Gruppen die Staatsleitung beanspruchen und die rechtmäßige völkerrechtliche Vertretung des Staates geklärt werden muss. 3. Die A. einer aufständischen Gruppe als kriegsführende Partei ist Voraussetzung dafür, dass der Aufstand völkerrechtlich als —»Krieg behandelt wird. Anfrage (früher: Interpellation), Ersuchen um Auskunft über eine Thematik, mit dem sich -»Abgeordnete an die Regierung wenden. Im deutschen -»Bundestag unterscheidet man zwischen Kleiner A. und Großer A.: beide sind schriftlich und von mindestens fünf Prozent der Abgeordneten einzureichen, wobei die Kleine A. lediglich schriftlich beantwortet wird im Gegensatz zur Großen A., die auch auf die Tagesordnung gesetzt S

werden kann. Die Einzelanfrage muss von einem Abgeordneten schriftlich an die -»Bundesregierung gerichtet werden - sie wird entweder schriftlich oder in der Fragestunde mündlich beantwortet („mündliche Anfrage"), die in jeder Sitzungswoche im -»Plenum für maximal drei Stunden veranstaltet wird. Auch wenn dem Fragesteller in der Regel bis zu zwei Zusatzfragen erlaubt sind, findet keine Diskussion statt. Die A. dient als ein Kontrollmittel der Regierung durch das -»Parlament. Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik versucht im Gegensatz zur -»nachfrageorientierten W. die Bedingungen auf der Seite des Angebots zu verbessern, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die - » A r beitslosigkeit abzubauen. Mittel sind unter anderen steuerliche Entlastungen der Arbeitgeber und Industrie, -»Deregulierung der Wirtschaft, Abbau von -»Subventionen, leistungsorientierte Besteuerung und Lohnzurückhaltung. Die A. ist umstritten, da sie - so ihre Kritiker - optimistisch von einer stabilisierenden Selbstregulation der marktwirtschaftlichen Ordnung ausgeht und dazu tendiert, ihre sozialen Auswirkungen ungenügend zu berücksichtigen. Konsequent durchgesetzt wurde die A. von Ronald Reagan in den Vereinigten Staaten (Reagonomics) und Margret Thatcher in Großbritannien (Thatcherism). Anhörung (engl, hearing), im politischen Bereich die Sitzung eines Fachgremiums, in dem Sachverständige oder Interessensvertreter zu Beratungsgegenständen des Gremiums, die meist von öffentlichem Interesse sind, Stellung nehmen und Fragen beantworten. Vor allem im -»Kongress der Vereinigten Staaten bildet die A. ein zentrales Element der Kontrolle des -»Gesetzgebungsverfahrens und der Informationsbeschaffüng. Auch im deutschen -»Bundestag erfolgt mittlerweile zu etwa einem Viertel der Gesetzesvorlagen eine A.

Antisemitismus

Annexion Annexion (lat. annectere: anknüpfen), meist nach einem Eroberungskrieg Aneignung eines A.en

gelten

fremden

nach

dem

durchgeführte

-»Staatsgebietes. -»Völkerrecht

als

rechtswidrig.

Juden in der Vordergrund rückte, und der Rassen-A. Den unterschiedlichen Versuchen von Antisemiten, den eigenen A. zu rationalisieren, liegt allerdings ein Grundmuster sozialpsychologischer Ursachen zugrunde. Als Ange-

Anstalt, öffentliche - » Öffentliche Anstalt

hörige einer gesellschaftlichen

Minderheit,

über die feste Vorstellungen existieren, bieAntifaschismus, vor allem gegen den italie-

ten die jüdischen Bürger eine Projektionsflä-

nischen

deutschen

che für Schuldzuweisungen. So macht man

Wider-

sie verantwortlich für alle wirtschaftlichen

-»Faschismus

und den

-»Nationalsozialismus

gerichteter

stand, der sich aus unterschiedlichen weltan-

Probleme und sozialen Missstände (Sünden-

schaulichen Quellen speist. Die nach dem

bockfiinktion). Die zum großen Teil als Re-

Zweiten Weltkrieg zunehmende Mehrdeutig-

aktion auf diese gesellschaftliche und politi-

keit des Begriffs Faschismus führte zu einer

sche

immer unpräziser werdenden Verwendungs-

des Zusammenhalts jüdischer Gemeinschaf-

weise von A. So wurde der A. einerseits zum

ten bot einen Angriffpunkt weiterer Ausgren-

Bestandteil

zung. So äußerte sich der Antijudaismus, der

kommunistischer

Staatsideolo-

Stigmatisierung

erfolgte

Verstärkung

gien; die D D R bezeichnete etwa ihre Grenz-

spätestens seit dem Mittelalter bis ins 19. Jh.

anlagen (Mauer) offiziell als „antifaschisti-

andauerte,

schen Schutzwall". Andererseits verwenden

nahmen,

in wie

zahlreichen etwa

Isolierungsmaß-

Kleidungsvorschriften,

bestimmte, politisch aktive Gruppen („Anti-

Heirats- und Berufverboten bis hin zur An-

fa") A. als allgemeinen Kampfbegriff gegen

siedlung in -»Ghettos. Immer wieder kam es

„Kolonialismus, Imperialismus und Kapita-

zu Ausschreitungen

lismus".

diese Aktionen wurden vor allem mit der religiösen

Antikommunismus,

feindlich

gesonnene

Haltung und Politik gegen den - » K o m m u nismus. Der A. prägte vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Ländern eine in der Regel ideologisch gefärbte Politik. Während der 1950er-Jahre gipfelte der A. in den Vereinigten Staaten im so genannten McCarthyismus

in der politischen

Verfol-

gung von Bürgern, die als Vertreter kommunistischer Ideen verdächtigt wurden. Antisemitismus,

Feindseligkeit

oder

Hass

wurde wahrscheinlich geprägt in Anlehnung W.

Marrs gegen

„Uneinsichtigkeit"

und

All der

„Schuld der Juden am Tod Jesu" begründet. Mit der Bildung der bürgerlichen

Gesell-

schaft traten anstelle des religiösen Aspekts die angeblichen destruktiven

Eigenschaften

der jüdischen Kultur im A. in den Vordergrund. Angesichts mit wirtschaftlichen Umbrüchen verbundener sozialer Unsicherheiten fand antisemitische -»Ideologie Eingang in die

Programmatik

(national)konservativer

Parteien. In der Weimarer Republik wurde der A. zum Mittel tagespolitischer Auseinan-

gegen das Judentum und Juden. Der Begriff an eine Hetzschrift

und -»Pogromen.

den

„Semitismus", womit ausschließlich die Juden und keine anderen Angehörige der semitischen Sprachfamilien gemeint waren. Generell kann man drei Phasen des A. unterscheiden: Antijudaismus, der hauptsächlich religiös begründet wurde; A., der vorwiegend die angeblich kulturelle Minderwertigkeit der

dersetzungen, in denen J ü d i s c h e Revolutionäre und Erfiillungspolitiker" für die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg verantwortlich gemacht wurden. Schon im 19. Jh. vertraten geistige Wegbereiter des kulturellen A. pseudowissenschaftliche Theorien über die Minderwertigkeit einer so genannten jüdischen Rasse (-»Rassismus). Dieser

rassisch-biologistische

A.

liegt

die

Behauptung zugrunde, dass die den Juden unterstellten

Eigenschaften

biologisch

be-

dingt und damit unveränderlich seien. Damit

9

Antrag reichte es für eine antisemitische Politik nicht mehr aus, die Juden zum Christentum zu bekehren, zur kulturellen Assimilation zu zwingen oder sie innerhalb der Gesellschaft sozial und wirtschaftlich zu isolieren. Dieser Logik des rassisch-biologistischen A. entsprechend gipfelte der A. des -»Nationalsozialismus im Völkermord an 5-6 Millionen Juden in Europa (-»Holocaust). Antrag, ein ausformulierter Vorschlag zur Beschlussfassung, der einem Gremium unterbreitet wird. A.e können im deutschen -»Bundestag in der Regel nur von Parlamentsabgeordneten gestellt werden (Antragsrecht). Man unterscheidet zwischen A.en zur -»Geschäftsordnung und A.en zur Sache. ANZUS-Pakt, 1951 geschlossener Sicherheitspakt zwischen Australien (A), Neuseeland (NZ) und den Vereinigten Staaten (US). Nachdem 1986 Neuseeland sein Territorium zur -»atomwaffenfreien Zone erklärt hatte, zogen die Vereinigten Staaten ihre Sicherheitsgarantieren zurück. Apartheid (afrikaans für Gesondertheit), Politik und -»Ideologie der Rassentrennung in der Republik Südafrika, die von 1948 bis 1991 praktiziert wurde. Die A.politik verfolgte eine räumliche, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Trennung der farbigen Bevölkerung (Schwarze, Asiaten und Mischlinge) von der weißen. Dazu dienten gesetzliche Bestimmungen wie: Verbot geschlechtlicher Beziehungen oder Ehen zwischen Farbigen und Weißen (bis 1985), die mit Zwangsumsiedlungen verbundene Trennung von Wohngebieten („homelands"), wirtschaftliche Besserstellung der Weißen (z.B. bei der Landnutzung), eingeschränktes —»Wahlrecht für die farbige Bevölkerung, Rassentrennung in Schulen und anderen Institutionen. Die A.politik diente dazu, die Dominanz der weißen Bevölkerungsminderheit insbesondere über die schwarze Mehrheit zu erhalten (-»Rassismus). Die 1991 begonnenen Verhandlungen zwischen der weißen Regierungspartei mit der schwarzen Widerstand10

APO bewegung (-»ANC) und der Zerfall des A.regimes führten 1994 zu einer Verfassung, die gleiche Bürgerrechte für alle vorsieht. APEC, Abk. für engl. Asia Pacific Economic Cooperation: Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation, Verbindung von 21 Staaten des Pazifik-Raums mit dem Ziel, den wechselseitigen Handel zu erleichtern und Investitionen zu fordern. Die A. wurde 1989 auf Initiative Japans und der Vereinigten Staaten gegründet. In den Ländern der A. (darunter auch China, Russland und Mexiko) leben 40 Prozent der Weltbevölkerung, die Hälfte des weltweiten Bruttosozialproduktes wird dort erwirtschaftet. APO (Abk. für Außerparlamentarische Opposition), Protestbewegung, die in der Bundesrepublik hauptsächlich während der -»Großen Koalition zwischen 1966-69 aktiv war. Da mit der Großen Koalition die parlamentarische -»Opposition faktisch bedeutungslos wurde, sah man die Notwendigkeit, eine Opposition außerhalb der politischen Institutionen zu bilden. Die A. hatte keine feste organisatorische Struktur, sondern war eine eher lose Verbindung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, insbesondere Studenten, die sich aus inneruniversitären Konflikten um die Hochschulreform formierte, bald aber allgemeine soziale und politische Ziele verfolgte. So wandte sich die A., die eine antikapitalistische Position vertrat, gegen die staatlichen und gesellschaftlichen „autoritären Herrschaftsstrukturen", demonstrierte gegen den Vietnamkrieg, und protestierte gegen die -»Notstandsgesetze und die Pressekonzentration. Überdies forderte sie eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des —»Nationalsozialismus. Die A. ging davon aus, dass eine Veränderung der gesellschaftlichen Situation nur durch - teilweise auch gewalttätige Provokationen und Regelverletzungen erreichbar ist. Mit dem Antritt der sozialliberalen Koalition 1969 und den damit einhergehenden Reformen verlor die A. einen Teil ihrer Unterstüt-

Apostolischer Nuntius zer an andere Parteien (SPD, DKP) und zersplitterte in diverse Gruppen (-»K-Gruppen). Apostolischer Nuntius, Gesandter des Heiligen Stuhls im Rang eines -»Botschafters. Appeasement-Politik (engl, für Beschwichtigung), 1. Bezeichnung der britischen Außenpolitik zwischen 1933 und 1939, die gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland eine nachgiebige, auf Ausgleich zielende Strategie verfolgte, auch wenn dies mit Aufgabe eigener Positionen verbunden war. Die britische Regierung meinte, dass ein dauerhafter Frieden in Europa nur mittels der A. gesichert werden konnte. 2. Seither wird der Begriff A. negativ zur Beschreibung einer Politik benutzt, die willens ist, eigene Grundsätze und Rechte anderer Menschen zu opfern, um einen aggressiv auftretenden politischen Gegner bzw. Staat zu beschwichtigen. Arabische Liga, Bündnis arabischer Staaten, das 1945 gegründet wurde, zunächst mit dem Ziel politischer und kultureller, seit 1952 auch wirtschaftlicher und militärischer Zusammenarbeit. Aufgrund der Uneinigkeit zwischen den 22 Mitgliedsländern erzielt die Zusammenarbeit nicht die erstrebten Ergebnisse. Übereinstimmung zwischen den Staaten der A. besteht hauptsächlich in der Gegnerschaft gegen Israel. Arbeiterbewegung, im Zuge der Industrialisierung entstandene -»soziale Bewegung mit dem Ziel, die soziale, politische und wirtschaftliche Lage der lohnabhängig Beschäftigten zu verbessern. Zur Bildung der ersten Zusammenschlüsse in England, Frankreich und Deutschland trug insbesondere die Entstehung einer -»Arbeiterklasse durch die einsetzende Industrialisierung, die Abwanderung von Arbeitskräften vom Land in die Städte und die Krise des selbständigen Handwerks bei. Mit Schaffung der ersten europäischen Plattform der A., der Internationalen Arbeiter-Assoziation 1864, trat neben das Ziel der Verbesserung der Arbeitsbedin-

Arbeiterklasse gungen und der Entlohnung in den einzelnen Betrieben auch ein allgemeines politisches Engagement im Sinne einer (revolutionären) Veränderung der politischen Systeme in Europa. Im Laufe der Zeit kristallisierten sich innerhalb der A. verschiedene politische Strömungen heraus (wie etwa die kommunistische, anarchistische und sozialdemokratische A.) nicht nur mit unterschiedlich starker Parteienbindung, sondern auch mit diversen Haltungen hinsichtlich des politischen Systems (-»Anarchismus, -»Kommunismus, -»Sozialdemokratie). Generell unterscheidet man drei Typen der A.: den „englischen Typus", der eine wirtschaftliche Besserstellung innerhalb des kapitalistischen Systems auf demokratischem Wege anstrebt; den „kontinentaleuropäischen Typus", der sich klassenkämpferischer Argumente bedient; und den „christlich-sozialen Typus", der obgleich sozial aufgeschlossen - politisch konservativ ausgerichtet ist. Die A. lassen sich in vier Organisationsformen gliedern: -»Gewerkschaften (siehe auch —»Syndikalismus), -»Parteien, —»Genossenschaften, Freizeit- und Bildungsvereinigungen. Umstritten ist, ob man heute noch von A. sprechen kann. Mit Sicherheit besteht eine Krise der A., die auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist, wie etwa: die Wandlung von Arbeiterparteien, d.h. Parteien, die sich als politische Interessenvertretung der Arbeiter verstanden, zu —»Volksparteien; Verbesserung der sozialen Lage und der politischen Repräsentation der Arbeiter; soziale Ausdifferenzierung und damit einhergehende Auflösung der -»Arbeiterklasse. Arbeiterklasse (auch: Proletariat), politischer Begriff für die soziale Kategorie der Lohnabhängigen, die ihren Lebensunterhalt durch Verkauf der eigenen Arbeitskraft an Kapitalisten verdienen und dadurch zu einem relativ einheitlichen -»Klassenbewusstein gelangen (-»Klasse). Entstanden ist die A. im 18. Jh. vor allem durch Bevölkerungswachstum, Landflucht und Industrialisierung.

11

Arbeitgeber Die fundamentalen Interessengegensätze zwischen A. und Kapitalisten bilden ein wesentliches Element der marxistischen Theorie (-»Marxismus), nach der die Arbeiter die Träger des -»Klassenkampfes und schließlich der -»Revolution gegen den -»Kapitalismus sind. Um sich von derartigen Anklängen zu distanzieren, spricht die nichtmarxistische Sozialwissenschaft heute statt von A. vornehmlich von Arbeiterschaft oder der sozialen Schicht der Arbeiter. Arbeitgeber, natürliche oder juristische Person, die -»Arbeitnehmer gegen Entlohnung beschäftigt. Durch Abschluss des Arbeitsvertrages erwirbt der A. u.a. das Recht auf Organisation des Arbeitsablaufes und die Weisungsbefugnis gegenüber dem Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsprozesses. Er hat u.a. die Pflichten der Entlohnung, sowie gewisse sozialrechtliche und Fürsorgepflichten. Die A. in der Bundesrepublik haben sich in Arbeitgeberverbände mit dem Dachverband der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) organisiert. Diese fungieren als Interessenvertretung, stehen den -»Gewerkschaften als -»Tarifvertragspartei gegenüber und sind mit diesen gemeinsam die wesentlichen Träger der -»Tarifpolitik. Arbeitnehmer, Person, die sich in einem Arbeitsvertrag gegenüber einem -»Arbeitgeber verpflichtet, bestimmte Dienste gegen Entgelt zu erbringen. Dazu ist der A. in eine betriebliche Organisation eingebunden, innerhalb derer er unselbständig und weisungsgebunden tätig ist. A. sind Arbeiter und Angestellte ebenso wie in der Ausbildung befindliche Personen. Mit dem Bedeutungsverlust des so genannten Normalarbeitsverhältnisses treten zunehmend neue Formen der arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung auf. Zur Vertretung ihrer Interessen im politischen Bereich und gegenüber den Arbeitgebern schließen sich A. zu -»Gewerkschaften zusammen.

12

Arbeitslosigkeit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), ein- oder mehrjährige Finanzierung von Arbeitsplätzen für Arbeitslose durch die Bundesanstalt für Arbeit, indem diese den - » A r beitgebern Lohnzuschüsse zukommen lässt. A r b e i t s k a m p f , Einsatz kollektiver Mittel durch -»Arbeitgeber und/oder -»Arbeitnehmer zur Durchsetzung von Zielen, die Lohn und Arbeitsbedingungen betreffen. A.mittel, die das vertragliche Arbeitsverhältnis stören sollen, sind vor allem der -»Streik und die -»Aussperrung. Das Recht auf A. ist in der Bundesrepublik im Grundgesetz (Art. 9,3) besonders geschützt. Arbeitslosigkeit, auf eine einzelne Person bezogen das Fehlen eines Arbeitsvertrages, also das Nichtbestehen eines Beschäftigungsverhältnisses für einen -»Arbeitnehmer. In der Arbeitslosenstatistik sind nur diejenigen Arbeitslosen erfasst, die sich beim Arbeitsamt melden. Man spricht hier von offener im Gegensatz zur verdeckten A., die auch Arbeitslose umfasst, die sich um- oder weiterbilden, weil sie keinen Arbeitsplatz finden, oder die aus verschiedenen Gründen, wie etwa Resignation, nicht an amtlicher Arbeitsvermittlung interessiert sind. In der Bundesrepublik ermittelt die Bundesanstalt für Arbeit die Zahl der Arbeitslosen. Ende 1999 waren an die 4,1 Millionen Menschen arbeitslos. Als Dauera. gilt eine länger als ein Jahr andauernde A. Folgen der A. sind für den einzelnen neben den wirtschaftlichen Verlusten bis hin zur - » A r m u t der Verlust an Selbstachtung und sozialen Kontakten. Insbesondere eine Massena. hat häufig den Ruf nach autoritärem politischen Handeln und damit das Erstarken extremistischer Parteien zur Folge. Als soziales bzw. wirtschaftliches Phänomen besteht A. im Ungleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Arbeit. Dies kann aus der Aufgabe eines Arbeitsplatzes und aus normalem Arbeitsplatzwechsel kurzfristig resultieren (Fluktuations- oder Sucha.). Eine weitere Ursache sind jahres-

Arbeitsmarktpolitik zeitliche Schwankungen im Arbeitsangebot, etwa witterungsbedingt in der Landwirtschaft oder im Baugewerbe (saisonale A.). Schließlich unterscheidet man zwischen konjunktureller A. aufgrund eines vorübergehenden (stark) verminderten Wirtschaftswachstums und einer strukturellen A., die durch tiefgreifende demographische Veränderungen oder Probleme in der ökonomischen Grundstruktur einzelner Regionen, Wirtschaftssektoren oder ganzer Volkswirtschaften verursacht wird. Zur Bekämpfung der A. werden vor allem zwei sich vielfach widersprechende Strategien vorgeschlagen. Nach der einen Auffassung wird A. durch zu hohe Löhne verursacht, insofern diese Entlassungen derjenigen Arbeitskräfte zur Folge haben, deren Beschäftigung für einen Betrieb zu teuer ist. In diesem Fall können Lohnsenkungen bzw. Lohnflexibilisierungen Arbeit verbilligen und damit die Nachfrage nach Arbeitskräften steigern. Einer anderen Auffassung zufolge wird die Nachfrage nach Arbeit vor allem durch die Giitemachfrage bestimmt, so dass die -»Arbeitsmarktpolitik vor allem für ein Ansteigen der Güternachfrage sorgen muss, um so über eine Steigerung der Güterproduktion auch eine verstärkte Nachfrage nach den dafür benötigten Arbeitskräften zu erzeugen. Arbeitsmarktpolitik, 1. im weiten Sinn alle staatlichen und nicht staatlichen Maßnahmen zur Regulierung des nationalen Arbeitsmarktes, wobei insbesondere auf Angebot und Nachfrage Einfluss genommen wird (siehe auch -»Beschäftigungspolitik). 2. Im engen Sinn die Gesamtheit der staatlichen Regelungen, die einerseits die Kompensation von Einkommensausfällen aufgrund von -»Arbeitslosigkeit (passive A.) zum Inhalt hat. Andererseits dient sie dazu, die Nachfrage nach Arbeitskräften zu stimulieren sowie die Ausgangsbedingungen für Arbeitslose auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern (aktive A ). Darin grenzt sich die A. zur -»Beschäftigungspolitik ab, die im makroökonomischen Rahmen strukturelle und kon-

Armut junkturelle Ungleichgewichte zu beseitigen sucht. Während die passive A. insbesondere Arbeitslosenunterstützung und -Versicherung umfasst, konzentriert sich die aktive A. hauptsächlich auf Lösung von Problemen bei der Vermittlung und der Qualifikation von Arbeitslosen. Dabei setzt sie beispielsweise Berufsberatung, Arbeitsvermittlung, Weiterbildung, Rehabilitationsleistungen und - » A r beitsbeschaffungsmaßnahmen ein. Trägerin dieser Maßnahmen ist in der Bundesrepublik die Bundesanstalt für Arbeit. Aufgrund der -»Freizügigkeit für Arbeitskräfte in der - » E G / E U gewinnt die Koordinierung der A.en der Mitgliedsstaaten an Bedeutung. Auf EU-Ebene ist die A. bisher allerdings auf allgemeine Leitlinien und Empfehlungen des -»Europäischen Rates beschränkt, da grundsätzlich die A. in den Kompetenzbereich der Nationalstaaten fällt. Arbeitsparlament - » Parlament Aristokratie (griech. aristokratia: Herrschaft der Besten), Staatsform, in der eine verhältnismäßig kleine Gruppe die -»Herrschaft ausübt. Im Unterschied zur -»Oligarchie soll in einer A. die Auswahl der privilegierten Elite nach ihrer Eignung zur Staatsleitung erfolgen. Historisch wird indes vor allem die Herrschaft einer durch Abstammung charakterisierten Adelsschicht als A. bezeichnet. In der klassischen, auf Aristoteles (384-322) zurückgehenden Staatsformenlehre gilt die A. neben der -»Demokratie und der -»Monarchie als eine der drei -»Staatsformen. Arkanpolitik (lat. arcanum: Geheimnis), politisches Agieren, das auf die möglichst umfassende Geheimhaltung von Informationen gegenüber der -»Öffentlichkeit zielt, vor allem um diese vom Herrschaftswissen auszuschließen. Armut, nach welchen Kriterien eine Person oder ein Land als arm zu gelten hat, ist umstritten, wobei es jedoch grundsätzlich zwei

13

Arrow-Paradoxon

Assoziierung

R a h m e n m o d e l l e gibt, mittels derer A. gemessen w e r d e n kann. D i e e i n k o m m e n s - und verbrauchsorientierte Definition von A. setzt am Geldeinkommen einer Person oder eines Haushalts an und vergleicht dieses mit d e m zur Erfüllung von G r u n d b e d ü r f n i s s e n notwendigen Mindesteinkommen. Alternativ lässt sich A. auch anhand sozialer Indikatoren beschreiben. Dazu dienen etwa das Kalorienangebot pro Kopf, die Lebenserwartung bei der Geburt, die Quote der Einschulung und der Alphabetisierung als Kriterien, die Rückschlüsse über Gesundheit, Ernährung und Bildung zulassen. So leiden weltweit rund 826 Millionen Menschen unter den Folgen mangelnder Ernährung, davon leben 792 Millionen in den Entwicklungsländern. In Zentralafrika sind nach Angaben der - » F A O etwa 50 Prozent der Menschen unterernährt. Eine gängige, allerdings nicht hinreichende Definition von A. ist die Charakterisierung von A. als relatives Phänomen, das sich ausschließlich aus dem E i n k o m m e n errechnet. Hierbei gelten diejenigen Haushalte als arm, deren E i n k o m m e n weniger als 50 Prozent des jährlichen Durchschnittseinkommens beträgt. In der Bundesrepublik sind dies 13,6 Prozent der Bevölkerung. V o n der so genannten „strengen A . " sind 7,9 Prozent der Bevölkerung betroffen: Diese haben weniger als 4 0 Prozent des durchschnittlichen Jahreseink o m m e n s (Angaben gelten für das Jahr 1997). Vor allem alleinerziehende oder ältere Frauen, Ausländer und kinderreiche Arbeiterfamilien sind von A. betroffen. Ein großer Teil der von der A. Betroffenen beantragt keine staatliche Hilfe (verdeckte A.). Nach Schätzungen erhält ca. ein Drittel der Hilfsberechtigten aus diesem Grund keine öffentliche Unterstützung. 1999 gab es in der Bundesrepublik 2 . 8 1 6 . 0 0 0 E m p f ä n g e r von - » S o z i a l hilfe. Arrow-Paradoxon,

von dem

Sozial-

Wirtschaftswissenschaftler K. A r r o w 1921) 14

aufgestelltes

im Rahmen der —»rational choice-Theorien. Es besagt, dass sich die individuellen Wünsche mehrerer Personen nicht in j e d e m Fall widerspruchfrei zu einer einzigen sozialen Wohlfahrtsfunktion z u s a m m e n f a s s e n lassen. Eine solche soziale Wohlfahrtsfunktion gibt an, welche W ü n s c h e oder Präferenzen eine G r u p p e von Personen als ganze hat, z.B. die Präferenzen hinsichtlich derjenigen Person, die der Anführer dieser G r u p p e sein soll. Die individuellen Präferenzen einzelner Gruppenmitglieder bezüglich dieser Entscheidung werden mittels der sozialen Wohlfahrtsfiinktion zu einer Aussage über den W u n s c h der ganzen G r u p p e zusammengefasst. Eben dies ist nach dem A. nicht für j e d e beliebige Kombination individueller Präferenzen möglich, wenn die folgenden Bedingungen gelten sollen: 1. Kein rationaler Wunsch eines Individuums darf bei der Entscheidung unberücksichtigt bleiben. 2. Keine einzelne Person legt die kollektive O r d n u n g fest, d.h. trifft allein die Entscheidung für die ganze Gruppe. 3. Wird eine Alternative von j e d e m einzelnen bevorzugt, dann muss sie im Kollektiv auch bevorzugt werden. 4. Alternativen, die für die zu fällende Entscheidung nicht relevant sind, sollen die kollektive Entscheidung nicht beeinflussen.

ASEAN

(Abk.

für

engl.

Association

of

South-East Asian Nations: V e r b a n d der südostasiatischen Nationen), 1967 von Indonesien,

den

Philippinen,

Malaysia,

Thailand

und Singapur gegründete Regionalorganisation Südostasiens mit mittlerweile zehn Mitgliedern zur Förderung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit. Assimilation (lat. assimilare: anpassen), schrittweise A n p a s s u n g eines Individuums oder einer Bevölkerungsgruppe an Kultur und Lebensgewohnheiten einer anderen Bevölkerungsgruppe. Im Unterschied zur einseitigen A. findet in der gegenseitigen A. ein beiderseitiger Anpassungsprozess statt.

und (geb.

Unmöglichkeitstheorem

Assoziierung

(lat.

associare:

vereinigen),

Anschluss eines Staates an eine ->internatio-

Asyl(recht) nale Organisation, ohne jedoch formell deren Mitglied zu werden. Asyl(recht) (griech. asylon: Freistätte), (durch einen Staat gewährter) Schutz vor Verfolgung. Ursprünglich Bezeichnung einer Zufluchtsstätte an geweihten Orten (Tempel, Kirche). Ein Recht auf A. besteht völkerrechtlich nicht. In der —»Genfer Flüchtlingskonvention verpflichten sich die Staaten lediglich, als verfolgt anerkannten Menschen gewisse Mindestrechte zu gewähren, vor allem den Schutz vor -»Abschiebung in einen Verfolgerstaat. In der Bundesrepublik ist eine Bedingung für die Gewährung von A., dass eine Person wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt wird. Allerdings kann sich jemand nicht auf ein A. berufen, wenn er aus einem so genannten „sicheren Drittstaat" einreist (Art. 16a,2 GG). Ein Staat gilt als sicherer Drittstaat, wenn ein Flüchtling durch diesen einreist und dort bereits ausreichenden Schutz vor Verfolgung hätte finden können. Die gesetzlich festgelegte Liste der sicheren Drittstaaten umfasst unter anderem alle Länder der - » E G / E U sowie alle anderen Nachbarstaaten der Bundesrepublik. Von Bedeutung ist auch die Liste der so genannten „sicheren Herkunftsländer". Die A.anträge derjenigen, die aus einem sicheren Herkunftsland kommen, gelten zunächst als „offensichtlich unbegründet", da hinsichtlich dieses Landes angenommen wird, dass dort niemand aus den oben genannten Gründen verfolgt wird. Gegen die offensichtliche Unbegründetheit und die daraus folgende Abschiebung kann ein Flüchtling zwar nach Gesetz Einspruch erheben. Allerdings ist das A.verfahren stark verkürzt, so dass de facto kaum die Möglichkeit für den Flüchtling besteht, seine Flucht zu begründen und seinen A.anspruch deutlich zu machen. Neben diesem verkürzten A.verfahren wird von Menschenrechtsorganisationen vor allem die Liste der sicheren Herkunftsländer kritisiert, weil sie häufig aufgrund von unzureichenden

Atomwaffenfreie Zone oder fehlerhaften Informationen erstellt wurde. 1999 baten in der Bundesrepublik rund 95 000 Menschen um A., von denen allerdings nur drei Prozent anerkannt wurden. Atomwaffen (Nuklear- bzw. Kernwaffen), Waffen, deren Funktionsprinzip in der Kernspaltung oder -fusion besteht. A. wirken dadurch, dass in der Explosion thermische Strahlung entsteht (Folge: Verbrennungen und Entzündung leicht entflammbarer Stoffe), eine Druckwelle ausgelöst und radioaktive Strahlung frei wird. Letztere hat eine verheerende Wirkung, sowohl kurzfristig als auch langfristig: Die Anfangsstrahlung wirkt sofort tödlich, die Residualstrahlung kann sich global verbreiten und tritt in Niederschlägen auch noch Jahre später auf. Sie löst u.a. genetische Veränderungen aus, Krebs, Missbildungen und Fehlgeburten. Ein Atomsprengkopf kann auf verschiedenen Trägerwaffen angebracht sein; dabei unterscheidet man zwischen Langstreckenwaffen (Reichweite mind. 5500 km), Mittelstreckenwaffen (Reichweite zwischen 1000 und 5500 km) und Kurzstreckenwaffen (Reichweite bis zu 500 km). 1999 verfügten Russland über 11.000, die Vereinigten Staaten über 10.000, Frankreich über 450, China über 400 und Großbritannien über 200 nukleare Gefechtsköpfe. Darüber hinaus besitzt Israel schätzungsweise 100, Indien 20 und Pakistan zehn Atomsprengköpfe. Atomwaffenfreie Zone, durch internationale Verträge oder einseitige Erklärungen festgelegte Region, in der -»Atomwaffen weder produziert noch stationiert oder eingesetzt werden dürfen. Zu den durch Verträge geschaffenen A.n gehören der Meeresgrund, der Weltraum und die Antarktis. Außerdem bestehen derartige Verträge für Lateinamerika (Vertrag von Tlatelolco, in Kraft getreten 1968), für den südpazifischen Raum (Vertrag von Rarotonga 1986) sowie Südostasien (Vertrag von Bangkok 1997). Durch diese Abkommen verpflichten sich die meisten Staaten dieser Regionen, auf die Herstellung, Stationierung und den Einsatz von Nuklear15

Atomwaffensperrvertrag

Ausländerpolitik

wafFen zu verzichten. Ein entsprechender Vertrag für Afrika (Vertrag von Pelindaba) ist noch nicht in Kraft getreten. Neuseeland hat sein Staatsgebiet 1986 zur A. erklärt. Atomwaffensperrvertrag, 1968 unterzeichneter und 1970 in Kraft getretener Vertrag zur Nichtverbreitung (non-proliferation) von Kernwaffen. Der A. unterscheidet zwischen Kernwaffenstaaten und Nichtkemwaffenstaaten. Erstere verpflichten sich, an Nichtkernwaffenstaaten keine Kernwaffen zu liefern. Letztere verpflichten sich, keine Kernwaffen herzustellen. Überdies legt der A. fest, dass alle Unterzeichnerstaaten der - » I A E O die Möglichkeit gewähren, Atomanlagen zu inspizieren. Von den Ländern, von denen man annimmt, dass sie Uber Kernwaffen verfügen oder an deren Entwicklung arbeiten, haben Indien, Pakistan, Israel, Iran und Nordkorea den A. nicht unterschrieben. Der A., dessen Gültigkeit ursprünglich auf 25 Jahre begrenzt war, wurde 1995 unbefristet verlängert. Gleichzeitig verpflichteten sich die fünf Atommächte China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die Vereinigten Staaten, 1996 ein Abkommen über einen generellen Atomteststopp zu schließen (-•Teststopp-Abkommen). Atomteststoppvertrag Abkommen

->

Teststopp-

Attaché (frz. für Zugeordneter), 1. Anwärter im diplomatischen Dienst; 2. Sachverständiger, der als Diplomat seinen Staat in bestimmten Bereichen vertritt, z.B. Kultura., Militära., Pressea. und Handelsa. Auflösung des Bundestages, vorzeitige Beendigung der -»Legislaturperiode des -•Parlamentes. Das Recht, den deutschen -»Bundestag aufzulösen, hat allein der -»Bundespräsident, und zwar in folgenden zwei Fällen: 1. wenn beim dritten Wahlgang kein Kandidat für das Amt des --»Bundeskanzlers die Stimmenmehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält (Art. 63,4 GG); 2. wenn die -»Vertrauensfrage des Bundeskanz16

lers keine Zustimmung findet (Art. 68,1 GG) und der Bundeskanzler daraufhin die A. vorschlägt. Aufrüstung, Verbesserung oder Ausweitung der militärischen Mittel (u.a. Streitkräfte, Waffen, militärische Anlagen) seitens eines Staates oder eines Militärpakts. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die A. - trotz wiederholter Versuche und Schritte zur -»Abrüstung und -»Rüstungskontrolle - kontinuierlich ein Mittel der Politik. 1999 wurden weltweit 780 Milliarden US-Dollar für Rüstung ausgegeben, das entspricht 2,6 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts. Daran haben die Vereinigten Staaten 36 Prozent Anteil, Frankreich sieben Prozent, Russland und China jeweils drei Prozent Anteil. Im selben Jahr wurden mindestens 100.000 Menschen in bewaffneten Konflikten getötet. Ausbürgerung, Aberkennung der -»Staatsangehörigkeit, in -»Rechtsstaaten nur im Ausnahmefall möglich, in Diktaturen eine gängige Maßnahme gegenüber missliebigen Bürgern. In der Bundesrepublik darf laut Art. 16,1 GG keinem Deutschen seine Staatsangehörigkeit entzogen werden Auschwitz-Lüge, Verharmlosung oder Leugnung des -»Holocausts. Wer den -»Völkermord an den Juden öffentlich verharmlost, billigt oder leugnet, wird in der Bundesrepublik nach § 130 StGB bestraft. Ausfertigung - » Gesetzgebungsverfahren Ausländer, die Menschen, die sich in einem Staat aufhalten, ohne dessen -»Staatsangehörigkeit zu besitzen. Ende 1999 lebten in der Bundesrepublik 7,4 Millionen A. (einen großen Teil davon bilden die EU-Bürger), was einem Anteil an der Bevölkerung von ungefähr neun Prozent entspricht. Ausländerpolitik, alle vom Staat und seinen Körperschaften ergriffenen Maßnahmen gegenüber den in seinem Gebiet lebenden -»Ausländern und -»Staatenlosen. In der

Auslieferung Bundesrepublik, in der die A. vor allem in den Aufgabenbereich des Bundes fällt, benötigen die Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung, die in der Regel zeitlich befristet ist. EU-Ausländer haben einen Rechtsanspruch auf Aufenthaltsgenehmigung. Ein großer Teil der Ausländer lebt schon seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik. Für diese Ausländer gilt seit Anfang 2000 ein reformiertes Staatsangehörigkeitsrecht: In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erhalten mit der Geburt neben der Staatsangehörigkeit der Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn mindestens ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in Deutschland lebt oder seit mindestens drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Zwischen dem 18. und dem 23. Lebensjahr muss sich der Betreffende dann zwischen einer der beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden. Auslieferung, die Übergabe einer Person an einen anderen Staat, der um A. zum Zweck gerichtlicher Verfolgung ersucht. Die Tat der ausgelieferten Person muss sowohl im ausliefernden als auch im ersuchenden Staat strafbar sein. A. ist nur auf Basis von A.sabkommen rechtlich möglich. In der Regel gelten politische Delikte nicht als Grund für eine A. Nach Art. 16,2 GG darf kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden - die A. von Deutschen an den -> internationalen Strafgerichtshof ist allerdings seit einer Änderung des Grundgesetzes im Jahr 2000 erlaubt. Ausnahmezustand - » Notstand Ausschließliche Gesetzgebung, die - » G e setzgebung in einem -»Bundesstaat, die ausschließlich in den Kompetenzbereich des Bundes fällt. In der Bundesrepublik gehören zur A. u.a. folgende Gesetzgebungsbereiche: Auswärtige Angelegenheiten, Währungs- und Geldwesen, Staatsangehörigkeit, Verteidigung, Zölle und Passwesen (Art. 73 GG). Grundsätzlich sind die Länder für die Ge-

Außenhandelspolitik setzgebung zuständig, wenn das Grundgesetz keine andere Regelung vorsieht (Art. 70 GG). Ausschuss, allgemein ein von einer Institution, z.B. von einer Körperschaft, eingesetztes Gremium, das als vorbereitendes Unterorgan fungiert; im engeren Sinn ein Teilorgan des -»Parlaments, das v.a. dessen Gesetzgebung vorbereitet und andere, ihm vom -»Plenum übertragene Aufgaben übernimmt. Vor allem in Arbeitsparlamenten liegt der Schwerpunkt der Gesetzgebung in den A.en. Neben ihrer Vorbereitungs- und Empfehlungsfunktion nehmen die A.e hauptsächlich Kontrollaufgaben wahr (siehe auch -»Untersuchungsa.). Die jeweiligen A.e setzen sich meistens aus Fachleuten zusammen. Grundsätzlich unterteilt man die parlamentarischen A.e in die für die Dauer einer -»Legislaturperiode gebildeten ständigen A.e und Ad-Hoc-A.e, die nur vorübergehend eingesetzt werden. Bestimmend für die Zusammensetzung der A.e ist das Stärkeverhältnis der einzelnen -»Fraktionen im Parlament. Zu den ständigen A.en. gehören im Deutschen -»Bundestag u.a. der Haushaltsa., Finanza. und Verteidigungsa.. Die A.e, die gemeinsam von Parlaments- und Bundesratsmitgliedern gebildet werden, sind der -»Vermittlungsa. und der -»Gemeinsame Ausschuss. Ausschuss der Regionen, aus 222 Vertretern von Regionen und -»Kommunen bestehendes Gremium der - » E G / E U , das die -»Europäische Kommission und den -»Europäischen Ministerrat bei Fragen von lokalem bzw. regionalem Interesse berät. Die Mitglieder des A. sind an die Weisungen der sie entsendenden Körperschaften gebunden. Die Bundesrepublik wird im A. durch 21 Vertreter der -»Bundesländer und drei Vertreter der -»Gemeinden repräsentiert. Außenhandelspolitik, staatliche Beeinflussungs- und Steuerungsversuche von Außenhandelsströmen. Ziel der A. ist zumeist der Schutz der einheimischen Landwirtschaft und Industrie. Dabei spielen beschäftigungs- und 17

Außenministerium konjunkturpolitische Motive eine maßgebliche Rolle. Als weiteres Ziel der A. wird der Ausbau der internationalen Arbeitsteilung durch Förderung und Liberalisierung des Handels (z.B. im Rahmen des - » G A T T und der Nachfolgeorganisation - » W T O ) genannt. A. bedient sich einerseits exportfördemder Maßnahmen, z.B. der Exportsubventionierung, andererseits Importbeschränkungen, z.B. nicht-tarifäre Handelshemmnisse, Zölle, Kontingentierungen. AuBenmiiiisterium, eines der fünf klassischen Ministerien, dessen Aufgabenbereich die -»Außenpolitik bildet. In der Bundesrepublik heißt das A. Auswärtiges Amt. Außenpolitik umfasst alle politischen, aber auch militärischen und wirtschaftlichen Maßnahmen eines -»Staates gegenüber anderen Staaten und -»internationalen Organisationen. Die A. verfolgt hauptsächlich wirtschaftliche Ziele und Sicherheitsinteressen (Wahrung der -»Souveränität und territorialen -•Integrität). Der anfangs auf den souveränen -•Nationalstaat bezogene Begriff der A. erfuhr mit dem Wandel der internationalen Ordnung, dem verstärkten Auftreten von internationalen Organisationen und der zunehmenden wechselseitigen Abhängigkeit der Staaten eine Bedeutungserweiterung: Da die klassische Souveränität des Nationalstaats obsolet geworden ist, wird A. nicht mehr nur durch die Staatsspitze betrieben, sondern auch mitbestimmt etwa durch internationale Regierungsorganisationen (z.B. -»Vereinte Nationen) und -»supranationale Organisationen (z.B. ->EG/EU), sowie internationale Konzerne und Nicht-Regierungs-Organisationen ( - » N G O , z.B. -»amnesty international). Im Gegensatz zur -»Innenpolitik besteht bei der Gestaltung der A. ein größerer Spielraum, insofern das internationale System weniger organisiert und reglementiert ist. Gleichwohl können die beiden Politikbereiche häufig nicht eindeutig getrennt werden, da die A. eines Staates von dessen inneren Strukturen und Interessenskonflikten beeinflusst wird. In 18

Auswanderung Abgrenzung zur Innenpolitik kann sich die A. gegenüber ihrem Adressaten, d.h. den anderen Staaten und internationalen Organisationen, jedoch nicht auf ein -»Gewaltmonopol stützen. Außenwirtschaftspolitik, alle staatlichen Maßnahmen zur Regelung wirtschaftlicher Beziehungen mit anderen Staaten, z.B. -•Außenhandels- und -»Währungspolitik. Außerparlamentarische APO

Opposition



Aussiedler, nach dem Bundesvertriebenengesetz gelten als A. diejenigen, die als deutsche Staatsangehörige oder -»Volksdeutsche nach Ende der allgemeinen Vertreibung aus den ehemaligen Ostblockstaaten, sowie Albanien, Jugoslawien und China in die BRD gezogen sind. Obwohl man begrifflich zwischen den A.n (Übersiedlung in einem geordneten Verfahren) und -»Vertriebenen (zwangsweise, ungeregelte -»Ausweisung), unterscheidet, besteht rechtlich kein Unterschied. Aussperrung, Arbeitskampfmaßnahme der -»Arbeitgeber, in der sie den Beschäftigten den Zutritt zu ihrer Arbeitstelle und dabei die Lohnzahlung verweigern und die sie als Antwort auf -»Streik einsetzen (-»Arbeitskampf). Die bundesdeutsche Arbeitsrechtsprechung begreift die A. zugunsten der „Waffengleichheit" der ->Tarifparteien als legale Maßnahme, sofem die Verhältnismäßigkeit beachtet wird. Austerity-Politik (engl, für Strenge), eine durch öffentliche Sparmaßnahmen bestimmte und auf Einfachheit der Lebensführung gerichtete -»Wirtschaftspolitik. Auswanderung, das Verlassen eines Staates, mit der Absicht, sich in einem anderen dauerhaft niederzulassen.

Auswärtiges Amt Auswärtiges

Autozentrierte Entwicklung

Amt,

Außenministerium

der

B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d , das z u s t ä n d i g

Verwaltung einer B e v ö l k e r u n g s g r u p p e

oder

eines Territoriums.

für die - » A u ß e n p o l i t i k ist. A u t o r i t ä r e Persönlichkeit, Begriff zur

sozialpsycholo-

A u s w e i s u n g , das V e r w e i s e n von - » A u s l ä n -

gischer

dern aus d e m Staatsgebiet, das eine B e e n d i -

autoritätshörigen P e r s o n e n , die dazu tendie-

g u n g d e s A u f e n t h a l t s r e c h t s zur Folge hat. D i e

ren,

A. wird durch die - » A b s c h i e b u n g vollzogen.

Schwächere

M ö g l i c h e G r ü n d e für eine A. sind - in der

Intoleranz an den T a g legen.

sich

Charakterisierung

Stärkeren zu

zu

unterwerfen

dominieren,

und

von und

generell

B u n d e s r e p u b l i k - unter anderen die Beeint r ä c h t i g u n g d e r ö f f e n t l i c h e n Sicherheit Ordnung der Bundesrepublik,

und

durch s c h w e r w i e g e n d e R e c h t s v e r s t ö ß e die

Gefährdung

der

A u t o r i t ä r e s R e g i m e —» A u t o r i t a r i s m u s

insbesondere oder

A u t o r i t a r i s m u s (lat.

auctoritas:

Ansehen,

-»freiheitlich-

Einfluss), 1. H e r r s c h a f t s t y p u s , g e k e n n z e i c h -

d e m o k r a t i s c h e n G r u n d o r d n u n g . Bei der Ent-

net durch zentralistische, h i e r a r c h i s c h e O r g a -

s c h e i d u n g ü b e r die A. eines A u s l ä n d e r s ha-

nisation o h n e rechtsstaatliche Kontrolle, a u c h

ben die B e h ö r d e n allerdings a u c h die sozia-

wenn formal demokratische Elemente beibe-

len B i n d u n g e n

halten w e r d e n (autoritäres R e g i m e ) . Im Un-

des B e t r o f f e n e n und

seine

A u f e n t h a l t s d a u e r in d e r B u n d e s r e p u b l i k

zu

terschied z u m - » T o t a l i t a r i s m u s beinhaltet d e r

b e r ü c k s i c h t i g e n . Schließlich k ö n n e n A s y l b e -

A. keine Staatsideologie u n d verzichtet auf

rechtigte

sowie

Ausländer

Familienangehörigen,

einer

mit

deutschen

unbefristeten

ständige politische M o b i l i s i e r u n g . 2. Im weiten Sinne die u n h i n t e r f r a g t e Ü b e r -

A u f e n t h a l t s e r l a u b n i s o d e r einer A u f e n t h a l t s -

n a h m e und A k z e p t a n z von - » N o r m e n

b e r e c h t i g u n g nur aus b e s o n d e r s schwerwie-

Verhaltensweisen

g e n d e n G r ü n d e n hinsichtlich der G e f ä h r d u n g

d u n g in die Tradition.

der

öffentlichen

Sicherheit

und

auf G r u n d

ihrer

und

Einbin-

Ordnung

abgeschoben werden.

A u t o r i t ä t (lat. auctoritas: A n s e h e n , Einfluss), das (institutionalisierte) R e c h t u n d / o d e r die

Autarkie

(griech.

autarkeia:

Selbstgenüg-

samkeit), allgemein die u m f a s s e n d e

Unab-

hängigkeit eines Staates von a n d e r e n Staaten.

Fähigkeit einer Person,

ihren Willen

Einsetzung von G e w a l t o d e r

ohne

Überredungs-

künsten d u r c h z u s e t z e n .

Im e n g e r e n Sinn die wirtschaftliche U n a b hängigkeit mit d e r Fähigkeit zur Selbstver-

A u t o z e n t r i e r t e E n t w i c k l u n g (griech. autos:

sorgung.

selbst; lat. centrum: Mittelpunkt), von

der

—»Dependenztheorie

fur

geprägter

Begriff

A u t o k r a t i e (griech. autokrateia: Selbstherr-

eine Strategie, die auf die E n t w i c k l u n g d e r

schaft), H e r r s c h a f t s t y p u s , in der der/die Herr-

wirtschaftlichen Selbständigkeit eines a r m e n

scher

L a n d e s u n d auf dessen H e r a u s l ö s u n g aus d e m

selbstherrlich

trollierte

Macht

unbeschränkte,

ohne

unkon-

-»Partizipation

des

W e l t m a r k t zielt. Dies soll erreicht

werden

durch eine nationale P r o d u k t i o n s g ü t e r i n d u s t -

Volkes ausübt/ausüben.

rie, den regionalen G e g e b e n h e i t e n a n g e p a s s t e A u t o n o m i e (griech. a u t o n o m o s : nach

eige-

T e c h n o l o g i e n , P r o d u k t i v i t ä t s s t e i g e r u n g in der

nen G e s e t z e n lebend), 1. rechtliche Fähigkeit

L a n d w i r t s c h a f t und H e r s t e l l u n g von M a s s e n -

einer V e r e i n i g u n g oder eines G e m e i n w e s e n s ,

konsumgütern.

selbständig R e g e l u n g e n über ihre bzw. seine A n g e l e g e n h e i t e n zu t r e f f e n . 2. V ö l k e r r e c h t l i c h die vertraglich bestimmte, innerhalb eines Staates a u s g e ü b t e - » S e l b s t -

19

BAföG

B BAföG, Abk. für Bundesausbildungsförderungsgesetz, das in der Bundesrepublik Schülern und Studierenden finanzielle Unterstützung gewährt, wenn diese nicht über ausreichend eigene Mittel vertilgen. Balance of power, engl, für Mächtegleichgewicht, Prinzip der ausgewogenen Machtverteilung im internationalen Staatensystem. B. zielt darauf ab, der Vorherrschaft eines mächtigen Staates bzw. Staatenbündnisses dadurch entgegenzutreten, dass durch Bündnispolitik ein Gegengewicht geschaffen wird. Banngut -> Konterbande Bannmeile, Gebiet um Gebäude hoher -»Staatsorgane (in der Bundesrepublik: Bundestag, -rat, -Verfassungsgericht, Landesparlamente), das rechtlich besonders geschützt ist, z.B. durch ein Demonstrationsverbot. Basisdemokratie, Sammelbezeichnung für verschiedene Elemente und Verfahrensweisen der -»direkten Demokratie hinsichtlich Willensbildung und -»Partizipation, bei denen die unmittelbare Beteiligung der Bürger im Vordergrund steht. Basis-Überbau, zentrales Begriffspaar in der marxistischen Gesellschaftsanalyse. Die ökonomische Struktur (-»Produktionsverhältnisse), insbesondere die Eigentumsbeziehungen, stellt demnach die so genannte Basis dar. Auf dieser Grundlage bilden sich die sozialen Regeln und Einrichtungen wie -»Ideologie, -»Recht, -»Staat und -»Politik der Überbau - heraus. Damit hängt der Überbau in seiner konkreten geschichtlichen Ausformung von der Basis ab, andererseits jedoch hat der Überbau auch Einfluss auf die Entwicklung der Basis, insofern er dazu dienen kann, die faktischen sozioökonomischen Verhältnisse zu zementieren (-»Marxismus). Beamte, alle Beschäftigten einer öffentlichen -»Körperschaft, die zu dieser in einem be20

Begnadigung sonderen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Zur Erfüllung hoheitlicher Befugnisse und anderer v.a. auf die Staatssicherheit bezogene Funktionen dürfen ausschließlich B. eingestellt werden. Zu den Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählen unter anderem die Alimentationspflicht des Staates, d.h. die Besoldung, die besondere Treuepflicht des B. dem Staat gegenüber, die sich z.B. im Streikverbot äußert und die Verpflichtung des B. gegenüber dem Gemeinwohl und nicht einer Partei. Eine besondere Position nehmen -»politische B. ein, die leitende Stellungen des Staates innehaben und ohne Begründung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, wenn sie mit den Zielen der Regierung nicht übereinstimmen. Zu den politischen B.n zählen z.B. Staatssekretäre und Polizeipräsidenten. Befehls- und Kommandogewalt, in der Bundesrepublik die nach Art. 65a GG dem Verteidigungsminister zukommende Weisungsbefugnis über die -»Bundeswehr, die allerdings im Verteidigungsfall laut Art. 115b GG dem -»Bundeskanzler zukommt (-»Notstandsverfassung). Befreiungsbewegungen, Bezeichnung der Gruppierungen, die sich für nationale, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Unabhängigkeit eines Landes oder eines Landesteiles und gegen Fremdherrschaft meist mit Gewalt einsetzen. Die B. sind im Zeitalter der Kolonialherrschaft entstanden. Beggar-my-neighbour-Politik (engl, für: den Nachbarn an den Bettelstab bringen), Form der -»Außenhandelspolitik, die auf Kosten anderer Staaten die eigenen konjunkturellen oder strukturellen Schwächen auszugleichen versucht, etwa indem der Export gesteigert und der Import beschränkt wird. Begnadigung, Verzicht auf Vollstreckung eines Urteils seitens des Staates, der sich im Unterschied zur -»Amnestie auf einen einzelnen Fall bezieht. In der Bundesrepublik

Behörde hat der -»Bundespräsident das Recht auf B. inne, in den einzelnen —»Bundesländern die -»Ministerpräsidenten. Behörde, öffentliche Verwaltungseinheit, die eine öffentliche -»Körperschaft als handelndes -»Organ vertritt. Beistandspakt, völkerrechtliches -»Bündnis, das zur gegenseitigen militärischen oder politischen Unterstützung im Kriegsfall verpflichtet, z.B. - » N A T O . Beiträge, öffentliche, -»Abgaben an eine öffentliche —»Körperschaft für die Bereitstellung von öffentlichen Dienstleistungen. Im Unterschied zu -»Gebühren werden B. unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der angebotenen Leistung eingefordert, wie z.B. B. zur -»Sozialversicherung. Berufsfreiheit und -verbot, nach Art. 12 GG haben alle Deutschen „das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen." Dabei darf niemand „zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht." Im Falle eines Missbrauches des Berufs oder einer groben Verletzung kann im Zusammenhang mit bestimmten Straftaten ein Berufsverbot ausgesprochen werden, bei Ärzten, Rechtsanwälten und anderen freien Berufen auch durch entsprechende Gerichte der Standesvertretungen (-»Kammern). Seit dem -»Extremistenbeschluss von 1972 ist es möglich, Bewerber für den und Angestellte im -»öffentlichen Dienst abzulehnen und zu entlassen, deren Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ( - » F D G O ) aufgrund ihrer politischen Gesinnung bezweifelt wird. Dazu ist es nicht nötig, dass sie einer durch das -»Bundesverfassungsgericht verbotenen Partei angehören (-»Parteienverbot) - das Eintreten für eine verfassungsfeindliche Vereinigung reicht aus. Vom Berufsverbot waren bis Anfang der 1990er-Jahre hauptsächlich Mitglieder der DKP und anderer kommunis-

Bevölkerungspolitik tischer Organisationen betroffen, vereinzelt auch Angehörige rechtsextremer Parteien. Diktaturen nutzen das Berufsverbot als Instrument gegen politische Gegner. Besatzung, die ein Gebiet, insbesondere eines anderen Staates, besetzt haltenden und verwaltenden Streitkräfte. Beschäftigungspolitik, alle staatlichen Maßnahmen insbesondere der Bildungs-, Wirtschafts-, Finanz- und Lohnpolitik zum Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. In der Bundesrepublik ist nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 ein hohes Beschäftigungsniveau eines der Hauptziele der -»Wirtschaftspolitik, das die B. vor allem durch präventive Schritte gegen die -»Arbeitslosigkeit zu erreichen sucht. Beschlussfähigkeit, die Anwesenheit der für die Beschlussfassung notwendigen Mindestzahl von Mitgliedern einer politischen Körperschaft und die daraus erfolgende Fähigkeit, -»Abstimmungen und -»Wahlen rechtsgültig durchzuführen. So ist der -»Bundestag nur beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner gesetzlich bestimmten Mitgliederzahl anwesend ist (abgesehen von Beschlüssen, die eine qualifizierte Mehrheit benötigen). Besetzung, Stationierung fremder Truppen in einem Staat(sgebiet) und die damit verbundene temporäre Verwaltung. Die friedliche B. gründet - im Gegensatz zur kriegerischen, gewalttätigen B. - gemeinhin auf der vertraglichen Zustimmung des besetzten Staates. Bestellung, Berufung in ein —»Amt zur Übernahme politischer Herrschaft. Die B. kann durch -»Ernennung, - » W a h l , Erbfolge oder - » L o s erfolgen. Bevölkerungspolitik, alle staatlichen Maßnahmen zur Regulierung der Bevölkerung. In der Regel bezieht sich B. auf quantitative Ziele, d.h. die Reduzierung oder Erhöhung der Bevölkerungszahl (etwa mittels Gebur21

Bezirk tenkontrolle, Migrationspolitik, finanzieller Begünstigung oder Benachteiligung von Familien). In einigen Fällen spricht man auch von qualitativer B., die den generellen Gesundheitszustand der Bevölkerung mittels der Bekämpfung von Erbkrankheiten zu verbessern versucht. Diese Art der B. ist allerdings äußerst umstritten, da man etwa im -»Nationalsozialismus unter dem Vorwand der allgemeinen Volksgesundheit rassistische Verbrechen begangen und Behinderte ermordet hat. Bezirk, staatliche untere oder mittlere räumliche Verwaltungseinheit. Allgemein auch der Zuständigkeitsbereich eines Gerichts oder einer -»Behörde. Bias (engl, für Vorurteil), Fachbegriff der Wahlforschung, der bestimmte Unstimmigkeiten innerhalb der relativen Mehrheitswahl bezeichnet. B. bedeutet bezüglich der Wahlergebnisse die Benachteiligung einer Partei und die Begünstigung einer anderen, wenn z.B. eine Partei mit weniger Stimmen mehr Mandate erhält als diejenige mit mehr Stimmen (-»Mehrheitswahlrecht). Bildungspolitik, die Gesamtheit aller staatlichen und körperschaftlichen Maßnahmen zur Förderung, Organisation und Finanzierung des Bildungssystems. Dieses umfasst Kindergärten, Vorschulen, Schulen, Hochschulen, außerschulische Bildungseinrichtungen für Jugendliche und Erwachsene. Die B. fallt in der Bundesrepublik in den Kompetenzbereich der einzelnen -»Bundesländer, wird aber von der -»Kultusministerkonferenz koordiniert. Biologische Waffen, Trägerwaffen, die mit biologischen Kampfstoffen, etwa Pilzen, Bakterien oder Viren, versehen sind. Die 1975 in Kraft getretene und mittlerweile von 142 Staaten unterzeichnete Konvention über das Verbot der Entwicklung, Produktion und Lagerung biologischer Waffen und deren Vernichtung stellt den Versuch dar, den Be-

22

Blockfreie sitz und den Einsatz von B. zu verhindern (-»ABC-Waffen). Bipolarität, Machtverteilung im internationalen Staatensystem, bei der die Macht unter zwei Hauptakteuren aufgeteilt ist (wie z.B. im -»Kalten Krieg zwischen den beiden Blöcken unter der Führung der Vereinigten Staaten bzw. der UdSSR). Black Power (engl, für schwarze Macht), ursprünglich Slogan der radikalen Schwärzen-Bewegung in den Vereinigten Staaten während der 1960er-Jahre, dann aber auch Begriff für diese Bewegung selbst, die zum Kampf gegen Unterdrückung und -»Rassismus aufrief. B. betont besonders die Notwendigkeit, ein Bewusstein für die Bedeutung schwarzafrikanischer Geschichte und Identität zu haben. Block, innenpolitisch der Zusammenschluss mehrerer Parteien zur Verwirklichung gemeinsamer Interessen (-»Blockparteien). Im internationalen System die militärische, politische, wirtschaftliche Zusammenarbeit mehrerer Staaten innerhalb eines Bündnissystems (während des Ost-West-Konflikts z.B. Ostblock). Blockade, 1. Absperrung eines staatlichen (Teil-)Gebiets, die mit militärischen Mitteln erfolgt. 2. Form öffentlichen Protests (z.B. Sitzblockade). Blockfreie, Staaten, die sich während des Ost-West-Konflikts nicht einem der beiden -»Blöcke zuordnen wollten und die sich nach der Konferenz von Bandung (1955) 1961 zusammenschlössen, um das Ziel der -»Blockfreiheit zu verfolgen. Anfangs zählten die B.n 21, mittlerweile umfassen sie 113 Mitglieder. Seit Ende des Ost-West-Konflikts haben die B. mit der Auflösung der Blöcke das Motiv für ihren Zusammenschluss und damit auch an Bedeutung verloren.

Blockfreiheit Blockfreiheit, politische Orientierung eines Staates bzgl. des internationalen Systems, die die Zugehörigkeit zu einem -»Block ablehnt. Während anfangs die —»Blockfreien hauptsächlich die politische Selbstbestimmung zum Ziel hatten, verlagerte sich in den 1970em der Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Unabhängigkeit mit der Forderung nach einer -»neuen Weltwirtschaftsordnung. Beide Ziele werden seit den 80em gleichermaßen stark verfolgt, wobei insbesondere hinsichtlich des letzteren Zieles die Realisierungschancen gering sind. Blockparteien bildeten in kommunistisch regierten Staaten in Ost- und Ostmitteleuropa - ausgenommen in der UdSSR - das institutionalisierte Bündnis verschiedener -»Parteien und Organisationen unter Führung der herrschenden kommunistischen Partei. So bildeten in der DDR etwa unter der Führung der SED die CDU, LDPD, NDPD, DBD, der FDGB, FDJ, KB, DFD und die VgB den Block der -»Nationalen Front. BND - » Bundesnachrichtendienst Bolschewismus, Prinzipien der leninistischen Lehre, die Theorie und Praxis der Machtergreifung durch Berufsrevolutionäre und die „Diktatur des Proletariats" zur Erreichung einer klassenlosen Gesellschaft beinhalten (-»Leninismus). B. geht zurück auf den Parteitag der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands" 1903, auf dem die Anhänger V.l. Lenins (1870-1924) die Mehrheit (russ. Bolschewiki = Mehrheitler) erhielten. Nach der Oktoberrevolution 1918 war der B. das Organisationsprinzip der herrschenden kommunistischen Partei KPdSU, die bis 1952 offiziell „KPdSU (Bolschewiki)" genannt wurde. Zu den Merkmalen der bolschewistischen Lehre gehören u.a.: die Partei als „Avantgarde der Arbeiterklasse", -»Demokratischer Zentralismus, -»Kaderpolitik, die Theorie vom „-»Sozialismus in einem Lande" (d.h. die Errichtung der sozialistischen Gesellschaft zunächst in Russland) und die

Boykott Führungsrolle der KPdSU im Weltkommunismus. Der B. war unter Stalin ( 1 9 2 4 - 5 2 ) am ausgeprägtesten und führte zu einer diktatorischen Herrschaft mit -»Gleichschaltung, Säuberungsaktionen und -»Enteignungen (—»Stalinismus). Bonapartismus, spezielle Form der -»Militärdiktatur, die sich nach einem -»Staatsstreich oder einer -»Revolution plebiszitärer Elemente (-»Plebiszit) bedient, um ihre Herrschaft, die viele Prinzipien der Revolution rückgängig macht, zu legitimieren. Im B. verselbständigt sich unter der Leitung der -»charismatischen Führer die militärische Exekutive. Der Begriff B. geht zurück auf die Herrschaft Napoleon Bonapartes. Botschaft, höchste diplomatische Vertretung eines Staates im Ausland. Zum Aufgabenbereich der B. gehört die Repräsentation und der Schutz der Staats(bürger)interessen, der Informationsaustausch und die Förderung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen -»Empfangs- und —»Entsendestaat. Botschafter, der vom —»Entsendestaat beauftragte und vom Staatsoberhaupt des - » E m p fangstaates beglaubigte Leiter der - » B o t schaft. Der B. genießt -»Immunität. Boykott, Kampfmittel der Isolierung zur Durchsetzung von Interessen. Im wirtschaftlichen B. soll beispielsweise durch Auftragssperren ein Konkurrent ausgeschaltet werden. Der politische B. richtet sich gegen einen Staat oder die Inhaber staatlicher Gewalt und wird entweder von einem anderen Staat mittels -»Sanktionen oder von Bevölkerungsgruppen, etwa mittels passiven Widerstands, ausgeübt. Darüber hinaus gibt es den sozialen B. gegen unerwünschte Minderheiten und den B. im -»Arbeitskampf. Der Ausdruck B. geht zurück auf den Gutshofverwalter Charles C. Boycott. Der Engländer wurde in Irland wirtschaftlich und sozial so stark isoliert, dass er das Land verließ.

23

Brain Trust Brain Trust, Bezeichnung für eine informelle Expertengruppe, die auf Regierungsebene beratende Funktion hat. Breschnew-Doktrin, das nach dem Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, benannte Prinzip der „beschränkten -»Souveränität" der sozialistischen Staaten, mit dem er den Einmarsch sowjetischer Truppen in die CSSR 1968 rechtfertigte. Bretton-Woods(-System), die in den Verträgen von 1944 in Bretton-Woods vereinbarte Gründung des Internationale Währungsfonds ( - > I W F ) und der -»Weltbank. Bis 1973 (Freigabe der Wechselkurse) galt gemäß dem B. ein internationales System fester Wechselkurse auf der Basis eines Gold- oder US-Dollar-Standards und die Verpflichtung, größere Wechselkurskorrekturen durch den IWF genehmigen zu lassen. Briefgeheimnis - » Postgeheimnis Budgetrecht, I. alle verfassungsrechtlichen, gesetzlichen und administrativen Bestimmungen über den -»Haushaltsplan einer öffentlichen -»Körperschaft. 2. Parlamentarische Befugnis zur gesetzlichen Festlegung des Staatshaushaltes. Das B., das sich aus dem Steuerbewilligungsrechtsrecht der Stände entwickelte, soll zur Kontrolle der Regierung dienen. Bulletin (frz. bulle: Siegelkapsel), regelmäßig erscheinende und der Öffentlichkeit zugängliche amtliche Stellungnahmen, Berichte und Bekanntmachungen der -»Regierung oder des -»Staatsoberhaupts. Bund, 1. völkerrechtlich der Zusammenschluss mehrerer Staaten (-»Konföderation); 2. in einem -»Bundesstaat die Bezeichnung für den Gesamtstaat im Unterschied zu den Gliedstaaten. Bundesamt, in der Bundesrepublik eine Bundesoberbehörde, die einem -»Bundesministerium untersteht und für einen bestimm24

Bundesbank ten Aufgabenbereich bundesweit zuständig ist, z.B. das Bundesamt für Verfassungsschutz, das dem -»Innenministerium nachgeordnet ist. Bundesanstalt, in der Bundesrepublik eine -»öffentliche Anstalt des Bundes, z.B. B. für Arbeit. Bundesanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft, die in einem -»Bundesstaat für den Gesamtstaat zuständig ist. In der Bundesrepublik untersteht die B., die dem Bundesgerichtshof zugeordnet ist, dem -»Justizministerium. Bundesanzeiger, in der Bundesrepublik das amtliche, vom -»Justizministerium herausgegebene Mitteilungsblatt des Bundes, das seit 1949 täglich von Dienstag bis Samstag in drei Teilen erscheint. Bundesaufsicht, die Aufsicht des - » B u n d e s über die Gliedstaaten. In der Bundesrepublik besteht seitens der -»Bundesregierung eine Aufsichtspflicht über die Ausfuhrung der Bundesgesetze in den einzelnen - » B u n d e s ländern. Bundesbank, vom Bund in der Bundesrepublik als Währungs- und Notenbank errichtet, ist die B. mittels Regelung des Geldumlaufes und Kreditversorgung der Wirtschaft für die Währungssicherung zuständig. Überdies sorgt die B. dafür, dass der Zahlungsverkehr im In- und mit dem Ausland bankmäßig abgewickelt wird. Oberstes Prinzip der deutschen B. ist die Währungsstabilität und ihre Unabhängigkeit von der Bundesregierung. Seit der Europäischen Währungsunion ( - » W W U ) ist die B. integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken (-»ESZB), wobei ein wichtiger Teil ihrer währungspolitischen Befugnis auf die Europäische Zentralbank übergeht. Zu den Organen der B. gehören die - » L a n deszentralbanken, das Direktorium und der Zentralbankrat - dieser ist das wichtigste Entscheidungsorgan. Er setzt sich aus dem Direktorium (Ausführungsorgan) und den

Bundesexekution Präsidenten der Landeszentralbanken zusammen. Letztere sind zugleich die Landesverwaltungen der B. Der B.präsident, sein Stellvertreter und das Direktorium der B. werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten für acht Jahre ernannt. Bundesexekution - » Bundespflicht Bundesgerichte, in der Bundesrepublik die fünf obersten Gerichte des Bundes: Bundesgerichtshof (zuständig für Zivil- und Strafsachen), Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsgericht, Bundessozialgericht. Bundesgesetze, die vom - » B u n d erlassenen und für das gesamte Bundesgebiet gültigen -»Gesetze. Die B., die von der Legislative des Bundes - in der Bundesrepublik also von -»Bundestag und -»Bundesrat - beschlossen werden, stehen über den -»Landesgesetzen. Das heißt, steht ein Landesgesetz im Widerspruch zu einem B., dann gilt das Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht" (Art. 31 GG). Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist in den Art. 70-75 und 91a GG geregelt. Bundesgesetzblatt, in der Bundesrepublik das amtliche Mitteilungsblatt für -»Gesetze und -»Verordnungen des Bundes, die erst mit dieser Mitteilung rechtswirksam werden. Bundesgrenzschutz, die dem Bundesinnenministerium unterstehende -»Polizei des -»Bundes. Neben dem Schutz der Grenze kann der B. zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und bei Katastrophenfallen eingesetzt werden. Aufgrund der zunehmenden bundesweiten Präsenz des B. wird eine Aushöhlung der Polizeihoheit der Länder kritisiert. Bundeshaushalt - » Haushaltsplan Bundeskabinett - » Bundesregierung

Bundeskanzleramt Bundeskanzler, Leiter der -»Bundesregierung, gewählt durch den deutschen - » B u n destag auf Vorschlag des -»Bundespräsidenten. Der Kanzlerkandidat benötigt für seine Wahl, die geheim und ohne Aussprache erfolgt, die absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestages (-»Mehrheitsprinzip). Erhält er diese in den ersten beiden Wahlgängen nicht, dann genügt eine relative Mehrheit. In diesem Fall kann der Bundespräsident entscheiden, ob er den Kandidaten zum B. ernennt oder den Bundestag auflöst (Art. 63 GG). Die Amtsdauer des B. ist an die -»Legislaturperiode des Deutschen Bundestages gebunden (Art. 69 GG). Vorzeitig endet das Amt des B. bei Rücktritt, durch -»konstruktives Misstrauensvotum und bei -»Auflösung des Bundestages. Das konstruktive Misstrauensvotum (Art. 67 GG) gibt dem Bundestag die Möglichkeit, den B. durch die Wahl eines neuen B. abzuwählen, den der Bundespräsident ernennen muss (bisher einmal erfolgreich 1982 angewandt, als Helmut Kohl zum Nachfolger Helmut Schmidts gewählt wurde). Mit der -»Vertrauensfrage kann der B. sich der Unterstützung des Parlaments versichern oder Neuwahlen initiieren. Der B. hat eine relativ starke Position inne: Er bildet die -»Regierung, entscheidet auf Grund seiner -»Organisationsgewalt über die Anzahl der einzurichtenden Ministerien (außer den vom GG vorgesehenen Ministerien, Art. 64 GG) und gibt die politischen Richtlinien vor (Richtlinienkompetenz). Für die Politik der Bundesregierung ist der B. gegenüber dem Bundestag allein verantwortlich (Art. 65 GG). Der B. verfügt gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister de facto über ein absolutes Vetorecht gegen Bundestagsbeschlüsse, die Ausgaben oder Einnahmen des Bundeshaushaltsplanes erhöhen bzw. vermindern (Art. 112, 113 GG) (-»Haushalt). Im Verteidigungsfall hat er die -»Befehlsund Kommandogewalt (Art. 115b GG). Bundeskanzleramt, von einem -»Bundesminister geleitete Behörde, die dem - » B u n 25

Bundeskriminalamt deskanzler untersteht. Das B. informiert den Bundeskanzler, bereitet seine Entscheidungen vor, überwacht deren Durchführung und koordiniert die Arbeit der Bundesministerien. Dem B. sind u.a. das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und der —•Bundesnachrichtendienst direkt unterstellt. Bundeskriminalamt, dem Bundesinnenministerium unterstehende Bundesbehörde zur Verhütung, Bekämpfung und Aufdeckung von Verbrechen, die die Zusammenarbeit von Bund und Ländern sicherstellen soll. Bundesland, Gliedstaat eines -»Bundesstaates, der einen Teil der -»Staatsgewalt innehat und der sie mittels eigener Organe ausübt. In der Bundesrepublik ist „die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ... Sache der Länder" (Art. 30 GG), soweit keine anderen Regelungen getroffen sind. Je nach Gesetzesmaterie weist das Grundgesetz die Gesetzgebungskompetenz den B.ern oder dem - » B u n d zu. So verfügen die B.er grundsätzlich über die Gesetzgebungskompetenz (Art. 70 GG). Auf dem Gebiet der Außenpolitik, Verteidigungspolitik, dem Zoll- und Währungswesen liegt allerdings die „-»ausschließliche Gesetzgebung" beim Bund (Art. 71, 73 GG). Bezüglich der „-»konkurrierenden Gesetzgebung", wie etwa im Bereich des Strafrechts und des Arbeitsrechts, haben die B.er die Gesetzgebungsbefugnis, „solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrechte keinen Gebrauch macht" (Art. 72 GG). Im Bereich der Rahmengesetzgebung erlässt der Bund „Rahmenvorschriften", innerhalb derer die B.er eigene Gesetze erlassen (Art. 75 GG) (-»Rahmengesetz). Grundsätzlich gilt: „Bundesrecht bricht Landesrecht" (Art. 31 GG). Über den -»Bundesrat wirken die B. an der Bundesgesetzgebung mit, die Ausfuhrung der Bundesgesetze liegt grundsätzlich bei den Ländern (Art. 83 GG).

Bundesminister, in der Bundesrepublik Mitglieder der -»Bundesregierung, die als Leiter eines -»Bundesministeriums das je26

Bundespräsident weilige -»Ressort selbständig und eigenverantwortlich verwalten. Die B. sind innerhalb der Regierung mit gleichen Stimmen und Rechten ausgestattet, mit Ausnahme des Ausgabenvetos, über das allein der Finanzminister verfügt (Art. 112 GG). Die B. werden vom -»Bundeskanzler in die Bundesregierung berufen und können von ihm jederzeit entlassen werden. Ihre Amtszeit endet spätestens mit derjenigen des Bundeskanzlers. Bundesministerium, oberste Verwaltungsbehörde des -»Bundes, die für ein bestimmtes -»Ressort zuständig ist. Dabei liegt es im Ermessen des -»Bundeskanzlers, die Kompetenzen und Geschäftsbereiche des B. abzustecken; ebenso ist die Zahl der B.en im Grundgesetz nicht festgelegt. Geleitet wird das B. vom Bundesminister und von einem oder zwei parlamentarischen -»Staatssekretären. Klassische Bundesministerien sind das B. des Innern, der Verteidigung, der Finanzen, des Auswärtigen, der Justiz; im modernen Vorsorgestaat gewinnt das B. für Arbeit und Sozialordnung zunehmend an Bedeutung. Bundesnachrichtendienst (abgekürzt BND), der dem -»Bundeskanzleramt unterstehende und für die Sammlung und Auswertung von Informationen aus dem Ausland zuständige -»Geheimdienst der Bundesrepublik. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts verändert sich der Aufgabenbereich des BND, der zunehmend in der internationalen Kriminalitätsbekämpfung tätig ist. Bundesorgane - » Organ Bundespflicht, Pflicht zur -»Bundestreue Bundespräsident, -»Staatsoberhaupt in der Bundesrepublik, von der -»Bundesversammlung auf fiinf Jahre gewählt. Der B. repräsentiert die Bundesrepublik nach innen und außen, fertigt die Gesetze aus und verkündet sie, hat das Vorschlagsrecht für die Wahl des -»Bundeskanzlers, ernennt diesen neben den

Bundespräsidialamt -»Bundesministem und anderen Bundesbeamten und -richtem und kann in bestimmten Fällen den Bundestag auflösen (-»Auflösung des Bundestages). Die Anordnungen des B. bedürfen der -»Gegenzeichnung des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers. Die Funktion des B. ist auf hauptsächlich repräsentative Bereiche beschränkt - eine Konsequenz aus den Erfahrungen der Weimarer Republik, in der der Machtkonflikt zwischen dem Parlament und dem starken Reichspräsidenten zu Instabilitäten und Regierungskrisen geführt hat. Bundespräsidialamt, die den -»Bundespräsidenten in seiner Arbeit unterstützende Bundesbehörde. Bundesrat, 1. in der Bundesrepublik eines der fünf obersten Bundesorgane, mittels dessen die -»Bundesländer an der Bundesgesetzgebung und -Verwaltung mitwirken können (Art. 50 GG). Der B. setzt sich zusammen aus Mitgliedern der -»Landesregierungen, die j e nach Bevölkerungszahl zwei bis sechs Vertreter entsenden, die weisungsgebunden sind (-»imperatives Mandat) und ihre Stimmen einheitlich abgeben müssen (Art. 51 GG). Zu den Aufgabenbereichen des B. gehören u.a. Gesetzesinitiativen, Mitwirkung bei der -»Gesetzgebung, Mitwirkung bei der Verwaltung des Bundes (z.B. bei der Bundesaufsichtsverwaltung und dem -»Bundeszwang; Erlass von -»Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften), Mitwirkung bei der Wahl der Richter des -»Bundesverfassungsgerichts und diverse Kontrollrechte. Der jeweils für ein Jahr gewählte Präsident des B. ist Vertreter des -»Bundespräsidenten. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen den zustimmungspflichtigen (die Länder betreffenden) Gesetzen (-»Zustimmungsgesetz) und den -»Einspruchsgesetzen. Bei ersteren, die etwa die Hälfte aller Bundesgesetze ausmachen, ist die Zustimmung des B. erforderlich. Bei verfassungsändernden Gesetzen muss der B. sogar mit Zweidrittelmehrheit zustimmen (Art. 77 GG). Gegen die

Bundesregierung anderen Gesetze kann der B. Einspruch erheben, der vom Bundestag jedoch in letzter Instanz zurückgewiesen werden kann. Erfolgt der Einspruch des B. mit Zweidrittelmehrheit, ist eine Zurückweisung nur mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag möglich (Art. 77 GG). 2. Die „oberste vollziehende und leitende Behörde der Eidgenossenschaft" (Art. 95 Schweiz. Verfass.) in der Schweiz, d.h. -»Bundesregierung und kollektives -»Staatsoberhaupt zugleich. Bundesrechnungshof, selbständige und weisungsunabhängige Bundesbehörde der Bundesrepublik, die die Wirtschafts- und Haushaltsführung der Behörden, Organe und Unternehmen des Bundes hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit kontrolliert. Bundesrecht, alle von Bundesorganen gesetzten Rechtssätze, einschließlich des fortgeltenden Reichs- und DDR-Rechts. Nach Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des -»Völkerrechts Bestandteil des B. Bundesregierung, in der Bundesrepublik das aus dem -»Bundeskanzler und den - » B u n desministern bestehende Verfassungsorgan an der Spitze der -»Exekutive. Nach Art. 65 GG strukturiert sich die B. nach drei Prinzipien: -»Kanzlerprinzip, Ressortprinzip (siehe -»Bundesregierung), Kabinettprinzip (bzw. -»Kollegialprinzip). Nach dem Kanzlerprinzip kommt dem Bundeskanzler die Richtlinienkompetenz zu, wobei das Ressortprinzip den Bundesministem die Eigenverantwortlichkeit bei der Leitung ihrer Ministerien gewährt. Das Kabinettprinzip sieht vor, dass wichtige Entscheidungen von der Bundesregierung als Einheit gefällt werden. Neben den Aufgaben der Staatsleitung und Verwaltung, zum Beispiel durch den Erlass von -»Rechtsverordnungen, besitzt die B. auch das Recht, Gesetzesinitiativen im -»Bundestag einzubringen (siehe auch - » G e setzgebung).

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Bundessicherheitsrat Bundessicherheitsrat, aus dem - ^ B u n d e s kanzler und den Bundesministem des Innern, der Verteidigung, des Auswärtigen, der Justiz, für Finanzen und für Wirtschaft sowie fiir Entwicklung gebildeter -»Kabinettsausschuss, der die sicherheitspolitischen Beschlüsse der Bundesregierung vorbereitet. Eine wesentliche Tätigkeit bildet die Genehmigung von RUstungsexporten. Bundesstaat, 1. -»Staat, der aus mehreren Gliedstaaten besteht und über ein einheitliches Bundesgebiet, eine nach außen souveräne und einheitliche -»Staatsgewalt und ein —»Staatsvolk verfügt, wobei die Gliedstaaten Teilsouveränität besitzen (-»Föderalismus). Zu den Staatsorganen zählen: -»Staatsoberhaupt, Bundesparlament (-»Parlament), -»Bundesregierung und -»Bundesgerichte. Zu den Kompetenzen des Bundes gehören stets -»Außen-, -»Verteidigungs-, Zoll- und -»Währungspolitik. Prinzipiell sind in einem B. die Gliedstaaten dem -»Bund rechtlich und politisch untergeordnet: -»Bundesgesetze haben Vorrang vor den -»Landesgesetzen. Die Gliedstaaten sind zu bundesfreundlichem Verhalten verpflichtet und können notfalls dazu gezwungen werden (-»Bundeszwang und -»Bundestreue). Der Bund regelt die Zuständigkeitsbereiche der Gliedstaaten (-»Kompetenzkompetenz). In der Regel wirken die Gliedstaaten durch ein besonderes Bundesorgan an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit (siehe für die Bundesrepublik -»Bundesrat). In der Bundesrepublik gehört der bundesstaatliche Aufbau zu den besonders geschützten Verfassungsgrundsätzen (Art. 20 GG). 2. Bezeichnung für die Gliedstaaten eines - » B u n d e s (etwa in den Vereinigten Staaten).

Bundessteuern - » Steuern Bundestag, deutscher, -»Parlament der Bundesrepublik und einziges aus unmittelbarer - » W a h l legitimiertes -»Verfassungsorgan. Die -»Legislaturperiode dauert vier Jahre, sofern der B. nicht vorzeitig aufgelöst wird (-»Auflösung des Bundestages). Regu28

Bundestag, deutscher lär, d.h. ohne -»Überhangmandate, hat der B. 656 -»Abgeordnete (ab dem Jahre 2002 598 Abgeordnete), die in einer personalisierten Verhältniswahl gewählt werden (-»Bundestagswahl). Der B. umfasst folgende - » O r g a ne: das -»Plenum, das Präsidium, den - » Ä l testenrat, den Sitzungsvorstand, die -»Ausschüsse, die —»Fraktionen und den - » W e h r beauftragten (Art. 3 8 - 4 8 GG). Zu den Funktionen des B. gehören: - » R e präsentation des Volkes und seines politischen Willens, Kommunikation zwischen Staat und Bürgern und politische Willensbildung. Der B. hat folgende Aufgaben: 1. Wahl (und Abwahl) des -»Bundeskanzlers (und damit indirekt Regierungsbildung); 2. -»Gesetzgebung; 3. Regierungskontrolle durch Diskussionen im -»Plenum, -»Untersuchungsausschüsse, -»Anfragen, -»konstruktives Misstrauensvotum; 4. Mitwirkung bei der Wahl des - » B u n d e s präsidenten (-»Bundesversammlung), der Richter des -»Bundesverfassungsgerichts und der obersten -»Bundesgerichte; 5. Feststellung des Verteidigungsfalles und des Spannungsfalles (-»Notstandsverfassung); Der deutsche B. ist Bestandteil des -»parlamentarischen Regierungssystems der Bundesrepublik. Insoweit daher die Regierung von der Mehrheitsfraktion bzw. einer -»Koalition gebildet und getragen wird, steht nicht der gesamte B. der Bundesregierung als Kontrollorgan gegenüber. Vielmehr wird die Kontrollfunktion hauptsächlich von den Oppositionsparteien ausgeübt (-»Opposition). Die Regierungsfraktionen verlieren dagegen häufig ihre Eigenständigkeit als Teile des B. und treten im Parlament als Sprachrohr der Regierung auf. Insofern haben parteipolitische Bindungen mehr Gewicht, als die institutionelle Trennung zwischen -»Exekutive und -»Legislative vermuten lassen. Auch in der Gesetzgebung gibt es kein Gleichgewicht zwischen B. und Bundesregierung, da diese bei der Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen aufgrund des ihr zur Verfügung stehenden Verwaltungsapparates gegenüber dem Parla-

Bundestagspräsident ment im Vorteil ist. Dennoch liegt im Vergleich zu Parlamenten anderer Staaten ein Schwerpunkt der Arbeit des deutschen B. auf der Legislative, die vor allem in den —»Ausschüssen stattfindet. Der B. versteht sich daher vornehmlich als Arbeitsparlament, obgleich häufig von einer Mischform zwischen Arbeits- und Redeparlament gesprochen wird (-»Parlament). Bundestagspräsident, deutscher, Vertreter des -»Bundestages, der traditionell von der stärksten -»Fraktion gestellt und von den Mitgliedern des Bundestages nach Absprache im -»Ältestenrat gewählt wird. Der B., der dem Ältestenrat vorsitzt und der als zweithöchster politischer Amtsträger der Bundesrepublik gilt (nach dem -»Bundespräsidenten), repräsentiert den Bundestag und regelt dessen Geschäfte: U.a. ist er verantwortlich für die Einhaltung der -»Geschäftsordnung und leitet die Plenarsitzungen. Der B. bleibt Mitglied seiner Fraktion und behält sein Stimmrecht. Bundestagswahl, die Abgeordneten des deutschen -»Bundestages werden alle vier Jahre in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer - » W a h l gewählt (Art. 38 GG). Das -»aktive Wahlrecht gilt grundsätzlich für alle Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, seit drei Monaten in der Bundesrepublik wohnen und aufgrund zusätzlicher Bestimmungen nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Das -»passive Wahlrecht gilt für alle, die das aktive Wahlrecht innehaben und seit mindestens einem Jahr die deutsche -»Staatsbürgerschaft besitzen und aufgrund zusätzlicher Bestimmungen nicht vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen sind. Die B. findet gemäß dem so genannten personalisierten Verhältniswahlrecht statt: Jeder Wähler hat zwei Stimmen. Mit der -»Erststimme wählt er nach dem relativen Mehrheitswahlrecht (-»Mehrheitswahlrecht) einen Bewerber des -»Wahlkreises (Direktmandat). Mit der -»Zweitstimme entscheidet er sich für die -»Landesliste einer Partei (-»Liste). Erst- und Zweit-

Bundesverfassungsgericht stimme können zwei verschiedenen Parteien gegeben werden. Lediglich die Zweitstimme bestimmt (nach dem Prinzip des -»Verhältniswahlrechts) die Zahl der Bundestagsmandate, die einer Partei eines Bundeslandes zustehen (die Auszählung der Zweitstimmen erfolgt nach dem -»Hare/NiemeyerVerfahren). Dabei erfolgt die Besetzung der Mandate zunächst mit den Kandidaten, die über die Erststimme direkt gewählt wurden. Diesen Kandidaten ist in jedem Fall ein Sitz im Bundestag sicher. Die verbleibenden Mandate einer Partei werden durch die Kandidaten der Landesliste besetzt. Werden mehr Kandidaten einer Partei mit der Erststimme direkt gewählt als dieser Partei an Mandaten nach ihrem Zweitstimmen-Ergebnis zukommen, so erhält sie so genannte Überhangmandate: D.h., die Gesamtzahl der Sitze des Bundestages wird erhöht. Das personalisierte Verhältniswahlrecht der B. beinhaltet die so genannte -»Fünfprozentklausel, die in Kraft tritt, wenn eine Partei bundesweit weniger als fünf Prozent der insgesamt abgegebenen Zweitstimmen erhält: In diesem Fall kommen ihr keine Mandate zu, es sei denn, sie kann drei Direktmandate über die Erststimme erringen (-»Grundmandats-Klausel). Die Erststimme soll dem Wähler die Möglichkeit geben, sich für einen Kandidaten zu entscheiden, der ihm aus seinem Wahlkreis bekannt ist. Die nach dem Verhältniswahlrecht bestimmte Zweitstimme soll den Wählerwillen möglichst gerecht widerspiegeln. Zur Vermeidung eines handlungsunfähigen, weil zersplitterten Parlaments dient die -»Sperrklausel.

Bundestreue, verfassungsrechtliches, obgleich ungeschriebenes Prinzip in der Bundesrepublik, wonach -»Bund und - » B u n d e s länder zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und zur Einhaltung der verfassungsmäßigen Kompetenzverteilung verpflichtet sind. Bundesverfassungsgericht, von allen übrigen Verfassungsorganen unabhängiger und selbständiger Gerichtshof des -»Bundes in der Bundesrepublik (Sitz: Karlsruhe). Seine 29

Bundesversammlung Entscheidungen sind für alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder ebenso wie alle Gerichte und Behörden verbindlich. Das B. besteht aus zwei Senaten mit j e acht Richtern, die je zur Hälfte mit Zweidrittelmehrheit vom -»Bundesrat und vom -»Wahlmännerausschuss des Bundestags für 12 Jahre gewählt werden. Der Vorsitzende des Ersten Senats ist Präsident des B., der Vorsitzende des Zweiten Senats ist Vizepräsident des B. Zum Aufgabenbereich des B. gehören: 1. -»Organstreit zwischen obersten Bundesorganen; 2. Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern; 3.a) Abstrakte Normenkontrolle: Entscheidung über die Vereinbarkeit von Landes- bzw. Bundesrecht mit dem Grundgesetz bzw. die Vereinbarkeit von Landes- mit Bundesrecht (Art. 93 GG); b) Konkrete Normenkontrolle: Entscheidung auf Antrag eines Gerichts in einem Einzelfall, ob ein Landes- oder Bundesgesetz mit dem GG oder ein Landesgesetz mit Bundesrecht vereinbar ist oder ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist (Art. 100 GG). 4. -»Verfassungsbeschwerden von jedem, der sich in seinen Grundrechten durch einen staatlichen Akt verletzt fühlt (Art. 93 GG); 5. -»Parteienverbot (Art. 21 GG); 6. Anklage des -»Bundespräsidenten und von Bundesrichtem (Art. 61, 98 GG); 7. -»Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG); 8. Wahlprüfungsverfahren (Art. 41 GG). Das B. gilt als die wichtigste rechtliche Kontrollinstanz der staatlichen Gewalt, wofür ihre Unabhängigkeit ein unverzichtbarer Bestandteil ist. Allerdings wird zunehmend kritisiert, dass seine Entscheidungen in den politischen Bereich hineinreichen, beizeiten auch politisch motiviert sind. In diesem Kontext wird vor allem auf das Problem hingewiesen, dass das B. selbst keiner Kontrolle unterliegt. Bundesversammlung, 1. in der Bundesrepublik das parlamentarische Organ, das den -»Bundespräsidenten wählt. Die B. besteht aus den -»Abgeordneten des -»Bundestages und ebenso vielen von den -»Landtagen der -»Bundesländer gewählten Mitgliedern; 2. schweizerisches Bundesparlament. 30

Bundeswehr

Bundesverteidigungsrat heitsrat



Bundessicher-

Bundesverwaltung, die in einem —»Bundesstaat vom Bund wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben und die sie ausführenden Behörden. In der Bundesrepublik ist die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben nach Art. 30 GG grundsätzlich Sache der Länder. Auch die Ausführung von -»Bundesgesetzen obliegt großteils den -»Landesverwaltungen, wobei sie einen Teil der Bundesgesetze in eigener Verantwortung ausführen, andere dagegen im Auftrag des Bundes (Auftragsverwaltung). Die bundeseigene Verwaltung, z.B. auswärtiger Dienst, -»Bundeswehr, Bundesfinanzverwaltung, wird von den -»Bundesministerien und Bundesbehörden wahrgenommen. Bundeswehr, die Streitkräfte der Bundesrepublik, die - 1949 bei der Verabschiedung des Grundgesetzes noch nicht vorgesehen nach Eintritt der B R D in die - » W E U und die - » N A T O 1955 geschaffen wurden. 1956 wurde die -»Wehrpflicht eingeführt. Die B. umfasst die drei Teilstreitkräfte Luftwaffe, Marine und Heer, die im -»Bündnisfall vollständig der - » N A T O unterstellt sind. Etwa ein Drittel der B. besteht aus Wehrpflichtigen, zwei Drittel aus Freiwilligen (Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit). Der -»Zweiplus-Vier-Vertrag legt den Gesamtumfang der Streitkräfte in Friedenszeiten auf 340.000 Soldaten (erweiterbar um 30.000) fest, im Verteidigungsfall auf knapp 700.000. Die B. untersteht in der Regel dem Verteidigungsminister, im Verteidigungsfall dem - » B u n deskanzler (-»Befehls- und Kommandogewalt, -»Notstandsverfassung). Die B. soll hauptsächlich der Landesverteidigung gegen äußere Angriffe dienen, kann aber auch bei Katastrophenfällen und im Notstand eingesetzt werden (Art. 35, 87a GG). Ein Angriffskrieg ist grundgesetzlich verboten (Art. 26 GG). Die Diskussion, ob die Streitkräfte über die reine Landesverteidigung hinaus tätig sein dürfen, wurde 1994

Bundeszwang vom -»Bundesverfassungsgericht entschieden: Sie können im Rahmen und gemäß eines Systems -»kollektiver Sicherheit (derzeit —»NATO und —»Vereinte Nationen) im Ausland eingesetzt werden (Art. 24 GG). Der -»Bundestag muss dem bewaffneten Einsatz mit einfacher Mehrheit zustimmen - bei Gefahr im Verzug kann die Beschlussfassung des Bundestages nachgeholt werden. Bundeszwang, Maßnahmen des -»Bundes in einem -»Bundesstaat gegenüber den - » B u n desländern. In der Bundesrepublik ist zur Ausübung des B. gegen Länder, die ihre verfassungsmäßigen oder bundesgesetzlichen Pflichten verletzen, die Zustimmung des -»Bundesrates nötig (Art. 37 GG). Bündnis, zumeist vertraglich fixierter Zusammenschluss mehrerer Staaten oder anderer politischer Akteure zur gemeinsamen Verfolgung ihrer Ziele. Bündnisfall, das Vorkommnis, durch das ein Bündnismitglied völkerrechtlich dazu verpflichtet ist, seine Bündnispflichten einzulösen. Der B. in der - » N A T O tritt ein, wenn eines ihrer Mitglieder militärisch angegriffen wird, was wie ein Angriff auf den eigenen Staat betrachtet wird. In diesem Fall muss jedes Mitglied dem angegriffenen Staat zur Hilfe kommen und die Schritte einleiten, „die es für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Bündnisses wiederherzustellen" (NATO-Vertrag Art. 5). Buntbücher - » Farbbücher Bürger, ursprünglich der Einwohner einer -»Gemeinde, der darin die vollen Rechte und Pflichten hat. Seit der Französischen Revolution wird B. in Sinne von Staatsbürger verwendet (-»Staatsbürgerschaft). Bürgerbeauftragter - » Ombudsmann Bürgerbegehren, Antrag der Gemeindebürger auf einen -»Bürgerentscheid, der zunächst nur in Baden-Württemberg, mittler-

Bürgerinitiative weile aber in fast allen Bundesländern möglich ist. Dem Antrag muss stattgegeben werden, wenn ein bestimmtes - » Q u o r u m erzielt wird (z.B. bedarf es in Baden-Württemberg in der Regel der Unterschriften von 15 Prozent aller Wahlberechtigten). Bürgerbewegung, im engeren Sinne die oppositionellen Kräfte, die in der Phase des Zusammenbruchs der D D R auf demokratische Veränderungen drängten und das SEDRegime auf gewaltlose Art beendeten (z.B. Neues Forum). Im weiteren Sinne -»Bürgerinitiative. Bürgerentscheid, auf Gemeindeebene die direkte Entscheidung der Gemeindemitglieder über eine Angelegenheit von Bedeutung mit der Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses. Die Annahme des zur Abstimmung stehenden Vorschlages erfolgt nur bei der Erfüllung eines festgelegten - » Q u o r u m s (z.B. in Baden-Württemberg müssen 30 Prozent aller Stimmberechtigten dem Vorschlag zustimmen). Bürgergesellschaft - » Zivilgesellschaft Bürgerinitiative, nicht institutionalisierter und aktionsbetonter Zusammenschluss von Bürgern mit dem Ziel, auf kommunaler, regionaler oder gesamtstaatlicher Ebene Kritik an sozialen, ökologischen und politischen Mißständen zu üben und Einfluss auf -»Verwaltung und politische Entscheidungen zu nehmen. Meist konzentrieren sich die B.n, die in den 1960ern entstanden sind, auf ein bestimmtes Projekt (Ein-Punkt-Bewegung), das sie mittels öffentlichkeitswirksamer und unkonventioneller Aktionen durchzusetzen versuchen. B.n werden generell aufgrund mangelnden Vertrauens auf die Interessensrepräsentation durch die -»Parteien gegründet. Diese Skepsis beruht vielfach auf Defiziten der -»repräsentativen Demokratie, wie etwa auf fehlender Bürgemähe. Trotz ihrer generell positiven Bewertung stoßen B.n auf die Kritik, dem Nimby-Prinzip (Abk. für: engl, not in my backyard: nicht in meinem 31

Bürgerkrieg

Bürokratie

Hinterhof) zu folgen, d.h. lokale Einzelinteressen auf Kosten gesamtgesellschaftlicher Anforderungen durchsetzen zu wollen. Bürgerkrieg, bewaffneter Konflikt innerhalb eines Staates, d.h. nicht auf internationaler Ebene. Der B. gilt völkerrechtlich formell nicht als ->Krieg. Im Regelfall wird der B. zur Erlangung der Regierungsgewalt oder mit dem Ziel der -»Sezession eines Gebietes geführt. Konfliktparteien können nichtstaatliche und staatliche Gruppen sein. Bürgerliche schaft

Gesellschaft



Zivilgesell-

Bürgermeister, in der Bundesrepublik -»Beamter, der einer Gemeinde vorsteht. Je nach Gemeindeverfassung ist der B. Leiter der kommunalen Verwaltung und/oder (ehrenamtlicher) Vorsitzender des —•Gemeinderats. In den -»Stadtstaaten (Bremen, Berlin, Hamburg) entspricht das Amt des B. dem eines -»Ministerpräsidenten. Bürgerrechte, die in der Regel verfassungsrechtlich garantierten Individualrechte, die jedem —»Bürger in einem Staat zustehen (im Gegensatz zu den -»Menschenrechten, die jedem Menschen unabhängig von der -»Staatsangehörigkeit zukommen). Die B. schützen nicht nur vor staatlichen Eingriffen (wie z.B. das Recht auf -»Freizügigkeit), sondern gewährleisten auch die Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Leben (z.B. das Wahlrecht). Bürgerrechtsbewegung, 1. in den Vereinigten Staaten soziale und politische Bewegung, die sich gegen die Rassendiskriminierung und für die Rechtsgleichheit der farbigen Bevölkerung einsetzt. 2. Aktionsgruppen in Osteuropa, die - v.a. nach der Unterzeichnung der KSZESchlussakte von 1975 ( - » O S Z E ) - für die Gewährleistung der -»Grund- und - » M e n schenrechte eintraten bzw. eintreten.

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Bürgerschaft, 1. alle -»Bürger eines politischen Gemeinwesens; 2. in Bremen und Hamburg Bezeichnung für die -»Landesparlamente. Bürokratie, ursprünglich - Mitte des 18. Jh. - rein negativ besetzter Ausdruck für die Dominanz der -»Verwaltung in Politik und Gesellschaft. Heute bezeichnet B. die Gesamtheit der öffentlichen Verwaltung und des -»öffentlichen Dienstes, die unter anderem durch folgende Charakteristika ausgezeichnet ist: geregeltes System von Tätigkeiten, Kompetenzen und Entscheidungsbefugnissen; hierarchischer Aufbau; Instanzenweg, d.h. festgelegter Verfahrensablauf (Beschwerden und Anträge sind z.B. zunächst an die unterste Hierarchieeben der zuständigen Behörde zu richten). Einerseits schafft die bürokratische Organisation für den Bürger Sicherheit und Berechenbarkeit, kann aber andererseits durch eine Verselbständigung der Verwaltung demokratische Kontrolle und Einflussnahme erschweren. Überdies verhindern verfestigte Strukturen und Regelungen der B. flexible Anpassung an die jeweilige wirtschaftliche, politische und soziale Situation.

Cäsarismus

c Cäsarismus, nach dem römischen Imperator Julius Cäsar benannte, im Zusammenhang mit Napoleon I. (daher auch -»Bonapartismus) geprägte Bezeichnung für eine Form der unbeschränkten Alleinherrschaft, die sich durch -»Plebiszite und -»Akklamation scheinbar demokratisch legitimiert. Castrismus - » Fidelismus Casus belli (lat.: Kriegsgrund bzw. -fall), ein Ereignis, das einen Staat zur -»Kriegserklärung veranlasst. Casus foederis, lat. für -»Bündnisfall Caucus, hauptsächlich in den Vereinigten Staaten stattfindende Parteiversammlung, auf der ein Kandidat für öffentliche Ämter nominiert und der Wahlkampf vorbereitet wird. Mittlerweile ist der C. weitgehend abgelöst durch die -»Primaries. Caudillo (span.: Anführer), im spanischsprachigen Raum Bezeichnung für einen politischen oder militärischen Führer, der sich auf ein System von Klientelbeziehungen stützt (-»Klientelismus). Chancengleichheit, Element des demokratisch-liberalen Gerechtigkeitskonzepts, das individuelle -»Freiheit und allgemeine -»Gleichheit zu verbinden sucht, indem allen Bürgern gleiche Teilhabe- und Startchancen im politischen, beruflichen und wirtschaftlichen Wettbewerb gewährleistet werden (sollen). Gemeinhin unterscheidet man zwischen fairer und formaler C. Während letztere jedem Individuum das Recht auf den Versuch zugesteht, seine gewählten Ziele zu verwirklichen (und ihm damit ausschließlich die gleichen Zugangsrechte garantiert), richtet sich die faire C. auf die Stärkung der Ausgangspositionen bestimmter Individuen: Ziel ist es, Wettbewerbsnachteile, die einzelne auf Grund ihrer wirtschaftlichen oder sozialen Position oder auf Grund einer Behinderung

Chemische Waffen oder des Geschlechts haben, auszugleichen. Dies geschieht beispielsweise durch - » Q u o tenregelung und -»BAfÖG. C. darf nicht mit Ergebnisgleichheit verwechselt werden, die auf eine gleiche und gerechte Endverteilung abzielt. Charismatischer Führer (griech. charisma: Gnadengabe), Führer, dessen -»Autorität und Position durch die außergewöhnliche Anziehungskraft seiner Persönlichkeit begründet ist und dem seine Anhänger in gläubiger Hingabe folgen. Die Bezeichnung geht auf Max Webers (1864-1920) Typologie der -»Herrschaft zurück. Charta (griech.-lat.: Urkunde), fundamentale staats- und völkerrechtliche Urkunde, z.B. Charta der -»Vereinten Nationen. Chauvinismus (abgeleitet vom Rekruten Chauvin aus der Komödie „La cocarde tricolore" von Gogniard), aggressiver und fanatischer -»Nationalismus. Der Begriff bezeichnet überdies ein männliches Verhalten, das den Wert des eigenen Geschlechts höher stellt als den des weiblichen. Checks and Balances (engl.: Hemmnisse und Gegengewichte), Prinzip insbesondere des -»präsidentiellen Regierungssystems in den Vereinigten Staaten, demzufolge die staatlichen Teilgewalten ihre Macht gegenseitig einschränken und kontrollieren. Chemiewaffenkonvention, eigentlich Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über deren Beseitigung vom 13. Januar 1993. Der mittlerweile von 125 Staaten ratifizierte Vertrag trat am 27. April 1997 in Kraft und sieht neben der graduellen Vernichtung der existierenden Chemiewaffen auch internationale Kontrollen der chemischen Industrie in den Unterzeichnerstaaten vor. Chemische Waffen, Waffen (Bomben, Minen und Granaten) mit chemischen Kampf33

Christliche Soziallehre Stoffen, wie z.B. Nervengifte. In den Pariser Verträgen 1954 hat die Bundesrepublik auf die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen (-»ABC-Waffen) verzichtet. Auf internationaler Ebene werden C. durch die -»Chemiewaffenkonvention verboten. Christliche Soziallehre, gesellschaftlichethische Positionen der protestantischen und katholischen Kirchen. Obgleich die Begründungen hinsichtlich der hierbei vertretenen Werte differieren, stimmen die katholischen und protestantischen Prinzipien der C. grundsätzlich überein. Zu diesen Prinzipien gehören Solidarität, Orientierung am -»Gemeinwohl und das -»Subsidiaritätsprinzip. Civil Society - » Zivilgesellschaft Cohabitation (lat. cohabitatio: Beisammenwohnen), aus der Praxis des französischen Regierungssystems stammender Begriff, der die Zusammenarbeit des direkt gewählten -•Staatspräsidenten mit einer Parlamentsmehrheit und einem -»Premierminister bezeichnet, die einer anderen Partei als derjenigen des Staatspräsidenten angehören (siehe auch -»semi-präsidentielles Regierungssystem). Commonwealth (of Nations), geläufig vor allem als Bezeichnung für den losen Zusammenschluss der 45 Staaten, die ehemals dem Britischen Kolonialreich angehörten, mittlerweile jedoch souverän sind. Condominium (lat. con: zusammen; dominium: Herrschaft), die gemeinsame -»Souveränität zweier oder mehrerer Staaten über ein Gebiet. Containment-Policy, v.a. in den ^ O e r Jahren praktizierte Politik der „Eindämmung" seitens der Vereinigten Staaten gegenüber dem von ihnen als expandierend begriffenen Weltkommunismus bzw. der UdSSR vor allem mittels finanzieller und wirtschaftlicher Unterstützung bestimmter Länder (z.B.

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Containment-Policy Marshall-Plan) und militärischer Paktsysteme (z.B. -»NATO). Die C. sollte zur Stabilisierung der westlich orientierten Staaten dienen und so einen kommunistischen Umsturz verhindern.

Datenschutz

D Datenschutz soll den Schutz der Privatsphäre durch die Regelung des Umgangs mit den persönlichen Daten des einzelnen gewährleisten. Mit der Volkszählung 1983 wurden in der Bundesrepublik die verfassungsrechtlichen Grundlagen dafür derart konkretisiert, dass mit dem Persönlichkeitsrecht ein „informationelles Selbstbestimmungsrecht" einher geht, d.h. die „Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen" (BVerfGE 65, S.l). Der D. betrifft ausschließlich natürliche Personen. Die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren der Bundesbeauftragte für den D. und entsprechende Beauftragte in den Ländern, die jährlich für die Parlamente einen D.bericht erstellen. Deflation (von lat. flare: blähen), in einer Volkswirtschaft Sinken der sich im Umlauf befindlichen Geldmenge und des Preisniveaus und der gleichzeitige Anstieg der Kaufkraft bzw. des Geldwertes. Deflation ist häufig mit hoher Arbeitslosigkeit verbunden. Dekolonisierung —» Entkolonisierung Delegation (lat. delegare: hinschicken, übertragen), 1. rechtlich die Überantwortung von Kompetenzen von einer Institution an eine andere; 2. von einer Institution Bevollmächtigte, die an deren Stelle auftreten und mit der Ausführung bestimmter Aufgaben beauftragt sind. Deliberative Demokratie (lat. deliberare: ab-, erwägen, beraten), Demokratiekonzept, das die öffentliche Diskussion und die Argumentationswilligkeit und -fähigkeit der Bürger im Gespräch in den Vordergrund stellt. Entsprechend einem republikanischen Demokratieverständnis sollen im demokratischen Prozess Grundorientierungen der Gesellschaft festgelegt werden. Mit der liberalen Demokratie hat die D. indes gemeinsam, sich weniger an einem einheitlichen Volkswillen

Demokratie als vielmehr am Prozess der Kompromissfindung zu orientieren (siehe auch -»Demokratie). Demagogie (griech. demagogos: Volksführer), abwertend gebrauchter Begriff für die Einflussnahme auf das Volk durch Rückgriff auf dessen Vorurteile, Unkenntnis und Emotionen hauptsächlich zum Erlangen von politischer Macht. In der Antike wurde der Begriff D. neutral verwendet. Demission (lat. demittere: hinab-, herablassen), erzwungene oder freiwillige Aufgabe des Amtes durch einen Politiker oder hohen Beamten. Demokratie (griech. demos: Volk; kratein: herrschen), -»Herrschaftsform, die folgende Merkmale aufweist: 1. -»Volkssouveränität, d.h. die höchste Gewalt in einem Staate liegt beim Volk; 2. politische Gleichheit, d.h. gleichberechtigte Teilhabe aller Staatsbürger an der politischen Entscheidungsfindung und Willensbildung; 3. rechtsstaatlich geschützte Freiheits- und -»Grundrechte; 4. diverse Partizipationsmöglichkeiten der Bürger u.a. durch Wahlrecht, Transparenz der öffentlichen Meinungsbildung, zeitlich beschränkte Entscheidungen, geschützte Oppositionsrechte; 5. ein gewisses Maß an sozialer -»Gleichheit und -»Gerechtigkeit als Voraussetzung für Teilnahme am gesellschaftlich-politischen Prozess. Die fundamentalen Säulen der D. sind demnach Volkssouveränität, -»Freiheit und Gleichheit. Generell kann man zwei Grundformen der D. nennen: die -»direkte D. (bzw. unmittelbare, —»plebiszitäre D.) und die -»repräsentative D. In der direkten D. entscheidet das Volk in Abstimmungen (-»Plebiszit; vgl. auch -»Basisdemokratie) selbst über wichtige politische Angelegenheiten, während in der repräsentativen D. die Entscheidungsgewalt gewählten Vertretern übertragen wird. Ebenso kann D. im Hinblick auf folgende zwei Modelle betrachtet werden: liberale D. und republikanische D. Bei der liberalen D. 35

Demokratischer Zentralismus dient das demokratische Verfahren als Instrument zur Kompromissfindung zwischen verschiedenen, divergierenden Einzelinteressen. Die republikanische D. hingegen bedient sich der demokratischen Prozesse nicht als Mittel zur Schlichtung von Interessenskonflikten, sondern zur Bildung gemeinsamer Werte und Ziele. Elemente beider Modelle versucht die Theorie der -»deliberativen Demokratie zu kombinieren. Der Mehrheitsd., die Entschlüsse auf der Basis von Mehrheitsentscheidungen fasst, steht die -»Konkordanzdemokratie gegenüber, die sich um Interessensausgleich via Kompromisse und Verhandlungen bemüht. In der Regel sind die gegenwärtigen demokratischen Systeme Mischformen der oben dargestellten Modelle. So werden in einer D. zwar Mehrheitsentscheidungen getroffen, allerdings geht es auch immer darum, einen möglichst breiten Konsens zu erreichen und somit auch die Akzeptanz der durchgesetzten Entscheidungen bei denjenigen zu erhöhen, die zur unterlegenen Seite gehören. Hinsichtlich der Bundesrepublik spricht man von einer -»Kanzlerdemokratie. Diese ist durch die starke Stellung des -»Bundeskanzlers gekennzeichnet und beinhaltet plebiszitäre als auch repräsentative Elemente. Einerseits wird der Kanzler zwar vom Bundestag und nicht von der gesamten Bevölkerung gewählt, andererseits jedoch entscheidet sich der Bürger bei der Wahl seiner Partei auch anhand des jeweiligen Kanzlerkandidaten („Personalplebiszit"), weswegen der letztlich vom Bundestag gewählte Bundeskanzler eine quasi-plebiszitäre Legitimation erhält. Obwohl die D. anderen Herrschaftsformen vorzuziehen ist, weist auch das demokratische System Schwierigkeiten auf. So kann das Prinzip der Mehrheitsentscheidung (—»Mehrheitsprinzip) zu einer Ausgrenzung der Minderheiten führen („Diktatur der Mehrheit"). Überdies darf die Tatsache, dass der Mehrheitswille ausschlaggebend ist, nicht verwechselt werden mit seiner Unfehlbarkeit, da er Gefahr läuft, manipuliert und instrumentalisiert zu werden. Diese beiden Punkte sind vor allem im Zusammenhang einer Ge-

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Demoskopie sellschaft zu beachten, die durch extrem soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten charakterisiert ist. In einer solchen Gesellschaft wächst das Risiko des -»Populismus und der Manipulation der Massen durch Wahlgeschenke und -»Demagogie. Überdies hat sich gezeigt, dass gerade die stark unterprivilegierten Bevölkerungsschichten, die auf eine Veränderung der politischgesellschaftlichen Verhältnisse angewiesen sind, das Partizipationsrecht nicht wahrnehmen. Hinsichtlich demokratischer Systeme wird schließlich kritisiert, dass die Ausrichtung auf die nächste Wahl eine Tendenz zu kurzsichtigen, teilweise nur am Wahlerfolg, nicht am Problem selbst orientierten Strategien zur Folge hat (siehe auch -»repräsentative Demokratie; -»identitäre Demokratie). Demokratischer Zentralismus, marxistischleninistischer Begriff, der das Organisationsprinzip der kommunistischen Parteien (-»Kaderpartei) und Staaten bezeichnet. Dieses beinhaltet u.a. folgende Merkmale: 1. hierarchisch-zentralistischer Aufbau; 2. autoritäre Kontrolle und Lenkung; 3. absolute Geltung der Anordnungen der obersten Parteiebene; 4. Wahl mit akklamatorischer Funktion (-»Akklamation); 5. kollektive Parteiund Staatsführung, de facto -»Diktatur des Parteivorsitzenden. Demonstration (lat. demonstrare: zeigen, beweisen), Form der öffentlichen Kundgebung zum Ausdruck einer politischen Meinung, die in der Bundesrepublik durch die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit (Art. 5 und 8 GG) geschützt ist. In der Bundesrepublik muss eine D. angemeldet und genehmigt werden. Demoskopie (griech. demos: Volk, skopein: betrachten), statistisch verfahrende Methode zur Untersuchung, Beobachtung und Analyse von Haltungen und Positionen von Personengruppen. Die D. wird u.a. als Wahl-, Meinungs- und Trendforschung angewandt. Die angestrebte Objektivität der Resultate ebenso wie die politische Neutralität der D. ist aller-

Dependenztheorie dings nicht in jedem Fall gewährleistet. So kann die Veröffentlichung von Prognosen kurz vor der Wahl die Wähler in ihrer Entscheidung beeinflussen. Dependenztheorie - > Entwicklungstheorien Deportation (lat. deportare: wegführen, wegbringen), im völkerrechtlichen Sinne die Verschleppung von Menschen eines besetzten Gebietes durch die Besatzungsmacht in ein anderes Gebiet. Deprivation (lat. deprivatio: Verlust, Entzug, Beraubung), sowohl immaterieller als auch materieller Gütermangel, Entbehrung von Selbstentfaltungsmöglichkeiten. Als relative D. bezeichnet man eine Benachteiligung im Vergleich zu anderen Mitgliedern einer Gesellschaft oder sozialen Gruppe. Deputiertenkammer, in einem -»Zweikammersystem die Kammer des -»Parlaments, die sich aus den direkt vom Volk gewählten -»Abgeordneten zusammensetzt. Deregulierung, allgemein die Beseitigung staatlicher Normen und Vorschriften. Im engeren Sinn ist D. Bestandteil eines liberalkonservativen Ansatzes mit dem Ziel, den Einfluss des Staates und der Politik zurückzudrängen. Unter den Schlagworten Flexibilisierung und Stärkung des Wettbewerbs wird gefordert, dass sich der Staat von vielen Aufgaben der Ordnungspolitik, der sozialen Sicherung und vor allem aus der Wirtschaft zurückzieht. Designation (lat. designare: bestimmen), die Bestimmung des zukünftigen Amtsinhabers vor seiner rechtswirksamen Ernennung oder Wahl bzw. vor seinem Amtsantritt. Despotie (griech. despotes: Hausherr), Willkürherrschaft, mit der Gewaltausübung einhergeht.

D'Hondt'sches Höchstzahlverfahren Détente (frz. détente: Entspannung), in der klassischen Diplomatie Ausdruck fiir - » E n t spannungspolitik. Dezentralisierung (lat. centrum: Mittelpunkt; de: weg von), Kompetenzübertragung von zentralen auf untergeordnete staatliche Institutionen. Dezisionismus (lat. decidere: entscheiden), -»politische Theorie, wonach eine politische -»Herrschaft auf argumentativ nicht begründbaren Entscheidungen basiert. Dialektischer Materialismus, philosophisches, sich zwar auf Karl Marx (1818-1883) berufendes System, das allerdings erst von Friedrich Engels (1820-1895) und vornehmlich von V.l. Lenin (1870-1924) formuliert wurde. Es beansprucht, die Naturgesetze ebenso wie das Denken und die gesellschaftliche Entwicklung zu beschreiben. Zentrales Moment bildet die Annahme, dass die natürlichen ebenso wie die sozioökonomischen Bedingungen, also die materialen Verhältnisse das Bewusstsein bestimmen. Der D. geht davon aus, dass dem materialen Sein Wesengesetze zu Grunde liegen, die einen notwendigen Prozess innerhalb der Geschichte vorschreiben, der wissenschaftlich erfasst und prognostiziert werden kann (siehe auch —»Marxismus). Diäten (lat. dies: Tag), 1. Tagegelder zur Aufwandserstattung; 2. finanzielle Aufwandsentschädigung der Parlamentsabgeordneten, die deren Unabhängigkeit wahren und ihnen ermöglichen soll, sich auf ihre Abgeordnetentätigkeit (die früher nicht entlohnt wurde) zu konzentrieren. Auf Kritik stößt nicht nur, dass die Höhe der Diäten von den Abgeordneten selbst (zu hoch und zu umfangreich) festgelegt wird, sondern auch die mangelnde Transparenz der Diätenregelung. D'Hondt'sches Höchstzahlverfahren, Formel, mittels derer bei der Verhältniswahl (-»Verhältniswahlrecht) die -»Mandate der 37

Dienstpflicht politischen Parteien errechnet werden können. Da das D. vor allem große Parteien bevorzugt, wendet man mittlerweile in der -»Bundestagswahl und in den meisten Land-»Hatagswahlen anstelle dessen das re/Niemeyer-Verfahren an. Im D. werden Stimmen, die den Parteien zufallen, nacheinander durch 1, 2, 3 usw. dividiert. Sie werden so lange dividiert, bis alle Sitze verteilt sind und bei der Vergabe des letzten Sitzes keine andere Partei mehr durch einen weiteren Divisionsschritt ein höheres Ergebnis erhalten kann als das Ergebnis, das die Partei hat, die den letzten Sitz erhalten hat. Die Sitze werden in der Reihenfolge der Höchstzahlen vergeben. Beispiel: Partei A erhält 1200 Stimmen, Partei B 600 und Partei C 300 Stimmen. Es werden 7 Mandate vergeben. Teilte man die Stimmen durch 1/2/3, dann erhielte man das Ergebnis: Partei A: 1200/600/400; Partei B: 600/300/200; Partei C: 300/150/100: Hier erhielte Partei A drei Mandate, Partei B auch drei und Partei C eines. Da aber in diesem Fall Partei B mit der Höchstzahl 200 den letzten Sitz erhält, Partei A jedoch, würde man ihre Stimmenzahl durch vier teilen, immer noch eine höheres Resultat erzielte (nämlich 300) als Partei B es erzielte mit dem Divisor drei und der Zahl 200, muss man also die gesamte Stimmenzahl nicht nur durch drei, sondern auch durch vier teilen. Die Sitzvergabe ändert sich wie folgt: Partei A vier Mandate, Partei B zwei und Partei C eines.

Dienstpflicht, staatsbürgerliche Pflicht, bestimmte Leistungen für die Gesellschaft zu übernehmen (z.B. -»Wehrpflicht). Diktatfrieden, der Friedensvertrag, den ein Siegerstaat dem besiegten Staat aufzwingt und der mit harten Bedingungen verknüpft ist. Diktatur (lat. dictare: vorsagen), -»Herrschaftsform, bei der eine Person oder Gruppe, auf die alle Staatsgewalt konzentriert ist, uneingeschränkt herrscht. Weitere Kennzei38

Direkte Demokratie chen sind u.a.: Reduktion bzw. Beseitigung des -»Pluralismus, der Pressefreiheit und der -»Opposition; -»Polizeistaat anstelle von -»Rechtsstaat. Die totalitäre D. wird zusätzlich durch eine -»Staatspartei gekennzeichnet, die unter anderem durch Gleichschaltung, Propaganda, Überwachung und Terror eine vollständige Kontrolle über die Gesellschaft ausübt (-»Totalitarismus). Die historisch konkreten D.-Formen sind nicht eindeutig zu bestimmen, sie umfassen etwa die römische D., die griechische Tyrannis, den -»Stalinismus und den -»Faschismus. Manche vertreten die Ansicht, dass bestimmte Gesellschaften, die die politischen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen für ein demokratisches System nicht erfüllen, nur über den Weg einer D. die für einen Rechtsstaat notwendige Stabilität erlangen (-»Entwicklungsdiktatur). Dem widerspricht die Erfahrung, dass der Übergang von einem diktatorischen System zur -»Demokratie kaum möglich ist, da die Herrschaftsstrukturen verfestigt sind und die Macht nicht mehr an das Volk abgegeben wird. Diplomatie, 1. (Verhandlungstaktik bei der) Gestaltung von Außenpolitik; 2. Versuch, internationale Beziehungen aufzubauen und zu entwickeln. Direkte Aktion (frz. action directe), die auf den (französischen) -»Anarchismus zurückgehenden Maßnahmen, mittels derer außerhalb der politischen Institutionen politischgesellschaftliche Ziele durchgesetzt werden sollen, wie etwa -»Demonstrationen, -»Streiks, -»Boykott und Sabotage. Direkte Demokratie, im Gegensatz zur -»repräsentativen Demokratie ein Demokratiekonzept, das auf der Identität von Regierenden und Regierten beruht. Diesem Konzept zufolge kann nur so der Wille jedes einzelnen Bürgers adäquat berücksichtigt werden. Die Rätedemokratie gilt als eine besondere Form der D., zu deren Kennzeichen gehören: Volksabstimmungen über alle

Direktmandat Fragen; —»imperatives Mandat, d.h. die Amtsträger sind an die Weisungen des Volkes gebunden; Volksgericht; Basisorganisation, d.h. Einteilung des Volkes in der gesellschaftlichen Organisation entsprechende Gruppen (z.B. Betriebseinheit; Verwaltungseinheit); -»Ämterrotation. Hintergrund der D. bildet der herrschaftskritische Anspruch der Bürger, sich selbst zu organisieren, so dass -»Freiheit und -»Gleichheit ohne Fremdbestimmung gleichzeitig realisiert werden können. In der Geschichte erwiesen sich jedoch Organisationsformen, die dem Prinzip der D. folgten, als kurzlebig. Zu den Schwierigkeiten der D. wird der Mangel an Informiertheit und Partizipationsbereitschaft seitens der Bürger genannt, die Gefahr des -»Populismus, der -»Demagogie und der unkontrollierbaren und unkontrollierten Machtkonzentration auf Grund des Fehlens von -»Gewaltenteilung. Obgleich eine reine Form der D. kaum realisierbar ist, werden einzelne Elemente der D. in repräsentativen Systemen aufgenommen, wie etwa -»Volksabstimmung und -»Bürgerbegehren, um die direkte Einbeziehung der Bürger in die politische Willensbildung und Entscheidung zu ermöglichen. Direktmandat, in einer personalisierten Verhältniswahl (siehe -»Bundestagswahl) durch den Gewinn eines Wahlkreises mit der Mehrheit der dort abgegebenen —»Erststimmen erzieltes Bundestagsmandat. In der Bundesrepublik behält der Kandidat das D., auch wenn seine Partei an der -»Fünfprozentklausel scheitert (siehe dazu auch -»Grundmandats-Klausel). (Nicht jeder Wahlkreisabgeordnete muss einer Partei angehören.) Direktorialsystem, Regierungsform, bei der ein Kollegium die Exekutive bildet, in der jedes Mitglied gleichberechtigt ist, d.h. es keinen einzelnen Regierungschef gibt. In der Regel kann das Kollegium während der Regierungsperiode vom Parlament nicht abgesetzt werden. Das französische Direktorium

Dissidenten von 1795-99 gilt als Urmodell des D. Heute findet das D. noch in der Schweiz Anwendung. Dort wird das Volk vom -»Bundesrat gemäß dem D. regiert. Dirigismus (lat. dirigere: lenken), 1. zentrale Lenkung der Wirtschaft durch den Staat (siehe auch -»Planwirtschaft); 2. staatlicher Eingriff in einzelne Teilbereiche der -»Marktwirtschaft, auch als -»Interventionismus bezeichnet. Diskontinuität (lat. discontinuere: nicht zusammenhängen), (auch für den Deutschen Bundestag geltendes) Prinzip, wonach mit der ordentlichen oder außerordentlichen Auflösung des Parlamentes die Behandlung aller Anträge und Vorlagen abgebrochen wird. Im neu konstituierten Parlament (-»Konstituierung) müssen diese daher erneut eingebracht werden. Die D. kann durch Gesetz aufgehoben werden. Diskriminierung (lat. discriminatio: Unterscheidung), Verhalten gegenüber einzelnen Menschen, Gruppen oder Staaten, das diese v.a. aufgrund ihrer Sprach-, Nationen-, Rassen* und Religionszugehörigkeit oder aufgrund ihrer politischen Einstellungen nicht integriert, mit Vorurteilen belastet und wirtschaftlich, rechtlich und/oder politisch nachteilig behandelt (siehe dazu auch —»Quotenregelung). Im Grundgesetz ist in mehreren Artikeln (Art. 3,2 und 3,3; Art. 33,1-3) die Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund bestimmter Merkmale verboten (Diskriminierungsverbot). Dispositionsfond (lat. disponere: verfügen über) - » Reptilienfonds Dissidenten (lat. dissidere: nicht übereinstimmen, abweichen), ursprunglich Menschen, die sich zu keiner Staatsreligion bekannten; mittlerweile Bezeichnung für Menschen oder Gruppen, die eine offizielle Staatsdoktrin nicht anerkennen und kritisie-

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Dogmatismus ren. Vor allem bezogen auf Regimekritiker Chinas und der ehemaligen Ostblockstaaten. Dogmatismus (griech. dogma: Meinung, Lehr- bzw. Glaubenssatz), 1. Anschauungen und Haltungen, die ihre Behauptungen auf Autorität und Vorurteile stützen, ohne sie zu begründen, kritisch zu hinterfragen oder an praktischen Erfahrungen zu messen. 2. Im -»Marxismus-Leninismus Abweichung von der Parteilinie, die von den Führern festgesetzt ist. Doktrin (lat. doctrina: Lehre), 1. abwertend für eine politische Lehre, die Züge einer -»Ideologie aufweist. 2. Politische Prinzipien oder Grundsätze hauptsächlich in der Außenpolitik, die häufig in einem speziell ausgewiesenen Dokument niedergeschrieben sind (z.B. HallsteinDoktrin von 1956 - keine diplomatische Beziehung zu Staaten, die die DDR anerkennen - und -»Breschnew-Doktrin von 1968 beschränkte Souveränität der osteuropäischen kommunistischen Staaten). Dominion (lat. dominium: Herrschaftsgebiet), das sich außerhalb des Mutterlandes im British Empire bzw. im British -»Commonwealth of Nations befindende, selbständige Kronland. Downing Street, Straße in London, in der das Außenministerium, das Schatzamt und der britische Premierminister (in Downing Street Nr. 10) residieren und damit zugleich Sammelbegriff für diese Institutionen. Dritte Welt, Ländergruppe von afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Staaten, die u.a. folgendermaßen charakterisiert werden: entwicklungsbedürftige Wirtschaft, Überbevölkerung, koloniale Vergangenheit, starker sozialer und wirtschaftlicher Gegensatz zwischen mächtigen Eliten und marginalisierten Bevölkerungsmehrheiten. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs bezeichnete der Begriff zunächst die entkolonialisierten Länder, die ihrem Willen Ausdruck ver-

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Dritter Weg liehen, einen politischen -»Dritten Weg zwischen -»Kapitalismus (Erste Welt) und -»Sozialismus (Zweite Welt) einzuschlagen (siehe auch -»Blockfreiheit). Erst seit der Thematisierung der Weltwirtschaftsordnung und der Kritik an ihren ungerechten Mechanismen in den 1960er-Jahren, umfasst der Begriff alle -»Entwicklungsländer. Damit ging eine Nivellierung der Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern einher, die ab Ende der 1950er-Jahre gemeinsam auftraten, um ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen gegenüber den Industrieländern durchzusetzen (z.B. -»Gruppe der 77). Mit Ende des Ost-West-Konflikts verloren die Entwicklungsländer ihre Rolle als potentielle Verbündete der zwei Machtblöcke und damit auch die häufig strategisch motivierte Unterstützung von West oder Ost. Damit traten auch die Interessensgegensätze zwischen den einzelnen Entwicklungsländern stärker in der Vordergrund. Der Begriff D. wird mittlerweile auf Grund der damit transportierten Hierarchisierung als abwertend empfunden. Anstelle dessen wird entweder der als neutral betrachtete Begriff „Entwicklungsländer" gebraucht oder international die ökonomisch geprägte Differenzierung u.a. zwischen „middleincome country", „capital-surplus oil exporters", „chronically poor low-income", „least developed countries" (auch „Vierte Welt") (siehe -»LDC; -»LLDC; ->MSAC). Dritter Weg, Begriff, der ursprünglich ein Wirtschaftsmodell bezeichnete, das einen Mittelweg zwischen freier -»Marktwirtschaft und kollektivistischer Zentralverwaltungswirtschaft (-»Planwirtschaft) sucht. Leitideen der D. sind u.a. freier Wettbewerb im staatlich bestimmten Rahmen, Demokratisierung der Wirtschaft, breite Eigentumsstreuung. Heute wird D. vielfach als flexibel anwendbarer Begriff v.a. in politischen Auseinandersetzungen verwendet, um ein nicht näher bestimmtes positiv besetztes Gesellschaftsmodell zu propagieren. Der Begriff vermittelt den Eindruck, die Vorteile verschiedener bestehender Gesellschaftskonzepte in einem

Drittländer Kompromiss ohne politischen Radikalismus zu verbinden. Drittländer (Drittstaaten), Staaten, die nicht Partei eines internationalen Vertrages sind und von den Partnern dieses Vertrags als D. bezeichnet werden. Duma - > Staatsduma Dynastie (griech. dynastos: Machthaber, Mächtiger), in einer Erbmonarchie die Herrscherfamilie.

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EAG

EG/EU

E EAG, Abk. für Europäische Atomgemeinschaft, -»Euratom EAPR, Abk. für -^Euro-Atlantischer Partnerschaftsrat ECOSOC, Abk. für engl. Economic and Social Council: Wirtschafts- und Sozialrat der -»Vereinten Nationen. Er ist das Hauptorgan für Entwicklungsfragen, soziale und wirtschaftliche Thematik. Im E. sind jeweils 54 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen vertreten. Die -»Generalversammlung bestimmt jährlich in Drittel dieser 54 Staaten für drei Jahre als Vertreter im E. Aufgabe des E. ist es, die Tätigkeit der Vereinten Nationen auf sozialem, kulturellem, wirtschaftlichem und humanitärem Gebiet zu diskutieren und zu koordinieren. Seit längerem schon werden verschiedene Reformen des E. erörtert, da er über wenig bis keine Durchsetzungskraft verfügt und seine Arbeit dadurch blockiert ist. ECU, Abk. für engl. European Currency Unit: Europäische Währungseinheit, die 1979 als Währungseinheit im - » E W S geschaffen wurde, um den Wert der jeweiligen Währung eines EG-Mitgliedsstaates in Beziehung zu den Währungen der anderen EGMitgliedsstaaten zu bestimmen. Anfang 1999 wurde die E. zusammen mit dem EWS von dem Euro als gemeinsame Währung in der Europäischen Währungsunion abgelöst (-»WWU). Die E., die keine selbständige Währung war, sondern lediglich eine Recheneinheit, füngierte als Bezugsgröße für die Leitkurse im EWS. Sie wurde im Zahlungsverkehr zwischen den EWS-Notenbanken verwendet. EEA, Abk. für Einheitliche Akte, -»EG/EU

Europäische

EFTA, Abk. für engl. European Free Trade Association: Europäische Freihandelszone, die 1960 zwischen der Schweiz, Österreich,

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Portugal, Schweden, Norwegen, Dänemark und Großbritannien beschlossen wurde. Mittlerweile sind nur noch Island (1970 beigetreten), Norwegen, Schweiz und Liechtenstein (1991 beigetreten) Mitglieder der E. Die Gründung der E. erfolgte als Reaktion auf die Gründung der —»EWG und war als wirtschaftliches Schutzbündnis gedacht. Die einzelnen Mitglieder treten keine Hoheitsrechte an die E. ab. Die E. beschränkt sich auf den Abbau von Handelshemmnissen und die Durchsetzung von Zollfreiheit von nicht landwirtschaftlichen Produkten. Sie strebt keine Verwirklichung politischer Ziele an (siehe auch -»EWR). EG/EU, EG: Abk. für Europäische Gemeinschaft, eigentlich Europäische Gemeinschaften, womit die drei Organisationen - » E G K S (gegründet 1951), - » E W G (1957) und -»Euratom (1957) bezeichnet werden, die 1967 durch einen Zusammenschluss ihrer Organe zur EG wurden. Die EG hat gegenwärtig 15 Mitglieder: Belgien (seit 1951), Dänemark (1973), Deutschland (1951), Finnland (1995), Frankreich (1951), Griechenland (1981), Großbritannien (1973), Irland (1973), Italien (1951), Luxemburg (1951), Niederlande (1951), Österreich (1995), Portugal (1986), Schweden (1995) und Spanien (1986). Die EG zeichnet sich durch ihren supranationalen Charakter unter den internationalen Organisationen aus, insofern die Mitgliedsländer viele Souveränitätsrechte an die Organe der EG abgetreten haben. Obgleich die EG also über einen Staatenbund (-»Konföderation) hinausgeht, ist sie gleichwohl kein -»Bundesstaat, da die einzelnen Mitglieder am Primat des -»Nationalstaats festhalten. Die Organe der EG sind der -»Europäische Ministerrat, die -»Europäische Kommission, das -»Europäische Parlament, der Europäische Gerichtshof (-»EuGH) und der -»Europäische Rechnungshof. Ursprünglich gedacht hauptsächlich als wirtschaftliches Bündnis, wird in der EG zunehmend eine politische Einigung angestrebt. Ein wesentlicher Schritt dazu war die Einheitliche Europäische Akte („EEA" 1986), in

EG/EU der sich die Mitgliedsländer dazu verpflichteten, den Binnenmarkt zu fördern. Wichtigstes Element der EEA war die Abschaffung der Beschränkungen fiir den Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital („vier Freiheiten"). Die wirtschaftliche Integration sollte hierbei durch eine verstärkte politische Zusammenarbeit ergänzt werden, was in Folge zur Gründung der EU (Abk. fiir Europäische Union) durch den -»Maastrichter Vertrag von 1993 führte. Ein Hauptziel war dabei die Schaffung einer europäischen Wirtschaftsund Währungsunion (—»WWU) bzw. eines einheitlichen -»Europäischen Binnenmarktes. Die EU besteht aus drei so genannten Pfeilern oder Säulen: Die erste Säule stellen die Europäischen Gemeinschaften (EG) mit ihren supranationalen Institutionen dar (auch Gemeinschaftsbereich genannt); die zweite Säule bildet die -»GASP. Die dritte Säule besteht in der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, nachdem durch den -»Amsterdamer Vertrag von 1998 andere Teile der Zusammenarbeit in Justizund Innenpolitik von der EU in den Aufgabenbereich der EG übertragen wurden (z.B. -»Ausländerpolitik, polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen). Letzteres diente zunächst vor allem dazu, die Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes mit freiem Personen-, Waren- und Kapitalverkehr abzusichern, indem für den Wegfall der Grenzkontrollen ein Ausgleich geschaffen wurde (-»Europol). Zu diesem Zweck wurde mit dem Amsterdamer Vertrag die durch Schengen vereinbarte Kooperation in die institutionelle Zusammenarbeit der E. übernommen (—»Schengener Abkommen). Bei ihrem Ziel, die europäische Integration zu fördern, soll die EU laut Art. 6 EUV die Grundsätze der -»Freiheit, -»Demokratie, -»Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit (siehe -»Rechtsstaat) achten. Verletzt ein Mitgliedstaat der EU diese Prinzipien, können seine vertraglichen Rechte von den anderen Staaten ausgesetzt werden (Art. 7 EUV). Weitere Grundsätze der EU sind das -»Subsidiaritätsprinzip und die Flexibilität des

EG/EU weiteren Integrationsprozesses, die sich nicht zuletzt darin äußert, dass einige Staaten (vor allem Großbritannien und Dänemark) sich nicht an gemeinsamen Politiken im Rahmen der EU beteiligen, etwa an der Währungsunion (->WWU). Die Kompetenzen und Ziele von EG und EU sind in zwei getrennten Verträgen geregelt, dem EG-Vertrag (EGV) und dem EU-Vertrag (EUV, Maastrichter Vertrag). Die Mitgliedsstaaten beider Verträge sind jedoch dieselben und die EU bedient sich in der Verwirklichung ihrer Ziele weitgehend der Organe der EG. Häufig wird daher heute nur noch von der EU gesprochen, auch wenn es im engeren Sinne um die Tätigkeit der EG geht. Im Gegensatz zu dieser hat die EU als solche nicht die Kompetenz, eigene Rechtsakte zu erlassen (-»EG-Richtlinie, -»EG-Verordnung). Dazu sind nur die Organe der EG (-»Europäischer Ministerrat, -»Europäische Kommission, —»Europäisches Parlament, Europäischer Gerichtshof, -»EuGH) befugt, während die zweite und dritte Säule von der Zusammenarbeit zwischen den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten bestimmt wird. Eine besonders starke Rolle spielt daher der -»Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer, der in der Regel einstimmig zu entscheiden hat. Bei Aktivitäten der EU, die nicht im Rahmen der EG stattfinden, sind darüber hinaus die Befugnisse des EuGH auf die Kontrolle der Einhaltung von Grund- und Menschenrechten beschränkt (Art. 46 EUV). Derartige Einschränkungen und die Möglichkeit, dass einige Mitgliedsländer enger kooperieren als andere, sind als Gefahr für eine weitere Vertiefung der europäischen Integration kritisiert worden, da so letztlich eine Spaltung der Mitgliedsstaaten in mehrere Staatengruppen mit unterschiedlicher Integrationsbereitschaft erfolge. Über die so genannte Finalität der EU, also das Ziel ihrer weiteren Entwicklung, wird insbesondere im Rahmen der geplanten Erweiterung der EU diskutiert. Derzeit führt die EU Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, 43

Egalitarismus Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Zum einen stehen angesichts dieser Erweiterungen schon aus organisatorischen Gründen eine Reihe von bisherigen Verfahren zur Diskussion, etwa die Besetzung der Kommission oder das Erfordernis der Einstimmigkeit bei vielen Beschlüssen. Darüber hinaus wird jedoch zunehmend auch die demokratische Legitimation der europäischen Institutionen sowohl in ihrer jetzigen Form als auch grundsätzlich in Frage gestellt. Generelle Gegner einer weiteren Vertiefung der europäischen Integration möchten die Rolle der Nationalstaaten stärken und orientieren sich dabei am Modell eines Staatenbundes (-»Konföderation). Dem gegenüber fordern viele Befürworter verstärkter Integration, das Europäische Parlament als einzige direkt gewählte Institution der E. gegenüber der dominanten Rolle des Ministerrates und der Kommission zu stärken. Egalitarismus (frz. égalité: Gleichheit), politische Position, die die weitest mögliche Aufhebung sozialer Ungleichheit fordert, da sie moralisch nicht zu rechtfertigen sei. EGKS, Abk. für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl („Montanunion"), deren Gründungsvertrag 1951 von den Benelux-Ländem, Frankreich, Italien und Deutschland unterzeichnet wurde und 1952 in Kraft trat. Die E., deren Dauer im Unterschied zum EG-, EU- und Euratom-Vertrag auf 50 Jahre beschränkt ist, gilt als erste supranationale Gemeinschaft in Europa. Die E. dient hauptsächlich der gemeinsamen Verwaltung, die u.a. Produktion, Handel und Versorgung fördert. Die Organe der E. sind 1967 mit den Fusionsverträgen zur EG in die Organe der EG übergegangen (-»EG/EU). EG-Richtlinie, Rechtsnorm, deren inhaltliches Ziel für die sie betreffenden Mitglieder der - » E G / E U verbindlich ist, während die Art der Gestaltung und Umsetzung den einzelnen Staaten freisteht. Diese sind allerdings verpflichtet, die E. innerhalb einer bestimmten Frist in nationales Recht umzusetzen. Die

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Einbürgerung E. verbietet es den Mitgliedsstaaten, ein Gesetz zu erlassen, das (Elementen von) ihr widerspricht. EG-Verordnung, im Recht der - » E G / E U eine Rechtsnorm, die von den zuständigen gesetzgebenden Organen der EG/EU erlassen wird und in den Mitgliedsstaaten unmittelbar gilt, wobei sie nationalem Recht vorgeht. Die E. bedarf im Gegensatz zur -»EG-Richtlinie nicht der Umsetzung in nationales Recht. Eidgenossenschaft, offizielle Bezeichnung der Schweiz, die zurückgeht auf den im Rütlischwur erfolgten Zusammenschluss der drei Kantone Uri, Nidwaiden und Schwyz 1291 zu einem -»Bundesstaat. Eigentum, rechtlich festgelegte Verfugungsbefugnis über Sachen (Immobilien und bewegliche Sachen), im Gegensatz zum Besitz als tatsächlicher Verfügungsgewalt. Während im modernen liberalen Staats- und Politikverständnis das Recht auf E. als wesentlich zur Sicherung individueller -»Freiheit begriffen wird, stehen sozialistische und kommunistische Ansätze dem E. insbesondere an Produktionsmitteln kritisch gegenüber (siehe auch -»Sozialismus; -»Kommunismus). Denn damit gehe eine Ungleichheit einher, die zu einer Spaltung der Gesellschaft in Klassen führe. Gemäß Art. 14,1 GG ist das E. als Grundrecht geschützt. Dennoch gibt Absatz 2 folgende Einschränkung vor: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Einberufung, Festsetzung des Beginns der Sitzung oder Tagung eines politischen Gremiums, die gewöhnlich durch den -»Parlamentspräsidenten, den -»Monarchen oder den -»Staatspräsidenten erfolgt. Einbürgerung (Naturalisation) findet statt, wenn einem -»Ausländer oder -»Staatenlosen die -»Staatsangehörigkeit des Landes, in dem er sich aufhält, verliehen wird. In der Bundesrepublik ist E. nur möglich, wenn der

Einfaches Gesetz Betreffende einen Mindestaufenthalt in dem Staat verbracht hat, nicht straffällig geworden ist, keine Sozialhilfe bezieht bzw. er für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie selbst aufkommen kann. Überdies gilt der Grundsatz, dass eine Mehrstaatigkeit zu vermeiden ist. Mit Deutschen Verheiratete werden eingebürgert, wenn sie ihre Staatsangehörigkeit aufgeben bzw. verlieren und „sie sich in die deutschen Lebensverhältnisse einordnen" (§ 9,1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz). Einfaches Gesetz - » Einspruchsgesetz Eingliederung, die Einfügung bzw. Angliederung einer -»Gebietskörperschaft (z.B. Gemeinde, Staat, Bundesland) in eine andere. Einheitliche Europäische Akte - » EG/EU Einheitsfront, 1. Vereinigung der gesamten Massenorganisationen und Parteien in einem kommunistischen Staat, die von der kommunistischen Partei geleitet wird. Diese bilden auch die -»Einheitsliste bei den Wahlen. 2. Zusammenarbeit auf politischem Gebiet zwischen kommunistischen, sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien, wobei erstere die Führung übernehmen. Das Ziel ist organisatorische Vereinigung. Einheitsgewerkschaft, gewerkschaftliche Arbeitnehmerorganisation, die sich auf das Prinzip einer einheitlichen Interessenvertretung stützt, ohne mit weltanschaulich bzw. politisch divergierenden Organisationen zu konkurrieren (siehe auch in Abgrenzung dazu —•Richtungsgewerkschaft). In der Bundesrepublik bilden die im Deutschen Gewerkschaftsbund zusammengeschlossenen Einzelgewerkschaften zusammen eine E. Einheitsliste, Wahlliste, auf der alle Parteien und Massenorganisationen, die sich zur Parlamentswahl stellen, genannt sind. Auf der E. ist von vornherein festgelegt, wie viele Listenplätze den jeweiligen Organisationen zukommen. Diese Verteilung wird von der

Einigungsvertrag führenden Partei vorgenommen (-»Blockparteien). Der Wähler hat nicht die Möglichkeit, sich zwischen verschiedenen Parteien zu entscheiden, sondern nur, die ganze Liste anzunehmen oder abzulehnen. Die E., die Bestandteil sozialistischer bzw. kommunistischer Wahlpraxis ist (die UdSSR bildete eine Ausnahme), verstößt gegen demokratische -»Wahlgrundsätze, zu denen unter anderem das Prinzip der Wahlfreiheit gehört. Einheitspartei, freiwilliger oder erzwungener Zusammenschluss verschiedener vormals selbständiger Parteien in einer Vereinigung, wie z.B. in der DDR die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) es war. Ebenso kann eine E., wie z.B. die N S D A P im - » N a tionalsozialismus, daraus entstehen, dass zuvor selbständige Parteien verboten werden. Ein -»Einparteiensystem ist nicht notwendig die Grundlage für die E. Einheitsstaat, 1. theoretisches, v.a. auf JeanJacques Rousseau (1712-1778) zurückgehendes Konzept, das den Staat als Ausdruck und Organ des einheitlichen politischen Willens der Bürger betrachtet. Insofern darf die -»Staatsgewalt nicht geteilt werden ( - » G e waltenteilung). 2. Staat, der nur auf einer Regierungsgewalt, einem Regierungssystem und einer Rechtsordnung basiert. Der E. sieht im Gegensatz zum -»Föderalismus keine eigenständigen und souveränen -»Gebietskörperschaften vor, die sich unterhalb der gesamtstaatlichen Ebene befinden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem zentral und einem dezentral organisierten E., bei dem Staatsaufgaben an lokale und regionale Institutionen zur Verwaltung übertragen werden; diese haben allerdings keine Gesetzgebungs- und Regierungskompetenzen. Einigungsvertrag, am 31.8.1990 geschlossener Vertrag zwischen der B R D und der Deutschen Demokratischen Republik. Dieser regelt die Herstellung der Einheit Deutschlands, den Beitritt der DDR zur Bundesrepu45

Einkammersystem blik, welcher am 3.10.1990 gemäß Art. 23 GG (in der damals geltenden Fassung) erfolgte. Der E. beinhaltet u.a. die Angleichung der Rechtsordnungen, die Überarbeitung des Grundgesetzes und die Annäherung der wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Lebensbedingungen. Insbesondere regelt der E. finanzwirksame Bestimmungen und Vermögensfragen. So wurde ein Fond „Deutsche Einheit" errichtet, der zunächst anstelle eines gesamtdeutschen —»Finanzausgleichs Mittel für die neuen Bundesländer zur Verfügung stellt. Hinsichtlich der Vermögensfragen bestimmt der E. u.a., dass die durch die Sowjetunion vollzogenen ^ E n t eignungen zwischen 1945 und 1949 rechtlich anerkannt werden, während für die durch die DDR-Regierung vorgenommenen Enteignungen das Prinzip der „Rückgabe vor Entschädigung" gilt. Mit dem E. ist die Deutsche Einheit vollendet, womit die definitive Aufgabe von Gebietsansprüchen explizit festgelegt ist. Der E. wird ergänzt durch den -»Zwei-plus-VierVertrag. Einkammersystem, System, in dem in Abgrenzung zum -»Zweikammersystem lediglich eine einzige Körperschaft (die - » K a m mer) das Parlament bildet. In Europa dominiert das Zweikammersystem, Ausnahmen sind z.B. Dänemark und Griechenland. Einparteienregierung, Regierung, die nur aus Mitgliedern einer Partei besteht. Diese tritt vor allem in Staaten auf, die ein -»Zweiparteiensystem haben, auf und selten in einem Mehr- bzw. Vielparteiensystem, da hier in der Regel Koalitionsregierungen (-»Koalition) gebildet werden. In -»Einparteiensystemen ist die E. die Regel. Einparteiensystem, 1. im engen Sinn das -»Parteiensystem, auf dem -»Diktaturen beruhen. Im Gegensatz zur freien Gründung von Parteien in -»Demokratien hat hier eine einzige, in der Regel ideologisch ausgerichtete Partei die festgelegte Monopolstellung

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Einspruchsgesetz inne. Bereits existierende Parteien und die Gründung neuer Parteien werden verboten. 2. Im weiteren Sinne wird unter E. ein System verstanden, das pro forma die Existenz verschiedener Parteien und Organisationen erlaubt, diese aber in einer -»Einheitsfront und auf -»Einheitslisten zusammenschließt, so dass sie praktisch der führenden Partei unterstellt sind. Vor allem in einigen - » E n t wicklungsländern sind in einem E. zwar unabhängige Parteien zugelassen, welche aber aufgrund mangelhafter demokratischer Strukturen und Prozesse oder aufgrund von Manipulationen (Wahlbetrug) keinen politischen Einfluss haben. Einpeitscher (engl, the whipper in), von seiner Fraktion gewählter Abgeordneter im britischen -»Unterhaus, dem die Aufgabe übertragen ist, für die Anwesenheit und v.a. Geschlossenheit der Fraktionsmitglieder bei entscheidenden Abstimmungen, die Bestimmung des Hauptredners bei einer Debatte und die Inkenntnissetzung der Parteiführung über die parlamentarische Arbeit zu sorgen. Einspruchsgesetz, in der Bundesrepublik -»Bundesgesetze, die nicht der Zustimmung des -»Bundesrates bedürfen (-»Zustimmungsgesetz). Gegen E.e kann der Bundesrat nach Art. 77 GG Einspruch erheben, den jedoch der -»Bundestag zurückweisen kann: wird Einspruch durch eine einfache Mehrheit erhoben, kann er durch die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden; wird er mit einer Zweidrittelmehrheit erhoben, dann muss der Bundestag den Einspruch mit einer Zweidrittelmehrheit der Anwesenden, die mindestens einer absoluten Mehrheit der Bundestagsmitglieder entsprechen muss, zurückweisen. Da bei einigen Bundesgesetzen im Grundgesetz nicht eindeutig geklärt ist, ob sie als E. gelten oder als -»Zustimmungsgesetz, ist nicht selten strittig, inwieweit der Bundesrat an der Verabschiedung von Gesetzen zu beteiligen ist (siehe auch -»Gesetzgebungsverfahren).

Emigration

Einstimmigkeitsprinzip Einstimmigkeitsprinzip, Grundsatz, wonach eine Entscheidung nur bei Übereinstimmung aller Abstimmungsberechtigten zu Stande kommen kann. Einwanderung (Immigration), Zuwanderung in ein Staatsgebiet aus einem anderen mit der Intention, sich in ihm dauerhaft niederzulassen. Traditionell gelten Kanada, die südamerikanischen Staaten und die Vereinigten Staaten als E.sländer. In der Bundesrepublik ist die Frage, ob Deutschland sich den faktischen Verhältnissen gemäß als E.sland bezeichnen soll, politisch umstritten. Einwohner sind diejenigen, die in einem -»•Staat oder einer -»Gebietskörperschaft einen dauerhaften Wohnsitz haben, aber nicht notwendig über alle -»Bürgerrechte verfügen. Ende 1999 hatte die Bundesrepublik 82,2 Millionen E. Elite (lat. eligere: auswählen), die kleine Gruppe von Personen, die innerhalb einer sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Gruppe, Organisation oder innerhalb der Gesellschaft eine privilegierte Stellung innehat und über große Einflussmöglichkeiten verfugt. Die Kriterien, nach denen sich die Zugehörigkeit zu einer E. bestimmt, sind vielfältig (beispielsweise materieller Besitz, Bildung, Schichtzugehörigkeit, Abstammung, besondere Leistungen oder politische beziehungsweise gesellschaftliche Funktionen). Moderne Gesellschaften sind durch eine Pluralität von E.n aus verschiedenen sozialen Bereichen geprägt. Der Begriff der E. wird in der Sozialwissenschaft zumeist lediglich zur Beschreibung der gesellschaftlichen Position bestimmter Gruppen verwendet. Diejenigen, die den Begriff E. normativ gebrauchen, heben damit eine bestimmte soziale Gruppe hervor, die sie fur Führungsaufgaben als besonders qualifiziert erachten. Elysée-Palast (frz. Palais de l'Elysée), der sich in Paris befindende Amtssitz des französischen -»Staatspräsidenten.

Emanzipation (lat. emancipatio: Freilassung), von Individuen oder sozialen Gruppen durchgesetzte Befreiung aus Abhängigkeiten und Zwängen, die wirtschaftlicher, rechtlicher und/oder sozialer Natur sind, womit gleichzeitig die Erlangung einer gleichberechtigten Stellung in der Gesellschaft einhergeht. Politische Bedeutung erlangte der Begriff der E. in der Neuzeit erstmals in der Französischen Revolution. E. kann sich sowohl auf die Durchsetzung besonderer Interessen, z.B. Wahlrecht, beziehen als auch auf die universale Forderung nach der Befreiung und -»Gleichberechtigung der Menschen, wie z.B. beim -»Marxismus. In den letzten Jahrzehnten wurde der Begriff der E. v.a. im politischen Kampf gegen verschiedene Formen von, insbesondere geschlechtlicher und rassistischer, -»Diskriminierung verwendet. Embargo (span. embargar: beschlagnahmen), wirtschaftliches Druckmittel von Staaten durch Beschlagnahme von Eigentum, v.a. Bankguthaben (Kapitalembargo) oder durch das Verbot des Exports bzw. Imports von Waren (Handelsembargo), wobei sich diese Maßnahmen gegen einen anderen Staat richten. Ein E. kann auch von der Völkergemeinschaft zur Durchsetzung von Beschlüssen der -»Vereinten Nationen angewandt werden, wie etwa das Erdöl-E. gegen den Irak. Das E. stellt eine nicht-militärische Form der -»Sanktion dar. Die Wirkung und Legitimität eines E. sind umstritten. Einerseits bietet das E. die Möglichkeit, unterhalb der Schwelle kriegerischer Aktionen Ziele zu verfolgen. Andererseits besteht die Gefahr, dass sich die Maßnahmen entgegen der Intention des E. verhängenden Staates gegen die Bevölkerung des betroffenen Landes richten. Unter Umständen kann ein E. sogar zur Stützung der Regierung anstelle ihrer Schwächung beitragen, weil diese z.B. unter Hinweis auf ein E. von eigenem wirtschaftlichen Versagen ablenken oder durch das Einnehmen einer Märtyrerrolle den Zusammenhalt im Staat stärken kann. Emigration —» Auswanderung 47

Empfangsstaat

Empfangsstaat, derjenige Staat, der die diplomatische Mission eines anderen Staates (-•Entsendestaat) oder einer —»internationalen Organisation aufnimmt. Energiepolitik, politisches (inter)nationales Handeln, das auf die Bereitstellung, Verteilung und den Verbrauch von Energie gerichtet ist. Während E. zunächst v.a. als Bestandteil der -»Wirtschaftspolitik galt, treten in den letzten Jahrzehnten Aspekte der - » U m weltpolitik immer mehr in den Vordergrund. E. verfolgt mehrere, mitunter konkurrierende Ziele, zu denen u.a. gehören: Versorgungssicherheit (kurzfristig, etwa fur Bedarfsspitzen im Winter, und langfristig), Wirtschaftlichkeit (sowohl für die Energieversorger als auch hinsichtlich der Energiepreise für die Verbraucher), Umweltverträglichkeit bzw. Vermeidung von Umweltschäden (z.B. Saurer Regen, Treibhauseffekt). Bei der E. müssen ebenso die Abhängigkeiten und Auswirkungen berücksichtigt werden, die Konflikte in Krisenregionen auf die Energieversorgung haben. Die E. der Bundesrepublik ist noch immer von der Dominanz des Energieträgers Kohle geprägt. Aufgrund der Abhängigkeit bestimmter Regionen vom Bergbau wird der Kohleabbau staatlich subventioniert. Seit der Ölkrise in den 1970em wurde zunehmend die Kernenergie politisch gefördert, die jedoch v.a. seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 - auf breiten Widerstand stößt. In den 1990er-Jahren führte die Beseitigung regionaler Monopole der Energieversorgungsunternehmen zu einem verstärkten Wettbewerb auf dem Strommarkt. Alternative energiepolitische Strategien verfolgen einen Ausstieg aus der Kernenergie und betonen neben dem Einsatz von emeuerbaren Energien (Sonne, Wind, Erdwärme) die Potentiale zur Energieeinsparung in vielen Industrieländern. 1997 verbrauchte jeder Einwohner in den Vereinigten Staaten durchschnittlich 7,89 t ROE (Rohöleinheit), in der Bundesrepublik 4,14 t ROE, während im Vergleich dazu in 48

Entfremdung Indien durchschnittlich braucht wurden.

0,27 t ROE

ver-

Enklave (frz. enclaver: ein-, umschließen), Teil eines Staatsgebiets, das vom Territorium eines anderen Staates umschlossen ist. Enquête-Kommission (frz. enquête: Untersuchung), Ausschuss zur umfassenden Untersuchung eines Problemkreises. Die vom Deutschen -»Bundestag auf Antrag von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder eingesetzten E.en dienen als Entscheidungshilfen des Parlamentes bei umfangreichen und bedeutenden Sachfragen durch Bereitstellung wissenschaftlicher Informationen, z.B. zur Gentechnik. Mitglieder einer derartigen E. sind Abgeordnete und von den Fraktionen benannte Sachverständige. Enteignung, Eingriff in das -»Eigentum oder andere Vermögenswerte Rechte von einzelnen oder Gruppen durch einen staatlichen Hoheitsakt. Die E. ist in Art. 14,3 GG geregelt und darf nur zum Wohle der Allgemeinheit und aufgrund eines Gesetzes, das das Ausmaß der Entschädigung bestimmt, erfolgen. In der Bundesrepublik betrifft die E. hauptsächlich Grund und Boden für InfrastrukturMaßnahmen. Seit der Deutschen Einheit ist die Frage der E. wieder zunehmend in den Vordergrund getreten, da von der DDR enteignete Grundstücksbesitzer Anspruch auf Rückgabe erheben (siehe auch -»Einigungsvertrag). Entfremdung, 1. von Karl Marx (18181883) geprägter Begriff, der die Trennung zwischen dem Menschen und dem Produkt seiner Arbeit bezeichnet, insofern der Arbeiter sein Arbeitsprodukt nicht als Ergebnis seiner eigenen geistigen und körperlichen Fähigkeiten betrachtet, sondern als etwas ihm fremdes. Diese Beziehungslosigkeit bzw. E. zwischen Mensch und Arbeitsprodukt herrscht nach Marx im -»Kapitalismus. In der Lohnarbeit verkaufe der Mensch seine Arbeitskraft wie eine Ware, womit er selbst zu einem abhängigen Gegenstand der kapita-

Entkolonisierung listischen Marktgesetze werde. Dem stellt Marx den positiven Begriff der Arbeit gegenüber, der von einem natürlichen Verhältnis zwischen dem Menschen und seiner zur unmittelbaren menschlichen Bedürfnisbefriedigung erfolgenden Arbeit ausgeht. Hier allein finde die E. ihr Ende, da der Mensch seinen natürlichen Bedürfnissen Ausdruck verleihe und ihnen folge (siehe auch - » M a r xismus). 2. Im politikwissenschaftlich-soziologischen Sinn bezeichnet E. die innere Abkehr von politischen Institutionen und sozialen Normen. Die E., mit der eine Isolierung des einzelnen und ein Ohnmachtgefühl einhergeht, wird in der Regel auf die immer weniger überschaubare und immer komplexer werdende Lebenswelt zurückgeführt. Entkolonisierung, Ablösung von der Kolonialherrschaft und Erlangung der Unabhängigkeit. E. erstrebt staatliche -»Souveränität durch nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Loslösung vom Mutterland. Mit der E. nach dem Zweitem Weltkrieg vor allem in den afrikanischen und asiatischen Ländern gilt der Prozess der E. als abgeschlossen. Entscheidungstheorie, theoretisches Modell, das sich mit den Kriterien, Bedingungen und Problemen der rationalen Wahl hinsichtlich Handlungsalternativen befasst. Dabei geht die E. von gegebenen Zielen aus, die ein Akteur verfolgt - von seinen so genannten Präferenzen. Als rational gilt der E. eine Person, die in einer Entscheidungssituation versucht, ihre Ziele in möglichst hohem Maße zu verwirklichen, in entscheidungstheoretischer Ausdruckweise: ihren Nutzen zu maximieren. Dazu vergleicht der Akteur vor der Entscheidung die Resultate, die jede der zur Auswahl stehenden Optionen zur Folge hätte. Das Problem, eine in diesem Sinne rationale Entscheidung zu fällen, besteht in der Beurteilung der Entscheidungssituation. Eine wesentliche Schwierigkeit kann dabei die eingeschränkte Information über die jeweiligen Folgen einzelner Entscheidungen darstel-

Entwicklungsdiktatur len. Grundsätzlich unterscheidet die E. zwischen Entscheidungen unter Sicherheit (d.h. mit vollständiger Information über das Eintreten bestimmter Konsequenzen einzelner Entscheidungsalternativen), unter Risiko (d.h. mit Information über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens bestimmter Konsequenzen bei einzelnen Entscheidungsaltemativen) und unter Unsicherheit (d.h. ohne Information über das Eintreten bestimmter Konsequenzen einzelner Entscheidungsaltemativen). Es zeigt sich, dass die Entscheidungsregeln j e nach Ausgangssituation differieren und mit dem Unsicherheitsgrad an Komplexität gewinnen. Umgekehrt folgen Entscheidungen unter Sicherheit für gewöhnlich einsehbaren Regeln, was eine Prognose von Entscheidungen in derartigen Fällen vereinfacht. Die Annahme eines rationalen Nutzenmaximierers kann je nach Erkenntnisinteresse deskriptiv oder normativ verstanden werden. Entsendestaat, im internationalen Staatenverkehr derjenige Staat, der in einem anderen Staat (-»Empfangsstaat) eine diplomatische Mission einrichtet und seine diplomatischen Vertreter entsendet. Entspannungspolitik, allgemein das politische Bemühen, die Bedeutung von Interessengegensätzen zwischen Staaten zu minimieren, um die Gefahr des Ausbruchs von (militärischen) Konflikten zu verringern. Die E. stützt sich vor allem auf folgende Instrumentarien: wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit, Krisenmanagement (z.B. die Einrichtung von Mechanismen, die schnelle Reaktionen auf brisante Situationen erlauben), -»Abrüstung und -»Rüstungskontrolle, kultureller Austausch. Der Begriff der E. wird vor allem auf bestimmte Phasen der Politik der beiden Großmächte nach dem Zweiten Weltkrieg bezogen. Entwicklungsdiktatur, Begriff zur Rechtfertigung diktatorischer Verhältnisse in - » E n t wicklungsländern. Die -»Diktaturen, die nach der Erlangung der Unabhängigkeit von Kolonialherrschaft (-»Entkolonialisierung) 49

Entwicklungshilfe errichtet wurden, seien demnach ein (vorübergehendes) notwendiges Mittel, um die Entwicklung wirtschaftlicher und sozialer Stabilität zu gewährleisten. Einige kritisieren diese Annahme zum einen als Rechtfertigung von inakzeptablen politischen Verhältnissen. Außerdem weisen sie darauf hin, dass E.en nicht immer zur Stabilisierung beitragen, sondern nicht selten zu Konflikten im Innern und mit anderen Ländern filhren. Entwicklungshilfe wird an -»Entwicklungsländer hauptsächlich von den Industrieländern und -»internationalen Organisationen geleistet, um die Lebensbedingungen der Menschen in wirtschaftlicher, politischer und sozialer Hinsicht zu verbessern. Grundsätzlich unterscheidet man hinsichtlich der E. nach ihren Trägern (privat oder öffentlich), ihrer Organisationsform (bi- und multilateral) und der Art der Hilfe (finanziell, handelspolitisch und technisch sowie Warenhilfe). Der E. liegen nicht nur ethisch-moralische Motive, sondern auch folgende Überlegungen zugrunde: wirtschaftliche Interessen (u.a. Förderung einheimischer Exportwirtschaft, Sicherung von Exportmärkten und Rohstoffquellen), sicherheits- und außenpolitische Interessen (Sicherung bzw. Schaffung von Bindungen zu verbündeten Staaten, in der Zeit der Blockkonfrontation häufig mit einer ideologischen Komponente verknüpft) und migrationspolitische Interessen (Reduzierung von Einwanderung durch Bekämpfung von Fluchtursachen). Ein Beschluss der —»Generalversammlung der Vereinten Nationen von 1971 sieht vor, dass die finanzielle E. der Industriestaaten jährlich mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts betragen soll, was jedoch von den wenigsten Industrieländern realisiert wird. Entwicklungsland wird seit den 1950erJahren ein Staat genannt, der sich hinsichtlich wirtschaftlicher, sozialer und politischer Maßstäbe stark von anderen (industriellen bzw. postindustriellen) Ländern unterscheidet, wobei gewöhnlich u.a. folgende Kriterien 50

Entwicklungstheorien zur Bestimmung eines E. verwendet werden: geringer Lebensstandard der Bevölkerungsmehrheit, niedriges Pro-Kopf-Einkommen, niedriger Bildungsstandard, schlechter Gesundheitszustand der Bevölkerung, hohe Sterblichkeitsrate, ungleiche Verteilung der Ressourcen, hohe Arbeitslosigkeit, schlechtes Sozialsystem, Konzentration der Beschäftigung im Agrarbereich (siehe —»LLDC; - » G r u p p e 77). Häufig wird E. synonym mit Dritte-WeltLand gebraucht (-»Dritte Welt). Inzwischen erfährt der Begriff immer stärkere Kritik, da er als einzigen Maßstab der Charakterisierung eines Landes die Prinzipien und den Entwicklungsstand der Industriebzw. Postindustrieländer heranzieht. Entwicklungspolitik ist nicht mit - » E n t wicklungshilfe gleichzusetzen, insofern E. einen weit größeren Bereich abdeckt. Sie umfasst Ziele und Mittel sowohl der Industrie* als auch -»Entwicklungsländer zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Entwicklungsländern. Diese Maßnahmen finden v.a. im internationalen Kontext statt, da sie internationale Bedingungen berücksichtigen müssen, wie etwa -»Handels-, -»Währungs-, Rohstoffund Technologiepolitik. Dabei spielen hauptsächlich die wirtschaftlichen, außenpolitischen, sicherheitspolitischen und geostrategischen Interessen seitens der Industriestaaten eine wesentliche Rolle. Obgleich in einigen Ländern der - » O E C D mittlerweile Fachministerien zur E. eingerichtet worden sind (in der Bundesrepublik etwa das BMZ, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit), sind in den meisten OECD-Staaten die Behörden für die E. den Außenministerien unterstellt. Entwicklungstheorien sind Modelle, die die Ursachen von Unterentwicklung erklären und Lösungsansätze zu deren Beseitigung erarbeiten. Zu den zwei wichtigsten Richtungen der E. zählen die Dependenz- und Modernisierungstheorie:

EPZ Die Dependenztheorie führt die Unterentwicklung v.a. auf die Expansion des - » K a p i talismus und die daraus hervorgehende wirtschaftliche Abhängigkeit der -»Entwicklungsländer von den (kapitalistischen) Industrieländern zurück. Die Unterentwicklung wird diesem Modell zufolge daher nur gemindert, wenn die globale Wirtschaftsordnung zugunsten der Gleichberechtigung aller Staaten, aber auch der Individuen reformiert wird. Die Modernisierungstheorie hingegen erklärt die Unterentwicklung durch die Situation in den einzelnen Entwicklungsländern selbst, also weitgehend unabhängig vom internationalen System. Ihr zufolge liegt es in der Verantwortung der Entwicklungsländer, die traditionellen Verhältnisse (wie etwa die Konzentration auf Agrarwirtschaft) in moderne (wie etwa durch den Ausbau des Dienstleistungssektors) überzuführen, um den (erfolgreichen) sozialen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungsprozess der Industrieländer nachzuahmen. Beide Schulen weisen Erklärungslücken auf: So kann die Dependenztheorie nicht verständlich machen, wie einige Entwicklungsländer den Sprung zum -»Schwellenland geschafft haben, obgleich die globale Wirtschaftsordnung unverändert ist. Der Modernisierungstheorie wird hingegen vorgeworfen, ohne Rücksicht auf besondere regionale und historische Gegebenheiten ein einseitig an den Industrieländern orientiertes Modell vorzugeben, ohne Möglichkeiten eigenständiger und „angepasster" Entwicklungswege zuzulassen.

EPZ, Abk. für Europäische Politische Zusammenarbeit, die E. wurde bereits Ende 1969 zwischen Außenministern der EGStaaten informell praktiziert, 1986 in der Einheitlichen Europäischen Akte ( - » E G / E U ) als Ziel der EG formuliert und 1992 mit dem -»Maastrichter Vertrag durch die - » G A S P abgelöst. Wesentlicher Zweck der E. ist ein gemeinsames Auftreten der EG/EUMitgliedsländer auf internationaler Ebene.

ESZB Erlass, verwaltungsinteme Anweisung einer höheren an eine nachgeordnete Behörde entweder, um einen Einzelfall zu regeln, oder um in Form einer Verwaltungsvorschrift eine einheitliche Verwaltungspraxis sicherzustellen. Der E. hat keine Rechtswirkung gegenüber dem Bürger. In -»Diktaturen hingegen hat der E. der -»Exekutive rechtsetzenden Charakter, gilt also als -»Gesetz. Ermächtigungsgesetz, Gesetz, das das Prinzip der -»Gewaltenteilung außer Kraft setzt. Durch das E. wird einem Staatsorgan (in der Regel der -»Regierung, dem -»Regierungschef oder dem -»Staatspräsidenten) vom -»Parlament die Befugnis erteilt, in Notsituationen eigenständig Rechtsakte mit Gesetzeskraft zu setzen. In der Bundesrepublik sind wegen des Missbrauchs des E.es durch Hitler keine E.e vorgesehen. Vielmehr darf die -»Exekutive -»Verordnungen nur in dem Umfang und zu dem Zweck erlassen, die in einem Gesetz explizit genannt sind (Art. 80 GG) (siehe auch -»Notstand). Ernennung, Rechtsakt, durch den eine Person in ein - » A m t eingesetzt wird. Ersatzdienst - » Zivildienst; dienstverweigerung



Kriegs-

Erste Kammer - » Senat Erststimme, bei einer personalisierten Verhältniswahl (-»Bundestagswahl) diejenige Stimme, mit welcher der Bewerber eines Wahlkreises gewählt wird (in Abgrenzung zur -»Zweitstimme, mit der über die Zahl der Sitze einer Partei entschieden wird). ESZB, Abkürzung für Europäisches System der Zentralbanken, das aus der Europäischen Zentralbank (EZB) (Sitz in Frankfürt) und den Nationalen Zentralbanken besteht. Entscheidungen über die europäische Geldpolitik werden vom Europäischen Zentralbankrat gefällt - diesem gehören zum einen die Präsidenten der -»Zentralbanken der Mitgliedsstaaten an und zum anderen der 51

ETA Präsident, der Vizepräsident und die vier weiteren Mitglieder des Direktoriums der EZB. Das Direktorium der EZB wird von den Regierungen der Mitgliedsstaaten im Einvernehmen für die Dauer von acht Jahren ernannt, wobei keine Wiederwahl möglich ist. Jedes der sechs Mitglieder des Direktoriums hat eine Stimme - Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Als wichtigstes Prinzip der europäischen Geldpolitik gilt die Sicherung der Preisstabilität, die das E. durch die ihm gewährte politische Unabhängigkeit von Weisungen und Beeinflussung der Regierungen verfolgen soll. (Hinsichtlich derjenigen nationalen Zentralbanken, die bis zur Errichtung des E. nicht völlig unabhängig von Weisungen ihrer Regierungen waren, mussten dementsprechend die einzelnen Statuten geändert werden.) Wesentlich für die finanzpolitischen Entscheidungen ist außerdem, dass das E. keinem Staat bei der Schuldenfinanzierung helfen und Kredite gewähren darf. Die Haushaltsdisziplin der EU-Staaten soll überdies dadurch gestärkt werden, dass die Union mit ihren Mitgliedsstaaten nicht für die Schulden einzelner Mitglieder haftet und übermäßige Staatsdefizite verboten sind. So darf die Neuverschuldung eines Landes in der Regel nicht drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) überschreiten (ansonsten können Geldbußen zwischen 0,2% und 0,5% der Wirtschaftsleistung verhängt werden) und die gesamte Staatsverschuldung nicht höher als sechzig Prozent des BIP liegen (siehe auch ->WWU; -»EG/EU). ETA, Abkürzung für bask. Euskadi ta askatasuna: Baskenland und Freiheit, Name für die 1959 gegründete Organisation, die vorwiegend mit terroristischen Mitteln für die Unabhängigkeit vor allem des Nordwesten Spaniens (früher auch des Südosten Frankreichs) kämpft. Etat (frz. l'etat: Staat, Zustand) - » Haushalt

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EuGH Etatismus (frz. l'état: Staat), Gesellschaftskonzept, das dem Staat weitestgehende Rechte zuspricht, mittels derer er seine Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft unter Einschränkung der individuellen Rechte ausweitet. In Bundesstaaten geht der E. vielfach einher mit zentralistischen und antiföderalistischen Ausrichtungen (siehe auch -»Zentralismus; -»Föderalismus). Ethnische Säuberung (griech. ethnos: Volk), seit dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien häufig verwendeter Begriff zur Bezeichnung von politischen und militärischen Aktionen, die durch Vertreibung, Terror und Mord ethnisch reine Regionen zu schaffen versuchen, womit die anschließende Grenzziehung nach -»Ethnien bzw. Volksgruppen vorbereitet werden soll. Ethnisches Prinzip (griech. ethnos: Volk), das Prinzip, demzufolge die Staatsgrenzen entsprechend der ethnischen Grenzen gezogen werden oder alle Angehörigen einer -»Ethnie in einem -»Staat leben. Ethnie (griech. ethnos: Volk), 1. Volk, das eine gemeinsame Abstammung hat; 2. Menschengruppe, die eine gemeinsame Identität beansprucht, die durch Tradition, Sprache, Religion oder Kultur ausgezeichnet ist. EU - » EG/EU EuGH, Abk. für Europäischer Gerichtshof, der 1957 mit Gründung von - » E W G und -»Euratom ins Leben gerufen wurde. Nach Art. 220 EG-Vertrag hat der E. die „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung" der EG-Verträge zur Aufgabe. Der E. ist eines Hauptorgane der - » E G / E U und setzt sich aus 15 unabhängigen Richtern zusammen, die von den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen und von ihnen im Konsens ernannt werden. Als Kläger können alle natürlichen und juristischen Personen der EG/EU auftreten. Eben-

Euratom so können deren Organe ihre Rechte vor dem E. geltend machen. Euratom, Europäische Atomgemeinschaft (Abk.: EAG), zeitgleich mit der - » E W G 1957 durch die Römischen Verträge gegründet, mit dem Ziel der Förderung der zivilen Nutzung von Kernenergie. Die Organe der E. sind 1967 mit den Fusionsverträgen zur EG in die Organe der EG übergegangen (-»EG/EU). EUREKA, Abk. für engl. European Research Coordination Agency: Agentur für europäische Forschungskoordination. Die E. koordiniert die Pläne und Tätigkeiten europäischer Staaten im Bereich der Förderung von Forschung. Sie wurde 1985 auf französische Initiative hin als Antwort auf das USamerikanische SDI-Programm ins Leben gerufen. Zu den Mitgliedern zählen nicht nur die Staaten der - » E G / E U , sondern auch europäische Nichtmitglieder der EU, wie etwa die Türkei und Mitlieder der —»EFTA. Die E. konzentriert sich in ihren Projekten und Förderungen auf drei Schwerpunkte: Informations- und Kommunikationstechnologie, Produktionstechnik und Materialforschung sowie Biotechnik. Euro - » W W U Euro-Atlantischer Partnerschaftsrat (Abk.: EAPR), 1997 geschaffenes Gremium der Zusammenarbeit zwischen den Staaten der - > N A T O und osteuropäischen Staaten, das den -»NATO-Kooperationsrat und die Partnerschaft für den Frieden ablöst. Grundsätze des E. sind, dass jeder Mitgliedsstaat die Möglichkeit hat, mit anderen zu kooperieren, und dass jeder Staat eigenständig festlegt, in welchen Bereichen und wie weitgehend er mit anderen zusammenarbeiten möchte. Eurokommunismus, Loslösung einiger kommunistischer westeuropäischer Parteien (Frankreich, Spanien, Italien) vom Modell des Sowjetkommunismus und die damit ver-

Europäische Kommission bundene Weigerung, den weltweiten Führungsanspruch der Kommunistischen Partei der Sowjetunion zu akzeptieren. Diese, auch von griechischen und schwedischen kommunistischen Parteien vertretene Haltung beinhaltet die Befürwortung eines pluralistischen -»Sozialismus, die Anerkennung der Grundrechte der liberalen -»Demokratie als zentrale Gesellschaftsprinzipien und die Ablehnung der -»Diktatur des -»Proletariats. Eurokorps, Streitkräfte der - > W E U , die sich aus nationalen Streitkräften der Mitgliedsstaaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Spanien aufbauen (sie stehen auch den anderen EU-Mitgliedsländern offen) und die Basis einer gemeinsamen sicherheitspolitischen Identität der - » E G / E U bilden sollen (siehe auch ->GASP). Europäische Atomgemeinschaft - » tom

Eura-

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl -> EGKS Europäische Gemeinschaft - » EG/EU Europäische Kommission, Organ der - » E G / E U , das exekutive Funktion innehat (-»Exekutive). Die Mitglieder der E. werden von den Regierungen der EUMitgliedsstaaten nach Zustimmung des - » E u ropäischen Parlaments einvernehmlich für fünf Jahre ernannt. Gegenwärtig hat die E. 20 Mitglieder, wobei die großen Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien je zwei Mitglieder stellen und die kleineren je ein Mitglied. Die E. ist - im Gegensatz zum -»Europäischen Ministerrat und zum —»Europäischen Rat, in denen die einzelnen Mitgliedsländer ihre Interessen vertreten - dem Wohl der Union als Ganzer verpflichtet. Eine Schlüsselrolle kommt der E. hinsichtlich des traditionellen Gemeinschaftsbereiches (der so genannten ersten Säule der Union) zu, da sie in diesem Bereich alleiniges Initiativrecht für die Verabschiedung von Rechtsakten innehat: 53

Europäische Menschenrechtskonvention

E u r o p ä i s c h e r Binnenmarkt

dazu gehören etwa die Regelungen über die

Kraft

Wirtschafts- und Währungsunion ( - » W W U ) ,

jeweils einen Kommissar stellen darf. Dies

die -»Agrarpolitik, der -»europäische

wird an die Bedingung geknüpft, dass bis

Bin-

tritt, jeder

Mitgliedsstaat

nur

noch

nenmarkt, die Asyl- und Einwanderungspoli-

dahin die Verteilung der Stimmen im Minis-

tik, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucher-

terrat im Einvernehmen aller Mitgliedsstaaten

schutz,

Beschäftigungspolitik.

modifiziert sein wird. Hier wird es vor allem

(Das europäische Parlament und der europäi-

Sozial-

und

darauf ankommen, den Mitgliedsstaaten, die

sche Ministerrat können jedoch beide die E.

bis dato zwei Kommissare in der E . gestellt

dazu auffordern, Vorschläge auszuarbeiten.)

haben, eine Kompensation anzubieten.

Die Entscheidung über einen Vorschlag der E. liegt hauptsächlich beim Ministerrat, in einigen Bereichen bedarf es allerdings der Zustimmung des Europäischen Bei

Streitigkeiten

zwischen

Parlaments.

letzterem

und

dem Ministerrat gilt die E. als Vermittlerin (siehe auch -»Mitentscheidung). In ihrer exekutive Funktion hat die E. vor allem die Aufgabe, für die Ausführung gemeinschaftlicher Rechtsakte zu sorgen. (Für gewöhnlich muss der E. zur Durchfuhrung der Gemeinschaftsvorschriften vom Ministerrat die Befugnis erteilt werden.) Außerdem beteiligt sie sich an der Verabschiedung des Haushaltes

und repräsentiert

die

Gemein-

schaft nach außen. Des Weiteren gilt die E. als Hüterin der Verträge und ist insofern verpflichtet, die Einhaltung der Verträge durch die Mitgliedsländer zu kontrollieren und darauf zu achten, dass die

gemeinschaftliche

Wettbewerbspolitik

Europäische

Menschenrechtskonvention,

am 4 . 1 1 . 1 9 5 0 von den Regierungen der Mitgliedsstaaten des -»Europarats verabschiedeter Völkerrechtsvertrag, der 1953 in Kraft trat. In der E. werden unter anderem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit,

-»Freiheit,

Gedanken-,

Schutz

Gewissens-

heit, -»Meinungsfreiheit,

der

Privatsphäre,

und

Religionsfrei-

-»Versammlungs-

und Vereinigungsfreiheit garantiert. Bei Verletzung einer dieser Rechte kann ein Individuum ebenso wie ein Staat beim -»europäischen

Gerichtshof zum

Schutz der

Men-

schenrechte klagen. Europäische

Politische

Zusammenarbeit

- » EPZ Europäische Union - » EG/EU

eingehalten wird. Bei Verletzungen kann sie beim

Europäischen

Gerichtshof ( - » E u G H )

Europäische

Verteidigungsgemeinschaft

klagen. Als reformbedürftig wird zum einen die Aufgabenverteilung

in der E. betrachtet:

Auf

Grund der Vervielfältigung und Zersplitterung der Aufgabenbereiche wird die Koordination und Organisation der einzelnen Tätigkeiten

immer

schwieriger.

Überdies

zeigt

- » EVG Europäische Währungsunion - » W W U Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG Europäische Zentralbank - » E S Z B



sich, dass die Mitglieder der E. trotz ihrer Verpflichtung gegenüber dem

Gemeinwohl

Europäischer Binnenmarkt, seit 1. Januar

der EU häufig an den Interessen ihres jewei-

1993

ligen Staates ausgerichtet sind. Des Weiteren

Mitgliedsländer

ist ein strittiger Punkt, wie bei einer zukünfti-

folgende im EG-Vertrag festgelegte, so ge-

gen Erweiterung der EU die E. zusammenge-

nannte vier Freiheiten

setzt sein soll: Eine weitere Vergrößerung der

Freizügigkeit

bestehender gemeinsamer Markt der der

aller

-»EG/EU,

der

durch

gekennzeichnet

Staatsangehörigen

ist: der

E. wird als problematisch betrachtet. Deswe-

Mitgliedsstaaten im gesamten Gebiet der E G ;

gen hat der -»Amsterdamer Vertrag festge-

freier Warenverkehr zwischen den Mitglieds-

legt, dass, sobald die nächste Erweiterung in

ländern; freier Verkehr von Dienstleistungen

54

Europäischer Gerichtshof und damit verbunden die Freiheit der Anbieter von Dienstleistungen, sich überall in der EG/EU niederzulassen; freier Kapitalverkehr. Zur Verwirklichung dieser Uber eine reine -•Zollunion hinausgehenden Integration waren neben dem Abbau der Grenz- und Zollkontrollen vor allem die Vereinheitlichung beziehungsweise der Abbau einer Vielzahl von Regelungen nötig. Um jedoch nicht sämtliche Vorschriften etwa auf dem Gebiet des Verbraucher- und Umweltschutzes, des Marktzugangs oder der Steuern harmonisieren zu müssen, einigten sich die Staaten auf das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung nationaler Rechtsvorschriften. Waren oder Dienstleistungen, die den Vorschriften eines Mitgliedslandes genügen, müssen somit auch in allen anderen Ländern ohne Beschränkungen zugelassen werden. Darüber hinaus müssen Beschlüsse des -»Europäischen Ministerrates, die der Verwirklichung des E. dienen, nicht einstimmig getroffen werden - es genügt eine qualifizierte Mehrheit. Das Projekt der Schaffung des E. ist bis heute nicht abgeschlossen. So erheben etwa die Staaten noch immer unterschiedlich hohe Verbrauchs- und Mehrwertsteuern. Kontrovers ist überdies vor allem, inwieweit der E. eine Harmonisierung in weiteren Politikbereichen erforderlich macht. Der Abbau der Grenzkontrollen hat bereits zu einer verstärkten Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung (->Europol) und der —»Asylpolitik geführt. Vereinzelt gibt es Bemühungen, auf europäischer Ebene einheitliche Standards der sozialen Sicherheit sowie des Verbraucher- und Umweltschutzes zu schaffen. Gegen eine solche Vereinheitlichung wird bisweilen eingewandt, dass es auch hinsichtlich dieser Standards einen Wettbewerb zwischen den Nationen geben müsse. Den Befürchtungen, dass dieser Wettbewerb zu einer Schwächung von —»Bürgerrechten und sozialem Schutz fuhrt, steht die Ungewissheit gegenüber, welche Interessen sich bei einer Harmonisierung von Regelungen auf europäischer Ebene durchsetzen.

Europäischer Ministerrat Europäischer G e r i c h t s h o f - » EuGH Europäischer Gerichtshof zum Schutz der Menschenrechte, Rechtsprechungsinstanz des -»Europarats, die auf der Basis der -»Europäischen Menschenrechtskonvention tätig ist. Die Wahl der Richter (deren Zahl der Mitgliederzahl des Europarats entspricht) erfolgt durch die parlamentarische Versammlung des Europarats. Nicht nur Staaten können den E. anrufen, sondern auch Individuen ist diese Möglichkeiten gegeben, wenn eines der Rechte, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgt ist, durch einen Staat verletzt wird. Europäischer Ministerrat, auch Rat (der EU) oder nur Ministerrat genannt, mächtigstes Organ der - » E G / E U , in dem jedes Mitgliedsland je einen Sitz hat. Je nach Sachbereich (derzeit existieren an die zwanzig Räte mit unterschiedlichen -»Ressorts) treten im E. die zuständigen Minister der Mitgliedsländer zusammen, die die Interessen ihrer Regierung vertreten und durchzusetzen versuchen. (Besondere Bedeutung haben der so genannte Allgemeine Rat der Außenminister und die Räte des Haushaltes, der Agrar-, Wirtschaftsund Finanzpolitik.) Der E. ist das zentrale Beschlussorgan der EG/EU. Als solchem werden ihm von der -»Europäischen Kommission Vorschläge gemacht, die er diskutiert und verabschiedet. Die Mitwirkung des —»Europäischen Parlaments hängt vom Themengebiet ab. So bedarf es etwa bei der Aufnahme neuer Mitglieder, bei Assoziierungs- und Kooperationsabkommen und bei der Verabschiedung des Hauhaltplanes der Zustimmung des Europäischen Parlaments (allerdings kann hier das Parlament nur den gesamten Haushaltsplan ablehnen oder billigen und hat ansonsten ein Mitspracherecht nur hinsichtlich der Ausgabenseite). Der E. praktiziert drei verschiedene Verfahren der Abstimmung: die Abstimmung mit einfacher Mehrheit, qualifizierter Mehrheit und mit Einstimmigkeit. Mit einfacher Mehrheit entscheidet der E. dann, wenn die Ver55

Europäischer Rat träge keinen anderen Abstimmungsmodus vorsehen (hierbei hat jedes Mitgliedsland eine Stimme). In der überwiegenden Anzahl der Fälle jedoch werden die beiden anderen Modi praktiziert. Abgesehen von besonders kritischen Themen, wie etwa hinsichtlich der Eigenmittel der EU und der Angleichung der Mehrwertsteuer in der EU, erfolgen im Gemeinschaftsbereich ( - » E G / E U ) die Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit. Hierbei haben die Mitgliedsstaaten j e nach Bevölkerungsgröße unterschiedlich gewichtete Stimmen (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien haben j e zehn Stimmen, Spanien acht, Belgien, Griechenland, die Niederlande und Portugal j e fünf, Österreich und Schweden j e vier, Dänemark, Finnland und Irland j e drei und Luxemburg zwei Stimmen). Im Bereich der gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik (—>GASP) und bei der Zusammenarbeit in Strafsachen besteht das Prinzip der Einstimmigkeit. Den Vorsitz des E. - die Präsidentschaft hat im Turnus von einem halben Jahr jeweils ein Mitgliedsland inne. Dabei obliegen der Präsidentschaft vor allem Koordinierungsund Repräsentationsaufgaben auf internationaler Ebene. Zunehmende Bedeutung gewinnt der Ausschuss der Ständigen Vertreter, der die Tätigkeit der Arbeitsgruppen koordiniert und kontrolliert. Die Arbeitsgruppen haben die Aufgabe, die von der Europäischen Kommission unterbreiteten Vorschläge zu diskutieren, zu bearbeiten und einen Konsens zu finden, so dass dem E. die Abstimmung erleichtert wird. Kritiker des E. weisen auf die mangelnde Kontrollierbarkeit seiner Tätigkeit hin: Da er weder gegenüber dem Europäischen Parlament noch gegenüber den einzelnen nationalen Parlamenten verantwortlich ist, wird ihm die demokratische Legitimation abgesprochen. Daher wird auf die Reformbedürftigkeit des E. hingewiesen - die bisher gemachten Zugeständnisse an das Europäische Parlament im Bereich der -»Mitentscheidung werden von vielen als ungenügend empfunden. 56

Europäisches Parlament

Europäischer Rat, regelmäßiges, jährlich mindestens zweimal stattfindendes Treffen der Staats- und Regierungschefs der EULänder, ihren Außenministern und des Präsidenten der -»Europäischen Kommission. Der Regierungschef des Landes, das den Vorsitz im -»Europäischen Ministerrat ausübt, hat auch die Präsidentschaft des E. inne. Der E. bestimmt die allgemeinen Ziele der - » E G / E U . Vor allem im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ( - » G A S P ) legt er die Prinzipien und die Richtung fest. Außerdem beschließt der E. über die Aussetzung von Rechten eines EUMitgliedslandes, wenn dieses Menschen- und Grundrechte verletzt (Art. 7 EU-Vertrag). Europäischer Rechnungshof, eines der Organe der - » E G / E U mit Sitz in Luxemburg. Dem E., dessen 15 Mitglieder (je ein Mitglied aus einem EU-Staat) durch den - » E u ropäischen Ministerrat ernannt werden, obliegt die Aufgabe der Rechnungsprüfung, wozu unter anderem die Kontrolle des EUHaushaltes und der Einnahmen und Ausgaben von Einrichtungen der EU gehören. Europäischer Wirtschaftsraum —> E W R Europäisches Parlament, parlamentarisches Organ der - » E G / E U , dessen Abgeordnete von der Bevölkerung der einzelnen Mitgliedsländer direkt für fünf Jahre gewählt werden. Die Wahl erfolgt in allen EULändern zur gleichen Zeit (wobei der Termin um bis zu vier Tage differieren kann). Die Anzahl der Sitze, die einem Land im E. zustehen, hängt von seiner Bevölkerungsgröße ab. Deutschland etwa verfügt als das größte Mitgliedsland über 99 Sitze, gefolgt von Frankreich, Großbritannien und Italien (je 81 Mandate), Spanien (64 Mandate), Niederlande (31), Belgien, Griechenland und Portugal (je 25), Schweden (22), Österreich (21), Dänemark und Finnland (16), Irland (15) und Luxemburg (6). Insgesamt hat das E. also 626 Abgeordnete. Laut -»Amsterdamer Vertrag darf die Gesamtzahl der Abgeordneten

Europäisches Währungssystem nicht 700 überschreiten, was bedeutet, dass bei einer Erweiterung der EU die Sitzverteilung neu geregelt werden muss. Die Abgeordneten formieren sich nicht nach Nationalität, sondern nach politischen Standpunkten, die in europäischen Parteibündnissen ihren Ausdruck finden. Zu den größten europäischen Parteien zählen die Europäische Volkspartei (EVP-CD) und die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), daneben gibt es die Liberale und Demokratische Partei Europas (LIBE), die Europäische Vereinigte Linke, die Grünen, die Parteien „Europa der Nationen" und „Europa der Demokratien und Unterschiede" und einige fraktionslose Abgeordnete. Grundsätzlich hat das E. das Recht, Uber jedes die EU betreffende Thema zu beraten und Entschließungen zu verabschieden. In folgenden Fällen muss der -»Europäische Ministerrat die Zustimmung des E. erhalten: Benennung von Mitgliedern der -»Europäischen Kommission sowie Einsetzung der Kommission als Ganzer und ihres Präsidenten, Beitritt neuer Mitglieder, internationale Abkommen, Sanktionen bei Verletzung von Grundrechten durch ein Mitgliedsland, Bedingungen der Europawahlen, Aufgaben der Struktur- und Kohäsionsfonds. Ein wesentliches Kontrollrecht des E. ist das -•Budgetrecht. Das E. muss jährlich dem gesamten vom Rat vorgelegten -»Haushaltsplan zustimmen und entscheidet zudem letztgültig über diejenigen Ausgaben, die nicht bereits durch europäisches Recht verbindlich vorgeschrieben sind (diese nichtobligatorischen Ausgaben machen etwa 20% des Haushaltes aus). Im Rahmen seines Kontrollrechts kann das E. nichtständige -»Untersuchungsausschüsse bei Verdacht auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht einrichten. Überdies ist es dem E. möglich, die Kommission als ganzes (nicht einzelne Kommissare) durch Misstrauensantrag zum Rücktritt zu zwingen. Dafür bedarf es der Zweidrittelmehrheit der anwesenden und mindestens der Mehrheit aller Abgeordneten.

Europarat Am Erlass von Gemeinschaftsrecht ist das E. im Rahmen verschiedener Verfahren beteiligt, seit dem -»Amsterdamer Vertrag vor allem im Verfahren der -»Mitentscheidung, das unter anderem in folgenden Bereichen angewandt wird: Beschäftigungsförderung, Zusammenarbeit im Zollwesen, Freizügigkeit und Niederlassungsrecht, Umwelt- und Entwicklungspolitik, Ausführung der Sozial- und Regionalfonds und Arbeitsschutz. Allerdings ist für viele Rechtsakte kein Mitentscheidungsverfahren vorgeschrieben, so dass das E. nur Stellungnahmen abgeben kann. Ober das Recht auf Gesetzesinitiative verfügt das E. nicht - dies bleibt allein der -»Europäischen Kommission vorbehalten; das E. kann diesen lediglich darum bitten, einen Vorschlag einzubringen. Zu den weiteren Rechten des E. gehören das Recht auf -»Anhörung und Unterrichtung, dies auch explizit im Bereich der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik (-»GASP), der Innenpolitik und bei der justizialen Zusammenarbeit. Dem E. wurden im Laufe der Zeit vor allem durch den -»Maastrichter Vertrag und den -»Amsterdamer Vertrag immer mehr Rechte zugestanden. Damit hat sich die Position des E. gegenüber dem mächtigen Europäischen Ministerrat ebenso wie gegenüber der Europäischen Kommission gestärkt. Dennoch weisen einige Kritiker auf reformbedürftige Punkte hin: Diese beziehen sich unter anderem auf die nach wie vor dominante Rolle des Ministerrats gegenüber dem E. und auf das fehlende Initiativrecht des E. Zur Diskussion steht außerdem die Transparenz der Arbeit des E., die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen oder nachvollzogen wird. Gefragt wird hierbei nach einer Möglichkeit, das E. den Bürgern näher zu bringen. Europäisches Währungssystem - » E W S Europarat, am 5.5.1949 gegründete internationale Organisation mit dem Ziel, - » M e n schenrechte, das Prinzip des -»Rechtsstaates, -»Demokratie und soziale, wirtschaftliche 57

Europol und kulturelle Entwicklung in den europäischen Staaten in Zusammenarbeit zu fördern. Dem E. gehören heute 41 Mitglieder an. Organe des E. sind das Ministerkomitee (bestehend aus den Außenministern der Mitgliedsländer), die parlamentarische Versammlung und seit 1993 der Kongress der Regionen und Gemeinden Europas. Das Generalsekretariat unterstützt die Organe bei ihrer Arbeit. Das Ministerkomitee, das zweimal jährlich tagt, ist der Entscheidungsträger. Allerdings haben die Entscheidungen nur den Status von Empfehlungen. Dennoch gilt der E. als unverzichtbar zur Förderung demokratischer Werte (siehe z.B. -»Europäische Menschenrechtskonvention) und des politischen Austausches. Europol, seit Mitte 1999 tätiges Europäisches Polizeiamt in Den Haag, das durch einen Vertrag der Mitgliedsstaaten der EU ( - » E G / E U ) geschaffen wurde. Aufgabe von E. ist es, die Tätigkeit der nationalen Polizeien zu koordinieren, insbesondere bei der Bekämpfung des Drogen- und Waffenhandels, der Geldwäsche, der illegalen Einwanderung (Schlepperkriminalität), des Terrorismus und des Menschenhandels. E. ist nicht zu eigenen polizeilichen Operationen befugt, unterstützt aber grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfiing personell und technisch, letzteres vor allem durch die EU-weite Sammlung, Analyse und Aufbereitung von Daten. Politisch ist E. dem -»Europäischen Ministerrat verantwortlich, das -»Europäische Parlament erhält jährlich einen Tätigkeitsbericht. Zudem zählen zu den Organen von E. j e ein Ausschuss zur finanziellen Kontrolle und zum Datenschutz. EVG, Abk. filr Europäische Verteidigungsgemeinschaft, Anfang der 1950er-Jahre entwickeltes (allerdings gescheitertes) Projekt, die wirtschaftlich orientierte - > E G K S durch eine gemeinsame Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der Benelux-Staaten, Deutschlands, Frankreichs und Italiens zu ergänzen. Zu diesem Zweck sollten europä-ische Streit58

EWR kräfte aufgestellt und dem Kommando eigener gemeinschaftlicher Organe unterstellt werden. Die französische Nationalversammlung verweigerte 1954 aus Furcht um ihre -»Souveränität die Unterzeichnung des entsprechenden Vertrages, so dass erst mit Gründung der EU ( - » E G / E U ) Versuche zu einer koordinierten Außen- und Sicherheitspolitik wieder aufgenommen wurden (-»GASP). EWG, Abk. für Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die ebenso wie die -»Euratom 1957 durch die Römischen Verträge gegründet wurde. Gründungsmitglieder der E. sind: Belgien, Niederlande, Luxemburg, Deutschland, Frankreich, Italien. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, einen gemeinsamen Markt (-»Europäischer Binnenmarkt) zu errichten und ihre Wirtschaftspolitik zu koordinieren. Zur Verwirklichung dieser Ziele gehören u.a. der Abbau der Zollund Handelsschranken, gemeinsame Agrarpolitik und Agrarwirtschaft und die so genannten „vier Freiheiten": Freiheit des Warenverkehrs, Freizügigkeit für Arbeitnehmer und Niederlassungsfreiheit, Freiheit des Dienstleistungsverkehrs, Freiheit des Kapitalund Zahlungsverkehrs. Die Organe der E. sind 1967 mit den Fusionsverträgen zur EG in die Organe der EG übergegangen (-»EG/EU). Mit dem -»Maastrichter Vertrag von 1992 erfolgte eine Umbenennung der E. in EG. Ewigkeitsklausel, gängige Bezeichnung für Art. 79,3 GG, der den Inhalt des ersten Artikels des Grundgesetzes (Unantastbarkeit der Menschenwürde) und des zwanzigsten Grundgesetzartikels (-»Demokratie, Rechtsund Sozialstaatlichkeit - siehe -»Rechtsstaat und -»Sozialstaat - , -»Föderalismus und -»Gewaltenteilung als Prinzipien der Bundesrepublik) als unveränderlich festlegt. EWR, Abkürzung für Europäischer Wirtschaftsraum, 1992 beschlossene und Januar 1994 in Kraft getretene Assoziierung zwischen der - » E F T A und der - » E G / E U , durch

EWS die die Freiheiten des -»Europäischen Binnenmarktes auf die EFTA-Staaten ausgedehnt werden (Niederlassungsfreiheit, Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital). Da der E. allerdings keine -»Zollunion darstellt - wie die EG wird an den Grenzen zwischen EG- und EFTA-Staaten nach wie vor kontrolliert. Der E. schließt alle EG- und EFTA-Staaten mit Ausnahme der Schweiz ein, in der sich die Bevölkerung in einem -»Referendum gegen den E. aussprach. Aufgrund eines Abkommens vom Dezember 1998 soll sich die Schweiz jedoch weitgehend am E. beteiligen können. EWS, Abk. für Europäisches Währungssystem, 1979 eingeführt, um eine monetäre Stabilität in der EG ( - » E G / E U ) zu schaffen, die mit dem Ende des festen Wechselkurses (1971) bedroht wurde. Das E. wurde Ende 1998 durch die EWU ( - » W W U ) abgelöst. Basis des E. ist die - » E C U , das heißt ein festgelegter Leitkurs, der den Wert der Währungen der einzelnen Mitgliedsländer bestimmt. Die Mitgliedsländer verpflichten sich mit dem E. dazu, ihre Währung nicht um mehr als 2,25 Prozent vom festgelegten Leitkurs abweichen zu lassen. 1991 wurde die zugelassene Abweichung auf 15 Prozent erhöht, da die Schwankungen zwischen den einzelnen Währungen nicht mehr ausgeglichen werden konnten. EWU, Abk. für Europäische Währungsunion, Bezeichnung für Wirtschafts- und Währungsunion der EU - » W W U Exekutive (lat. ex(s)ecutio: Ausführung, Vollstreckung), derjenige Teil der -»Staatsgewalt, der -»Gesetze und Beschlüsse der -»Legislative vollstreckt und ausfuhrt. Zur E. zählen öffentliche Verwaltung und Regierung. Im -»parlamentarischen Regierungssystem nimmt die Regierung allerdings nicht nur exekutive Funktion wahr, sondern auch legislative, z.B. durch Entwurf von Gesetzen.

Extremismus Exil (lat. ex(s)ilium: verbannt), religiös oder politisch motivierter, ständiger (erzwungener oder freiwilliger) Aufenthalt im Ausland aufgrund von Flucht, Verbannung, - » A u s bürgerung oder -»Auswanderung. Exilregierung (lat. ex(s)ilium: verbannt), Regierung, die sich in einem fremden Staatsgebiet aufhält und von dort aus Hoheitsgewalt Uber „ihren" -»Staat beansprucht. Von einer E. spricht man, wenn eine bereits bestehende Regierung ihr Land (z.B. aufgrund eines Kriegs) verlässt oder sich eine Regierung auf fremdem Territorium bildet, um in einem zukünftigen oder bereits existierenden regierungslosen Staat die Regierungsgewalt zu übernehmen. Für ihre Tätigkeit bedarf die E. der Erlaubnis des Gaststaates, der dazu völkerrechtlich nicht verpflichtet ist. Die E. ist abzugrenzen von der -»Gegenregierung. Expertokratie (lat. expertus: der Sachverständige; griech. kratein: herrschen), -»Herrschaft bzw. System, in dem wissenschaftliche und technische Sachverständige ausschlaggebend für politische Entscheidungen sind, ohne demokratisch legitimiert zu sein. Exterritorialität (lat. ex: aus, und territorium: Staatsgebiet), im Hoheitsbereich eines Staates die Nichtanwendung von dessen Gesetzen, z.B. bei diplomatischer Immunität oder auf einem Botschaftsgelände. Extremismus (lat. extremus: der Äußerste), rücksichts- und kompromisslose (politische) Haltung, sowohl in der Wahl ihrer Ziele als auch der Mittel, zu denen ebenso Gewaltanwendung gehören kann (hierbei gleichbedeutend mit -»Radikalismus). Im politischen Sprachgebrauch der Bundesrepublik und gemäß einer Bestimmung des Verfassungsschutzes gelten diejenigen politischen Gruppierungen als dem E. zugehörig, die im Gegensatz zum Radikalismus eine Bedrohung der -»freiheitlich-demokratischen Grundordnung darstellen. Daher können extremistische Gruppen und Parteien aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit verboten 59

Extremistenbeschluss werden (siehe auch —»Linksextremismus und -•Rechtsextremismus). Extremistenbeschluss (auch Radikalenerlass), Erlass des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten von 1972, der die „Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst" regelt. Demnach dürfen in der Bundesrepublik nur Bewerber in den öffentlichen Dienst eintreten, die die —> freiheitlich-demokratische Grundordnung bejahen. Um dies zu überprüfen, wurden u.a. Anhörungen durchgeführt (die Beweislast liegt beim Bewerber) und wurde regelmäßig bei den Verfassungsschutzbehörden angefragt (so genannte Regelanfragen). Den E. hat man national und international als undemokratisch und freiheitsgefährdend kritisiert, insbesondere, so lautete ein Vorwurf, führe er bei Zweifeln an der Verfassungstreue der Bewerber de facto zu einem Berufsverbot (->Berufsfreiheit und -verbot). Heute wird der E. nur mehr selten angewandt. EZB, Abkürzung für Europäische Zentralbank - » ESZB

60

Fabianismus

F Fabianismus, nach dem römischen, als taktisch klug und vorbildlich angesehenen Feldherrn Quintus Fabius Maximus Verrucosus benannte Variante des ->Sozialismus in Großbritannien. Der F., der sich gegen den - • M a r x i s m u s richtet, strebt eine schrittweise Veränderung der Gesellschaft an mit dem Ziel der -»Sozialisierung der Wirtschaft. Die britische Labour-Party ist in ihrem Programm wesentlich vom F. beeinflusst worden. Fait accompli (frz. fait accompli: vollendete Tatsache), ein Tatbestand, der von einem Staat neu geschaffen wurde und durch den die internationale Situation so verändert wird, dass ihre alte Ordnung kaum wiederhergestellt werden kann. Aus diesem Grund wird der F. von den anderen Staaten gezwungenermaßen anerkannt. Familienpolitik, v.a. staatliche Pläne und Mittel zur Stärkung der Familie, mit dem hauptsächlichen Ziel, den Nachwuchs zu fördern und zu bilden. Laut Art. 6,1 GG stehen Ehe und Familie „unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung." Zu den Instrumentarien der F. gehören insbesondere: finanzielle Unterstützung (z.B. steuerliche Begünstigung, v.a, für kinderreiche Familien; Kindergeld; Ausbildungsbeihilfen, Wohngeld), rechtliche Unterstützung (z.B. Mutterschutz), institutionelle Unterstützung (z.B. Bereitstellung von Kindergärten, Spielplätzen). Familienpolitische Erwägungen werden insbesondere in Gesundheits-, —»Sozial-, Wohnungsbau- und -»Bildungspolitik zu realisieren versucht. FAO (Abk. für engl. Food and Agriculture Organization: Organisation für Ernährung und Landwirtschaft), Organisation der -»Vereinten Nationen mit dem Ziel, die landwirtschaftliche Produktion in den -»Entwicklungsländern zu steigern. Farbbücher (Buntbücher), nach der Farbe des Einbandes benannte amtliche Berichte-

Faschismus und Dokumentensammlung über die staatliche Politik, v.a. Außenpolitik, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die F. der Bundesrepublik sind beispielweise weiß („Weißbücher"), die von Österreich rot („Rotbücher"). Faschismus (lat. fasces: Rutenbündel; altrömisches Symbol der Herrschaft), 1. politische Bewegung und 1921 daraus hervorgehende Partei, die 1922-43 unter Führung von Benito Mussolini in Italien diktatorisch herrschte; 2. allgemein Sammelbegriff für Herrschaftstypen, -»Ideologien und politische Bewegungen mit nationalistischer, antidemokratischer, antiliberaler und antimarxistischer Ausrichtung, die sich seit Ende des Ersten Weltkrieges bildeten (siehe in Abgrenzung -»Demokratie; -»Marxismus; -»Liberalismus). Dabei ist umstritten, ob der deutsche -»Nationalsozialismus als F. bezeichnet werden kann. Ebenso umstritten sind die Deutungen des F. hinsichtlich seiner Ursachen und seiner entscheidenden Merkmale: a) Zu den Ursachen des F. werden etwa gezählt: F. als Krisenerscheinung des -»Kapitalismus; F. als Folge von sozialer Verunsicherung und des daraus resultierenden Bedürfnisses nach autoritärer Führung (-»Autoritarismus); b) als Merkmale des F. werden u.a. angegeben: Totalitätsanspruch; -»Imperialismus; —»Militarismus; hierarchischer, demokratiefeindlicher Aufbau von Staat und Gesellschaft nach einem Fuhrerprinzip; Überhöhung der Volksgemeinschaft und aggressiver Ausschluss alles Andersartigen und Fremden (—»Nationalismus und —»Rassismus); Verwerfung der parlamentarischen Prinzipien; Antikapitalismus; aggressives Auftreten gegen -»Kommunismus und -»Sozialismus. Auffällig ist, dass der F. in seiner Ideologie einander widersprechende Elemente kombiniert, wie etwa eine reaktionäre, traditionsgläubige Haltung mit Fortschritts- und Technikoptimismus. Grundsätzlich werden faschistische Parteien und Regime von den Mittelschichten getragen, wobei die Aussagen über die Größe des Arbeiteranteils auseinander gehen. 61

FDGO

FDGO -» Grundordnung

Filibuster

Freiheitlich-demokratische

Feminismus (lat. feraineus: weiblich), Sammelbegriff für theoretische und praktische Bestrebungen, die gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Benachteiligung der Frauen zu beseitigen. Der F. basiert weder auf einer einheitlichen Theorie noch auf einem einheitlichen Handlungskonzept. Dementsprechend umstritten sind die konkreten Ziele, Mittel und die zugrundeliegenden Deutungen der Geschlechterdifferenz. Grundsätzlich jedoch ist man sich darin einig, dass zwischen dem biologischen, angeborenen Geschlechtsunterschied (engl, „sex") und der sozial definierten Geschlechterrolle (engl, „gender") zu differenzieren ist. Uneinigkeit besteht jedoch darin, welcher der beiden Aspekte für die Bewertung und die Gestaltung der Gesellschaft ausschlaggebend ist. Während der dualistische und der Individualfeminismus bei der Bestimmung spezifisch weiblicher Eigenschaften und Bedürfnisse ansetzen, betonen der Beziehungs- und der egalitäre F. die Gleichheit der Geschlechter und zielen auf ein partnerschaftliches Verhältnis zueinander. Zur zweiten Strömung gehören v.a. der liberale F. und der sozialistische F. Während ersterer insbesondere die rechtliche und soziale Diskriminierung bekämpft, sieht der sozialistische F. die Unterdrückung der Frau in erster Linie als ökonomisches Problem. (Beide werden auch als humanistischer F. bezeichnet, insofern sie statt der Differenz der Geschlechter deren Gemeinsamkeiten hervorheben.) Im Gegensatz dazu geht der radikalfeministische Ansatz davon aus, dass es einer Überwindung der gewaltähnlichen Unterdrückung der Frau im Öffentlichen wie Privaten bedarf, um das -»Selbstbestimmungsrecht der Frau zu ermöglichen. Dazu setzt er u.a. dem humanistischen F. den gynozentrischen F. entgegen, der die Differenz und Aufwertung von Weiblichkeit gegenüber Männlichkeit betont. Auch im Kontext der postmodernen Theorien finden sich F.ansätze, die untereinander stark

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differieren und die festgelegte Unterscheidung zwischen Frau und Mann als konstruierte darstellen (-»Postmoderne). Damit verweisen sie auf die Notwendigkeit, die F.debatte jenseits des Geschlechterunterschieds MannFrau zu führen. Feudalismus (lat. feudum: Lehen), auf Grundbesitz und persönlichen Treueverhältnissen beruhender Gesellschafts-, Wirtschafts- und Herrschaftstypus. Zwar steht an der Spitze einer feudalistischen Gesellschaft ein oberster Lehnsherr, dieser hat jedoch keine Zentralgewalt inne, sondern regiert durch Verleihung von Land an den Adel, der dieses selbständig regieren und zum Teil weiter vergeben kann. Den Gehorsams- und Leistungspflichten des Lehnnehmers stehen Schutzpflichten des Lehngebers gegenüber. In der Politik wird der Begriff des F. teils weiterhin zur Analyse von Gesellschaftsformen, teils zur Polemik gegen bestimmte Herrschaftsstrukturen verwendet. Fidelismus, -»Ideologie, die nach Fidel Castro, dem kubanischen Regierungschef (seit 1959), benannt ist. In Abgrenzung zum -»Kommunismus sowjetischer Prägung lokalisiert dieser die -»Revolution in der -»Dritten Welt (siehe auch -»Maoismus). Die Landbevölkerung soll in Guerilla-Taktik die Revolution initiieren (-»Guerilla). Diese Vorstellung von einer revolutionären Bauernschaft hat sich als Fehleinschätzung erwiesen und das auf ihren Handlungen aufbauende System wurde nie errichtet. Die gegenwärtige Herrschaftsordnung in Kuba lässt sich daher nicht in Deckung bringen mit dem F. Filibuster (engl, filibuster: Freibeuter), in Großbritannien und den Vereinigten Staaten gängige Bezeichnung für die Obstruktionstaktik einer Minderheit im -»Parlament (v.a. im US-amerikanischen Senat), die durch Dauerreden eine Beschlussfassung zu verhindern versucht.

Finalprinzip

Fiskalismus

Finalprinzip (lat. finis: Zweck), Grundsatz der -»Sozialpolitik. Demnach werden im Gegensatz zum -»Kausalprinzip Sozialleistungen mit dem Ziel vergeben, eine Notlage zu beseitigen, unabhängig davon, welche Ursache der Notlage zu Grunde liegt.

Regelung der Finanzbeziehung zwischen Bund und Ländern ebenso wie zu internationalen Institutionen) und die Aufstellung des Staatshaushaltes gehören. Das F. ist u.a. zuständig für Steuer-, -»Finanz-, - » W ä h rungs- und Kreditpolitik.

Finanzausgleich, die zwischen -»Gebietskörperschaften eines Staates oder zwischen mehreren Staaten einer Staatenverbindung bestehende Regelung zur Verteilung der Finanzmittel. Man unterscheidet zwischen vertikalem und horizontalem F. Ersterer regelt die finanzielle Beziehung zwischen einander über- oder untergeordneten Körperschaften (z.B. zwischen Bund und Ländern), während der horizontale F. die Verteilung der Finanzen zwischen gleichgeordneten Körperschaften (z.B. zwischen Ländern) bestimmt. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen folgenden Arten des F.: 1. Verteilung der -»Steuern zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die u.a. nach dem Grundsatz der Deckung notwendiger Ausgaben und der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet erfolgt (Art. 106 GG). 2. Finanzausgleich im engeren Sinne für diejenigen -»Gebietskörperschaften, die im Vergleich zu anderen finanziell schlechter gestellt sind (Art. 107 GG). 3. Ergänzungszuweisungen des Bundes für finanzschwache Länder, die in konkreten Fällen, wie etwa bei Sonderlasten, geleistet werden (Art. 107 GG).

Finanzpolitik, alle Maßnahmen einer öffentlichen -»Körperschaft, die durch Gestaltung öffentlicher Einnahmen und Ausgaben v.a. finanz-, wirtschafts- und sozialpolitische Ziele zu verwirklichen sucht. Dabei ist die F. von der -»Geldpolitik zu unterscheiden. In der Bundesrepublik wird die F. von -»Legislative und der Finanzverwaltung, unter anderem dem -»Finanzministerium, getragen. Die Gegenstände der F. bilden die Einnahmepolitik (z.B. Steuer- und Kreditpolitik), die Ausgabenpolitik (z.B. Investitionspolitik), die Haushaltspolitik (z.B. Aufstellung des -»Haushaltsplans) und die Finanzausgleichspolitik (siehe -»Finanzausgleich). Die Frage, inwieweit sich mit Hilfe finanzpolitischer Instrumentarien wirtschafts- und sozialpolitische Ziele verwirklichen lassen, ist umstritten. Einerseits besteht die Hoffnung, dass durch eine antizyklische F., also etwa durch Kreditfinanzierung und gesteigerte Ausgaben, eine stagnierende Wirtschaft angekurbelt wird. Andererseits wird der Erfolg einer derartigen F. in letzter Zeit immer häufiger, und besonders stark von Vertretern des -»Monetarismus, angezweifelt.

Finanzautonomie - » Finanzhoheit Finanzhoheit, das staatliche Recht auf selbständige Regelung der Finanzen und des Finanzwesens. Dazu gehören Steuerhoheit, Zollhoheit und das Recht zu Erhebung sonstiger Abgaben. Die F. in -»Bundesstaaten ist zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt (siehe -»Finanzausgleich; -»Steuern). Finanzministerium, eines der fünf klassischen Ministerien, zu dessen wesentlichen Aufgaben die Finanzverwaltung (wie etwa

Finanzverfassung, alle gesetzlichen Regelungen des öffentlichen Finanzwesens in einem Staat oder einer öffentlichen Körperschaft. Dazu gehören unter anderem: -»Finanzhoheit, -»Budgetrecht, -»Finanzausgleich, Finanzverwaltung. In der Bundesrepublik sind die Prinzipien der F. im GG (Art. 104a bis 115 GG) und in einzelnen Finanzgesetzen niedergelegt. Fiskalismus, Bezeichnung für die -»Finanzpolitik eines Staates, die auf Einnahmensteigerung ausgerichtet ist, ohne dabei die sozialen und wirtschaftspolitischen Auswirkungen zu berücksichtigen. 63

Fiskalpolitik

Fiskalpolitik, 1. -»Fiskalismus; 2. -»Finanzpolitik. Fiskus (lat. fiskus: Geldkorb), 1. umgangssprachlich die Bezeichnung für den Abgaben erhebenden -»Staat, dessen Vermögen und seine Finanzbehörden; 2. Bezeichnung für den Staat, der nicht hoheitlich handelt, sondern gleichberechtigt als juristische Person am Privatrechtsverkehr teilnimmt. So handelt der Staat beispielsweise fiskalisch beim Kauf eines Grundstücks. Flächennutzungsplan, wichtiges Element der -»Kommunalpolitik zur langfristigen Planung der städtebaulichen Entwicklung. Im F. wird für das gesamte Gemeindegebiet die Art der Bodennutzung festgelegt, z.B. durch die Kennzeichnung von Gewerbegebieten. Flexible Response (engl, für flexible Antwort), zentrales Prinzip der - » N A T O von 1967 bis 1991, das den Grundsatz der -»massiven Vergeltung ablöste. Strategie der F. ist eine abgestufte, angepasste Reaktion auf militärische Aggressionen, die im Gegensatz zur Androhung der nuklearen massiven Vergeltung die Option eines konventionellen Einsatzes offenhält. Allerdings beinhaltet die F. ebenso die Möglichkeit des Ersteinsatzes von Atomwaffen. Flüchtling, Mensch, der durch eine Notsituation gezwungen wird, Schutz im Ausland oder in einem anderen Landesteil seines Heimatlandes (Binnenf.) zu suchen. Die Definition der - » G e n f e r Flüchtlingskonvention erfasst allerdings nicht Binnenflüchtlinge und ebensowenig die Menschen, die aufgrund von Kriegen, Hunger oder Umweltkatastrophen fliehen. Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention gelten ausschließlich diejenigen als F.e, die sich „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung" (Art. 1,2) im Ausland aufhalten. 64

Föderalismus Die für F.e verantwortliche Organisation der -»Vereinten Nationen ist der - » U N H C R . Im Jahre 2000 gab es weltweit 22,3 Millionen F.e, die ihren Staat verlassen haben und für die der UNHCR zuständig ist. Schätzungen gehen davon aus, dass noch einmal ungefähr die gleiche Zahl von Menschen innerhalb ihres Landes auf der Flucht ist. Der Großteil der F.e befindet sich in der -»Dritten Welt. Dennoch betreiben die wohlhabenden Länder zunehmend eine restriktive Aufnahmepolitik. Föderalismus (lat. foedus: Bund), Organisations- und Strukturprinzip, das die Beziehung zwischen eigenständigen Mitgliedern eines sozialen oder staatlichen Bundes bestimmt. Der F. eines Staates hat folgende Funktionen: -»Gewaltenteilung, Einbindung verschiedenartiger Gruppen und Minderheiten bei Berücksichtigung ihrer kulturellen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder geographischen Eigenständigkeit und arbeitsteilige Organisation der Staatsfünktionen. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Formen der föderalistischen Staatsorganisation: dem -»Bundesstaat und dem Staatenbund (-»Konföderation). Diese differieren v.a. hinsichtlich der Autonomie ihrer Gliedstaaten. Der Staatenbund ist eine völkerrechtliche Verbindung mehrerer Staaten, die ihre -»Souveränität an keine einheitliche Staatsgewalt abgeben. Im Gegensatz dazu besteht der Bundesstaat aus Gliedstaaten, die nur eine partielle -»Autonomie besitzen. Der F. lässt sich u.a. ethnisch, geographisch und demokratietheoretisch begründen: Besteht die Bevölkerung eines Landes aus unterschiedlichen, relativ geschlossenen Ethnien, dann bietet sich ein föderalistisches Organisationsprinzip an, um dadurch deren Eigenständigkeit auch innerhalb eines Staates zu wahren (z.B. Schweiz). Der F. kann geographischen Gegebenheiten entsprechen, wenn etwa die Fläche eines Landes zu groß ist, um von einer Zentralinstanz angemessen verwaltet und regiert zu werden (z.B. Vereinigte Staaten). Demokratietheoretisch lässt sich der F. folgendermaßen begründen: Die -»Dezentrali-

Föderation sierung der staatlichen Institutionen erleichtert sowohl die Beeinflussung und Kontrolle der politischen Entscheidungen durch die Bürger als auch eine Politik, die auf spezifische Bedürfnisse der jeweiligen Region eingeht. Überdies verhindert der F. eine einseitige parteipolitische Personalpolitik im Gesamtstaat. Kritiker dagegen betonen, dass der F. hohe Kosten verursacht und ebenso langwierige wie undurchsichtige Entscheidungsprozesse mit sich bringt. Sie verweisen im Gegensatz dazu auf die Effizienz eines —•Zentralstaates. Die Bundesrepublik ist gemäß Art. 20,1 GG föderalistisch organisiert. Sie besteht aus 16 Bundesländern, die jeweils über eine eigene -»Exekutive, —»Judikative und —»Legislative verfügen. Vom Bund werden sie in ihrer Kompetenz in den Bereichen beschränkt, die in Art. 70-75, 83-91 GG genannt sind. Die Bundesländer wirken im -»Bundesrat an der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes mit. Die Neugliederung des Bundesgebietes bedarf laut Art. 29,2 GG der Bestätigung durch -»Volksentscheid. Föderation (lat. foederatio: Bündnis), Synonym für einen -»Bundesstaat, aber beizeiten auch als Synonym für einen Staatenbund (-»Konföderation) verwendet. Fordismus, nach dem amerikanischen Automobilhersteller Henry Ford benannte Bezeichnung für eine Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die durch Massenproduktion und Massenkonsum gekennzeichnet ist. Wirtschaftliches Wachstum und Vollbeschäftigung führen dem Konzept des F. zufolge zu einem weitgehenden politischen und sozialen Konsens. Formierte Gesellschaft, von Bundeskanzler Ludwig Erhardt 1965 eingeführter Begriff, der eine zu erreichende Gesellschaftsordnung bezeichnet. Die F. ist folgendermaßen charakterisiert: klassenlose Gesellschaft, starker Staat, stabile gesellschaftliche Ordnung, Identifikation des einzelnen mit dem Staat.

Fraktionsdisziplin Forschungs- und Technologiepolitik bezeichnet die staatlichen Maßnahmen, die die Förderung technischer und wissenschaftlicher Innovationen betreffen. In der F. sollen hauptsächlich die Innovationen gefordert werden, von denen angenommen wird, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft im internationalen Rahmen stärken. Überdies soll auch die privatwirtschaftlich vernachlässigte Grundlagenforschung staatliche Unterstützung finden. In der Bundesrepublik ist auf Bundesebene das Bundesministerium für Bildung und Forschung für die F. zuständig. Fragestunde - » Anfrage Fraktion (lat. fractio: Bruchteil), Zusammenschluss von Parlamentsabgeordneten mit gleicher politischer Orientierung im -»Parlament. Im Deutschen -»Bundestag sind zur Bildung einer F. mindestens fünf Prozent der -»Abgeordneten erforderlich. Die F. dient zur Organisation der Parteiarbeit im Parlament, z.B. zur Vorbereitung der Debatten. Meist wird in der F. auch das Abstimmungsverhalten ihrer Mitglieder bei Parlamentsentscheidungen vorbereitet. Durch die Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Experten für unterschiedliche Sachgebiete innerhalb einer F. wird einerseits der einzelne Abgeordnete entlastet, er wird aber andererseits stärker von seinen F.skollegen und ihrem Kennmisstand auf dem jeweiligen Sachgebiet abhängig. Dies verstärkt häufig die -»F.sdisziplin bzw. den -»F.szwang. Obgleich Fraktionen von -»Parteien rechtlich unabhängig sind, ist ihre Arbeit in der Regel parteipolitisch geprägt. Da die -»Ausschüsse entsprechend der Größe der F.en besetzt werden, haben fraktionslose Abgeordnete (diejenigen Abgeordneten, die keiner oder nur einer kleinen Partei - Splitterpartei - angehören) lediglich das Recht auf nicht stimmberechtigte Ausschusszugehörigkeit. Fraktionsdisziplin, die im -»Parlament (z.B. beim Abstimmungsverhalten) und in der 65

Fraktionszwang Öffentlichkeit (z.B. bei Presseerklärungen) erfolgende freiwillige Unterordnung eines -•Abgeordneten unter die Beschlüsse seiner -»Fraktion. Die F. soll die Geschlossenheit der Fraktion und die Effizienz ihrer Arbeit gewährleisten. Folgt ein Abgeordneter nicht der F., dann versucht die Fraktionsführung, durch verschiedene Mittel (z.B. keine Nominierung für Ämter) Druck auf ihn auszuüben. Dabei darf, wenn das Prinzip des -»freien Mandats gilt (wie etwa für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages), kein -»Fraktionszwang ausgeübt werden. Fraktionszwang, nach Art. 38,1 GG verfassungswidriger Druck auf das Abstimmungsverhalten von Mitgliedern einer -»Fraktion, der v.a. durch Androhung von Sanktionen ausgeübt wird. Der F. widerspricht dem Grundsatz des -»freien Mandats des - » A b geordneten, demzufolge die Abgeordneten „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" (Art. 38,1 GG) sind. Frankfurter Schule, Bezeichnung für eine Gruppe von Sozialwissenschaftlern am Frankfurter Institut für Sozialforschung, auf die die -»Kritische Theorie zurückgeht. Frauenbewegung, im 18. Jh. ansetzende soziale Bewegung, die sich für die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Gleichstellung der Frauen einsetzt. Der bestehende Widerspruch zwischen der verfassungsrechtlich garantierten Gleichberechtigung von Mann und Frau und der sozialen Realität, die mit einer Benachteiligung der Frauen einhergeht, führte vor allem in den 1970er-Jahren innerhalb der -»Alternativbewegung zu einem Erstarken der F. Mittlerweile jedoch scheint der soziale Rückhalt der F. zurückzugehen (siehe auch -»Feminismus; -»Frauenpolitik; -»Gleichberechtigung). Frauenpolitik, Maßnahmen, die den Frauen ermöglichen sollen, gleichberechtigt neben den Männern politisch, sozial, wirtschaftlich und kulturell tätig zu sein. Zu den wichtigsten 66

Freihandel Politikfeldern gehören unter anderem die Forderung nach gleichen Aufstiegschancen und gleichem Einkommen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gewalt gegen Frauen und §218 (siehe auch -»Frauenbewegung; -»Gleichberechtigung; -»Feminismus). Frauenquote - » Quotenregelung Free Rider (engl, für Trittbrettfahrer), Begriff für das Verhalten eines Individuums oder einer Gruppe, das bzw. die von (sozialen) Einrichtungen profitiert, ohne selbst einen Beitrag zu leisten. Ein derartiger Missbrauch der öffentlichen Einrichtungen führt bei Zunahme dieses Verhaltens letztlich dazu, dass öffentliche Leistungen wegen mangelnder Unterstützung nur noch begrenzt zur Verfugung gestellt werden können. Freie Wählergemeinschaften, -»Wählervereinigungen, die sich vor allem auf kommunaler Ebene unabhängig von Parteien an Wahlen beteiligen. Die F. sind charakterisiert durch eine lose Organisation und eher konservative Anschauungen. In der Bundesrepublik sind die F. im süddeutschen Raum einflussreich. Freies Mandat, die einem -»Abgeordneten von seinen Wählern verliehene Befugnis, ihre Interessen in einem Repräsentativorgan zu vertreten, ohne bei jeder Einzelentscheidung deren Weisungen unterworfen zu sein. Der Auffassung von der Freiheit des Mandats liegt die Theorie der -»repräsentativen Demokratie zu Grunde, der zufolge die Volksvertreter durch ihre Wahl dazu bevollmächtigt werden, im Interesse des Volkes Entscheidungen stellvertretend zu treffen. Laut Art. 38,1 GG sind die Abgeordneten des Deutschen -»Bundestages „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen". Der Gegenbegriff zum F. ist -»imperatives Mandat. Freihandel, Außenhandel, der durch keine staatlichen Eingriffe, wie etwa Zölle und Importbeschränkungen, eingeschränkt ist.

Freihandelszone

Freiheitlich-demokratische Grundordnung

Der Theorie des F. liegt die Idee internationaler Arbeitsteilung zugrunde: Nur wenn freier Warenverkehr besteht, könne eine Volkswirtschaft gedeihen. Denn im F. werde sie dazu veranlasst, genau die Produkte herzustellen, für deren Produktion das Land die vergleichsweise günstigsten Bedingungen aufweist und die daher die besten Absatzmöglichkeiten haben. Gegen die Idee des Freihandels wird u.a. die Notwendigkeit, ungleiche Ausgangsbedingungen staatlich zu korrigieren, angeführt (siehe auch -»Protektionismus).

weise eine Kontroverse darüber, ob ein Staat das individuelle Recht auf Freiheit allein schon dadurch gewährleistet, dass er dem Individuum möglichst große Freiräume lässt (wie etwa hinsichtlich der garantierten freien Berufswahl). Ein Einwand gegen diese Auffassung lautet, dass das Individuum diese Freiräume erst zu nutzen vermag, wenn in ihm die Fähigkeiten dazu entwickelt sind und (z. B. wirtschaftliche) Ressourcen zur Verfügung stehen. Diese seien daher ein notwendiger Bestandteil der F.

Freihandelszone, Zollgebiet, das aus mehreren Staaten besteht und in dem die Mitgliedsstaaten untereinander keine Zölle erheben (z.B. -+EFTA). Gegenüber -»Drittländern kann jedes Mitglied der F. nach eigenem Ermessen Zölle festlegen (im Unterschied zur -•Zollunion). Freiheit, im politischen Bereich wird F. zumeist als Unabhängigkeit verstanden und dabei sowohl auf Staaten (-»Souveränität) als auch auf Personen bezogen, aber auch auf Gruppen, etwa im Sinne des -»Selbstbestimmungsrechts der Völker. Der Begriff der F. dient als Maßstab für die Organisation der Gesellschaft und insbesondere ihrer politischen Institutionen. Diese sollen den einzelnen in einem Staat vor Übergriffen anderer Personen und insbesondere der Staatsmacht selbst schützen. Darüber hinaus soll eine freiheitliche Gesellschaftsordnung die Verwirklichung des persönlichen Lebensentwurfes ermöglichen. Als wesentliche Bedingung dafür wird generell das Recht der politischen Mitbestimmung (-»Demokratie; -»Partizipation) betrachtet. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen negativer und positiver F. Während erstere die Abwesenheit äußerer Hindernisse und Zwänge meint („Freiheit von..."), bezeichnet positive F. die - unter anderem durch Gesellschaft und Staat - geschaffenen Bedingungen zur Realisierung selbst gesetzter Ziele und Lebenskonzepte („Freiheit zu..."). Im Kontext dieser Unterscheidung besteht beispiels-

Des Weiteren stellt man die individuelle F. der kollektiven F. gegenüber. Im Sinne des zweiten Begriffs gelten nicht nur einzelne Personen, sondern auch soziale Gruppen als Träger der Freiheit. Das führt insbesondere dann zu Schwierigkeiten, wenn die von einem Kollektiv „frei" getroffenen Entscheidungen mit der individuellen Freiheit eines seiner Mitglieder in Konflikt geraten. Durch eine unterschiedliche Verwendung des F.sbegriffs setzen sich die verschiedenen politischen Strömungen und Einstellungen voneinander ab. Tendenziell ist beispielsweise der -»Liberalismus eher durch einen individuellen und negativen, der -»Sozialismus ebenso wie der -»Kommunitarismus durch einen kollektiven und positiven F.sbegriff geprägt. Freiheit der Person, das jedem Menschen zugesprochene Recht, seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. Die F. ist in der Bundesrepublik nach Art. 2,2 GG geschützt und umfasst allgemein die Bewegungsfreiheit und speziell den Schutz vor Verhaftungen, die nicht „auf Grund eines förmlichen Gesetzes" (Art. 104,1 GG) stattfinden. Freiheitlich-demokratische Grundordnung (abgekürzt FDGO), Begriff zur Charakterisierung der Verfassungsordnung in der Bundesrepublik. Nach Art. 18 und Art. 21,2 GG können —»Grundrechte einer Person aberkannt bzw. -»Parteien verboten werden, wenn sie sich gegen die F. richten. Die F. ist gekennzeichnet durch die Beachtung folgender Prinzipien: -»Menschenrechte, -»Volks67

Freischärler Souveränität bzw. -»Demokratie, -^Gewalten teilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (-»Rechtsstaat), Unabhängigkeit der Gerichte, -»Mehrparteiensystem (mit Chancengleichheit der Parteien), Recht auf Opposition. Freischärler - » Partisan Freistaat, deutsche Bezeichnung für - » R e publik. In der Bundesrepublik heißen Bayern, Sachsen und Thüringen F. Freizügigkeit, das Recht, sich in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit man besitzt, ungehindert zu bewegen, niederzulassen und aufzuhalten, sowie dorthin einzureisen. Die F. ist in der Bundesrepublik nach Art. 11 GG geschützt. Auf EG/EU-Ebene wird ebenso hinsichtlich der so genannten vier Freiheiten von der F. gesprochen (-»Europäischer Binnenmarkt; -»EG/EU). Freundschaftsvertrag, Vertrag zwischen mindestens zwei Staaten, der das Versprechen beinhaltet, die wechselseitigen Beziehungen zu fördern und eventuell auftretende Konflikte auf nicht-militärische Art zu lösen. Frieden, Zustand zwischen Menschen, Gruppen oder Staaten, in dem auf gewaltfreie und auf rechtlich festgelegte Weise Konflikte gelöst werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem F. als bloße Abwesenheit von —»Krieg („negativer F.") und dem F. als Verwirklichung menschenrechtlicher und sozialer Werte, wie z.B. —»Freiheit, -»Gleichheit, -»Gerechtigkeit und Bedürfnisbefriedigung („positiver F."). Folgt man dem Begriff des positiven F., dann bedarf es zur Erreichung eines friedlichen Zustandes nicht nur der Verhinderung von Kriegen, sondern auch sozial-, gesundheits-, umweit- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Das -»Völkerrecht begreift traditionell unter F. die Abwesenheit des Krieges zwischen Staaten. Mittlerweile jedoch wird auch bei 68

Friedenspflicht innerstaatlichen Konflikten (-»Bürgerkrieg) oder Menschenrechtsverletzungen eine Bedrohung des F. im völkerrechtlichen Sinne angenommen. Friedensbewegung, Sammelbegriff für soziale Bewegungen, die sich verstärkt in den 1980er-Jahren v.a. in den westlichen, aber auch osteuropäischen Staaten formierten, um sich mit dem Ziel der Friedenssicherung gegen die weltweite nukleare und konventionelle Aufrüstung zu engagieren (siehe auch -»Pazifismus). In der Bundesrepublik entstand die F. bereits in den 1950er-Jahren im Kontext der Auseinandersetzung um die Wiederbewaffhung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die F. verfugt weder über feste Organisationsstrukturen noch über einheitliche Weltanschauungen (siehe auch - » N e u e Soziale Bewegungen). Zu den sie stützenden Gruppen zählen unter anderem politische, v.a. linke Gruppierungen, christliche Gruppen und Ärzteinitiativen. Die F. ist häufig stark verflochten mit anderen -»alternativen Bewegungen, wie etwa -»Ökologiebewegungen. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts hat die F. viele Aktivisten verloren und damit auch zahlreiche Aktivitäten eingestellt. Friedensdividende, die durch Einsparung oder Verzicht auf Rüstungsausgaben erlangten finanziellen Mittel, welche für bestimmte zivile Zwecke zur Verfugung stehen, wie etwa -»Entwicklungshilfe, soziale und umweltpolitische Projekte. Die Erwartung einer F. insbesondere nach dem Ende des OstWest-Konfliktes hat sich weitestgehend nicht erfüllt. Zum einen wurde seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes weniger bei der Rüstung eingespart als erwartet, zum anderen wurden die Einsparungen kaum für die oben genannten Zweck verwendet. Friedenspflicht, Pflicht der -»Tarifvertragsparteien, während der Dauer des -»Tarifvertrages auf Mittel des -»Arbeitskampfes zu verzichten, d.h. den Arbeitsfrieden zu wahren.

Friedenssicherung Friedenssicherung, Gesamtheit der auf Bewahrung und Erhaltung des -»Friedens gerichteten Maßnahmen. Für den internationalen Bereich dienen hauptsächlich die -»UN-Charta von 1945 (Art. 1,1) (siehe -»Vereinte Nationen) und die Schlussakte der - » K S Z E als Fundament für friedenssichernde Maßnahmen, auch als friedenserhaltende Maßnahmen bezeichnet (-»Peacekeeping). Friedens- und Konfliktforschung, auch Polemologie genannt, ist in den 1960erJahren entstanden. Dabei untersuchen verschiedene Forschungszweige die unterschiedlichen anthropologischen, wirtschaftlichen, geschichtlichen, sozialen und technischen Ursachen und Zusammenhänge von -»Krieg und -»Frieden. Einige der in der F. gewonnenen Einsichten, wie etwa das Konzept der -»vertrauensbildenden Maßnahmen und der -»Entspannungspolitik, wurden von der -»Sicherheitspolitik aufgegriffen. Friedensvertrag, völkerrechtlicher Vertrag zwischen Staaten über die Beendigung eines Krieges. Der F. regelt gewöhnlich die Einstellung der Kampfhandlungen, Gebiets- und Entschädigungsfragen, die Rückführung der Kriegsgefangenen, Rüstungsbeschränkung und -»Abrüstung. Insofern umfasst der F. mehr als nur die Vereinbarung des - » W a f fenstillstandes. Friedliche Koexistenz (lat. con; zusammen, mit; exsistere: auf-, hervortreten), Grundsatz, der 1956 auf dem XX. Parteitag der KPdSU als offizielles Prinzip für die Beziehung der UdSSR (und der mit ihr Verbündeten) zu den kapitalistischen Staaten verabschiedet wurde. Die F. beinhaltet die Absage an den bis dato aufrechterhaltenen Standpunkt, dass kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den zwei Blöcken unvermeidbar sind. Anstelle dessen soll eine partielle Teilnahme der kommunistischen Staaten am internationalen Austausch und eine friedliche Zusammenarbeit treten, ohne jedoch die Weltanschauung

Fundamentalismus des -»Kommunismus und die damit verbundene Kritik am -»Kapitalismus aufzugeben. Führerprinzip, Prinzip, das die Organisation und Entscheidungsprozesse einer totalitären Partei und eines totalitären Staates bestimmt, insbesondere im -»Nationalsozialismus (siehe -»Totalitarismus). Folgender Beschluss des nationalsozialistischen Reichstags von 1942 verdeutlicht den Charakter des F.: „Der Führer muss, ohne an bestehende Rechtsvorschriften gebunden zu sein, in seiner Eigenschaft als Führer der Nation, als oberster Befehlshaber der Wehrmacht, als Regierungschef und oberster Inhaber der vollziehenden Gewalt, als oberster Gerichtsherr und als Führer der Partei jederzeit in der Lage sein, nötigenfalls jeden Deutschen mit allen ihm geeignet erscheinenden Mitteln zur Erfüllung seiner Pflicht anzuhalten und bei Verletzung dieser Pflichten ohne Rücksicht auf so genannte wohlerworbene Rechte mit der ihnen gebührenden Sühne zu b e l e g e n " Die Grundelemente des F. sind: unumschränkte Befehls- und Entscheidungsgewalt des Führers; Prinzip des unbedingten Gehorsams gegenüber höheren Rängen; -»Personalunion von Staats- und Parteiführung; quasi-religiöse Verherrlichung des Führers, dem übernatürliche Fähigkeiten zugeschrieben werden. Fundamentalismus (lat. fundamentum: Grund, Grundlage), Weltanschauungen und Bewegungen, die ihre -»Ideologie diskussionslos als absolut gültig und anderen Auffassungen überlegen darstellen und sie auf aggressive Weise zu verbreiten suchen. Ursprünglich war in den Vereinigten Staaten der F. eine Selbstbezeichnung einer protestantischen Gruppe, die gegen liberale Tendenzen auftrat. Als fundamentalistisch lassen sich gegenwärtig beispielsweise einige christliche Abtreibungsgegner in den Vereinigten Staaten oder auch islamische Kämpfer für den Gottesstaat bezeichnen.

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Fünf Weise Fünf Weise Begutachtung Entwicklung

- » Sachverständigenrat zur der gesamtwirtschaftlichen

Fünfprozentklausel, ->Sperrklausel im Bundestagswahlrecht der Bundesrepublik, der zufolge eine Partei bei der —»Mandatsverteilung nur berücksichtigt wird, wenn sie mindestens fiinf Prozent der -»Zweitstimmen bekommen hat. Die F. gilt nicht, wenn eine Partei drei -»Direktmandate erhält. Die F. soll die Parteienzersplitterung im Bundestag verhindern. Andererseits wird an der F. kritisiert, dass sie kleine Parteien daran hindert, sich zu etablieren. Fünfte Kolonne, auf den spanischen Bürgerkrieg zurückgehendes Schlagwort, das heute häufig als Kampfwort benutzt wird. F. bezeichnet politische Organisationen oder Gruppen, die sich gegenüber dem eigenen Staat während eines internationalen Konflikts oder Krieges illoyal verhalten, indem sie einen anderen Staat, teilweise auch durch Spionage- und Sabotagetätigkeit, unterstützen. Funktionär (frz. fonctionnaire: Beamter), Verband- oder Parteimitglied, das weisungsgebunden tätig ist. Alltagssprachlich wird F. meist abschätzig benutzt im Sinne eines Bürokraten, der Weisungen ohne Rücksicht auf inhaltliche und sachliche Erfordernisse ausführt. Fürsorgeprinzip, Grundsatz des -»Sozialstaates, wonach ein Gemeinwesen verpflichtet ist, Bedürftige, die anderweitig keine Hilfe erhalten, zu unterstützen und zu schützen.

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G-7

G G-7 - » G-8-Staaten G-8-Staaten, auch als „Gruppe der Acht" bezeichneter informeller, exklusiver Zusammenschluss der Länder Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Vereinigte Staaten und Russland. Die Gruppe der Acht wurde bis 1998 (bis zum Eintritt Russlands) als G-7 der führenden Industrienationen bezeichnet. Sie wurde Mitte der 1970er-Jahre ins Leben gerufen, um angesichts der Ölkrise Weltwirtschaftsfragen zu erörtern, im Laufe der Zeit wurden aber auch allgemeine politische Themen aufgegriffen. Die Staats- und Regierungschefs treffen sich einmal im Jahr auf einem Gipfeltreffen, auf dem zwar keine formellen Beschlüsse gefasst werden, jedoch eine Abschlusserklärung abgegeben wird. Unregelmäßig gibt es auch Treffen auf Ministerebene. G-10-Kommission, Gremium in der Bundesrepublik, das sich aus fünf Bundestagsabgeordneten zusammensetzt und das die Maßnahmen der Geheimdienste, die in das Postund Fernmeldegeheimnis eingreifen, kontrolliert und genehmigt. Der Name geht auf Art. 10 GG zurück, der das -»Post- und Fernmeldegeheimnis beinhaltet. G-20, 1999 gegründetes informelles Gremium von Finanzministem und Notenbankchefs aus 19 Industrie- und -»Schwellenländem, einem Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft und den Chefs von - • W e l t b a n k und internationalem Währungsfonds (-»IWF). Ziel der G-20 ist es, zukünftige Finanzkrisen mit globalen Folgen zu verhindern. GASP, Abkürzung für Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik, so genannte zweite Säule der EU (-»EG/EU), die im -»Maastrichter Vertrag formuliert wurde und die darin besteht, einen gemeinsamen europäischen außenpolitischen Standpunkt herauszubilden und eine gemeinsame Verteidi-

Gaullismus gungspolitik zu konzipieren (siehe auch - » E P Z ) . Die politischen Richtlinien der G. werden vom -»Europäischen Rat im Konsens festgelegt. Mit dem -»Amsterdamer Vertrag wurde der Hohe Vertreter für die G. eingerichtet: Dieser hat unter anderem die Aufgabe, den Rat beim Entscheidungsprozess zu unterstützen und die G. und ihre Ziele gegenüber Drittländern zu vertreten. G A T T (Abk. für engl. General Agreement on Tariffs and Trade: Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen), 1947 abgeschlossenes zwischenstaatliches Abkommen, das ursprünglich als Basis für eine internationale Handelsorganisation dienen sollte und das Ziel des -»Freihandels verfolgte. Dies sollte etwa erreicht werden durch die -»Meistbegünstigungsklausel und durch Aufhebung von Mengenbeschränkungen im Handel. 1995 wurde das G. durch die ~»WTO abgelöst. Gauck-Behörde, eigentlich „Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR", 1991 gegründete Bundesbehörde zur Verwaltung der Akten des Staatssicherheitsdienstes der DDR, die ihren Namen nach ihrem Leiter Joachim Gauck erhalten hat. Die G. dient zur Aufarbeitung der Vergangenheit der DDR. In diesem Kontext ist sie dazu verpflichtet, die zuständigen Stellen über Stasi-Mitarbeit von führenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu informieren. Die G. gewährt auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen Einsicht in die Akten. Etwa 1,6 Millionen solcher Anträge wurden im ersten Jahr ihres Bestehens an die G. gestellt. Gaullismus, auf den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle (Amtszeit: 195869) zurückgehende politische Bewegung und Bezeichnung für ein Regierungssystem, das für ein von den Vereinigten Staaten unabhängiges und starkes Frankreich in einem „Europa der Vaterländer", d.h. in einem europäischen Staatenbund anstelle einer supranationalen Union, eintritt (—»supranationale Orga71

Gebietshoheit nisation). Überdies ist der G. durch eine mächtige Stellung des Präsidenten im Staat und durch plebiszitäre Elemente (-»Plebiszit) gekennzeichnet (der Präsident wird vom Volk gewählt und es besteht die Option der -»Volksabstimmung) (siehe auch -»semipräsidentielles Regierungssystem). Gebietshoheit, alle Rechte eines Staates innerhalb seines Territoriums, die er aufgrund seiner -»Hoheit besitzt. Unter die G. fallen alle Personen und Sachen innerhalb des Gebietes. G. hat der Staat jedoch auch hinsichtlich seiner diplomatischen Vertretungen im Ausland (-»Exterritorialität) (siehe auch -»Personalhoheit). Gebietskörperschaft, Körperschaft des -»öffentlichen Rechts, deren Hoheit sich auf ein bestimmtes Gebiet und die sich dort befindlichen Personen und Sachen bezieht. Als G.en werden im weiteren Sinne auch Bund und Länder betrachtet. Gebietsreform, in der Bundesrepublik in den 1970er-Jahren erfolgte Neugliederung der kommunalen -»Gebietskörperschaften, v.a. durch Zusammenlegung von Landkreisen und -»Gemeinden, mit dem Ziel einer größeren VerwaltungsefRzienz. Gebühren, öffentliche, Entgelt, das im Unterschied etwa zu -»Zöllen, -»Steuern und -»Beiträgen vom Staat oder von einer öffentlichen -»Körperschaft nur für tatsächlich beanspruchte öffentliche Leistungen erhoben wird. Die Erhebung von G. bedarf in der Bundesrepublik einer Gebührenordnung als rechtlicher Grundlage. Gefangenendilemma, von der -»Spieltheorie untersuchtes Problem, das das kooperative Verhalten von rationalen Individuen in einer Konfliktsituation betrifft. Von einem G. wird gesprochen, wenn einzelne durch individuell rationales Verhalten letztlich eine Situation herbeiführen, die objektiv für alle Beteiligten (einschließlich des entscheidenden einzelnen) schlechter ist als sie sein könnte. Ein besserer

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Gegenrevolution Ausgang für alle Beteiligten würde beispielsweise dadurch erzielt, dass die einzelnen nicht unabhängig voneinander Entscheidungen treffen, sondern miteinander Verträge schließen (siehe auch -»rational choiceTheorien). Die Bezeichnung G. geht auf folgende Modellsituation zurück: Zwei Gefangenen wird zur Last gelegt, dass sie gemeinsam einen Einbruch begangen haben und dass sie illegal Waffen besitzen. Ersteres kann der Staatsanwalt allerdings keinem nachweisen. Er bietet daraufhin jedem Gefangenen unabhängig voneinander folgendes Geschäft an: Wer den gemeinsamen Einbruch gesteht, bekommt seine Strafe sowohl für den Einbruch als auch für den Waffenbesitz erlassen, wenn der andere Gefangene nicht gesteht. Der nicht geständige Gefangene enthält in diesem Fall die Höchststrafe. Die beiden Gefangenen können ihre Entscheidung nicht absprechen und geraten so in folgendes Dilemma: Gleichgültig, wie der andere sich verhalten wird - gestehen oder nicht gestehen - , ist es immer günstiger, selbst zu gestehen. Denn gesteht nur der andere, erhält man die Höchststrafe. Gesteht der andere nicht, kann man mit dem eigenen Geständnis sogar straffrei ausgehen. Folgen beide Gefangene dieser scheinbar vernünftigen Lösung (gestehen sie also), bekommen sie eine mittlere Strafe, obwohl sie durch gemeinsames Schweigen beide mit einer niedrigeren Strafe für unerlaubten Waffenbesitz hätten davonkommen können. Doch eine solche Entscheidung, nicht zu gestehen, ist für den einzelnen nur dann sinnvoll, wenn er damit rechnen kann, dass der andere nicht gesteht und ihm damit die Höchststrafe einbringt. Diese Überlegung hat ebenso der andere Gefangene und wird daher sicherheitshalber gestehen.

Gegenregierung, Regierung, die sich im Ausland bildet, während im eigenen Staat eine andere Regierung an der Macht ist. Insofern ist sie von der -»Exilregierung zu unterscheiden. Gegenrevolution - » Konterrevolution

Gegenzeichnung

Gegenzeichnung, in der Bundesrepublik für das Zustandekommen eines -»Gesetzes neben der Unterschrift des -»Bundespräsidenten notwendige Unterzeichnung durch den -»Bundeskanzler und den zuständigen Bundesminister (siehe auch -»Gesetzgebung). Geheimdienst, staatliche Organisation, die geheime in- und ausländische Informationen aller Art beschafft, dieselbe Tätigkeit anderer G.e im eigenen Land abwehrt und gegnerische Staaten, Gruppen oder Personen verfolgt. In der Bundesrepublik gehören der - » B N D , die Verfassungsschutzämter und der militärische Abschirmdienst (MAD) zum G. Grundsätzlich ist die Tätigkeit der G.e in Rechtsstaaten hinsichtlich der Bürger durch -»Grundrechte beschränkt. Entscheidend für den Schutz der Bürger ist die demokratische Kontrolle der G.e (-»G-10; -»parlamentarische Kontrollkommission). Geheimfonds, die Finanzmittel in einem staatlichen -»Haushaltsplan, „deren Verwendung geheimzuhalten ist" (Bundeshaushaltsordnung der BRD), so dass die Regierung selbständig, d.h. ohne parlamentarische Kontrolle über jene Mittel verfügen kann (wie etwa zur Beschaffung vertraulicher Informationen). Die G. stellen eine Einschränkung des parlamentarischen -»Budgetrechts dar und beeinträchtigen die Transparenz der Regierungsarbeit. Geldpolitik, alle Maßnahmen der direkten und indirekten Beeinflussung der Geldmenge, die von der -»Zentralbank ergriffen werden, um eine Währungsstabilität zu erreichen bzw. zu erhalten. Diese Aufgabe ist in der Bundesrepublik per Gesetz der Deutschen -»Bundesbank übertragen, die weitgehend unabhängig von parlamentarischer Kontrolle agiert. Daher kann sie mit der —»Wirtschafts-, -»Währungs- und -»Finanzpolitik des Staates in Konflikt geraten, obgleich sie ebenso dazu verpflichtet ist, die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen. Im Zuge der Europäischen Währungsunion

Gemeindesteuern ( - » W W U ) werden wichtige Kompetenzbereiche in der G. an die Europäische Zentralbank ( - » E S Z B ) übertragen. Gemeinde, unterste öffentliche Verwaltungseinheit, die - in der Bundesrepublik - über ein eigenes Gebiet, eigene Behörden, eigene Angehörige, eine eigene verfassungsähnliche Hauptsatzung und ein eigenes Steuererhebungsrecht verfugt. G.n ebenso wie - » G e meindeverbände nehmen das gemäß Art. 28,2 GG gewährte Recht zur -»Selbstverwaltung wahr. Die Selbstverwaltung umfasst Verkehrseinrichtungen (wie Straßenbau und Beförderungsmittel), Energieversorgung, Entsorgung (z.B. Abwasserbeseitigung), Bildungsinstitutionen, kulturelle Institutionen, Freizeits- und Gesundheitseinrichtungen und soziale Einrichtungen. Neben diesen Bereichen hat die G. von Bund und Land übertragene Auftragsangelegenheiten zu erfüllen, wozu beispielsweise das Polizei-, Pass-, Melde-, Wohnungs- und Standesamtwesen gehören. Das Innenministerium des Bundeslandes, zu dem die G. gehört, übt die Oberaufsicht aus. Gemeindepolitik - » Kommunalpolitik Gemeinderat, Volksvertretung in den -»Gemeinden (in den Städten Stadtrat genannt), die nach Art. 28,1 GG vorgeschrieben ist und aus freien, gleichen, geheimen, allgemeinen und unmittelbaren Wahlen hervorgehen muss. Der G. gilt als oberstes Entscheidungsorgan hinsichtlich der Gemeindeangelegenheiten. Er verfügt unter anderem über Satzungshoheit. Je nach Gemeindeordnung variiert jedoch seine Stellung insbesondere gegenüber dem -»Bürgermeister. Als G. bezeichnet man ebenso die einzelnen Mitglieder dieser Volksvertretung. Gemeindesteuern, die den -»Gemeinden oder -»Gemeindeverbänden zukommenden -»Steuern. Nach Art. 106,6 GG werden in der Bundesrepublik folgende Steuern zu den G. gezählt: Realsteuern (z.B. Grundsteuer) diese kommen den Gemeinden zu - und 73

Gemeindeverband Verbrauchund Aufwandsteuern (z.B. Schankerlaubnis und Hundesteuer) - diese kommen den Gemeindeverbänden oder Gemeinden zu. Überdies werden die Gemeinden am Aufkommen der Einkommens- und Körperschaftssteuern, die als -»Gemeinschaftssteuem von Bund und Ländern erhoben werden, beteiligt. Die G. sind nur ein Teil der Mittel, die den Finanzbedarf der Gemeinden decken. Des weiteren stehen den Gemeinden - • G e b ü h r e n , -»Beiträge und Gelder aus dem -»Finanzausgleich zur Verfügung. Gemeindeverband, aus mehreren - » G e meinden zum Zweck der effizienteren Verwaltung zusammengeschlossene selbständige -»Gebietskörperschaften. G.e sind vor allem die -»Landkreise, aber auch -»Bezirke und Landschaftsverbände. Gemeindeverfassung, rechtliche Regelung der kommunalen Organe, die einer - » G e meinde angehören. Die G. beinhaltet die Anzahl und Art der Organe, deren Kompetenzen, rechtliche Stellung und Zusammensetzung. Nach Art. 28 GG muss die G. demokratischen Grundsätzen entsprechen. Da in der Bundesrepublik die Länder die G.en bestimmen, gibt es gegenwärtig vier verschiedene Typen von G.: die Süddeutsche Ratsverfassung, Norddeutsche Ratsverfassung, Magistratsverfassung und Bürgermeisterverfassung (die Gemeinden Berlin, Bremen, Hamburg fallen nicht unter diese Einteilung, da sie zugleich Bundesländer sind). Gemeindeversammlung, in sehr kleinen -»Gemeinden die den gewählten -»Gemeinderat ersetzende Versammlung, die sich aus allen wähl- und stimmberechtigten Bürgern der Gemeinde zusammensetzt. Gemeineigentum, —»Eigentum eines öffentlich-rechtlichen Kollektivs, wie des -»Staates, der -»Gemeinden und -»Genossenschaften. Nach Art. 15 GG können in der Bundesrepublik „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und 74

Gemeinschaft Ausmaß der Entschädigung regelt", in G. überfuhrt werden. Gemeinherrschaft - » Kondominium Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik - » GASP Gemeinsamer Ausschuss, in der Bundesrepublik der aus Mitgliedern des -»Bundesrates und —»Bundestages zusammengesetzte -»Ausschuss, der im Verteidigungsfall (-»Notstandsverfassung) die Rechte von Bundestag und Bundesrat wahrnimmt, nachdem er mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen, mindestens aber mit der Mehrheit seiner Mitglieder festgestellt hat, „dass dem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen oder dass dieser nicht beschlussfähig ist" (Art. 115e,l GG). Wenn der Bundestag nicht den Verteidigungsfall feststellen kann, dann obliegt dies ebenso dem G. mit der gleichen oben genannten Mehrheit. Auch solange der Verteidigungsfall nicht besteht, muss die Bundesregierung den G. „über ihre Planungen fiir den Verteidigungsfall" (Art. 53a,2 GG) unterrichten. Der G. besteht gemäß Art. 53a, 1 GG aus insgesamt 48 Mitgliedern, davon 32 Mitgliedern des Bundestages und 16 Mitgliedern des Bundesrates. Die Einrichtung des G. soll auch während des Verteidigungsfalles die -»Gewaltenteilung gewährleisten. Gemeinsamer Markt - » Europäischer Binnenmarkt Gemeinschaft, zentraler Begriff politischen Denkens, das als Grundlage und Ziel des Staates die G. betrachtet. G. meint in diesem Zusammenhang eine organische Einheit, deren Zusammenhalt vordergründig weniger als Mittel zur Erreichung geteilter Zwecke dient, sondern vielmehr natürlich gewachsen ist und charakterisiert wird durch v.a. gemeinsame Werte. Vorbild der G. sind Gruppen mit persönlichen und/oder verwandt-

Gemeinschaftsaufgaben schaftlichen Beziehungen, wie etwa die Familie. Seit der Moderne wird der Begriff der G. vom jüngeren Begriff der -»Gesellschaft unterschieden (siehe auch -»Kommunitarismus; -»Liberalismus). Im -»Nationalsozialismus diente der Begriff der Volksg. als Grundlage einer rassistischen Blut-und-Boden-Ideologie. Gemeinschaftsaufgaben, in der Bundesrepublik Bereiche, in denen der Bund bei der Erfüllung von den Länderaufgaben mitwirkt, die gesamtsstaatlich bedeutsam sind und die die Hilfe des Bundes erfordern. Nach Art. 91a, 1 GG gehören zu den G. folgende Bereiche: Hochschulbau, Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, Verbesserung von Agrarstruktur und Küstenschutz. Die Zusammenarbeit betrifft vor allem Planung und Finanzierung. Gemeinschaftssteuern, in der Bundesrepublik dem Bund und den Ländern gleichermaßen zukommende Steuern. Nach Art. 106,3 GG gilt dies für Einnahmen aus der Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer. Gemeinwille, auf den französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) und dessen -»Vertragstheorie zurückgehender Begriff (frz. „volonté générale"). Er drückt die Auffassung aus, dass die einzelnen Individuen eines Staates in dem G. eine gemeinschaftliche Identität gewinnen. Ihre j e eigenen Ziele gehen im G. vollständig auf und werden mit ihm identisch. Widersprüche zwischen den Einzelwillen und dem G. sind so nicht denkbar. Deshalb kann der G. nicht einfach dadurch entstehen, dass die Meinungen der einzelnen zusammengefasst werden (-»volonté de tous) - etwa nach dem -»Mehrheitsprinzip. Mit dem Begriff des G. ist vielmehr die Vorstellung verbunden, die Politik einer Gesellschaft ließe sich auf eine Weise regeln, die dem Willen jedes einzelnen von dieser Politik Betroffenen genau entspricht. Das Konzept des G. liegt der Auffassung der -»identitären Demokratie zu Grunde. Man kann die Theorie vom G. als Forde-

Gemischte Verfassung rung an die Politik, sich am Willen aller Individuen auszurichten, begreifen, aber auch als Forderung an die einzelnen Menschen, sich der -»Gemeinschaft unterzuordnen, womit jedoch eine Gefährdung der -»Freiheit des einzelnen durch totalitäre Ansprüche einhergeht (-»Totalitarismus). Gemeinwirtschaft, Wirtschaftsordnung und -form, die zum einen durch die Bedarfsorientierung anstelle von Gewinnorientierung, zum anderen durch -»Gemeineigentum und gerechte Güterverteilung gekennzeichnet ist. Im besonderen stützen sich sozialistische Wirtschaftsordnungen teilweise auf das Prinzip der G. (-»Sozialismus); aber auch in der Privatwirtschaft kann es gemeinwirtschaftliche Elemente geben, wie z.B. bei öffentlichen Unternehmen und -»Genossenschaften. Gemeinwohl, der Begriff des G. basiert auf einem Konzept der Gesellschaft, in der eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen dem Wohl des einzelnen und dem Wohl der Gemeinschaft existiert. Die inhaltliche Bestimmung des G. ist umstritten und daher findet der Begriff des G. verschiedenartige Verwendungen: 1. G. beschreibt zum einen ein Ziel oder einen Zweck, in dem alle Mitglieder der Gesellschaft übereinstimmen. Es ergibt sich als Resultat des politischen Prozesses der Austragung von Konflikten (siehe auch -»Pluralismus). 2. G. bezeichnet den Zweck oder das Ideal, an dem das politische und soziale Handeln und Denken sowohl der einzelnen Gesellschaftsmitglieder als auch der politischen Institutionen gemessen werden kann (siehe auch —»Gemeinwille). Dabei wird das G. häufig dem Eigeninteresse bzw. dem Privatinteresse von Individuen gegenübergestellt. Auf Grund seiner Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit eignet sich der Begriff des G. zur ideologischen Rhetorik. Gemischte Verfassung, auf Aristoteles (384322) zurückgehende Bezeichnung für Staatsformen, in denen die drei Verfassungstypen 75

Generalbundesanwalt

Genfer Flüchtlingskonvention

—•Demokratie, -»Aristokratie und —»Monarchie miteinander kombiniert werden. Mit der G. verbindet sich die Vorstellung der wechselseitigen Kontrolle und Beschränkung der Mächte in einem Staat, die auch als Basis für die Lehre von der -»Gewaltenteilung dient.

glieder des Sicherheitsrates, die Mitglieder des - » E C O S O C , sie ist an der Wahl der Richter des -»Internationalen Gerichtshofes beteiligt und (zusammen mit den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates) an der Wahl des -»Generalsekretärs.

Generalbundesanwalt, in der Bundesrepublik der Leiter der -»Bundesanwaltschaft, der unter anderem für die Verfolgung von Hochund Landesverrat, die Bildung terroristischer Vereinigungen, Völkermord und Straftaten gegen Verfassungsorgane zuständig ist.

Generationenvertrag, Prinzip, nach welchem Leistungen, Rechte und Pflichten zwischen verschiedenen Generationen geregelt werden, basierend auf der Vorstellung, dass Verantwortung und -»Gerechtigkeit nicht nur zwischen den einzelnen Mitgliedern der gegenwärtigen Gesellschaft, sondern auch zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Generationen herrschen sollte. Im engeren Sinne bezeichnet der Begriff das der -»Rentenversicherung in der Bundesrepublik zu Grunde liegende Prinzip, wonach die anfallenden Rentenzahlungen durch die Beiträge der erwerbstätigen folgenden Generation finanziert werden (im Gegensatz zu dem Modell, nach dem die Rentenbeiträge angespart, in Fonds angelegt und später bei Bedarf ausbezahlt werden).

Generalhandel, der Import, Export und Transit umfassende gesamte Außenhandel eines Staates (siehe auch -»Außenhandelspolitik). Generalinspekteur, in der Bundesrepublik der ranghöchste Offizier der -»Bundeswehr. Er leitet im -»Verteidigungsministerium, dem er direkt untersteht, die Hauptabteilung „Militärische Angelegenheiten". Generalklausel, eine gesetzliche Bestimmung, die in ihrer Anwendung einen großen Ermessensspielraum zulässt, insofern sie aus einem lediglich allgemeinen Rechtsgrundsatz besteht.

Der Begriff des G. lässt sich aber auch in Verbindung mit dem Begriff der -»Nachhaltigkeit auf die umweltpolitische und ökologische Verantwortung für zukünftige Generationen anwenden.

Generalsekretär, oberster Geschäftsführer eines -»Verbandes, einer -»Partei oder einer -»internationalen Organisation, wie etwa der - » N A T O oder der -»Vereinten Nationen.

Genfer Abkommen - » Genfer Konvention

Generalstreik, radikalste Form des politischen -»Streiks, die durch Arbeitsniederlegung größte Teile der Wirtschaft eines Landes lahm legt, um politische Entscheidungen zu beeinflussen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik ist der G. nicht vorgesehen. Generalversammlung der Vereinten Nationen, Hauptorgan der -»Vereinten Nationen, in dem alle Mitgliedsstaaten mit jeweils einer Stimme vertreten sind. Die G. kann Empfehlungen an den -»Sicherheitsrat abgeben. Überdies wählt sie die nichtständigen Mit76

Genfer Flüchtlingskonvention, 1954 in Kraft getretenes „Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge", das bisher von 139 Staaten unterzeichnet wurde. Die G. bestimmt nicht nur den Personenkreis der -»Flüchtlinge, sondern beinhaltet ebenso eine Regelung des gesamten Lebensbereiches der Flüchtlinge, wie etwa der Arbeit, des Unterhalts und rechtlichen Status. Insbesondere soll die G. den Flüchtling vor willkürlichen Ausweisungen bzw. vor Abschiebungen in Gebiete schützen, in denen „sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder we-

Genfer Konvention

Gerechtigkeit

gen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde" (Art. 33). Diese Bestimmungen gelten seit der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls von 1967 nicht nur für diejenigen Flüchtlinge, die bis 1951, sondern auch danach ihr Land verlassen haben.

Lehre das Streben nach Ausdehnung wie auch der Drang nach Besetzung von strategischen Schlüsselstellungen (z.B. an Engpässen) als natürlich. Der —»Nationalsozialismus benutzte die G. (Gewinnung von „Lebensraum") als ideologische Rechtfertigung seiner Eroberungskriege.

Genfer Konvention, die vier 1949 unterzeichneten, auch als Rotkreuz-Abkommen bezeichneten völkerrechtlichen Verträge zum Schutz von Kriegsgefangenen, Zivilisten im Krieg und verwundeten Soldaten. Der wichtigste Vorgängervertrag der G. wurde bereits 1864 auf Anregung des Gründers des Roten Kreuzes H. Dunant hin unterzeichnet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz wacht über die Einhaltung der G., die den Kern des so genannten humanitären Kriegsrechts bildet und mittlerweile durch zahlreiche Zusatzprotokolle ergänzt wurde.

Gerechter Krieg, auf das römische Recht und die mittelalterliche Scholastik zurückgehende Lehre zur Rechtfertigung von -»Krieg. Danach besteht das Recht zum Krieg (ius ad bellum) nur für eine legitime Autorität, und dies nur dann, wenn der Krieg auf die Wiederherstellung einer Friedensordnung gerichtet ist. Das Recht im Krieg (ius in bello) beinhaltet die Verhältnismäßigkeit der Mittel und die Immunität von Nichtkombattanten. Davon abgesehen, dass die Rede vom G. bereits früher zur Rechtfertigung imperialistischer Bestrebungen missbraucht worden ist, wird heute die Lehre vom G. kaum mehr vertreten.

Genossenschaft, 1. Vereinigung von Personen zur Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft ihrer Mitglieder, die hierbei nicht nur die Einrichtungen der G. nutzen, sondern ebenso deren Kunden und Eigentümer sind. Die G.en waren ursprünglich, im 19. Jh., gesellschaftsreformerische Selbsthilfeorganisationen von Handwerkern, Bauern, Arbeitern und Gewerbetreibenden. 2. Im Mittelalter zentrale rechtliche gesellschaftliche Organisationsform, die als Vereinigung gemeinsame politische, soziale, religiöse, kulturelle, rechtliche und wirtschaftliche Interessen wahrnahm. Genozid -> Völkermord Gentlemen's Agreement (engl, für Übereinkommen zwischen Herren), Abkommen, das ohne schriftliche oder förmliche Absprache getroffen und trotz des Fehlens von rechtlichem Zwang eingehalten wird. Geopolitik, Lehre, die die Zusammenhänge zwischen geographischen Gegebenheiten und politischen Entwicklungen thematisiert und untersucht. So gilt etwa in der geopolitischen

Gerechtigkeit, Grundprinzip zur Beurteilung menschlichen Handelns und sozialer Institutionen. G. zielt auf die angemessene Berücksichtigung konkurrierender Ansprüche und deren Ausgleich. Die Vorstellung der G. ist eng verbunden mit derjenigen der -»Gleichheit, auch wenn die Kriterien der Gleichbehandlung umstritten sind. Die Angemessenheit der Berücksichtigung konkurrierender Ansprüche kann nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt werden, und dementsprechend gibt es verschiedene Konzepte der G.: 1. Verfahrensg., zu der v.a. das Verbot willkürlicher und parteilicher Entscheidungen gehört. 2. Tauschg. als Gleichwertigkeit z.B. von Leistung und Gegenleistung oder von Verbrechen und Bestrafung. 3. Verteilungsg., die bei der Zuweisung von Rechten, Pflichten und Gütern die konkreten Umstände und Bedingungen des einzelnen berücksichtigt (so ist es beispielsweise gerecht, dass ein Kind nicht die gleichen Pflichten hat wie ein Erwachsener). Am Maßstab der G. werden sowohl einzelne Handlungen als auch Charaktereigenschaften 77

Gericht und Gewohnheiten von Personen (G. als Tugend) gemessen. Außerdem wird der Begriff auf soziale Institutionen, aber auch auf das Verhältnis zwischen Staaten (internationale G.) und in jüngerer Zeit auf das Verhältnis zur Natur angewandt. Gericht, —»Organ, dem die Rechtsprechung zugewiesen ist. In einem Staat, der das Prinzip der -»Gewaltenteilung beachtet, ist das G. von den anderen Staatsorganen personell und organisatorisch unabhängig. Es gibt staatliche als auch private G.e (Schiedsg.), wobei erstere nach Aufgabenbereichen folgendermaßen unterschieden sind: Verfassungsg., Arbeitsg., Zivil- und Strafg., Verwaltungsg., Finanzg., Sozialg., Patentg., Wehrg., Disziplinarg. Gerichtsbarkeit umfasst die mit der Rechtsprechung befassten Organe (-»Judikative) als auch deren Tätigkeit. Gerichtsfreier Hoheitsakt, staatliche Handlung, die aufgrund ihres politischen Charakters der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. G.e sind umstritten, da sie dem Prinzip des -»Rechtsstaates widersprechen. Gerichtsfreiheit (Justizfreiheit) bedeutet, dass bestimmte Handlungen (-»gerichtsfreier Hoheitsakt) oder Personen, zum Beispiel Diplomaten anderer Ländern, von der gerichtlichen Verfolgung ausgenommen sind. Gerontokratie (griech. gerontes: die Alten; kratein: herrschen), Herrschaftstypus, in dem den älteren Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund ihrer Lebenserfahrung die Regierung übertragen ist. Heute wird der Begriff der G. in kritischer Absicht verwendet, um die Erstarrung einer Regierung und/oder die Überalterung der Regierenden zu betonen. Gerrymandering, aus dem Amerikanischen stammende Bezeichnung für eine wahltaktisch motivierte Einteilung der —»Wahlkreise. Ziel des G. ist es, in möglichst vielen Wahlkreisen die Mehrheit zu erlangen. Dies soll 78

Gesellschaft durch eine derartige Wahlkreiseinteilung erreicht werden, dass möglichst viele Wahlkreise genügend potentielle Wähler der eigenen Partei umfassen, um dort die Wahl zu gewinnen. Dies wird entweder dadurch angestrebt, dass sich das eigene Wählerpotential auf möglichst viele Wahlkreise verteilt, ohne jedoch in der Minderheit zu sein, oder dass das Wählerpotential der anderen Parteien in wenigen Wahlkreisen so konzentriert wird, dass diese zwar dort die Wahl gewinnen, in der Mehrzahl der Wahlkreise allerdings in der Minderheit sind. Der Begriff geht zurück auf den Namen des amerikanischen Politikers Gerry und der Salamander ähnlichen Form des Wahlkreises, den der Politiker zu seinen eigenen Gunsten gebildet hat. Gesandtschaft, 1. unter dem Rang einer -»Botschaft stehende, botschaftsähnliche Einrichtung eines Staates im Ausland; 2. sich in besonderer Mission befindende Diplomatengruppe. Geschäftsordnung, Verfahrensregelungen einer Institution, einer Vereinigung, eines -»Verbandes oder einer -»Partei, die unter anderem über folgende Bereiche bestimmen: Organe und ihre Besetzung, Wahlverfahren, Geschäftsgang, Rechte und Pflichten der Mitglieder und Tagesordnung. Meist wird die G. durch die Mitglieder selbst beschlossen. Gesellschaft, größere Gruppe von Menschen, die zur Realisierung eines oder mehrerer Zwecke organisiert sind. Als politischer Begriff wird G. einerseits dem -»Staat, andererseits der -»Gemeinschaft gegenübergestellt. Während G. die Gesamtheit der Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen bezeichnet, umfasst der Staat nur die Institutionen und Organisationen zur politischen Lenkung und Regelung des gesellschaftlichen Lebens. Als Gegenbegriff zur Gemeinschaft betont G. die Auffassung, dass eine Gruppe von Menschen ein Zusammenschluss von unabhängigen Individuen mit Eigeninteressen ist, wohingegen die Gemeinschaft die kollektiv

Gesellschaftspolitik geformte Identität der einzelnen in den Vordergrund rückt. Der Begriff der G. wird auf diverse Arten verwendet, was damit zusammenhängt, dass entsprechend der funktionalen Ausdifferenzierung der G.en kein einheitliches Kriterium zu ihrer Kennzeichnung existiert. So sprechen Soziologen gegenwärtig zur Charakterisierung der G. unter anderem von Risikog., Erlebnisg., Mobiler G., Arbeitsg., Kommunikationsg., Dienstleistungsg., Ereignisg. Gesellschaftspolitik, alle Maßnahmen zur planmäßigen Beeinflussung der sozialen Verhältnisse, insbesondere auf dem Gebiet der -»Sozialpolitik.

Gesetzgebung Gesetzeskraft, rechtliche Verbindlichkeit eines -»Gesetzes (siehe auch -»Gesetzgebungsverfahren). In der Bundesrepublik haben neben Gesetzen auch einige Entscheidungen des -»Bundesverfassungsgerichtes G. Gesetzesvorbehalt, rechtsstaatliches Verfassungsprinzip, demzufolge ein Grundrecht nur „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden" (Art. 19,1 GG) darf und wenn der -»Gesetzgeber durch die -»Verfassung ausdrücklich dazu ermächtigt wird (verfassungsrechtlicher G.). Der verwaltungsrechtliche G. bestimmt, dass die -»Verwaltung die Rechte des Bürgers nur beschränken darf, wenn sie dazu durch ein -»Gesetz ermächtigt wird.

Gesellschaftsvertrag - » Vertragstheorien Gesetzgebende Gewalt - » Legislative Gesetz, im weiteren Sinn alle Rechtsnormen, die allgemeingültig sind, und das Verhalten von Individuen und Gruppen ebenso wie die Organisation von Institutionen verbindlich regeln. Zu diesen Rechtsnormen zählen das ungeschriebene -»Gewohnheitsrecht und das positive, also kodifizierte -»Recht. Hinsichtlich des positiven Rechts spricht man einerseits vom materiellen und andererseits vom formellen G. Das materielle G. bezeichnet alle allgemeinen und generellen Rechtssätze, die durch hoheitliche Anordnungen erlassen werden oder wurden. Das formelle G., oder G. im engeren Sinn, ist eine Rechtsnorm, die im dafür vorgesehenen -»Gesetzgebungsverfahren erlassen wird. Gesetzblatt, zur Publikation der staatlichen -»Gesetze und —»Verordnungen herausgegebenes zentrales Amtsblatt, das in der Bundesrepublik -»Bundesgesetzblatt heißt. Gesetzentwurf - » Gesetzgebungsverfahren Gesetzesbeschluss - » Gesetzgebungsverfahren Gesetzesinitiative - » Gesetzgebungsverfahren

Gesetzgebung, Prozess der Fertigung von Gesetzen ebenso wie dessen Ergebnis. Die G. obliegt in -»Demokratien dem -»Parlament als gesetzgebender Gewalt (-»Legislative), wobei jedoch auch andere Organe (z.B. -»Regierung), informelle Kräfte (z.B. -»Verbände, Experten, Medien, -»Parteien) und beizeiten auch die Bevölkerung (z.B. über ein -»Referendum) an der G. teilnehmen. In der Bundesrepublik ist die G.skompetenz aufgeteilt zwischen Bund und Ländern. Dabei unterscheidet man generell zwischen der Länderg. und der Bundesg.: Grundsätzlich ist den Ländern die G. für alle Bereiche übertragen, soweit das „GG nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht" (Art. 70,1 GG). So umfasst diese Länderg. Kommunal-, Polizei- und Schulrecht. Die Bundesg. wird in folgende Arten unterteilt: 1. Die in Art. 73 GG festgelegte ausschließliche G. des Bundes umfasst z.B. auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Staatsangehörigkeitsrecht, Währungs- und Geldwesen, Zollwesen. Nur in Ausnahmefällen, wenn es vom Bund gesetzlich dazu ermächtigt ist, hat das Land G.sbefugnis in diesen Bereichen. 2. Was die konkurrierende G. betrifft, „haben die Länder die Befugnis 79

Gesetzgebungsnotstand zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat" (Art. 72,1 GG). Von der konkurrierenden G. sind unter anderem folgende Bereiche betroffen: bürgerliches Recht, Strafrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht von Ausländem, Straßenverkehr, Umweltrecht, Gentechnik. 3. Bei der Rahmeng. (Art. 75 GG) erlässt der Bund allgemeine Richtlinien (Rahmengesetze), deren Ausformulierung den Ländern obliegt. Zu den Bereich der Rahmeng, gehören unter anderem: Öffentlicher Dienst, Hochschulwesen und Naturschutz (siehe auch -»Gesetzgebungs verfahren). Gesetzgebungsnotstand, eine Situation in der Bundesrepublik, die es aufgrund eines politischen Notstandes erlaubt, Bundesgesetze zu erlassen, ohne dabei die Zustimmung des ->Bundestages zu benötigen (nicht zu verwechseln mit der -»Notstandsverfassung). Bedingung dafür, dass der G. erklärt wird, ist die vom -»Bundeskanzler an den Bundestag gestellte und von diesem nicht positiv beantwortete ->'Vertrauensfrage und die Weigerung des -»Bundespräsidenten, den Bundestag aufgrund dieser Tatsache aufzulösen. Lehnt daraufhin der Bundestag eine von der Bundesregierung als „dringlich bezeichnete" Gesetzesvorlage ab, „so kann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates für eine Gesetzesvorlage den Gesetzgebungsnotstand erklären" (Art. 81 GG). Wurde der G. erklärt, dann muss der Bundestag innerhalb von vier Wochen erneut über die Gesetzesvorlage abstimmen. Stimmt er nicht zu oder beschließt er das Gesetz in einer für die Bundesregierung inakzeptablen Fassung, dann gilt die ursprüngliche Vorlage als beschlossen, wenn der Bundesrat zustimmt. Das gleiche Verfahren gilt nach Erklärung des G. innerhalb der darauf folgenden sechs Monate für alle anderen vom Bundestag abgelehnten Gesetzesvorlagen. Nach dieser Periode darf „während der Amtszeit des gleichen Bundeskanzlers" (Art. 81,3 GG) kein weiterer G. 80

Gesetzgebungsverfahren erklärt werden. Der G. darf nicht angewandt werden auf verfassungsändernde Gesetze. Bisher wurde der G. noch nie erklärt. Gesetzgebungsverfahren, Prozess, der das Zustandekommen von -»Gesetzen regelt. In der Bundesrepublik unterscheidet man hinsichtlich der Bundesgesetzgebung zwischen folgenden Schritten der -»Gesetzgebung: 1. Gesetzesinitiative: Das Recht zur Gesetzesinitiative haben grundsätzlich -»Bundesregierung, -»Bundestag (eine Fraktion, eine -»parlamentarische Gruppe oder fünf Prozent der Abgeordneten) und die Mehrheit des -»Bundesrates. Gesetzentwürfe der Bundesregierung müssen dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet werden und umgekehrt, bevor die Gesetzentwürfe an den Bundestag weitergeleitet werden. 2. Beratung der Gesetzentwürfe im Bundestag: Jeder Gesetzentwurf wird in der ersten Lesung bzw. Beratung entweder an einen oder mehrere -»Ausschüsse (oder sofort in die zweite Lesung) weitergeleitet oder abgelehnt. Im Ausschuss wird der Gesetzentwurf von einer Expertengruppe diskutiert, gegebenenfalls verändert oder durch Nichtbehandlung zu Fall gebracht. In ersteren beiden Fällen wird der Entwurf nach seiner Behandlung im Ausschuss mit einer Beschlussempfehlung weitergereicht in die zweite Lesung. Auf dieser Stufe wird der Gesetzentwurf öffentlich im Bundestag diskutiert, wobei jeder Abgeordnete Änderungsanträge stellen kann. Entweder wird der Entwurf an einen oder mehrere Ausschüsse zurückverwiesen, dann beginnt der Prozess von vorne, oder der Bundestag stimmt über die einzelnen Bestimmungen und die Änderungsanträge der Gesetzesvorlage ab. Werden alle einzelnen Bestimmungen abgelehnt, dann gilt der Gesetzentwurf als gescheitert. Ansonsten schließt sich die dritte Lesung an, und zwar sofort, wenn keine Änderungen beschlossen wurden. In der dritten Lesung können wiederum Änderungsanträge gestellt werden, allerdings bedarf es dafür mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages. Wiederum kann der Gesetzentwurf an einen

Gesetzmäßigkeit der Verwaltung oder mehrere Ausschüsse zurückverwiesen werden. Ansonsten folgt nach der Beratung in der dritten Lesung die Schlussabstimmung. Das Ergebnis dieser Abstimmung ist der Gesetzesbeschluss des Bundestages, der in der Regel mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen wird. 3. Über den Ablauf des weiteren Vorgangs entscheidet, ob es sich bei dem Gesetzesbeschluss um ein -»Einspruchs- oder ein - » Z u stimmungsgesetz handelt. a) Handelt es sich um ein Einspruchsgesetz, dann gilt folgendes Verfahren: Das vom Bundestag beschlossene Gesetz wird dem Bundesrat vorgelegt: Wenn dieser ihm mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustimmt, dann wird es dem Bundeskanzler und den zuständigen Ministem zur -»Gegenzeichnung und anschließend dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung und Verkündung im -»Bundesgesetzblatt vorgelegt. Nimmt der Bundesrat den Gesetzesbeschluss nicht an, wird er dem -»Vermittlungsausschuss vorgelegt. Dieser macht entweder einen Änderungsvorschlag, der vom Bundestag akzeptiert werden muss, um dann an den Bundesrat weitergereicht zu werden (akzeptiert der Bundestag den Änderungsvorschlag nicht, dann wird dem Bundesrat noch einmal die ursprüngliche Fassung vorgelegt). Oder der Vermittlungsausschuss leitet den Gesetzesbeschluss ohne Änderungen wieder zum Bundesrat. In beiden Fällen kann er diesen billigen (dann folgen Gegenzeichnung, Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes) oder Einspruch erheben. Tut er dies, kann der Bundestag ihn mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder zurückweisen, erfolgt der Einspruch mit Zweidrittelmehrheit, muss der Bundestag ebenso mit einer Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen den Einspruch zurückweisen, mindestens jedoch mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder. Das Gesetz kommt zustande, wenn der Bundestag den Einspruch des Bundesrates überstimmen kann. b) Handelt es sich um ein -»Zustimmungsgesetz, dann gilt folgendes Verfahren: Stimmt der Bundesrat zu, dann wird das Gesetz ge-

Gesundheitspolitik gengezeichnet, ausgefertigt und verkündet. Nimmt der Bundesrat den Gesetzesbeschluss nicht an, wird er dem -»Vermittlungsausschuss vorgelegt. Dieser macht entweder einen Änderungsvorschlag, der vom Bundestag akzeptiert werden muss, um dann an den Bundesrat weitergereicht zu werden (akzeptiert der Bundestag den Änderungsvorschlag nicht, dann wird dem Bundesrat noch einmal die ursprüngliche Fassung vorgelegt). Oder der Vermittlungsausschuss leitet den Gesetzesbeschluss ohne Änderungen wieder zum Bundesrat. (Ebenso wird der Vermittlungsausschuss auf Antrag der Bundesregierung oder des Bundestages tätig.) Entweder stimmt der Bundesrat dem an ihn weitergeleiteten Gesetzesbeschluss zu (dann wird der Gesetzesbeschluss Gesetz) oder er lehnt ihn ab: dann kann das Vermittlungsverfahren zweimal wiederholt werden. Wenn der Bundesrat auch nach zweimaliger Wiederholung und Vermittlung dem Gesetzesbeschluss nicht zustimmt, dann gilt der Gesetzbeschluss als gescheitert. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Grundsatz des -»Rechtsstaates, wonach die -»Verwaltung nur auf der Grundlage (-»Gesetzesvorbehalt) der gesetzlichen Ordnung tätig werden und dabei nicht gegen Gesetze verstoßen (Vorrang des Gesetzes) darf. In der Bundesrepublik ist die G. in den Art. 1,3 und 20,3 GG niedergelegt. Gesinnungsethik, von dem Soziologen Max Weber (1864-1920) geprägter Begriff für eine moralische Haltung, bei der als ausschlaggebendes Handlungsprinzip durchzusetzende Grundsätze und Normen gelten, ohne dabei die Konsequenz der Handlung zu berücksichtigen (siehe in Abgrenzung dazu -»Verantwortungsethik). Gesundheitspolitik, politische Maßnahmen und Planungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit. Dabei lassen sich drei Formen zur Realisierung der G. unterscheiden: einen staatlichen Gesundheitsdienst, der vor allem durch 81

Gewalt - • S t e u e r n finanziert wird; ein Sozialversicherungssystem, das sich aus Pflichtbeiträgen finanziert (-»Sozialversicherung); das Privatversicherungssystem. In der Bundesrepublik ist die gesetzliche Krankenversicherung der wichtigste Träger der G., wobei angesichts der Finanzierungsprobleme Reformen des Krankenversicherungssystems immer wieder diskutiert werden. Unter anderem wegen ihres Selbstverwaltungsprinzips spielen die Krankenversicherungen eine zentrale Rolle bei der Bemühung um Reformen der G., insofern die Regierung nicht ohne Abstimmung mit den Krankenkassen (und den Anbietern von Leistungen im Gesundheitswesen) Veränderungen durchsetzen kann. Gewalt, Anwendung von Zwang auf eine Person, wobei dieser Zwang verschiedenartig umgesetzt werden kann, wie z.B. psychisch oder physisch, direkt oder indirekt, legitim oder nicht-legitim, personell, strukturell oder institutionell. Letztere Unterscheidung bezieht sich auf die Ursache der G.: So kann G. nicht nur von anderen Menschen oder Institutionen (z.B. Staatsg.) ausgeübt werden, sondern eine Folge v.a. sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Verhältnisse sein (strukturelle G.). Johan Galtung (geboren 1930), der den Begriff der strukturellen G. prägte, definiert ihn als „vermeidbare Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse, oder, allgemeiner ausgedrückt, des Lebens, die den realen Grad der Bedürfnisbefriedigung unter das herabsetzt, was potentiell möglich ist." Bei der Analyse der Ursache dieser G. wird das Augenmerk weniger auf Personen, als vielmehr auf politische, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten gerichtet, die durch gesellschaftliche und globale (Macht-)Strukturen verursacht werden. Gewaltenteilung, Grundsatz der —»Demokratie und Prinzip der funktionellen Machtverteilung, das auf Institutionen angewendet wird, um einen Missbrauch oder eine Monopolisierung von - » M a c h t zu verhindern und anstelle dessen eine wechselseitige Kontrolle 82

Gewaltloser Widerstand der Institutionen zu ermöglichen. In der Regel werden daher die drei Staatsfünktionen -»Legislative, -»Judikative und -»Exekutive im Sinne der G. unterschiedlichen Organen zugewiesen (siehe auch -»Inkompatibilität). Allerdings liegt dabei häufig, insbesondere in -»parlamentarischen Regierungssystemen, keine rigide Trennung zwischen Legislative und Exekutive vor, sondern vielmehr eine -»Gewaltenverflechtung. In einem Bundesstaat unterscheidet man überdies zwischen der vertikalen und der horizontalen G.: Während letztere eine G. zwischen den obersten Staatsorganen darstellt, richtet sich die vertikale G. auf die Machtverteilung hinsichtlich staatlicher Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (-»Föderalismus). Gewaltenverflechtung, die vor allem in -»parlamentarischen Regierungssystemen vorzufindende wechselseitige Durchdringung der einzelnen Gewalten, insbesondere der -»Legislative und -»Exekutive: Insofern das Parlament die Regierung wählt, geht die Exekutive direkt aus der Legislative hervor. Umgekehrt ist die Exekutive wesentlich an der Erarbeitung und am Beschluss von Gesetzen beteiligt (siehe -»Gesetzgebung; Gesetzgebungsverfahren). Die —»Gewaltenteilung ist in diesem Fall nicht eine Aufteilung der Funktionen Gesetzgebung und Gesetzesausfuhrung auf getrennte Organe. Vielmehr nimmt vor allem die Opposition im Parlament die Aufgabe der Kontrolle der Regierung wahr (siehe auch -»Bundestag, deutscher). Gewaltenverschränkung flechtung



Gewaltenver-

Gewaltloser Widerstand, Auflehnung gegen die bestehende -»Staatsgewalt mit überwiegend außerlegalen Mitteln, wobei jedoch auf die Anwendung physischer Gewalt verzichtet wird. Instrumente des G. sind beispielsweise Sitzstreik, Blockaden, -»Boykott, -»Demonstrationen und -»ziviler Ungehorsam.

Gewaltmonopol

Gewaltmonopol bezeichnet - mit Max Weber (1864-1920) - die legitime Anwendung von Zwangsmitteln, die allein dem -»Staat vorbehalten ist. Das staatliche G. soll die Anwendung von -»Gewalt durch gesellschaftliche Gruppen gegeneinander verhindern. Staatliche Institutionen haben demnach die alleinige Befugnis, rechtmäßige Entscheidungen allgemeinverbindlich mit Gewalt durchzusetzen. Der Begriff G. bezieht sich also lediglich auf die Beschränkung der Gewalt auf einige wenige Personen und Instiutionen. Damit ist allerdings nichts darüber gesagt, in welchen Bereichen einer Gesellschaft der Staat Gewalt ausüben und welche Mittel er dabei verwenden darf. Gewaltverbot, völkerrechtliches, insbesondere in Art. 2 der -»UN-Charta festgelegtes Verbot, das an Staaten gerichtet ist und die Anwendung und Androhung militärischer Gewalt untersagt. Ausnahmen bilden Notwehr gegen einen Angriff, Hilfe für einen angegriffenen Staat oder eine Ermächtigung durch den -»Sicherheitsrat der -»Vereinten Nationen. Gewaltverzicht, staatliche Selbstverpflichtung, auf die Anwendung und Androhung militärischer -»Gewalt gegenüber anderen Staaten zu verzichten. Da die meisten Staaten als Mitgliedsstaaten der UNO (-»Vereinte Nationen) ohnehin dem -»Gewaltverbot unterliegen, hat der zusätzlich erklärte G. lediglich deklaratorischen Charakter. Gewerkschaft, freiwilliger Zusammenschluss von in Abhängigkeitsverhältnissen stehenden Erwerbspersonen, um deren wirtschaftliche, politische und soziale Interessen vor dem Arbeitgeber, dem Staat und der Öffentlichkeit zu vertreten. Grundsätzlich unterscheidet man Berufsg. (eine G. setzt sich aus Mitgliedern eines Berufszweigs zusammen), Brancheng. (eine G. setzt sich aus Mitgliedern einer Branche zusammen), Richtungsg. (Organisationsprinzip der G. bildet eine bestimmte Weltanschauung, z.B. christ-

Glasnost liche G. und kommunistische G.), - » E i n heitsg., G.ssysteme mit Dachverbänden und Mitgliedsg.en. Während konfliktorische G.en sich als Opposition zum bestehenden System ebenso wie zum Arbeitgeber begreifen, sind kooperative G.en in die Sozialpartnerschaft mit Staat und Arbeitgeber eingebunden. In der Bundesrepublik ist das Recht, G.en zu bilden, in Art. 9,3 GG gewährleistet. Dabei sind die G.en als Tarifpartner aufgrund der in Art. 9,3 GG festgelegten Tarifautonomie wesentlich an der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse ohne Mitwirkung des Staates beteiligt. Dazu gehören z.B. Lohn- und Gehaltsfestlegungen und Arbeitszeiten. Die G.en bedienen sich zur Durchsetzung ihrer Forderungen der Mittel des -»Arbeitskampfes, zum Beispiel des Streikes. Gewissenfreiheit - » Glaubens- und Gewissensfreiheit Gewohnheitsrecht, diejenigen Rechtsnormen, die nicht in einem förmlichen Verfahren erlassen und schriftlich niedergelegt werden, sondern deren Gültigkeit darauf beruht, dass sie in einer Rechtsgemeinschaft über längere Zeit hinweg anerkannt und angewandt werden. Ghetto (ital. getto: Gießerei), 1. Stadtviertel, in denen seit dem 13. Jh. Juden zwangsweise angesiedelt wurden (-»Antisemitismus). 2. Im weiteren Sinne wird der Begriff heute für die meist minderwertigen Wohngebiete von diskriminierten Minderheiten verwendet. Gipfelkonferenz, Bezeichnung für Konferenzen auf höchster politischer Ebene, v.a. fiir internationale Treffen von Staats- und Regierungschefs. Glasnost (russ. für Öffentlichkeit, Transparenz, Offenheit), Schlagwort, das durch den sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow Mitte der 1980er-Jahre im Zusammenhang der inneren Veränderung der Sowjetunion geprägt wurde. G. bezeichnet die 83

Glaubens- und Gewissensfreiheit Notwendigkeit, mittels transparenter Entscheidungsprozesse, einer offenen Diskussion innerhalb der Gesellschaft und einer Gewährleistung der Meinungsfreiheit der Massenmedien den Prozess der Demokratisierung voranzutreiben (siehe auch -»Perestroika). Anfang der 1990er Jahre trat der Begriff der Demokratie zunehmend an die Stelle von G. Glaubens- und Gewissensfreiheit, die in Art. 4,1 GG garantierte Freiheit, weltanschauliche und religiöse Überzeugungen zu haben und zu praktizieren. Damit ist auch das Recht gewährleistet, vom Staat nicht zu einer bestimmten Überzeugung und deren Ausübung gedrängt zu werden. So darf niemand „gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden" (Art. 4,3 GG). Der G. liegt die Auffassung zu Grunde, dass der moderne Staat eine weltanschaulich neutrale Position einzunehmen hat. Da die G. nicht selten mit anderen Verfassungsgrundsätzen in Konflikt gerät, kann sie Einschränkungen erfahren, wenn etwa Gewissensentscheidungen die Funktionsfähigkeit des Staates mindern (z.B. Steuerverweigerung aus Gewissensgründen). Gleichberechtigung, die gesellschaftliche Gleichstellung aller Individuen und Gruppen, sowohl de jure, rechtlich, als auch de facto, tatsächlich. Im engeren Sinn bezeichnet G. die Verwirklichung gleicher Chancen (-»Chancengleichheit) und Rechte von Männern und Frauen in allen Bereichen. Die G. ist in Art. 3,2 GG verankert: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fordert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Mittlerweile sind in der Bundesrepublik in vielen Bereichen Maßnahmen zur Realisierung der Gleichberechtigung getroffen worden: So wurden etwa Frauenbeauftragte eingestellt und die -»Quotenregelung eingeführt; das Namensrecht bei der Eheschließung wurde reformiert (die Ehefrauen können nun ihren Geburtsnamen beibehalten 84

Gleichheit oder dem Namen des Partners den eigenen anfügen oder vorstellen) ebenso wie das Scheidungsrecht (derjenige, der nicht über ausreichende eigene Einkünfte verfugt, hat Anspruch auf Unterhalt und die Ansprüche auf Alterversorgung, die während der Ehe erworben wurden, verteilen sich auf beide Ehepartner). Dabei haben Urteile des - » B u n desverfassungsgerichts maßgeblich zur Verminderung der rechtlichen -»Diskriminierung der Frauen beigetragen. Nichtsdestoweniger ist die G. in vielen Bereichen noch nicht realisiert. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass Frauen häufig für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer, was zusätzlich zu weit niedrigeren Renten führt (die durchschnittliche Altersrente lag 1999 in den alten Bundesländern für Männer bei 1873 DM und für Frauen bei 833 DM). Überdies wird die größtenteils von Frauen geleistete Erziehungsarbeit bei der Rentenzahlung nicht wie eine Erwerbstätigkeit behandelt, was sehr niedrige Rentenzahlung zur Folge hat. Höher qualifizierte Stellen werden meistens mit Männern besetzt, die Arbeitslosenquote liegt bei den Frauen höher und die Phase der Arbeitslosigkeit ist bei Frauen länger als bei Männern. In politischen Entscheidungsgremien ebenso wie in den meisten Parteien sind Frauen bei weitem unterrepräsentiert.

Gleichgewicht, Begriff, der in der Politik ein ausgeglichenes Verhältnis von Interessen und Kräften sowohl innenpolitisch als auch international bezeichnet. Politik, die auf G. abzielt, dient der Beschränkung von - » M a c h t (siehe auch -»Gewaltenteilung; -»Pluralismus). Auf dem Gebiet der internationalen Politik soll der Zusammenschluss mehrerer kleinerer Staaten die -»Hegemonie eines Staates verhindern und so ein G. schaffen (siehe auch -»Balance of power). Gleichheit, zentrales gesellschaftliches Prinzip, das im rechtlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich Anwendung findet bzw. finden soll.

Globalisierung

Gleichschaltung Die rechtliche G . („Alle M e n s c h e n sind vor

schen und kulturellen K r ä f t e in d i e einheitli-

d e m G e s e t z gleich." Art. 3,1 G G ) fordert die

che O r g a n i s a t i o n

Gleichbehandlung

aller

damit v e r b u n d e n ist die i d e o l o g i s c h e V e r e i n -

Individuen, u n a b h ä n g i g etwa von ihrer sozia-

n a h m u n g und die K o n t r o l l e d u r c h die Füh-

und

Gleichstellung

eines

totalitären

Staates;

politi-

r u n g (siehe auch - » T o t a l i t a r i s m u s ) . D e r B e g -

schen Position. Dies schließt j e d o c h nicht die

riff der G. geht auf die - » D i k t a t u r d e s - » N a -

D i f f e r e n z i e r u n g hinsichtlich der j e w e i l s spe-

tionalsozialismus zurück.

len, w i r t s c h a f t l i c h e n , religiösen und

zifischen

Umstände

aus,

sondern

„ G l e i c h e s gleich u n d U n g l e i c h e s

fordert, ungleich"

G l e i c h s t e l l u n g s p o l i t i k , alle M a ß n a h m e n zur

zu b e h a n d e l n .

Beseitigung

Die politische G . soll den Staatsbürgern eine

M a n n u n d Frau, s o w o h l im Bereich der Bil-

gleichberechtigte

d u n g und A u s b i l d u n g als a u c h vor allem im

am

Partizipationsmöglichkeit

demokratischen

garantieren.

Willensbildungsprozess

D i e s wird u.a. durch

gleiches

der

Ungleichheiten

zwischen

wirtschaftlichen B e r e i c h (siehe —»Quotenregelung; - » G l e i c h b e r e c h t i g u n g ) .

S t i m m r e c h t u n d die M ö g l i c h k e i t aller, sich in -»Parteien

oder

-»Interessenverbänden

zu

Gliedstaat - » Bundesland

organisieren, gewährleistet. D e r Inhalt d e r sozialen und wirtschaftlichen

Globalbudget,

G. ist umstritten. Einerseits bezieht sich die

staatlich festgesetzter Betrag, d e r die j ä h r l i -

soziale G . a u f die g l e i c h e A u s g a n g s p o s i t i o n

che A u s g a b e n g r e n z e des G e s u n d h e i t s w e s e n s

bei d e r T e i l n a h m e am gesellschaftlichen und

b e s t i m m e n soll.

wirtschaftlichen

Prozess

in d e r

Bundesrepublik

ein

(-»Chancengleich-

heit). A n d e r e r s e i t s kann soziale G. b e d e u t e n ,

Globalisierung,

B e g r i f f , d e r die

weltweite

dass j e d e s I n d i v i d u u m einen gleichen Anteil

Vernetzung

im

wirtschaftlichen,

als

an den R e s s o u r c e n und P r o d u k t e n einer G e -

politischen

und

sellschaft erhält (Ergebnisgleichheit).

gesellschaftlichen

auch

Bereich

Wer-

bezeichnet. E h e m a l s lediglich in der Ö k o n o -

den die b e i d e n V o r s t e l l u n g e n d e r sozialen G .

mie (hinsichtlich d e r E x p a n s i o n d e r Finanz-

nur für sich g e n o m m e n , d a n n greifen sie zu

märkte) v e r w e n d e t , erfährt der B e g r i f f mitt-

kurz:

So

berücksichtigt

erstere

nicht

die

lerweile eine s c h l a g w o r t a r t i g e

Anwendung.

Schwierigkeiten, die j e m a n d e m bei der N u t -

Zu den U r s a c h e n d e r G . zählen u.a. die Libe-

zung der gewährleisteten Chancen begegnen

ralisierung der M ä r k t e , Ö f f n u n g d e r G r e n z e n

k ö n n e n ( z u m Beispiel bei einer B e h i n d e r u n g )

v o n O s t e u r o p a und t e c h n o l o g i s c h e E n t w i c k -

u n d die nur mittels spezieller M a ß n a h m e n zu

lungen, vor allem im B e r e i c h der K o m m u n i -

e i n e m g e w i s s e m G r a d ausgeglichen w e r d e n

kation. M a n kann u.a. f o l g e n d e S c h w e r p u n k -

k ö n n e n . Die V o r s t e l l u n g der sozialen G . als

te d e r G. u n t e r s c h e i d e n : weltweite

Zusam-

E r g e b n i s g l e i c h h e i t w i e d e r u m ist in der Praxis

menschlüsse

Bildung

von

Unternehmen,

nicht realisierbar, w e n n g l e i c h ihre B e d e u t u n g

internationaler

als Ideal einer gerechten G e s e l l s c h a f t nicht

cher V e r e i n i g u n g e n ,

unberücksichtigt bleiben darf. Je nach den

geographischen Distanz aufgrund der Trans-

U m s t ä n d e n m ü s s e n d e m n a c h die Kriterien für

port-

Gleich- o d e r U n g l e i c h b e h a n d l u n g

Auswirkungen

bestimmt

werden. Grundsätzlich

und

politischer

und

wirtschaftli-

Bedeutungsverlust

Kommunikationsmittel, von

gilt, dass wirtschaftliche

G.

neben d e r rechtlichen G. h ä u f i g eine V o r a u s setzung f ü r die gleichberechtigte T e i l n a h m e an politischen E n t s c h e i d u n g s p r o z e s s e n ist. G l e i c h s c h a l t u n g , die e r z w u n g e n e Einglieder u n g aller sozialen, wirtschaftlichen, politi-

-»Souveränität,

da

globale

Umweltproblemen.

S y m p t o m der G. ist der Verlust sich

die

der

Ein

nationaler

international

agierenden U n t e r n e h m e n d e r nationalstaatlichen R e g u l i e r u n g etwa a u f sozial- o d e r steuerpolitischem Gebiet d a d u r c h entziehen k ö n nen, dass sie Produktionsstätten o d e r F i r m e n sitze in andere L ä n d e r verlegen. Mit dieser E n t w i c k l u n g steigt a u c h die B e d e u t u n g inter-

85

Globalsteuerung

Grundrechte

nationaler Zusammenarbeit von -»Gewerk-

dert werden - abgesehen von Art. 1 (Würde

schaften und -»Nicht-Regierungs-Organ isa-

des Menschen) und Art. 2 0 (-»Demokratie,

tionen.

-»Föderalismus,

Wegen seiner Unbestimmtheit wird der B e g -

staat, -»Gewaltenteilung), die in keinem Fall

-»Sozial-

und

-»Rechts-

riff der G. in politischen Auseinandersetzun-

geändert werden dürfen (siehe -»Ewigkeits-

gen häufig zur Erklärung und Rechtfertigung

klausel).

vielfältiger

und

höchst

unterschiedlicher

Phänomene benutzt. Unklar bleibt dabei vor

Grundmandats-Klausel,

allem, inwieweit G. eine steuerbare Entwick-

es einer Partei ermöglicht, in den Deutschen -»Bundestag

lung oder ein unaufhaltsamer Prozess ist.

Bestimmung,

einzuziehen,

auch

die

wenn

sie

weniger als fünf Prozent erhält (-»FünfproGlobalsteuerung, Modell,

konjunkturpolitisches

demzufolge

die

Gesamtwirtschaft

staatlich zu steuern ist, wobei die Regelung

zentklausel). Voraussetzung dafür ist, dass sie mindestens drei -»Direktmandate erzielen kann.

der mikroönomischen Prozesse dem Markt Grundpflichten,

überlassen bleibt.

sich aus der

Verfassung

direkt oder indirekt ergebende Pflichten des einzelnen gegenüber der staatlichen Gemein-

G n a d e n r e c h t - » Begnadigung

schaft, wie etwa in der Bundesrepublik die Good-Neighbour-Policy (engl, für „Politik

Pflicht zur Verfassungstreue (Art. 2,1 GG),

der guten Nachbarschaft") bezeichnet eine

die Rechtsgehorsamspflicht (Art. 2,1 und Art.

freundlich gesinnte Politik zwischen Staaten,

3,1 GG), die Pflege- und Erziehungspflicht

die nicht in die -»inneren Angelegenheiten

der Kinder (Art. 6,2 G G ) , öffentliche Dienst-

des jeweils anderen Staates eingreifen.

leistungspflicht, wie etwa Wehrpflicht, (Art.

G r o ß e Anfrage - » Anfrage

Gebrauch des -»Eigentums (Art. 14,2 GG).

12 und 12a G G ) und Pflicht zum sozialen

Große

Koalition,

Die Geltung der G. ergibt sich nicht automa-

Regierungskoalition

der

größten im Parlament vertretenen -»Fraktio-

tisch aus dem Grundgesetz, sondern bedarf in einzelnen Gesetzen der Konkretisierung.

nen. Als problematisch an der Bildung einer G. wird häufig die Tatsache angesehen, dass

Grundrechte, im weiten Sinne alle - » M e n -

nur mehr eine kleine und unter Umständen

schen- und -»Bürgerrechte. Im engeren Sinne

schwache

der

alle in einer Verfassung niedergelegten Men-

Andererseits

schen- und Bürgerrechte, die das Individuum

—»Opposition

-»Regierung

im Parlament

gegenübersteht.

vertritt eine G. ein breites Spektrum

des

Wählerwillens.

gegenüber dem Staat beanspruchen und, in der Bundesrepublik, beim sungsgericht

Großmacht,

Bezeichnung für einen Staat,

der aufgrund seiner vor allem wirtschaftli-

einklagen

-»Grundrechtecharta

-»Bundesverfas-

kann

(siehe

der EU). Man

auch unter-

scheidet die G.:

chen und/oder militärischen Stärke entschei-

1. nach ihren Trägem zwischen Menschen-

dend Einfluss nehmen kann auf die internati-

rechten (wie etwa die freie Entfaltung der

onale Politik.

Persönlichkeit, Art. 2,1 G G ) und Bürgerrechten (wie etwa Versammlungsfreiheit, Art. 8,1

Grundgesetz,

vom

Parlamentarischen

Rat

GG);

am 8. Mai 1949 beschlossene Verfassung der

2. nach ihrem Inhalt: zu den Freiheitsrechten,

Bundesrepublik, die erst mit der Wiederver-

deren Prinzip die freie Entfaltung der Persön-

einigung Deutschlands ihren provisorischen

lichkeit bildet, gehören etwa

Charakter

und Gewissensfreiheit

verloren

hat.

Das

Grundgesetz

kann nur mit einer Zweidrittelmehrheit geän86

-»Glaubens-

(Art. 4,1

GG)

und

Berufsfreiheit (Art. 12 G G ) , zu den Gleich-

GUS

Grundrechtecharta der E U heitsrechten, vor

dem

deren

Basis

Gesetz

die

darstellt,

-»Gleichheit

schutzes.

werden

die

rechtliche Status der G. S i e ist nicht Bestand-

Problematisch

ist vor allem

der

und Frau

teil der Gründungsverträge von E G oder E U

Gleichberechtigung

und somit nicht verbindliches und vom Bür-

nichtehelicher Kinder (Art. 6,5 G G ) gezählt.

ger einklagbares Recht. Allerdings wird der

-»Gleichberechtigung

von Mann

(Art. 3 , 2 G G ) und die

F e m e r gewährt das Grundgesetz die Aktiv-

Europäische Gerichtshof ( - » E u G H ) sich in

bürgerrechte, wie etwa das - » W a h l r e c h t (Art.

seinen Entscheidungen

38 G G ) , die prozessualen G.e, wie etwa An-

die G. stützen, zumal er schon bei vergange-

spruch a u f rechtliches G e h ö r (Art. 103,1 G G )

nen Urteilen des öfteren von einer gemein-

und das V e r b o t der Doppelbestrafung (Art.

samen

103,3 G G ) , und schließlich die sozialen G.e.

gliedsstaaten ausgegangen ist.

wohl bisweilen

Verfassungsüberlieferung

der

auf

Mit-

Diese gewähren einen Anspruch a u f staatliche

Unterstützung

des

Individuums;

aller-

Gruppe,

parlamentarische,

im

Deutschen

dings lassen sie sich aus dem Grundgesetz

-»Bundestag

bestenfalls indirekt ableiten (etwa das Recht

ordneten, die keine - » F r a k t i o n bilden kön-

auf -»Sozialhilfe

nen, weil sie die Mindestzahl von fünf Pro-

und dem

aus

der

Menschenwürde

Sozialstaatsprinzip),

explizit

nie-

Zusammenschluss

von

Abge-

zent der Abgeordneten nicht erreichen. S o -

dergeschrieben sind sie nicht und daher nicht

wohl über die Anerkennung als G . als auch

einklagbar. Dagegen beinhaltet der - » „ I n t e r -

über die Anerkennung der einzelnen R e c h t e

nationale Pakt über soziale,

wirtschaftliche

der G. (die denjenigen Rechten der Fraktion

und kulturelle R e c h t e " der Vereinten Natio-

angenähert werden können) entscheidet der

nen soziale G.e, ebenso auch einzelne Lan-

Bundestag im Einzelfall.

desverfassungen in der Bundesrepublik.

So

garantiert

ein

die

Bayerische

Verfassung

Recht a u f Ausbildung in Art. 128,1. Jedes G . beinhaltet verschiedene Dimensionen des Verhältnisses Individuum:

So

grundsätzlich (Schutz

vor

zwischen

unterscheidet zwischen

staatlichen

spruchsrechten

(Anspruch

Staat man

und zwar

Abwehrrechten Eingriffen), auf

An-

staatliche

Leistungen) und Mitwirkungsrechten

(Recht

a u f Partizipation am Staatsgeschehen) -

in

den einzelnen Rechten durchdringen sie sich allerdings gegenseitig (zum Beispiel setzt das Recht a u f Teilnahme am politischen Prozess voraus, dass die -»Meinungsfreiheit und die Befriedigung der Grundbedürfnisse gewährleistet sind).

G r u p p e d e r 77,

1964 gegründeter Zusam-

menschluss von damals 77 und heute

133

-»Entwicklungsländern

die

gemeinsamen

mit

Interessen

dem

in

Ziel,

internationalen

Gremien, zum Beispiel bei der —»Weltbank und im - » I W F , zu vertreten. Die Gruppe der 77, die keine Institution darstellt, sondern nur durch einen Koordinator organisiert ist, tritt immer seltener geschlossen auf, da die Interessen der einzelnen Staaten immer stärker divergieren. Guerilla (span. guerilla: kleiner Krieg), bewaffnete einheimische die

Regierung

oder

Gruppen, die eine

gegen

Besatzungsmacht

kämpfen. Die G. ist zwar ihrem Gegner hinsichtlich der Truppenstärke und Bewaffnung

G r u n d r e c h t e c h a r t a d e r E U , im Jahr 2 0 0 0

in der Regel

vom

verabschiedeter

Stärke durch ihre Flexibilität. Die G. ist dar-

Katalog von -»Grundrechten, die von den

a u f angewiesen, Unterstützung von der B e -

Institutionen der - » E G / E U zu achten sind.

völkerung zu erfahren.

Die

-»Europäischen

G.

enthält

-»Menschen-

Rat

sowohl

die

unterlegen,

gewinnt aber an

klassischen

und - » B ü r g e r r e c h t e als auch

G U S (Abk. für Gemeinschaft Unabhängiger

ein „Recht zu arbeiten", den Zugang zu Sozi-

Staaten),

alleistungen sowie die Forderung nach einem

der

hohen Niveau des Verbraucher- und Umwelt-

U d S S R (mit Ausnahme der baltischen Staa-

1991 gebildeter

ehemaligen

Zusammenschluss

Republiken

der

früheren

87

GUS ten) mit dem Ziel, ihre Politik auf den Gebieten Militär, Wirtschaft, Außenpolitik, Verkehr und Kriminalität zu koordinieren. Entscheidungen

müssen

einstimmig

getroffen

werden. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen

und

Konflikte

zwischen

einzelnen

Mitgliedern ist die Zusammenarbeit innerhalb der G U S stark behindert.

88

Haager Gerichtshof

H Haager Gerichtshof - » Internationaler Gerichtshof Haager Landkriegsordnung, Vorläufer der - • G e n f e r Konvention Habeas-Corpus-Akte, englisches Gesetz aus dem Jahre 1679, das den Bürger davor schützt, willkürlich verhaftet zu werden. Dieser Grundsatz der H. findet sich mittlerweile in allen demokratischen Verfassungen (wie etwa in Art. 104 GG). Hammelsprung, Abstimmungsverfahren im -»Parlament, bei dem die Abgeordneten ihre Stimme dadurch abgeben, dass sie den Plenarsaal durch eine von drei Türen betreten, die mit „Ja", „Nein" und „Enthaltung" gekennzeichnet sind. Handelspolitik, Gesamtheit der staatlichen Maßnahmen zur Steuerung des Innen- und Außenhandels. Dazu zählen unter anderem: Ausfuhr- und Einfuhrverbote, Zölle, Kontingentierungen und Subventionen (siehe auch - » G A T T ; -»Freihandel(szone)). Hare/Niemeyer-Verfahren, von Th. Hare (1806-1891) entwickeltes und von H. F. Niemeyer verbessertes Rechenverfahren, das bei einer Verhältniswahl (-»Verhältniswahlrecht) die Sitzverteilung im zu wählenden Gremium bestimmt, wie es etwa bei der -»Bundestagswahl in der Bundesrepublik der Fall ist, wo die Auszählung der -»Zweitstimmen nach dem H. erfolgt: Die Zahl der Stimmen für eine Partei wird mit der Gesamtzahl der zu vergebenden Mandate multipliziert, das Ergebnis wird durch die Gesamtheit der abgegebenen Stimmen dividiert. Dabei erfolgt die Mandatsverteilung zunächst gemäß den Zahlen vor dem Komma, d.h. den ganzen Zahlen. Restmandate werden nach der Höhe der Ziffern nach dem Komma vergeben. Als Formel ausgedrückt: Stimmen einer Partei x Gesamtzahl der Mandate Gesamtzahl der Stimmen

Haushaltssperre Rechenbeispiel: Es stehen 18 Parlamentssitze zur Wahl, 3 Parteien treten zur Wahl an, insgesamt werden 10.000 gültige Stimmen abgegeben; Partei A erhält 4000, Partei B 3500 und Partei C 2500 Stimmen. Somit erhält Partei A ((4000 mal 18) geteilt durch 10.000) 7,2 Mandate, Partei B 6,3 und Partei C 4,5 Mandate. Mit Beachtung der Stellen hinter dem Komma erhalten letztlich Partei A 7, Partei B 6 und Partei C 5 Sitze. (Zum Wahlverfahren siehe auch - » D ' H o n d t ' s c h e s Höchstzahlverfahren.) Haushaltsplan, allgemein die Zusammenstellung aller für eine Periode (meist ein Jahr) geplanten Ausgaben und Einnahmen einer öffentlichen -»Körperschaft, in der Regel jedoch in Bezug auf die Ausgaben und Einnahmen von Bund, Länder und Kommunen verwendet. Grundsätzlich muss die Ausgabenseite der Einnahmenseite entsprechen. Der H. des Bundes, der in Einzelpläne der einzelnen Ministerien unterteilt wird, gliedert sich in den ordentlichen und außerordentlichen H. Der ordentliche H. beinhaltet alle Einnahmen und Ausgaben, die regelmäßig auftreten, wie etwa Steuern und Personalkosten. Der außerordentliche H. dagegen umfasst alle einmalig zu tätigenden Ausgaben und Einnahmen, wie etwa Haushaltsfehlbeträge des Vorjahres und Kreditaufnahmen. Im Nachtragshaushalt werden im Laufe der Haushaltsperiode die Ausgaben und Einnahmen im Nachhinein aufgelistet, die bei der Erstellung des H. nicht vorgesehen waren. Das Parlament muss den H. als Gesetz verabschieden (-»Budgetrecht). Haushaltsrecht - » Budgetrecht Haushaltssperre, Beschränkung staatlicher Ausgaben. Die H. wird in der Bundesrepublik entweder durch Gesetz, im -»Haushaltsplan, im -»Kabinett oder durch das Bundesfinanzministerium festgelegt. Die H. kann endgültig sein oder unter Vorbehalt erlassen werden, d.h. nach Erfüllung bestimmter Bedingungen wieder aufgehoben werden.

89

Hearing

Historischer Materialismus

Hearing - » Anhörung Hegemonie (griech. hegemonia: Oberbefehl), dominante Machtstellung eines Staates gegenüber anderen Staaten oder einer gesellschaftlichen Gruppe gegenüber anderen Gruppen. Die H. resultiert meistens aus einer militärischen, ökonomischen oder geopolitischen Stärke, kann aber auch durch Verträge festgesetzt sein. Heißer Draht, Bezeichnung für eine direkte Kommunikationsverbindung zwischen verschiedenen Regierungen, zurückgehend auf die Femschreibverbindung, die zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR nach der Kubakrise 1963 installiert wurde. Herrschaft, institutionalisierte, dauerhafte Beziehung zwischen Individuen oder sozialen Gruppen, wobei das Verhältnis durch einen geregelten Gehorsam der Untergeordneten gegenüber den Anordnungen der übergeordneten Institutionen oder Personen gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zu einfachen Gewaltverhältnissen bedarf H. eines Minimums an -»-Legitimität, die längerfristig eine Anerkennung der H.sverhältnisse sichert. Diese Legitimität kann nach Max Weber (1864-1920) auf Tradition, Charisma des Herrschers (-»charismatischer Führer) oder auf rationalen, rechtlich geregelten Prozessen beruhen. Zur Ausübung von H. verfugen die herrschenden Instanzen über -»Macht und Zwangsmittel, die die Gefahr der Unterdrückung beziehungsweise des Missbrauchs in sich bergen. Es ist daher ein politisches Ziel, H. abzuschaffen (siehe -»Anarchismus) oder zumindest abzubauen, einzuschränken oder zu kontrollieren (siehe auch -»Regierungssystem; -»Gewaltenteilung). In diesem Zusammenhang kann H. u.a. daran gemessen und beurteilt werden, 1. inwieweit sie das -»Gemeinwohl der Gesellschaftsmitglieder verwirklicht, 2. die ihr von den Bürgern übertragenen Funktionen zu deren Nutzen erfüllt und 3. die -»Menschen- und -»Bürgerrechte beachtet.

90

Herrschaftsform, das Grundprinzip, worauf die Ausübung von -»Herrschaft in einem —»Regierungssystem beruht. Die zwei fundamentalen H.en sind -»Demokratie und -»Diktatur, wobei sich beide in unterschiedliche Regierungssysteme oder Herrschaftstypen untergliedern lassen. Eine Demokratie zeichnet sich insbesondere durch -»Volkssouveränität, eine Diktatur hauptsächlich durch die uneingeschränkte Herrschaft einer Person oder Gruppe aus. Herrschaftssystem, -»Herrschaftsform

gleichbedeutend

mit

Hierarchie (griech. hierarchia: Amt des obersten Priesters), durch Ober- und Unterordnung gekennzeichnetes Verhältnis vor allem zwischen Personen und/oder Institutionen, wobei die Befugnisse nach unten hin abnehmen. H.n sind vor allem charakteristisch flir große Organisationen, die langfristig angelegte Aufgaben haben. Hierokratie (griech. hieros: heilig und griech. kratein: herrschen), von Priestern ausgeübte staatliche -»Herrschaft, nicht zu verwechseln mit der -»Theokratie. Hinterbänkler, -»Abgeordnete, die keinen bedeutenden Einfluss haben und weder bei wichtigen Debatten als Redner im -»Parlament noch in entscheidenden Ausschüssen vertreten sind. Der Begriff entspringt dem Brauch des englischen Parlaments, die Sitzordnung der Abgeordneten nach ihrer Bedeutung zu regeln. Historischer Materialismus, Geschichtsund Gesellschaftstheorie, die von Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (18201895) entwickelt wurde und besagt, dass der historischen und sozialen Entwicklung materielle Lebens- und Produktionsbedingungen zugrundeliegen und nicht begriffliche Deutungsmuster. Diese Auffassung entspringt der Überzeugung: „Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben be-

Hochburg stimmt das Bewusstsein." Die Geschichte ließe sich als Folge von Klassenkämpfen beschreiben, die schließlich in der klassenlosen Gesellschaft (-»Kommunismus) mündeten (siehe auch -»Marxismus; -»Revolution). Hochburg, Gebiet, in dem eine Partei überdurchschnittlich viele Wähler hat. Aufgrund nachlassender Wählerbindung hat in der Bundesrepublik die Bedeutung von H.en in den letzten Jahren abgenommen. Hochkommissar, 1. oberster Beamte, dessen Aufgabenbereich in einem besetzten Gebiet oder einem -»Protektorat liegt; 2. Organ der -»Vereinten Nationen (z.B. -»UNHCR). Hochrechnung, Verfahren der Statistik, das Aussagen über die Eigenschaften eines Kollektivs macht, indem es Daten eines repräsentativen Teils bewertet („hochrechnet"). Die H. findet vor allem als Wahlprognose Anwendung. Hochschulpolitik, Gesamtheit aller Maßnahmen zur Regelung und Förderung der Hochschulausbildung. Träger der H. in der Bundesrepublik sind die -»Länder, allerdings werden die Rahmenbedingungen vom Bund vorgegeben (siehe -»Gesetzgebung). Darüber hinaus beteiligen sich Bund und Länder gemeinsam am Hochschulbau (-»Gemeinschaftsaufgaben). Die Hochschulen sind einerseits -»Körperschaften des öffentlichen Rechts, d.h. sie sind staatliche Einrichtungen, andererseits jedoch besitzen sie das Recht zur -»Selbstverwaltung („Hochschulautonomie"). Das heißt, dass sie sich im Rahmen gesetzlicher Vorgaben eigene Verfassungen geben können. Nach diesen sind alle Mitglieder der Hochschule (Professoren, wissenschaftliche Mitglieder, Mitarbeiter aus dem Verwaltungsbereich und Studierende) am Entscheidungsprozess durch Wahlen beteiligt. Allerdings müssen dabei die Professoren über den „maßgebenden Einfluss" (so das Bundesverfassungsgericht) verfugen. Inwieweit das Mitbestimmungsrecht der Studie-

Hoher Kommissar für Menschenrechte renden hierbei eingeschränkt wird, variiert j e nach Bundesland. Probleme der H. sind vor allem die stetig steigende Zahl der Studierenden ohne gleichzeitige Steigerungen bei den Lehrenden, lange Studienzeiten und die finanzielle Ausbildungsunterstützung von Studierenden aus einkommensschwachen Familien (siehe auch -»BAföG). Höchstzahlverfahren nach d'Hondt D'Hondt'sches Höchstzahlverfahren

—>

Hochverrat, in der Bundesrepublik das Unternehmen, mit -»Gewalt oder durch Drohung von Gewalt die territoriale („Gebietshochverrat") oder verfassungsmäßige Ordnung („Verfassungshochverrat") der Bundesrepublik zu ändern und zu gefährden. Auf H., der als gewaltsamer Angriff gegen den inneren Staatsbestand gilt, stehen schwere Strafen. Hoheitsrechte, alle Rechte, die dem -»Staat oder den von ihm beauftragten Trägem als Ausdruck seiner -»Souveränität zukommen. Zu den H.n gehören u.a.: Rechtssetzungsgewalt, Polizeigewalt, Gerichtshoheit, -»Finanzhoheit, Wehrhoheit. Laut Art. 23,1 GG kann die Bundesrepublik H. zur „Verwirklichung eines Vereinten Europas" an die Europäische Union ( - » E G / E U ) übertragen. Hoheitszeichen, Symbol der Staatshoheit, wie etwa Flaggen und Wappen. In der Bundesrepublik dürfen H., mit Ausnahme der Bundesflagge, nur von öffentlichen Stellen verwendet werden. Sie sind strafrechtlich unter anderem vor Beschädigung, Entfernung und Beschimpfung geschützt. Hoher Flüchtlingskommissar (der Vereinten Nationen) - » UNHCR Hoher Kommissar für Menschenrechte, seit 1994 existierende, dem Generalsekretär unterstehende Institution der -»Vereinten Nationen, die hauptsächlich für die Koordi-

91

Holocaust

Humanitätsverbrechen

nation der Menschenrechtsaktivitäten innerhalb der Vereinten Nationen zuständig ist. Holocaust (griech. holokauston: vollständig verbrannt), Begriff für Terror gegen und Massenmorde an Angehörige eines Volkes, vor allem die systematische Vernichtung von Juden im -»Nationalsozialismus. Homogenitätsklausel (griech. homogenes: von gleichem Geschlecht), in Art. 28,1 GG festgelegtes Prinzip, demzufolge die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den „Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen" muss. Außerdem haben die Bundesländer und die kommunalen -»Gebietskörperschaften vom Volk gewählte Repräsentationsorgane einzurichten. Hondt'sches Verfahren - » D'Hondt'sches Höchstzahlverfahren Honoratiorenpartei (lat. honoratus: geehrt), im 19. Jh. entstandener Typus einer -»Partei, die vom wohlhabenden Bürgertum ehrenamtlich getragen wird. Die informell organisierten Honoratioren, zu denen etwa Fabrikanten, Handwerker, Ärzte und Großbauern zählen, werden nur zum Wahlkampf tätig. Hospitant (lat. hospitari: zu Gast sein), -»Abgeordneter, der zu einer -»Fraktion gehört, ohne Mitglied der diese Fraktion stellenden Partei zu sein. Hotel Matignon, Premierministers.

Sitz

des

französischen

House of Commons, britisches —»Unterhaus House of Lords, britisches -»Oberhaus Humanitäres Völkerrecht (lat. humanitas: Menschlichkeit, Menschheit), 1. im engen Sinne alle im Kriegsrecht festgesetzten Bestimmungen, die ein Mindestmaß des Schutzes von menschlichem Leben gewährleisten 92

sollen. Das H. beinhaltet etwa den rechtlichen Status der Kriegsgefangenen, Zivilbevölkerung und Verwundeten und regelt die Hilfsleistungen von Sanitätern (siehe - » G e n fer Konvention); 2. im weiten Sinne alle völkerrechtlichen Bestimmungen, die die -»Menschenrechte schützen und gewährleisten sollen. Humanitätsverbrechen gegen die Menschlichkeit



Verbrechen

Immunität

IAEA

I IAEA, engl, für International Atom Energy Agency, -> IAEO IAEO, Abk. für Internationale AtomenergieOrganisation (engl. IAEA), 1956 gegründete -»internationale Organisation mit Sitz in Wien zur internationalen Überwachung von Kemenergieanlagen und des -»Atomwaffensperrvertrags sowie zur Förderung der zivilen Nutzung von Kernenergie. Die I. hat derzeit 130 Mitglieder. IAO, Abk. für Internationale Arbeitsorganisation, 1919 gegründete Organisation des Völkerbundes, die seit 1946 eine Sonderorganisation der -»Vereinten Nationen ist. Die Arbeit der I. basiert auf den Prinzipien, dass Arbeit keine Ware ist und wirklicher -»Friede „nur auf dem Boden sozialer -»Gerechtigkeit aufgebaut werden" kann. Die I. zielt daher unter anderem auf soziale Sicherheit und Verbesserung der Arbeitsbedingungen und erarbeitet zwischenstaatliche Übereinkommen und Empfehlungen. Die Staaten werden jeweils von zwei Regierungsvertretem und j e einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmervertreter bei der I. repräsentiert. ICC, Abk. für engl. International Criminal Court, -»Internationaler Strafgerichtshof Identitäre Demokratie, Konzept, das die Identität der Regierten und Regierenden bzw. Beherrschten und Herrschenden fordert, da -»Repräsentation des Volkes durch gewählte Vertreter (—»repräsentative Demokratie) als Verzerrung des —»Gemeinwillens gewertet wird. -»Volkssouveränität ist nach der Auffassung der I. unveräußerlich und kann daher nur direkt ausgeübt werden (-»direkte Demokratie). Ideologie (frz. idéologie: Lehre von den Ideen), 1. im weitesten Sinne Weltanschauung; 2. im wissenssoziologischen Sinne bezeichnet I. die Gebundenheit des Denkens an soziale

und historische Bedingungen und die damit verbundene Unmöglichkeit, einen von Gesellschaft und Geschichte unabhängigen Inhalt des Denkens festzumachen; 3. im marxistischen Sinne die Widerspiegelung gesellschaftlich falscher Verhältnisse im Bewusstein, das dadurch zu einem falschen Bewusstein wird. Da der -»Marxismus davon ausgeht, dass die ökonomische Realität das Denken bestimmen, ist dieses falsche Bewusstein ein notwendig falsches Bewusstein, insofern es determiniert ist durch die falschen gesellschaftlichen Verhältnisse. „Falsches Bewusstein" will also nicht sagen, dass die Ideen über die Gesellschaft kein korrektes Abbild der Gesellschaft sind, sondern im Gegenteil die Gesellschaft in ihrer Widersprüchlichkeit direkt abbilden und damit selbst widersprüchlich bzw. falsch sind. Indem das falsche Bewusstein die falschen gesellschaftlichen ökonomischen Verhältnisse aufnehme und widerspiegele, reproduziere es diese und trage dazu bei, diese falschen Verhältnisse zu stabilisieren. 4. I. im negativen Sinne und häufig als Schlagwort benutzt bezieht sich auf Ideen und Handlungen, die einer verfestigten, undifferenzierten und engstirnigen Weltanschauung entspringen. IGH - » Internationaler Gerichtshof IGO, Abk. für engl. International Gouvernemental Organisation: Internationale Regierungsorganisation, -»Internationale Organisationen ILO, Abk. für engl. International Labour Organisation: Internationale Arbeitsorganisation, - » I A O IMF, Abk. für engl. International Monetary Fund: Internationaler Währungsfond, - » I W F Immigration - » Einwanderung Immunität, - » Schutz vor Strafverfolgung; 1. I. gilt nach Art. 46,2-4 GG ftlr -»Abgeordnete, die nur mit Erlaubnis des -»Bundesta93

Impeachment ges verhaftet oder angeklagt werden dürfen (es sei denn, sie werden auf frischer Tat ertappt oder im Laufe des folgenden Tages) (siehe auch -»Indemnität). 2. I. gilt auch im völkerrechtlichen Sinne für Staaten und die in seinem Auftrag handelnden Personen, die nicht von der polizeilichen und juridischen Gewalt ihres Aufenthaltstaates belangt werden dürfen (-»Extraterritorialität). Impeachment (engl, to impeach: beschuldigen, anklagen), alleiniges Instrumentarium in den Vereinigten Staaten zur Erzwingung des Rücktritts des -»Staatspräsidenten. 1. bedeutet die öffentliche Anklage eines hohen Beamten (etwa des Staatspräsidenten oder Ministers) durch die Mehrheit des -»Repräsentantenhauses vor dem -»Senat. Dieser kann mit einer Zweidrittelmehrheit dem Angeklagten das Amt entziehen. Imperatives Mandat (lat. imperare: befehlen; mandatum: Auftrag), die Gebundenheit eines -»Abgeordneten an die Vorgaben seiner Wähler in Einzelentscheidungen. Die Ständevertreter in den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ständeversammlungen besaßen ein I. Auch die Abgeordneten in einer -»Rätedemokratie haben offiziell ein I., obgleich sie in der Praxis in der Regel den Weisungen einer Partei folgen müssen. In der Bundesrepublik haben im Unterschied dazu die Abgeordneten ein -»freies Mandat, d.h. sie sind weisungsungebunden. Imperialismus (lat. imperium: Reich), 1. allgemein das Bestreben eines Staates, seinen Machtbereich auf andere Staaten auszudehnen, sei es durch Aneignung ihrer Gebiete und/oder durch Einflussnahme auf deren politische, kulturelle, wirtschaftliche, militärische und Kommunikationsstrukturen (siehe -»Imperialismustheorien). 2. Als historische Epoche meint I. die Gründung von Kolonien in besetzten Gebieten durch europäische Staaten und die Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert.

94

Indemnität Imperialismustheorien, Modelle zur Analyse des -»Imperialismus. Zu den bekanntesten zählen folgende: 1. Marxistische und an Marx angelehnte Theorien (-»Marxismus) sehen die imperialistische Expansion kapitalistischer Staaten als notwendige Folge der fortschreitenden Kapitalakkumulation und -konzentration an. Der -»Kapitalismus muss dem Marxismus zufolge immer wieder neue Märkte erschließen, um seine Waren absetzen zu können. Überdies sollen die eroberten Gebiete billig Rohstoffe und Arbeitskräfte liefern. 2. In Anlehnung an die Dependenztheorie (-»Entwicklungstheorien) wird das Verhältnis von Staaten im so genannten Zentrum zu den so genannten peripheren Nationen als imperialistisch bezeichnet, insofern letztere in starker wirtschaftlicher Abhängigkeit durch die traditionellen Strukturen der Weltwirtschaft gehalten werden. 3. Der I. gilt als notwendige Folge des nationalstaatlichen Interesses an Ausdehnung der Macht. Die natürliche Konkurrenz der - » N a tionen um Einfluss führt zur Besetzung schwächerer oder bis dahin machtfreier Sphären. 4. Im geopolitischen Erklärungszusammenhang ist der I. auf den Versuch der Staaten zurückzuführen, strategisch wichtige Gebiete zu besetzen (-»Geopolitik). Implementation (engl, für Ausführung), Begriff aus der Verwaltungswissenschaft, der die konkrete Umsetzung von politischen Projekten und Gesetzen bezeichnet. Importsubstitution, entwicklungspolitische Strategie, die durch die Ersetzung von importierten durch einheimische Güter die Industrialisierung fordern soll (siehe auch - » E n t wicklungspolitik). Inauguration (lat. auguratio: Weissagung), feierliche Amtseinführung. Indemnität (lat. indemnitas: Verantwortungsfreiheit), die einem -»Abgeordneten zukommende Straffreiheit hinsichtlich Äuße-

Indigenat

Informationelle Selbstbestimmung

rangen und Handlungen in Ausübung seines parlamentarischen Amtes. In der Bundesrepublik gilt das Prinzip der I.: „Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen" (Art. 46,1 GG). Die I. wurde eingeführt, um die Unabhängigkeit der Abgeordneten vor Eingriffen der Krone zu schützen. In Abgrenzung zur -»Immunität bezieht sich die I. ausschließlich auf die parlamentarische Tätigkeit, kann nicht aufgehoben werden und verbietet auch die nachträgliche Strafverfolgung (d.h. nach Beendigung der Amtszeit). Indigenat (lat. indigena: eingeboren), veraltete Bezeichnung für -»Staatsangehörigkeit. Indirekte Demokratie Demokratie



Industriepolitik, alle staatlichen und verbandlichen Maßnahmen, die zur Regelung und Förderung des industriellen Sektors getroffen werden. Die I., die hauptsächlich dem Wirtschaftswachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen verpflichtet ist, beinhaltet grundsätzlich folgende Aspekte: Sicherstellung der Energie- und Rohstoffversorgung, Regionalentwicklung, Förderung bestimmter Branchen und Sektoren, Förderung von Innovationsprozessen. Die I. ist Teil der -»Wirtschaftspolitik. Ineligibilität (lat. in-: un-, nicht; eligere: wählen) bezeichnet den rechtlichen Vorbehalt, gewählt werden zu können. In der Bundesrepublik kann man von der Wählbarkeit (-»passives Wahlrecht) etwa aufgrund einer richterlichen Entscheidung ausgeschlossen werden, weil man nicht das aktive Wahlrecht hat oder nicht seit mindestens einem Jahr Deutscher ist (siehe auch -»Inkompatibilität).

Repräsentative

Indirekte Wahl bezeichnet ein Verfahren, bei dem Wähler den Kandidaten nicht unmittelbar, also direkt wählen, sondern ein Gremium von - » W a h l m ä n n e m bestimmen, das den Kandidaten wählt. Die 1., die heutzutage kaum mehr angewandt wird, dient in den Vereinigten Staaten zur Wahl des -»Präsidenten. Hierbei sind die Wahlmänner allerdings auf die Wahl bestimmter Kandidaten festgelegt, während I. im eigentlichen Sinn bedeutet, dass die Wahlmänner ein -»freies Mandat haben. Individualrechte, im Gegensatz zu -»Kollektivrechten diejenigen Rechte, deren Träger nur ein einzelne natürliche oder juristische Person sein kann (siehe auch -»Grundrechte). Industriegewerkschaft, -»Gewerkschaft, die sich nach dem Grundsatz „ein Betrieb, eine Gewerkschaft" organisiert.

Infiltration (lat. infiltrare: eindringen), Einschleusung von Personen, Informationen, Propagandamaterial etc. in gegnerische Organisationen, Institutionen oder Staaten mit dem Ziel der Einflussnahme, Informationsbeschaffung oder Destabilisierung. Inflation (lat. inflatio: Aufblähung), Anstieg des allgemeinen Preisniveaus beziehungsweise Verlust der Kaufkraft des Geldes. Gegenbegriff zu I. ist -»Deflation. Eine möglichst geringe I.srate stellt ein wesentliches Ziel der -»Geld-, -»Finanz-, -»Wirtschafts- und -»Währungspolitik und eine der Hauptaufgaben der -»Zentralbanken dar. Informationelle Selbstbestimmung, aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2,1 GG) abgeleitetes Recht, „grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen" (Bundesverfassungsgericht). Die I. stellt eine wesentliche Grundlage des -»Datenschutzes dar.

95

Informationsfreiheit Informationsfreiheit, in Art. 5,1 GG garantiertes Recht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten". Die I. ist Teil der -»Meinungsfreiheit. Informationsgesellschaft, ursprünglich soziologischer Begriff zur Charakterisierung modemer Gesellschaften, um die wichtige gesellschaftliche Rolle der Verarbeitung und Übermittlung von Informationen zu betonen. Die I. ist geprägt durch einen entmonopolisierten Zugang zu verschiedenen Medien über das Internet. Gleichzeitig geht damit ein Anwachsen des Informationsflusses einher, was einerseits zur Unüberschaubarkeit, andererseits zu einem immer rascheren Verfall der Aktualität der Informationen führt. Die Menge der und der Zugriff auf die unselektierten Daten führt dazu, dass die Verbreitung von - auch politisch gefährlichen Meinungen kaum mehr staatlich kontrolliert werden kann. Die I. ist außerdem gekennzeichnet durch eine immer komplexere Vernetzung von Kommunikationsmedien. Dies trägt durch die weltweite Möglichkeit direkter Kommunikationsbeziehungen wesentlich zur -»Globalisierung bei. In der I. gewinnt der Dienstleistungssektor an Bedeutung, während der primäre und sekundäre Sektor zunehmend in den Hintergrund treten. Die Formen der demokratischen -»Partizipation erfahren in der I. einen Bedeutungswandel. Die Optionen zur Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Willensbildungsprozess erweitern sich sowohl quantitativ als auch qualitativ. Das führt einerseits dazu, dass die traditionellen Repräsentationsorgane in der politischen Entscheidungsfindung an Bedeutung verlieren, andererseits dazu, dass die Interessen vielfältiger zum Ausdruck kommen können, aber auch aufgrund fehlender Bündelung an Durchsetzungsfähigkeit einbüßen. INF-Vertrag, Abk. für engl. Intermediate Nuclear Forces: Atomwaffen mit mittlerer Reichweite, 1987 zwischen den Vereinigten 96

Inkompatibilität Staaten und der UdSSR geschlossener Vertrag mit dem Ziel, alle landgestützten Mittelstreckenraketen und Lenkflugkörper mit der Reichweite von 500-5500 km zu beseitigen. Der I. wurde bis 1991 eingelöst. Initiativrecht bezeichnet das Recht, Gesetzesvorschläge in einem -»Parlament einzubringen. In der Bundesrepublik haben im -»Bundestag die -»Regierung, mindestens fünf Prozent der Bundestagsmitglieder und der -»Bundesrat das I. (siehe auch -»Gesetzgebungsverfahren). Inkompatibilität (lat. in-: nicht; kompatibilis: vereinbar), Regelung, der zufolge die gleichzeitige Ausübung verschiedener Ämter oder Funktionen durch eine Person unzulässig ist. Im -»präsidentiellen Regierungssystem betrifft die I. vor allem die strikte Unvereinbarkeit von Regierungsamt und Parlamentsmitgliedschaft. In der Bundesrepublik ist die I. auf verfassungsrechtliche Grundsätze und auf ungeschriebenes Verfassungsrecht gestützt. Zu ersterem gehört das Verbot, dass der -»Bundespräsident der Regierung oder einem -»Parlament des Bundes oder eines Landes angehört, der -»Bundeskanzler sowie Bundesminister und Bundespräsident ein besoldetes Amt oder einen weiteren Beruf ausüben, die Mitglieder des -»Bundesverfassungsgerichts der Bundesregierung, dem -»Bundestag, dem Bundesrat oder einem entsprechenden Landesorgan angehören. Laut ungeschriebenem Verfassungsrecht dürfen Mitglieder des Bundesrates nicht dem Parlament angehören. Gemäß weiterer gesetzlicher Regelungen dürfen überdies Richter nicht Teil der -»Exekutive oder -»Legislative sein und die Ausübung eines Amtes im öffentlichen Dienst muss bei Mitgliedschaft im Bundestag ruhen. Die I., die dem Grundsatz der -»Gewaltenteilung folgt, will Unabhängigkeit der Ausübung des Amtes sichern und Interessensund Pflichtenkonflikte vermeiden. Von der I. zu unterscheiden ist die -»Ineligibilität.

Inkrementalismus Inkrementalismus (lat. incrementum: Zuwachs, Zunahme), Politik, die Reformen in kleinen Schritten realisiert und die Reformziele an die bereits existierenden Mittel und Ressourcen anpasst. Der 1. zeichnet sich durch eine große Vorhersagbarkeit und Anpassungsfähigkeit ebenso wie durch eine pragmatische Haltung aus, andererseits wirkt der I. nicht selten innovationsfeindlich. Innenministerium, zu den fünf klassischen -•Ressorts gehöriges Ministerium, dessen Aufgabenbereich die -»Innenpolitik umfasst. Innenpolitik, im weitesten Sinne alle Maßnahmen zur Regelung, Koordinierung und Sicherung aller innerstaatlichen Belange, der Belange also, die nicht zur -»Außenpolitik gehören. Im engeren Sinne meint I. den Bereich der Politik, der unter anderem Verwaltungsorganisation, Polizei, Ausländerangelegenheiten, -»Öffentlichen Dienst und -»Innere Sicherheit umfasst. Innere Angelegenheiten, auf die -»Souveränität eines Staates zurückgeführte Domäne, hinsichtlich derer anderen Staaten die Einmischung verboten ist. So darf sich beispielsweise in der Regel ein Diplomat nicht in den Wahlkampf seines -»Empfangsstaates einmischen; ebenso gilt die vorzeitige Anerkennung einer Revolutionsregierung als Einmischung in die 1. - die Gewährung von —»Asyl dagegen zählt nicht zur völkerrechtlich verbotenen Einmischung. Mit dem Beitritt in eine -»Internationale Organisation wird in der Regel eine Aufgabe von eigenen Rechtspositionen und damit eine partielle Aufgabe der Souveränität gefordert - dementsprechend reduziert sich der Bereich, hinsichtlich dessen der Staat gegenüber anderen Staaten ein Recht auf -»Nichteinmischung hat. Innere Führung, in der Bundesrepublik Konzept der Ausbildung und des Führungsstils in der -»Bundeswehr, das darauf zielt, die Armee in die —»Demokratie einzubinden. Pfeiler der I. sind zehn Grundsätze, von denen die folgenden die zentralen sind: Der

Institutionelle Garantie Soldat gilt als „Staatsbürger in Uniform", das heißt er hat trotz seines speziellen Dienstverhältnisses immer Anspruch auf Respektierung seiner Menschenwürde und Bürgerrechte. Außerdem gilt auch in der Bundeswehr das Primat der Politik gegenüber dem Militär. Innere Sicherheit, Gesamtbegriff für die Verwirklichung von innerstaatlichem Schutz und Ordnung durch den -»Staat. Die I. bildet einen Teil der -»Innenpolitik. Innerparteiliche Demokratie bezeichnet die laut Art. 21,1 GG vorgeschriebene „innere Ordnung" der -»Parteien, die „demokratischen Grundsätzen" entsprechen muss (-»Demokratie). Dies bedeutet vor allem, dass die Mitglieder der Partei an den personellen und Sachentscheidungen durch Wahlen, Abstimmungen und Diskussionen beteiligt sind, und gegenüber der Parteiführung Kontrollfunktionen ausüben. Institution (lat. institutio: Einrichtung), 1. im weiten Sinn stabiles kontinuierliches Verhalten von Mitgliedern einer sozialen Gruppe zueinander; 2. öffentliche verfassungsrechtlich oder anderweitig gesetzlich festgelegte Einrichtung, der die regelmäßige, dauerhafte Wahrnehmung von Aufgaben zugewiesen ist. Zu dieser Definition von I. zählen vor allem die staatlichen Organe, staatliche Behörden, gewisse Verfahren (z.B. -»Wahlen) und Organisationen (z.B. -»Gewerkschaft). Institutionelle Garantie, grundgesetzlicher Schutz des Bestandes und der Funktionsfähigkeit einer Einrichtung, z.B. der freien Presse (Art. 5 GG) oder des Berufsbeamtentums (Art. 33,5 GG), aber auch der Ehe und Familie (Art. 6 GG) und des Eigentums (Art. 14 GG). Die I. kann, muss aber nicht mit einem entsprechenden -»Grundrecht des einzelnen (z.B. auf Eigentum) verbunden sein. So wird etwa von einigen gefordert, das individuelle Grundrecht auf -»Asyl abzuschaffen und durch eine allgemeine I. zu ersetzen. 97

Integration

Interesse

Integration (lat. integrare: wiederherstellen; ergänzen), Einbindung verschiedener autonomer Einheiten zu einem Ganzen. Man unterscheidet insbesondere folgende Formen der I.: systemische I., d.h. die -»Partizipation bis dato ausgegrenzter Gruppen am Prozess des -»politischen Systems; soziale I., d.h. die Einbindung kleinerer Gruppen in eine größere gesellschaftliche Einheit; politische 1., d.h. die Bündelung von gesellschaftlichen Interessen zur Beeinflussung politischer Entscheidungen; wirtschaftliche I., d.h. die Bildung von Zusammenschlüssen wirtschaftlicher Einheiten und Organisationen zur gemeinsamen wirtschaftlichen Tätigkeit bis hin zur Eingliederung in ein gemeinsames Wirtschaftssystem; militärische I., d.h. Formierung militärischer Bündnisse. Die Notwendigkeit der I. wird unter anderem mit dem Hinweis auf effektivere Ressourcennutzung und Synergieeffekte, auf gesellschaftlicher Ebene mit der Vermeidung von Konflikten zwischen verschiedenen Minderheiten begründet; Kritiker der I. verweisen jedoch auf den hauptsächlich im sozialen Bereich stattfindenden Identitätsverlust der zu integrierenden Minderheiten. Integrationspartei partei

—» Massenintegrations-

Integrität, territoriale (lat. integritas: Unverletzlichkeit; territorium: Gebiet), Prinzip der Unverletzlichkeit des Staatsgebietes und der Grenzen, das auf dem Grundsatz der staatlichen -»Souveränität basiert. Die I. ist in der -»UN-Charta von 1945 in Artikel 2 festgelegt. Interdependenz (lat. inter: zwischen; dependere: abhängen von), wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen mindestens zwei Akteuren (z.B. Staaten, Personen, Institutionen). Grundsätzlich unterscheidet man zwischen der I.-Verwundbarkeit und der I.Empfindlichkeit. Letztere bezeichnet die Gesamtheit der negativen Auswirkungen auf einen Staat, die sich aus der Aktion eines 98

anderen Staates ergeben, soweit seitens des betroffenen Staates keine Reaktion folgt. Die I.-Verwundbarkeit hingegen meint die Gesamtheit der negativen Auswirkungen auf einen Staat, die sich aus der Aktion eines anderen Staates ergeben, obgleich seitens des betroffenen Staates Schutz- und Gegenmaßnahmen getroffen werden. Interesse (lat. interesse: teilnehmen, von Bedeutung sein), Vorlieben, Wünsche, Präferenzen und Bedürfnisse, die das Verhalten von Individuen und Gruppen direkt und indirekt beeinflussen. Im soziologischpolitikwissenschaftlichen Sinne unterscheidet man zwischen folgenden Formen von I.: 1. manifeste und latente I.n: Erstere sind die in einer politischen Auseinandersetzung artikulierten und organisierten I.n (von Gruppen). Die latenten I.n dagegen bilden die Bedürfnisse und Wünsche, die zwar keine Artikulation erfahren, jedoch bestimmten Gruppen zuschreibbar sind und obgleich keinen expliziten politischen, so doch implizit gesellschaftlichen Einfluss ausüben. 2. Subjektive und objektive I.n: als subjektiv gelten diejenigen Vorlieben und Präferenzen, welche der einzelne oder ein Kollektiv als seine eigenen wahrnimmt und sein Verhalten entsprechend ausrichtet. Objektive I.n sind diejenigen, deren Existenz unabhängig von ihrer Wahrnehmung ist, insofern sie essentiellen Bedürfnissen entsprechen. Im Idealfall stimmen subjektive und objektive I.n überein. In ideologiekritischer Absicht wird häufig nachzuweisen versucht, dass subjektive I.n lediglich partikular sind und die objektiven universalen I.n verschleiern, indem sie sich selbst als universal darstellen (siehe auch -»Ideologie). 3. Partikulare und universale I.n (auch individuelle und allgemeine): Die universalen I.n sind Wünsche, Ziele oder Präferenzen, die allen Individuen gemeinsam sind, während die partikularen I.n lediglich von einem Teil der Gesellschaft verfolgt werden. Umstritten ist hinsichtlich der universalen I.n, ob sie ohne weiteres mit dem -»Gemeinwillen oder

Interessenaggregation lediglich dem Ergebnis einer -»Interessenaggregation gleichzusetzen sind. Interessenaggregation (lat. interesse: von Bedeutung sein; aggregratio: Zusammenhäufen), Prozess der Bündelung und Zusammenfuhrung verschiedener -»Interessen zu einem einheitlichen Programm, das politisch durchzusetzen ist. Die Funktion der I. haben in demokratischen Systemen vor allem -»Parteien und -»Interessenverbände inne. Interessenartikulation (lat. interesse: von Bedeutung sein; articulare: deutlich aussprechen, gliedern) bezeichnet die öffentliche Formulierung von -»Interessen im Prozess der politischen Willens- und Entscheidungsbildung. Die Funktion der I. übernehmen in demokratischen Systemen vor allem -»Parteien, -»Interessenverbände und Medien. Interessenpartei, oft in Abgrenzung zur -»Volkspartei benutzte Bezeichnung für eine in der Regel kleine -»Partei, deren Ziele durch die Interessen einer speziellen Gruppe bestimmt sind. Interessenpolitik, 1. Selektion, Aggregation und Artikulation von -»Interessen im Prozess der politischen Willens- und Entscheidungsfindung (siehe -»Interessenaggregation, -»Interessenartikulation) mit dem Ziel der -»Repräsentation und Verwirklichung gesamt- bzw. teilgesellschaftlicher Forderungen. Es ist unmöglich, alle individuellen und kollektiven Interessen gleichermaßen als allgemeine Forderung darzustellen und zu organisieren. Daher ist es Aufgabe einer guten I., nicht nur die Balance zwischen den verschiedenen (sich widerstreitenden) individuellen und/oder allgemeinen Interessen zu halten, sondern auch als Sprachrohr für den Teil der Bevölkerung zu fungieren, der seine Interessen nicht wahrnehmen oder artikulieren kann. Träger der I. im demokratischen System sind vor allem politische -»Parteien, -»Interessenverbände, Medien und staatliche Institutionen.

Interessenverband 2. Zur Charakterisierung bestimmter Formen der -»Außenpolitik verwendete Bezeichnung für politisches Vorgehen, das sich hauptsächlich an den Interessen eines Staates oder einer sozialen Gruppe ausrichtet. Dabei dient der Begriff des Interesses weniger der Beschreibung bestimmter Ziele oder Absichten, als vielmehr der polemischen Abgrenzung von einer Politik, die sich angeblich nur von Idealen und Gefühlen leiten lässt (-»Realpolitik). Interessensphäre, außerhalb des Staatsgebietes befindliches Territorium, das für einen Staat von politischer, wirtschaftlicher, militärischer und geostrategischer Bedeutung ist und das dieser daher zu beeinflussen sucht. Interessenverband, auf Dauer angelegte und für gewöhnlich freiwillige Organisation zur Selektion, Aggregation und Artikulation von bestimmten Interessen spezifischer Gruppen einer Gesellschaft, deren Ziel die politische Einflussnahme zur Durchsetzung der eigenen Forderungen darstellt (siehe auch -»Interessenartikulation; -»Interessenaggregation). I.e sind wesentliche Elemente einer pluralistisch verfassten, demokratischen Gesellschaft (siehe -»Pluralismus): Sie ermöglichen nicht nur die -»Repräsentation und partiell die Durchsetzung partikularer Präferenzen und Bedürfnisse, sondern gewährleisten den Bürgern auch (indirekte) Partizipationsmöglichkeiten am politischen Prozess. Zur Realisierung ihrer Ziele bedienen sich die I.e vor allem der Lobby-Arbeit (-»Lobbyismus), der Öffentlichkeits- bzw. Medienarbeit und der Einflussnahme auf politische Parteien etwa durch Spenden und personelle Verflechtung. Von politischen —»Parteien unterscheiden sich die I. hauptsächlich dadurch, dass sie meist nur auf ein Thema ausgerichtet sind, sich nicht zur - » W a h l stellen und in -»Regierung, -»Parlament und Verwaltung keine direkte Verantwortung übernehmen. Nichtsdestoweniger sind I.e an der Gestaltung und Umsetzung staatlicher -»Politik beteiligt (siehe auch -»Korporatismus).

99

Interministerielle Ausschüsse Interministerielle Ausschüsse, in der Bundesrepublik -»Ausschüsse, die Aufgaben verschiedener Bundesministerien koordinieren und durch Kabinettsbeschluss oder Vereinbarungen der entsprechenden Bundesministerien eingesetzt werden. Die I., die von Vertretern der Ministerialbürokratie gebildet werden, sind keine eigenständige Organe und haben keine Entscheidungsgewalt, sondern dienen zur Informationsvermittlung. Nur teilweise sind I. dauerhafte Einrichtungen. Internationale (lat. inter: zwischen; natio: Volk, Staat), Zusammenschluss sozialistischer und kommunistischer -»Parteien und -»Gewerkschaften. Die 1864 gegründete Erste Internationale hatte mehrere (zum Teil nebeneinander bestehende) Nachfolgeorganisationen, die sich zumeist aufgrund interner Streitigkeiten auflösten. Heute bestehen nur mehr die 1938 von Leo Trotzki gegründete Vierte 1. sowie die Sozialistische I., ein internationales Bündnis sozialdemokratischer und sozialistischer Parteien (siehe auch -»Sozialismus). Internationale Beziehungen, 1. Teildisziplin der -»Politikwissenschaft; 2. alle über die nationale Grenze hinausreichenden Verhaltensstrukturen staatlicher und nicht-staatlicher Akteure hauptsächlich im wirtschafts-, sicherheits- und umweltpolitischen Bereich. Die Analyse der I. versucht die entscheidenden Handlungsträger (Akteure) im internationalen System zu bestimmen und Modelle ihres Verhaltens zu entwickeln. Je nach theoretischer Perspektive unterscheidet man zwischen -»Staaten, -»Regierungen, NichtRegierungs-Organisationen (-»NGO), Unternehmen und -»Internationalen Organisationen als Akteuren in den 1. Neben stärker Akteur bezogenen Analysen bestehen jedoch auch Ansätze, die systemische Elemente untersuchen, welche die Handlungen der Akteure bestimmen (siehe auch -»Systemtheorie). Die meisten Theorien der I. lassen sich einer der folgenden drei Schulen zuordnen: Der 100

Internationaler Gerichtshof -»Neorealismus geht von einem anarchischen internationalen System aus, dessen Akteure ihren Nutzen zu maximieren suchen, indem sie (wechselnde) Allianzen eingehen (siehe -»Balance of power). Der -»Neoliberalismus fuhrt die Herausbildung internationaler Zusammenarbeit auf die gemeinsamen Interessen von demokratischen Staaten am -»Freihandel zurück (siehe -»Globalisierung). Gemäß dem Neoinstitutionalismus wird das Wechselverhältnis zwischen Staaten vor allem durch internationale Organisationen und Institutionen strukturiert, indem diese Verhaltensnormen und -regeln langfristig bestimmen, was letztlich Entscheidungen und Handlungen der Staaten beeinflusst. Internationale Organisationen, diejenigen -»Institutionen, deren Mitglieder mindestens zwei nationale Akteure sind, die sich gemeinsam mit der internationalen Regelung und Koordination von ökonomischen, militärischen, politischen, sozialen und kulturellen Fragen befassen. I. basieren meist auf völkerrechtlichen oder privatrechtlichen Verträgen und verfugen über eigene Organe. Ihre Mitglieder können Staaten ( - » I G O ) ebenso wie nichtstaatliche Akteure ( - » N G O ) sein. Internationale Politik - » Internationale Beziehungen; - » Außenpolitik Internationale Sicherheit, derjenige Teilaspekt der -»internationalen Beziehungen, der die äußeren Sicherheitsinteressen der Staaten, die Verhinderung von kriegerischen Auseinandersetzungen und die Friedenssicherung betrifft. Die Politik der I. arbeitet unter anderem mit -»Bündnissen, -»Internationalen Organisationen und dem -»Völkerrecht. Internationaler Gerichtshof, UN-Organ der Rechtssprechung, das aus fünfzehn Richtern besteht, die vom -»Sicherheitsrat und der -»Generalversammlung auf neun Jahre gewählt werden (siehe auch -»Vereinte Nationen). Der I., der seinen Sitz in Den Haag hat und deswegen auch als Haager Gerichtshof bezeichnet wird, entscheidet gemäß dem

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte -»Völkerrecht nur Uber Rechtsstreitigkeiten, wenn die betroffenen Staaten seine Gerichtsbarkeit anerkennen. Im Gegensatz zum -»internationalen Strafgerichtshof sind die Beteiligten beim Verfahren des I. Staaten (siehe auch -»Schiedsgerichtsbarkeit). Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, 1966 in der -»Generalversammlung der -»Vereinten Nationen beschlossenes, 1976 in Kraft getretenes Abkommen, das die Verpflichtung zur Gewährleistung fundamentaler -»Menschenrechte enthält, wozu unter anderem das -»Selbstbestimmungsrecht der Völker, das Recht auf Leben, das Verbot von Folter und willkürlichen Inhaftierungen, der Schutz der - » M e i nungsfreiheit, der Schutz vor -»Diskriminierungen und der Minderheitenschutz zählen. Das zum I. gehörige Fakultativprotokoll sieht vor, dass Individuen sich mit Beschwerden über Verletzung ihrer Rechte an den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen wenden können. Während den I. mittlerweile 144 Staaten unterzeichnet und ratifiziert haben, wurde das Protokoll bisher nur von 94 Staaten ratifiziert (-»Ratifikation). Die Vertragsstaaten verpflichten sich dazu, regelmäßig einen Bericht über die vereinbarte Gewährleistung der Rechte dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen vorzulegen. Der I. gilt als der wichtigste internationale Vertrag zum Schutz der Menschenrechte. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, 1966 in der -»Generalversammlung der -»Vereinten Nationen beschlossenes, 1976 in Kraft getretenes Abkommen, das wie auch der -»Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte die Verpflichtung zur Gewährleistung fundamentaler -»Menschenrechte enthält. Der I. soll u.a. folgende wirtschaftliche und soziale ebenso wie kulturelle Rechte garantieren: das Recht auf Arbeit und Bildung, Streikrecht, Recht auf soziale Sicherheit, Recht auf Gesundheit. Den I. haben bisher 141 Staaten unterzeichnet und ratifi-

Internationales Recht

ziert (-»Ratifikation). Für die Staaten besteht die vertragliche Pflicht, regelmäßig einen Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung der im I. garantierten Rechte einem Hilfsorgan des - » E C O S O C vorzulegen. Internationaler Strafgerichtshof, 1998 gegründetes UN-Organ (-»Vereinte Nationen) zur Verurteilung von natürlichen Personen wegen -»Völkermord, -»Verbrechen gegen die Menschlichkeit, -»Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. Zu den Voraussetzungen eines Verfahrens gehört, dass der -»Staat, auf dessen Territorium das Verbrechen begangen wurde oder dessen Nationalität der Täter besitzt, das Statut des 1. unterzeichnet hat. Der I. verfüg? über keine eigenen Exekutivorgane und ist daher bei der Verfolgung von Verdächtigen auf die Kooperation der Mitgliedstaaten angewiesen. Vorläufer des I. sind das internationale Militärtribunal in Nürnberg und Tokio von 1945/46 und die Kriegsverbrechertribunale für Ruanda (1994) und Ex-Jugoslawien (1994). Das Statut des I. ist 1998 verabschiedet worden, aber noch nicht in Kraft getreten - dies wird erst der Fall sein, wenn 60 Staaten das Abkommen ratifiziert haben werden (-»Ratifikation). Bisher haben 115 Staaten unterzeichnet, lediglich 22 den Vertrag ratifiziert. Internationaler Währungsfonds - » IWF Internationales Recht, die Gesamtheit der Rechtsnormen zur Regelung des rechtlichen Verhältnisses zwischen -»Völkerrechtssubjekten und/oder den ihnen zugehörigen juristischen und natürlichen Personen. Folglich werden zum 1. gezählt: das internationale Privatrecht (die Rechtsnormen, die festlegen, welches nationale Recht bei internationalen Tatbeständen anwendbar ist); das supranationale Recht (das Recht, das übernationale Instanzen —»supranationale oder -»internationale Organisationen - für mehrere Staaten einheitlich erlassen; das -»Völkerrecht (dazu zählt das universale, für alle Staaten geltende, Völkerrecht, das allgemeine, für die meisten Staaten geltende Völkerrecht, und das parti101

Internationales Regime kulare, für einige Staaten geltende Völkerrecht). Internationales Regime, Reihe von Prinzipien und Prozeduren, die das Verhalten und Verhältnis internationaler Akteure untereinander hinsichtlich spezifischer Bereiche auf längere Sicht regeln. Ein I. kann in expliziten, etwa vertraglich festgelegten, Regeln oder in impliziten und informellen Verhaltensmustem bestehen. Internationalismus, Grundsatz, der sich gegen den -»Nationalismus richtet und eine weltweite, auf Interessenübereinkunft basierende Solidarität der Arbeiter beinhaltet. Der I. geht zurück auf Karl Marx (1818-1883), demzufolge die „-»Proletarier aller Länder" durch das gemeinsame Ziel, den -»Kapitalismus zu beseitigen, vereinigt sind (siehe auch -»Marxismus). Internierung (lat. internus: innerer), Inhaftierung von Personen, die entweder zu ihrer Sicherheit oder zur Sicherheit des Staates, in dem sie sich aufhalten, erfolgt. Einem kriegführenden Staat angehörige, sich auf neutralem Boden befindliche Zivilpersonen dürfen nach gängigem -»Völkerrecht interniert werden ebenso wie ein kriegführender Staat Zivilpersonen des feindlichen Staates auf deren Bitte internieren darf oder wenn es die eigene Sicherheit erfordert (Genfer Konvention zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten). Vorgeschrieben ist die I. von Soldaten eines kriegführenden Staates bei deren Betreten von neutralem Boden (Haager Konvention von 1907). Internuntius (lat. inter: zwischen; nuntius: Gesandter), diplomatischer Vertreter des Heiligen Stuhls, der im Rang dem -»Nuntius untergeordnet ist. Interpellation (lat. interpellatio: Unterbrechung), Ersuchen eines Parlaments, das sich an die Regierung richtet und um Auskunft in einer speziellen Sache bittet (-»Anfrage).

102

Interventionismus Interpellationsrecht (lat. interpellatio: Unterbrechung), Recht, das dem Parlament und dessen Mitgliedern erlaubt, - » A n f r a g e n an die Regierung zu stellen. Dabei wird zwischen der Großen und Kleinen Anfrage und der mündlichen Anfrage während der Fragestunde unterschieden. Das I. ist in der Bundesrepublik verfassungsrechtlich verknüpft mit dem -»Zitierrecht, also der Pflicht der Bundesregierung zur Anwesenheit, sofern es der -»Bundestag verlangt. Intervention (lat. intervenire: dazwischentreten, sich einmischen), 1. in den —»internationalen Beziehungen die Einmischung in die -»inneren Angelegenheiten eines Staates durch einen anderen Staat oder eine -»internationale Organisation. Die I. kann in der Androhung oder Anwendung von militärischer Gewalt, politischem oder wirtschaftlichem Druck (wie etwa -»Sanktionen) bestehen. Eine I. liegt dann vor, wenn der von der I. betroffene Staat sich so verhält, wie er ohne den auf ihn ausgeübten äußeren Druck nicht gehandelt hätte. 1.en stellen eine Verletzung der staatlichen -»Souveränität dar und sind grundsätzlich völkerrechtlich verboten (-»Interventionsverbot). Durch die freiwillige Aufgabe von Souveränitätsrechten zugunsten der Mitgliedschaft in -»internationalen Organisationen büßt der Begriff der I. an Bestimmtheit ein, weswegen des öfteren vorgeschlagen wird, den Begriff nur noch im militärischen Sinne zu verwenden. 2. Im innerstaatlichen Bereich meint I. den Eingriff des Staates hauptsächlich in die (privaten oder öffentlichen) sozialen und ökonomischen Angelegenheiten (—»Interventionsstaat). Interventionismus (lat. intervenire: dazwischentreten, sich einmischen), -»Wirtschaftspolitik, die im Gegensatz zum -»Liberalismus in die ökonomischen Prozesse steuernd eingreift (auch -»Dirigismus genannt). In Abgrenzung zum -»Sozialismus sucht der I. nicht, eine Weltanschauung zu verwirklichen,

IWF

Interventionsstaat sondern

orientiert

sich

an

pragmatischen

Überlegungen.

Irredentismus

(ital.

irredenta:

unbefreit,

unerlöst), nach d e r italienischen - » U n a b h ä n g i g k e i t s b e w e g u n g des

I n t e r v e n t i o n s s t a a t (lat. intervenire:

dazwi-

19. Jh.

bezeichnetes

Streben von ethnischen - » M i n d e r h e i t e n , v o m

der

Mutterland abgetrennte Gebiete diesem anzu-

g e g e n ü b e r W i r t s c h a f t und G e s e l l s c h a f t eine

schließen u.a. mit d e m V e r w e i s a u f kulturelle

Politik d e r - » I n t e r v e n t i o n u n d / o d e r des - > i n -

Gemeinsamkeiten.

schentreten,

sich

einmischen),

Staat,

t e r v e n t i o n i s m u s verfolgt, vor allem zu d e m Z w e c k e , g e s e l l s c h a f t l i c h e und wirtschaftliche

Isolationismus

Sicherheit u n d Stabilität zu erreichen

eines Staates, d e r sich des E i n g e h e n s

auch partikulare Interessen der

oder

Machthaber

durchzusetzen.

Bündnissen

isola:

(lat.

Insel),

Politik

in d e r - » A u ß e n p o l i t i k

von

enthält,

um sich g r ö ß t m ö g l i c h e H a n d l u n g s f r e i h e i t zu sichern. D e r B e g r i f f des I. geht z u r ü c k auf

I n t e r v e n t i o n s v e r b o t , das aus der - » S o u v e -

die Doktrin des U S - a m e r i k a n i s c h e n P r ä s i d e n -

ränität d e r Staaten abgeleitete völkerrechtli-

ten

che V e r b o t d e r E i n m i s c h u n g in die - » i n n e r e n

s c h r ä n k u n g der a u ß e n p o l i t i s c h e n Aktivitäten

A n g e l e g e n h e i t e n (siehe auch - » I n t e r v e n t i o n ) .

der Vereinigten Staaten a u f den a m e r i k a n i -

D a b e i b e t r i f f t d a s I. laut Art. 2,4 der - » U N -

schen

C h a r t a explizit die A n d r o h u n g oder A n w e n -

schung

d u n g von G e w a l t a u f Staaten. Inwiefern sich

Interessensphäre forderte.

James

Monroe

Kontinent Europas

(1823),

und

die

eine

eine

Be-

-»Nichteinmi-

hinsichtlich

der

eigenen

das I. a u f a n d e r e F o r m e n d e r Eingriffe, wie etwa mittels politischer o d e r wirtschaftlicher

I W F , A b k ü r z u n g für Internationaler

Instrumente, erstreckt, ist umstritten. E b e n s o

r u n g s f o n d s (engl. IMF), 1944 z u s a m m e n mit

k o n t r o v e r s ist, o b das I. für so g e n a n n t e hu-

der - » W e l t b a n k gegründete Sonderorganisa-

manitäre

tion d e r - » V e r e i n t e n N a t i o n e n , die ein Sys-

Interventionen

gilt. So steht

vor

Wäh-

allem z u r Diskussion, o b ein Eingriff in die

tem stabiler

inneren A n g e l e g e n h e i t e n eines Staates legal

Währungsbeziehungen

ist, um M e n s c h e n r e c h t s v e r l e t z u n g e n zu ver-

staaten verwirklichen sollte. S e i t d e m von den

hindern o d e r ihnen Einhalt zu gebieten.

festen

Wechselkurse

Wechselkursen

und

geordneter

unter den

Mitglieds-

Anfang der

1970er-

Jahre zu den freien W e c h s e l k u r s e n ü b e r g a n Intifada

(arab.

intifada:

Aufstand,

Erhe-

gen w u r d e , ist der 1. vor allem f ü r die V e r g a -

bung), palästinensische, seit 1987 existieren-

be von Krediten an L ä n d e r z u s t ä n d i g ,

de W i d e r s t a n d s b e w e g u n g

Zahlungsbilanzprobleme

im israelisch

be-

haben.

Die

die

finan-

setzten G a z a s t r e i f e n und W e s t j o r d a n l a n d mit

zielle Hilfeleistung bindet d e r I. an die E r f ü l -

d e m Ziel d e r E r r i c h t u n g eines Palästinenser-

lung

staates.

B e k ä m p f u n g der

wirtschaftspolitischer Inflation,

staatlichen A u s g a b e n

und

Auflagen, Reduktion

z.B. der

Währungsabwer-

Invasion (lat. invasio: A n g r i f f , Inbesitznah-

tung.

m e mit G e w a l t ) , militärisches Eindringen in

D a die E r f ü l l u n g d e r A u f l a g e n h ä u f i g zu

das T e r r i t o r i u m eines a n d e r e n Staats.

Lasten d e r armen

Bevölkerungsschicht

er-

folgt (wie etwa auf G r u n d d e r S t r e i c h u n g von IRA, A b k ü r z u n g für engl. Irish R e p u b l i c a n

sozialen U n t e r s t ü t z u n g e n und S u b v e n t i o n e n ) ,

A r m y : Irische R e p u b l i k a n i s c h e A r m e e , 1919

erfährt d e r I. von vielen Seiten Kritik. Ü b e r -

g e g r ü n d e t e b e w a f f n e t e , seit 1936 v e r b o t e n e

dies wird die vom I. g e h a n d h a b t e

G r u p p e , die für die A n g l i e d e r u n g

Nordir-

von Krediten für spezielle E n t w i c k l u n g s p r o -

lands an die Irische R e p u b l i k k ä m p f t . Ein

j e k t e kritisiert, die nicht den B e d ü r f h i s s e n d e r

Teil

(in

der

IRA

versucht, diese Ziele

durch

T e r r o r - u n d G e w a l t a k t e zu verwirklichen.

den

betroffenen

Regionen

Vergabe

lebenden)

M e n s c h e n entsprechen.

103

Jahresgutachten

J Jahresgutachten, alljährlicher Bericht des -»Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an die Regierung der Bundesrepublik. Das J. analysiert und bewertet die Wirtschaftslage und verschiedene wirtschaftspolitische Maßnahmen hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen. Das J., das empfehlenden Charakter hat, darf keine konkreten wirtschaftspolitischen Ratschläge geben. Jahreswirtschaftsbericht, alljährlich im Januar vorgelegter Bericht der Bundesregierung, der die konjunkturelle Entwicklung einschätzt und die Pläne der Finanz- und Wirtschaftspolitik darlegt. Wichtig ist dabei vor allem, dass die Maßnahmen sich nach den Prinzipien der Preisstabilität, Beschäftigung und des Wachstums richten. Der J. dient unter anderem der mittelfristigen haushaltspolitischen Koordinierung der - » G e bietskörperschaften.

Justizministerium Gewalten unabhängige Institution, während -»Exekutive und -»Legislative nicht selten ineinander verschränkt sind (-»Gewaltenverflechtung; -»Gewaltenteilung). Diese Unabhängigkeit kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass das Richteramt mit legislativer oder exekutiver Tätigkeit inkompatibel ist (-»Inkompatibilität). Jungfernrede, die erste Rede, die ein neues Mitglied des -»Parlaments hält. Junktim (lat. junctim: vereinigt), Bezeichnung für die Koppelung mindestens zweier Gesetzes- oder (internationaler) Vertragsvorlagen. J. bedeutet, dass die eine Vorlage nur zusammen mit der anderen gültig wird. Ein J. kann aufgrund des sachlichen Zusammenhangs des Regelungsgegenstandes hergestellt werden. Nicht selten bedient man sich jedoch auch des J., um einer Vorlage, die das Parlament ablehnen würde, durch die Koppelung mit einer Vorlage, der die Zustimmung sicher ist, die erforderliche Mehrheit zu sichern.

Judicial-self-restraint (engl, für richterliche Selbstbeschränkung), 1. in den Vereinigten Staaten vom -»Supreme Court (Oberstes Bundesgericht) befolgtes Prinzip der Selbstbeschränkung, dem zufolge die Richter über Streitfragen im politischen Bereich nicht entscheiden.

Junta (span. junta: Versammlung, Vereinigung), 1. Bezeichnung für eine meist provisorische Versammlung oder einen Übergangsrat, der Entscheidungsbefugnisse innehat; 2. Synonym für die herrschende Gruppe, meist Offiziere, in einer -»Militärdiktatur.

2. In der Bundesrepublik Grundsatz des -»Bundesverfassungsgerichts, dem zufolge -»Legislative und -»Exekutive ein großer Gestaltungsspielraum in -»Gesetzgebung und Ausführung zugestanden wird. Eine Konkretisierung dieses Grundsatzes bildet das Prinzip der verfassungskonformen Gesetzesauslegung, die ein Gesetz als gültig betrachtet, sobald eine der möglichen Auslegungen der Verfassung gemäß ist.

Juristenmonopol, Schlagwort, das die Besetzung höherer Verwaltungsposten hauptsächlich durch Juristen bezeichnet.

Judikative (lat. iudicare: richten, Recht sprechen), derjenige Teil der -»Staatsgewalt, der bei rechtlichen Streitigkeiten schlichtend eingreift und entscheidet. Die J., auch als rechtssprechende Gewalt bezeichnet, bildet in -»Rechtsstaaten immer eine von anderen 104

Justiz (lat. iustitia: Gerechtigkeit(sempfinden)), alle Institutionen, die die Rechtsprechung und Rechtspflege zur Aufgabe haben (-»Judikative). Zur J. gehören: -»Justizministerien, Gerichte, Staatsanwaltschaften, Rechtsanwälte, Notariatswesen. Zum Teil wird J. auch synonym mit Judikative und Jurisdiktion verwendet. Justizfreiheit - » Gerichtsfreiheit Justizministerium, eines der fünf klassischen Ministerien, das für das Rechtswesen

Justizstaat zuständig ist. Zu den wichtigsten Aufgabenbereichen gehören die Justizverwaltung (z.B. Organisation der Gerichte), Rechtspflege (z.B. Verfahrensordnungen und Gerichtsverfassungen) und Überprüfung aller Gesetze, Verordnungen und internationaler Verträge auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, insbesondere der Verfassung. In der Bundesrepublik gehört das Rechtswesen zur Angelegenheit von Bund und Ländern, weswegen es nicht nur ein Bundesj., sondern auch einzelne J. der Länder gibt. Justizstaat, 1. Synonym für -»Rechtsstaat; 2. Bezeichnung für einen Staat, in dem die -»Justiz, hierbei vor allem die Gerichte, in die Tätigkeit der Verwaltung und der politischen Institutionen eingreift und dadurch den Grundsatz der -»Inkompatibilität und der —»Gewaltenteilung verletzt. Dabei bestimmen die Gerichte - über die rechtsstaatlich vorgesehene Kontrolle der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit hinausgehend - über die Anwendung und teilweise über die Setzung von Gesetzen. Letzteres wird zuweilen dem -»Bundesverfassungsgericht in der Bundesrepublik vorgeworfen.

105

Kabinett

Kammer

K Kabinett (frz. cabinet: Nebenzimmer, Beratungsraum), Bezeichnung für das aus allen (oder den wichtigsten) -»Ministem und dem Regierungschef bestehende Leitungsorgan der -»Regierung. Ebenfalls zum K. gehörig sind diejenigen -»politischen Beamten, die K.srang innehaben. In der Bundesrepublik gelten innerhalb des Kabinetts offiziell das K.sprinzip (Abstimmungen bei Meinungsverschiedenheiten), das —»Kanzlerprinzip (die Vorgabe der Richtlinien durch den Kanzler) und das Ressortprinzip (die selbständige Leitung des einzelnen Ministeriums durch den jeweiligen Minister; siehe -»Bundesregierung). Kabinettsausschuss, aus Mitgliedern des -»Kabinetts gebildeter -»Ausschuss zur Beratung, Planung und Koordination von in den Zuständigkeitsbereich der teilnehmenden Ministerien fallenden Angelegenheiten. So beschäftigen sich die K.e etwa mit Zukunftstechnologien, Gesundheit, Sicherheitspolitik (-»Bundessicherheitsrat) und Umwelt. Kabinettsprinzip Bundesregierung



Kollegialprinzip;



Kabinettssitzung, Zusammenkunft des —»Kabinetts. In der Bundesrepublik findet die K., die einmal pro Woche anberaumt wird, nicht-öffentlich statt, der Inhalt der Sitzung ist vertraulich. Kabinettsvorlage, durch einen oder mehrere Minister zur Beschlussfassung im —»Kabinett eingebrachter Entwurf, z.B. für Gesetze, Verordnungen oder politische Erklärungen. Kader (frz. cadre: Rahmen), 1. im militärischen Bereich Bezeichnung für denjenigen Teil einer Armee, der dauerhaft und professionell Dienst tut. Einer Kaderarmee treten nur im Kriegsfall die Wehrpflichtigen bei, ansonsten besteht die Armee aus Berufssoldaten.

106

2. Im politischen Sinne diejenige Gruppe einer -»Partei oder Organisation, die wegen der ihr zugeschriebenen Kompetenz oder Loyalität die Führungsrolle in allen Bereichen der Gesellschaft innehat. Vor allem wird der Begriff K. im Kontext kommunistischer Systeme und ihrer —»Funktionäre benutzt (-»Kaderpartei). Kaderpartei, Partei, die aus zentral und rigide organisierten -»Kadern besteht, deren Mitglieder meist hauptberufliche -»Funktionäre sind. Diese sind von der Parteiführung dazu ausgebildet und ausgewählt, die Parteimitglieder zu kontrollieren, zu überwachen und zu lenken. Die K.en sind vor allem eine Organisationsform für kommunistische und faschistische Parteien (-»Kommunismus; -»Faschismus). Dabei sind die kommunistischen K.en in der Regel am -»demokratischen Zentralismus ausgerichtet. Kaderpolitik, Politik der Besetzung führender Positionen in Staat und Gesellschaft durch -»Kader. Kalter Krieg, Schlagwort für die politische Beziehung zwischen den beiden von den Vereinigten Staaten und der UdSSR geführten Blöcken, die insbesondere die unmittelbare Nachkriegszeit und einzelne Phasen bis in die 1980er-Jahre prägte. Der K. charakterisierte sich durch immer wieder auftretende Krisen, deren Eskalation in eine direkte militärische Auseinandersetzung zwischen den zwei Mächten USA und UdSSR gerade noch verhindert werden konnte (z.B. Kuba-Krise und Suez-Krise). Die Politik des K. war durch scharfe ideologische Konfrontation und Stellvertreterkriege in der -»Dritten Welt gekennzeichnet Kammer (lat. camera: Raum), 1. Teilorgan eines -»Parlaments (siehe -»Zweikammersystem); 2. Bezeichnung für eine Behörde der Verwaltung; 3. Bezeichnung für ein Kollegialgericht;

Kandidat 4. Träger der -»Selbstverwaltung bestimmter Berufsstände, wie etwa die Ärztek. und die Handwerksk. Kandidat (lat. candidatus: der Weißgekleidete), Person, die sich um ein - » A m t bewirbt. Um sich als K. für ein Amt bewerben zu können, muss man im Besitz des -»passiven Wahlrechts sein. Die Aufstellung der K.en ist in den Wahlgesetzen geregelt und erfolgt gewöhnlich durch die Parteien. Die K.en für die deutsche -»Bundestagswahl treten direkt (-»Direktmandat) oder als Listenk.en auf den Landeslisten einer Partei an (-»Liste). Nach dem Bundeswahlgesetz ist wählbar, „wer am Wahltage 1. seit mindestens einem Jahr Deutscher (...) ist und 2. das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat" (§15) und dem nicht die Wählbarkeit aberkannt wurde. Ein Direktk., der von keiner Partei aufgestellt ist, benötigt die Unterstützung von mindestens 200 Wahlberechtigten seines Wahlkreises. Die Landesliste einer erstmals antretenden Partei benötigt die Unterstützung von mindestens einem Tausendstel, höchstens jedoch von 2000 der Wahlberechtigten des betreffenden Landes. Kanton (ital. canto: Winkel, Ecke), Gliedstaat der Schweiz. Der Ständerat vertritt die K.e im Parlament.

Kapitalismus wählte Bundeskanzler eine quasi-plebiszitäre Legitimation erhält. Die starke Stellung des Bundeskanzlers begründet sich unter anderem aus seiner Richtlinienkompetenz (siehe dazu -»Bundeskanzler) und daraus, dass er seine Minister auswählt und nur durch ein -»konstruktives Misstrauensvotum während der Amtszeit abgewählt werden kann. Einige beziehen den Begriff der K. ausschließlich auf die Figur Konrad Adenauers und bestreiten eine grundsätzliche Kennzeichnung des politischen Systems in der Bundesrepublik als K. Kanzlermehrheit, die zur Wahl des - » B u n deskanzlers erforderliche Mehrheit der Mitglieder des -»Bundestages (im Gegensatz zur einfachen Mehrheit der Anwesenden oder zur Zweidrittelmehrheit). Die K. wird auch benötigt, um Einsprüche des -»Bundesrates bei -»Einspruchsgesetzen zurückzuweisen. Kanzlerprinzip, Grundsatz, demzufolge in der Regierung der Regierungschef entscheidende politische Beschlüsse allein fasst, er die Minister einsetzt und diese an seine Weisungen gebunden sind. Das K. umfasst zum Beispiel die Richtlinienkompetenz (siehe dazu —»Bundeskanzler) und die —»Kompetenzkompetenz (siehe auch -»Bundesregierung).

Kanzler - » Bundeskanzler Kanzlerbonus - » Amtsbonus

Kanzlersystem, —»politisches System, auf dem -»Kanzlerprinzip basiert.

das

Kanzlerdemokratie, Begriff, der die starke Stellung des -»Bundeskanzlers im -»politischen System der Bundesrepublik kennzeichnet. Die K. beinhaltet plebiszitäre als auch repräsentative Elemente (-»Plebiszit; -»Repräsentation). Einerseits wird der Kanzler zwar vom -»Bundestag und nicht von der gesamten Bevölkerung gewählt, andererseits jedoch entscheidet sich der Bürger bei der Wahl seiner Partei mit Blick auf den jeweiligen Kanzlerkandidaten („Personalplebiszit"), weswegen der letztlich vom Bundestag ge-

Kapitalismus (lat. capitale: Vermögen, Grundsumme), Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, das hauptsächlich dadurch gekennzeichnet ist, dass Waren und Dienstleistungen gegen Geld auf einem Markt gehandelt werden, die -»Produktionsmittel das heißt alle materiellen Güter, die zur Herstellung anderer Güter eingesetzt werden sich im Privateigentum befinden, die Arbeitnehmer nicht im Besitz der Produktionsmittel sind, die Wirtschaft nicht staatlich gelenkt ist und Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit der 107

Kapitulation

Kartell

größtmögliche Profit ist. Abgesehen von vereinzelten kapitalistischen Phänomenen gelten historisch vor allem das 18. und 19. Jahrhundert als Epoche des Kapitalismus bzw. des Hochkapitalismus. Überdies wird die westliche Gesellschaft des 20. Jahrhunderts als spätkapitalistische Gesellschaft bezeichnet.

Maximum an gesellschaftlichem Wohlstand. Staatliche Eingriffe sollen sich daher darauf beschränken, einen ordnungspolitischen Rahmen für den wirtschaftlichen Selbststeuerungsprozess zu bieten. Auf diese Weise gewährleistet der K. diesen Theorien zufolge überdies die größtmögliche -»Freiheit der Individuen.

In der theoretischen Analyse des K. unterscheidet man folgende Ansätze: 1. Nach marxistischer Auffassung stellt der K. eine spezielle historische Epoche dar, die dadurch charakterisiert ist, dass sich die über die Produktionsmittel verfügende Kapitalistenklasse einen Teil des von den Arbeitern erwirtschafteten Reichtums (Mehrwert, siehe -»Marxismus) als Profit aneignet (Ausbeutung). Die besonderen Eigentumsverhältnisse erlaubten somit die Anhäufung von Kapital, bedürften aber ständig der Erschließung neuer Absatzmärkte (-»Imperialismus). Die letztlich weltweite Erschließung von Absatzmärkten fuhrt - neben anderen Faktoren nach Marx (1818-1883) zum Zusammenbruch des K., insofern damit eine globale Ausbeutung der Arbeitskräfte und damit wiederum ein Mangel an Nachfrage und potentiellen Warenabnehmern einhergingen. Die zunehmende Verelendung der Arbeiter verschärften darüber hinaus die sozialen Spannungen und Krisentendenzen im K. Karl Marx ging davon aus, dass das Elend der Arbeiter diese schließlich dazu motiviere, das System zu revolutionieren, den K. abzuschaffen und die neue Phase des -»Sozialismus einzuleiten (-»Verelendung). Damit eignen sich die Arbeiter die gesellschaftliche Macht an, die ihnen in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nach Marx' Ansicht dadurch auch vorenthalten wird, dass politische, rechtliche und soziale Institutionen der Aufrechterhaltung des K. und damit dem Status quo dienen (-»Ideologie) (siehe auch - » M a r xismus; -»Kommunismus).

3. Max Weber (1864-1920) und Werner Sombart (1863-1941) begreifen den K. auf der Grundlage ihrer Analyse der protestantischen Ethik. Ihnen zufolge lässt sich der K. als Gesellschaftsform hauptsächlich durch seinen Zweckrationalismus und das Streben nach einem Maximum an Effizienz (und damit einhergehender Bürokratisierung) charakterisieren. In diesem Zusammenhang ist das Individuum der kapitalistischen Gesellschaft durch kalkulierendes und instrumentelles Denken gekennzeichnet.

2. Die (neo)liberalen Theorien betrachten den K. als ein ökonomisches und soziales System, das sich durch die Mechanismen der Wettbewerbes und des Marktes selbst reguliert. Diese Eigendynamik garantiere letztlich ein 108

4. Reformkapitalistische Ansätze kritisieren am K. die aus ihm resultierende soziale Ungerechtigkeit in Anbetracht der zunehmenden Ungleichverteilung gesellschaftlichen Reichtums (siehe auch -»Gerechtigkeit; -»Gleichheit). Dennoch gehen sie von einer Reformierbarkeit des K. durch sozialpolitische staatliche Maßnahmen aus, die unter anderem eine Demokratisierung wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse ermöglichen und in der Folge breiteren gesellschaftlichen Wohlstand mit sich bringen. Kapitulation (lat. capitulare: Uber einen Vertrag verhandeln), Vereinbarung zwischen Befehlshabern von Streitkräften über die Einstellung der Kampfhandlungen. Die K. kann beiderseitig verpflichtend und an Bedingungen geknüpft oder einseitig und bedingungslos erfolgen. Die K. ist kein Friedensvertrag, weil sie nur die Streitkräfte betrifft, aber nicht die kriegführenden Staaten. Kartell (frz. cartel: Zusammenschluss, Vertrag), 1. Zusammenschluss von Parteien auf Zeit zum Zwecke gemeinsamer politischer Arbeit.

Klasse

Katholische Soziallehre 2. Im wirtschaftlichen Bereich informeller Zusammenschluss von Unternehmen zur Beschränkung des Wettbewerbs. Katholische Soziallehre, Lehre der Katholischen Kirche, die in Enzykliken und anderen Publikationen niedergelegt ist und ihren Standpunkt zu sozialen Themen darlegt. Elemente der K. sind unter anderem das -»Subsidiaritätsprinzip und die soziale Verantwortung des -»Eigentums. Kausalprinzip (lat. causa: Ursache, Grund), sozialpolitischer Grundsatz, wonach bei der Vergabe von Unterstützung die Ursache der zu beseitigenden Notlage entscheidend ist (in Abgrenzung dazu siehe -»Finalprinzip). Kernwaffen —> Atomwaffen Keynesianismus, 1. die vom britischen Ökonomen John Maynard Keynes (1883-1946) entwickelte Wirtschaftstheorie. Ihm zufolge bedarf der Markt staatlicher Eingriffe, da ohne diese keine adäquate Regulierung von Angebot und Nachfrage erzielt werden kann, ebenso wenig wie die Beseitigung der Arbeitslosigkeit und anderer mit der Wirtschaft im Zusammenhang stehender gesellschaftlicher Missstände. Keynes vertraut also im Gegensatz zur liberalen Wirtschaftstheorie nicht den Selbstheilungskräften des Marktes. In marktwirtschaftlichen Krisen fordert Keynes eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch staatliche Investitionen als Ersatz für privatwirtschaftliche Investitionen. 2. —>Wirtschafts- und —»•Fiskalpolitik, die wesentlich auf Elemente der Theorie von Keynes zurückgreift. In der Bundesrepublik dominierte eine derartige Politik vor allem in den 1960er-und 1970er-Jahren. K-Gruppen, Kleinparteien, die eine kommunistische Orientierung teilen, wie etwa KPD/ML (Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten), BWK (Bund Westdeutscher Kommunisten) und MLPD

(Marxistisch-Leninistische lands).

Partei

Deutsch-

Kibbuz (hebr. qibbüs: Gemeinschaft), ländliche Siedlungsgemeinschaft in Israel, früher in Palästina. Dem K., der sich am - » K o m m u nismus orientiert, liegen unter anderem die Prinzipien des Kollektiveigentums, der Gemeinschaftsarbeit und der Basisdemokratie zu Grunde. Im Unterschied zu den ehemals ausschließlich landwirtschaftlichen Tätigkeiten bilden mittlerweile auch die Dienstleistung und Industrieproduktion einen Bestandteil der K im. Kirchenasyl, Gewährung von Zuflucht in Kirchenräumen. Das K. geht auf die ursprüngliche Bedeutung des Asylbegriffs zurück, der sich auf den Schutz vor Verfolgung im geweihten Tempelbereich bezieht. Im modernen Staat hat das K. zwar keine rechtliche Legitimation, stellt also einen Akt zivilen Ungehorsams dar, wird aber von den Behörden zum Teil geduldet. Kirchenvertrag, Vertrag zwischen einer evangelischen Kirche (Landeskirche) in Deutschland mit 1. einer anderen Landeskirche oder einer evangelischen Kirche im Ausland, oder 2. einem Bundesland oder der Bundesrepublik Deutschland. Der K. in diesem zweiten, staatsrechtlichen Sinn entspricht dem -»Konkordat auf katholischer Seite und regelt etwa Angelegenheiten der Kirchensteuer, des Religionsunterrichtes, des Theologiestudiums und der Seelsorge in staatlichen Angelegenheiten. Klasse, soziale Gruppe, deren Zugehörigkeit sich durch gleiche soziale und wirtschaftliche Lage ebenso wie durch gemeinsame Interessen bestimmt. Der Begriff der K. wird wie derjenige des Standes oder der Schicht zur Beschreibung sozialer Strukturen verwendet. 1. Als Bestandteil einer Gesellschaftstheorie findet er vor allem im -»Marxismus Anwendung. Dort wird zur Hervorhebung zentraler gesellschaftlicher Widersprüche zwischen zwei K.n unterschieden, der Arbeiterk. 109

Klassenbewusstsein (-•Proletariat) und der Bourgeoisie. Grundsätzlich werden die zwei K.n danach eingeteilt, welche Stellung sie zu den —>Produktionsmitteln einnehmen. Die Arbeiterk. sei dadurch gekennzeichnet, dass ihre Mitglieder gezwungen sind, ihre Arbeitskraft gegen Lohn zu verkaufen. Im Gegensatz zur Bourgeoisie sind sie nicht im Besitz von Produktionsmitteln. Die Bourgeoisie eigne sich den Mehrwert (-»Marxismus) an und beute dadurch die Arbeiterk. aus. Nach Marx' (18181883) Analyse verschärft sich im Laufe der Geschichte des -»Kapitalismus der K.ngegensatz, der zu einer -»Revolution der Arbeiterklasse und letztlich zu einer klassenlosen Gesellschaft führe (-»Klassenkampf). Damit die Arbeiter derart zum gemeinschaftlich handelnden Subjekt werden, müsse zur objektiven K.nlage ihr subjektives -»Klassenbewusstsein hinzutreten. 2. Nichtmarxistische Soziologen verwenden beizeiten ebenfalls den Begriff der K. (der allerdings mittlerweile fast gänzlich durch den der Schicht ersetzt wurde), grenzen sich aber durch folgende Modifikationen von Marx' K.ntheorie ab: Die K.nzugehörigkeit wird nicht allein aufgrund der Stellung zu den Produktionsmitteln bestimmt, sondern auch z.B. durch Lebenschancen, Bildung, Kultur, Besitz. Der scharfe Gegensatz von zwei K.n wird in verschiedene Grade differenziert, wobei es keine rigide Trennung gibt, sondern soziale Mobilität herrscht. Überdies wird der Gegensatz zwischen herrschender und beherrschter K. nicht notwendig in einem historischen Prozess aufgehoben.

Klassenbewusstsein, die individuelle Vorstellung, auf Grund fundamentaler Interessen und der Stellung in der -»Gesellschaft einer bestimmten -»Klasse zuzugehören. Klassengesellschaft, -»Gesellschaft, die im Marxschen Sinne durch einen Klassengegensatz gekennzeichnet ist, wie etwa die feudalistische und kapitalistische Gesellschaft (siehe auch -»Marxismus).

110

Klassenwahlrecht Klassenherrschaft, vom -»Marxismus geprägter Begriff, der eine Herrschaft bezeichnet, die eine -»Klasse über die Gesellschaft ausübt mit dem Ziel, die -»Produktionsverhältnisse aufrechtzuerhalten. Bis zur Aufhebung des -»Kapitalismus ist nach Marx die K. notwendiges Kennzeichen der Gesellschaft. Klasseninteresse, nach der Klassentheorie des -»Marxismus die durch die Stellung zu den -»Produktionsmitteln bestimmten objektiven Bedürfnisse der Angehörigen einer -»Klasse. Klassenjustiz, 1. nach Karl Marx (18181883) ein System der Rechtsprechung, das die bestehenden Machtverhältnisse im Sinne der herrschenden -»Klasse stabilisiert. 2. Rechtsoziologischer Begriff, dem zufolge die sozial schwachen Schichten der Bevölkerung in der Rechtsanwendung häufig diskriminiert werden. Klassenkampf, Konflikt, der zwischen den beiden -»Klassen der Gesellschaft ausgetragen wird und nach marxistischer Vorstellung den Antrieb für die gesellschaftliche Entwicklung bildet. Letztlich soll gemäß dem -»Marxismus der K. zwischen der Klasse des -»Proletariats und der Bourgeoisie zur klassenlosen Gesellschaft und zum - » K o m m u nismus führen. Klassenpartei, Partei, deren Ziele von den Interessen einer bestimmten -»Klasse geprägt sind und deren Mitglieder sich aus dieser Klasse rekrutieren. Inzwischen hat der Typus der K. an Bedeutung verloren. In den - » P a r teiensystemen der westlichen Zivilgesellschaft dominieren nunmehr die -»Volksparteien. Klassenwahlrecht, Wahlsystem, in dem die Wahlberechtigten nach ihrer Klassenzugehörigkeit in Gruppen eingeteilt werden, denen jeweils eine bestimmte Zahl von Vertretern im Parlament zustehen.

Kleine A n f r a g e

Kollegialprinzip

Kleine Anfrage - » Anfrage

K o a l i t i o n s f r e i h e i t , im G r u n d g e s e t z v e r b r i e f tes R e c h t d e r A r b e i t g e b e r u n d A r b e i t n e h m e r ,

Klerikalismus

(lat. clericalis:

Streben

(insbesondere

Kirche

der oder

deren

priesterlich), katholischen)

Anhänger

nach

politi-

s c h e m und sozialem Einfluss (im G e g e n s a t z

„zur W a h r u n g und F ö r d e r u n g der und

Wirtschaftsbedingungen

Arbeits-

Vereinigungen

zu b i l d e n " (Art. 9,3 G G ) (siehe auch - » G e werkschaft; -»Interessenverband).

dazu siehe - » L a i z i s m u s ) . K o a l i t i o n s r e g i e r u n g - » Koalition K l i e n t e l i s m u s (lat. clientela: G e f o l g e ) , V e r hältnis z w i s c h e n G r u p p e n o d e r Personen mit

Koalitionsvereinbarung,

ungleichen M a c h t p o s i t i o n e n , wobei die eine

schen Parteien zur inhaltlichen und p e r s o n e l -

Seite ( P a t r o n ) der a n d e r e n (Klient) Unterstüt-

len R e g e l u n g d e r z w i s c h e n ihnen g e p l a n t e n

Absprachen

zwi-

z u n g bietet, w e n n diese ihre Loyalität zusi-

Koalition. Die rechtliche

chert. D e r B e g r i f f des K . dient auch z u r Be-

d e r g e t r o f f e n e n V e r e i n b a r u n g e n ist umstrit-

schreibung

ten.

zwischenstaatlicher

Abhängig-

Bindungswirkung

keitsstrukturen. Koalitionsvertrag K M K - » Kultusministerkonferenz



Koalitionsvereinba-

rung

K n e s s e t h (hebr. für V e r s a m m l u n g ) ,

israeli-

K o d i f i k a t i o n (lat. c o d e x : Schreibtafel, V e r zeichnis;

sches P a r l a m e n t .

facere:

machen),

systematische

Z u s a m m e n f a s s u n g gültiger R e c h t s n o r m e n in K o a l i t i o n (lat. coalescere: sich vereinigen), dauerhafter

zweckgerichteter

einem oder mehreren G e s e t z b ü c h e r n .

Zusammen-

schluss v o n P e r s o n e n o d e r G r u p p e n , wie z.B.

K o e x i s t e n z , friedliche —» Friedliche K o e x i s -

von A r b e i t n e h m e r n , A r b e i t g e b e r n oder von

tenz

Staaten ( - » G e w e r k s c h a f t ; —»Bündnis). In der Innenpolitik b e z e i c h n e t d e r Begriff K. vor

K o l l a b o r a t i o n (lat. c o l l a b o r a r e :

allem die V e r b i n d u n g m e h r e r e r

-»Parteien

arbeiten), Z u s a m m e n a r b e i t von A n g e h ö r i g e n

o d e r - » F r a k t i o n e n zur g e m e i n s a m e n B i l d u n g

eine Staates mit einer B e s a t z u n g s m a c h t o d e r

und

Regierung

e i n e m mit d e m e i g e n e n Staat K r i e g f ü h r e n -

( K . s r e g i e r u n g ) . I n s b e s o n d e r e in parlamentari-

den gegnerischen Staat. D e r B e g r i f f K. wird

schen

ausschließlich a b w e r t e n d v e r w e n d e t . Er ent-

Unterstützung

einer

Regierungssystemen

mit

Verhältnis-

w a h l r e c h t w e r d e n K.en gebildet, da es einer

stammt

einzelnen

Zweiten

Partei h ä u f i g nicht gelingt,

regierungsfähige

oder

stabile

eine

Mehrheit

zu

erlangen (siehe a u c h - » G r o ß e Koalition).

des

höchstwahrscheinlich Weltkrieges

französischen

und der

zusammen

der Zeit

des

Kooperation

Vichy-Regimes

mit

der

deutschen Besatzungsmacht.

Die v e r s c h i e d e n e n R e g i e r u n g e n in d e r B u n desrepublik

waren

bisher

immer

K o l l e g i a l p r i n z i p (lat. collega: A m t s g e n o s s e ) ,

K.sregierungen.

G r u n d s a t z , d e m z u f o l g e b e d e u t e n d e Entschei-

K o a l i t i o n s a u s s c h u s s , in d e r B u n d e s r e p u b l i k

einer Institution von den Mitgliedern g e m e i n -

dungen

einer B e h ö r d e ,

eines O r g a n s

oder

informell eingerichtete Institution zur B e r a -

sam b e s p r o c h e n und g e t r o f f e n w e r d e n .

tung und K o m p r o m i s s f i n d u n g , d e r h o c h r a n -

engeren Sinne wird d e r B e g r i f f K. vor allem

gige

Regierungskoalition

für das - » K a b i n e t t v e r w e n d e t , in d e m j e d e s

a n g e h ö r e n . Kritiker b e m ä n g e l n am K. den

Mitglied gleichberechtigt a m E n t s c h e i d u n g s -

Mitglieder

der

Entscheidungsfindungsprozess,

da

er

A u s s c h l u s s d e r Ö f f e n t l i c h k e i t stattfindet.

unter

Im

f i n d u n g s p r o z e s s beteiligt ist ( K a b i n e t t s p r i n zip). In d e r B u n d e s r e p u b l i k gilt vor allem bei M e i n u n g s v e r s c h i e d e n h e i t e n z w i s c h e n Minis111

Kollegialsystem

Kolonialismus

tern das K. Dem Grundsatz des K. steht das —•Kanzlerprinzip gegenüber.

Gegenbegriffe des K. sind -»Liberalismus und Individualismus.

Kollegialsystem, nach dem -»Kollegialprinzip organisiertes System.

Kollektivrechte, Rechte, die im Gegensatz zu -»Individualrechten einer Gruppe zukommen. Zu den K.n zählen zum Beispiel das -»Selbstbestimmungsrecht der Völker und das Recht auf Erhaltung von nationalen, ethnischen oder religiösen Gruppen. Der Status der K. ist umstritten, insofern Rechtsverhältnisse in den westlichen Demokratien vornehmlich auf der Grundlage individueller Rechtsansprüche konstruiert werden.

Kollektive Führung, Prinzip kommunistischer Systeme, demzufolge Entscheidungen kollektiv von der Führungsriege der Partei bzw. des Staates gefällt werden. Kollektive Güter - » Öffentliche Güter Kollektiveigentum - » Gemeineigentum Kollektive Sicherheit, System zur internationalen Friedenssicherung. Basis der K. bildet das Prinzip, dass eine Aggression gegen einen Bündnispartner als Aggression gegen alle Mitglieder des Bündnisses gilt und dementsprechend alle gemeinsam gegen den Angreifer vorgehen (kollektive Verteidigung). Die -»Vereinten Nationen stellen einen Versuch der K. dar, der sich nach dem Prinzip des in der -»UN-Charta Art. 2,4 verbrieften -»Gewaltverbotes richtet. Allerdings wurde bisher die K. u.a. wegen des Vetorechts im -»Sicherheitsrat und der Beschränkung der Handlungsbereitschaft auf die eigene Interessensphäre nur partiell umgesetzt. Kollektive Sicherheit

Verteidigung



Kollektive

Kollektivierung, erzwungene Umwandlung von Privat- in -»Gemeineigentum, das dadurch entweder Staats- oder Genossenschaftseigentum wird. Kollektivismus, alle Theorien, deren Kern der Primat des Kollektivs, also der -»Gesellschaft oder des -»Staates, bildet, wobei die Bedeutung des Individuums in den Hintergrund tritt bzw. die Rechte und Interessen des Individuums dem Wohl des Kollektivs untergeordnet werden. Der K. ist zentraler Bestandteil des -»Kommunismus, —»Sozialismus und -»Faschismus. 112

Kollektivschuld, Verantwortung aller Angehörigen einer Gemeinschaft für von Teilen dieser Gemeinschaft begangene Handlungen. Der Begriff der K. bezieht sich vor allem auf die Verantwortung der Deutschen für die Verbrechen des -»Nationalsozialismus. K. ist stark umstritten. Einerseits tragen Mitglieder eines Kollektivs die Verantwortung dafür, dass sie bestimmte Taten, obgleich nicht selbst ausführten, so doch tolerierten und ignorierten bzw. es vermieden, sich darüber zu informieren; andererseits bezieht sich der Begriff der Schuld auf zurechenbare individuelle Entscheidungen und kann deswegen nicht generell ohne Differenzierung und Wissen um die spezifischen Umstände und Handlungen des einzelnen auf ein ganzes Kollektiv angewendet werden. Kollektivvertrag, 1. völkerrechtlich ein Vertrag mit mehreren Unterzeichnerstaaten; 2. im arbeitsrechtlichen Sinn die Bezeichnung für eine Betriebsvereinbarung oder einen -»Tarifvertrag. Kolonialismus (lat. colonia: Ansiedlung), 1. allgemein die Unterwerfung von und Machtergreifung in einem fremden Gebiet. 2. Bezeichnung einer Epoche, in der europäische Staaten ab dem 15. Jh. ihre Macht weltweit ausdehnten durch die Eroberung von asiatischen, afrikanischen und amerikanischen Territorien. Neben ihrer geostrategischen Bedeutung dienten die eroberten Gebiete vor allem als Rohstoff- und Sklavenlie-

Kolonialstaat feranten sowie als billige Produktionsstätten. Die in der Zeit des K. entstandenen Wirtschaftsstrukturen mit der Festlegung der -»Kolonien auf Rohstofiproduktion und die Vernachlässigung des Bildungssystems prägen noch heute die wirtschaftliche und soziale Situation vieler Länder in der so genannten -»Dritten Welt. 3. In der Gegenwart bezeichnen mit K. einige die wirtschaftliche, ökologische, kulturelle und soziale -»Hegemonie westlicher Staaten hinsichtlich der Dritten Welt. Kolonialstaat (lat. colonia: Ansiedlung), Staat, der über -»Kolonien verfugt. Kolonie (lat. colonia: Ansiedlung), Gebiet, das wirtschaftlich, politisch, militärisch und rechtlich abhängig ist von einem fremden Staat. K.n können jedoch auch Staaten bilden, die ihre -»Souveränität zugunsten eines -»Kolonialstaates eingeschränkt haben. Kombattant (frz. combattant: Frontkämpfer), 1. zur Anwendung von Waffen befugte Mitglieder der Streitkräfte in einem -»Krieg; 2. alle im Krieg kämpfenden Personen im Gegensatz zur Zivilbevölkerung. Komintern, Abkürzung für „Kommunistische Internationale", siehe -»Kommunistische Internationale Kommandogewalt - » Befehls- und Kommandogewalt Kommandowirtschaft - » Planwirtschaft Kommissar (lat. commissarius: mit einer Geschäftsabwicklung Beauftragter), von mehreren Staaten oder innerhalb eines Staates geschaffenes Sonderorgan zur Erfüllung spezieller Aufgaben. Kommunale Selbstverwaltung (lat. communis: öffentlich, gemeinsam), selbständige Regelung eigener Angelegenheiten durch eine - » K o m m u n e . In der Bundesrepublik gewährt Art. 28,2 GG den -»Gemeinden das

Kommune Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln". Dazu müssen nach dem Grundgesetz die Organe der Gemeinden durch demokratische Wahlen und Abstimmungen legitimiert sein. Kommunalismus (lat. communis: öffentlich, gemeinsam), 1. im Bereich der -»Entwicklungshilfe die Orientierung an traditionalen Kooperationsstrukturen ländlicher Gemeinschaften (vor allem in Afrika). 2. Verhalten, das an den Werten einer ethnischen, religiösen und kulturellen -»Gemeinschaft ausgerichtet ist. Kommunalpolitik (lat. communis: öffentlich, gemeinsam), Gesamtheit aller politischen Maßnahmen und Projekte, die sich auf die —»Gemeinde bzw. -»Gemeindeverbände beziehen. Ein Teil der K. wird auf staatlicher Ebene von den entsprechenden —»Bundesländern betrieben. So sind die Länder zuständig für die Kontrolle der kommunalen Organe hinsichtlich deren Verfassungsmäßigkeit, des Gemeinderechts, der Garantie der -»kommunalen Selbstverwaltung und der Förderung der Kommunen. Zu den von den Gemeinden und nicht von den Ländern wahrgenommenen Aufgaben gehören unter anderen: Erhebung von kommunalen Abgaben (-»Gemeindesteuern), Erschließung und Bau von Gemeindestraßen, Subventionen, Wasser- und Energieversorgung, Entsorgung, Bauleitplanung, Wohnungsbauförderung, —»Sozialhilfe, Bau und Unterhalt von Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, Freizeit- und Kultureinrichtungen. Kommune (lat. communis: öffentlich, gemeinsam), 1. Synonym für -»Gemeinde; 2. im gesellschaftspolitischen Sinn eine Lebensgemeinschaft von mehreren Menschen, entstanden mit der 1968er-Generation; 3. historisch benennt der Begriff K. die Revolutionsregierungen in Paris 1789-1794 und 1871.

113

Kommunique Kommunique (frz. communiquer: mitteilen), amtliche Erklärung, die sich an die -»Öffentlichkeit richtet. Kommunismus (lat. communis: öffentlich, gemeinsam), 1. im gesellschaftstheoretischen Sinn bezeichnet K. eine Richtung sozialpolitischer Konzepte, die auf der Grundauffassung basieren, dass das Individuum nur in der -»Gemeinschaft seine Persönlichkeit entfalten und ein seinen Bedürfnissen entsprechendes Leben führen kann. Aus dieser Überzeugung werden folgende Ideen hinsichtlich der Gesellschaftsorganisation abgeleitet: -»Gemeineigentum an Stelle von Privateigentum und kollektive Gestaltung bzw. Lenkung der Gesellschaft an Stelle von individuellen bzw. individualistischen Lebensformen. Gemeinhin wird ebenso die Herrschaftsfreiheit dem Begriff des K. zugeordnet - dies trifft allerdings nur bei bestimmten Denkern des K. zu. Kommunistische Aspekte finden sich bereits beim antiken Philosophen Piaton (427-347) und im Urchristentum, wobei ersterer für seinen Gesellschaftsentwurf etwa das Gemeinschaftseigentum forderte und die Position und Tätigkeit des Individuums durch ein Kollektiv bestimmt wurde. Utopische Theorien mit kommunistischen Elementen haben unter anderen Th. Morus (1478-1535) und Th. Campanella (15681639) in der frühen Neuzeit formuliert. Dazu gehören: Gemeineigentum und kollektive Planung des individuellen Lebens. An die Stelle politischer Entscheidungen treten administrative Tätigkeiten (-»Utopie). Die Frühsozialisten des 18. Jh. (und teilweise auch noch 19. Jh.) entwickelten aus ihrer Kritik an der sozialen Ungleichheit Modelle einer -»Planwirtschaft ohne Geld und Privateigentum. Für den angestrebten Gesellschaftszustand wurden die Begriffe -»Sozialismus und K. meist unterschiedslos verwendet. Soweit die Sozialisten Konzepte zur Verwirklichung des K. entwickelten, gingen sie häufig von der Notwendigkeit einer -»Revolution aus.

114

Kommunismus Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) konzentrierten sich vor allem auf die Analyse der kapitalistischen Gesellschaft. Eine kommunistische Gesellschaft ergibt sich diesem Ansatz zufolge aus der historischen Dynamik, die der -»Kapitalismus selbst hervorbringt. In diesem so genannten wissenschaftlichen Sozialismus finden sich daher nur wenige Andeutungen zur konkreten Gestalt einer kommunistischen Gesellschaft. Die Beseitigung der -»Klassen ermöglicht nicht nur eine gleiche und freie Gesellschaft, sondern auch eine Produktionsweise, die frei von -»Entfremdung und Ausbeutung ist. Diese Gesellschaftsform soll die Bedürfnisse aller Menschen auf optimale Weise befriedigen, damit auch soziale Beziehungen ohne Hierarchie oder Herrschaft ermöglichen. Den Staat als Unterdrückungsapparat der herrschenden Klasse ersetze im K. die vernünftige Verwaltung. Häufig wird irrtümlicher Weise der K. mit -»Marxismus und -»Leninismus gleichgesetzt. 2. Im Kontext der Systemanalyse bezieht sich K. auf real existierende, kommunistische Herrschaftstypen, die sich der Lehre des K. als ideologischen Instruments bedienen. Mit der Bildung kommunistischer Parteien, von den Sozialisten vor allem durch die Ablehnung reformorientierter Strategien unterschieden, sollen theoretische Ansätze in die Praxis umgesetzt werden. Grundsätzlich sind die so genannten kommunistischen Staaten nicht nur durch ihre diktatorischen Grundzüge (-»Diktatur) gekennzeichnet, sondern unter anderem auch durch folgende Merkmale: Herrschaft der kommunistischen -»Staatspartei, zentrale -»Planwirtschaft und Staatseigentum an —»Produktionsmitteln. Insofern alle Gesellschaftsbereiche der Kontrolle und Regulierung unterworfen sind, weisen kommunistische Staaten totalitäre Elemente auf (-»Totalitarismus). Teilweise aufgrund regionaler Besonderheiten, teilweise aufgrund der negativen Bewertung kommunistischer Praxis und deren Folgen haben sich divergierende Strömungen des K. herausgebildet, wie etwa der -»Eurokommunismus, der -»Maoismus und nationa-

Kommunitarismus

Konfessionsfreiheit

le Varianten des K. in den Entwicklungsländern.

geographischer, kultureller und sozialer Herkunft fuhrt.

Kommunitarismus (engl, communitarianism, von lat. communitas: Gemeinschaft), in den 1980er-Jahren in den Vereinigten Staaten geprägte Bezeichnung für sozialwissenschaftliche, philosophische und politische Ansätze, die den Gemeinschaftsbezug des Individuums betonen. Ausgehend von einer kritischen Analyse der Gegenwartsgesellschaft, hinsichtlich derer Orientierungslosigkeit und Identitätskrise herausgestellt werden, verweist der K. auf die zunehmende Individualisierung als eine wesentliche Ursache dieser sozialen Probleme. Ihm zufolge ist der einzelne in eine Werte- und Geschichtsgemeinschaft eingebunden, in deren Kontext er seine ihm eigenen Lebenspläne gestaltet und verwirklicht. Durch die mit der Moderne sich herausbildenden individualistischen, von Traditionen abgelösten Lebensformen geht diese notwendige Einbindung verloren. Dieser Prozess wird vor allem von Seiten des -»Liberalismus als Befreiung des einzelnen von gesellschaftlichen Zwängen begriffen. Eine derartige Freiheitsauffassung kritisiert der K. dagegen als zu abstrakt, da die Nutzung von Freiräumen immer einen Lebensentwurf und damit zusammenhängend eine Wertebasis voraussetze, was wiederum nur innerhalb der -»Gemeinschaft gestiftet werde.

Kompetenz (lat. competens: zuständig), im staatsrechtlichen Sinn die Zuständigkeit eines staatlichen -»Organs oder einer öffentlichen -»Behörde, die rechtlich geregelt ist und sich auf bestimmte Aufgabenbereiche bezieht. Unter Bundesk. versteht man in einem -»Bundesstaat die Zuständigkeitsbereiche des Bundes, unter Landesk. diejenigen der Länder. In der Bundesrepublik regelt das Grundgesetz die Zuordnung und Inhalte der K.en (Art. 30, 70-75, 83-91 a GG).

Auf den Bereich der Politik übertragen bedeutet dies, dass ein politisches System nur dann bestehen könne, wenn es von gemeinsamen Werte Vorstellungen getragen sei und auf gemeinsamer Praxis beruhe. Konkret plädieren einige Vertreter des K. unter anderem fiir stärkere -»Partizipation der Bürger an politischen und sozialen Aufgaben, -»direkte Demokratie und -»Dezentralisierung staatlicher Entscheidungsprozesse. Kritiker betrachten den K. oft als verdeckten -»Konservatismus und halten ihm entgegen, dass die Betonung einer Wert- und Geschichtsgemeinschaft zum Ausschluss von Individuen mit anderer, etwa ethnischer,

Kompetenzkompetenz (lat. competens: zuständig), 1. die Befugnis des Bundes in einem -»Bundesstaat, seine -»Kompetenzen zu erweitern oder einzuschränken auf Kosten der Zuständigkeitsbereiche der Gliedstaaten. Dazu muss in der Regel die Verfassung geändert werden. In der Bundesrepublik findet die K. des Bundes ihre Grenze in der - » E wigkeitsklausel, die es verbietet, „die Gliederung des Bundes in Länder" und „die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung" (Art. 79,3 GG) des Bundes anzutasten. 2. Die Befugnis des über Richtlinienkompetenz verfugenden -»Regierungschefs (in der Bundesrepublik des -»Bundeskanzlers), den Bereich festzulegen, in dem er die Richtlinienkompetenz besitzt, und diese auszuüben. Kompetenzkonflikt, Streitigkeit zwischen mehreren öffentlichen -»Behörden oder -»Organen um den Zuständigkeitsbereich hinsichtlich bestimmter Fragen. In der Bundesrepublik regelt das -»Bundesverfassungsgericht den K. bei obersten Organen, deren Vertretern oder Teilen. Kondominium (lat. con: zusammen, dominium: Herrschaft), Herrschaft, die mehrere Staaten zusammen über ein Territorium ausüben, das sie gemeinsam besitzen. Konfessionsfreiheit - » Glaubens- und Gewissensfreiheit 115

Konfiskation

Konfiskation (lat. confiscare: beschlagnahmen), entschädigungslose -»Enteignung, die dem Staat zugute kommt. Konflikt, Gegensatz zwischen Interessen und der daraus resultierende Streit zwischen Individuen, Gruppen, Institutionen oder Staaten. Die Analyse der gesellschaftlichen K.e führt zu zwei grundsätzlich unterschiedlichen Einschätzungen: Während marxistisch beeinflusste Theorien eine Beseitigung von sozialen K.en als Ziel der Politik durch Änderung hauptsächlich der Wirtschaftsform ansehen, gehen liberale Ansätze davon aus, dass es in jeder Gesellschaftsform K.e gibt, die bis zu einem gewissen Grad der -»Demokratie zuträglich und Ausdruck der -»Partizipation jedes einzelnen im Staat sind (-»Pluralismus). Nach dieser Auffassung ist es Aufgabe staatlicher Institutionen, einen Rahmen für die (friedliche) Regelung und Austragung von K.en zu bilden (siehe auch -»Konkordanzdemokratie; -»Konkurrenzdemokratie). Konföderation (lat. confoederatio: Bündnis), Bund mindestens zweier gleichberechtigter Staaten, der mit gemeinsamen -»Organen ausgestattet ist, die allerdings meist nur indirekte Hoheitsgewalt ausüben (Staatenbund). Die an der K. beteiligten Einzelstaaten geben im Gegensatz zum -»Bundesstaat ihre -»Souveränität nicht auf und agieren innenund außenpolitisch selbständig. Kongress (lat. congressus: Zusammenkunft), 1. nationale oder internationale Zusammenkunft; 2. in einem Staat mit -»Zweikammersystem häufig die Bezeichnung für das -»Parlament; so bilden etwa in den Vereinigten Staaten der -»Senat und das -»Repräsentantenhaus zusammen den K. Konjunkturpolitik (lat. conjuncture: verbinden), alle staatlichen Maßnahmen zur Regelung der Konjunktur. Insbesondere wird unter K. -»Wirtschaftspolitik im Sinne des - » K e y nesianismus verstanden 116

Konkrete Normenkontrolle

Konkordanzdemokratie (lat. concordantia: Übereinstimmung), Modell für ein politisches System, in dem alle wichtigen gesellschaftlichen Kräfte an der Machtausübung und Aushandlung von Entscheidungen beteiligt sind, d.h. in dem nicht (allein) die durch Wahl festgestellte Mehrheit über politische Prozesse und Resultate bestimmt (siehe auch -»Proporzdemokratie). Im Gegensatz zur —»Konkurrenzdemokratie werden in der K. Konflikte nicht durch den Wettbewerb von politischen -»Parteien und -»Interessenverbänden um Macht und Einfluss geregelt, sondern durch eine festgelegte und institutionalisierte Machtverteilung (z.B. -»Proporz) zwischen den Gruppen. In pluralistisch konstituierten Gesellschaften kann die K. nicht nur zur sozialen Stabilität beitragen, sondern bietet auch die Möglichkeit, ansonsten eventuell ausgeschlossene Minderheiten zu berücksichtigen. Andererseits fuhrt die Institutionalisierung der -»Partizipation verschiedenster Gruppen an der Entscheidungsfindung zu einem langwierigen und ineffizienten Prozess. An dessen Ende wird aufgrund der vielfältigen Kompromisse nicht selten nur ein Minimalkonsens auf kleinstem gemeinsamen Nenner erzielt. Vielfach wird an der K. daher ihre Unfähigkeit zu radikalen Reformen kritisiert. In der Bundesrepublik finden sich einige Elemente der K., wie etwa bei der Besetzung des —»Bundesverfassungsgerichts, insofern es hierfür die Entscheidung mit Zweidrittelmehrheit bedarf.

Konkordat (lat. concordare: übereinstimmen), Vertrag auf völkerrechtlicher Ebene, der zwischen dem Vatikan und einem Staat abgeschlossen wird, um die Rechte der katholischen Kirche in diesem Staat festzulegen (siehe auch -»Kirchenvertrag). Als K. gelten nicht die Abkommen, die vom Heiligen Stuhl als Mitglied der Völkerrechtsgemeinschaft geschlossen werden. Konkrete Normenkontrolle - » Bundesverfassungsgericht

Konkurrenzdemokratie

Konkurrenzdemokratie (lat. concurrere: im Wettstreit stehen), Modell für ein politisches System, das durch den Wettbewerb politischer -»Parteien und gesellschaftlicher Gruppen um die Macht gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zur -»Konkordanzdemokratie werden Entscheidungen in der K. nicht als Kompromiss zwischen allen Betroffenen ausgehandelt, sondern von der in Wahlen ermittelten Mehrheit getroffen. Dem Modell der K. liegt die Vorstellung des - dem wirtschaftlichen Wettbewerb analogen - Parteienkampfes um Wählerstimmen zu Grunde, wobei diejenige Partei mit den attraktivsten Angeboten an die Macht kommt. Die K. basiert auf der Einschätzung der Demokratie als eines Verfahrens, mittels dessen diejenigen Werte und Vorstellungen sich durchsetzen, die die größte Unterstützung erhalten; während dieses Prozesses erfahren diese Vorstellungen nicht - wie in der -»Konkordanzdemokratie - eine wechselseitige Modifikation und Angleichung. Zu den Vorteilen der K. werden gezählt: klare Optionen, einfache und schnelle Regulierung von Konflikten, Möglichkeit der unkomplizierten und flexiblen Änderungen der Politik durch Regierungswechsel. Allerdings setzt eine funktionierende K. voraus, dass die Gesellschaft keine zu große, dauerhafte Zersplitterung in kleine soziale und politische Gruppen aufweist und sich die Interessen bündeln lassen. Ansonsten gefährdet die K. durch die Betonung von Mehrheitsentscheidungen die Rechte gesellschaftlich schwacher Minderheiten.

Konkurrierende Gesetzgebung, die - » G e setzgebung in einem Bundesstaat, für die sowohl die Gliedstaaten als auch der Bund -»Kompetenzen besitzen. In der Bundesrepublik können die -»Bundesländer in den in Art. 74, 74a und 105 GG festgelegten Bereichen Gesetze erlassen, „solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat" (Art. 72,1 GG). Allerdings schränkt Art. 72,2 GG die Gesetzgebungskompetenz des

Konservatismus Bundes auf die Fälle ein, in denen nur ein -»Bundesgesetz die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse" gewährleisten kann. Die K. bezieht sich unter anderem auf folgende Bereiche: bürgerliches und Strafrecht, Flüchtlingsangelegenheiten, öffentliche Fürsorge, Kernenergie. Konnexitätsprinzip (lat. connexitas: innerer Zusammenhang, Verbindung), verfassungsrechtlicher Grundsatz, wonach in einem —»Bundesstaat diejenige —»Körperschaft für die Finanzierung einer Aufgabe zuständig ist, die diese Aufgabe auch ausfuhrt (Art. 104a, 1 GG). Konsens (lat. consensus: Übereinstimmung), in politischen und sozialen Zusammenhängen verweist der Begriff K. meist darauf, dass eine -»Gesellschaft nur existieren kann, wenn ihre Mitglieder in Grundeinstellungen übereinstimmen. Dabei ist allerdings unklar, wie umfassend die Übereinstimmung sein soll. Während einige davon ausgehen, dass eine Einigkeit hinsichtlich (demokratischer) Verfahren ausreicht, halten andere einen weitergehenden K. für den gesellschaftlichen Zusammenhalt für notwendig - z.B. einen Wertekonsens über die Achtung der eigenen Tradition und der darin entwickelten Normen. In der Realität sind (demokratische) Gesellschaften zumeist durch einen K. gekennzeichnet, der zwischen den beiden Polen des Minimalkonsenses und der allgemeinen Übereinstimmung angesiedelt ist (-»Pluralismus). Konservatismus (lat. conservare: erhalten, bewahren), 1. im weiten Sinne gesellschaftspolitische Haltung, die die bestehende gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung bewahren will und sich gegen Veränderungen jeglicher Art stellt. 2. Weltanschauung und mit ihr verbundene politische Einstellung, der zwar keine einheitliche Theorie zu Grunde liegt, die jedoch 117

Konstituante zumindest einige der folgenden Elemente enthält: Festhalten an traditionellen Werten und Institutionen, Glaube an göttliche Ordnung, Hierarchisierung der Gesellschaft, die Überordnung der staatlichen Autorität über das Individuum, Bedeutung des Privateigentums für die gesellschaftliche Entwicklung, Ablehnung von -»Revolution. Während der K. bis in die 1970er-Jahre für einen starken Staat plädierte, stellt der -»Neokonservatismus unter Beibehaltung anderer traditioneller Werte wie Familie und Kirche das individuelle Leistungsprinzip in den Vordergrund, wobei die Rolle des Staates, etwa hinsichtlich Sozialleistungen, stark reduziert wird. Mittlerweile hat der Begriff K. durch seine vielfache und diffuse Verwendung an Klarheit verloren. 3. Epoche im 19. Jh. in Europa, die durch die ablehnende Reaktion der europäischen Staaten auf die französische Revolution geprägt war. Konstituante (lat. constituare: beschließen), verfassungsgebende parlamentarische Versammlung. Konstitution - » Verfassung Konstitutionalismus (lat. constitutio: Verfassung), 1. gleichbedeutend mit -»konstitutioneller Monarchie; 2. Staatsform, in der die staatliche Herrschaft durch eine -»Verfassung oder verfassungsäquivalente Nonnen gegründet und in ihrer Ausübung geregelt wird. Ebenso sind in der Regel die -»Grundrechte und die Kontrolle der Machtausübung durch eine Verfassung festgelegt. 3. Ende 18. Jh. und Anfang des 19. Jh. aufklärerische politische Bewegung zur Verfassungsgebung, die sich vor allem gegen den -»Absolutismus und gegen die erbliche Herrschaft richtete. Konstitutionelle Monarchie (lat. constitutio: Verfassung; griech. monarchia: Alleinherrschaft), -»Monarchie, deren Regierungsgewalt durch eine —»Verfassung geregelt 118

Konterbande bzw. beschränkt ist. Zu den Kennzeichen der K. zählen unter anderem die Geltung von -»Grundrechten und die -»Gewaltenteilung. Hierbei hat der Monarch exekutive Gewalt, das Parlament legislative Gewalt inne und die -»Judikative obliegt unabhängigen Gerichten. Zwar verfügt das Parlament über das -»Budgetrecht (und kann über diesen Weg Einfluss auf Entscheidungen der Regierung ausüben), aber es hat keine Befugnis zur Bestellung der Regierung. Konstruktives Misstrauensvotum, besondere Form der Abwahl einer -»Regierung durch das -»Parlament in -»parlamentarischen Regierungssystemen, indem das Parlament einen neuen -»Regierungschef bestimmt. Laut Art. 67,1 GG erfolgt das K. in der Bundesrepublik dadurch, dass der -»Bundestag „mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muss dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen". Die Bindung der Abwahl des alten an die Neuwahl eines neuen Regierungschefs soll verhindern, dass die Regierung von einer Parlamentsmehrheit gestürzt wird, die sich nicht auf die Bildung einer neuen Regierung einigen kann. Konsul (lat. consulere: überlegen, sich beraten), Leiter eines -»Konsulats. Konsulat (lat. consulere: überlegen, sich beraten), Vertretung eines Staates in einem anderen Staat unterhalb der Regierungsebene. Im Gegensatz zu -»Botschaften besteht die Aufgabe eines K. nicht in der politischen Repräsentation, sondern das K. ist vor allem tätig im Bereich der Wirtschaft, der Rechtshilfe und der Kulturpflege, ebenso wie etwa in Staatsangehörigkeits- und Passangelegenheiten. Konterbande (lat. contra bandum: gegen die Verordnung), völkerrechtliche Bezeichnung für Güter, die für Kriegszwecke verwendet

Konzentrationslager

Konterrevolution w e r d e n k ö n n e n u n d in einen K r i e g f ü h r e n d e n

sehen

Staat transportiert w e r d e n - d i e s auf e i n e m

(-»ABC-Waffen).

und

nicht

chemischen

Waffen

S c h i f f , das sich e n t w e d e r in privatem oder im E i g e n t u m eines neutralen

Staates b e f i n d e t .

K o n v e r g e n z k r i t e r i e n (lat. c o n v e r g e r e : sich

N a c h d e m V ö l k e r r e c h t d ü r f e n diese G ü t e r

hinneigen), B e d i n g u n g e n f ü r die T e i l n a h m e

von e i n e m K r i e g s g e g n e r des B e s t i m m u n g s -

eines Staates der - » E G / E U an d e r 1999 be-

staates b e s c h l a g n a h m t w e r d e n , wenn er sie

gonnenen

zuvor auf einer Liste der K. a n g e f ü h r t hat.

W i r t s c h a f t s - und W ä h r u n g s u n i o n ( - » W W U ) . Die

vier

dritten K.

Stufe

sind:

Die

der

europäischen

Inflationsrate

darf

K o n t e r r e v o l u t i o n (lat. contra: gegen, revo-

höchstens 1,5 P r o z e n t p u n k t e über d e r d u r c h -

lutio: Z u r ü c k d r e h e n , -wälzen), 1. im weiten

schnittlichen Inflationsrate der drei preissta-

Sinne alle B e s t r e b u n g e n , die die Ergebnisse

bilsten Länder liegen; d e r n o m i n e l l e langfris-

einer - » R e v o l u t i o n

tige Z i n s s a t z darf nur h ö c h s t e n s zwei

versuchen

und

r ü c k g ä n g i g zu

deren

machen

zugrundeliegenden

Pro-

z e n t p u n k t e über d e m D u r c h s c h n i t t s z i n s s a t z in

Ideen v e r w e r f e n .

den drei preisstabilsten L ä n d e r n liegen; die

2. Im e n g e r e n Sinn k o m m u n i s t i s c h e r

Aus-

j ä h r l i c h e N e u v e r s c h u l d u n g darf drei P r o z e n t

druck f ü r alle B e s t r e b u n g e n und Haltungen

und die G e s a m t v e r s c h u l d u n g s e c h z i g P r o z e n t

g e g e n den - » K o m m u n i s m u s , seine A n s c h a u ungen und seine angestrebten

oder

bereits

verwirklichten Ziele.

des B r u t t o i n l a n d s p r o d u k t s nicht Wechselkurs normalen

K o n t i n g e n t f l ü c h t l i n g e (lat.

contingere:

überschrei-

ten; mindestens zwei J a h r e lang m u s s sich d e r der

Währung

innerhalb

Schwankungsbreite

im

der

Europäi-

schen W ä h r u n g s s y s t e m ( - » E W S ) b e w e g e n .

zuteil w e r d e n ) , d i e j e n i g e n - » F l ü c h t l i n g e , die im R a h m e n

humanitärer

Hilfsaktionen

für

Konvergenztheorie

(lat.

convergere:

sich

b e g r e n z t e Zeit a u f g e n o m m e n w e r d e n , o h n e

hinneigen), p o l i t i k w i s s e n s c h a f t l i c h e

dass sie ein A s y l v e r f a h r e n d u r c h l a u f e n müs-

sung, w o n a c h sich die kapitalistische u n d die

sen ( - » A s y l ) . 1999 n a h m die B u n d e s r e p u b l i k

kommunistische

9 . 5 0 0 K. auf.

L a u f e der Zeit

Auffas-

Gesellschaftsordnung einander

angleichen.

im Dies

wird vor allem d a d u r c h erklärt, d a s s b e i d e K o n t r a k t u a l i s m u s (lat. contractus: V e r t r a g )

Industriegesellschaften sind, die a u f densel-

- > Vertragstheorien

ben technischen B e d i n g u n g e n basieren.

Kontrasignatur - » Gegenzeichnung

Konversion

(lat.

conversio:

Umkehrung),

U m w a n d l u n g militärischer in zivile P r o d u k K o n t r i b u t i o n (lat. contributio: Beitrag), die

tion durch veränderten Einsatz d e r b i s h e r zur

von den B e w o h n e r n eines besetzten G e b i e t e s

Rüstungsproduktion

im K r i e g von d e r B e s a t z u n g s m a c h t g e f o r d e r -

i n s b e s o n d e r e auf d e m G e b i e t der F o r s c h u n g

te A b g a b e ( - » B e s a t z u n g ) . S o f e r n diese A b -

und Entwicklung.

genutzten

Ressourcen,

gabe zur F i n a n z i e r u n g der B e s a t z u n g s k o s t e n v e r w e n d e t w e r d e n , ist die K. völkerrechtlich erlaubt (siehe a u c h - » R e q u i s i t i o n ) .

K o n z e n t r a t i o n s l a g e r , 1. ursprünglich Lager, in d e n e n w ä h r e n d eines Krieges A n g e h ö r i g e eines gegnerischen Staates, die nicht an den

K o n v e n t i o n (lat.

convenire:

übereinkom-

Kampfhandlungen

beteiligt

sind,

interniert

m e n ) , völkerrechtlicher, meist multilateraler

werden (-»Internierung).

Vertrag.

2. Heute B e z e i c h n u n g für L a g e r in - » D i k t a turen, in denen m a n v e r m e i n t l i c h e Staatsfein-

Konventionelle

Waffen,

Sammelbezeich-

n u n g f ü r alle nicht a t o m a r e n , nicht biologi-

de inhaftiert, deren

Festnahme

gewöhnlich

auf W i l l k ü r basiert und die h ä u f i g S c h i k a n e n , M i s s h a n d l u n g e n , Folter und H u n g e r ertragen 119

Konzertierte Aktion müssen und oft an deren Folgen sterben. Die Insassen der K. werden nicht selten zur ->Zwangsarbeit angehalten. In den K.n, den Arbeitslagern, der UdSSR fanden mehrere Millionen Menschen den Tod. In den K.n des -»Nationalsozialismus ftlhrte man mit den Inhaftierten medizinische Experimente durch (z.B. Zwangsimpfiingen, Vivisektion). Die Vernichtungslager des Nationalsozialismus stellen wohl die schrecklichste Form von K.n dar: In diesen wurden hauptsächlich durch Giftgas mehrere Millionen Menschen, vor allem Juden, systematisch umgebracht. Insgesamt fanden schätzungsweise sieben Millionen Menschen in den K.n des Nationalsozialismus den Tod (-»Holocaust; - » A n tisemitismus). Konzertierte Aktion (frz. concerter: besprechen, etwas verabreden), Ausschuss aus Vertretern von -»Bundesregierung, -»Bundesbank, den wichtigsten Wirtschaftsverbänden und -»Gewerkschaften zur gemeinsamen Koordinierung gesamtwirtschaftlicher Maßnahmen, der von 1966-1977 zusammentrat. Ein entsprechendes Gremium besteht seit 1977 im Bereich der Gesundheitspolitik. Kooperativer Föderalismus, in einem -»Bundesstaat Art der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Gliedstaaten, die durch gemeinsame Planung und Ausführung vor allem in den Bereichen der -»Gesetzgebung und -»Verwaltung gekennzeichnet ist ( - » F ö deralismus). Kooptation (lat. cooptare: hinzuwählen), Art der Besetzung von kollektiven Gremien, bei der neue Mitglieder durch diejenigen Personen gewählt werden, die dem Gremium bereits angehören. Diese nicht selten praktizierte Form der Rekrutierung (angewendet z.B. bei Vorstandswahlen in Unternehmen) wird wegen ihres undemokratischen Prozedere und der damit verbundenen Gefahr der Klüngelbildung kritisiert.

120

Korpora tismus Körperschaft, Organisation, die sich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen zusammensetzt und rechtlich als juristische Person gilt. Eine öffentlich-rechtliche K. wird durch einen Hoheitsakt zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gegründet und wird staatlich beaufsichtigt. Man unterscheidet hierbei zwischen Realk.en (die Mitgliedschaft ist verbunden mit einer tatsächlichen oder einer rechtlichen Eigenschaft), Personalk.en (die Mitgliedschaft ergibt sich aus personellen Eigenschaften) und den Gebietsk.en (die Mitgliedschaft beruht auf Gebietsansässigkeit). In der Bundesrepublik sind beispielsweise die -»Gemeinden Gebietsk. Als K. kann auch ein -»Staat verstanden werden. Korporation (lat. corporatio: Körperlichkeit), 1. veraltet für -»Körperschaft; 2. im weiten Sinne Bezeichnung für Vereinigung, vor allem von Personen einer Berufssparte oder einer Glaubensgemeinschaft. Korporatismus (lat. corporativus: einen Körper bildend), Form der politischen Willensbildung und der Entscheidung, die auf der Zusammenarbeit von -»Interessenverbänden (zumeist im Bereich der Wirtschaft) und -»Exekutive basiert. Hierbei sind die Entscheidungsprozesse außerhalb des -»Parlaments institutionalisiert und werden jenseits gesetzlich geregelter Abläufe ausgehandelt. In der Bundesrepublik ist etwa die -»konzertierte Aktion Ausdruck des K. Man unterscheidet hauptsächlich zwischen faschistischem K., bei dem die Mitwirkung der Verbände auf Zwang und -»Gleichschaltung beruht, und dem liberalen, also auf Freiwilligkeit gegründeten (Neo-)K. Während einerseits der K. die Möglichkeit der Anbindung politischer Entscheidungen an praxisnahe und sachverständige Gruppen bietet, besteht andererseits die Gefahr des Ausschlusses schwacher Verbände und nicht artikulationsfähiger Minderheiten bzw. Interessen. Außerdem übergeht der K. die politischen Institutionen und das Parlament als Vertretung des gesamten Volkes.

Korporativismus

Korporativismus (lat. corporativus: einen Körper bildend), 1. gesellschaftspolitische Ordnung des mittelalterlichen -»Ständestaates; 2. gleichbedeutend mit -»Korporatismus. Kreationsfunktion, Funktion des —•Parlaments in -»parlamentarischen Regierungssystemen, eine -»Regierung zu wählen, in der Bundesrepublik durch Wahl des -»Bundeskanzlers (Art. 63 GG). Kreis, staatlicher Verwaltungsbezirk, der sowohl die Aufgabe der -»Selbstverwaltung kommunaler Angelegenheiten als auch die Funktion als staatliche Verwaltungsbehörde wahrnimmt. Während der Landk. sich aus mehreren -»Gemeinden zusammensetzt, besteht ein Stadtk., d.h. eine so genannte kreisfreie Stadt, nur aus einer Großstadt als Gemeinde. Zu den Selbstverwaltungsaufgaben eines K. gehören unter anderem: öffentliche Sicherheit und Ordnung, Trägerschaft von -»Sozialhilfe, Bau und Unterhalt von Schulen, Krankenhäusern und Wohlfahrtsinstitutionen (siehe -»Kommunalpolitik). Im Auftrage des Staates ist der K. unter anderem für die Landschaftspflege und das Straßenverkehrswesen zuständig. Organe des K. sind —»Landrat bzw. Oberkreisdirektor, K.tag (Volksvertretung: Beschluss fassende Funktion hinsichtlich Selbstverwaltungsangelegenheiten) und K.ausschuss (je nach K.verfassung mit unterschiedlicher Funktion und Bedeutung, teils hat der K.ausschuss nur Hilfsfunktion inne, teils Hauptverwaltungsfunktion). Kreml, ehemaliger Zarensitz in Moskau, heute Amtssitz der russischen (früher der sowjetischen) Regierung. Krieg, nach einer Bestimmung des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts eine länger andauernde bewaffnete Auseinandersetzung zwischen einer -»Regierung und oppositionellen Gruppen (-»Bür-

Kriegserklärung gerkrieg) oder zwischen mehreren Regierungen verschiedener Staaten unter Einsatz industriell produzierter Waffen mit mindestens tausend Toten. In der Regel wird dieser Definition die planmäßige Organisation der Gewaltanwendung als weiteres Kennzeichen des K. hinzugefugt. Während früher die Zivilbevölkerung von den direkten Auswirkungen der Kriegsereignisse verschont blieb, erleidet sie im Zuge der modernen K.e zunehmend große Verluste. Schätzungen gehen im Ersten Weltkrieg von etwa fünf Prozent Zivilisten unter den Toten aus, während man im Zweiten Weltkrieg einen Anteil von knapp fünfzig Prozent annimmt. Bei den Indochina-Kriegen von Vietnam, Kambodscha und Laos geht man davon aus, dass neunzig Prozent der Toten Zivilisten und Nonkombattanten waren. Kriegsdienstverweigerung, die Weigerung, -»Wehrpflicht zu leisten. In der Bundesrepublik basiert das Recht zur K. auf dem im Grundgesetz formulierten Prinzip, dass niemand „gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden" darf (Art. 4,3). Die K. muss schriftlich beantragt und vom Bundesamt für den -»Zivildienst anerkannt werden. In der Regel wird die K. nur akzeptiert, wenn sie durch eine persönliche Gewissensentscheidung, die das Töten eines anderen Menschen verbietet, begründet wird. Hierbei sind allgemeine, etwa politische oder wirtschaftliche Gründe nicht ausreichend. Wer den Kriegsdienst verweigert, muss einen zivilen Ersatzdienst in sozialen Bereichen ableisten, der länger als der Wehrdienst dauert. Das Recht auf K. besteht nicht in allen Ländern. Kriegserklärung, durch einen Staat erfolgende formelle Bekanntgabe an einen anderen, die den Kriegszustand zwischen beiden feststellt. (Eine an Bedingungen geknüpfte K. bezeichnet man als -»Ultimatum.) Nach dem „III. Haager Abkommen für den Beginn der Feindseligkeiten" von 1907 muss vor Beginn der kriegerischen Handlungen eine K. abge121

Kriegsgefangene geben werden, woran sich die Staaten faktisch allerdings nicht halten. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die das Kriegsrecht betreffen, sind jedoch nicht von einer K. abhängig. In der Bundesrepublik verbietet Art. 26 GG die Vorbereitung eines Angriffskrieges, weswegen die Möglichkeit der K. rechtlich nicht vorgesehen ist. Kriegsgefangene, Personen, die in einem -»Krieg von einem gegnerischen Staat gefangen genommen werden. Der Schutz der K.n ist im III. Genfer Abkommen festgelegt, das von knapp 190 Staaten unterzeichnet wurde. Da Kriegsgefangenschaft lediglich als Instrument gilt, die Fortfuhrung des Kampfes seitens des Gegners zu verhindern, müssen K. eine humane Behandlung erfahren und dürfen nicht bestraft werden - ihre Arbeitskraft darf allerdings genutzt werden. Schwerkranke sind sofort, alle anderen K.n unmittelbar nach Beendigung des Krieges freizulassen. Außerdem muss dem Roten Kreuz die Möglichkeit gegeben werden, die K.n zu besuchen und u.a. in unbeaufsichtigten Gesprächen mit den K.n die Einhaltung ihrer Rechte zu kontrollieren. Kriegsleistungen, die Leistungen, die im Krieg oder zu dessen Vorbereitung von der Zivilbevölkerung erbracht werden müssen, um die militärischen Handlungen zu unterstützen. Kriegsrecht, 1. zwischenstaatlich die völkerrechtlichen Regelungen filr den Kriegsfall: So dürfen keine Wehrlosen getötet, darf kein Giftgas eingesetzt und muss der Krieg durch eine —»Kriegserklärung eröffnet werden. Wesentliche Regelungen des K. enthalten die - » G e n f e r Konventionen. 2. Im innerstaatlichen Sinne die besonderen, für den Fall eines Krieges festgelegten Rechtsverhältnisse (-»Notstand). Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das -»Kriegsrecht (siehe auch -»Internationaler Strafgerichtshof). 122

Kritischer Rationalismus

Kritische Theorie, Oberbegriff fiir aus dem Frankfurter Institut für Sozialforschung (gegründet 1924) hervorgegangene Gesellschaftstheorien, zu deren (der so genannten -»Frankfurter Schule zugerechneten) Vertretern vor allem Herbert Marcuse (1898-1979), Max Horkheimer (1895-1973), Theodor W. Adorno (1903-1969), Erich Fromm (19001980) und - mit Einschränkungen - Jürgen Habermas (geboren 1929) gezählt werden. Entstanden ist die K. als Versuch, eine an Karl Marx (1818-1883) angelehnte Analyse und Deutung der Gesellschaft zu entwickeln, um die soziale und ökonomische Emanzipation der Individuen durch Bewusstmachung von sozioökonomischen Mechanismen einzuleiten und zu fördern. Mit dem Anspruch, theoretische Überlegungen in den Kontext der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu stellen, werden psychoanalytische, ökonomische, anthropologische, soziologische, philosophische und historische Forschungen miteinander verbunden. Themenschwerpunkte der K. bilden u.a. Totalitarismusforschung, Kapitalismus- und Kulturkritik. So wird etwa auf den Prozess der Gesellschaft verwiesen, innerhalb dessen sich die auf Naturbeherrschung gerichtete Vernunft im Laufe der Zeit zerstörerisch auf den Menschen selbst auswirkt, der auch Teil der Natur ist. In diesem Zusammenhang fordert die K. eine den gesellschaftlichen Bedürfnissen gerecht werdende Entwicklung der Vernunft. Des weiteren kritisiert die K. die total „verwaltete Welt", innerhalb derer etwa das Individuum auf die Erfüllung seiner Funktionen im kapitalistischen System reduziert wird. Gegen die Funktionalisierung der Gesellschaft wendet sich auch Jürgen Habermas, der die kommunikativen Prozesse in ihrer Bedeutung für die Entwicklung einer demokratischen und aufgeklärten Gesellschaft in den Vordergrund stellt.

Kritischer Rationalismus, Denkrichtung, die von K R. Popper (1902-1994) begründet wurde und der zufolge sich die Wahrheit menschlichen Wissens nicht endgültig bewei-

KSE-Vertrag

KVAE

sen lässt. Wissenschaftliche Theorien und Aussagen über die Wirklichkeit gelten folglich nur vorläufig, das heißt so lange, wie sie nicht durch Beobachtung widerlegt werden. Der sich daraus ergebende Pluralismus und die Toleranz gegenüber anderen Auffassungen gelten auch für gesellschaftliche und politische Theorien. Der K. fordert daher eine „offene Gesellschaft" und wendet sich insbesondere gegen Gesellschaftsentwürfe, die auf Planung und die eindeutige Prognostizierbarkeit zukünftiger Entwicklungen abheben, wie z.B. diejenigen Piatons, Hegels und Marx'.

Kunst, Forschung und Wissenschaft, Erziehung und Bildung. Ferner zählt man auch den Bereich der Medien und der Religionsgemeinschaften zum Gebiet der K. In der Bundesrepublik wird die -»Bildungspolitik als die Hauptaufgabe der staatlichen K. angesehen. Grundsätzlich obliegt die K. den einzelnen Bundesländern (-»Kulturhoheit).

KSE-Vertrag, Abkürzung fiir Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa, der Ende 1990 zwischen den Staaten des - » W a r schauer Paktes und der - » N A T O abgeschlossen wurde ( - » M B F R ) . Der Geltungsbereich des K. erstreckt sich vom Ural bis zum Atlantik mit Ausnahme der baltischen Staaten und unter Einschluss von Teilen der Türkei. Der K. legt Höchstgrenzen für Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artilleriewaffen, Kampfflugzeuge und Angriffshubschrauber fest. Er zwang insbesondere die UdSSR zu im Vergleich weitreichendem Abbau ihrer konventionellen Angriffswaffen. 1999 haben sich die Vertragsstaaten über eine Anpassung des K. an die veränderten sicherheitspolitischen Bedingungen in Europa geeinigt.

Kultusministerkonferenz, in der Bundesrepublik Konferenz der Kultusminister (—»Kultusministerium) der Bundesländer. Die dort gefassten Beschlüsse sind rechtlich nicht verbindlich, faktisch jedoch sind sie für die Länderpolitik von großer Bedeutung.

KSZE - » OSZE Kulturhoheit, -»Kompetenz eines Staates im kulturellen Bereich, zum Beispiel im Schul- und Erziehungswesen, in Kunst und Wissenschaft. In der Bundesrepublik besitzen die -»Bundesländer die K., wobei allerdings dem Bund die Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Forschungsförderung, des Presserechts sowie die Gesetzgebungskompetenz fiir -»Rahmengesetze im Hochschulbereich zufallen.

Kultusministerium, das für die -»Kulturpolitik zuständige Ministerium. In der Bundesrepublik existiert das Kultusministerium nur auf Länderebene.

Kumulieren (lat. cumulus: Haufen), Verfahren der Stimmgebung, bei dem der Wähler über mehrere Stimmen verfügt, die er nicht einzeln jeweils einem Kandidaten geben muss, sondern die er ganz oder teilweise einem Kandidaten geben kann. In der Bundesrepublik findet das Verfahren des K. bei Kommunalwahlen, etwa in Bayern und Baden-Württemberg, Anwendung. KVAE, Abkürzung für Konferenz über Vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa, die zwischen 1984 und 1986 stattfand. Teilnehmer waren europäische Staaten, die UdSSR, die Vereinigten Staaten und Kanada. Ergebnis der K. ist die Verpflichtung der 35 Teilnehmerstaaten, größere Manöver anzukündigen und durch Vertreter anderer Staaten beobachten zu lassen (-»vertrauensbildende Maßnahmen).

Kulturpolitik, Gesamtheit der Maßnahmen zur Planung und Koordinierung der Bereiche 123

Laissez faire

L Laissez faire (frz. für „Lasst machen!"), Grundsatz, wonach der Staat nicht in die Wirtschaft eingreifen soll, da diese sich am besten selbst reguliert. Laizismus (lat. laicus: weltlich), Prinzip, wonach Kirche und Staat streng zu trennen sind und daher jegliche kirchliche Beeinflussung von Politik und Staat abzulehnen ist. Land - » Bundesland Länderfinanzausgleich - » Finanzausgleich Länderkammer, Organ eines -»Bundesstaates, in dem die -»Bundesländer parlamentarisch vertreten sind. Die L. setzt sich entweder aus Regierungsvertretern der Länder (z.B. -»Bundesrat), aus Abgeordneten der Landtage (z.B. österreichischer Bundesrat) oder aus direkt vom Volk gewählten Abgeordneten (z.B. -»Senat der Vereinigten Staaten) zusammen. Landesgesetze, von einem -»Bundesland erlassene Gesetze, die nur für dieses Land gelten und dies nur, wenn sie nicht - » B u n desgesetzen widersprechen. In der Bundesrepublik gilt hinsichtlich einiger Bereiche das Prinzip der -»ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes, hinsichtlich einiger Bereiche das Prinzip der -»konkurrierenden Gesetzgebung und hinsichtlich einiger Bereiche das der Rahmengesetzgebung, bei der Landesgesetze den vom Bund vorgegebenen gesetzlichen Rahmen ausfüllen (-»Rahmengesetz). Landesgruppe, im Deutschen -»Bundestag Zusammenschluss derjenigen Fraktionsmitglieder einer Partei, die das gleiche - » B u n desland vertreten (siehe auch -»Fraktion). Landeskirche, 1. im weiten Sinne die Kirche, der die große Mehrheit oder alle Bürger eines Staates angehören und die von dem Staat anerkannt ist.

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Landessteuern 2. Im engen Sinne eine aus einzelnen Kirchengemeinden bestehende -»Körperschaft der evangelischen Kirche in der Bundesrepublik, z.B. die Kirche von Kurhessen-Waldeck oder die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern. Landesliste, bei der -»Bundestagswahl die auf Landesebene aufgestellte -»Liste der Kandidaten einer Partei. Landesparlament, in der Bundesrepublik das -»Parlament eines -»Bundeslandes. Landespartei, in einem -»Bundesstaat organisatorisch auf ein -»Bundesland beschränkte Partei. Diese organisatorische Einschränkung bedeutet nicht notwendigerweise, dass die L. sich allein mit Landespolitik befasst oder nur in ihrem Bundesland politische Macht anstrebt. Landesrecht, alle von einem -»Bundesland erlassenen Rechtsnormen. In der Bundesrepublik gilt dabei das Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht" (Art. 31 GG), d.h. dass, wenn sowohl ein -»Landesgesetz als auch ein -»Bundesgesetz anwendbar ist, das Bundesgesetz gilt. Landesregierung, in einem -»Bundesstaat die Regierung eines -»Bundeslandes. In der Bundesrepublik das jeweilige -»Landesparlament wählt den -»Regierungschef, der anschließend die Minister ernennt, oder die gesamte L. In der Regel gelten wie für die -»Bundesregierung auch für die L. die Grundsätze der Richtlinienkompetenz (-»Bundeskanzler), des -»Kollegialprinzips und des Ressortprinzips. Vertreter der L. repräsentieren im -»Bundesrat ihr Land. Landessteuern, in der Bundesrepublik diejenigen Steuern, die die Bundesländer erheben und die diesen (teilweise) zukommen. Zu den L. gehören die Bier-, Kfz-, Erbschafts-, Verkehrs- und Vermögenssteuern ebenso wie die Abgaben auf Spielbanken. Die Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuern

LDC

Landesverfassung werden zwischen Bund und Land aufgeteilt (-»Finanzausgleich). Landesverfassung, die -»Verfassung eines Bundeslandes in einem -»Bundesstaat. „Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern", so legt Art. 28,1 GG fest, „muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen." Dabei gilt das Prinzip von Art. 31 GG: „Bundesrecht bricht Landesrecht". Das heißt, dass wenn sowohl ein -»Landesgesetz als auch ein —•Bundesgesetz anwendbar sind, das Bundesgesetz gilt. Landesverrat, Straftaten, die die äußere Sicherheit eines Staates gefährden (im Unterschied zum die innere Sicherheit gefährdenden -»Hochverrat). L. wird beispielsweise durch die mit Schädigungsabsichten verbundene Weitergabe von Staatsgeheimnissen begangen. Landesvertretung, in einem —»Bundesstaat die Vertretung eines -»Bundeslandes beim Bund und seinen Organen mit den Zielen u.a. des Informationsaustausches, der Einflussnahme und der Repräsentation. Landesverwaltung, die Aufgabe der staatlichen -»Verwaltung, die in einem -»Bundesstaat einem Bundesland zugeteilt ist, und die damit verbundene Verwaltungsbürokratie. In der Bundesrepublik ist die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben Sache der Länder. Auch die Ausfuhrung von -»Bundesgesetzen obliegt großteils den L.en, wobei sie einen Teil der Bundesgesetze in eigener Verantwortung ausführen, andere dagegen im Auftrag des Bundes („Auftragsverwaltung"). In der Bundesrepublik lässt sich die L. in drei Ebenen unterteilen: An erster Stelle steht die -»Landesregierung mit ihren Ministerien, deren Zuständigkeitsbereich sich auf bestimmte Sachgebiete im gesamten Land erstreckt. An zweiter Stelle stehen in den meisten Bundesländern die Bezirksregierungen. Die unterste Verwaltungsebene bilden die

-»Gemeinden und -»Kreise, die darüber hinaus auch die -»kommunale Selbstverwaltung ausüben. Überdies gibt es für besondere Verwaltungsaufgaben Behörden mit eigenständigem mehrstufigem Aufbau, z.B. die Finanzbehörden. Landeszentralbank, Organ der -»Bundesbank, das als Hauptverwaltung der Bundesbank auf Länderebene tätig ist. Landkreis - » Kreis Landrat, 1. in der Bundesrepublik Leiter der Landkreisverwaltung und Repräsentant eines -»Kreises. Der L. wird entweder von der -»Landesregierung ernannt oder vom Kreistag bzw., wie in Bayern, direkt von Bürgern des Kreises gewählt. 2. In der Schweiz das Parlament der - » K a n tone. Landtag - » Landesparlament Lauschangriff, Bezeichnung für die Oberwachung von Wohnräumen durch Abhöreinrichtungen. In der Bundesrepublik ist der so genannte große L. seit einer Änderung des Grundgesetzes 1998 zulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass jemand eine besonders schwere Straftat begangen hat. Die Abhörmaßnahme kann alle Wohnungen betreffen, in denen sich der Verdächtige vermutlicht aufhält, und muss in der Regel durch ein Gericht angeordnet werden. Law-and-Order (engl, für „Recht und Ordnung"), politische Grundeinstellung, der zufolge die gesellschaftliche Sicherheit und Ordnung nur durch rigide Maßnahmen wie strenge (Polizei-)Kontrollen und strikte Gesetze erhalten werden kann. LDC, Abk. für engl, less developed countries, unspezifisch gebrauchte Abkürzung zur Bezeichnung von -»Entwicklungsländern. Manche verwenden dabei LDC (im Sinne von engl. Least Developed Countries: am

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Legalismus wenigsten entwickelte Länder) synonym mit -»LLDC. Legalismus (lat. legal: gesetzmäßig), Grundhaltung, die (politisches) Handeln ausschließlich danach bewertet, ob es den herrschenden -»Gesetzen entspricht. Legalität (lat. legal: gesetzmäßig), die Gesetzmäßigkeit einer Situation oder eines Verhaltens. Genauer meint L. die formale Übereinstimmung des staatlichen oder individuellen Handelns mit den herrschenden Gesetzen und Vorschriften. Die L. ist Bestandteil des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit, insofern sie willkürliche Vorgehensweisen gegen die Bürger verhindern soll und anstelle dessen das staatliche Handeln an - für alle geltende - rechtliche Grundsätze bindet und somit Rechtssicherheit gewährleisten soll (siehe auch -»Rechtsstaat). Ein demokratischer Rechtsstaat beansprucht, dass das Prinzip der L. mit dem der -»Legitimität zusammenfällt. Das heißt, dass gesetz- und verfassungsmäßige staatliche Akte nicht nur auf einer korrekten, legalen Vorgehensweise basieren, sondern sich an gesellschaftlichen Grundwerten orientieren und durch Zustimmung der Bürger demokratisch gerechtfertigt sind. Allerdings bietet L. keine Garantie für Legitimität, wenn zwar formal eine Gesetzesordnung besteht, diese aber nicht moralischnormativen Maßstäben, wie etwa dem Schutz der -»Menschenwürde, entspricht. Legalitätsprinzip (lat. legal: gesetzmäßig), 1. Grundsatz der -»Legalität staatlichen Handelns. 2. Grundsatz in einem Strafverfahren, der bei Verdacht auf Begehung von Straftaten die zuständigen Behörden auch ohne Antrag oder Anzeige zum Einschreiten verpflichtet, ohne die Zweckmäßigkeit der Strafverfolgung zu erwägen. Im Gegensatz dazu erlaubt das -»Opportunitätsprinzip, die Entscheidung für oder gegen eine Strafverfolgung nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit (wie etwa Schaden, Schuld, Konsequenzen) zu fällen. 126

Legitimation

Legislative (frz. (assemblée) legislative: gesetzgebende Gewalt, Versammlung), derjenige Teil der -»Staatsgewalt, der -»Gesetze beschließt, die von der -»Exekutive vollstreckt und ausgeführt werden. In einer -»Demokratie nehmen das Volk (wie etwa durch die Einrichtung des -»Volksentscheides) oder seine Repräsentanten im -»Parlament legislative Funktionen wahr. Institutionalisiert ist die L. im Parlament, (siehe auch -»Gesetzgebung; -»Gesetzgebungsverfahren). Aus diesem Grund bezieht sich der Begriff der L. häufig ausschließlich auf das Parlament. In -»parlamentarischen Regierungssystemen übernimmt - anders als in -»präsidentiellen Regierungssystemen allerdings auch die -»Regierung legislative Aufgaben, z.B. durch Entwurf von Gesetzen (siehe auch -»Gewaltenverflechtung). Legislaturperiode (lat. legislatio: Gesetzgebung), die Zeitspanne, für die ein -»Parlament gewählt wird, um die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen. In der Bundesrepublik dauert die L. des -»Bundestages vier Jahre. Mit der konstituierenden Sitzung, d.h. mit dem ersten Zusammenkommen des Bundestages „spätestens am dreißigsten Tag nach der Wahl" (Art. 39,2 GG) beginnt die L., sie „endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages" (Art. 39,1 GG), nach Ablauf der festgelegten Frist von vier Jahren oder mit -»Auflösung des Bundestages. Legitimation (lat. legitimare: rechtlich anerkennen), bisweilen gleichbedeutend mit -»Legitimität verwendet. In Abgrenzung dazu bezeichnet L. den Prozess, in dem Legitimität erzeugt wird bzw. das Verfahren der Rechtfertigung. Je nachdem, was unter Legitimität verstanden wird, gelten als L.sverfahren für politische Entscheidungen und Systeme ebenso wie für die Besetzung von Ämtern zum Beispiel - » W a h l e n nach demokratischen Grundsätzen und die Befolgung allgemein akzeptierter Regeln und Normen.

Legitimationsfunktion Legitimationsfunktion (lat. legitimare: rechtlich anerkennen) wird den demokratisch gewählten -»Parlamenten zugeschrieben, insofern sie den Volkswillen repräsentieren und ausfuhren. In Ausübung ihrer L. obliegt den Parlamenten die Aufgabe, Gesetze zu beschließen und gegebenenfalls (in —»parlamentarischen Regierungssystemen) die -»Regierung zu wählen. Legitimität (lat. legitimitas: Rechtmäßigkeit), im politikwissenschaftlichen Sinne bezeichnet L. die Rechtmäßigkeit von Herrschaftsausübung. Hierbei lässt sich die Rechtmäßigkeit aus zwei Perspektiven betrachten, der Perspektive der tatsächlichen Anerkennung von -»Herrschaft und derjenigen des Anspruchs auf Anerkennung. Der Soziologe Max Weber (1864-1920) unterscheidet hinsichtlich der empirisch feststellbaren L. drei Typen von legitimen, das heißt anerkannten Formen der Herrschaft: die legale Herrschaft, die auf Grund ihres „rationalen Charakters" und des „Glaubens an die -»Legalität gesatzter Ordnungen und des Anweisungsrechts der durch sie zur Ausübung der Herrschaft Berufenen" anerkannt wird; die traditionale Herrschaft, die „auf dem Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen" beruht; die charismatische Herrschaft, „auf der außeralltäglichen Hingabe an die Heiligkeit oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen" basierend (-»charismatischer Führer). Demgegenüber zielt die Problematisierung der L. als Anerkennungswürdigkeit auf die normative Dimension politischer Herrschaft. So gilt beispielsweise in demokratischen Systemen eine Herrschaft nur dann als legitim, wenn sie die Grundprinzipien der -»Demokratie, Partizipationsmöglichkeiten, des -»Pluralismus, der -»Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit (-»Rechtsstaat) garantiert. Das heißt, auch wenn eine Herrschaft zum Beispiel auf Grund der von Max Weber gekennzeichneten charismatischen Persön-

Leninismus lichkeit des Herrschers von den Beherrschten anerkannt sein mag, aber nicht die oben genannten Prinzipien gewährleistet, dann gilt sie im Sinne der normativen Auffassung von L. als zwar akzeptierte, aber nicht legitime Herrschaft. Andererseits beruhen die Legitimitätskriterien auf allgemein akzeptierten Wertvorstellungen, was bedeutet, dass eine scharfe Abgrenzung zwischen der tatsächlichen Anerkennung von Herrschaft und ihrer (normativ gesetzten) Anerkennungswürdigkeit nicht möglich ist. Lehrfreiheit, Recht zur freien mündlichen als auch schriftlichen Verbreitung wissenschaftlicher Ansichten und Erkenntnisse ohne staatliche Eingriffe. Die L., die eine spezielle Form der vom -»Grundgesetz garantierten -»Meinungsfreiheit darstellt, ist allerdings „nicht von der Treue zur Verfassung" (Art. 5,3 GG) entbunden. Leihstimmen, Bezeichnung für diejenigen Stimmen, die Wähler einer kleinen Partei geben, nicht aufgrund ihrer Präferenz für diese Partei, sondern um eine Koalitionsregierung zu wählen, in der die kleine Partei als Koalitionspartner der größeren, von diesen Wählern eigentlich präferierten Partei zur Regierung verhilft (-»Koalition). Beispiel für eine Wahl mit -»Fünf-Prozent-Klausel: Partei A rechnet mit 46% der Stimmen, Partei B mit 49% und Partei C mit 4%. Erhält Partei C von (der eigentlich präferierten) Partei A zwei Prozent Leihstimmen, kommt sie ins Parlament mit sechs Prozent. Partei A kann nun zusammen mit Partei C eine Koalitionsregierung eingehen (zusammen verfugen Partei A und Partei C über 50%). Ohne die Leihstimmen würde Partei C nicht ins Parlament kommen und Partei B würde mit 49% die Regierung bilden, Partei A mit 46% in die Opposition gehen. Leninismus, politische, philosophische und ökonomische Weltanschauung und Praxis des -»Bolschewismus, begründet von und benannt nach V.l. Lenin (1870-1924), der seine 127

Lesung Ideen auf dem -»Marxismus aufbaut. Grundelemente seiner Lehre bilden unter anderem die -»Partei in ihrer Avantgardefunktion, das heißt als Elite und Vorhut des revolutionären -•Proletariats, die -»Revolution in einem industriell unterentwickelten Land als Aufbegehren gegen den -»Imperialismus der Industrienationen und die Diktatur des Proletariats. Lesung, die Beratung eines Gesetzentwurfs im - » P l e n u m des -»Parlaments. Grundsätzlich wird im deutschen -»Bundestag über jede Gesetzesvorlage in drei Lesungen beraten. In der ersten L. findet auf Antrag des -»Ältestenrats oder von fünf Prozent der Abgeordneten eine Grundsatzdebatte statt, ansonsten wird der Gesetzentwurf an die -»Ausschüsse Uberwiesen oder abgelehnt. In der zweiten L. wird über die einzelnen Bestimmungen der - in den Ausschüssen modifizierten - Gesetzesvorlage getrennt beraten und abgestimmt. Dabei kann die Gesetzesvorlage noch einmal (mit Änderungsanträgen) an die Ausschüsse zurückgewiesen, ebenso können alle einzelnen Punkte abgelehnt werden. Falls keine Änderungen beantragt wurden, findet die dritte L. unmittelbar nach der zweiten L. statt: In dieser bedarf ein Änderungsantrag mindestens fünf Prozent der Stimmen der Abgeordneten. Am Ende der dritten L. wird über den gesamten Gesetzentwurf mit allen beschlossenen Änderungen abgestimmt (-»Gesetzgebungsverfahren).

Leviathan, alttestamentarisches Ungeheuer, das die von Gott besiegten Chaosmächte darstellt. Der Philosoph Thomas Hobbes (1588-1679) bedient sich dieser Allegorie, um damit die aus dem -»Naturzustand hervorgegangene und geordnete Macht des Souveräns zu bezeichnen. Hobbes zufolge sind die Menschen im rechtsfreien Naturzustand triebgeleitet und kämpfen gegeneinander zur individuellen Selbsterhaltung. Zum Schutz ihres Lebens unterwerfen sie sich jedoch in einem —»Gesellschaftsvertrag vollkommen den Gesetzen eines allmächtigen Herrschers, dem L. Sobald der L. den Schutz des indivi128

Liberalismus duellen Lebens nicht mehr gewährleistet oder gewährleisten kann, hat der Bürger ein Recht darauf, Widerstand zu leisten. Heute dient der Name des L. häufig in einem vereinfachten Sinne zur Charakterisierung eines übermächtigen Staates. Liberalisierung (lat. liberalis: freiheitlich), 1. im weiten Sinne der Abbau von politischen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Beschränkungen der -»Freiheit; 2. im engeren Sinne die Beseitigung staatlicher Regulierungsmechanismen im wirtschaftlichen Bereich. Liberalismus (lat. liberalis: freiheitlich), 1. Bezeichnung für eine europäische Epoche Mitte des 18. Jh. bis Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jh., die im Anschluss an und als Reaktion auf -»Feudalismus und -»Absolutismus durch die wachsende Bedeutung des Bürgertums in vor allem wirtschaftlicher und politischer Hinsicht gekennzeichnet war. Zu den Merkmalen des L. gehörten die Forderung nach Neutralität des Staates gegenüber weltanschaulichen Auseinandersetzungen, nach freier Wirtschaftstätigkeit und gleichberechtigter politischer -»Repräsentation. 2. Gesellschaftstheoretische Konzepte, deren politische und theoretische Ursprünge im 17. Jh. liegen. Hierzu zählen unter anderem die „Bill of Rights" von 1689 - Erklärung zu den Rechten des englischen -»Parlaments gegenüber seinem König - und vertragstheoretische Ansätze, wie etwa von John Locke (1632-1704) (-»Vertragstheorien). Dieser argumentiert für einen Souverän, welcher die -»Naturrechte (unter anderem das Recht auf Eigentum und das Recht auf Freiheit) der grundsätzlich als gleich geltenden Individuen garantiert. Der L., der diverse Formen mit unterschiedlichen Schwerpunkten (wie etwa politische oder wirtschaftliche Fokussierung) angenommen hat, basiert auf der Auffassung, dass das Individuum ein von der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung unabhängiges Recht auf Selbstbestimmung besitzt (-»Autonomie). Dieses Recht auf Selbstbestimmung

Liga muss sich in verschiedenen Bereichen realisieren können, wie etwa im Bereich der Glaubensfreiheit, der Freiheit wirtschaftlicher und beruflicher Betätigung und politischer -»Partizipation. Dementsprechend fordern Vertreter des L. staatliche Gewährleistung dieser Rechte, was unter anderem durch -»Konstitutionalismus, Rechtsstaatlichkeit (-•Rechtsstaat), Schutz der Privatsphäre und der wirtschaftlichen Tätigkeit vor staatlichem regulierendem Eingriff erfolgen soll (siehe auch -»Neoliberalismus). 3. In den Vereinigten Staaten umfasst der Begriff des L. auch politische Vorstellungen, die besonders der gleichberechtigten Teilnahme aller Bürger am politischen und wirtschaftlichen Prozess verpflichtet sind.

Listenverbindung sozialdemokratische und sozialliberale Ansätze charakterisiert wurde (-»Linksextremismus, -»Linksradikalismus, --»Anarchismus, -»Kommunismus, -»Sozialdemokratie, -»Sozialismus), wies man christliche, neoliberale, konservative, autoritäre und - am äußersten Rande - rechtsextremistische bzw. -radikale Gruppierungen und Parteien dem rechten Lager zu (-»Rechtsradikalismus; -»Konservatismus; -»Rechtsextremismus). Die (in europäischen Ländern) sich zeigende Tendenz zur Bildung von -»Volksparteien und die damit einhergehende Nivellierung von Standpunkten und Programmen ist eine Ursache dafür, dass sich konkrete politische Forderungen nicht mehr eindeutig in das Rechts-Links-Schema einordnen lassen (siehe auch -»Mitte).

Liga - » Bündnis Linksextremismus, häufig synonym mit -»Linksradikalismus verwendet, bezeichnet L. eine auf kommunistische oder anarchistische Weltanschauungen rekurrierende extremistische Haltung, die radikaldemokratische Ziele verfolgt (-»Anarchismus; -»Extremismus; -»Kommunismus). Unter anderem tritt der L. für eine absolute Gleichstellung der einzelnen, damit auch für eine Enthierarchisierung der Gesellschaft und für die Abschaffung des Privateigentums ein. Links - Rechts, ursprünglich die Sitzordnung in Ständeversammlungen, der gemäß die ranghöheren Stände rechts vom König, die rangniedrigeren Stände links von ihm saßen. Daraus entwickelte sich die Zuordnung zu einer politischen Einstellung, wobei die rechts Sitzenden eine konservative, die Regierungslinie bewahrende und die links Sitzenden eine auf Neugestaltung und Reformen zielende Haltung einnahmen. Im Laufe der Zeit hat sich dementsprechend eine Unterscheidung zwischen „links" und „rechts" gerichteten -»Parteien herauskristallisiert, deren Klassifizierung zunächst ohne große Schwierigkeiten erfolgte: Während der linke Standpunkt durch - im Extremfall anarchistische, kommunistische ebenso wie

Linksradikalismus - » Linksextremismus; - » Radikalismus Liste, bei einer - » W a h l das Verzeichnis der Kandidaten, die eine Partei für die Wahl aufstellt. Je nach Wahlverfahren können entweder nur alle Kandidaten zusammen („starre Liste") oder einzelne Kandidaten gewählt werden (-»Kumulieren; -»Panaschieren). Mehrere L.n können bei einer Wahl eine -»Listenverbindung eingehen. Diese wird bei der Auszählung wie eine einzige L. behandelt, insofern alle Stimmen, die die Wähler den einzelnen L.n gegeben haben, zusammengezählt und diese dann in - » M a n date umgerechnet werden. Erst dann werden die Mandate auf die einzelnen L.n umgelegt. Listenmandat, ein in einer -»Listenwahl erlangter Parlamentssitz. Gemäß des in der Bundesrepublik geltenden personalisierten -»Verhältniswahlrechts wird die eine Hälfte der Bundestagsabgeordneten durch die -»Liste bestimmt, die andere Hälfte erhält -»Direktmandate (-»Bundestagswahl). Listenverbindung, bei einer Wahl der Zusammenschluss mehrerer -»Listen. Dabei gibt es die L. verschiedener Parteien in einem —»Wahlkreis oder die L. einer einzigen Partei

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Listenwahl in verschiedenen Wahlkreisen. Alle Stimmen, die die Wähler den einzelnen Listen gegeben haben, werden bei einer L. zusammengezählt, in Mandate umgerechnet und dann den einzelnen Listen zugeteilt. Sinn der L. ist es zum einen, die Zusammenarbeit von Parteien zu demonstrieren, und zum anderen, durch den Zusammenschluss die -»Sperrklausel zu überwinden. In der Bundesrepublik ist nur die Verbindung von Listen einer einzigen Partei gestattet, dabei gelten bei der - ^ B u n destagswahl alle Landeslisten einer Partei zusammen als eine L. (wenn die Partei dem nicht widerspricht). Listenwahl, Wahlverfahren, bei dem die Wähler ihre Stimme nicht einzelnen Kandidaten direkt geben, sondern sich für eine - • L i s t e entscheiden. Die L. wird vor allem beim -»Verhältniswahlrecht angewendet (siehe auch -»Bundestagswahl). LLDC, Abkürzung für engl, least developed countries: am wenigsten entwickelte Länder (eigentlich LDC; da jedoch dies die Abkürzung für engl, less developed countries: weniger entwickelte Länder ist, verwendet man hier die Abkürzung LLDC), zu denen man diejenigen Staaten zählt, auf die die folgenden Indikatoren zutreffen: niedriges ProKopf-Einkommen, niedrige Lebenserwartung, niedrige Kalorienversorgung, niedrige Einschulungs- und Alphabetisierungsraten, niedriger Stromverbrauch, extrem niedriger Anteil der Industrieproduktion am Bruttosozialprodukt und niedriger Anteil der in der Industrie Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigungszahl, weniger Einwohner als 75 Millionen. Die hier angegebenen Kriterien werden vornehmlich von den -»Vereinten Nationen bei der Zuteilung von -»Entwicklungshilfe verwendet - durch das Kriterium der Einwohnerzahl werden Indien und Bangladesh aus der Gruppe der L. ausgeschlossen, obgleich beispielsweise in Indien (nach Kriterien der -»Weltbank) mehr Arme leben als in der gesamten -»Vierten Welt der L.

Lynchjustiz Lobby (engl, lobby: Vorhalle), Interessensgruppen und ihre Vertreter, die der Tätigkeit des -»Lobbyismus nachgehen. Lobbyismus (engl, lobby: Vorhalle), gezielte Beeinflussung politischer Entscheidungen von Regierungs-, Parlaments-, Partei- und Verwaltungsmitgliedem durch Vertreter von -»Interessenverbänden und -gruppen, wobei sich der L. vor allem an die -»Abgeordneten und Ministerialbeamten wendet. Die Lobbyisten stellen den Entscheidungsträgem Informationen bereit, um im Gegenzug die Gesetzgebungsarbeit im Sinne der von den jeweiligen Lobbyisten vertretenen Interessensgruppe zu beeinflussen. Lohnpolitik, alle politischen Maßnahmen, die zur Steuerung der Arbeitnehmereinkommen dienen. Aufgrund der Tarifautonomie sind die hauptsächlichen Träger der L. in der Bundesrepublik die Tarifparteien ( - » G e werkschaften). Zu den lohnpolitischen Maßnahmen werden unter anderem gezählt: —»Tarifverträge, spezifisch betriebliche Lohngestaltung und Festlegung des Mindestlohns durch den Staat. Lokalpolitik - » Kommunalpolitik Lomi-Abkommen, Kooperationsabkommen zwischen den -»AKP-Staaten und der - » E G / E U . Das erste von insgesamt vier L. wurde 1975 unterzeichnet. Die L. beinhalten unter anderem Regelungen zur Handelserleichterung, Wirtschafts-, Entwicklungs- und technische Hilfe und Ausgleichsfonds für Preisschwankungen von Rohstoffen. Im Jahr 2000 wurde ein auf zwanzig Jahre angelegtes Nachfolgeabkommen für die L. geschlossen, das eine weitgehende Liberalisierung des Handels zwischen den AKP-Staaten und der EU zum Ziel hat (siehe auch -»Freihandel). Los, Verfahren zur Besetzung eines - » A m t e s durch Auslosung des Kandidaten. Lynchjustiz, Bestrafung eines (vermeintlichen) Verbrechers, die von einer aufgebrach-

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Lynchjustiz ten Gruppe ohne richterliches Urteil und gesetzliches Verfahren gewalttätig vollzogen wird.

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Maastrichter Vertrag

M Maastrichter Vertrag, eigentlich Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992. Der M. stellt eine umfassende Änderung und Erweiterung des bis dahin geltenden EG-Vertrages dar und beinhaltet unter anderem: die Errichtung einer -»Währungsunion ( - > W W U ) , eine engere Zusammenarbeit in der Justiz- und Innenpolitik, mehr Kompetenzen für das -»Europäische Parlament, aktives und passives -»Wahlrecht aller EUBürger bei Europa- und Kommunalwahlen auch bei einem europäischen Wohnsitz außerhalb des Heimatlandes, Ausbau der EG zur EU ( - » E G / E U ) mit Gemeinsamer Außenund Sicherheitspolitik (-»GASP). Nach einigen nationalstaatlichen Bedenken haben alle EG-Mitglieder den M. unterzeichnet, Dänemark und Großbritannien erst nach Zusicherung von weitgehenden Ausnahmeregelungen, wie etwa im Bereich der Währungsunion, der Sozialpolitik und der -»Asylpolitik. Machiavellismus, nach dem italienischen politischen Denker Niccolo Machiavelli (1469-1527) benannte politische Strategie, die ihre Ziele, die letztlich im reinen Machterhalt bestehen, ohne Rücksicht auf moralische Prinzipien verfolgt. Macht, zentraler Begriff in vielen Theorien über Gesellschaft und -»Politik. Seine Verwendung ist ebenso häufig wie vielseitig und differiert hinsichtlich seiner Bewertung und Form. Für gewöhnlich wird zwischen zwei Machtkonzepten unterschieden: Eine übergeordnete Person oder Gruppe hat die Fähigkeit, gegenüber einer untergeordneten Person oder Gruppe ihren Willen und ihre Interessen durchzusetzen, indem sie diese zu einem bestimmten Verhalten zwingt. Entsprechend definiert Max Weber (1864-1920) M. als , j e d e Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht." M. wird hier analog zu physischer Gewalt begriffen und beruht auf hierarchischen sozialen Beziehungen, die sie 132

IMachtpolitik zugleich aufrechterhält. In diesem Beschreibungszusammenhang wird M. konstituiert und gestützt, indem die -»Autorität, der Charakter und die Fähigkeit des M. Ausübenden anerkannt werden ebenso wie seine materiellen Mittel - dazu gehören Gewaltpotential und finanzielle Ressourcen (siehe auch -»Herrschaft). Einer anderen, moderneren Vorstellung zufolge manifestieren sich M.verhältnisse in gesellschaftlichen Strukturen, ohne dass dabei eine M. ausübende Person(engruppe) eindeutig zu identifizieren wäre. M. bildet demzufolge ein Medium, durch welches bestimmte soziale Beziehungen entstehen und sich verändern. Diese Auffassung wird hauptsächlich vom Strukturalismus und vom französischen Philosophen Michel Foucault (1926-1984) vertreten. Letzterer hat M. bezüglich der Gegenwart im Sinne eines Netzes von beweglichen Kräfteverhältnissen begriffen, die in der Gesellschaft jederzeit präsent sind. Diese Kräfteverhältnisse können nur annäherungsweise beschrieben werden, da sie sich immer in Bewegung befinden und die Konstellation sich ständig verändert. Einigen Theorien zufolge hat M. vor allem instrumentellen Charakter, während andere davon ausgehen, dass M. um der M. willen verfolgt wird. Ebenso unterschiedlich fallt die Beurteilung der M. aus - tendenziell erfährt M. zunächst eine neutrale Bewertung, wenn sie als Instrument zur Durchsetzung beliebiger Ziele begriffen wird. Erst unter Berücksichtung der erstrebten Ziele und ihrer konkreten Realisierung kann eine Bewertung der M. erfolgen. M. wird in der Regel als unverzichtbarer Bestandteil der Politik betrachtet, entsprechend Max Webers Diktum, dass Politik „Technik des Machterwerbs, der Machtbehauptung und der Gefolgschaftswerbung" ist. Machtpolitik, 1. Politik, deren hauptsächliches Ziel im Erhalt und in der Erweiterung der - » M a c h t besteht. 2. Politik, die ihre Interessen durch Demonstration v.a. ihrer wirtschaftlichen, militäri-

Maoismus

MAD sehen, geostrategischen Stärke durchzusetzen versucht.

-»Bürgermeister steht und das vom Gemeindeparlament gewählt wird.

MAD, Abkürzung für Militärischer schirmdienst; siehe -»Geheimdienst.

Majoritätsprinzip - » Mehrheitsprinzip

Ab-

M a f i a (ital. ftlr Anmaßung), ursprünglich im 19. Jahrhundert gegründetes Netzwerk in Sizilien, das durch bewaffnete Gruppen den gesellschaftlichen Einfluss von Grundbesitzern sichern sollte, aber auch der Landbevölkerung als Gegenleistung für Gefolgschaft Hilfe im sozialen Bereich gewährte. Mit der Errichtung des italienischen Nationalstaates und der Ausdehnung ihres Einflussgebietes (durch Auswanderung auch in die Vereinigten Staaten) verlegte sich die M. zunehmend auf kriminelle Geschäfte. Kennzeichnend für die M. sind familienähnliche Strukturen, ein fester Kodex von Verhaltensregeln (z.B. der Rache) sowie eine zumindest örtlich erfolgreiche Durchdringung der Gesellschaft und vor allem der Politik mit Hilfe von Korruption und Investitionen krimineller Gewinne in gewerbliche Unternehmen und Immobilien. Heute wird der Begriff M. auch allgemein für kriminelle Gruppen vor allem im Bereich der -»organisierten Kriminalität verwendet. Magisches Viereck, Begriff zur Charakterisierung der wichtigsten Ziele staatlicher -»Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik, die 1967 im -»Stabilitätsgesetz formuliert wurden und zu denen folgende vier Säulen gezählt werden: Vollbeschäftigung, Preisstabilität, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Da diese vier Ziele kaum miteinander vereinbar bzw. schwerlich gleichzeitig realisierbar sind, beschreibt man das Viereck als magisch. Von einigen wird die Ergänzung des M. um weitere Ziele, wie z.B. faire Vermögens- und Einkommensverteilung und Umweltschutz, gefordert. Magistrat (lat. magistratus: Behörde, Amt), in einigen -»Gemeindeverfassungen (etwa in Hessen) vorgesehenes oberstes Organ der Kommunalverwaltung, an dessen Spitze der

M a n d a t (lat. mandatum: Auftrag), Auftrag zur Wahrnehmung einer Kompetenz, im politischen Bereich an einen -»Abgeordneten. Dabei unterscheidet man zwischen dem -»freien M. und dem -»imperativen M. Das freie M. garantiert den M.strägern, dass sie während ihrer Amtszeit „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" sind (Art. 38,1 GG). Beim imperativen M. ist der M.sträger an die Weisungen der Wähler gebunden und kann von ihnen im Gegensatz zum Träger eines freien M. jederzeit abberufen werden. Obgleich ein Bundestagsabgeordneter in der Bundesrepublik ein freies M. besitzt, kann er unter besonderen Umständen sein M. auch während der Amtszeit verlieren: bei ungültiger Wahl, durch freiwilligen Verzicht, durch gerichtliche Aberkennung des -»passiven Wahlrechts oder durch Verbot seiner Partei als verfassungswidrig (-»Parteienverbot). Mängelrüge kann in der Bundesrepublik einem —»Bundesland durch den —»Bundesrat erteilt werden, wenn es ein -»Bundesgesetz mangelhaft ausführt. Auf Antrag der - » B u n desregierung oder eines Landes stellt der Bundesrat die Mängel fest, wogegen das Land beim —»Bundesverfassungsgericht klagen kann. Manteltarifvertrag (Rahmentarifvertrag), tarifvertragliche Regelung der Arbeitsbedingungen (z.B. Urlaub und Arbeitszeit), die für einen längerem Zeitraum als der Lohnvertrag gelten (-»Tarifvertrag). Maoismus, nach dem chinesischen Parteiführer Mao Tse-tung (1893-1976) benannte politische Strategie und Theorie des -»Kommunismus, die Lehren von Karl Marx (1818-1883) aufnimmt und den Verhältnissen in -»Entwicklungsländern, insbesondere den chinesischen Verhältnissen anpasst. Der M.

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Marginalität geht im Gegensatz zum -»Marxismus davon aus, dass die Weltrevolution sich schrittweise und ständig verwirklicht („permanente Revolution"), wobei die treibende Kraft nicht das Industrieproletariat ist, sondern die unterdrückten Bauern in der Dritten Welt diese Rolle einnehmen. In Guerilla-Kämpfen unter der Führung der Kommunistischen Partei sollen die Volksmassen der Bauern die Revolution realisieren, wobei sie auf dem Lande beginnen, sich zu den Städten vorarbeiten und schließlich die Weltrevolution auch bei den Industrienationen erringen sollen (-»Guerilla). In Abgrenzung zum - » B o l schewismus lehnt der M. bürokratischhierarchische Strukturen ab und fordert anstelle dessen enge Zusammenarbeit mit den Volksmassen, deren revolutionäres Bewusstsein durch agrarkommunistische Lebensformen gestärkt werden soll. Das Modell der Kulturrevolution strebt durch breite Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen, die sich - auch gewaltsam - gegen sowohl traditionelle als auch westliche Denkmuster richten, die Partizipation der Massen am politischen Prozess an. Der M. setzte sich weder in China noch in anderen Ländern durch. Marginalität (lat. marginalis: den Rand betreffend), die soziale und vor allem wirtschaftliche Stellung einzelner Personen, gesellschaftlicher Gruppen oder Sektoren, die gegenüber anderen Teilen der Gesellschaft benachteiligt und nicht in diese integriert sind. Als marginalisiert gelten beispielsweise soziale Randgruppen, wie Arbeitslose und Einwanderer, aber auch die -»Entwicklungsländer im Verhältnis zu den Industrieländern. Marktwirtschaft, Wirtschaftssystem, in dem die Tätigkeit der Wirtschaftssubjekte - Produktion und Handel von Gütern - durch Angebot und Nachfrage reguliert wird. Die steuernden und kontrollierenden Eingriffe des Staates beschränken sich auf rechtliche Rahmenbedingungen, die den freien und fairen Wettbewerb ermöglichen sollen, dessen zentrale Elemente vor allem Angebot,

134

Marxismus Nachfrage, Privateigentum, Berufs- und Konsumfreiheit sind. Dieses Konzept der M. lässt sich allerdings nie in seiner Reinform in die Praxis umsetzen, sondern erfährt in der Regel eine Ergänzung durch andere soziale, politische oder ökonomische Komponenten (siehe z.B. -»soziale M.). Gründe für die Forderung nach Eingriffen des Staates sind insbesondere regelmäßig auftretende gesamtwirtschaftliche Krisen sowie Versagen des Marktes auf ökologischem Gebiet und im sozialpolitischen Bereich (siehe auch -»Nachhaltigkeit). Letzteres fiihrt beispielsweise zur steigenden Ungleichverteilung und Marginalisierung (-»Marginalität) derjenigen, die z.B. aufgrund Behinderung nicht als Anbieter am Markt auftreten können. Das Modell der M. und die ihm zugrundeliegende Idee der Selbststeuerung des Marktes wurden Ende 18. Jh. und im 19. Jh. von liberalen Theoretikern wie etwa Adam Smith (1723-1790) formuliert (siehe auch -»Liberalismus). Marxismus, diverse philosophische, ökonomische, politische, sozial- und geschichtswissenschaftliche Konzepte, die sich wesentlich auf Karl Marx (1818-1883) (und Friedrich Engels, 1820-1895) berufen. Beizeiten wird der M. auch mit Marx' Gedanken gleichgesetzt. Da aber dessen Werk selbst vielfältige Interpretationen zulässt und Anknüpfungspunkte bietet, hat auch der M. viele, höchst unterschiedliche Formen angenommen, was überdies auf zahlreiche Versuche zurückzufuhren ist, den M. zum weltanschaulichen Fundament der sozialen und staatlichen Ordnung einiger Länder zu machen. Zu den Grundelementen des in verschiedene Phasen unterteilbaren Marxschen Denkens zählen insbesondere: 1. die materialistische Weltsicht (Materialismus): Diese, die nicht nur die Natur, sondern auch die Entwicklung der Gesellschaft betrifft, geht davon aus, dass das menschliche Bewusstsein vom natürlichen materiellen Sein und von den gesellschaftlichen, ökonomischen Umständen grundlegend bestimmt wird. Der historische Materialismus sieht

Marxismus-Leninismus

Marxismus-Leninismus P r o d u k t i o n u n d W a r e n t a u s c h als Basis j e d e r

d e s Kapitalisten. Diesen zu v e r g r ö ß e r n , ist

sozialen O r d n u n g an ( - » B a s i s -

Überbau).

ein wesentlicher A n t r i e b des kapitalistischen

D e m e n t s p r e c h e n d b e s t i m m t die gleiche o d e r

Systems, w a s letztlich - d e r M a r x s c h e n A n a -

u n g l e i c h e V e r t e i l u n g d e r P r o d u k t e die gesell-

lyse z u f o l g e - zu einer - » V e r e l e n d u n g d e r

s c h a f t l i c h e Struktur, w i e etwa d i e Untertei-

a u s g e b e u t e t e n A r b e i t e r und damit zu größt-

lung in S t ä n d e o d e r - » K l a s s e n . U m gesell-

m ö g l i c h e n sozialen S p a n n u n g e n fuhrt.

schaftliche

4.

Veränderungen

herbeizuführen,

Revolution/Sozialismus:

Dies

motiviert

ist es d a h e r nötig, die ö k o n o m i s c h e Basis zu

schließlich die A r b e i t e r zu einer - » R e v o l u t i -

verändern.

on gegen d a s kapitalistische S y s t e m , w o r a u f

2. Dialektik: Z u r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Analyse

eine Phase des - » S o z i a l i s m u s folgen w ü r d e .

und B e s c h r e i b u n g d e r E n t w i c k l u n g von N a -

Diese ist dadurch g e k e n n z e i c h n e t , dass sich

tur u n d G e s e l l s c h a f t dient nach M a r x

die Arbeiterklasse, die durch die P r o d u k t i o n

die

Dialektik. Sie erlaubt es vor allem, W i d e r -

der Güter den g e s e l l s c h a f t l i c h e n

s p r ü c h e in der G e s e l l s c h a f t als solche

hervorbringt, e b e n s o das E i g e n t u m an den

erkennen

(z.B.

schreitender

steigende

Armut

technologischer

bei

zu

fort-

Entwicklung).

Produktionsmitteln Widerspruch

Reichtum

aneignet. D a m i t ist der

zwischen

der

ausgebeuteten,

Diese W i d e r s p r ü c h e b e o b a c h t e t M a r x insbe-

p r o d u z i e r e n d e n Klasse und d e r h e r r s c h e n d e n ,

s o n d e r e in d e r kapitalistischen G e s e l l s c h a f t .

sich die Produktionsmittel und G ü t e r aneig-

3. Kapitalismuskritik: D e r - » K a p i t a l i s m u s ist

n e n d e n Klasse a u f g e h o b e n . D e r - » S t a a t , der

eine spezielle historische

E p o c h e , die

da-

durch charakterisiert ist, dass sich die ü b e r die - » P r o d u k t i o n s m i t t e l v e r f ü g e n d e Kapitalistenklasse einen Teil des von den Arbeitern e r w i r t s c h a f t e t e n R e i c h t u m s als Profit aneignet, d e r als M e h r w e r t bezeichnet wird. M a r x ' A n a l y s e des M e h r w e r t s stellt ein zentrales M o m e n t seiner Kritik am K a p i t a l i s m u s dar, insofern d e r M e h r w e r t b z w . seine Steigerung eine w e s e n t l i c h e V o r a u s s e t z u n g für die A n h ä u f u n g von Kapital und d a h e r den Bestand des K a p i t a l i s m u s bildet. Die lebendige Arbeitskraft hat im K a p i t a l i s m u s W a r e n c h a r a k ter,

was

Produkt

den seiner

arbeitenden Arbeit

Menschen

vom

bis d a t o als ideologisches H e r r s c h a f t s i n s t r u ment der h e r r s c h e n d e n K l a s s e erhalten u n d instrumentalisiert (-»Ideologie).

wurde,

Nur

stirbt

wenige

damit

ab

Andeutungen

f i n d e n sich zur nächsten, letzten Phase, d e m -»Kommunismus:

Die

Beseitigung

der

- » K l a s s e n e r m ö g l i c h t nicht nur eine gleiche und

freie

Gesellschaft, sondern

auch

eine

P r o d u k t i o n s w e i s e , die frei v o n E n t f r e m d u n g und A u s b e u t u n g ist. D i e s e G e s e l l s c h a f t s f o r m soll die B e d ü r f n i s s e aller M e n s c h e n a u f optimale W e i s e b e f r i e d i g e n , damit a u c h soziale Beziehungen

ohne

Hierarchie

oder

Herr-

schaft h e r v o r b r i n g e n .

entfremdet

(-»Ent-

Die A u s f u h r u n g e n M a r x '

f r e m d u n g ) . D e r H a n d e l der W a r e

Arbeits-

politischen

und

f a n d e n in vielen

theoretischen

Ideen

eine

kraft ist d a r ü b e r h i n a u s die G r u n d l a g e für die

W e i t e r e n t w i c k l u n g , in der einige E l e m e n t e in

B i l d u n g d e s M e h r w e r t s . D e r M e h r w e r t ent-

den V o r d e r g r u n d gestellt, a n d e r e fallengelas-

spricht d e m Teil d e r v o m Arbeiter d e m Kapi-

sen und ersetzt w u r d e n . Z u den wichtigsten

talisten z u r V e r f ü g u n g gestellten Arbeitskraft,

marxistischen

den dieser nicht entlohnt und sich folglich als

Konzepten

Profit a n e i g n e n kann. Entlohnt wird nur so

u.a.

viel, wie unter den g e g e b e n e n sozialen U m -

L e n i n i s m u s , - » L e n i n i s m u s , - » M a o i s m u s , mit

b z w . marxistisch

oder

inspirierten

Weltanschauungen

-»Bolschewismus,

zählen

-»Marxismus-

ständen a u f g e w e n d e t w e r d e n muss, u m die

Einschränkungen

A r b e i t s k r a f t zu erhalten. A r b e i t s k r a f t hat nun

sowie - z u m i n d e s t in ihrer A n f a n g s z e i t - die

aber die E i g e n s c h a f t , m e h r W e r t s c h a f f e n zu

-»Sozialdemokratie.

die

-»Kritische

Theorie

können als e b e n diesen zu ihrer eigenen Erhaltung nötigen Wert. D e r durch die Arbeitskraft des A r b e i t e r s d a r ü b e r hinaus g e s c h a f f e ne W e r t bildet den M e h r w e r t , d.h. den Profit

Marxismus-Leninismus, zeichnung

für die von

die offizielle BeV.l.

Lenin

(1870-

1924) b e g r ü n d e t e und an Karl M a r x ( 1 8 1 8 135

Maschinenpartei 1883) anknüpfende Theorie des -»Leninismus, die in den kommunistischen Staaten unter sowjetischem Einfluss als Staats- bzw. Parteidoktrin vorgegeben war. Maschinenpartei, vor allem in den Vereinigten Staaten vorkommender Parteityp, der sich durch einen großen Apparat („Maschine") von hauptamtlichen Mitarbeitern auszeichnet, die von regionalen Parteivorsitzenden geleitet werden. Massendemokratie, Demokratieform, die in Abgrenzung zur Anfangsphase der -»repräsentativen Demokratie im 19. Jh., die etwa durch ein -»Klassenwahlrecht gekennzeichnet war, u.a. folgende Merkmale aufweist: gleiche Partizipationsmöglichkeiten aller, die Existenz von -»Massenparteien und pluralistische Elemente (siehe auch -»Pluralismus). Massenintegrationspartei, besondere Form der -»Massenpartei, die nicht nur wie diese über viele Mitglieder und eine feste Organisationsstruktur verfügt, sondern darüber hinaus ihre Mitglieder in allen Lebensbereichen an sich bindet. Dazu dient vor allem ein Netz von parteinahen Organisationen und Institutionen, die für die Mitglieder soziale, finanzielle und kulturelle Leistungen erbringen. In Deutschland waren die Sozialdemokratische Partei in der ersten Hälfte des 20. Jh. und das Zentrum M.en. Massenorganisation, 1. seit dem 19. Jh. existierender Typ der Organisation von -»Parteien, -»Verbänden und Vereinen, die fllr die Interessen und Bedürfnisse von größeren Bevölkerungsgruppen - ihren Mitgliedern - beim Staat eintreten. 2. Nach dem Prinzip des -»demokratischen Zentralismus organisierte Verbände in kommunistisch regierten Staaten, für die teilweise Zwang zur Mitgliedschaft bei der kommunistischen Partei bestand und die von dieser gelenkt wurden (-»Blockparteien, -»Nationale Front).

136

Mediation Massenpartei, in Abgrenzung zur —»Massenintegrationspartei und im Unterschied zur -»Honoratiorenpartei Parteientyp mit einer hohen Mitgliederzahl und einem gut organisierten System von haupt- und ehrenamtlichen -»Funktionären. Synonym für M. ist Mitgliederpartei. Massive Vergeltung (engl, massive retaliation), Militärstrategie der - » N A T O bis 1963, die auf dem Prinzip beruhte, dass ein - auch konventioneller - Angriff der gegnerischen Seite auf ein NATO-Mitglied mit dem Einsatz von - » A t o m w a f f e n beantwortet werden soll. Der Grundsatz der M. wurde von dem der -»flexible response abgelöst. Maßnahmegesetz, -»Gesetz, das schnell und flexibel auf Grund aktueller Erfordernisse erlassen wird und häufig befristet ist. Matriarchat (lat. mater: Mutter; gr. arche: Herrschaft, Ursprung), Gesellschaftsform, in der die Frauen dominante Funktion innehaben. Historisch gelten M.e als auf Grund mütterlicher Abstammungslinien verwandte Gemeinschaften, die durch Führungsstellung der Frauen bzw. Mütter und durch kommunistische Elemente charakterisiert waren. Die -»Frauenbewegung verweist u.a. auf das M., um gegen die Behauptung einer natürlichen Dominanz der Männer die historische Entwicklung der männlichen Machtstellung durch den Verweis auf weibliche Gegenmacht herauszustreichen. MBFR, Abkürzung für engl. Mutual Balanced Force Reductions: beiderseitige Reduzierung von Streitkräften und Rüstung. Verhandlungen, die zwischen der - » N A T O und dem -»Warschauer Pakt von 1973 bis 1989 erfolgten und den 1990 abgeschlossenen Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (-»KSE-Vertrag) zum Ergebnis hatten. Mediation (lat. mediator: Mittler), Vermittlung bei politischen, sozialen oder persönlichen Konflikten zwischen mindestens zwei

Meinungsfreiheit

Mehrheitsprinzip Parteien Gruppe.

durch

eine neutrale

Person

oder

Mehrheitsprinzip, Grundsatz, wonach bei - » A b s t i m m u n g e n und - » W a h l e n die M e h r heit der Stimmen den Ausschlag für die Ann a h m e eines Kandidaten beziehungsweise einer von mehreren Alternativen gibt. Dazu kann entweder die relative, die absolute oder eine qualifizierte Mehrheit erforderlich sein. Die relative Mehrheit wird erlangt, wenn ein Wahlvorschlag mehr Stimmen auf sich vereinigt als j e d e r andere, während eine absolute Mehrheit erreicht wird, wenn ein Vorschlag mehr als 50 Prozent aller abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt. Eine qualifizierte Mehrheit ist eine für ihre Gültigkeit an besondere Bedingungen geknüpfte Mehrheit, die in der Regel bei besonders wichtigen politischen Entscheidungen erforderlich ist. Die gängigste Form der qualifizierten Mehrheit ist die Zweidrittelmehrheit, bei der ein Vorschlag nur a n g e n o m m e n wird, wenn er zwei Drittel der abgegebenen Stimmen oder der Stimmen aller Abstimmungsberechtigten erhält. In der Bundesrepublik sind etwa der Verteidigungsfall (Art. 115a, 1 G G ) und die Änderung des Grundgesetzes (Art. 79,2 G G ) an eine Zweidrittelmehrheit gebunden. Auf politische Entscheidungen bezogen bildet das M. ein wesentliches Element der -»Demokratie.

M e h r h e i t s w a h l r e c h t , Grundtyp eines Wahlsystems, bei dem die Abgeordneten des durch die Wahl zu besetzenden Repräsentativorgans ( - » P a r l a m e n t s ) in - » W a h l k r e i s e n gewählt werden. Unter den in einem Wahlkreis antretenden Kandidaten wird durch relative oder absolute Mehrheit der Stimmen (relatives beziehungsweise absolutes M.; - » M e h r heitsprinzip) der Sieger ermittelt. Die in einem Wahlkreis jeweils unterlegenen Kandidaten finden bei der Besetzung des Parlamentes keine Berücksichtigung. Ist eine absolute Mehrheit erforderlich und erreicht diese keiner der Kandidaten, muss in einem zweiten - » W a h l g a n g der Gewinner entweder durch relative Mehrheit oder durch Be-

schränkung der Wahl auf die beiden im ersten W a h l g a n g erfolgreichsten B e w e r b e r ermittelt werden (siehe auch - » r o m a n i s c h e Mehrheitswahl). Die Einteilung des - » W a h l g e b i e t e s in Wahlkreise sollte so erfolgen, dass j e d e r A b g e o r d nete eine etwa gleich große Zahl von W ä h lern repräsentiert. Allerdings e r ö f f n e n sich durch den Zuschnitt der Wahlkreise M ö g lichkeiten zur Manipulation ( - » G e r r y m a n d e ring). Außerdem wird kritisiert, dass das Mehrheitswahlrecht mit seiner Einteilung in Ein-Mann-Wahlkreise zu einer verzerrten Wiedergabe des Wählerwillens fuhrt, da im Extremfall eine Partei, die die Interessen eines relativ großen Anteils der Wähler vertritt, nicht im Parlament vertreten ist, wenn ihre Kandidaten in allen Wahlkreisen - möglicherweise nur knapp - unterliegen ( - » B i a s ) . Unter anderem aus diesem G r u n d e können in manchen Ländern pro Wahlkreis zwei Abgeordnete gewählt werden. Für ein M. spricht vor allem, dass es zu einem System von zwei Parteien führt, die in allen Wahlkreisen gegeneinander antreten (-»Zweiparteiensystem). Diese Konzentration kann eine Zersplitterung des —»Parteiensystems verhindern, die bei einem - » V e r h ä l t niswahlrecht bisweilen instabile Mehrheitsverhältnisse im Parlament mit sich bringt.

Mehrparteiensystem, ein - » P a r t e i e n s y s t e m , das im Gegensatz zum - » E i n p a r t e i e n s y s t e m aus mehreren Parteien gebildet wird. Bisweilen wird vom M. das - » V i e l p a r t e i e n s y s t e m unterschieden, insofern ersteres nur wenige größere und letzteres viele, auch kleine Parteien umfasst. M e h r w e r t - » Marxismus Meinungsfreiheit ist „das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten" (Art. 5,1 GG). Zur M. werden —»Informationsfreiheit und —»Pressefreiheit gezählt. M. stellt nicht nur ein allen

zukommendes

- » M e n s c h e n r e c h t , sondern auch eine wesentliche Voraussetzung für die politische Wil137

Meistbegünstigungsklausel lensbildung in einer -»Demokratie dar. Die M. findet in der Bundesrepublik „ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre" (Art. 5,2 GG). Meistbegünstigungsklausel, Bestimmung in internationalen Verträgen, der zufolge ein Vertragspartner dem anderen automatisch alle Vergünstigungen zugesteht, die er einem dritten Staat gewährt. Die M. gilt als zentrale Bestimmung des - » G A T T bzw. der - » W T O . Melting pot, englische Bezeichnung für Schmelztiegel, die eine Vermischung diverser kultureller und ethnischer Gruppen und damit eine Neubildung kultureller Identitäten jenseits ursprünglicher Zugehörigkeiten ausdrückt. Der Begriff des M. fand zunächst und vor allem Anwendung auf die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten. Diesbezüglich weisen Kritiker des Ausdrucks jedoch darauf hin, dass die durch diese Bezeichnung nahegelegte Vorstellung einer kulturell offenen und toleranten Gesellschaft die tatsächlichen sozialen Verhältnisse falsch, wenn nicht ideologisch verzerrt wiedergibt. So ergaben Untersuchungen, dass die Vermischung der Kulturen und Ethnien nur innerhalb bestimmter religiöser und ethnischer Gemeinschaften stattfindet und Rassendiskriminierung bis heute Teil der (USamerikanischen) Gesellschaft ist. Als alternatives Konzept sozialer Integration verschiedener Kulturen gilt der -»Multikulturalismus. Memorandum (lat. memorandum: erwähnenswert), amtliches Schreiben, in dem ein Staat zu einer politischen Frage Stellung nimmt. Menschenrechte, Rechte, die in Abgrenzung zu den -»Bürgerrechten als angeborene, unveräußerliche und vorstaatliche Rechte jedem Menschen zukommen. Wichtige Ereignisse hinsichtlich der Formulierung der M. waren unter anderem: Die Habeas-Corpus Akte von 1679 (u.a. Verhaftung eines engli138

Menschenrechte sehen Bürgers nur mit schriftlichem Haftbefehl, und damit Schutz der persönlichen -»Freiheit vor staatlicher Willkür), Bill of Rights 1689 (Bestätigung und Fixierung schon verfasster Freiheitsrechte), Amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 („alle Menschen (sind) von Natur aus in gleicher Weise frei und unabhängig und haben unveräußerliche Rechte, namentlich auf Genuss von Leben und Freiheit, (...) Eigentum, (...) Glück (...) und Sicherheit"), Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 (Freiheit, Sicherheit, Widerstand gegen Unterdrückung und Recht auf Eigentum), Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 (Freiheitsrechte, -»Versammlungs- und -»Vereinigungsfreiheit und Partizipationsrechte, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte), -»Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie der - » I n ternationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 (von der UNGeneralversammlung angenommen) bzw. 1976 (in Kraft getreten), die u.a. das Verbot von Sklaverei, das Recht auf faires Gerichtsverfahren, den Schutz gegen -»Diskriminierung, -»Meinungsfreiheit, den Schutz der Familie, den Schutz vor Hunger, das Recht auf Bildung und das Recht auf Arbeit beinhalten; auf regionaler Ebene sind u.a. die -»Europäische Menschenrechtskonvention von 1950 (u.a. Errichtung des -»Europäischen Gerichtshofs zum Schutz der Menschenrechte, Recht auf Leben, Freiheit, Verbot von Folter) und die Schlussakte der - » K S Z E von Bedeutung. Uneinigkeit herrscht darüber, welche Rechte zu den M.n gezählt werden müssen. Dies betrifft insbesondere Rechte auf soziale Leistungen des Staates und kollektive Rechte, wie das von einigen Ländern der -»Dritten Welt geforderte Recht auf Entwicklung (-»Kollektivrechte). Grundsätzlich unterscheidet man u.a. zwischen folgenden Kategorien der M.: -»Individual- und -»Kollektivrechte, Erste Generation der M. (bürgerliche und politische Rechte), Zweite Generation der M. (wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rech-

Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen te), Dritte Generation der M. (u.a. Recht auf Entwicklung, Frieden, gesunde Umwelt). Neben der Garantie der M. in staatlichen -»Verfassungen (-»Grundrechte) gewinnt zunehmend der internationale Schutz der Menschenrechte durch das -»Völkerrecht an Bedeutung. Allerdings ist die Ahndung bzw. Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen im internationalen Bereich schwierig, da zum einen nicht alle Staaten entsprechende Verträge unterschrieben haben, zum anderen eine - ohnehin schwer durchzuführende Sanktionierung von staatlichen Menschenrechtsverletzungen mit dem Hinweis auf -»Souveränität des Staates als Einmischung in -»innere Angelegenheiten abgelehnt wird. Nichtsdestoweniger werden militärische -»Interventionen zunehmend mit der Verletzung von M. bzw. mit dem Willen zum Schutz der M. gerechtfertigt. Überdies stehen Versuche, die Umsetzung der M. in der Praxis durch Errichtung von Institutionen zu gewährleisten, immer mehr im Vordergrund. Zu nennen sind hierbei der —»Hohe Kommissar ftir Menschenrechte der Vereinten Nationen, der -»Europäische Gerichtshof zum Schutz der Menschenrechte, die - » M e n schenrechtskommission der Vereinten Nationen und der —»Internationale Strafgerichtshof. Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, 1946 gegründetes, wichtigstes Organ der Vereinten Nationen, was die Förderung der -»Menschenrechte betrifft. Zu seinen Aufgaben gehören u.a. die Ausarbeitung von Menschenrechtsnormen, Erarbeitung von Menschenrechtsberichten über einzelne Länder und Durchführung von internationalen Beschwerdeverfahren (von Einzelpersonen und Gruppen) über Menschenrechtsverletzungen und deren Veröffentlichung. Menschenrechtskonvention, internationale -»Konvention zum Schutz der -»Menschenrechte. Zu den wichtigsten M.en zählen unter anderem die -»Europäische Menschenrechtskonvention, der -»Internationale Pakt über

Militärdienstverweigerung bürgerliche und politische Rechte sowie der —»Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Menschenwürde ist trotz bzw. gerade wegen weltweiter Verletzungen das zu schützende Fundament der -»Grundrechte. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt" (Art. 1,1 GG). Dementsprechend hat ein sich zu den Grund- bzw. -»Menschenrechten bekennender Staat die Aufgabe, die M. zu gewährleisten. Dazu gehört nicht nur eine rechtsstaatliche Ordnung (-»Rechtsstaat), sondern auch das Streben, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, indem die materiellen, geistigen und sozialen Grundbedürfhisse eines jeden gesichert werden. MERCOSUR, Abkürzung für span. Mercado Común del Sur: Gemeinsamer Markt des Südens, Zusammenschluss von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay, der 1991 von den ersten drei Ländern mit dem Ziel gegründet wurde, langfristig durch den Abbau von Zöllen einen gemeinsamen Markt und schließlich eine -»Zollunion zu errichten. Chile ist assoziiertes Mitglied des M. Meritokratie (lat. meritum: das Verdienst, griech. kratein: herrschen), -»Herrschaft derjenigen, die sich durch Leistung und Verdienste auszeichnen. Migration (lat. migratio: (Aus)wanderung), nationale ( „ B i n n e n m " ) oder internationale Wanderungsbewegungen von Gesellschaften, Gruppen oder Individuen mit Wohnsitzverlagerung u.a. auf Grund von Vertreibung, -»Armut, Verfolgung und Unterdrückung. Militärbündnis, -»Bündnis zum militärischen Beistand im Kriegsfall, wie etwa die -»NATO. Militärdienstverweigerung dienstverweigerung



Kriegs-

139

Militärdiktatur Militärdiktatur, -»Diktatur durch Angehörige der Streitkräfte, meist einer Gruppe von Offizieren (-»Junta), die in der Regel durch einen -»Staatsstreich oder -»Putsch an die Macht kommen. Militärgericht, aus Militärangehörigen bestehendes, staatliches Gericht flir Straftaten, die von Militärangehörigen begangen werden. In der Bundesrepublik sind für diese Straftaten jedoch die ordentlichen Gerichte zuständig. Wehrstrafgerichte können nur für den Verteidigungsfall sowie flir Soldaten im Auslandseinsatz und auf Kriegsschiffen eingerichtet werden. Wehrdienstgerichte sind für dienstliche Vergehen von Soldaten zuständig. Militärischer Abschirmdienst - » Geheimdienst Militärisch-industrieller Komplex, vom US-amerikanischen Präsidenten Eisenhower Anfang der 1960er-Jahre geprägte Bezeichnung für eine der Öffentlichkeit nicht einsehbare Verflechtung von Rüstungsindustrie und Militär, die einen wechselseitigen Vorteil erbrachte. Mit dem Begriff des M. sollen die stetig wachsenden Militärausgaben und eine den Einsatz militärischer Mittel favorisierende -»Außenpolitik erklärt werden. Militarismus, Primat des Militärs, militärischer Denkmuster und Verhaltensweisen im gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Bereich. Der M. ist charakterisiert u.a. durch eine dominante Position von Militärpolitik und Militärs im Staat, Übernahme von militärischen Befehlsstrukturen und strenger Hierarchie und Favorisierung militärischer Gewaltanwendung in der Innen- wie der Außenpolitik. Militärpolitik, Gesamtheit aller Maßnahmen, die die Ausstattung und Organisation, Stärke und Struktur der Streitkräfte sowie die Strategie für ihren Einsatz betreffen. Der Begriff der M. umfasst ein weiteres Feld als derjenige der -»Rüstungspolitik.

140

Minderheitsregierung Militärregime, autoritäre Herrschaft durch Angehörige des Militärs (-»Autoritarismus). Ein M. kann als Übergangsregierung oder längerfristig herrschen, es kann zum Machterhalt einzelner Personen oder Gruppen dienen oder weitgehende gesellschaftspolitische Ziele verfolgen. Militokratie (lat. miles: Soldat, griech. kratein: herrschen), Herrschaftssystem der Soldatenherrschaft, für gewöhnlich diktatorisch oder autoritär (-»Militärdiktatur; -»Militärregime; -»Autoritarismus; -»Diktatur). Minderheit, Bevölkerungsgruppe, die hinsichtlich ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen, religiösen und sexuellen Zugehörigkeit von der Mehrheit der Bevölkerung differiert. Meistens wird mit dem Begriff der M. auch verbunden, dass die betreffende Gruppe benachteiligt wird. Aufgrund dessen fordern M.en besondere Maßnahmen zum -»Minderheitenschutz. Minderheitenschutz, Gesamtheit aller Normen und Maßnahmen, die soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Gleichberechtigung von -»Minderheiten herstellen oder bewahren sollen. Zum M. zählt man u.a. politische Selbstverwaltung, Akzeptanz ihrer Sprache als Amtssprache, kulturelle und religiöse -»Autonomie (eigene Schulen und eigene Religionsgemeinschaften, evtl. staatlich gefordert). Ein Recht zur -»Sezession aufgrund des -»Selbstbestimmungsrecht der Völker ist allerdings nicht automatisch mit dem M. verbunden. Minderheitsregierung, in einem -»parlamentarischen Regierungssystem eine - » R e gierung, deren Partei/en im -»Parlament keine Mehrheit hatliaben. Eine M. kommt zustande, wenn keine Partei die absolute Mehrheit erzielt und auch keine -»Koalition mit einer anderen Partei zur Erlangung einer Regierungsmehrheit zustande kommt. Generell spricht man von gestützter M., wenn diese auf kontinuierliche Zusammenarbeit mit Abgeordneten, die nicht der/den Regierungs-

Minimalstaat partei(en) angehören, vertrauen kann. Eine tolerierte M. liegt dann vor, wenn sie sich bei Einzelfragen immer wieder eine Mehrheit im Parlament verschaffen kann. In der Bundesrepublik sind folgende Umstände der M. denkbar: 1. Erzielt bei der -»Bundestagswahl keine Partei die absolute Mehrheit und können sich die Parteien nicht auf die Bildung einer Koalition einigen, so können folgende Varianten eintreten: Wenn das Parlament keinen -»Bundeskanzler mit absoluter Mehrheit wählt, so kann der -»Bundespräsident den Bundestag auflösen oder er ernennt den im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit gewählten Kandidaten zum Bundeskanzler und damit eine M. (Art. 63,4 GG) (-»Auflösung des Bundestages). 2. Wenn eine Regierungskoalition während der -»Legislaturperiode einen Koalitionspartner und damit die Mehrheit verliert, handelt es sich um eine M. (sofern der Kanzler nicht zurücktritt oder durch -»konstruktives Misstrauensvotum abgewählt wird). Minimalstaat, Staat, dessen Handeln sich an liberalistischen Modellen orientiert und dessen Aufgaben demzufolge beschränkt sind auf den Schutz der Freiheitsrechte und der marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen (siehe -»Nachtwächterstaat; -»Liberalismus). Minister (lat. minister: Diener, Helfer), Leiter einer obersten Behörde des Staates (-»Ministerium) mit einem festgelegten Geschäftsbereich (-»Ressort) (Sonderminister und die M. ohne Geschäftsbereich sind davon ausgenommen). Die M. bilden zusammen mit dem Regierungschef (-»Bundeskanzler oder -»Premierminister) das -»Kabinett und sind in -»parlamentarischen Regierungssystemen verantwortlich gegenüber dem -»Parlament (-»Ministerverantwortlichkeit). Ministeranklage, verfassungsrechtliche Option zur Anklage eines -»Ministers, die in der Bundesrepublik nicht existiert (siehe -»Ministerverantwortlichkeit). Das Grundge-

Ministerrat setz beinhaltet lediglich die Möglichkeit der -»Präsidentenanklage. Ministererlaubnis ist in der Bundesrepublik für „überplanmäßige und außerplanmäßige Ausgaben" (Art. 112 GG) nötig und wird vom Bundesfinanzminister erteilt. Ebenso ist M. erforderlich, wenn ein Firmenzusammenschluss vom Bundeskartellamt auf Grund der Gefahr für den Wettbewerb abgelehnt wird und die Antragsteller dennoch mit dem Verweis auf die gesamtwirtschaftlichen Vorteile und das überragende Interesse der Allgemeinheit beim Bundeswirtschaftsminister eine Genehmigung des Zusammenschlusses erbitten. Ministerium (lat. ministerium: Amt, Dienstleistung), von einem -»Minister geleitete oberste staatliche -»Behörde. Als die fünf klassischen Ministerien gelten das —»Außenministerium, -»Innenministerium, -»Finanzministerium, -»Verteidigungsministerium und -»Justizministerium. Ministerpräsident, Chef einer -»Regierung. In der Bundesrepublik tragen die Regierungschefs der Länder den Titel M. mit Ausnahme von Berlin, Hamburg und Bremen (-»Bürgermeister). Ministerpräsidentenkonferenz, in der Bundesrepublik die drei bis viermal im Jahr stattfindenden Treffen der -»Regierungschefs der -»Bundesländer, auf denen sie Belange der Länder sowie des Bundes besprechen (siehe auch -»Kultusministerkonferenz). Die Beschlüsse haben keine rechtlich bindende Wirkung. Ministerrat, 1. allgemein die Bezeichnung für die -»Regierung, zum Beispiel in Frankreich oder, ehemals, in der DDR. 2. Sich aus den zuständigen -»Ministem oder -»Regierungschefs einzelner Staaten zusammensetzendes Beschlussorgan -»internationaler oder -»supranationaler Organisationen, zum Beispiel der -»Europäische Ministerrat und der NATO-Rat ( - » N A T O ) . 141

Ministerverantwortlichkeit

Ministerverantwortlichkeit, in parlamentarischen Systemen sachliche Rechenschaftspflicht und politische Verantwortlichkeit eines -»Ministers gegenüber dem -»Parlament (-»parlamentarisches Regierungssystem). Das Parlament hat das Recht, den Minister zur Befragung herbeizuzitieren (-»Zitierrecht), Informationen zu verlangen und Handlungen seines Ressorts zu missbilligen. In manchen Staaten kann das Parlament einen Minister durch ein -»Misstrauensvotum absetzen (in der Bundesrepublik kann dagegen nur der -»Bundeskanzler durch Misstrauensvotum abgewählt werden). Bisweilen zählt man auch die Rechenschaftspflicht und Verantwortlichkeit des -»Regierungschefs zur M. Ministrabilität (lat. minister: Diener, Helfer; -abilis: Fähigkeit zu), Fähigkeit und Eignung einer Person zur Übernahme eines Ministeramtes. Der Begriff bezieht sich nicht nur auf die fachliche Qualifikation, sondern vor allem auf politische Voraussetzungen wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession, die regionale Herkunft, Wirkung in der Öffentlichkeit oder politische Ausrichtung. Minorität - » Minderheit MIRV, Abkürzung für engl. Multiple Independently Targetable Re-entry Vehicles: Unabhängig zielfähige Mehrfachgefechtsköpfe, Trägersystem für mehrere Sprengköpfe, die unabhängig voneinander das Ziel ansteuern können. M.s sind Gegenstand von - » S A L T und der -»START-Verträge. Missbilligungsvotum - » Misstrauensvotum Misstrauensvotum, in parlamentarischen Systemen die Möglichkeit, den -»Regierungschef und damit die gesamte -»Regierung durch Parlamentsbeschluss abzusetzen in manchen Staaten kann das M. auch auf einzelne Minister angewandt werden (-»Ministerverantwortlichkeit, —»parlamentarisches 142

Mitentscheidung Regierungssystem). Im Gegensatz zum -»konstruktiven M. bedarf es bei einem destruktiven bzw. einfachen M. zur Abwahl des Regierungschef keiner gleichzeitigen Wahl eines Nachfolgers. Mitbestimmung, generell eine Mitwirkung einzelner oder Gruppen an vornehmlich politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen. Im engeren Sinne bezieht sich die Bezeichnung auf die -»Partizipation von -»Arbeitnehmern an betrieblichen sozialen, wirtschaftlichen und personellen Entscheidungen, die unter anderem durch Beteiligung in Gremien und Vetorechte ausgeübt wird. In der Bundesrepublik bestimmen die Arbeitnehmer vor allem durch den gewählten Betriebsrat bei personellen und sozialen Fragen des Betriebs mit. Bei unternehmerischen Fragen haben die Arbeitnehmer dagegen in der Regel kein M.srecht. Kritiker der gängigen Praxis fordern ein paritätisches M.srecht, bei dem Arbeitnehmer und -»Arbeitgeber gleiches Entscheidungsrecht haben (siehe -»Montanmitbestimmung). Mitentscheidung, Verfahren zum Erlass von Rechtsakten der - » E G / E U . Das Vorschlagsrecht hat dabei die -»Europäische Kommission. Das -»Europäische Parlament nimmt zu dem Vorschlag mit einfacher Mehrheit Stellung. Nimmt der -»Europäische Rat die Vorlage nunmehr unverändert an, ist der Rechtsakt verabschiedet. Erhebt er dagegen Einspruch, geht die Vorlage zurück an das Parlament. Dieses kann den Änderungen zustimmen und den Rechtsakt damit erlassen. Lehnt das Parlament die Änderungen mit absoluter Mehrheit ab, ist die Vorlage gescheitert. Das Parlament hat aber auch die Möglichkeit, mit absoluter Mehrheit die Vorlage wiederum zu ändern. Stimmt daraufhin der Rat zu, wird der Rechtsakt erlassen (dabei ist Einstimmigkeit des Rates nötig, wenn die Kommission die Vorlage in der vom Parlament verabschiedeten Fassung ablehnt). Lehnt der Rat die vom Parlament geänderte Vorlage ab, so kann ein gemein-

Monarchie

Mitgliederpartei samer

Vermittlungsausschuss

promissvorschlag

einen

erarbeiten.

Kom-

Gelingt

ihm

B e r e c h e n b a r k e i t der —»Finanzpolitik e r m ö g lichen.

dies, b e d a r f dieser zu seiner V e r a b s c h i e d u n g der Z u s t i m m u n g des Rates und des Parla-

Mittelstandspolitik,

ments.

wirtschaftspolitischer M a ß n a h m e n zur Förde-

Gesamtheit

Mitgliederpartei - > Massenpartei

eher u n s c h a r f ist und sich e r f a h r u n g s g e m ä ß

rung des Mittelstandes.

vor

D a dieser

allem Begriff

ein g r o ß e r Teil der B e v ö l k e r u n g selbst zum Mitte, sehr h ä u f i g und in vielen Kontexten

Mittelstand zählt, plädiert j e d e Partei in fast

v e r w e n d e t e r A u s d r u c k , d e r einen politischen

allen politischen Z u s a m m e n h ä n g e n zur G e -

Standpunkt

w i n n u n g von S t i m m e n für eine M . Im e n g e -

jenseits

extremer

linker

oder

rechter P o s i t i o n e n b e z e i c h n e n soll und auf

ren Sinne wird M . als F ö r d e r u n g von H a n d -

den sich n a h e z u j e d e - » P a r t e i bezüglich ihres

werks-, L a n d w i r t s c h a f t s - u n d K l e i n b e t r i e b e n

P r o g r a m m s b e r u f t ( - » L i n k s - Rechts). Mit

sowie von Selbständigen b e g r i f f e n .

dieser

Positionierung

versuchen

Parteien

möglichst viele W ä h l e r s t i m m e n zu gewinnen,

Modernisierungstheorie

d a sie - zu R e c h t - d a v o n a u s g e h e n , dass ein

theorie



Entwicklungs-

Großteil d e r W ä h l e r s c h a f t sich selbst politisch wie auch sozial in der M. ansiedelt.

M o d u s vivendi (lat. m o d u s vivendi: Art u n d

U n k l a r ist dabei, was der A u s d r u c k bedeutet.

W e i s e zu leben), nicht f ö r m l i c h e s u n d in der

Üblicherweise

wird

damit

eine

gemäßigte

Position in V e r b i n d u n g gebracht, w o b e i allerdings nicht deutlich ist, auf w e l c h e politischen bezieht.

Standpunkte Das

sich

Bedürfnis,

diese

Mäßigung

hinsichtlich

S t a n d p u n k t e eine m o d e r a t e Position

aller einzu-

n e h m e n , führt nicht selten zu einer Positionslosigkeit, die beliebig mit Inhalten a u f g e f ü l l t w e r d e n kann. A u s d i e s e m G r u n d eignet d e r Charakterisierung

der

eigenen

Partei

als

Partei d e r M . - n e b e n d e m erwähnten M o t i v der G e w i n n u n g von W ä h l e r s t i m m e n -

eine

g r o ß e Attraktivität (siehe auch - » N e u e Mitte).

Regel als vorläufig g e d a c h t e s men

zwischen

lungspartnern, vorerst

mindestens das eine

beilegen

soll,

Übereinkom-

zwei

Verhand-

kontroverse bis

eine

Frage

endgültige

(vertragliche) E i n i g u n g erzielt wird. Monarch

(griech.

monos:

allein,

archein:

herrschen), einer - » M o n a r c h i e v o r s t e h e n d e s -»Staatsoberhaupt. M o n a r c h i e (griech. m o n a r c h i a :

Alleinherr-

schaft), - » S t a a t s f o r m , in d e r eine Einzelperson

die

Staatsgewalt

innehat.

Man

unter-

scheidet nach der B e s t e l l u n g des - » M o n a r chen die W a h l m o n a r c h i e , in d e r d e r Herr-

Mittelbare Demokratie

—» Repräsentative

scher in der Regel a u f L e b e n s z e i t

gewählt

wird, und die E r b m o n a r c h i e , in d e r der Herr-

Demokratie

scher auf G r u n d von E r b f o l g e eingesetzt ist. Ein wesentliches Kriterium zur A b g r e n z u n g

M i t t e l b a r e W a h l - » Indirekte Wahl

der einzelnen M . f o r m e n bieten die B e f u g n i s M i t t e l f r i s t i g e F i n a n z p l a n u n g (Abk.: M i f r i -

se des M o n a r c h e n :

fi), in d e r B u n d e s r e p u b l i k gesetzlich vorge-

(-»Absolutismus)

s c h r i e b e n e P l a n u n g der staatlichen A u s g a b e n

schränkte

und E i n n a h m e n für einen Zeitraum von f ü n f

Ständern, die - » S t ä n d e Anteil an der Herr-

Jahren, die j ä h r l i c h der volkswirtschaftlichen

schaft h a b e n . Eine - » k o n s t i t u t i o n e l l e M. ist

Entwicklung

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die - » V e r f a s -

anzupassen

ist.

Die

M.

soll

Gewalt

In einer absoluten

hat d e r inne,

Monarch

während

in

M.

unumeiner

g e g e n ü b e r d e r j ä h r l i c h e n V e r a b s c h i e d u n g des

sung die A u f g a b e n und Pflichten des M o n a r -

- » H a u s h a l t s p l a n e s g r ö ß e r e Kontinuität

chen, der lediglich exekutive Funktion hat,

und

festlegt und seine R e c h t e beschränkt. In einer 143

Monetarismus -»parlamentarischen M. wird die Funktion des Monarchen auf rein repräsentative Aufgaben beschränkt (in der Regel vergleichbar mit dem -»Präsidenten einer parlamentarischen Demokratie), während die Exekutive vom Parlament wie in einem -»parlamentarischen Regierungssystem gewählt wird. Monetarismus (engl, monetarism: Theorie zur Steuerung der Geldmenge bzw. lat: moneta: Geldmittel), Theorie der -»Wirtschaftsund -»Finanzpolitik, die im Gegensatz zum -»Keynesianismus die wesentliche Ursache für Konjunkturschwankungen in Fehlentwicklungen der Geldmenge sieht. Entsprechend habe sich die Wirtschaftspolitik eines Staates vor allem darauf zu beschränken, die in einer Volkswirtschaft zur Verfügung stehende Geldmenge so der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen, dass insbesondere keine -»Inflation durch ein Überangebot an Geld entsteht. Mittel zur Einschränkung bei drohender Inflation sind unter anderem Zinserhöhungen sowie der Abbau von Staatsschulden und Staatsausgaben. Monokratie (griech. monos: ein; kratein: herrschen), Herrschaft durch einen einzelnen, wie bei der -»Monarchie und der -»Tyrannis. Monopolkapitalismus, nach V.l. Lenin (1870-1924) Stadium in der Entwicklung des -»Kapitalismus, das durch die Konzentration des Kapitals bei wenigen internationalen Monopolkonzemen gekennzeichnet ist, die sich so - unterstützt durch organisierte Interventionen des Staates - der wirtschaftlichen Konkurrenz entziehen können. Dabei stehen sie vor dem Problem, Investitionsmöglichkeiten für ihre ständig wachsenden Profite finden zu müssen (-»Imperialismus). Monopolpartei - » Staatspartei Montanmitbestimmung, -»Mitbestimmung in der Montanindustrie durch die -»Arbeitnehmer, die Uber mehr Entscheidungs- und Kontrollrechte verfügen als es in anderen

144

Multipolarität Wirtschaftsbereichen bei der Mitbestimmung der Fall ist. Montanunion - » E G K S MSAC, Abkürzung für engl. Most Seriously Affected Countries: am schwersten betroffene Länder, von der -»Generalversammlung der -»Vereinten Nationen geschaffener Sammelbegriff für diejenigen -»Entwicklungsländer, die von der Ölkrise 1973 am schwersten betroffen waren. Die Bezeichnung wurde nur bis Ende der 1980er-Jahre verwendet, seitdem ist sie nicht mehr gebräuchlich. Mudjahedin (arab. mudjahed: Kämpfer im Heiligen Krieg), Selbstbezeichnung bewaffneter Gruppen, die den Anspruch haben, islamische Länder gegen den Einfluss von Andersgläubigen und Kolonialmächten zu verteidigen oder sie von diesem Einfluss zu befreien. Multikulturalismus, Konzept einer Gesellschaft, in der verschiedene ethnische, religiöse, kulturelle Gruppen friedlich zusammenleben, ohne dass sie ihre spezifische Identität zugunsten einer einheitlichen Kultur (-»melting pot) aufgeben müssen. Fraglich ist, wie weit es dazu besonderer staatlicher und nichtstaatlicher Unterstützung bedarf (-»Minderheitenschutz; -»political correctness); ebenso ist umstritten, wie groß die Differenz hinsichtlich der grundlegenden, etwa sozialen, Werte sein darf, ohne das Zusammenleben in einer -»Gesellschaft zu gefährden. Multilateraler Vertrag (lat. multi: viele; latus: Seite), Vertrag zwischen mindestens drei Partnern, in Abgrenzung zum bilateralen Vertrag, der nur von zwei Vertragsparteien abgeschlossen wird. Multipolarität (lat. multi: viele; polaris: gegensätzliche Erscheinungen betreffend), Kennzeichen eines internationalen Staatensystems, das bestimmt wird durch mehrere, mindestens fünf relativ gleichstarke Mächte

Mündliche Anfrage bzw. Akteure ->Bipolarität).

(im

Gegensatz dazu

siehe

Mündliche Anfrage -> Anfrage Mutual MBFR

Balanced

Force

Reduction

->

145

Nachfolgestaat

N Nachfolgestaat, Staat auf dem Gebiet eines nicht mehr existierenden Staates, soweit er die Pflichten ebenso wie die Rechte des alten Staates (größtenteils) übernimmt. Nachfolgestaaten der UdSSR sind beispielsweise Russland, die Ukraine, Kasachstan etc. Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, diejenigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, welche im Gegensatz zur -»angebotsorientierten Wirtschaftspolitik die Nachfrage in einer Volkswirtschaft (v.a. zu Zeiten einer konjunkturellen Abschwungsphase) zu beeinflussen versuchen. Mittel der N. ist unter anderem (anstelle etwa von Ausgabenkürzungen) die Steigerung der Staatsnachfrage, um damit Schwächen der privaten Nachfrage auszugleichen. Die N. nimmt dabei mögliche zusätzliche Staatsverschuldung in Kauf, da mit zukünftigen höheren Steuereinnahmen gerechnet wird, die nach einer Erholung der Wirtschaft eintreten (siehe auch -»Keynesianismus). Nachhaltigkeit, 1. im Bereich der Umweltökonomie bezeichnet das Prinzip der N. einen schonenden und sparsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, so dass auch für die nachfolgenden zukünftigen Generationen eine umfassende Bedürfnisbefriedigung gewährleistet ist. Die Forderung nach einer nachhaltigen Politik (engl, „sustainable development") basiert auf einer Kritik am verschwenderischen und wachstumsorientierten Wirtschafts- und Lebensstil insbesondere der (westlichen) Industriegesellschaften. Ein an der N. orientiertes Wirtschaftsmodell beinhaltet zum einen technologische Innovationen, z.B. Recycling, die Erforschung von nachwachsenden Rohstoffen und von umweltverträglichen Verfahren - zum anderen strebt die Politik der N. Veränderungen der individuellen und gesellschaftlichen Verhaltensweisen und ein größeres Umweltbewusstsein an, wie etwa hinsichtlich des Rohstoffverbrauches. N. betrifft die meisten Bereiche der Gesellschaft, vor allem die Wirtschaft. 146

Nachtwächterstaat Handlungsfelder nachhaltiger Politik sind u.a. -»Energiepolitik, Verkehr, Stadtentwicklung, Entwicklungspolitik, Transport. Zu den Indikatoren, die es ermöglichen sollen, die Entwicklung der N. zu erkennen, zählen etwa die C0 2 -Emission, Energie- und Stoffverbrauch, Gesundheitsindex. 2. Ökonomischer Grundsatz, der den Erhalt eines Vermögensbestandes betrifft, wobei die Abgänge von Vermögensgütern in einem bestimmten Zeitraum den Zugängen entsprechen sollen. Nachrichtendienst - » Geheimdienst Nachrücker, in Wahlsystemen mit -»Listenwahl Mandatsträger, der das Amt eines anderen -»Abgeordneten übernimmt, welcher sein Mandat verliert oder aufgibt. N. ist derjenige, der auf der -»Liste an oberster Stelle von allen nicht gewählten Kandidaten steht. Nachrüstung, Begriff, der Aufrüstungsmaßnahmen dadurch rechtfertigt, dass diese als defensive Reaktion auf Aufrüstung eines anderen Staates dargestellt werden. So wird der Begriff der N. beispielsweise im Kontext der US-amerikanischen Mittelstreckenraketen verwendet, die Anfang der 1980er-Jahre auf Beschluss der - » N A T O in Europa als Gegengewicht gegen die von der UdSSR aufgestellten Mittelstreckenraketen stationiert wurden. Nachtragshaushalt (Ergänzungshaushalt), Änderung und Ergänzungen des laufenden -»Haushaltsplanes. Aufgrund seines - » B u d getrechts muss das -»Parlament eine Erhöhung von Ausgaben oder neue Haushaltskosten beschließen. Nachtwächterstaat, Begriff, womit der Sozialdemokrat Ferdinand Lasalle (18251864) die auf ein Minimum reduzierte Tätigkeit des Staates im Frühliberalismus pointiert bezeichnete. Der liberalistischen Auffassung des 19. Jh. zufolge sollte der Staat seine Funktion auf Schutz der Bürger und vor allem deren Eigentum beschränken und auf

Nachwahlen sozial- oder wirtschaftspolitische Eingriffe verzichten (-»Liberalismus). Nachwahlen finden statt, wenn in einem mit -•Mehrheitswahlrecht gewählten Gremium ein Sitz (etwa aufgrund von Rücktritt oder Tod) frei wird. Die Wahlen erfolgen ebenso nach dem Mehrheitswahlrecht. Die auf -»Verhältniswahlrecht basierenden Systeme greifen nicht auf N. zurück, da frei werdende Sitze gewöhnlich durch -»Nachrücker besetzt werden. NAFTA, Abkürzung für engl. North American Free Trade Agreement, 1992 gegründete nordamerikanische -»Freihandelszone, die die Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko umfasst. Namentliche Abstimmung, Verfahren, bei dem das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen erkennbar ist beispielsweise durch Stimmzettel, die mit Namen gekennzeichnet sind, oder durch Abstimmungscomputer. Für den -»Bundestag bestimmt die Geschäftsordnung, wann die N. erfolgt; außerdem kann die N. von mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages beantragt werden, außer es handelt sich um bestimmte Abstimmungspunkte, zu denen u.a. zählen: Tagesordnung, Schluss der Aussprache, Überweisung an einen —»Ausschuss. Nation (lat. natio: Volk), eine sich durch tatsächliche oder vorgestellte - ethnische, kulturelle, sprachliche, historische, geographische und/oder politische Gemeinsamkeiten definierende Gruppe von Menschen, die sich gleichzeitig von anderen Gruppen unterscheiden und abgrenzen (wollen). Generell kann man zwischen den Konzepten der Staatsn. und der Kulturn. differenzieren. Erstere ist hauptsächlich dadurch gekennzeichnet, dass deren Mitglieder durch gemeinsame staatliche Institutionen und Vertreter repräsentiert werden (wollen), während die Mitglieder der Kulturn. sich durch eine gemeinsame Kultur im weiteren Sinn zusammengehörig fühlen.

Nationale Sicherheit Der Begriff der N. gewinnt seine politische Bedeutung dadurch, dass er als Argument fiir die Bildung oder Aufrechterhaltung eines Staates gilt. Historisch ist dieses Bestreben einerseits mit dem Wunsch nach demokratischer Selbstbestimmung einhergegangen; andererseits wurde der Begriff der N. im 20. Jahrhundert für chauvinistische Zwecke (-»Chauvinismus) missbraucht. Beizeiten wird der Begriff der N. synonym mit dem des -»Staates verwendet. Nation-building, englisch für die Bildung und Entstehung einer -»Nation, zu deren Prozess folgende Merkmale zählen: gestärktes Gruppenbewusstsein und gesteigerte Akzeptanz von integrierenden Symbolen, zunehmende Kommunikationsmöglichkeiten, Aufbau politischer Organisationsstrukturen und Institutionen, Anerkennung politischer Vertreter. Nationale Front, von der -»Staatspartei eines kommunistischen Staates geleitete -»Einheitsfront, der alle -»Massenorganisationen und -»Parteien zugehören (siehe auch -»Blockpartei). National Missile Defense (Abk.: NMD), Nationales Raketenabwehrprogramm der Vereinigten Staaten, das frühzeitig einen Angriff von Langstreckenraketen erkennen und abwehren soll. Das N.-System befindet sich derzeit noch in der Testphase und seine technische Realisierbarkeit ist ungewiss. Die Installierung des N. würde gegen den -»ABM-Vertrag verstoßen. Nationale Sicherheit, Schlagwort zur Rechtfertigung politischer, teilweise unpopulärer Maßnahmen durch den Hinweis auf die Bedrohung der —»Nation bzw. des —»Staates. Insbesondere die -»Souveränität und die territoriale -»Integrität sollen durch eine Politik im Sinne der N. vor militärischen, aber auch wirtschaftlichen und kulturellen Bedrohungen geschützt werden.

147

Nationaler Sicherheitsrat Nationaler Sicherheitsrat, Teil des USPräsidialamtes zur sicherheitspolitischen Beratung und Koordination. Mitglieder des N. sind unter anderen der ->Präsident, der Vizepräsident, der Sicherheitsberater des Präsidenten, Verteidigungs- und Außenminister sowie Generalstab- und Geheimdienstchef. Nationales Interesse, zentraler Begriff der so genannten -»realistischen Schule der -»internationalen Beziehungen, der zusammen mit dem Begriff der -»Macht zur Analyse und Erklärung nationalstaatlicher Handlungsmuster in der internationalen Politik herangezogen wird. Dabei beinhaltet N. in erster Linie den Erhalt der -»Souveränität. Davon abgesehen, dass diese Bestimmung des N. der Vielfalt der politischen Interessen in einem Staat, zum Beispiel an einem allgemeinem Wohlergehen, nicht gerecht wird (siehe auch -»Pluralismus), vermag der Begriff die weltpolitische Konstellation der -»Globalisierung jenseits nationaler Grenzen kaum adäquat zu erfassen. Nationalisierung, 1. -»Verstaatlichung; 2. -»Enteignung ausländischen Besitzes zum Zwecke der Überführung in nationalen staatlichen oder privaten Besitz. Nationalismus, politische Bewegung und Einstellung, die den besonderen Stellenwert der -»Nation betont. Je nach dem Grad, in dem dabei andere politische Werte und Interessen der Nation untergeordnet, einbezogen oder ausgeschlossen werden, unterscheidet man zwischen inklusivem und exklusivem N. Während ersterer eine nationale Gemeinschaft durch Integration oder Akzeptanz verschiedenartiger kultureller Gruppen anstrebt, ist der exklusive N. durch die Abgrenzung, Minderbewertung oder den Ausschluss von kulturellen, ethnischen, religiösen u.ä. -»Minderheiten und andersartigen Gruppen gekennzeichnet. Überdies siedelt er die eigene Nation gegenüber anderen Nationen höher an.

148

Nationalsozialismus Nationalität, 1. -»Staatsangehörigkeit; 2. Zugehörigkeit zu einer -»Nation. Nationalitätenpolitik, Gesamtheit aller Maßnahmen, die den Umgang mit nationalen -»Minderheiten betreffen. Die N. kann eine -»Assimilation etwa durch Zwangsumsiedlung oder aber eine Förderung der Minderheiten zum Ziel haben, wie etwa durch Unterstützung kultureller oder politischer - » A u tonomie. Nationalitätenstaat, -»Vielvölkerstaat.

gleichbedeutend

mit

Nationalkonvent, in den Vereinigten Staaten nationaler Parteitag, auf dem die großen Parteien ihre Präsidentschaftskandidaten bestimmen (siehe auch -»Primaries). Nationalrat, Parlamentskammer in Österreich und in der Schweiz; die Funktion des N. ist vergleichbar mit derjenigen des deutschen -»Bundestages. Nationalsozialismus, 1. hauptsächlich auf die 1919 gegründete nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) zurückgehende -»Ideologie mit vor allem rassistischem, rechtsextremistischem, antisemitischem und nationalistischem Inhalt sowie stark autoritärer Haltung (-»Autoritarismus; -»Antisemitismus; -»Rassismus; -»Nationalismus; -»Rechtsextremismus). Diese Ideologie behauptet eine - sowohl biologische als auch geschichtlich bedingte - Überlegenheit des deutschen Volkes und gleichzeitig die Minderwertigkeit aller anderen Nationen und Kulturen. 2. Totalitäre Herrschaftsordnung in Deutschland zwischen 1933 und 1945 unter der Führung Hitlers, deren Grundlage die Ideologie des N. (siehe 1.) war (-»Totalitarismus). Politisches Ziel bildete die internationale Vorherrschaft Deutschlands und die Errichtung eines großdeutschen Reiches. Im Inneren war die Herrschaft des N. durch Unterdrückung und Terror gegen Andersdenkende und politische Gegner sowie die Beseitigung

Nationalstaat demokratischer und rechtsstaatlicher Institutionen gekennzeichnet. Die Politik der - » G l e i c h s c h a l t u n g , um die Parteiherrschaft der N S D A P abzusichern, beinhaltete auch die Wirtschaftslenkung zur Vorbereitung von Angriffskriegen, deren Ziel die so genannte G e w i n n u n g von Lebensraum war. Wesentlicher Unterschied zu anderen faschistischen und totalitären Regimen ist die systematische, gleichsam industrielle Massenvernichtung von Juden (-»Konzentrationslager; - » H o l o caust). Roma, Sinti, Homosexuelle, politisch Andersgesinnte und Behinderte gehörten ebenso zu den Opfern des nationalsozialistischen Vernichtungsapparats. Nationalstaat, Staat, der in seiner Ausdehnung und im - » S t a a t s v o l k mit einer - » N a t i o n übereinstimmt; ein N. liegt also vor, wenn eine kulturelle, ethnische oder historische G e m e i n s c h a f t einen Staat bildet. Obgleich gegenwärtig in sich auflösenden oder bereits zerfallenen -»Vielvölkerstaaten viele politische Gruppen neue Staaten nach dem Vorbild des N. zu gründen trachten, ist das Konzept des N. im G r u n d e schwerlich in Einklang zu bringen mit dem Prozess der —»Globalisierung. Diese hat unter anderem zur Folge, dass sich gesellschaftliche Entwicklungen auf der Ebene des N . nicht mehr politisch steuern lassen. N a t i o n a l v e r s a m m l u n g , 1. aus besonderem Anlass (meist zur Erarbeitung einer —»Verfassung) einberufene, gewöhnlich direkt gewählte parlamentarische Versammlung daher auch häufig verfassungsgebende Versammlung (Konstituante) genannt. 2. Bezeichnung für das - » P a r l a m e n t bzw. die zweite parlamentarische - » K a m m e r , zum Beispiel in Frankreich, w o die N . die zweite K a m m e r neben dem - » S e n a t ist. Nativismus (lat. nativus: eingeboren), Begünstigung der Einheimischen bzw. Eingeborenen im Vergleich zu Einwanderern oder die direkte Benachteiligung letzterer auf rechtlichem, wirtschaftlichem, politischem oder kulturellem Gebiet.

NATO

N A T O , engl, für North Atlantic Treaty Organization: Nordatlantische Verteidigungsorganisation, -»internationale Organisation und 1949 gegründetes regionales - » B ü n d n i s zur -»kollektiven Verteidigung. Mitgliedsstaaten der N. sind: Benelux-Länder, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn, Vereinigte Staaten. Jedes Mitglied ist verpflichtet, Streitigkeiten mit einem anderen Mitglied friedlich zu lösen und bei einem Angriff auf einen Mitgliedstaat - der als Angriff auf alle Mitglieder betrachtet wird - die M a ß n a h m e n zu ergreifen, „die es für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Bündnisses wiederherzustellen" ( N A T O - V e r t r a g Art. 5). Die Organisation der N . besteht aus einem militärischen und einem politischen Teil. Oberstes Organ ist der N.-Rat, der die Politik der N. im Konsensverfahren bestimmt und in dem j e d e s Land eine Stimme hat. Das Generaisekretariat hat exekutive Funktion. Das höchste militärische Gremium der N. stellt der Militärausschuss dar. Er bearbeitet Fragen im Bereich militärischer Planung und Verteidigung. Während der Blockkonfrontation in Europa mit dem - » W a r s c h a u e r Pakt nach dem Zweiten Weltkrieg bildete das sicherheitspolitische Engagement der Vereinigten Staaten in Europa ein zentrales Element der N.Strategie. In diesem Kontext erarbeitete die N. sukzessive verschiedene Strategien zum militärischen Verhalten auf internationalem Gebiet ( - » f l e x i b l e response; - » m a s s i v e Vergeltung). Mit dem Zerfall des Ostblocks hat sich die Rolle der N. geändert: internationales Krisenmanagement, teilweise auch militärische Interventionen (-»Peace-keeping; - » P e a c e - e n f o r c e m e n t ) , gewinnen an Bedeutung. Hierbei ist zu beachten, dass die N. als Organisation nicht über eigene Streitkräfte verfügt, sondern sie auf die Z u r - V e r f ü g u n g Stellung von Streitkräften einzelner Mitgliedsländer angewiesen ist. A u ß e r d e m betonen die N.-Staaten die Rolle der N . als Wer149

NATO-Kooperationsrat

Neoliberalismus

tegemeinschaft im Sinne von Demokratie und politischer sowie wirtschaftlicher Kooperation. In diesem Rahmen findet auch eine Zusammenarbeit mit ehemaligen Ostblockstaaten statt (-»Euro-Atlantischer Partnerschaftsrat; —»NATO-Kooperationsrat). Einige dieser Staaten sind mittlerweile selbst Mitglied der N. geworden (Ungarn, Polen, Tschechien).

Hobbes (1588-1679) eine absolute Herrschaftsordnung dadurch, dass der Naturzustand durch einen Krieg aller gegen alle gekennzeichnet sei, so dass das Überleben lediglich gesichert werden könne durch die Übereinkunft aller, sich einem unumschränkten Alleinherrscher zu unterwerfen (siehe auch -»Leviathan).

NATO-Kooperationsrat, 1991 gegründetes Gremium zur militärischen, politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit der - » N A T O mit den Staaten Osteuropas, insbesondere den ehemaligen Mitgliedstaaten des -»Warschauer Paktes. Der N. sah regelmäßige Konsultationen auf Minister- und Beamtenebene vor, verlor aber mit dem Zerfall der UdSSR und mit dem angestrebten NATOBeitritt zahlreicher seiner Mitglieder an Bedeutung. 1997 wurde der N. durch den - » E u ro-Atlantischen Partnerschaftsrat abgelöst.

Neofaschismus, Bezeichnung für die Ideologie und die politischen Bewegungen nach 1945, die den -»Faschismus fortfuhren.

Naturalisation - » Einbürgerung Naturrecht, Recht, dessen Geltung auf natürlicher Ordnung basiert und nicht auf -»Gesetze oder Verordnung zurückzuführen ist. So ist die Auffassung von angeborenen, allen zukommenden -»Menschenrechten Ausdruck des N.sverständnisses. Der Verweis auf das N. soll einer willkürlichen Einschränkung oder Formulierung von Rechten und Pflichten beispielsweise durch den Staat entgegenwirken (siehe auch -»Vertragstheorien). Andererseits ist der Inhalt des N. offen für Interpretationen, so dass es auch zur Rechtfertigung möglicherweise „unrechtmäßiger" Verhältnisse dienen kann. Naturzustand, Begriff in der vertragstheoretischen Begründung einer Gesellschafts- bzw. Staatsordnung (-»Vertragstheorien), der auf dem Postulat eines vorstaatlichen, natürlichen Stadiums beruht. Dabei geht es darum, diese Phase und das Zusammenleben der Individuen zu beschreiben und daraus die Notwendigkeit und die adäquate Struktur einer gesellschaftlichen oder staatlichen Ordnung abzuleiten. So begründete etwa Thomas 150

Neoimperialismus - » Neokolonialismus Neoinstitutionalismus Beziehungen



internationale

Neokolonialismus (auch Neoimperialismus), Bezeichnung für das Verhältnis von Industrieländern zur -»Dritten Welt. Vertreter der These vom N. gehen von einer insbesondere wirtschaftlichen, aber auch kulturellen und politischen Abhängigkeit der —»Entwicklungsländer von den reichen Nationen bzw. von der Ausbeutung armer Länder durch die reichen Nationen aus, auch wenn jene formal ihre Unabhängigkeit erlangt haben (siehe auch -»Entwicklungstheorien). Einige Theoretiker begreifen den N. als Ausdruck des -»Spätkapitalismus. Neokonservativismus, Bezeichnung für in den 1960er- und 1970er-Jahren formulierte Ideen, die für die Förderung marktwirtschaftlicher Konzepte mit einem Rückzug des Staates aus dem ökonomischen und sozialen Bereich eintreten und für einen schlanken Staat, einen Abbau der -»Bürokratie ebenso wie für eine Stärkung der Familie, Kirche und traditioneller Werte plädieren. Neokorporatismus, Bezeichnung für liberale Form des -»Korporatismus.

die

Neoliberalismus, sozial-ökonomisches Konzept der -»Ordnungspolitik, das auf Maximen des -»Liberalismus basiert, diese jedoch insofern modifiziert, als dem Staat regulie-

Neomarxismus

Neue Rechte

rende Eingriffe zur Sicherung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs erlaubt sind (auch Ordoliberalismus genannt). Der N. dient häufig als Orientierung für die Politik des - » I W F und der -»Weltbank, was auf Kritik seitens der -»Entwicklungsländer stößt, da die (ausschließliche) Ausrichtung an marktwirtschaftlichen Kriterien eine Vernachlässigung sozialer Belange mit sich bringe.

gungen einer -»Hegemonie; siehe -»Bipolarität; -»Multipolarität).

Neomarxismus, Versuch, den -»Marxismus nach 1945, vor allem in den 1960er-Jahren, auf die veränderte politische Situation anzuwenden und auch weiterzuentwickeln in Anbetracht der Tatsache, dass Marx' Prognosen wie die -»Verelendung des -»Proletariats und die -»Revolution der -»Arbeiterklasse sich nicht bewahrheiteten. So interpretiert etwa eine Richtung, zu der beispielsweise Herbert Marcuse (1898-1971) zahlte, den Marxismus psychoanalytisch und führt das Phänomen der -»Entfremdung auf Unterdrückung menschlicher Bedürfnisse und Triebe zurück (siehe auch -»Kritische Theorie).

Neue Linke, Sammelbegriff für neomarxistische bzw. marxistisch inspirierte Gruppen, die sich in den 1960er-Jahren formiert haben und u.a. die -»Entfremdung, Ausbeutung und Manipulation in der kapitalistischen Gesellschaft, ebenso aber auch die Unterdrückung und den bürokratischen Apparat in den kommunistischen osteuropäischen Staatssystemen kritisierten.

Neonazismus, den -»Nationalsozialismus nach 1945 weiterführende -»Ideologie und politische Einstellung. Neopluralismus, an den -»Pluralismus anknüpfende Gesellschaftstheorie, die allerdings (in Abgrenzung zu älteren Pluralismustheorien) dem Staat und den -»Parteien eine stärkere Rolle zuweist als allen anderen Interessengruppen. Dabei haben die Parteien vor allem die Aufgabe, diejenigen Interessen in die politischen Willensbildung einzubeziehen, die nicht von -»Interessenverbänden repräsentiert werden (können). Neorealismus, Versuch, die -»Realistische Schule in der Theorie der internationalen Politik weiterzuentwickeln, zum Beispiel durch Einführung einer systemtheoretischen Betrachtungsweise (-»Systemtheorie) und durch besondere Konzentration auf die Struktur des internationalen Systems (z.B. Vergleich der Stabilität von bipolaren und multipolaren Systemen; Untersuchung der Bedin-

auch

Nepotismus (lat. nepos: Enkel, Neffe), System, in dem bei der Vergabe von öffentlichen Posten ebenso wie bei materiellen und ideellen Zuwendungen persönliche (Verwandtschafts- und Freundschafts-)Beziehungen entscheiden.

Neue Mitte, aus wahlkampftaktischen Gründen gebildetes Schlagwort, das neben der politischen Positionierung in der -»Mitte eine modernisierte, den wirtschaftlichen und globalen Erfordernissen angepasste —»Sozialdemokratie in der Bundesrepublik charakterisieren soll. Neue Politische Ökonomie, Theorieansatz zur Analyse politischer und kollektiver Entscheidungsprozesse, der sich auf wirtschaftswissenschaftliche Modelle bezieht oder Politik in ökonomischen Begriffen zu erfassen sucht. So begreift er beispielsweise politische Auseinandersetzungen als Kampf um Maximierung der Wählerstimmen. Die N. geht grundsätzlich von den einzelnen Gruppen (wie etwa Regierung, Parteien, Verbände) als rational kalkulierenden, eigennützigen Akteuren aus (siehe auch -»Rational choiceTheorien; -»Spieltheorie). Unter anderem untersucht die N. die Schwierigkeiten und Widersprüche hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen individuellen Entscheidungen und kollektivem Nutzen (z.B. das ->Arrow-Paradoxon; - » F r e e Rider). Neue Rechte - » Rechtsextremismus

151

Neue Soziale Bewegungen Neue Soziale Bewegungen, Sammelbegriff für eine Reihe von Gruppen, deren Ziel im Gegensatz zu den klassischen sozialen Bewegungen (-»Arbeiterbewegung) weniger in der Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Interessen als vielmehr in der Veränderung des Lebensstils und der Gesellschaftskultur liegt. Weitere Unterschiede bestehen darin, dass die N. sich aus der bürgerlichen Mittelschicht rekrutieren und weniger stark organisiert sind. Zu den N. zählen unter anderem die -»Frauenbewegung, die -»Alternativbewegung, die -»Ökologiebewegung, die -»Friedensbewegung und -»Bürgerinitiativen. Neue Weltwirtschaftsordnung (NWWO), seit den 1960er-Jahren in der entwicklungspolitischen Diskussion vor allem von der -»Gruppe der 77 geforderter Wandel der internationalen Struktur mit dem Ziel der Aufhebung vor allem wirtschaftlicher Benachteiligung. Dieses Ziel wird in verschiedenen Forderungen angestrebt, wie etwa in den Forderungen nach Preisstabilisierung von Rohstoffen, Technologietransfer, Abbau von Handelshemmnissen für Entwicklungsländer, Schuldenerlass und Stärkung der Rolle von Entwicklungsländern in -»internationalen Organisationen (siehe auch -»Nord-SüdKonflikt). Die bisherigen Zugeständnisse der Industrieländer (etwa die Gründung von Fonds für Wissenschaft, Technologie und Agrarentwicklung; -^Lomi-Abkommen) bleiben weit hinter den Forderungen zurück. Mittlerweile wurden die Forderungen auf folgende Punkte reduziert: Stärkung des Rohstoff verarbeitenden Sektors im Ursprungsland, feste Rohstoffpreise, internationale Waldschutzprogramme, Festlegung von Ressourcenverbrauch gemäß der Bevölkerungszahl. Neutrale Zone, Gebiet, in dem die herrschende militärische Situation nicht verändert werden darf. Die N. dient dazu, dieses Gebiet von Kriegshandlungen freizuhalten und damit eine Pufferzone zwischen militärischen Gegnern einzurichten. 152

NGO

Neutralismus, Politik eines Staates, um den Zustand der -»Neutralität zu erreichen oder aufrechtzuerhalten. Neutralität, allgemein die Enthaltung von der Parteinahme bei einem -»Konflikt; im völkerrechtlichen Sinne bedeutet N. die Nichtbeteiligung eines Staates an einem -»Krieg, wofür bestimmte Bedingungen erfüllt werden müssen: Gleichbehandlung aller Parteien, keine Kriegshandlungen auf dem eigenen Territorium, Duldung bestimmter Eingriffe der kriegführenden Parteien (z.B. Kontrolle von Schiffen in internationalen Gewässern) und keine militärische Unterstützung der kriegführenden Parteien. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dauernder und nur für einen bestimmten Krieg erklärter (gelegentlicher) N., zwischen freiwilliger und von anderen Staaten aufgezwungener N., zwischen unbewaffneter und bewaffneter N., zwischen ausschließlich militärischer und umfassender, also auch wirtschaftlicher N. Jedem Staat ist völkerrechtlich das Recht auf N. zugestanden. NGO, Abkürzung für engl. NonGovernmental-Organization: Nicht-Regierungs-Organisation, meist international arbeitende Vereinigung, die - ohne politische Ämter, Profit oder eigenen Nutzen anzustreben - politische Entscheidungen und gesellschaftliche Willensbildung zu beeinflussen versucht. Zu den Arbeitsgebieten der N.s gehören: Beratung in verschiedenen Fachbereichen (z.B. Ökologie, -»Menschenrechte, -»Dritte Welt), Interessensvertretung, Ausführung staatlicher Programme (z.B. in der -»Entwicklungshilfe), Öffentlichkeitsarbeit. Zur Unterscheidung der Größe von N.s haben sich die Abkürzungen BINGO (big, d.h. große N.), MINGO (middle, d.h. mittlere N.) und LINGO (Iittle, d.h. kleine N.) herausgebildet. Man geht davon aus, dass mit dem schwindenden politischen Einfluss der -»Nationalstaaten durch die -»Globalisierung die politi-

NIC

Nord-Süd-Konflikt

sehe Rolle nicht-staatlicher Institutionen wie etwa der N.s an Bedeutung gewinnen wird.

insbesondere im -»Atomwaffensperrvertrag geregelt ist.

NIC, Abkürzung für engl, newly industrializing country - » Schwellenland

Nordischer Rat, seit 1951 regelmäßig stattfindendes Treffen von Parlamentariern aus Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden und Island, um wirtschaftliche, politische und kulturelle Fragen zu erörtern.

Nichteinmischung, völkerrechtliches Prinzip, dem zufolge kein Staat über die -»inneren Angelegenheiten eines anderen Staates Gestaltungsmacht haben darf. Die N. ist Ausdruck der gleichen -»Souveränität aller Staaten und des -»Selbstbestimmungsrechts der Völker. Nicht-Regierungs-Organisation - » N G O Nichtverbreitungsvertrag - » Atomwaffensperrvertrag Niemeyersches Verfahren meyer-Verfahren

—> Hare/Nie-

N M D - » National Missile Defense Nomenklatura (russ. von lat. nomenclatura: Namensverzeichnis), in kommunistischen Staaten Register der leitenden Positionen im Staat und der für sie vorgesehenen Personen. Die N. war ein wichtiges Instrument der kommunistischen Partei zur Lenkung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft (siehe auch —»Kaderpolitik; —»Kommunismus). Nominierung (lat. nominare: ernennen), Vorschlag einer Person für ein -»Amt. Nomokratie (griech. nomos: Gesetz, kratein: herrschen), staatliche -»Herrschaft, die auf Basis niedergeschriebener Gesetze und ihnen gemäß ausgeübt wird. Nonalignment, engl, für Bündnisfreiheit, prinzipieller Verzicht eines Staates auf den Beitritt zu einem (Militär-)-»Bündnis. Nonproliferation, engl, für Nichtverbreitung von Atomwaffen, von vielen Staaten verfolgtes Prinzip der internationalen Politik, das

Nord-Süd-Konflikt, allgemeiner Ausdruck für das Verhältnis zwischen den -»Entwicklungsländern und den Industrieländern nicht ausschließlich zwischen den nördlichen und den südlichen Ländern - , das durch ungleiche Lastenverteilung und konträre Interessen in verschiedenen, häufig miteinander verknüpften Bereichen gekennzeichnet ist: Auf wirtschaftlichem Gebiet wird die - » A r mut in den Entwicklungsländern in enge Verbindung gebracht u.a. mit wirtschaftlicher Abhängigkeit von den Industrieländern, mit deren Kreditvergabepraxis (siehe auch - » I W F ) , mit einer Ausbeutung der Ressourcen durch die Industrieländer, mit protektionistischer Handelspolitik (-»Protektionismus) und mit fehlendem Ressourcentransfer (Technologie). Auf ökologischem Gebiet versuchen die Industrieländer internationale Standards durchzusetzen (z.B. FCKW betreffend), gegen die die Entwicklungsländer sich wehren, da die Einhaltung dieser Standards zum einen zu kostspielig wäre und sie zum anderen den Industrieländern vorhalten, dass diese durch ihre Lebensweise für den größten Teil der weltweiten ökologischen Probleme verantwortlich sind. Politisch ist der N. beispielsweise durch Migrationsbewegungen (-»Migration) aus den Entwicklungsländern in die Industrieländer geprägt, die letztere als Bedrohung empfinden und durch zunehmende Abschottung beantworten. Ein weiteres Konfliktfeld ist die Entwicklung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen in der -»Dritten Welt, wobei die Entwicklungsländer gegen die Sicherheitsbedenken der Industrieländer ihre sicherheitspolitische Souveränität anführen. Schließlich bestehen Differenzen hinsichtlich politischer Ordnungsvorstellungen. So wird etwa Kritik an 153

Norm der mangelnden Verwirklichung von -»Demokratie und -»Menschenrechten vielfach als Einmischung in die -»inneren Angelegenheiten und Missachtung eigener kultureller Traditionen zurückgewiesen. Insbesondere in den zuletzt genannten Bereichen treten Konflikte jedoch nur vereinzelt und je nach Interessenlage auf. Auf Grund dessen und wegen der verstärkten Interessensgegensätze zwischen den Entwicklungsländern wird der N. vielfach von anderen Konflikten in den Hintergrund gedrängt. Außerdem schwindet mit dem Ende der Blockkonfrontation und der wachsenden politischen Eigenständigkeit von Regionalmächten wie China, Indien oder Brasilien die Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer. Diese sind somit immer weniger in der Lage, gemeinsame Interessen gegenüber den Industrieländern zu formulieren oder durchzusetzen (siehe auch —»Gruppe der 77; -»Neue Weltwirtschaftsordnung). Norm (lat. norma: Regel, Maß), Verhaltensregel sowohl im allgemeinen Sinn sozialer N.en (Sitten, Bräuche, Konventionen) als auch speziell im rechtlichen Bereich, in dem -»Gesetze, -»Verordnungen und -»Satzungen als N.en bezeichnet werden. Normenkontrolle - » Bundesverfassungsgericht Note (lat. notare: schriftlich aufzeichnen), formelle, völkerrechtlich verbindliche, in der Regel schriftliche Nachricht eines Staates an andere Staaten. Notstand (Ausnahmezustand), Bedrohung der Existenz eines -»Staates oder seiner Sicherheit, zu deren Abwehr besondere Mittel und Vollmachten des Staates nötig sind. Hierbei werden Grundrechte und rechtsstaatliche Garantien eingeschränkt oder aufgehoben, insbesondere die -»Gewaltenteilung, da die meisten Funktionen des Staates auf ein besonderes Organ, meist die -»Regierung, übergehen. In der Regel enthalten Staatsverfassungen Bestimmungen zum N. (—»Not154

Notstandsverfassung standsverfassung), die zum Beispiel das Ausrufen des N. und den Erlass von -»Notverordnungen vorsehen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem äußeren (etwa durch Krieg verursachten) und dem inneren (z.B. durch Aufstände, Naturkatastrophen) N. Problematisch bezüglich des N. ist, dass er dazu genutzt werden kann, die besonderen Vollmachten diktatorisch zu missbrauchen oder eine durch den N. erlangte Machtposition zu zementieren. Notstandsgesetz, für den Fall eines -»Notstandes vorgesehenes Gesetz (-»Notstandsverfassung). In der Bundesrepublik sind u.a. folgende N.e vorgesehen: 1. Vier Zivilschutzgesetze, die etwa die Aufstellung besonderer Kräfte für Verteidigungs- und Katastrophenfälle und die Errichtung von Schutzräumen regeln. 2. Die Sicherstellungsgesetze stellen die Ernährung, den Verkehr, die Wasserversorgung und das Wirtschaftsleben sicher. 3. Das Arbeitssicherstellungsgesetz regelt Dienstpflichten im Verteidigungs- und Spannungsfall. 4. Das Abhörgesetz, eigentlich „Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses", regelt die Kontrolle der Kommunikation. Notstandsverfassung, alle verfassungsrechtlichen Regelungen für den Fall eines -»Notstandes. In der Bundesrepublik sieht die N. des Grundgesetzes folgende Fälle des Notstandes und entsprechende Gesetze vor: 1. den inneren Notstand: „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die -»freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder sowie Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen und des Bundesgrenzschutzes anfordern" (Art. 91,1 GG). Überdies kann der Bund der Länderpolizei Weisungen erteilen und den Bundesgrenzschutz einsetzen und im äußersten Fall auch die Streitkräfte zur Bekämpfung bewaffneter Aufstände (Art. 91,2 u. 87a,4 GG);

Notverordnung

Nullsummenspiel

2. den Katastrophenfall, der bei Naturkatastrophen oder schweren Unglücksfällen gilt. Die Regelungen zur Bewältigung des Katastrophenfalles (Art. 35,2 u. 35,3 G G ) gleichen denen zur Bewältigung des inneren Notstandes;

G G ) ; der Bund kann den Landesregierungen und -Verwaltungen direkte Weisungen erteilen (Art. 115f, 1 G G ) ; die Funktion des - » B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t e s darf auch im Verteidigungsfall nicht beeinträchtigt werden (Art 115g).

3. den Zustimmungsfall. Vor dem Verteidigungsfall können Wehrpflichtige zum Zivilschutz verpflichtet werden, wenn der —»Bundestag mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen dies beschließt (Art. 12a,5 G G i.V.m. Art. 80a, 1 G G ) ;

Keine der M a ß n a h m e n darf das Grundrecht der -»Koalitionsfreiheit verletzen, also gegen Arbeitskämpfe von Arbeitnehmern oder -geb e m gerichtet sein (Art. 9,3 G G ) - das Grundrecht auf W a h r u n g des - » P o s t g e h e i m nisses und auf -»Freizügigkeit darf j e d o c h eingeschränkt werden (Art. 10,2 u. 11,2 G G ) .

4. den Spannungsfall, dessen Merkmale nicht im G r u n d g e s e t z aufgeführt werden. Allein eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen im Bundestag kann den Spannungsfall feststellen (Art. 80a, 1 GG). Nach Beschluss des Spannungsfalles gelten die gleichen Bestimmungen wie für 5. den Verteidigungsfall. Dieser tritt ein, wenn „das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht" (Art. 115a, 1 GG). Der Verteidigungsfall wird mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen des Bundestages, mindestens aber durch Mehrheit seiner Mitglieder und mit Zustimmung des - » B u n desrates festgestellt. Falls der Bundestag an der A b s t i m m u n g gehindert wird, kann der - » G e m e i n s a m e Ausschuss den Verteidigungsfall mit der gleichen Mehrheit feststellen. Erfolgt bereits ein Angriff auf das Bundesgebiet und kann der Verteidigungsfall weder v o m Bundestag noch v o m Gemeinsamen Ausschuss festgestellt werden, gilt er dennoch als festgestellt. Im Verteidigungsfall geht die - » B e f e h l s - und K o m m a n d o g e w a l t auf den - » B u n d e s k a n z l e r über (Art. 115b G G ) ; für die Gesetzgebung gilt ein besonderes Verfahren (Art. 115d G G ) ; ist der Bundestag an der W a h r n e h m u n g seiner Aufgaben gehindert, tritt der G e m e i n s a m e Ausschuss an seine Stelle (Art. 115e, 115k und 1151 G G ) ; ablaufende Wahlperioden der --»Abgeordneten und Verfassungsrichter verlängern sich automatisch (Art. 115h G G ) ; der Bund hat das Recht zur - » k o n k u r r i e r e n d e n Gesetzgebung in allen Materien, die bis dato im K o m petenzbereich der Länder lagen (Art. 115c, 1

Notverordnung,

von der - » R e g i e r u n g auf

Grund der Dringlichkeit -

oder weil

das

- » P a r l a m e n t nicht zusammentreten kann

-

ohne Zustimmung des Parlaments erlassene N o r m . Das Parlament kann die N . nur nachträglich für ungültig erklären. Das Grundgesetz sieht für die Bundesrepublik nicht die Möglichkeit der N. vor, da in der W e i m a r e r Republik die N . häufig missbraucht wurde zur U m g e h u n g des regulären

-»Gesetzge-

bungsverfahrens. Novelle (lat. novella lex: neues Gesetz), Ergänzung oder Ä n d e r u n g eines bereits existierenden Gesetzes. N u k l e a r w a f f e n —»Atomwaffen Nullifikation (lat. nullus: kein; facere: machen), die von einem - » S t a a t abgegebene und völkerrechtlich verbindliche Erklärung, dass ein von ihm unterzeichneter Vertrag als nichtig betrachtet wird. Nullsummenspiel, Begriff aus dem Bereich der —»Spieltheorie, der einen T y p u s von Situationen bezeichnet, in denen bei j e d e m Ergebnis der Verlust eines Spielers dem Gewinn eines anderen Spielers entspricht, die S u m m e dessen, was sie erhalten, also gleich null ist. In einem N. gibt es keine Möglichkeit, eine Strategie zu finden, bei der alle Seiten einen Gewinn erzielen.

155

Nuntius Nuntius (lat. fiir Bote), diplomatischer Vertreter des Vatikanstaates, der den Rang eines -»Botschafters hat. NWWO

156

—> Neue

Weltwirtschaftsordnung

OAS

o OAS, Abkürzung für engl. Organization of American States: Organisation amerikanischer Staaten, 1948 gegründetes Bündnis zur insbesondere sicherheitspolitischen, aber auch wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zusammenarbeit. Zu den 35 Mitgliedern der O. gehören die Länder des amerikanischen Kontinents, wobei die Vereinigten Staaten eine dominante Rolle einnehmen. Die Mitgliedschaft von Kuba ist seit 1962 suspendiert. OAU, Abkürzung für engl. Organization of African Unity: Organisation der afrikanischen Einheit, 1963 gegründetes Bündnis insbesondere zur Abschaffung des —»Kolonialismus, zur Stärkung der Zusammenarbeit und Verbesserung der Lebensbedingungen. Die O., die 53 Mitglieder hat, ist auf internationaler Ebene auf Grund von Interessensdivergenzen und von geringem Drohpotential kaum durchsetzungsfähig.

Öffentliche Gewalt Tagungen etc. angewandte Taktik einer kleineren Gruppe zur Verhinderung der Beschlussfassung. Dies geschieht unter Zuhilfenahme von Regelungen der Geschäftsordnung, wie etwa Dauerreden (-»Filibuster), Auszug aus dem Sitzungssaal zur Herbeiführung der Beschlussunfähigkeit, Geschäftsordnungsdebatten, Änderungsanträge und Forderung von namentlicher Abstimmung. Ochlokratie (griech. ochlos: Haufen, kratein: herrschen), auf Aristoteles (384-322) zurückgehender Begriff, der eine nicht durch - » G e setze gebundene Herrschaft des so genannten Pöbels bezeichnet. Die O. gilt als degenerierte Form der -»Demokratie.

Oberbundesanwalt, Staatsanwalt beim Bundesverwaltungsgericht in der Bundesrepublik.

OECD, Abkürzung für engl. Organization for Economic Cooperation and Development: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 1960 gegründete Vereinigung der westlichen Industrieländer zur Förderung der wirtschaftlichen Kooperation und der Zusammenarbeit in -»Entwicklungshilfe. Sie verfolgt zusammen mit der -»Weltbank und dem - » I W F eine Liberalisierung des Welthandels und die Ausbreitung der -»Marktwirtschaft.

Oberbürgermeister, Amtsbezeichnung für den -»Bürgermeister in Großstädten, kreisfreien Städten und großen Kreisstädten.

Offenes Abkommen, völkerrechtlicher Vertrag, der den zukünftigen Beitritt weiterer Unterzeichner zulässt.

Oberhaus, die Erste Parlamentskammer in einem -»Zweikammersystem, insbesondere das aus Adligen und hohen Geistlichen sich zusammensetzende und über ein suspensives - » V e t o verfügende House of Lords des britischen Parlaments.

Öffentliche Anstalt, Einrichtung zur Verwaltung und Wahrnehmung spezieller öffentlicher Aufgaben, über die der -»Staat Aufsicht ausübt, und die dafür nötigen sächlichen und personellen administrativen Mittel. Im Gegensatz zur -»Körperschaft stützt sie sich nicht auf Mitglieder, sondern hat nur Benutzer. Die Ö. ist in der Regel - teilweise gegen -»Gebühren - zur allgemeinen Benutzung eingerichtet (wie etwa eine öffentliche Rundfünkanstalt). Beizeiten ist die Benutzung obligatorisch (wie etwa bei der Müllabfuhr).

Obrigkeitsstaat, Begriff zur Charakterisierung eines autoritären Staates, in dem eine kleine Herrschergruppe ohne Einfluss des Volkes regiert und für sich in Anspruch nimmt, das —»Gemeinwohl zu befördern (siehe auch -»Autoritarismus).

Öffentliche Gewalt - » Staatsgewalt Obstruktion (lat. obstruere: versperren), im -»Parlament, aber auch auf Konferenzen und 157

Öffentliche Güter Öffentliche Güter (public goods), Güter, die nicht in Besitz genommen und daher nicht gehandelt werden können und die jedem, ohne dass er daran gehindert werden kann, zur nutzenden Verfugung stehen. Die Existenz der Ö. ist entweder natürlich gegeben (z.B. Luft) oder staatlich gewährleistet (z.B. innere Sicherheit). Die größte Schwierigkeit hinsichtlich Ö. ist, dass ihre Nutzung möglich ist, ohne einen Beitrag zu ihrer Herstellung oder Erhaltung zu leisten (-»Free Rider). Daher kommt es häufig vor, dass Ö. verschwenderisch verbraucht werden und nicht ausreichend vorhanden sind. Aufgabe der Politik ist es, durch Auflagen (wie etwa Emissionsgrenzen) und Verhandlungen die Ö. zu schützen. Öffentliche Hand - » Fiskus Öffentliche Meinung, 1. die in einer Gesellschaft mehrheitlich vertretenen Einstellungen und Bewertungen hinsichtlich politischer, sozialer und wirtschaftlicher Fragen. 2. Eine unter bestimmten Bedingungen, wie etwa Informiertheit und -»Meinungsfreiheit, von reflektierenden und kritischen Individuen oder Gruppen unter Zuhilfenahme der Medien publik gemachte Position, Überlegung oder Bewertung hinsichtlich politischer, sozialer und wirtschaftlicher Fragen. Da der Begriff der Ö. vage ist, wird er nicht selten zur Rechtfertigung im Grunde unpopulärer Maßnahmen - also mit dem Hinweis auf angeblich unter der Bevölkerungsmehrheit vertretene Meinungen - verwendet.

Ökologischer Fehlschluss Öffentliches Recht, der Bereich des -»Rechts, in dem das Verhältnis zwischen -»Staat und -»Bürger geregelt wird. Öffentlichkeit, 1. die fiir jeden zugängliche Sphäre der -»Gesellschaft, sowohl im örtlichen Sinn (z.B. öffentlicher Platz) als auch im Sinn der Transparenz von Entscheidungsprozessen und -ergebnissen mit gesellschaftlicher Bedeutung. 2. Die für alle - » B ü r g e r offene gesellschaftspolitische Sphäre, in der Individuen und Gruppen politische und soziale Angelegenheiten von Interesse kritisch diskutieren. 3. Synonym für -»öffentliche Meinung. OIC, engl. Abkürzung für Organization of the Islamic Conference: Islamische Weltkonferenz, seit 1969 bestehende Organisation islamischer Länder mit u.a. dem Ziel, den islamischen Zusammenhalt und die wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit zu stärken. Okkupation Besetzung

(lat. occupare:

besetzen)



Ökologiebewegung, loser Zusammenschluss von Personen und Gruppen mit dem Ziel, kurzfristig Umweltschutzmaßnahmen durchzusetzen und langfristig das gesellschaftliche Verhalten gegenüber den natürlichen Lebensgrundlagen so zu ändern, dass ein sorgsamer, nachhaltiger Umgang an die Stelle einer v.a. wirtschaftlich orientierten Ausbeutung tritt (siehe -»Nachhaltigkeit). Die Ö. ist Teil der -»Neuen Sozialen Bewegungen.

Öffentliche Verwaltung —> Verwaltung Öffentlicher Dienst, alle Arbeiter, Angestellten und -»Beamten, die staatlich oder für eine -»Körperschaft des öffentlichen Rechts tätig sind, und ihre damit verbundenen Aufgaben. Zum Ö. gehören auch die Soldaten der -»Bundeswehr, dagegen zählen Regierungsund Parlamentsmitglieder ebenso wie der -»Bundespräsident nicht zum Ö.

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Ökologischer Fehlschluss, Bezeichnung für eine falsche Folgerung, die dann zustande kommt, wenn aus der Verbindung zwischen zwei Werten bzw. Eigenschaften, die sich auf eine Gruppe beziehen, auf die gleiche Verbindung bei den Individuen geschlossen wird. So ist es beispielsweise irrtümlich, aus einem Untersuchungsergebnis, das hinsichtlich einer bestimmten Region mit hohem Ausländeranteil eine hohe Kriminalitätsrate feststellt, zu

Ökonomische Theorien der Politik schließen, dass Ausländer mehr als andere zu Straftaten tendieren. Ökonomische Theorien der Politik - » Neue Politische Ökonomie Ökosteuern, -»Steuern auf umweltschädliche Verhaltensweisen oder Produkte zur Förderung einer Politik der -»Nachhaltigkeit. Ö. gelten als marktwirtschaftliches Instrument zum Umweltschutz, da sie über den Preis von Ressourcen auf dem Markt bzw. über die Besteuerung von Emissionen den Verbrauch von Ressourcen reduzieren sollen (siehe auch —»Umweltpolitik). Oligarchie (griech. oligoi: wenige; archein: herrschen), -»Herrschaft einer kleinen Gruppe. Ombudsmann (schwed. ombudsman: Treuhänder), von -»Parlament oder -»Regierung beauftragte Person zur Vertretung der Angelegenheiten und Rechte der -»Bürger bei der öffentlichen -»Verwaltung. In der Bundesrepublik existiert der O. lediglich für spezielle Bereiche (etwa Datenschutzbeauftragter und Ausländerbeauftragter).

Organisationsfahigkeit eine Handlung, die gesetzlich strafbar ist, nur geahndet wird, wenn die dafür zuständige Strafverfolgungsbehörde dies für opportun, also zweckmäßig hält. Opposition (lat. oppositio: der Widerstand, das Entgegensetzen), allgemein der Widerstand gegen eine bestehende Meinung oder Ordnung; im —»parlamentarischen Regierungssystem die -»Fraktionen im -»Parlament, die weder die -»Regierung stellen noch sie stützen. Demokratische Systeme zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass die O. prinzipiell jederzeit die Möglichkeit hat, die -»Regierung abzulösen. Außerdem ist die O. mit besonderen Rechten gegenüber der Mehrheit ausgestattet, um deren macht zu kontrollieren, wie etwa mit dem Recht zur Einsetzung von -»Untersuchungsausschüssen im Parlament oder dem Recht zu —»Anfragen. Ordnungspolitik, Gesamtheit aller staatlichen Maßnahmen zur Gewährleistung von Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Prozesse. Eines der wichtigsten Ziele ist hierbei die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs und der Eigentumsordnung. Grundsätzlich ist umstritten, inwieweit einzelne wirtschaftspolitische Schritte des Staates lediglich ordnungspolitische Rahmensetzungen oder bereits Eingriffe in die —»Marktwirtschaft darstellen.

OPEC, engl. Abkürzung für Organization of Petroleum Exporting Countries: Organisation der Erdöl exportierenden Ländern, die 1960 gegründet wurde mit dem Ziel der Kooperation und Durchsetzung der eigenen Interessen insbesondere gegenüber den internationalen Ölgesellschaften, zum Beispiel durch die Reduzierung von Öl-Fördermengen. Allerdings leidet die Organisation (11 Mitgliedsstaaten) unter Uneinigkeit, wie etwa hinsichtlich der Festlegung der Förderquote, die immer wieder von einzelnen O.-Ländern nicht eingehalten wird. Überdies sind die O.Länder immer weniger am gesamten Weltölhandel beteiligt.

Organ (griech. organon: Körperteil, Instrument), (Gruppen von) Personen, die für den Staat, eine öffentliche -»Körperschaft oder eine private Organisation ihnen übertragene, (in Verfassung, Satzungen o.ä.) schriftlich festgelegte Aufgaben übernehmen und ausfuhren.

Opportunitätsprinzip, im Gegensatz zum —»Legalitätsprinzip unter bestimmten Bedingungen (z.B. im Jugendstrafrecht und bei Bagatelldelikten) geltender Grundsatz, dass

Organisationsfähigkeit, Begriff, der die Möglichkeit des Zusammenschlusses von Individuen und Gruppen zu einem größeren Verband bezeichnet, um damit die sie verei-

Ordoliberalismus, Synonym für -»Neoliberalismus.

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Organisationsgewalt nigenden Interessen politisch durchzusetzen. Der Begriff der O. impliziert, dass die Ausübung von Einfluss die Artikulation der Interessen in organisierter Form voraussetzt (—•Interessenartikulation). Dementsprechend geschwächt sind diejenigen, die aufgrund fehlender Ressourcen ihre Interessen nicht zu organisieren vermögen. Organisationsgewalt, das Recht der staatlichen -»Exekutive zur Einrichtung und Veränderung der Administration. Dazu gehört beispielsweise die Aufgabenverteilung bezüglich bestimmter -»Behörden, ihre Errichtung ebenso wie ihre Auflösung. Organisierte Kriminalität, Verbindung mehrerer Personen(gruppen), häufig auf internationaler Ebene, zur systematischen Durchführung krimineller Handlungen. Die 0 . betätigt sich vornehmlich auf dem Gebiet des Menschenhandels und der Prostitution ebenso wie im Handel mit Drogen, Waffen, gestohlenen Kunstwerken und Autos. Da die O. nicht selten mit legalen, beizeiten auch staatlichen Institutionen verflochten ist, profitiert sie von dem dadurch gewährleisteten Schutz vor Aufdeckung. Organisierter Kapitalismus, Bezeichnung für einen ökonomisch-politischen Ansatz, demzufolge der -»Staat die Wirtschaftsprozesse zu steuern versucht, um die dem -»Kapitalismus innewohnenden Schwierigkeiten (wie etwa konjunkturelle Krisen) zu lösen. Damit gehen eine enge Verzahnung von Staat und Wirtschaft, Monopolisierung und Zentralisierung einher. Organklage —» Organstreit Organleihe, Tätigwerden des -»Organs einer -»Körperschaft im Auftrag und nach Weisung einer anderen Körperschaft, z.B. der Einsatz der Polizei eines Bundeslandes in einem anderen Bundesland. Der O. bedient man sich, wenn die eigenen Organe dem erstrebten Zweck nicht genügen.

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OSZE Organstreit, in der Bundesrepublik Verfahren beim -»Bundesverfassungsgericht, dem ein Konflikt zwischen mehreren obersten Bundesorganen (-»Bundespräsident, -»Bundesregierung, -»Bundesrat und -»Bundestag) oder deren mit eigenen verfassungsmäßigen Rechten ausgestatteten Teilen (z.B. -»Abgeordnete oder -»Fraktionen) zu Grunde liegt. Dieser Konflikt muss die Verletzung eines im Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung des jeweiligen Organs gewährleisteten Rechts beinhalten. Auch Parteien haben die Möglichkeit, in einen O. zu treten bzw. Organklage zu erheben. Ostrazismus (griech. für Scherbengericht), im antiken Griechenland die Verbannung von Bürgern durch ein Scherbengericht, d.h. durch eine Abstimmung mittels Tonscherben; heute die (angedrohte) Isolierung eines Gruppenmitglieds durch die jeweilige Gruppe. OSZE, Abkürzung für Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, entstanden aus der KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die zum ersten Mal 1973 zusammentrat und sich nach der Verabschiedung der KSZESchlussakte von Helsinki 1975 in regelmäßigen Folgetreffen mit europäischer Sicherheitspolitik, wirtschaftlicher, technischer und wissenschaftlicher Zusammenarbeit sowie mit kulturellem Austausch und menschlichen Kontakten befasste (diese Themen bilden die so genannten drei Körbe der KSZESchlussakte). Die KSZE galt als wichtiger Faktor nicht nur für eine Annäherung zwischen Ost und West und die Aufrechterhaltung der Ost-West-Gespräche auch in Spannungsphasen, sondern auch für die partielle Durchsetzung von -»Menschenrechten in Osteuropa. Nach dem Ende der Blockkonfrontation in Europa verschoben sich die Aufgabenbereiche: An die Stelle einer Annäherung zwischen Ost und West trat neben der wirtschaftlichen Hilfe vornehmlich die Unterstützung

Overkill bei einem friedlichen Übergang von alten Ordnungen zu neuen demokratisch geregelten Staaten beispielsweise durch Wahlbeobachter, Berater und Vermittlungsmissionen. Um diesen Aufgaben gerecht werden zu können, wurde die KSZE in eine permanente Institution, die O. (seit 1994), umgewandelt. Wichtige Organe der O. sind der jährlich tagende Ministerrat, ein —»Generalsekretär, der Hohe Rat von politischen Direktoren der Außenministerien, der Ständige Rat der Botschafter, die parlamentarische Versammlung von Abgeordneten der Mitgliedsstaaten, der Hohe Kommissar für nationale Minderheiten, ein Vergleichs- und Schiedsgerichtshof und das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte. Overkill (engl. Over: über, darüber hinaus; to kill: töten), der nicht mehr zur Eliminierung der Gegner benötigte Teil des Atomwaffenarsenals, insofern der andere Teil dazu bereits ausreicht.

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Pairing

P Pairing (engl, to pair: ein Abkommen treffen), bei Abstimmungen im -»Parlament abgesprochenes Verfahren, wenn die -»Opposition wegen der Abwesenheit von Abgeordneten der Regierungspartei kurzzeitig die Mehrheit hat. Beim P. erklärt sich die Opposition bereit, soviel Stimmen weniger abzugeben, wie der Regierungspartei aufgrund der Abwesenheit ihrer Mitglieder fehlen, so dass die Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht verzerrt werden. Das P. soll es den Abgeordneten erlauben, trotz Abstimmungen andere wichtige Aufgaben wahrzunehmen. Pakt - » Bündnis Panaschieren (frz. panacher: bunt zusammenstellen), Stimmgebung bei einer Verhältniswahl (-»Verhältniswahlrecht), mit der der Wähler seine Stimmen verschiedenen Kandidaten von verschiedenen -»Parteien, d.h. verschiedenen -»Listen gibt. Paramilitärische Verbände (griech. para: neben; lat. militaris: soldatisch), militärisch organisierte und agierende Gruppen, die allerdings nicht dem staatlichen Militär angehören. Paraphieren (frz. parapher: unterzeichnen), vorläufige Bestätigung eines völkerrechtlichen Vertragstextes durch die Unterhändler, indem sie mit ihren Initialen unterschreiben. Das P. verleiht dem Vertrag noch keine Verbindlichkeit. Pareto-Optimum, nach dem italienischen Nationalökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto (1848-1923) benannter (gesellschaftlicher) Zustand, der sich dadurch auszeichnet, dass jede Verbesserung für mindestens eine Person eine Verschlechterung für mindestens eine andere Person bedeutet. Wenn die Veränderung eines Zustandes mindestens eine Person besser stellt und dabei keine einzige andere Person schlechter stellt, dann stellt sie eine Pareto-Verbesserung dar. Wenn keine 162

Parlament Verbesserung in diesem Sinne mehr möglich ist, ist das P. erreicht. Parlament (lat. parlamentum: Besprechung), die politische -»Körperschaft, deren Aufgabe es ist, den politischen Willen der Wähler zu repräsentieren, zu artikulieren und durchzusetzen (-»repräsentative Demokratie). In -»parlamentarischen Regierungssystemen gilt das P. als das höchste Staatsorgan. In das P. werden vom Volk für eine bestimmte Periode die über ein -»freies Mandat verfugenden -»Abgeordneten gewählt. Das P. kann, j e nach System, entweder aus einer oder aus zwei Kammern (-»Zweikammersystem) bestehen. Zu den Einrichtungen des P. gehören in der Regel: das -»Plenum, das Präsidium, die -»Fraktionen, die -»Ausschüsse und der -»Ältestenrat. Im -»politischen System erfüllt das P. vor allem folgende Funktionen: 1. -»Legislative: Das alleinige Recht des P., allgemein verbindliche Gesetze zu beschließen, umfasst auch das -»Budgetrecht und das Recht, völkerrechtliche Verträge zu ratifizieren; 2. Kontrolle der -»Exekutive durch die Wahrnehmung besonderer Kontrollrechte, z.B. -»Untersuchungsausschüsse; 3. Legitimierung des politischen Systems durch -»Repräsentation des politischen Willens des Volkes, das als oberster -»Souverän gilt; 4. politische Willensbildung durch öffentliche Diskussion und Information der Öffentlichkeit; 5. in parlamentarischen Regierungssystemen stellt eine der wichtigsten Funktionen des P. die Bildung und Wahl der -»Regierung sowie die Besetzung anderer wichtiger Staatsämter dar (z.B. Verfassungsrichter). Hier ist die Tätigkeit des P. entsprechend durch die Spaltung in Regierungsfraktionen und -»Opposition geprägt (siehe auch -»Bundestag, deutscher). Je nach Schwerpunkt der parlamentarischen Tätigkeit wird zwischen Arbeitsparlament und Redeparlament unterschieden, wobei sich der Schwerpunkt der Tätigkeit der Abgeordneten zunehmend vom Auftritt als Redner im -»Plenum (Redeparlament) hin zur Arbeit als Experte in -»Ausschüssen (Arbeitsparlament) verlagert.

Parlamentär

Parlamentarismus

Parlamentär, Beauftragter eines Krieg fuhrenden Staates zur Verhandlung mit dem Kriegsgegner. Parlamentarische Demokratie mentarisches Regierungssystem



Parla-

Parlamentarische Gruppe - » Gruppe, parlamentarische Parlamentarische Kontrollkommission, in der Bundesrepublik aus -»Abgeordneten des -»Bundestages zusammengesetztes Gremium zur Kontrolle der -»Geheimdienste. Die Kontrolle richtet sich allerdings nicht unmittelbar auf die Tätigkeit des Geheimdienstes, sondern auf die -»Regierung als deren Dienstherr. In der P. müssen auch Oppositionsabgeordnete vertreten sein. Parlamentarische Monarchie - » Monarchie Parlamentarische Öffentlichkeit, der Öffentlichkeit zugängliche Sitzungen des -»Parlaments. In der Bundesrepublik gilt grundsätzlich die P., aber „auf Antrag eines Zehntels seiner Mitglieder oder auf Antrag der Bundesregierung kann mit Zweidrittelmehrheit die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden" (Art. 42,1 GG). Parlamentarischer Staatssekretär

Staatssekretär



Parlamentarisches Regierungssystem, Form des -»Parlamentarismus, bei der die Regierung vom -»Parlament gewählt wird und von dessen Vertrauen abhängig, also durch dieses auch abwählbar ist (siehe in Abgrenzung dazu -»präsidentielles Regierungssystem). Zu den Grundmerkmalen eines P. gehören: Rekrutierung der Regierungsmitglieder aus dem -»Parlament; Verantwortlichkeit der -»Regierung gegenüber dem Parlament (Absetzbarkeit der Regierung durch das Parlament); Recht der Regierung, das Parlament aufzulösen; enge Kooperation zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit

(-»Fraktionsdisziplin). Daraus ergibt sich, dass die -»Gewaltenteilung zwischen - » E x e kutive und -»Legislative hier eine Änderung erfahrt, insofern die Parlamentsmehrheit in der Regel mit der Regierung zusammenarbeitet und dadurch die Kontrollfunktion auf die Opposition übergeht (-»Gewaltenverflechtung). Des Weiteren gelten folgende Punkte als Kriterien fiir ein P.: doppelte Exekutive aus -»Regierungschef und -»Staatsoberhaupt, wobei letzterer vornehmlich repräsentative Funktion und die Aufgabe der Ernennung des Regierungschefs innehat. Die Bundesrepublik besitzt ein P., wobei allerdings die —»Auflösung des Bundestages durch besondere Auflagen erschwert wird (siehe auch -»Bundestag). Grundsätzlich kann man zwischen der monarchischen und der republikanischen Form des P. unterscheiden (siehe auch -»Monarchie; -»Republik). Außerdem lassen sich Differenzen hinsichtlich der Machtverteilung zwischen Regierungschef, -»Präsident, -»Kabinett und Parlament feststellen: Während etwa in der Bundesrepublik eine -»Kanzlerdemokratie herrscht, spricht man beispielsweise hinsichtlich Italien von einer Exekutivkooperation zwischen Staatspräsident und Regierungschef, bezüglich Frankreich von einer Präsidialdominanz. Denkbar ist auch eine Versammlungsdominanz, das heißt eine starke Stellung des Parlaments im Vergleich zur Exekutive. Parlamentarismus, im weiteren Sinne ein -»politisches System, in dem ein -»Parlament als Vertretung (eines Teils) der Bevölkerung an politischen Entscheidungen mitwirkt. Im engeren Sinne wird als P. das -»parlamentarische Regierungssystem bezeichnet, in dem die politische Legitimation aller anderen Staatsorgane, insbesondere der -»Regierung, vom -»Parlament abgeleitet ist. Im P. ist das Parlament, das ursprünglich eine Vertretung des Adels gegenüber dem Monarchen war, nicht automatisch eine demokratische Institution, dies auch daher, weil die im Parlament sitzenden Parteimitglieder nicht

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Parlamentsauflösung notwendigerweise demokratische Ziele verfolgen (siehe auch -»Demokratie). Parlamentsauflösung, wichtiges Element in einem -»parlamentarischen Regierungssystem, das der -»Exekutive die Möglichkeit gibt, das -»Parlament vor Ablauf der -»Legislaturperiode abzusetzen und Neuwahlen anzusetzen. Je nach Verfassung kann entweder der -»Präsident oder die -»Regierung das Parlament auflösen, wobei die P. häufig an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, wie es z.B. in der Bundesrepublik der Fall ist (siehe -»Auflösung des Bundestages).

Parteiendemokratie

Partei, organisierter und dauerhafter Zusammenschluss von Personen zur Durchsetzung von Interessen und Ideen durch (den Versuch zur) Einnahme von Machtpositionen in der -»Regierung und anderen politischen Organen. Wie bei -»Interessenverbänden ist eine wesentliche Aufgabe der P., die Interessen zu artikulieren (-»Interessenartikulation), im Unterschied dazu vertreten P.en jedoch nicht nur spezifische Interessen, sondern haben auch die Funktionen, unterschiedliche Vorstellungen zu bündeln (-»Interessenaggregation und -integration) und in den systematischen Zusammenhang eines parteipolitischen Programms zu stellen. Des weiteren zählt man zu den charakteristischen Tätigkeiten einer P. u.a. die Mobilisierung von Anhängern zur -»Partizipation an politischen Entscheidungen, die Rekrutierung von Mitarbeitern und Führungspersonal und für gewöhnlich das Streben nach Regierungsbeteiligung.

Parlamentspräsident, Vorsitzender des -»Parlaments, der in der Regel die Aufgabe hat, Debatten zu leiten, die Arbeit des Parlaments zu organisieren und zu verwalten, über die Einhaltung der parlamentarischen Regeln zu wachen und das Parlament zu repräsentieren. Der P. in der Bundesrepublik, der -»Bundestagspräsident, ist zweithöchster politischer Amtsträger der Bundesrepublik (nach dem -»Bundespräsidenten), repräsentiert den -»Bundestag und regelt dessen Geschäfte: U.a. ist er verantwortlich für die Einhaltung der Geschäftsordnung und leitet die Plenarsitzungen. Der P. bleibt Mitglied seiner —»Fraktion und behält sein Stimmrecht. In anderen Ländern, wie etwa in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, heißt der P. Speaker. In Großbritannien ist sein Aufgabenbereich vor allem administrativer und repräsentativer Art und er hat sich strikt parteipolitisch neutral zu verhalten, während der Speaker des -»Re-präsentantenhauses in den Vereinigten Staaten zugleich Vorsitzender der Mehrheitsfraktion ist und daher eine politisch mächtige Stellung einnimmt.

Im -»politischen System der Bundesrepublik haben P.en aufgrund ihrer besonderen verfassungsrechtlichen Stellung (-»Parteienprivileg) eine starke Position (siehe auch -»Parteiendemokratie; -»Parteienverbot). Laut Art. 21,1 GG wirken P.en „bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen." Das Parteiengesetz sieht laut § 2,2 vor, dass eine P. ihre Rechtsstellung verliert, „wenn sie sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat." Damit verliert die P. auch u.a. die ihr vom Staat zukommende finanzielle Unterstützung (-»Parteienfinanzierung).

Parlamentsvorbehalt, verfassungsrechtliches Prinzip in der Bundesrepublik, nach dem alle wesentlichen politischen Entscheidungen vom -»Parlament getroffen werden müssen und von diesem nicht an andere Organe delegiert werden dürfen. Der P. ist aus den Grundsätzen der -»Rechtsstaatlichkeit und —»Demokratie abgeleitet.

Parteiendemokratie, demokratisches System, innerhalb dessen die -»Parteien eine wesentliche Funktion innehaben, insofern sie den politischen Prozess entscheidend prägen. Im positiven Sinne bedeutet P., dass die Parteien durch -»Repräsentation und Artikulation des Bürgerwillens und den Versuch von dessen Durchsetzung in der Regel der demo-

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Parteienfinanzierung kratischen Kontrolle und Bildung von politisch-staatlichen Entscheidungen dienen. Andererseits jedoch wird immer wieder Kritik an einer übermächtigen Stellung der Parteien laut, die vor allem daraus resultiert, dass immer mehr Bereiche der -»Gesellschaft und des Staates von den Parteien vereinnahmt werden, -»Patronage betrieben wird, Opportunismus herrscht und Parteien sich illegaler Mittel zu ihrer Finanzierung bedienen (-»Parteienfinanzierung; -»Parteispenden; -»Politikverdrossenheit). Parteienfinanzierung setzt sich zusammen aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und staatlichen Zuschüssen an die -»Partei oder parteinahe Stiftungen. In der Bundesrepublik unterstützt die öffentliche Hand Parteien insofern, als Spenden bis zu 6000 DM für Ledige und 12 000 DM für Verheiratete ebenso wie Mitgliedsbeiträge steuerlich abzugfähig sind. Außerdem erhalten Parteien einen Zuschuss von 0,50 DM pro gespendeter oder als Mitgliedsbeitrag bezahlter Mark bis zu 6000 DM von natürlichen Personen. Beim Wahlkampf zahlt der Staat überdies einer Partei 1,30 DM für jede ihr zukommende Stimme der ersten 5 Millionen Stimmen und für jede weitere 1 DM („Wahlkampfkostenerstattung"). Grundsätzlich herrscht Uneinigkeit darüber, ob Parteien vom Staat unterstützt werden sollten oder sich ausschließlich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanzieren sollen. Gegen eine staatliche Finanzierung könnte sprechen, dass durch die damit gewonnene partielle Unabhängigkeit von sie finanziell unterstützenden Bürgern zugleich auch die Anstrengung zurückgeht, ihre Inhalte und Ziele an der Bevölkerung zu orientieren. Außerdem stabilisieren die Kriterien der Zuteilung von Zuschüssen nach Stärke der Wählerstimmen, Höhe der Mitgliedsbeiträge und Spenden die Position der Parteien und erschweren einen Machtwechsel. Für eine staatliche Subvention spricht, dass die alleinige Finanzierung durch Beiträge und vor allem Spenden zur Abhängigkeit einer Partei und ihrer Politik von zahlungskräftigen Bürgern und deren finanzieller Einflussnah-

Parteienverbot me (Korruption) führen und damit auch zur Benachteiligung finanziell schlechter gestellter Bürger. Parteienprivileg, in der Bundesrepublik verfassungsrechtlich hervorgehobene Stellung der -»Parteien, die vor allem darin besteht, dass ausschließlich das -»Bundesverfassungsgericht ein -»Parteienverbot verhängen kann. Parteienstaat - » Parteiendemokratie Parteiensystem, Bezeichnung für die Stellung der -»Parteien zueinander innerhalb eines politischen Gemeinwesens. Die Klassifizierung des P. erfolgt grundsätzlich gemäß der Zahl der politisch einflussreichen Parteien (-»Einparteiensystem, -»Zweiparteiensystem, -»Mehrparteiensystem, -»Vielparteiensystem). Zur Differenzierung dienen zahlreiche Kriterien, wie etwa die Möglichkeiten zur Koalitionsbildung, die Konkurrenzsituation und die existierende -»Herrschaftsform des Staates (z.B. „autoritatives" und „totalitäres" Einparteiensystem). Die konkrete Ausgestaltung des P. wird beeinflusst von -»Wahlsystem, -»politischer Kultur, Sozial- und ökonomische Struktur. Parteientypologie, Klassifizierung von -»Parteien anhand charakteristischer Merkmale, wie etwa inhaltliche Orientierung (z.B. liberal, christlich, kommunistisch), Organisationsweise (z.B. -»Honoratiorenpartei, -»Mitgliederpartei, -»Kaderpartei), politische Stellung (z.B. -»Staatspartei) und soziale Mitglieder- und Wählerstruktur (z.B. -»Klassenpartei; -»Volkspartei). Parteienverbot kann in der Bundesrepublik nur vom -»Bundesverfassungsgericht verhängt werden (siehe auch -»Parteienprivileg), und zwar nur dann, wenn —»Parteien „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu 165

Parteispenden gefährden" (Art. 21,2 GG) (-»freiheitlichdemokratische Grundordnung). Der Antrag auf P. kann ausschließlich vom -»Bundestag, -»Bundesrat oder von der -»Bundesregierung (bzw. einer -»Landesregierung im Falle einer -»Landespartei) gestellt werden. Bei einem P. kann das Parteivermögen zu gemeinnützigen Zwecken eingezogen werden. Trotz offensichtlicher Gründe für ein P. lassen sich Argumente dafür finden, nicht jede verfassungsfeindliche Partei verbieten zu wollen: Zum einen ist es in der Regel für den Verfassungsschutz einfacher, diese Parteien zu beobachten, wenn sie nicht durch ihr Verbot in den Untergrund gedrängt werden; überdies kann ein Verbot einer Partei eine Märtyrerrolle zuspielen und ihr damit Sympathisanten verschaffen. Parteispenden unterliegen für gewöhnlich bestimmten Bedingungen, von denen die wichtigsten die folgenden Bestimmungen sind (bezogen auf die Bundesrepublik): Bei Spenden über 20.000 D M muss der Spender im Rechenschaftsbericht namentlich aufgeführt sein, Unternehmen können ihre Spenden nicht steuerlich absetzen; überdies dürfen u.a. folgende Spenden laut §25 Parteiengesetz nicht angenommen werden: anonyme Spenden über 1000 DM, i.d.R. Spenden aus dem Ausland, Spenden von politischen Stiftungen, Parlamentsfraktionen (-»Fraktionen) und gemeinnützigen -»Körperschaften, Spenden, „die erkennbar in Erwartung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden" (siehe auch -»Parteienfinanzierung). Partikularismus (lat. particularis: eine Minderheit betreffend), politisches Streben eines staatlichen Teilgebietes nach besonderen Rechten ungeachtet der gesamtstaatlichen Ordnung. Der P. beinhaltet nicht wie der -»Separatismus die Forderung nach vollständiger Selbständigkeit. Der Ausdruck des P. ist gewöhnlich negativ besetzt.

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Paternalismus Partisanen (frz. partisan: Parteigänger), bewaffnete, keinen staatlichen Streitkräften angehörende Personen in einem -»Staat, welche feindliche Truppen bekämpfen, die einmarschiert sind und/oder den Staat okkupieren. Partizipation (lat. participatio: Teilnahme), Beteiligung der -»Bürger am politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess. Die P. ist wesentlicher Bestandteil und Voraussetzung einer —»Demokratie, wobei jedoch unterschieden werden muss hinsichtlich der Formen und der Gründe der P. Sie kann einerseits als Instrument zur Durchsetzung von Interessen innerhalb eines Gemeinwesens benutzt, andererseits jedoch um ihrer selbst willen (etwa als Ausdruck der -»Selbstbestimmung) erwünscht werden. In Bezug auf ihre Formen beginnt P. bereits beim Verfolgen des politischen Geschehens, von P. im eigentlichen Sinne kann allerdings erst bei aktiver Mitgestaltung des politischen Umfeldes die Rede sein. Dazu gehören u.a. Teilnahme an -»Wahlen, -»Demonstrationen, -»Bürgerinitiativen und Gründung von -»Verbänden. Passives Wahlrecht, das Recht, an - » W a h len als Kandidat teilzunehmen (Wählbarkeit). Um sich in der Bundesrepublik als Kandidat für die Wahl zum deutschen -»Bundestag aufstellen lassen zu können, ist es nötig, folgende Grundbedingungen zu erfüllen: „seit mindestens einem Jahr Deutscher" und nicht vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen zu sein und das 18. Lebensjahr vollendet zu haben (Bundeswahlgesetz, §15,1). Unter bestimmten Bedingungen kann einem das P. abgesprochen werden (Bundeswahlgesetz §13 in Verbindung mit §15). Bei Kommunalwahlen haben auch die EUBürger grundsätzlich das P. inne. Paternalismus (lat. paternus: väterlich), Bezeichnung für einen Herrschaftsmodus, der sich durch Bevormundung und ein väterlichautoritäres Auftreten auszeichnet. Diejenigen,

Patriarchat die sich diesem Verhalten beugen, können dafür mit fürsorglichen Leistungen rechnen. Patriarchat (lat. pater: Vater; griech. archein: herrschen), Bezeichnung für eine Gesellschaftsform, in der der M a n n (ursprünglich der Vater oder der Sippenälteste) herrscht und die Frau sich unterzuordnen hat (siehe auch ->Matriarchat). Patrimonialherrschaft (lat. Patrimonium: väterliches Erbe), Herrschaftsordnung, in der das Herrschaftsgebiet als Eigentum des Herrschers gilt, das er seinen Untertanen zur befristeten N u t z u n g überlässt. Dabei ist diese Herrschaftsordnung in der Regel durch eine patriarchalische Struktur gekennzeichnet (-•Patriarchat). Patriotismus (lat. patria: Vaterland), emotionale, häufig irrationale Bindung an das eigene Land, das als Vaterland besonders verehrt wird und für das man sich a u f z u o p fern bereit ist. P. kann leicht in - » N a t i o n a lismus umschlagen, wobei diesem in Abgrenzung zum P. politische Zielen (wie zum Beispiel das Streben nach Vorherrschaft des eigenen Volkes) eignen. P a t r o n a g e (lat. patronus: Schutzherr), Prinzip der Verteilung öffentlicher Mittel, demzufolge bestimmte Personen oder Gruppen ihre Anhänger durch die Vergabe von materiellen und immateriellen Vorteilen (wie etwa Ämtern) begünstigen und damit deren Loyalität absichern. Patronagepartei (lat. patronus: Schutzherr), -»Partei, deren hauptsächliches Ziel darin besteht, (Staats-)Ämter zu besetzen, ohne dabei einem speziellen Parteiprogramm zu folgen. U m dies zu erreichen, verspricht sie eine Begünstigung ihrer Anhänger und Wähler durch materielle und immaterielle (wie etwa Ämter) Vorteile. Pazifismus (lat. pacificus: friedliebend), Haltung und Weltanschauung, die die ausnahmslose Ablehnung von —»Gewalt als

Peace-enforcement Mittel zur Politik, einschließlich der Ablehnung von Gewalt als Selbstverteidigung, vertritt. - » F r i e d e ist dem P. zufolge nur auf friedlichen, also gewaltfreien W e g e n zu erreichen. Der P. entspringt verschiedenen Motiven, wie etwa religiösen und humanistischen. A m problematischsten hinsichtlich des P. ist wohl, dass er aufgrund seines Prinzips der Gewaltlosigkeit gegenüber existierender Gewalt häufig ohnmächtig ist und er sich daher dem V o r w u r f stellen muss, diese zu dulden. P e a c e - e n f o r c e m e n t (engl, für Friedenserzwingung), mit militärischen Mitteln und/oder anderen Sanktionen durchgesetzte Beendigung eines b e w a f f n e t e n Konfliktes. Bisweilen bezeichnet P. auch so genanntes robustes -»peace-keeping, bei dem die Truppen der - » V e r e i n t e n Nationen berechtigt sind, W a f f e n g e w a l t nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch zur Erfüllung ihres allgemeinen Auftrages der Friedenssicherung einzusetzen. Ebenso wenig wie „peacekeeping" ist der Begriff P. in der - » U N Charta ( U N C ) zu finden. Allerdings sieht Kapitel VII der U N C vor, dass bei einer B e d r o h u n g oder einem Bruch des - » F r i e d e n s der -»Sicherheitsrat die Staaten ermächtigen kann, - » S a n k t i o n e n gegen einen Aggressor zu verhängen und militärisch gegen ihn vorzugehen. Dabei können auch die Vereinten Nationen selbst die Operationen leiten. Außer für peace-keeping Operationen im h e r k ö m m lichen Sinne waren die Mitgliedsstaaten bisher j e d o c h nicht gewillt, ihre T r u p p e n den Vereinten Nationen zu unterstellen. Je größer der militärische A u f w a n d und das militärische Risiko bei Operationen im Rahmen des P. sind, um so weniger sind die Staaten bereit, den Vereinten Nationen Einfluss auf die Gestaltung der Ziele und der Strategie solcher Einsätze zuzugestehen. Damit wächst auch die Gefahr, dass Militäreinsätze als P. deklariert werden, die nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisiert sind und möglicherweise gar nicht dem Ziel der Friedenserzwingung dienen. 167

Peace-keeping

Peace-keeping (engl, filr Friedenserhaltung), Bezeichnung für den, in der Regel friedlichen, Einsatz von UN-Kräften zur Sicherung des Friedens in einer Konfliktzone, in der Waffenruhe vereinbart wurde. Das P., das in der -»-UN-Charta nicht ausdrücklich vorgesehen ist, stützt sich völkerrechtlich auf den allgemeinen Auftrag zur Friedenssicherung der -»Vereinten Nationen. In der Regel folgt das P. den Prinzipien der Unparteilichkeit, der Zustimmung aller Konfliktparteien zum P., dem Gewaltverzicht und dem Einsatz von UN-Kräften aus neutralen Staaten. Die Mittel des P. sind u.a.: Einsatz von Wahlbeobachtem und zivilen Kräften zur Aufbauhilfe und Förderung von Demokratisierungsprozessen, Einsatz von Militärbeobachtern, u.a. zur Prävention von wieder aufkeimenden Konflikten, Bildung von Pufferzonen und unter Umständen die militärische Durchsetzung von Waffenruhe (-»Peace-enforcement). Pentagon, Bezeichnung für das -»Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten. Perestrojka (russ. für Umgestaltung, Umbau), (neben -»Glasnost) seit Mitte der 1980er-Jahre bis Anfang der 90er proklamierte Politik in der UdSSR zur Bewältigung vor allem wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Die P. bediente sich unter Beibehaltung kommunistischer und systemstabilisierender Prinzipien unter anderem marktwirtschaftlicher Komponenten und politischer Liberalisierung (siehe auch -»Kommunismus; -»Marktwirtschaft). Die im Rahmen der P. erfolgte Öffnung trug zum Ende des OstWest-Konfliktes und zum Zusammenbruch der UdSSR bei. Persona non grata (lat. für unerwünschte Person) wird ein Mitarbeiter der diplomatischen Vertretung eines Landes, dessen Präsenz der Staat, in dem er sein eigenes Land vertritt, für unerwünscht erklärt und der daher zur Ausreise aufgefordert wird. Ein Staat erklärt eine Person zur P., wenn diese die Regeln des diplomatischen Verkehrs miss168

Petition achtet (wie z.B. Einmischung in -»innere Angelegenheiten oder Gesetzesverstöße). Personalhoheit, 1. alle Rechte eines -»Staates gegenüber denjenigen, die seine -»Staatsangehörigkeit haben, unabhängig davon, ob sie sich auf seinem Territorium befinden. Die P. gilt auch für die Staatsangehörigen, die sich im Ausland befinden, wobei es allerdings zum Konflikt kommen kann zwischen der P. und der -»Gebietshoheit des Aufenthaltstaates; 2. die besonderen Rechte einer öffentlichen -»Körperschaft gegenüber denjenigen, die dem -»Öffentlichen Dienst angehören. Personalisierte Verhältniswahl - > Bundestagswahl Personalitätsprinzip, das Rechtsprinzip, demzufolge alle nach dem Recht desjenigen Staates behandelt werden, dessen Angehörigkeit sie besitzen, unabhängig davon, ob sie sich in diesem aufhalten bzw. wohnen (siehe auch -»Personalhoheit). Personalunion, die Übernahme mehrerer (politischer) -»Ämter, die voneinander unabhängig sind, und ihrer Aufgaben und Rechte durch eine Person. Die P. kann in Konflikt treten mit dem Prinzip der -»Inkompatibilität. Petition (lat. petitio: Bitte, Gesuch), Eingabe an ein staatliches Organ mit dem Gesuch um Berücksichtigung bestimmter Wünsche oder Beschwerden. In der Bundesrepublik verbürgt das Grundgesetz jedem „das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden" (Art. 17 GG). Dieses Recht beinhaltet auch das Recht auf Bearbeitung und Beantwortung der P. Die P.en, die an den -»Bundestag gerichtet werden, erledigt der P.sausschuss. Dieser verfugt gegenüber den Bundesbehörden unter anderem über das Zutrittsrecht zu allen Einrichtungen, das Recht, die nötigen Auskünfte und Akten-

Petitionsausschuss einsichten zu erhalten, Zeugen zu laden, zur Verwaltungsbehörden und Gerichte Amtshilfe zu verpflichten. Der P.sausschuss erstattet dem Bundestag über die von ihm bearbeiteten P.en Bericht und gibt dazu Beschlussempfehlungen ab. Petitionsausschuss - » Petition Planfeststellung, die zum Abschluss eines P.sverfahrens getroffene Entscheidung einer Behörde zur Durchfuhrung eines öffentlichen Vorhabens, zum Beispiel die Entscheidung zum Bau einer Straße. Planwirtschaft, meist mit sozialistischen Gesellschaftsordnungen verbundenes Wirtschaftssystem, in dem die wirtschaftlichen Produktions- und Austauschprozesse durch zentrale Institutionen geplant und kontrolliert werden. In der Regel befinden sich in diesen Systemen die -»Produktionsmittel im Eigentum des -»Staates. Im Gegensatz zur -»Marktwirtschaft dienen in der P. langfristige und für jede Ebene der Wirtschaftstätigkeit detailliert ausgearbeitete Pläne dazu, die Produktion an den Bedürfnissen in einer -»Gesellschaft auszurichten. Die Vorgaben umfassen hierbei die Menge und Art der Produktion ebenso wie des Konsums, womit auch die Kontrolle der tatsächlich produzierten Güter und deren Verteilung einhergeht. Überdies wird in einer P. auch der Außenhandel weitestgehend staatlich gesteuert. Diese allumfassende Planung der Wirtschaftstätigkeit über mehrere Jahre führt nicht nur zu einem hohen bürokratischen Aufwand und zu damit verbundenen hohen Produktionskosten, sondern auch zu Fehlplanungen, die aufgrund der Starrheit des Systems in unvorhergesehenen Situationen nicht revidiert werden können. Dies hat häufig Versorgungsengpässe zur Folge. Da staatliche Planung den Wettbewerb ersetzt, besteht in einzelnen Betrieben häufig kein Anreiz, die Qualität der Produkte zu steigern und die Produktionskosten zu senken.

Plenum Plattformpartei, -»Partei ohne eigenes, auf längere Zeit angelegtes Programm. Die Ziele der Partei werden vielmehr jeweils vor und für Wahlen in einer so genannten Plattform formuliert und propagiert. Plebiszit (lat. plebs: Volk, Menge; scitum: Beschluss), Oberbegriff filr die wesentlichen Verfahren der -»direkten Demokratie (siehe -»Volksentscheid; -»Referendum; -»Volksbegehren; -»Volksabstimmung). Man unterscheidet zwischen Sach- und Personalp. Bei ersterem geht es um Entscheidungen bezüglich sachpolitischer Themen, in letzterem um die Besetzung von Ämtern. In der Bundesrepublik besteht auf der Bundesebene nur für den speziellen Fall der Neugliederung des Bundesgebiets die Möglichkeit und die Notwendigkeit zum P. (vgl. Art. 29 GG). Auf Landesebene dagegen sind für verschiedene Gegenstandsbereiche Formen des P., das Volksbegehren und der Volksentscheid, vorgesehen. Plebiszite sind Ausdruck der -»Volkssouveränität und damit ein wesentliches Element der -»Demokratie. Auch bzw. gerade in Systemen -»repräsentativer Demokratie vermag der Einsatz von P.en der teilweise voranschreitenden Distanzierung der Bürger von der Politik entgegenzuwirken. Plebiszitäre Demokratie, 1. —»direkte Demokratie; 2. im Speziellen (nach Max Weber: 18641920) die Legitimation eines diktatorischen Führers, aber auch die Rekrutierung eines Herrschers in Massendemokratien durch plebiszitäre Verfahren. Plenardebatte, die Behandlung eines Themas im -»Plenum des -»Parlaments. Plenum (lat. plenus: voll), Vollversammlung eines Gremiums, insbesondere des -»Parlaments. In demokratischen Systemen hat allein das P. das Recht, -»Gesetze zu verabschieden und rechtsverbindliche Entscheidungen zu treffen. Die Bearbeitung der abzustimmenden und zu diskutierenden Themen er169

PLO folgt jedoch zunehmend in den -»Ausschüssen, wobei das Plenum häufig nur mehr zur Abstimmung und zur öffentlichen Darstellung zusammenkommt. PLO, Abkürzung für engl. Palestine Liberation Organization: Palästinensische Befreiungsorganisation, 1964 gegründeter Zusammenschluss palästinensischer Kampfgruppen und Befreiungsbewegungen zur Durchsetzung politischer Ziele, darunter vor allem die Errichtung eines autonomen palästinensischen Staates und die Rückgabe israelisch besetzten Gebietes. Pluralismus (lat. pluralis: vielfach), Merkmal einer demokratischen Gesellschaft, die sich durch eine Vielfalt von Interessen und Gruppen auszeichnet, und der Versuch, dieser Vielfalt in politischen Entscheidungsprozessen gerecht zu werden (siehe auch - » D e mokratie). Theoretiker einer pluralistischen Gesellschaft gehen davon aus, dass durch die ständige Auseinandersetzung zwischen den Interessengruppen und ihre Konkurrenz um politischen Einfluss demokratische Mitwirkungsrechte am besten verwirklicht und Machtkonzentrationen verhindert werden können. Bedingungen bzw. Grundsätze einer pluralistisch verfassten Gesellschaft sind unter anderem: Existenz verschiedener, gleichberechtigter Interessengruppen, - » V e r bände und -»Parteien; offene Konfliktaustragung zwischen ihnen; -»Repräsentation der gesellschaftlichen Vielfalt durch den -»Staat und seine Organe. Kritiker des P. weisen darauf hin, dass der Staat in seiner Handlungsfähigkeit auf Grund der ständig neu zu überprüfenden und zu berücksichtigenden Interessenvielfalt gelähmt wird. Andere wiederum heben hervor, dass in der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestimmte Interessen, v.a. diejenigen von schwachen, nicht sanktionsfähigen Minderheiten nicht die gleichen Chancen zur Durchsetzung haben wie andere (vgl. auch -»Organisationsfähigkeit; —»Interessenverband).

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Political correctness Plutokratie (griech. plutos: reich; kratein: herrschen), Herrschaftstypus, bei dem die Reichen die Macht innehaben. Pogrom (russ. für Verwüstung), 1. gewalttätige Ausschreitungen von Teilen der Bevölkerung gegen Juden seit dem Mittelalter, die von Kirche und/oder Staat toleriert, mitunter sogar angezettelt wurden, wie etwa in Russland Ende des 19. Jh. oder im -»Nationalsozialismus in der so genannten Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 (-»Antisemitismus). 2. Im weiteren Sinne jede gewalttätige Ausschreitung gegen Angehörige ethnischer, nationaler, religiöser oder anderer -»Minderheiten. Polemologie - » Friedens- und Konfliktforschung Policy, in Abgrenzung zu -»Politics und -»Polity verwendete englische Bezeichnung für politische Inhalte und Programme ohne Berücksichtung der Prozesse und Strukturen. Polis, 1. Stadtstaat in der griechischen Antike, zu dem die stimmberechtigten Bürger, seine öffentlichen Institutionen und seine Gesetze gehören. Insofern bezeichnet P. insbesondere das politische Gemeinwesen (das im antiken Griechenland Frauen, Sklaven und Fremde ausschloss bzw. nicht als Bürger akzeptierte). 2. Heute idealisierend im Sinne einer politischen -»Gemeinschaft verwendet, die sich durch demokratische und vernünftige -»Partizipation aller Bürger und das Streben nach Verwirklichung des -»Gemeinwohls auszeichnet. Political correctness (engl, für politische Korrektheit), aus den Vereinigten Staaten stammende Bewegung und ihr Verhalten, das sich zum Ziel setzt, benachteiligte -»Minderheiten (wie etwa auf Grund körperlicher Behinderung oder kultureller, ethnischer oder sexueller Unterschiede) zu stärken. Dabei soll zunächst das öffentliche Bewusstsein

Politics verändert werden, was unter anderem durch Ersetzung bestimmter sprachlicher, häufig negativ besetzter Ausdrücke (wie z.B. „Zigeuner" durch „Sinti" und „Roma"), Veränderung traditioneller Lehrpläne (wie z.B. die Ergänzung des fast ausschließlich durch weiße, männliche Autoren und Wissenschaftler bestimmten Bildungskanons) und spezielle Förderung von schwachen Minderheiten im Bildung und Beruf, wie etwa durch -»Quotierung. Die p. lehnt Verfahren der -»Assimilation ab und bejaht anstelle dessen Vielfalt und Differenzen der Personen und gesellschaftlichen Gruppen. Manche werfen der P. vor, kritiklos alle Minderheiten ungeachtet möglicher Kompetenzschwächen und qualitativen Unterschiede anderen Gruppen gegenüber zu bevorzugen. Überdies wird ein sprachlicher Tugendterror angeprangert, der jeder Verwendung geschichtlich gewachsener Ausdrücke Diskriminierung unterstellt. Andererseits werden diese - sich gegen extreme Positionen der P. wendende - Kritikpunkte häufig dazu missbraucht, jede Form der P. (und damit Formen der Gleichberechtigungspolitik) als übertrieben darzustellen, lächerlich zu machen und damit zu entkräften. Politics, in Abgrenzung zu —»Policy und -»Polity verwendete englische Bezeichnung für politische Prozesse der Austragung von Konflikten und der Entstehung politischer Entscheidungen. Politik, schwer zu umgrenzender Begriff, der in seinem griechischen Ursprung die Führung eines -»Staates bzw. Lenkung der öffentlichen Aufgaben bezeichnete. Selbst wenn man diese Umschreibung von P. akzeptierte, so ist fraglich, was die öffentlichen Aufgaben umfassen und welche Prozesse und Institutionen zur Lenkung gezählt werden können. Gemäß der angloamerikanischen Differenzierung in -»Policy, -»Politics und -»Polity lassen sich drei Dimensionen der P. benennen: die technokratisch und administrativ ausgeführte inhaltliche Dimension, das Verfahren der Konfliktaustragung und Macht-

Politikverdrossenheit prozesse und schließlich die bestehenden Institutionen und Normen. Ein sehr weiter Begriff der P. bezeichnet mit P. die Koordination des Handelns mehrerer Personen oder Gruppen ebenso wie - in Anlehnung an Max Weber (1864-1920) - das Streben nach —»Macht. Dem gegenüber lässt ein sehr enger Politikbegriff als P. lediglich den öffentlich-institutionalisierten Prozess der Entscheidungsfindung gelten. Der Dissens über eine adäquate, allgemein akzeptierte Definition von P. zeigt sich u.a. in der Bandbreite der P.begriffe, wie etwa in der Rede von P. als „Unterscheidung von Freund und Feind" (Carl Schmitt: 1888-1985), der P. als „Klassenkampf' (-»Marxismus) und der P. als Streben nach der guten und gerechten Gesellschaftsordnung. An diese dritte, auf Piaton (427-347) und Aristoteles (384-322) zurückgehende Umschreibung von P. knüpfen wiederum mehrere Auffassungen von P. an, wie etwa die von Hannah Arendt (19061975): Diese begreift P. im Sinne eines gemeinschaftlichen öffentlichen Raumes miteinander handelnder und sprechender Menschen, wobei P. nicht als Mittel zur Durchsetzung eines Zweckes, sondern als Selbstzweck begriffen wird. Die —»Systemtheorie nach Niklas Luhmann (1927-1999) dagegen betrachtet nicht handelnde Subjekte, sondern beschreibt P. als ein Teilsystem der Gesellschaft, das auf gleicher Ebene wie die anderen Teilsysteme steht und sich zu diesen in einem Verhältnis gegenseitiger Beeinflussung befindet. Die Grundstruktur des -»politischen Systems wird mittels der Unterscheidung zwischen dem Innehaben oder NichtInnehaben politischer Macht beschrieben.

Politikverdrossenheit, Unzufriedenheit der —»Bürger mit Politikern, -»Parteien und/oder dem -»politischen System, die in der Regel aus Skandalen, aus der mangelnden Nähe der Politiker und Parteien zu ihren Wählern, der Kluft zwischen politischen Versprechungen und ihrer Einlösung, aus fehlenden Partizipationsmöglichkeiten, aus dem Eindruck der Machtlosigkeit hinsichtlich politischer Entscheidungen und aus der Undurchsichtigkeit 171

Politikverflechtung

Politische Bildung

politischer Entscheidungsprozesse resultiert. Die P. findet Ausdruck in Wahlenthaltung, -»Protestwahl, Teilnahmslosigkeit, Desinteresse am tagespolitischen Geschehen oder auch in der Radikalisierung politischer Meinungen.

tische Soziologie, -»Internationale Politik und Vergleichende Regierungslehre. Einige zählen auch -»Völkerrecht, Verwaltungslehre und Geschichte zu den wesentlichen Analysebereichen der P.

Die P. entspringt nicht notwendig der generellen Ablehnung des politischen Systems an sich, sondern kann gerade aus der Respektierung zentraler Elemente des Systems (wie etwa des Prinzips der politischen Gleichheit bei einer -»Demokratie), die verletzt zu sein scheinen, folgen.

Politisch Verfolgte, Menschen, die in ihrem -»Staat verfolgt werden und deren körperliche und psychische Unversehrtheit bedroht ist, weil sie bestimmte politische Anschauungen vertreten. In der Bundesrepublik genießen Menschen, die wegen politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen haben, laut Art. 16a GG Asylrecht, wobei dieses Recht allerdings vielseitigen Einschränkungen unterliegt (siehe -»Asylrecht).

Politikverflechtung, Bezeichnung für die horizontale und vertikale Verschränkung politischer Prozesse und Entscheidungen im -»Föderalismus. In der Bundesrepublik herrscht P. sowohl in horizontaler als auch vertikaler Hinsicht: Ersteres meint das Zusammenwirken der Länder etwa bei den —•Ministerpräsidentenkonferenzen, bei Verwaltungsabkommen und Staatsverträgen. Wichtiger ist allerdings die P. in vertikaler Hinsicht. Diese bedeutet das Zusammenwirken verschiedener Ebenen, wie dasjenige von - » E G / E U , -»Bund, -»Ländern und -»Kommunen. Die vertikale P. drückt sich unter anderem aus in Eingriffsmöglichkeiten des Bundes in Länderangelegenheiten (zur Wahrung von Gesamtstaatsinteressen und der Rechts- und Wirtschaftseinheit des Bundes), Mitwirkung der Länder bei der -»Gesetzgebung durch den -»Bundesrat und in -»Gemeinschaftsaufgaben. Die P. gewährleistet zwar einerseits die Lastenverteilung und eine gemäßigte Politik, andererseits besteht jedoch die Gefahr der Undurchsichtigkeit der Entscheidungsprozesse und auch Verhinderung wesentlicher Veränderungen. Politikwissenschaft, Lehre von der -»Politik, die aufgrund der Weite des Politikbegriffs eine ebenso weites Forschungsfeld hat. Dementsprechend befasst die P. sich mit den Teildisziplinen -»Politische Ökonomie, -»Politische Philosophie bzw. -»Politische Theorie, -»Politische Anthropologie, -»Poli172

Politische Anthropologie (griech. anthropos: Mensch; logos: Lehre), Teildisziplin der -»Politikwissenschaft, die sich mit den für die Politik relevanten Bestimmungen der Natur des Menschen befasst und diese als Basis für die theoretische und praktische Konstruktion des idealen bzw. angemessenen Staates betrachtet. Zu den für die politische Ordnung wesentlichen Grundbestimmungen des Menschen zählen etwa die Bedürftigkeit, die soziale Ausrichtung des einzelnen und das Streben nach Selbstverwirklichung (siehe auch -»Naturrecht; -»Vertragstheorie). Politische Beamte, -»Beamte, die nicht nur Verwaltungsaufgaben ausführen, sondern auch an der politischen Planung beteiligt sind und Regierungsfunktion ausüben. In der Bundesrepublik, in der sowohl auf Länderais auch Bundesebene die Einrichtung der P. existiert, sind etwa die Staatssekretäre der Ministerien, der Generalbundesanwalt, hohe Offiziere und Ministerialbeamte P. Im Unterschied zu anderen Beamten können P. jederzeit aufgrund mangelnder politischer Übereinstimmung von ihren politischen Vorgesetzten in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Politische Bildung, Vermittlung von Wissen über politische Prozesse und Strukturen und dadurch die Entwicklung der Fähigkeit des

Politische Ethik Staatsbürgers, diese kritisch beurteilen und an ihnen teilnehmen zu können. Zu diesem Zweck haben - » B u n d und -»Länder Zentralen zur P. eingerichtet. Politische Ethik (griech. ethos: Sitte) formuliert und untersucht Normen für gesellschaftliches Zusammenleben (siehe auch -»politische Philosophie). Dabei betrachtet sie zum einen das individuelle Verhalten gegenüber der -»Gemeinschaft, zum anderen das Verhalten der Gemeinschaft gegenüber dem Individuum. Je nach Konzept wird entweder die Rolle des Individuums oder diejenige des -»Staates für eine politische Ordnung betont. Obgleich P. grundsätzlich Richtlinien für eine gerechte Gesellschaft entwickelt (siehe auch -»Gerechtigkeit), gibt es Vertreter der P., die die Formulierung von ethischen Normen für die Politik ablehnen, unter anderem weil ihre Einhaltung entweder ohnehin nicht gewährleistet ist oder die effektive Durchführung politischer Ziele behindert. Politische Gefangene sind diejenigen, die auf Grund ihrer politischen Überzeugung (im engeren Sinn) und ihrer konfessionellen, weltanschaulichen Einstellungen oder ethnischen Zugehörigkeit (im weiteren Sinn) als Verbrecher behandelt werden und inhaftiert sind. Politische Klasse, Sammelbegriff für diejenigen, die eine fuhrende Position im Staat innehaben. P. wird häufig gleichbedeutend mit (Macht-)Elite verwendet. Politische Kultur, die in einer -»Gesellschaft herrschenden Einstellungen, Mentalitäten und Werthaltungen hinsichtlich Fragen politischer Art und der Versuch, diese zu erfassen, zu erklären und in den gesellschaftlichen Gesamtkontext zu stellen. Politische Ökonomie (griech. oikos: Hauswirtschaft), Lehre von der Beziehung zwischen Wirtschaft und Politik auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Die P. befasst sich unter anderem mit den wechselseitigen

Politische Philosophie Auswirkungen bestimmter wirtschaftlicher und politischer Systeme aufeinander, mit der -»Wirtschaftspolitik und dem Verhältnis von politischer und wirtschaftlicher -»Macht. Im 19. Jh. wurde P. gleichbedeutend verwendet mit klassischer Nationalökonomie, die für einen Rückzug des Staates aus der Wirtschaft plädierte. Im Gegensatz dazu ging die marxistische P. davon aus, dass der Staat ein Machtinstrument der wirtschaftlich dominierenden Klasse ist und mit dem Zusammenbruch des -»Kapitalismus sich auflöst (siehe -»Marxismus). Vertreter der so genannten -»Neuen P. übertragen ökonomische Ansätze und Erklärungsmuster auf politische Prozesse, wie etwa das Ziel der Nutzenmaximierung und Effizienz. Politische Ordnung, Bezeichnung für (auch nicht-institutionalisierte) Herrschaftsformen, die u.a. nach Art ihrer -»Legitimität, Entscheidungsprozesse und Machtstrukturen unterschieden werden. Politische Philosophie (griech. philosophia: Liebe zur Weisheit), systematische Konzepte, die versuchen, das gesellschaftliche Zusammenleben zu begründen, seine Formen zu analysieren, seinen idealen Zustand zu entwerfen und in einen ideengeschichtlichen Zusammenhang zu stellen. In den Grenzbereich der P. fallt auch die kritische Auseinandersetzung mit sozialwissenschaftlichen Methoden. Grundsätzlich lassen sich folgende Ansätze, derer sich die P. bedient, unterscheiden: Ontologie, die als Lehre vom Sein versucht, immer währende Strukturen und Wahrheiten hinsichtlich des Seins zu finden; Anthropologie, die als Lehre vom Menschen versucht, seine Natur zu erkennen und entsprechend seiner Bedürfnisse (im weiten Sinne) und Fähigkeiten eine ihm adäquate Gemeinschaftsform zu begründen (siehe auch -»politische Anthropologie); Sprachphilosophie, die Kategorien und Begriffe analysiert und dabei Konzepte von Moral und Gesellschaft nach ihrer Plausibilität und Überzeugungskraft untersucht. Überdies existieren zahlrei173

Politische Soziologie che Theorien, die einen zentralen Begriff als Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen nehmen und darauf aufbauend gesellschaftliche Zusammenhänge analysieren, strukturieren und erklären, wie etwa die -»Systemtheorie und Theorie rationaler Entscheidungen (-•Entscheidungstheorie, -»Spieltheorie; -»rational choice-Theorien). Auf diesen Ansätzen basieren vielfache theoretische Konzepte, die j e nach Schwerpunkt versuchen, Normen bzw. Modelle zu begründen oder Strukturen zu beschreiben, politische Handlungsoptionen mit ihren Konsequenzen darzustellen oder auch Handlungsanweisungen zu geben (siehe auch —»Vertragstheorie; -»Marxismus; -»Naturrecht; -»Utopie; -»Kritische Theorie). Zu den zentralen Problemen der P. zählen folgende Themen: die -»Legitimität von -»Herrschaft; - » M a c h t ; -»Freiheit und ihr Schutz; -»Gerechtigkeit und -»Gleichheit; -»Frieden; -»Menschenrechte; Individuum und -»Gemeinschaft. Politische Soziologie (lat. socius: gemeinsam; griech. logos: Lehre), hat politische Strukturen und Handlungen und deren gesellschaftlichen Bedingungen zum Gegenstand, wobei sie auch Teilaspekte, wie etwa die politischen Institutionen oder Entscheidungsprozesse, isoliert betrachtet. Die P. arbeitet vor allem empirisch, wobei sie sich u.a. mit folgenden Themengebieten befasst: Soziologie der -»Verbände und -»Parteien, Wahlforschung, -»Demoskopie. Überdies tragen soziologische Entwürfe von Gesellschaftstheorien entscheidend zum Verständnis politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge bei (siehe -»Kritische Theorie; -»Systemtheorie). Umstritten ist, ob und inwiefern P. eine von der -»Politikwissenschaft unabhängige Disziplin ist. Politische Theorie, häufig synonym mit -»politischer Philosophie verwendet, kann P. jedoch in Abgrenzung zu letzterer als eine systematische Darstellung empirisch gewonnener Sachverhalte und Aussagen charakterisiert werden. Grundsätzlich jedoch sind die

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Polizeistaat Grenzen zwischen P. und politischer Philosophie fließend. Politische Wissenschaft - » schaft

Politikwissen-

Politisches Mandat, 1. -»Mandat; 2. Recht von Vertretern einer -»Körperschaft, sich im Namen ihrer Mitglieder zu (allgemeinen) politischen Themen öffentlich zu äußern. Politisches System, allgemein die Gesamtheit aller Teilbereiche eines politischen Gemeinwesens, wozu hauptsächlich Institutionen, Entscheidungsprozesse und -träger gehören (siehe -»Regierungssystem); im engeren, systemtheoretischen Sinne dasjenige Teilsystem einer Gesellschaft, an das gesellschaftliche Forderungen gestellt werden und das verbindliche Entscheidungen fällt. Dabei unterscheidet man zwischen Prozessfunktionen (z.B. -»Interessenaggregation und Formulierung von politischen Inhalten), Systemfiinktionen (z.B. Kommunikation und Elitenrekrutierung) und schließlich auf -»Policy bezogene Funktionen (z.B. Ressourcenverteilung und Durchsetzung von Normen). Politologie (griech. polis: Bürgerschaft, Stadt; logos: Lehre), Synonym für -»Politikwissenschaft. Polity, in Abgrenzung zu -»Policy und - » P o litics verwendeter englischer Ausdruck, der die normativ bestimmten Formen der Politik bezeichnet, wie etwa die verfassungsmäßigen Institutionen. Polizei, Teil der -»Exekutive zur Gefahrenabwehr, Überwachung und Strafverfolgung. In der Bundesrepublik fallen die Angelegenheiten der P. - mit Ausnahme des - » B u n d e s grenzschutzes - in den Kompetenzbereich der -»Länder. Polizeistaat, zur Zeit des -»Absolutismus Begriff für den zentralen Verwaltungsstaat, der unter dem Vorwand der allgemeinen

Polyarchie Wohlfahrt das gesellschaftliche Leben völlig reglementierte und kontrollierte; heute im Gegensatz zum -»Rechtsstaat Ausdruck für einen Staat, der willkürlich die Rechte seiner -»Bürger verletzt, häufig mittels der Anwendung von polizeilicher Gewalt. Polyarchie (griech. polyarchia: Vielherrschaft), Herrschaft vieler; Ausdruck für ein -»politisches System, innerhalb dessen viele kleine Machtgruppen existieren, die gleichermaßen in einer -»repräsentativen Demokratie Einfluss auszuüben vermögen. Popularklage, Klage, die jeder, auch ohne in seinen eigenen Rechten verletzt zu sein, erheben kann. In der Bundesrepublik besteht die Möglichkeit zur P. bis auf wenige Ausnahmen nicht, außer in der Bayerischen Verfassung: Danach kann jeder beim bayerischen Verfassungsgerichtshof beantragen, dass ein Gesetz oder eine Verordnung für nichtig erklärt wird, wenn diese ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken. Eine Variante der P. ist die Verbandsklage, also die Möglichkeit, dass -»Verbände die Rechte der Allgemeinheit, insbesondere im Umweltschutz, auf dem Klageweg geltend machen dürfen. Populismus (lat. populus: Volk), politische Strategie, Bewegung oder Taktik, verbreitete Stimmungen und Gefühle aufzugreifen, zu fordern und/oder Scheinlösungen anzubieten, wobei die Emotionen für eigene Zwecke genutzt werden. Postgeheimnis, in Art. 10,1 GG verbrieftes Grundrecht, das die Unverletzlichkeit des Brief- und Fernmeldegeheimnisses gewährleistet. Nur bei Verdacht auf Hoch- oder Landesverrat oder bei Verdacht auf ein Verbrechen gegen die -»freiheitlichdemokratische Grundordnung, gegen die Bundesrepublik oder gegen Verbündete sind Eingriffe in das P. zulässig. Diese müssen jedoch vom jeweiligen Innenminister angeordnet werden.

Präliminarfrieden Post-industrielle Gesellschaft, gesellschaftsanalytischer Begriff, der die gegenwärtige gesellschaftliche Phase dadurch charakterisiert, dass der Dienstleistungssektor den industriellen Sektor als bedeutendsten ablöst; gleichzeitig nehmen Spezialisierung, Technisierung und Informationsfluss zu. Überdies wird von wachsenden kulturellen Bedürfnissen ausgegangen, wie etwa die immer wichtigere Rolle der persönlichen Selbstverwirklichung. Einige betonen auch die Differenzierung und zunehmende Undurchsichtigkeit der Machtausübung (siehe auch -»Informationsgesellschaft; —•Postmoderne). Postmoderne, ursprünglich der Architektur, dann auch der Literaturwissenschaft entnommener Sammelbegriff für eine philosophische und gesellschaftliche Haltung ebenso wie für die die Moderne ablösende Epoche. Die P. kann trotz ihrer unterschiedlichen Vertreter u.a. in Bereichen von Kunst, Philosophie, Soziologie und Kulturwissenschaft durch die folgenden gemeinsamen Auffassungen charakterisiert werden: Verabschiedung alles übergreifender Weltbilder und Theorien, an Stelle dessen Plädoyer für Differenz und für die Akzeptanz fragmentarischer Gesellschaftsentwürfe; anstelle eines linearen widerspruchsfreien Konzepts von Gesellschaft und Geschichte der Verweis auf vielfältige paradoxale Verknüpfungsmöglichkeiten; an die Stelle der Proklamation einer universalen Moral sollen partikulare Lebensentwürfe mit Recht auf Differenz treten; Wirklichkeit wird größtenteils als sprachlich konstruiert gesehen. Präambel (lat. praeambulare: vorangehen), feierlicher Vorspruch zu bedeutenden politischen Dokumenten, vor allem völkerrechtlichen Verträgen und Verfassungen, der sich zu den Zielen und Ursprüngen des Dokumentes äußert. Die P. ist rechtlich Teil des nachstehenden Textes. Präliminarfrieden (lat. prae: vor; limen: Schwelle), vorläufiger —»Friedensvertrag. 175

Prärogative

Prärogative (lat. praerogativa: Vorwahl), alle Vorrechte, die einem Monarchen (P. im engen Sinne) oder einer Institution (P. im weiten Sinne) zukommen. Präsident (lat. praesidere: Vorsitzen), allgemein der Vorsitzende eines Gremiums oder einer Institution; im engeren Sinn -»Staatsoberhaupt einer -»Republik. Der P. agiert als -»Regierungschef, wenn es sich um ein -»präsidentielles Regierungssystem handelt, lediglich als Repräsentant des Staates, wenn es sich um ein -»parlamentarisches Regierungssystem handelt - eine spezielle Aufgabenteilung liegt in einem -»semipräsidentiellen Regierungssystem vor. Präsidentenanklage, Anklage gegen den -»Präsidenten eines Staates; in den Vereinigten Staaten in der Form des -»Impeachment; in der Bundesrepublik besteht die Möglichkeit, den -»Bundespräsidenten bei Verletzung eines Gesetzes zu belangen, indem der -»Bundestag oder der -»Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit beim -»Bundesverfassungsgericht Klage erhebt. Befindet das Bundesverfassungsgericht die Klage für berechtigt, wird der Bundespräsident seines Amtes enthoben. Präsidentialismus, Synonym für -»präsidentielles Regierungssystem. Präsidentielles Regierungssystem, Grundtypus der -»repräsentativen Demokratie (neben dem anderen Typus des -»parlamentarischen Regierungssystems), der in Abgrenzung zum parlamentarischen Regierungssystem durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist: 1. -»Parlament und -»Regierung sind strikt getrennt, was sich u.a. darin ausdrückt, dass Parlament (-»Legislative) und -»Präsident (-»Exekutive) unabhängig voneinander vom Volk gewählt werden, dass der Präsident ohne Mitwirkung des Parlaments die Regierungsmitglieder ernennt, dass Regierungsmitglieder nicht Mitglieder des Parlaments sein dürfen (-»Inkompatibilität) und dass der 176

Pressefreiheit Präsident das Parlament nicht auflösen und ebenso wenig das Parlament den Präsidenten abberufen kann (Ausnahme: -»Impeachment), der Präsident also nicht abhängig vom Vertrauen des Parlaments ist. 2. Der Präsident ist -»Staatsoberhaupt und -»Regierungschef in einem. 3. Die Regierung hat nicht das Recht zu Gesetzesinitiativen, höchstens kann der Präsident in bestimmten Fällen gegen Gesetzesbeschlüsse des Parlaments ein -»Veto einlegen. Es ist bei einem P. nicht selten der Fall, dass im Parlament eine andere -»Partei die Mehrheit besitzt als diejenige, der der Präsident angehört. Überdies agiert die Partei des Präsidenten relativ unabhängig von ihm, -»Fraktionsdisziplin ist weniger stark als in parlamentarischen Regierungssystemen und der Präsident hat häufig mit wechselnden Mehrheiten zu rechnen. Typisches Beispiel für ein P. sind die Vereinigten Staaten. In vielen Ländern existieren Mischformen, wie etwa in Frankreich, bezüglich dessen man von einem -»semipräsidentiellen Regierungssystem spricht. Präventivkrieg (lat. praevenire: zuvorkommen), Krieg, der von einem Staat begonnen wird, zu dem Zweck oder unter dem Vorwand, dem Angriff eines anderen Staates zuvorzukommen. Nur wenn tatsächlich ein Angriff unmittelbar droht, gilt der P. als Verteidigungskrieg, ansonsten als Angriffskrieg und ist damit völkerrechtlich ebenso wie durch das Grundgesetz Art. 26 GG strikt verboten. Premierminister, Synonym für -»Ministerpräsident. Pressefreiheit, in der Bundesrepublik durch Art. 5,1 GG geschütztes -»Grundrecht, seine Meinung frei zu äußern, zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. „Eine Zensur findet nicht statt." Die P. ist ein Spezialfall der -»Meinungsfreiheit.

Pressure Group Pressure Group (engl, fllr „Druckgruppe"), englischer Ausdruck für -»Interessenverbände, die verschiedene Einflussmöglichkeiten nutzen, um v.a. bei -»Parlament, -»Regierung, -»Parteien und -»Behörden ihre Interessen durchzusetzen. Zu den Druckmitteln gehören unter anderem Informationsbeschaffung und -entzug, Wähler- und Medienbeeinflussung aber auch Bestechung. Primaries, in den Vereinigten Staaten vor den -»Wahlen stattfindende Vorwahlen, auf denen Parteimitglieder oder Wähler die Kandidaten für öffentliche -»Ämter bestimmen. Man unterscheidet zwischen offenen („open") und geschlossenen („closed") P., wobei bei ersteren alle Wahlberechtigten über den Kandidaten einer -»Partei entscheiden können, während bei letzteren nur diejenigen Wähler beteiligt sind, die sich in einem Parteiverzeichnis registrieren lassen. Bei der Präsidentschaftswahl existiert neben den P. auch das Verfahren des -»Caucus. Primat der Politik, Vorrang politischer Entscheidungen durch -»Parlament und -»Regierung insbesondere gegenüber der Verwaltung und dem Militär. Prime-ministerial government, für das -»parlamentarische Regierungssystem Großbritanniens geprägte Bezeichnung, die die Dominanz des -»Premierministers innerhalb der -»Regierung herausstreicht (im Gegensatz zum so genannten cabinet government). Prisoner's Dilemma, englisch für - » Gefangenendilemma. Privatisierung, Überführung öffentlichen, zumeist staatlichen Eigentums in Privateigentum. Häufig bildet die P. ein Element der -»Deregulierung im Sinne einer liberalen oder liberalistischen Wirtschaftspolitik, nicht selten jedoch bedient sich der Staat der P., um finanzielle Engpässe zu überbrücken und (im ökonomischen Sinn) unrentable Betriebe abzustoßen. Problematisch sind P.en, wenn die betroffenen Staatsunternehmen öffentli-

Produktionsweise che Aufgaben wahrnehmen und -»öffentliche Güter bereitstellen, die privatwirtschaftlich nicht oder nur unzureichend produziert werden, da sie - marktwirtschaftlich und nicht sozialpolitisch gesehen - keinen Gewinn bringen. Produktionsmittel, 1. die zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen nötigen Sachmittel; 2. spezieller Terminus des -»Marxismus, der die Gesamtheit der Arbeitsgegenstände (die Gegenstände, die bearbeitet werden, wie etwa Holz und Metall) und der Arbeitsmittel bezeichnet, wozu die Produktionsinstrumente (wie etwa Werkzeug) gehören, die Transportmittel, die Aufbewahrungsbehälter, Gebäude und die Stellen der Informationsvermittlung. Marx zufolge bestimmt das Eigentum an P.n die Klassenstruktur der -»Gesellschaft (siehe auch -»Produktivkräfte; -»Produktionsverhältnisse; -»Produktionsweise). Produktionsverhältnisse, marxistischer Begriff, der die gesellschaftliche Situation der am Produktionsprozess Beteiligten bezeichnet, wobei die Situation maßgeblich davon bestimmt wird, auf welchem Entwicklungsstand sich die -»Produktivkräfte befinden und in welchem Verhältnis die Produzierenden dazu stehen. So umfassen die P. beispielsweise die Eigentumsverhältnisse an den -»Produktionsmitteln, die Stellung der -»Klassen zueinander wie auch innerhalb des Produktionsprozesses und den Anteil der einzelnen Klassen am Konsum (siehe auch -»Marxismus). Produktionsweise, marxistischer Ausdruck, der davon ausgeht, dass die -»Produktionsverhältnisse und die -»Produktivkräfte je nach geschichtlicher Situation in einem charakteristischen Verhältnis zueinander stehen und dieses die geschichtliche Phase kennzeichnet: So existieren nach Marx die fünf Grund-Produktionsweisen in der Geschichte: Urgemeinschaft, Sklaverei, -»Feudalismus,

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Produktivkräfte -»Kapitalismus und munismus.

Protektionismus —>Sozialismus/->Kom-

Produktivkräfte sind im -»Marxismus die -»Produktionsmittel und alle an der Produktion beteiligten Personen, einschließlich ihrer geistigen und handwerklichen Fähigkeiten ebenso wie ihre Errungenschaften in Wissenschaft und Technologie. Programmpartei, -»Partei, deren Bestreben es ist, konkrete Ziele und bestimmte Werte zu realisieren, die im Gegensatz zu denjenigen einer -»Weltanschauungspartei jedoch nicht in einem festen, geschlossenen und universalen System eingebunden sind. Proletariat (lat. proletarius: Bürger einer besitzlosen Klasse), im -»Sozialismus und insbesondere im -»Marxismus Bezeichnung für die -»Arbeiterklasse. Bisweilen wird mit P. ausschließlich der aktiv für Veränderung eintretende Teil der Arbeiterklasse benannt. Propaganda (lat. propagare: verbreiten), ursprünglich im 17. Jahrhundert Kurzbezeichnung für die katholische Missionsorganisation „Congregatio de Propaganda Fide", wird mittlerweile der Ausdruck im abwertenden Sinne verwendet als Bezeichnung für schlagwortartige, manipulative und auf das Bewusstein und Unterbewusstsein abzielende Werbung für insbesondere politische, religiöse und weltanschauliche Positionen. Proporz (lat. proportio: Verhältnis), 1. Prinzip zur Besetzung von öffentlichen - » Ä m tern, das die Zahl der an jeweils eine Gruppe zu vergebenden Positionen nach der Größe dieser Gruppen berechnet. Der P. wird hinsichtlich religiöser und ethnischer Gruppen angewandt, ebenso wie etwa bei Alters- und Berufsgruppen. 2. Wahlregel zur Verteilung der Sitze, der zufolge die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze entsprechend dem von den einzelnen Parteien erzielten Stimmanteil aufgeteilt wird (-»Verhältniswahlrecht).

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Grundsätzlich liegt dem P. die Vorstellung zugrunde, dass in einer -»repräsentativen Demokratie die Zusammensetzung der Repräsentativorgane diejenige der Bevölkerung möglichst genau wiedergeben soll. Proporzdemokratie, demokratisches System, das alle bedeutenden gesellschaftlichen Gruppen entsprechend ihrer Stärke durch Vergabe von öffentlichen - » Ä m t e r n und -»Mandaten an politischen Entscheidungen beteiligt. Dies soll verhindern, dass (z.B. ethnische oder konfessionelle) -»Minderheiten durch Anwendung des Mehrheitsprinzips auf Dauer ausgeschlossen werden, anstelle dessen sollen die verschiedenen Interessen innerhalb des -»Parlaments, der -»Regierung und anderer Gremien verhandelt werden. Das fuhrt dazu, dass - will eine Regierung in einer P. handlungsfähig sein - die Notwendigkeit zur Kompromissbildung besteht. Daher wird eine P. häufig mit einer Konsensdemokratie bzw. -»Konkordanzdemokratie gleichgesetzt. Protektionismus (lat. protegere: schützen), Handelspolitik eines Staates, die die inländische Produktion und ihren Absatz dadurch zu schützen versucht, dass sie den Import ausländischer Güter beschränkt. Dies wird vor allem durch Zölle, Kontingentierung und Subventionen für heimische Produkte bewerkstelligt. Kritiker des P. weisen darauf hin, dass damit die Vorteile des -»Freihandels - unter anderem die Produktion von Gütern an kostengünstigen Produktionsorten - nicht genutzt würden. Überdies würden hauptsächlich -»Entwicklungsländer benachteiligt, die sich gegen eine protektionistische -»Handelspolitik nicht mit Gegenmaßnahmen zur Wehr setzen können. Andere hingegen stellen vor allem den Schutz heimischer Arbeitsplätze, Sozialstandards (die möglicherweise durch ausländische Dumpingpreise gedrückt werden) und ökologischer Standards (die möglicherweise aufgrund der ausländischen Konkurrenz gesenkt werden) in den Vordergrund.

Protektorat

Protektorat (lat. protegere: schützen), Staatsgebiet, das unter dem Schutz eines anderen -»Staates steht, dafür jedoch - obgleich es nach wie vor völkerrechtlich als souverän gilt (-»Souveränität) - diesem Staat Einfluss auf die -»Politik gewährt und damit de facto nur beschränkte Kompetenzen hat. Das P., das durch einen Vertrag zwischen den beiden Staaten zustande kommt, stellt häufig ein Instrument des -»Imperialismus dar.

Putsch Public good, englisch fiir - » Öffentliche Güter. Putsch, (gewalttätiger) Versuch einer Gruppe, die -»Regierung zu stürzen. In Abgrenzung zum -»Staatsstreich gehören die (mit Waffen ausgestatteten) Putschisten nicht dem (weiteren) Regierungskreis an und im Unterschied zur -»Revolution wird der P. von einer kleinen Minderheit durchgeführt.

Protestpartei nennt man eine -»Partei, deren Wahlerfolg auf die Unzufriedenheit der Wähler mit den etablierten Parteien oder auch dem —»politischen System zurückgeführt wird (-»Politikverdrossenheit) und nicht auf die tatsächliche Zustimmung ihrer Wähler zu ihrem (meist extremen oder extravaganten) Programm. Beizeiten wird eine Partei von anderen Parteien deswegen als P. tituliert, um ihren Wahlerfolg nicht auf andere entscheidende, möglicherweise unerwünschte Faktoren (wie etwa die Übereinstimmung des Wählers mit dem Programm) zurückzuführen und sich nicht mit ihrem Programm bzw. mit ihrer Akzeptanz auseinandersetzen zu müssen. Protestwahl, Wahlverhalten, das vor allem durch die Ablehnung etablierter -»Parteien oder des -»politischen Systems motiviert ist und zur Wahl von -»Protestparteien führt. Vor allem die Wahl extremistischer Parteien wird oft mit dem Hinweis, es handle sich „nur" um eine P., verharmlost. Denn damit wird der Eindruck vermittelt, dass der Protestwähler keine ernst zu nehmende politische Position ausdrückt - dies ist allerdings fraglich, insofern zumindest eine so starke Ablehnung des etablierten Systems und seiner Parteien zu Grunde liegt, dass anstelle dessen Extrempositionen befürwortet werden. Protokoll, 1. schriftliche Zusammenfassung von Verhandlungen oder Besprechungen; 2. Höflichkeits- und Verhaltensformen bei internationalen diplomatischen Anlässen.

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Quotierung

Quai d'Orsay

Q Quai d'Orsay, Synonym für das französische —> Außenministerium, das sich in Paris in der gleichnamigen Straße befindet.

ten Anteil in einem Gremium vertreten sein müssen. Ziel der Q. ist es, der Benachteiligung einiger Gruppen auf Grund ihres Geschlechts, ihrer Religion, Nationalität oder -»Ethnie ebenso wie ihrer Behinderung entgegenzuarbeiten.

Qualifizierte Mehrheit -> Mehrheitsprinzip Quotierung - » Quotenregelung Quango, Abkürzung für engl, quasiautonomous non-governmental organization: Quasi-autonome Nicht-Regierungs-Organisation, Q. ist die Bezeichnung für eine staatlich gegründete und finanzierte Organisation mit regierungsähnlichen Verpflichtungen und Aufgabenbereichen, wobei sie ihre Tätigkeit jedoch weitgehend unabhängig von der -»Regierung ausübt. Quirinal, Synonym für das Amt des italienischen -»Staatspräsidenten, der seinen Sitz auf dem gleichnamigen römischen Hügel hat. Quisling, abschätzige Bezeichnung für einen Politiker, der mit den Besatzern des eigenen Landes kooperiert (-»Kollaboration). Die Bezeichnung geht zurück auf den norwegischen faschistischen, mit den Nationalsozialisten kollaborierenden Parteiführer Vidkun Quisling, der Regierungschef war, als die Deutschen im Zweiten Weltkrieg Norwegen besetzt hielten. Quorum, Mindestzahl bzw. Mindestprozentsatz von Stimmen oder Unterschriften, die/der nötig ist, um eine -»Abstimmung, -»Wahl oder einen Beschluss für gültig erklären zu können (so setzt die Beschlussfähigkeit des Deutschen -»Bundestages für gewöhnlich die Anwesenheit von mehr als die Hälfte seiner Mitglieder voraus). Von Q. spricht man auch, wenn eine Partei oder ein Kandidat eine Mindestzahl bzw. einen Mindestprozentsatz von Stimmen benötigt, um einen Sitz im -»Parlament zu bekommen (in der Bundesrepublik etwa ist die -»Fünfprozentklausel das entsprechende Q.). Quotenregelung, Prinzip, wonach bestimmte (Minderheiten-)Gruppen zu einem bestimm-

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Radikalenerlass

R Radikalenerlass - » Extremistenbeschluss Radikalismus (lat. radix: Wurzel), Haltungen, Weltanschauungen und mit ihnen verbundene Ziele, die eine grundsätzliche, kompromisslose, auch mit -»Gewalt durchzusetzende Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Ordnung beinhalten (hier gleichbedeutend mit -»Extremismus). Im politischen Sprachgebrauch der Bundesrepublik und gemäß einer Bestimmung des Verfassungsschutzes gelten diejenigen politischen Gruppierungen als dem R. zugehörig, die im Gegensatz zu extremistischen Gruppen ihre Ziele noch innerhalb des Rahmens der Verfassung verfolgen.

Rätesystem delt. R. nährt sich häufig von festgefahrenen Vorurteilen, die zu Zeiten v.a. wirtschaftlicher Missstände aufgegriffen und zu deren scheinbaren Erklärung verwendet werden. Insofern werden in einer rassistischen —»Ideologie andere Ethnien pauschal als Sündenbock für alle gesellschaftlichen Missstände verantwortlich gemacht. Ziel des R. ist es, Kontakte der eigenen (angeblich „reinen") Rasse mit anderen zu verhindern. Der R. beruft sich in der Regel auf pseudowissenschaftliche Dokumente, die eine evolutionäre, biologische Hierarchie der Rassen behaupten (siehe auch -»Antisemitismus; -»Nationalsozialismus; -»Rechtsextremismus). Rat der EU - » Europäischer Ministerrat

Rahmengesetz, -»Gesetz, das einen Rahmen für einen rechtlichen Bereich vorgibt, der durch weitere gesetzliche Regelungen auszufüllen ist.

Rat der fünf Weisen - » Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

In der Bundesrepublik hat der -»Bund das Recht und die Kompetenz zur R.gebung etwa in folgenden Bereichen: im —»öffentlichen Dienst, Hochschulrecht, Presserecht und Naturschutz (Art. 75,1 GG). Die jeweilige Ausgestaltung der R.e erfolgt durch die -»Länder. Der Bund hat in bestimmten Bereichen das Recht zur Rahmengesetzgebung, um der Forderung nach „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" und „der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit" (Art. 72,2 GG) nachzukommen.

Räte, Institutionen, die in bestimmten Formen der -»direkten Demokratie die vom Volk gefällten politischen Entscheidungen ausführen (-»Rätesystem), und deren (ehrenamtliche) Mitglieder.

Rahmenpartei, -»Partei, die mehreren politischen Orientierungen einen organisatorischen Rahmen bietet. Rahmentarifvertrag - » Manteltarifvertrag Rassismus, ideologische Einstellung und sich auf diese berufende Programmatik, die die Überlegenheit einer, in der Regel der eigenen Rasse behauptet und gleichzeitig andere Rassen bzw. -»Ethnien als moralisch, geistig, körperlich und politisch minderwertig behan-

Rätedemokratie - » Direkte Demokratie Räterepublik, auf einem -»Rätesystem basierende -»Republik. Rätesystem, Form der -»direkten Demokratie, in dem sich das - » V o l k selbst in Gruppen organisiert, die alle wichtigen politischen Entscheidungen fällen (siehe in Abgrenzung dazu -»repräsentative Demokratie). Überdies wählen die -»Bürger ihre Vertretung, so genannte lokale -»Räte, die wiederum regionale Räte wählen, diese wählen wiederum überregionale Räte, dies aufsteigend bis hin zu den Zentralräten. Diese tagen kontinuierlich und öffentlich. Sie sind beauftragt, die Entscheidungen des Volkes auszuführen und zu verwirklichen (-»imperatives Mandat). V.a. die -»Öffentlichkeit soll die Kontrolle der (in der Regel ehrenamtlich tätigen) Räte 181

Rathauspartei gewährleisten, die nicht nach dem Prinzip der Gewaltenteilung arbeiten: Sie sind für alle öffentlichen Aufgaben zuständig, sowohl im exekutiven, legislativen als auch judikativen Bereich. Die Räte können jederzeit abgewählt werden. Außerdem gilt das Prinzip der -»Ämterrotation. Dem R., dessen geistige Väter u.a. Karl Marx (1818-1883), Pierre-Joseph Proudhon (18091865), Michail Bakunin (1814-1876) und V.l. Lenin (1870-1924) sind, liegt die Vorstellung zugrunde, dass das Volk direkt über seine -»Politik entscheiden soll und seine Interessen nicht durch einzelne Vertreter repräsentiert werden können (-»Repräsentation). Gegenwärtig herrscht in China formell ein R. Rathauspartei, -»Partei, die nur auf kommunaler Ebene politisch aktiv ist. Bisweilen beschränkt sich die R. auf die Aufstellung von -»Kandidaten bei Wahlen. Manchmal werden auch - » f r e i e Wählergemeinschaften, die keine -»Parteien im Sinne des Grundgesetzes sind, zu den R.en gezählt. Ratifikation (lat. ratum facere: rechtskräftig machen), (Verfahren der) Zustimmung der durch die Verfassung vorgesehenen Institutionen (in der Regel das -»Parlament) zu einem völkerrechtlichen Vertrag und dessen damit erlangte Rechtsverbindlichkeit. Rational choice-Theorien (engl, für rationale Entscheidung), Theorieansätze, denen gemein ist, dass sie von Individuen ausgehen, die fähig sind, Entscheidungen gemäß rationalen Maßstäben zu fallen, das heißt, eine emotionsfreie Kosten-Nutzen-Rechnung hinsichtlich der zu wählenden Optionen anzustellen. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Individuum die Optionen nach ihren Kosten, ihrem Nutzen und der Wahrscheinlichkeit ihrer beabsichtigten bzw. miteingeplanten Ergebnisse in eine Rangordnung bringen und sich danach für die am höchsten bewertete entscheiden kann (siehe auch —»Spieltheorie; —»Entscheidungstheorie;

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Rebellion -»Arrow-Paradox; —»Neue Politische Ökonomie). Reaktion, politische Parole zur Bezeichnung politischer Einstellungen, die sich gegen den gesellschaftlichen Fortschritt richten. Beizeiten wird der Ausdruck verwendet, um den politischen Gegner pauschal zu diskreditieren, ohne dabei zu konkretisieren, inwiefern der Fortschritt, für den man eintritt, tatsächlich gesellschaftlich wünschenswert ist. Realignment (engl, für Neuausrichtung), Ausdruck zur Bezeichnung einer grundsätzlichen, stabilen Umorientierung der Wählerschaft hinsichtlich der -»Parteien und damit einer Änderung der Parteienlandschaft und des -»Parteiensystems. Realistische Schule, Mitte des 20. Jahrhunderts entstandene Theorierichtung im Bereich der Internationalen Politik, die davon ausgeht, dass die entscheidenden Akteure auf internationalem Feld die -»Staaten sind, die weil es keine zentrale, übergeordnete Instanz gibt, die Nonnen setzt und deren Verletzungen sanktioniert, das System also grundsätzlich anarchisch ist - danach streben, ihre (außenpolitische) Machtposition zu stärken oder abzusichern. Aus diesem Prozess resultiert häufig die -»Balance of power - ein zentraler Begriff der R. Ihre Weiterentwicklung und Differenzierung erfährt die R. im -»Neorealismus. Realpolitik, Bezeichnung einer -»Politik, die für sich in Anspruch nimmt, sich an der Wirklichkeit und den tatsächlichen Erfordernissen zu orientieren. Der Ausdruck der R. wird häufig in polemischer Absicht gegen diejenigen ins Feld geführt, die politische Ziele nach - angeblich - nicht realisierbaren Werten und Idealen ausrichten. Rebellion (lat. rebellio: Aufstand), bewaffnete Erhebung gegen die —»Regierung.

Recall

Rechtsextremismus

Recall (engl, für Abberufung), Möglichkeit insbesondere in -»Rätesystemen, Mandatsträger jederzeit durch Beschluss der Wähler abzusetzen. Aber auch einige Verfassungen -»repräsentativer Demokratien sehen den R. vor, wie etwa Gemeindeordnungen in Ostdeutschland.

dern dem Menschen von Natur aus zukommen (-»Naturrecht, -»Menschenrechte).

Rechnungshof, weisungsunabhängige und selbständige staatliche -»Behörde, deren Aufgabe es ist, die Einnahmen und Ausgaben einer öffentlichen -»Körperschaft zu prüfen, unter anderem nach Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit.

Rechtliches Gehör kann jeder beanspruchen, der vor Gericht steht (Art. 103,1 GG). Das bedeutet, er hat das Recht, einem Richter seinen Standpunkt darzulegen.

Recht, 1. alle Normen und Regeln, deren Befolgung vom -»Staat mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Obgleich dazu auch das Gewohnheitsrecht zählt, werden im modernen Staat Rechtsnormen für gewöhnlich in speziellen Verfahren erlassen. Zu letzteren, unter dem Begriff positives Recht zusammengefassten, gehören folgende Arten des R.: -»Gesetze, -»Verordnungen und -»Satzungen sowie völkerrechtliche und kirchenrechtliche Verträge und Gerichtsurteile. Überdies kann man zwischen formellem und materiellem R. unterscheiden: ersteres bezeichnet diejenigen Rechtsordnungen, die das Verfahren zum Erlass und zur Anwendung von Rechtsnormen regeln; letzteres bezeichnet den Inhalt der im Rahmen des formellen R. erlassenen Normen. Des Weiteren kann man, wie in der Bundesrepublik, zwischen öffentlichem (Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen den Trägern öffentlicher Gewalt untereinander und zwischen einzelnen von ihnen zum Bürger) und Privatr. (Regelung des Rechtsverhältnisses der Bürger untereinander) differenzieren. 2. Die sich daraus ergebenden Ansprüchen und Pflichten natürlicher oder juristischer Personen gegenüber anderen natürlichen oder juristischen Personen oder dem Staat. Zu letzteren gehören insbesondere die -»Grundrechte.

Rechtsbehelf, jedes vom Gesetz vorgesehene Mittel gegen Entscheidungen von Gerichten oder -»Behörden.

Im übertragenen Sinne spricht man auch bei solchen Ansprüchen von R.en, die sich nicht aus menschlich gesetztem R. ergeben, son-

Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht, das laut Art. 2,2 GG jedem zukommt. Das R. schließt auch seelische Unversehrtheit ein.

Rechts - » Links - Rechts

Rechtsextremismus, Haltung und Verhaltensweise, die vor allem durch folgende Elemente charakterisiert ist: autoritäre, antidemokratische, auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam beruhende und zum Teil antikapitalistische Vorstellung der Gesellschaft (siehe auch -»Autoritarismus; in Abgrenzung -»Kapitalismus; -»Demokratie); Wunsch nach - nötigenfalls auch gewalttätiger - Wiederherstellung überkommener Ordnung; -»Nationalismus; -»Rassismus; de facto Ablehnung der -»Menschenrechte; —»Sexismus. Die so genannte Neue Rechte, die in den 1960er-Jahren in Europa entstand, tritt in der Öffentlichkeit bürgerlich auf und gibt sich intellektuell. Ihre radikal anti-emanzipatorischen und anti-egalitären Ziele verfolgt sie unter anderem dadurch, dass sie in den Medien, der Wissenschaft und auf kulturellen Gebieten Einfluss zu gewinnen sucht. In den Vereinigten Staaten wächst seit den 1970erJahren die Bedeutung der ebenfalls als Neue Rechte bezeichneten Vertreter eines militanten christlichen -»Fundamentalismus, der vor allem von protestantischen Sekten propagiert wird. R. wird in der Regel gleichbedeutend mit Rechtsradikalismus verwendet. Im politischen Sprachgebrauch der Bundesrepublik 183

Rechtspositiv ismus und gemäß einer Bestimmung des Verfassungsschutzes jedoch gelten nur diejenigen politischen Gruppierungen als dem R. zugehörig, die im Gegensatz zum Rechtsradikalismus eine Bedrohung der -»freiheitlichdemokratischen Grundordnung darstellen. R. wird durch den Verweis auf individuelle und gesellschaftliche Faktoren erklärt. Unter anderem werden angeführt: mangelnde Erziehung zur Reflexionsfähigkeit und Selbständigkeit, anstelle dessen Erziehung zu Autoritätsgläubigkeit, schwache soziale Bindungen (die ersetzt werden durch die Einund Unterordnung in hierarchische, Stärke versprechende Gruppen), fehlende Zukunftsperspektiven, mangelhafte Lebensbedingungen. Die Erklärung des R. mit angeblicher Überfremdung der Gesellschaft ist sehr zweifelhaft - Statistiken zeigen, dass gerade in den Regionen, in denen ein relativ hoher Prozentsatz der Bevölkerung zu den Rechtsextremisten zählt, der Anteil von Ausländem sehr gering ist. So halten 71 Prozent der männlichen ostdeutschen Jugendlichen den Ausländeranteil für zu hoch. Dieser beträgt in den neuen Ländern durchschnittlich 2,2 Prozent. Im Bundesland mit dem geringsten Ausländeranteil (1,5 Prozent), SachsenAnhalt, wählte 1998 jeder dritte Wähler unter dreißig die rechtsextreme Partei DVU.

Rechtspositivismus, Überzeugung, der zufolge nur das als - » R e c h t gilt, was positives Recht ist, das heißt, was von rechtsetzenden Institutionen geschaffen, festgesetzt und angewendet wird. Insbesondere ist dieser Vorstellung zufolge das Recht nicht gebunden an die Idee einer immer und ausnahmslos geltenden -»Gerechtigkeit oder eines ->Naturrechts. Rechtsprechende Gewalt - » Judikative Rechtsradikalismus - » Rechtsextremismus; - » Radikalismus Rechtsstaat, ein -»Staat, der in seinem Handeln an -»Gesetze bzw. positives -»Recht gebunden ist (Gesetzmäßigkeit) und so an 184

Rechtsstaat Willkürakten gehindert werden soll. Kennzeichen des R. sind: Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Tätigkeit, vor allem hinsichtlich der Einhaltung der Kompetenzbereiche und der Bestellungsmodalitäten (einschließlich der Amtsperiode); -»Gleichheit vor dem Gesetz; Kontrolle staatlichen Handelns durch Gerichte und -»Gesetzgebung nur (mit Zustimmung) durch das -»Parlament, damit auch -»Gewaltenteilung. Diese Bedingungen allein reichen nicht hin, um den -»Menschenrechten gemäße politische Inhalte und Handlungen zu gewährleisten. Denn sie garantieren als formale Vorgaben hauptsächlich ein korrektes Verfahren für die Gesetzgebung und Anwendung - über die Inhalte der Gesetzgebung allerdings ist noch nichts gesagt. Aus diesem Grund wird der formale R. erweitert um den Aspekt des materiellen R., was bedeutet, dass er sich verpflichtet, die Menschenrechte zu beachten und zu schützen. Die Rechtstaatlichkeit der Bundesrepublik in diesem umfassenden Sinne kommt unter anderem in folgenden grundgesetzlichen Regelungen zum Ausdruck: Bindung des Staates an Menschen- und -»Grundrechte; Gesetz-, Recht- und (formale als auch inhaltliche) Verfassungsmäßigkeit: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden" (Art. 20,3 GG); Rechtschutz- und -»Rechtsweggarantie bei Verletzung von Rechten durch die öffentliche Gewalt; Rechtsklarheit (das bedeutet, die gesetzlichen Regelungen müssen soweit wie möglich verständlich und eindeutig formuliert sein); -»Widerstandsrecht zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung bei ihrer Verletzung; das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, das die Einschränkung der Rechte des einzelnen nur erlaubt, wenn der Eingriff geeignet und erforderlich für das öffentliche Interesse ist und der bewirkte Nutzen im Verhältnis zum gleichzeitig hervorgerufenen Nachteil steht. Da die Bundesrepublik allerdings nicht nur dem rechtsstaatlichen, sondern ebenso dem sozialen Prinzip verpflichtet ist (Art. 20,1

Rechtsverordnung GG: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat"), muss sie auch Grundsätzen des —»Sozialstaates entsprechen und dabei die dadurch partiell entstehende Spannung zwischen der Garantie individueller -»Freiheit (rechtsstaatliche Abwehrrechte) und sozialpolitisch motivierten Eingriffen in die Freiheit des Individuums akzeptieren und abzumildern versuchen (siehe auch -»Sozialpolitik). Richtsverordnung, von der Exekutivgewalt, also der -»Regierung oder einem -»Minister, erlassene Rechtsnorm, die nicht wie ein -»Gesetz auf dem Wege des Verfahrens für die -»Gesetzgebung zustande kommt. Um den Missbrauch von R.en durch Umgehung der Legislativorgane zu verhindern, sind in einem -»Rechtsstaat dem Erlass von R.en enge Grenzen gesetzt (siehe auch -»Parlamentsvorbehalt). In der Bundesrepublik etwa muss die Regierung zum Erlass von R.en durch ein Gesetz ermächtigt werden, das „Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung" bestimmt (Art. 80,1 GG). R.en, die sich auf zustimmungspflichtige Gesetze (-»Zustimmungsgesetz) beziehen, bedürfen der Zustimmung des -»Bundesrates. Die R.en, deren Zahl in der Bundesrepublik diejenige der Gesetze bei weitem überschreitet, werden vor allem zur Regelung der Durchfuhrung von Gesetzen, also im verwaltungstechnischen Bereich, benötigt. Rechtsweggarantie ist das jedem Bürger gewährleistete Recht, ein Gericht anzurufen. „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen" (Art. 19,4 GG). Redefreiheit - » Meinungsfreiheit Redeparlament - » Parlament Rederecht, in der Bundesrepublik das Recht von -»Abgeordneten und von Mitgliedern des —»Bundesrates und der —»Bundesregierung, im -»Parlament und seinen - » A u s schüssen das Wort zu ergreifen. Der - » B u n -

Regierbarkeit destag kann allerdings auch anderen das R. erteilen. Referendum (lat. für das zu Berichtende), -»Volksentscheid über Gesetze in Form des -»Plebiszits, also ein Instrument der -»direkten Demokratie. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen drei Arten von R.: Das obligatorische R., das bei bestimmten Abstimmungsmaterien (in der Bundesrepublik beispielsweise bei der Neugliederung des Bundesgebietes nach Art. 29,2 GG) gesetzlich vorgeschrieben ist; das fakultative R., das zu seiner Durchfuhrung einer eigenen Initiative etwa durch -»Volksbegehren, -»Regierung oder -»Parlament bedarf; und das konsultative R., das nicht verbindlich ist, sondern lediglich ein Meinungsbild der Bevölkerung liefern soll. Reform (lat. reformatio: Erneuerung), geplante, im Gegensatz zur -»Revolution schrittweise und friedliche Änderung von Teilen der bestehenden Verhältnisse innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung. Reformismus (lat. reformatio: Erneuerung), -»Politik, die schrittweise und friedlich das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische System unter Einhaltung der vorgesehenen parlamentarischen Rechtswege verändert bzw. zu verändern sucht. Regierbarkeit, Bezeichnung für das Maß, in dem sich eine -»Gesellschaft durch Entscheidungen von politischen Institutionen beeinflussen und lenken lässt. Die R. moderner (Post-)Industriegesellschaften wird unter anderem durch folgende Faktoren eingeschränkt: heterogene Gesellschaftszusammensetzung; Pluralisierung der Interessen und damit auch Pluralisierung der Ansprüche und Aufgaben (-»Pluralismus); zunehmende Macht wirtschaftlicher, häufig trans- und internationaler Unternehmen und steigender Einfluss von -»Interessenverbänden; Bedeutungsverlust der -»Nationalstaaten im Zuge der -»Globalisierung.

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Regierung Regierung, Lenkung eines politischen Gemeinwesens, in demokratischen -»Rechtsstaaten insbesondere durch die Ausführung von Gesetzen (-»Exekutive), ebenso wie das dafür vorgesehene oberste Staatsorgan (siehe auch -»Regierungsform). In -»Demokratien kontrollieren (das Parlament und) die Wähler (bzw. das Volk) die Tätigkeit der R., wobei das Verhältnis von R. und -»Parlament bzw. - » V o l k j e nach - » R e gierungssystem unterschiedlich geregelt ist (-»parlamentarisches Regierungssystem; -»präsidentielles Regierungssystem; -»direkte Demokratie; -»repräsentative Demokratie; -»parlamentarische Monarchie). In nichtdemokratischen Systemen kann sich eine R. nicht auf die Legitimation durch das Volk stützen und beansprucht häufig neben der Exekutive auch legislative und judikative Kompetenzen (was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass alle demokratischen Systeme auf -»Gewaltenteilung beruhen, wie die -»Rätedemokratie zeigt). Eine R. wird entweder nur durch den -»R.schef gebildet (wie etwa den USPräsidenten) oder durch den R.schef und seine -»Minister (-»Kabinett).

Regierungsbezirk - » Bezirk Regierungschef, Vorsitzender einer - » R e gierung. Im -»präsidentiellen Regierungssystem ist der R. zugleich —»Staatsoberhaupt und wird -»Präsident genannt. Im -»parlamentarischen Regierungssystem sind diese beiden Ämter getrennt. Hier wird der R. als -»Kanzler, -»Ministerpräsident oder -»Premierminister bezeichnet. Position und Aufgabenbereich des R. sind j e nach -»Regierungsform unterschiedlich, ebenso differieren der Bestellungsmodus und die Stellung des R. in der -»Regierung (siehe auch -»parlamentarische Monarchie). Regierungserklärung, Darstellung der Grundsätze der Regierungspolitik vor dem -»Parlament in der Regel durch den -»Regierungschef, insbesondere nach der Bildung

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Regime einer neuen Regierung. Die R. ist nicht verbindlich. Regierungsform, die Grundstruktur und die Elemente der politischen Organisation eines Staates. Die R. wird unter anderem bestimmt durch Aufbau, Kompetenzen und Bestellungsmodus der Staatsorgane, deren Verhältnis zueinander und deren Machtposition (-»Regierungssystem), sowie durch die -»Herrschaftsform (-»Demokratie oder -»Diktatur) und -»Staatsform (-»Monarchie oder -»Republik). Regierungslehre, Zweig der -»Politikwissenschaft, der sich mit allen am politischen Entscheidungsprozess beteiligten Institutionen eines Landes befasst. Zu den Analyseobjekten gehören unter anderem: -»Regierung, -»Parlament, -»Gerichte, -»Parteien, Medien, -»Verbände, -»Verwaltung, deren Funktionsweisen und Verhältnisse zueinander. Regierungspartei, diejenige -»Partei, die in einer -»parlamentarischen Demokratie an der -»Regierung beteiligt ist. Regierungssystem, Bezeichnung für das Ordnungs- und Funktionsprinzip der politischen Institutionen und Organe eines Staates. Entscheidend für die Unterscheidung der R.e sind vor allem die Legitimation der -»Exekutive und -»Legislative, das Verhältnis von Exekutive und Legislative hinsichtlich ihrer Besetzung und Machtausübung, das Zusammenfallen des Amtes des -»Regierungschefs und -»Staatsoberhauptes oder deren Trennung. Als die zwei Haupttypen von R.en gelten in westlichen Demokratien das -»parlamentarische R. und das -»präsidentielle R. Regime (frz. für Regierungsform, -weise), 1. eine Gesamtheit von regulativen Prinzipien, die das Verhältnis und den wechselseitigen Umgang verschiedener Personen, Gruppen oder Institutionen innerhalb eines bestimmten Rahmens koordinieren. Auf den Bereich der

Regimetheorie internationalen Politik angewendet bezeichnet der Ausdruck die auf diesem Regelzusammenhang basierende längerfristige Zusammenarbeit zwischen mehreren Staaten oder anderen internationalen Organisationen und Institutionen. R. meint hier also ein stabiles Regelwerk, mittels und innerhalb dessen verschiedene Akteure miteinander dauerhaft kooperieren. 2. Bezeichnung für -»Diktatur. Regimetheorie, Theorieansatz, der -»internationale Beziehungen und deren Perspektiven anhand des Begriffs -»Regime analysiert und Lösungsansätze für verbesserte internationale Kooperation sucht (vor allem in der Entwicklung informeller Netzwerke). Regionalismus, politische Bestrebungen, Prozesse und Ideen, die den besonderen Wert eines durch natürliche Gegebenheiten, wirtschaftliche, kulturelle und geschichtliche Gemeinsamkeiten charakterisierten geographischen Gebietes betonen. Da eine Region sich grenzüberschreitend erstrecken kann, stellt der R. sowohl ein inner- als auch ein zwischenstaatliches Phänomen dar. Mit dem R. ist häufig das Ziel politischer und/oder wirtschaftlicher Selbständigkeit verbunden (-»Autonomie; -»Separatismus), ebenso wie der Wunsch nach Anerkennung der regionalen Kultur und der eigenen Sprache. Im Zusammenhang der internationalen Beziehungen kann der Begriff R. auch das Streben nach verstärkter staatlicher ebenso wie nicht-staatlicher Kooperation zwischen mehreren Ländern einer Region bis hin zu deren Integration zu einer wirtschaftlichen und politischen Einheit bedeuten. Rekrutierungsfunktion, zentrale Aufgabe von -»Parteien, die darin besteht, -»Kandidaten für Regierungsämter und —»Parlament zu bestimmen. Relative Mehrheit - » Mehrheitsprinzip Religionsfreiheit - » Glaubens- und Gewissensfreiheit

Rentenversicherung

Rentenpolitik, Gesamtheit der staatlichen Maßnahmen zur Planung und Sicherung der Altersversorgung. Dass die Altersversorgung Aufgabe der -»Sozialpolitik ist, ist unumstritten - kontrovers ist jedoch, in welchem Rahmen und mittels welcher Instrumente die Rentenversorgung vonstatten gehen soll. Grundsätzlich existieren zwei Konzepte zur Regelung der Altersversorgung: Das eine fordert eine mehr oder weniger ausschließliche private Vorsorge, wobei der Staat lediglich die Funktion hat, den gesetzlichen Rahmen dafür festzulegen. Das andere sieht eine staatlich gewährleistete Rentenversorgung vor. Viele Modelle versuchen, beide Ansätze miteinander zu kombinieren. Bisher dominiert im Rentensystem der Bundesrepublik die gesetzliche Rentenversicherung, in die jeder Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber jeweils zur Hälfte Beiträge einzahlen. Versicherungspflicht besteht auch für selbständige Handwerker und Landwirte. Alle anderen müssen im Rahmen der freiwilligen Rentenversicherung individuelle Vorsorge treffen. Gegenwärtig herrscht in der Bundesrepublik die Debatte darüber, ob private Altersvorsorge eine größere Rolle spielen und dabei auch gesetzlich vorgeschrieben werden soll, wobei die staatliche Rentenversicherung für eine für alle geltende Basisrente aufkäme. Diese Diskussion entspringt der vor allem demographisch verursachten Schwierigkeit, dass immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner aufzukommen haben. Rentenversicherung, gesetzlicher Teil der -»Sozialversicherung, der für Berufs-, Erwerbsunfähigkeit, Aufgabe der Erwerbstätigkeit auf Grund des Alters und für Hinterbliebene vorgesehen ist. In der Bundesrepublik besteht für selbständige Handwerker, Landwirte und Arbeitnehmer Versicherungspflicht (wobei der Arbeitgeber 50 Prozent des Beitrages zu zahlen hat) - die Höhe des Beitrages wird j e nach Einkommen gesetzlich festgelegt. Anfallende Rentenzahlungen werden jedoch nicht durch die angesparten Renten187

Rentierstaat beitrage finanziert, sondern durch die Beiträge der gegenwärtig erwerbstätigen Generation (-»Generationenvertrag). Dabei errechnet sich die Höhe der ausgezahlten Rente gemäß einer gesetzlich festgelegten Formel (siehe auch -»Rentenpolitik). Rentierstaat, politikwissenschaftliche Bezeichnung für -»Staaten insbesondere der -»Dritten Welt, die den größten Teil ihres Volkseinkommens durch den Verkauf von Rohstoffen (v.a. Erdöl) erzielen, bei denen die Produktionsleistungen also wirtschaftlich und politisch eine geringe Rolle spielen. Kennzeichnend für einen R. ist, dass er auf internationalem Feld Absatzmärkte sichern und seine Beziehungen zu anderen Staaten stabilisieren muss. Innenpolitisch kann er weitgehend auf Steuererhebung verzichten und somit die Herrschaft seiner Regierung durch großzügige Finanzpolitik stützen. Ein solcher Staat wird als R. bezeichnet, weil er wie ein Privatrentier Gewinn aus dem bestehenden Eigentum (hier an ressourcenreichen Böden) bezieht. Reparation (lat. reparare: wiederherstellen), von den Siegern eines Krieges den besiegten Staaten auferlegte Pflicht zur Entschädigung von Kriegsschäden und -Verlusten. Die R., die seit dem Ersten Weltkrieg existiert, wird gerechtfertigt mit der Verantwortung eines Staates für den Beginn des -»Krieges. Repräsentantenhaus (lat. repraesentare: vertreten, darstellen), Parlamentskammer bzw. so genannte Zweite Kammer in einem -»Zweikammersystem. Das R. unterscheidet sich unter anderem darin von der so genannten Ersten Kammer (-»Senat), dass - in einem föderalen Staat - seine Mitglieder den gesamten -»Staat vertreten und nicht wie diejenigen der Ersten Kammer als Entsandte eines bestimmten Landesteiles fungieren. Überdies werden die Mitglieder der Zweiten Kammer direkt, diejenigen der Ersten Kammer häufig nicht direkt gewählt, sondern beispielsweise von Landesregierungen entsendet. 188

Repräsentation In den Vereinigten Staaten soll das R. die gesamte Bevölkerung repräsentieren, während die Einrichtung des Senats das bundesstaatliche Prinzip verkörpern soll. 435 -»Wahlkreise entsenden je einen Abgeordneten ins R., in den Senat ziehen pro Bundesstaat zwei Abgeordnete. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zweikammersystemen hat in den Vereinigten Staaten das R. keine stärkere Position als der Senat, vielmehr kann es etwa bei internationalen Verträgen im Gegensatz zu letzterem nicht direkt mitwirken. Repräsentation (lat. repraesentatio: Vertretung, Darstellung), allgemein der Grundsatz, wonach eine Person(engruppe) durch jemanden vertreten wird, der von ihr dazu bevollmächtigt ist. Im engeren, politischen Sinn bedeutet R., dass die Vertreter von ihren Wählern dazu beauftragt werden, selbständig im Sinne der Wähler zu entscheiden (siehe -»freies Mandat) - in Abgrenzung zu einem System, in dem sie nur die Weisungen derer, die sie durch ihre Stimme vertreten, entgegennehmen und auszuführen haben (siehe -»imperatives Mandat). Das Prinzip der R. liegt allen -»repräsentativen Demokratien als fundamentale Idee zugrunde, mittels dessen ermöglicht werden soll, dass die unterschiedlichen Interessen der Bürger möglichst gerecht berücksichtigt und verwirklicht werden, ohne dass darunter die -»Regierbarkeit leidet. Für ein System der R. spricht, dass ein politisches Gemeinwesen nur koordinierbar und verwaltungstechnisch wie politisch steuerbar ist, wenn die Entscheidungsprozesse und damit auch die Zahl der Entscheidungsträger überschaubar sind. Überdies besteht die gegenüber einem System -»direkter Demokratie größere Wahrscheinlichkeit, dass die Interessen von schwachen Minderheiten durch ihre Vertreter - zumindest teilweise - durchgesetzt werden. Befürworter der -»direkten Demokratie halten allerdings dem System der R. entgegen, dass durch die bloß indirekte Vertretung des Wählerwillens (insbesondere durch -»Parteien) die tatsächlichen Interessen des Volkes verfälscht werden und die Gefahr besteht,

Repräsentative Demokratie dass sich die Vertreter von ihren Wählern distanzieren und entfremden, so dass letztlich keine Einflussmöglichkeit hinsichtlich der zu vertretenden Interessen mehr besteht. Repräsentative Demokratie, derjenige Typus der -»Demokratie, bei dem das - • V o l k die Macht mittelbar, das heißt über Vertretungsorganen ausübt, die durch regelmäßige -»Wahlen besetzt werden. Der R. liegt im Gegensatz zur -»direkten Demokratie das Prinzip der -»Repräsentation zu Grunde, dem zufolge Vertreter an der politischen -»Herrschaft beteiligt sind, die nicht im einzelnen an Aufträge und Weisungen der Wähler gebunden sind (-»freies Mandat im Gegensatz zum -»imperativen Mandat). Repressalie, Maßnahme eines -»Staates, mit der er auf eine völkerrechtswidrige Handlung eines Staates gegen ihn reagiert. Ist sie verhältnismäßig und verstößt nicht gegen Prinzipien der Menschlichkeit, dann gilt die R. als völkerrechtlich zulässig. Reptilienfonds, der Regierung zur Verfügung stehende und im Staatshaushalt vorgesehene Geldmittel, die der Kontrolle durch das Parlament entzogen sind (auch Dispositionsfonds genannt). Der Name geht auf eine Redewendung von Bismarck zurück, der diese Geldmittel zur Subvention wohlgesonnener Presse verwendete, um unter anderem innenpolitische Gegner, die „bösartigen Reptilien", zu bekämpfen. Republik (lat. res publica: öffentliche Angelegenheit), 1. -»Staatsform, deren -»Staatsoberhaupt auf Zeit gewählt ist im Gegensatz zur -»Monarchie, in der in der Regel das Staatsoberhaupt auf Lebenszeit und auf Grund von Erbfolge regiert. In diesem Sinne basiert eine -»Republik nicht notwendigerweise auf der demokratischen Herrschaftsform - es existieren auch diktatorische R.en (-»Demokratie; -»Diktatur). 2. Begriffsgeschichtlich beinhaltet der Ausdruck R. den Anspruch, dass ein —»Staat an

Requisition -»Verfassung und -»Gesetze gebunden ist und wesentlich für die öffentlichen Angelegenheiten, d.h. für das -»Gemeinwohl Sorge zu tragen hat. 3. Eng verbunden damit ist die Bezeichnung für ein -»politisches System, das auf -»Volkssouveränität basiert und durch die Teilnahme der -»Bürger an politischen Entscheidungsprozessen charakterisiert ist (siehe -»Republikanismus). Republikanismus, Vorstellung von -»Staat und -»Politik, die weniger durch bestimmte Ideen von deren Organisation oder Struktur als von ethischen Ansprüchen und Normen geprägt ist. Im Mittelpunkt stehen für den R. dabei der Einsatz jedes -»Bürgers für das -»Gemeinwohl und damit verbunden auch die Möglichkeit, sich in vielen gesellschaftlichen Bereichen und durch Aktivitäten unterschiedlicher Art für das Gemeinwohl einzusetzen. Individuelle —»Freiheit darf nicht auf Kosten der -»Gemeinschaft durchgesetzt werden und die wahre Verwirklichung des einzelnen erfolgt über das Erkennen der geschichtlichen, kulturellen und politischen Gemeinsamkeiten mit den anderen Bürgern. Der R. beruht zum Teil auf der Interpretation der -»Polis und der römischen Republik, die beide zu einem demokratischen Gemeinwesen stilisiert werden, in dem alle Bürger politisch interessiert waren und sich mit der Gemeinschaft identifizierten. Gegenwärtig herrscht vor allem in den Vereinigten Staaten eine verstärkte Diskussion hinsichtlich der Wiederbelebung republikanischer Werte. Diese richtet sich gegen den -»Liberalismus und zielt auf eine Stärkung gemeinschaftlicher Tugenden ab, was viele dazu veranlasst, von einer Moralisierung der Politik und Gesellschaft zu sprechen (siehe auch -»Kommunitarismus). Überdies wird kritisiert, dass durch das Plädoyer für einen so verstandenen R. -»Minderheiten, die nicht an der gemeinsamen Geschichte, Kultur und Sprache teilhaben, ausgeschlossen werden.

Requisition (lat. requisitio: Verlangen), Einziehung von Gütern und Leistungen der 189

Resolution

Revolution

Bevölkerung durch das Militär (des eigenen oder auch eines fremden Landes) zur Deckung des militärischen Bedarfs. Resolution (lat. resolutio: Beschluss), die meist schriftliche Darlegung des politischen Willens einer Versammlung. Die R. ist nicht in j e d e m Fall rechtlich bindend, sondern hat bisweilen nur deklaratorischen Charakter. Responsivität (lat. respondere: antworten), im wörtlichen Sinne die Fähigkeit und Bereitschaft zu antworten und zu reagieren, im politikwissenschaftlichen Sinne die Bereitschaft und Fähigkeit der Politiker, anderer Mitglieder politischer Institutionen und auch der politischen Institutionen selbst, auf Interessensbekundungen der -»Bürger und ihre Bewertungen der bis dato verfolgten -»Politik zu reagieren. Ressort (frz. für Bereich), politikwissenschaftlicher Begriff, der gleichbedeutend mit dem Kompetenzbereich eines —»Ministers ist. Das R. ist dadurch charakterisiert, dass der Minister es selbständig und selbstverantwortlich leitet. Ressortprinzip - » Bundesregierung Restauration (lat. restaurare: wiederherstellen), allgemein die Rückkehr zu einer gesellschaftlichen und politischen zurückliegenden Ordnung. Restitution (lat. restitutio: zung) - » Wiedergutmachung

Wiedereinset-

Retorsion (lat. retorquere: zurückdrehen), völkerrechtlich die zulässige Antwort eines Staates auf Handlungen eines anderen Staates, die - obgleich völkerrechtlich zulässig als unfreundlich gelten. Zur R., die selbst einen unfreundlichen Akt darstellt, zählen etwa der Abbruch diplomatischer Beziehungen oder Handelsbeschränkungen. Revanchismus (frz. revanche: Rache), auf Vergeltung und insbesondere auf Rückge190

winnung verlorener Territorien und verlorenen Eigentums zielende Politik als Reaktion auf eine militärische Niederlage und auf dabei als Ungerechtigkeit empfundene Handlungen und Konsequenzen. Der R. ist häufig mit einer nationalchauvinistischen Einstellung verbunden (siehe auch -»Nationalismus; -»Chauvinismus). Revirement (frz. für Wendung), Ablösungen mehrerer Amtsträger, insbesondere von -»Ministem. In diesem Fall spricht man auch von einer Kabinettsumbildung. Revisionismus (lat. revisere: überprüfen), allgemein die durch veränderte Rahmenbedingungen motivierte Absicht, Praxis und Theorie ebenso wie Grundsätze und Verträge an die gegebene Situation anzupassen. R. bezeichnet insbesondere eine Strömung innerhalb der -»Sozialdemokratie, die ihre politischen Inhalte durch Reformierung marxistischer Konzepte bestimmt. Revolte (lat. revolvere: umwälzen), in der Regel Synonym für -»Rebellion. Revolution (lat. revolvere: umwälzen), im politikwissenschaftlichen Sinn radikale, gewalttätige Umwälzung der bestehenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Eine R. ist (wenn sie geplant ist) häufig mit dem Ziel der Errichtung einer neuen -»Regierungsform verbunden oder hat (bei einer aus spontanen Protesten entstehenden R.) die Absetzung der alten und die Einsetzung einer neuen -»Regierung bzw. Regierungsform zur Folge. In beiden Fällen ist die durch die R. herbeigeführte Regierungsform nicht unbedingt dauerhaft und stabil. Grundsätzlich unterscheidet man die R. hinsichtlich ihrer Träger: Die bürgerliche R. wird vom Interesse des Bürgertums an individuellen Rechten auf -»Eigentum und freie wirtschaftliche sowie politische Betätigung bestimmt. Die proletarische R. wird vom -»Proletariat der Arbeiter und Bauern gegen

Richtlinie die ökonomisch und politisch herrschende Klasse der Bourgeoisie geführt. Karl Marx (1818-1883) betrachtet die R. durch das -»Proletariat als unumgängliche Konsequenz der kapitalistischen Krisenerscheinungen (-»Marxismus; -»Historischer Materialismus; -»Klassenkampf). Richtlinie - » EG-Richtlinie Richtlinienkompetenz - » Bundeskanzler Richtungsgewerkschaft, Bezeichnung für nach politischen (und religiösen) Einstellungen und Zielen organisierte -»Gewerkschaft (in Abgrenzung zur -»Einheitsgewerkschaft). Risikogesellschaft, ein vom Soziologen Ulrich Beck geprägter Ausdruck zur Bezeichnung der gegenwärtigen westlichen Industriegesellschaft, die durch unkalkulierbare, selbst produzierte Gefährdungen charakterisiert ist. Zu diesen Risiken zählen vor allem ökologische Gefahren, wie etwa durch Atomkraft und das Ozonloch, vor denen kein gesellschaftlicher Bereich geschützt ist. Hinsichtlich dieser Gefährdung verlieren traditionell Stabilität gewährleistende gesellschaftliche Positionen und Identifikationen, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schicht, Ethnie oder Nation, an Bedeutung. Anzeichen der R. sind unter anderem Skepsis gegenüber dem technologischen und technischen Fortschritt und neue Formen politischen Engagements, zum Beispiel -»Bürgerinitiativen. Um die Gefahren zu bewältigen, ist es nötig, die wachsenden Informationen und das Wissen über die Risiken zu verarbeiten und anhand dessen die bis dahin geltenden Normen, Konzepte und Auffassungen zu überprüfen und nötigenfalls zu modifizieren. Risikostrukturausgleich, in der Bundesrepublik der finanzielle Ausgleich zwischen gesetzlichen Krankenkassen. Dem R. liegt das Problem zu Grunde, dass wegen der unterschiedlichen Mitgliederstruktur verschiedener Krankenkassen deren Kosten und auch Einnahmen stark differieren. Gründe

Rotkreuz-Abkommen dafür sind etwa Unterschiede im Lohnniveau oder in der Altersstruktur der Mitglieder. Um diejenigen Krankenkassen mit höheren Kosten oder niedrigeren Einnahmen zu unterstützen, erhalten sie von besser gestellten Krankenkassen einen R. Roll call vote, in den Vereinigten Staaten angewandter Abstimmungsmodus, bei dem jeder einzelne -»Abgeordnete aufgerufen und seine Entscheidung festgehalten wird. Rollierendes System, Wahlverfahren, bei dem die -»Abgeordneten eines -»Parlaments nicht gleichzeitig, sondern zu verschiedenen, festgelegten Zeitpunkten, zwischen denen meist ein längerer Zeitraum (häufig mehrere Jahre) liegt, gewählt werden. In den Vereinigten Staaten etwa wird das R. bei der Senatswahl angewendet, die jeweils alle zwei Jahre für ein Drittel der Senatoren (-»Senat) stattfindet. Das R. soll vor allem eine von Unterbrechungen freie Arbeit des Parlaments gewährleisten. Romanische Mehrheitswahl, Form des absoluten -»Mehrheitswahlrechts, bei der ein -»Kandidat im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit der im -»Wahlkreis abgegebenen Stimmen benötigt. Erzielt kein Bewerber im ersten Wahlgang diese Mehrheit, so erfolgt ein zweiter Wahlgang. Im Unterschied zum gewöhnlichen Verfahren der absoluten Mehrheitswahl kann hier jeder Kandidat erneut antreten, wobei nun die relative Mehrheit zum Gewinn des Wahlkreises hinreicht. Bei manchen Formen der R. müssen die Kandidaten zum Antritt beim zweiten Wahlgang im ersten Wahlgang einen Mindestanteil der Stimmen erzielt haben (-»Quorum). Römische Verträge - » EWG; - » Euratom Rotationsprinzip - » Ämterrotation Rotkreuz-Abkommen - » Genfer Konvention

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Runder Tisch Runder Tisch, informelles, aber häufig einer Institution gleichwertiges Beratungsforum, an dem Mitglieder verschiedener, häufig zueinander in Konflikt stehender -»Parteien oder Organisationen teilnehmen und als gleichberechtigt angesehene Partner Konsens hinsichtlich strittiger Fragen zu erzielen suchen. Vom R. wurde erstmals in Polen in Bezug auf die Verhandlungen zwischen der Solidarnosc-Bewegung bzw. -Gewerkschaft und der kommunistischen Regierung in den 1980erJahren gesprochen. Rundfunkfreiheit, Konkretisierung der -•Pressefreiheit, die in der Bundesrepublik in Art. 5,1 G G garantiert wird. Insbesondere muss der Rundfunk frei von staatlichen Eingriffen sein. Rüstungskontrolle, bisweilen gleichbedeutend mit -»Abrüstung verwendeter Begriff, der jedoch im Gegensatz zu dieser alle Konzepte und Maßnahmen bezeichnet, mit denen mehrere Staaten gemeinsam die Entwicklung ihrer jeweiligen militärischen Machtmittel politisch gestalten. Dies muss nicht in jedem Fall einen Abbau von Rüstung beinhalten, sondern kann im Extremfall sogar Aufrüstung erfordern, etwa zur Herstellung eines militärischen Gleichgewichts. Ziel der R. ist es, internationale Stabilität herzustellen oder zu erhalten. Beim Abschluss von R.abkommen spielen neben sicherheitspolitischen Überlegungen im engeren Sinne auch wirtschaftliche Motive eine Rolle. Einerseits können dabei Interessen der Rüstungsindustrie den Abschluss von Verträgen blockieren, insbesondere bei Einschränkungen für Herstellung und Handel bestimmter Waffen. Andererseits können die enormen Kosten der Rüstung für den Staatshaushalt die Bereitschaft eines Landes zur Abrüstung fördern. Gegenstand von Abkommen zur R. sind nicht nur Abrüstung und Obergrenzen für die Stationierung oder den Bau von Waffensystemen, sondern auch Beschränkungen der Entwicklung (-»Teststopp-Abkommen) oder des Handels (-»Atomwaffensperrvertrag) sowie 192

Rüstungskontrolle -»vertrauensbildende Maßnahmen. Ein wesentliches Element dieser Vereinbarungen stellen detaillierte Regelungen von Verfahren dar, mit denen die Einhaltung der vereinbarten Ziele kontrolliert wird (Verifikation). Gewöhnlich wird zwischen atomarer und konventioneller R. unterschieden, R.abkommen werden darüber hinaus in bilaterale und multilaterale unterteilt. Erstere betreffen zumeist Nuklearwaffen und wurden zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR beziehungsweise Russland abgeschlossen ( - » S T A R T , -»INF-Vertrag, - » A B M - V e r trag). Die meisten internationalen Verträge gehen auf die Arbeit des unter wechselnden Bezeichnungen und in wechselnder Zusammensetzung seit 1959 in Genf tagenden Komitees der -»Vereinten Nationen zur Abrüstung zurück. Dieses seit 1983 Abrüstungskonferenz (Conference on Dis-armament) genannte Gremium von derzeit 60 Staaten hat beispielsweise Abkommen zum Verbot biologischer Waffen, die -»Chemiewaffenkonvention, das umfassende Teststopp-Abkommen sowie den Atomwaffensperrvertrag vorbereitet. Regional bestehen außerdem ein Reihe von Verträgen über -»atomwaffenfreie Zonen. Auf dem Gebiet der konventionellen Waffen gab es in der Vergangenheit vor allem in Europa Bemühungen zur Abrüstung, die im Abschluss des -»KSE-Vertrages 1990 gipfelten. Nachdem nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der UdSSR und Russlands nach dem Ende des Ost-WestKonfliktes Anfang der 1990er-Jahre eine Reihe bedeutender Abrüstungsabkommen für Europa abgeschlossen wurden, haben sich seitdem die Bemühungen um Abrüstung verlangsamt. Die Schwierigkeiten, sich auf internationaler Ebene auf Verträge zur konventionellen R. zu einigen, wurden zuletzt beim Abschluss des Übereinkommens über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen von 1997 deutlich, das am 1. März 1999 in Kraft trat und das bisher 138 Staaten unterzeichnet haben.

Sachverständigenrat

s Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Gremium, das jährlich eine Analyse und Prognose der Wirtschaftslage in der Bundesrepublik vorlegt (auch die „Fünf Weisen" genannt). Die Mitglieder des S., die vom -•Bundespräsidenten ernannt werden, dürfen weder der -»Legislative noch -»Exekutive des -»Bundes oder eines -»Landes angehören noch einen -»Interessenverband repräsentieren. In der Regel sitzt im S. jeweils ein den -»Gewerkschaften und ein den -»Arbeitgebern nahestehender Experte. Säkularisierung (lat. saecularis: weltlich), auch Säkularisation genannt, 1. der Prozess der Loslösung der Gesellschaft von Kirche und Religion. 2. Historische Phase in Europa, in der die Besitztümer der Kirche in staatliches Eigentum übergehen. 3. Umwandlung christlicher Sinngehalte in weltliche zu Beginn des 19. Jh. SALT, Abkürzung fiir engl. Strategie Arms Limitation Talks: Verhandlungen über die Beschränkung strategischer Waffen. Die 1969 begonnenen Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR führten 1972 zu einem ersten Abkommen (SALT I), das den -»ABM-Vertrag und Beschränkungen für Raketenabschussrampen enthielt. Der 1979 abgeschlossene SALT-II-Vertrag legte Obergrenzen für strategische Atomraketen und mit - » M I R V ausgestattete Systeme fest. Darüber hinaus wurde die Entwicklung und Erneuerung von Interkontinentalraketen beschränkt. Obwohl die Vereinigten Staaten SALT II nicht ratifiziert haben, hielten beide Parteien den Vertrag dennoch ein. Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde S. schließlich durch Verhandlungen zum -»INF-Vertrag und zu - » S T A R T ersetzt. Sanktion (lat. sancire: bei Strafe verbieten), völkerrechtlich erlaubte Maßnahme eines -»Staates oder einer Gruppe von Staaten

Schengener Abkommen gegen einen oder mehrere Staaten zur Durchsetzung völkerrechtlicher Verträge und Normen. In der Regel werden wirtschaftliche (etwa Handelsbeschränkungen) oder militärische (etwa -»Blockaden) S.en angewandt. Der -»Sicherheitsrat der -»Vereinten Nationen kann nach Art. 39 der UN-Satzung bei einer „Bedrohung oder einem Bruch des Friedens oder einer Angriffshandlung" nichtmilitärische (Art. 41) als auch militärische (Art. 42) S.en gegen einen Staat beschließen, die von ihm selbst durchgeführt werden oder die durchzuführen er die Mitgliedsländer auffordert. Satellitenstaat (lat. satelles: Gefolgsmann), ein von einem anderen, mächtigen Staat politisch, wirtschaftlich und/oder militärisch abhängiger, formal jedoch (in der Regel) unabhängiger Staat. Satzung, Rechtsnorm, die eine -»Körperschaft zur Regelung ihrer internen Abläufe erlässt. Schattenkabinett, diejenigen parlamentarischen Mitglieder einer Oppositionspartei innerhalb eines -»parlamentarischen Regierungssystems (meist in einem -»Zweiparteiensystem), die bei Regierungsübernahme ihrer —»Partei fiir ein Ministeramt vorgesehen sind. Schauprozess, in -»Diktaturen benutztes Terror- und Propagandainstrument, das in einem Aufsehen erregenden, durchgeplanten und abgesprochenen Gerichtsverfahren Oppositionellen und Abweichlern den Prozess macht. Hierbei werden die Angeklagten, die vor dem Verfahren gefoltert und in der Regel einer Gehirnwäsche unterzogen werden, dazu gezwungen, die ihnen unterstellten (aber nicht von ihnen begangenen) Taten öffentlich zu gestehen. Schengener Abkommen, 1985 von den Benelux-Ländem, Frankreich und der Bundesrepublik geschlossener Vertrag zum Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen 193

Schiedsgerichtsbarkeit Grenzen. Seit dem -»Amsterdamer Vertrag 1994 ist das S. Bestandteil des EU-Rechts (lediglich fllr Großbritannien, Dänemark und Irland gilt eine Ausnahmeregelung) (siehe auch - » E G / E U ) . Dem Abbau der Kontrollen an den Binnengrenzen stehen im S. eine Verschärfung der Kontrollen an den Außengrenzen, verstärkte Zusammenarbeit der Polizeibehörden sowie Einschränkungen beim Asylrecht gegenüber. Daher kritisieren einige das S. und die Folgeverträge scharf als Abschottung Europas. Schiedsgerichtsbarkeit, in den internationalen Beziehungen durch völkerrechtliche Verträge entweder für einen einzelnen Streitfall oder generell für Kategorien von Konflikten geschaffene Verfahren zur Schlichtung. Bedingung dafür ist, dass sich die streitenden - • S t a a t e n in einem völkerrechtlichen Vertrag bereit erklärten, sich der internationalen S. zu unterwerfen. Träger der internationalen S. sind meist besondere Kommissionen oder internationale Gerichte, denen Vertreter der betroffenen Staaten und von unparteiischen Ländern angehören (siehe auch -»Internationaler Gerichtshof). Schlichtungsverfahren, Verfahren zur Beilegung eines -»Arbeitskampfes, dessen sich die beiden Tarifparteien -»Gewerkschaft und -»Arbeitgeber bedienen, wenn die Verhandlungen gescheitert sind (siehe auch -»TarifVertrag). Das S., das nur bei beiderseitigem Einverständnis zustande kommt, wird von einem Gremium durchgeführt, das paritätisch mit Vertretern beider Tarifparteien besetzt ist und das von einem, von beiden akzeptierten, unparteiischen Schlichter geleitet wird. Während des S. ruhen die Mittel des Arbeitskampfes -»Streik und -»Aussperrung. Der Vorschlag des Schlichtergremiums hat erst bindende Wirkung für die Tarifparteien, wenn sie einen entsprechenden Vertrag abschließen. Schuldenkrise, Unfähigkeit eines Landes, Zinszahlungen für seine Schulden zu leisten,

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Schwellenland wobei ihm keine weiteren Kredite zu diesem Zweck gewährt werden. Internationale Ausmaße kann die S. annehmen, wenn mehrere Länder betroffen sind und durch das Ausmaß nicht bedienter Zahlungspflichten große internationale Banken und auch Gläubigerländer in Mitleidenschaft gezogen werden. Die S. der -»Dritten Welt in den 1980erJahren entstand dadurch, dass vielen - » E n t wicklungsländern auf Grund erwarteter Steigerungen von deren Exporterlösen großzügig Kredite gewährt wurden, die sie zum Teil in unwirtschaftliche Prestigeobjekte investierten. Als sich jene Erwartungen nicht erfüllten und zugleich die Kreditzinsen stiegen, musste eine Reihe von Ländern die Zahlungen vollständig einstellen. Darauf hin legten - » I W F und -»Weltbank umfangreiche Programme auf, welche die Gewährung weiterer Kredite mit politischen Auflagen verbanden, wie etwa dem Abbau von Staatsausgaben. Schutzzölle, Zölle, die ein Land für importierte Güter erhebt, um damit die einheimische Produktion gegen den ausländischen Wettbewerb zu schützen (siehe auch -»GATT; -»WTO). Schweigende Mehrheit, Schlagwort, das eine vermeintliche Mehrheit der Bevölkerung bezeichnen soll, die sich mit ihrer Meinung nicht gegen die in der -»Öffentlichkeit dominierenden Ansichten durchsetzen kann. Auf die Unterstützung der S. berufen sich politische Akteure zur Stützung ihrer eigenen, in der öffentlichen Diskussion unterlegenen Position. Schwellenland, auch NIC (newly industrializing country) genannt, -»Staat, der in seiner wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr -»Entwicklungsland, jedoch noch nicht Industrieland ist, also an der Schwelle zum Industrieland steht. Die Kriterien zur Kennzeichnung eines Landes als S. sind nicht eindeutig: Grundsätzlich gelten das ProKopf-Einkommen, der Anteil von Fertigprodukten am Export und der Prozentsatz der industriellen Produktion am Bruttoinlands-

Segregation produkt (gemäß der UN-Kennzeichnung muss dieser mindestens bei 33 Prozent liegen) als entscheidend. Zu den S.n zählt man etwa die so genannten Tigerstaaten (Südkorea, Hongkong (bis zu seiner Rückgabe an China 1997), Singapur, Taiwan), Mexiko, Portugal, Spanien, Malaysia, Iran, Tschechien. Einige bezweifeln den politik- und entwicklungswissenschaftlichen Nutzen der Charakterisierung eines Landes als S., weil damit die Unterschiede zwischen den verschiedenen Staaten, ihren Strukturproblemen wie auch Lösungsansätzen übergangen werden. Segregation (lat. segregare: absondern), meist räumliche Trennung hauptsächlich einer religiösen, ethnischen, sozialen oder nationalen Minderheit von der Bevölkerung. S. kann freiwillig oder erzwungen (—•Apartheid), sowie geplant oder aufgrund ungeplanter Entwicklung (z.B. Bildung von -»Ghettos in Großstädten) erfolgen. Selbstbestimmungsrecht, Recht von Personen und Gruppen, in eigener Verantwortung und ohne fremde Einmischung ihr Leben zu gestalten. Das S. des Menschen ist eng verbunden mit der gleichen -»Freiheit der Individuen und äußert sich im Verhältnis zum -»Staat im Schutz individueller -»Grundrechte vor staatlichen Eingriffen. Bisweilen wird dieser Anspruch auf Selbstbestimmung und besonderen Schutz auch von ethnischen, religiösen und kulturellen Gruppen erhoben, kann dann aber in Konflikt mit dem S. von deren einzelnen Mitgliedern geraten. Als Grundsatz des -»Völkerrechts besagt das S. der Völker, dass jedes Volk das Recht hat, sich zu einer politischen Einheit zusammenzuschließen und in einem eigenen unabhängigen und souveränen Staat mit einer selbst bestimmten Verfassung zu leben (siehe auch -»Souveränität). Schwierigkeiten bereitet es jedoch zu entscheiden, welche Gruppen als Volk gelten und wie bei der Verwirklichung des S. eines Volkes die Rechte von - » M i n derheiten und Individuen geschützt werden

Semi-präsidentielles Regierungssystem können. Das S. beinhaltet kein Recht zur -»Sezession. Selbstverwaltung, eigenständige Gestaltung der eigenen Angelegenheiten durch die Mitglieder einer sozialen Gruppe. Im engeren Sinne die rechtlich zugesicherte Kompetenz einer öffentlichen -»Körperschaft, unter staatlicher Aufsicht eigenverantwortlich mit eigenem Budget und eigenen Verwaltungsmitteln ihre Aufgaben zu regeln. In der Bundesrepublik haben etwa die -»Gemeinden das grundgesetzlich garantierte Recht zur S. (Art. 28,2 GG), S. üben auch Sozialversicherungsträger, berufsständische -»Kammern (z.B. Ärzte-, Industrie- und Handwerkskammer) und Hochschulen aus. Die Recht zur S. ist Ausdruck eines demokratischen Systems, das -»Partizipation gewährleistet und die Dominanz des -»Staates einschränkt. Self-reliance (engl, für Selbständigkeit), Konzept für -»Entwicklungsländer, das deren von den Industrieländern autonome Entwicklung vorsieht, die Selbstversorgung mit einheimischen Produkten, Ausbau des Binnenmarktes und Partizipation der Bevölkerung gewährleistet. Von (kollektiver) S. spricht man auch hinsichtlich der arbeitsteiligen Zusammenarbeit mehrerer Entwicklungsländer, ebenso mit dem Ziel, weitestgehend eine Unabhängigkeit vom Weltmarkt zu erreichen. Die S. ist als alternative Option zur Einbindung in die kapitalistisch geprägte Weltwirtschaft gedacht (siehe auch -»Kapitalismus). Semi-parlamentarisches System - » Semipräsidentielles Regierungssystem Semi-präsidentielles Regierungssystem (lat. semi: halb), Typus von Regierungssystemen, die durch eine Verbindung von Merkmalen eines -»parlamentarischen und eines -»präsidentiellen Regierungssystems gekennzeichnet sind (daher auch semiparlamentarisches System genannt). Zu den wesentlichen Charakteristika gehören: die -»Exekutive wird durch einen direkt vom 195

Senat Volk gewählten -»Präsidenten mit umfangreichen Kompetenzen geleitet; neben dem Präsidenten existiert ein -»Regierungschef, der von der Parlamentsmehrheit bestimmt und vom Präsidenten ernannt wird (und folglich vom Vertrauen des -»Parlaments als auch von dem des Präsidenten abhängig ist). Grundsätzlich gleicht das Verhältnis Parlament und -»Regierung demjenigen in einem parlamentarischen Regierungssystem, während die Machtposition des Regierungschefs einschließlich seines Bestellungsmodus dem präsidentiellen Regierungssystem entspricht. Aufgrund der doppelten Exekutive, bei der der Staatspräsident über einen weiten Kompetenzbereich verfügt, kann es in einem S. zu Machtkonflikten zwischen Präsident und Regierungschef kommen, etwa wenn der Regierungschef einer anderen -»Partei angehört und damit eine andere politische Linie verfolgt als der Präsident (siehe -»Cohabitation).

Sexismus Stellung gegenüber der anderen Kammer (in Abgrenzung zur schwächeren Stellung des Bundesrates gegenüber dem -»Bundestag in der Bundesrepublik); jeder Gliedstaat wird durch die gleiche Zahl von Senatoren repräsentiert (gegenüber nach Einwohnerzahl gewichteter Stimmenzahl des Bundesrats in der Bundesrepublik); die Senatoren werden entweder direkt oder von den -»Parlamenten der Gliedstaaten gewählt. Dabei dürfen sie keine Mitglieder von Parlament oder -»Regierung eines Gliedstaates sein (während die Bundesratsmitglieder in der Bundesrepublik von den Landesregierungen entsandt werden und diesen auch angehören dürfen). Senioritätsprinzip, auch Anciennitätsprinzip oder Seniority Rule genannt, Grundsatz, wonach das Alter bzw. die Dauer der bisherigen Amtsausübung über die Besetzung eines Amtes oder die Beförderung entscheidet.

Ein S. existiert beispielsweise in Frankreich.

Seniority Rule - » Senioritätsprinzip

Senat (lat. senatus: Rat der Alten), 1. Parlamentskammer in einem -»Zweikammersystem, in den Vereinigten Staaten die Erste Kammer neben dem -»Repräsentantenhaus als zweite Kammer. Jeder Bundesstaat entsendet zwei durch Mehrheitswahl direkt gewählte Senatoren. Innerhalb des -»politischen Systems der Vereinigten Staaten sind Senat und Repräsentantenhaus weitgehend gleichberechtigt (mit Ausnahme einiger weniger Sonderrechte des Senats).

Separatfrieden (lat. separare'. trennen), Friedensvertrag zwischen einigen unter den kriegführenden Staaten. Diese nehmen nicht mehr am - weiterhin fortdauernden -»Krieg teil.

2. In der Bundesrepublik Bezeichnung für die Landesregierung der -»Stadtstaaten. 3. Bezeichnung für eine Kammer eines Bundes- oder obersten Landesgerichtes (z.B. die zwei Senate des -»Bundesverfassungsgerichts). Senatsystem, -»Zweikammersystem in einem föderalistischen Staat, das im Gegensatz zu einer politischen Ordnung mit -»Bundesrat durch folgende Merkmale charakterisiert ist: -»freies Mandat der Senatsmitglieder (im Gegensatz zum -»imperativen Mandat der Bundesratsmitglieder); gleichberechtigte

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Separatismus (lat. separare: trennen), angestrebte Loslösung eines Staatsgebietes von seinem -»Staat mit dem Zweck, sich einem anderen Staat anzuschließen oder einen eigenen zu gründen. Sequestration (lat. sequestrare: absondern) liegt vor, wenn ein -»Staat einen anderen oder einen Teil seines eigenen Staates zwangsverwaltet und damit auch die -»Regierung des zwangsverwalteten Staates absetzt. S. kann beispielsweise in Gliedstaaten dazu dienen, die -»Verfassung durchzusetzen. Sexismus meint die Ungleichbehandlung und -»Diskriminierung des weiblichen Geschlechts (-»Feminismus).

Sezession Sezession (lat. secessio: Auszug), Loslösung eines Staatsgebietes von seinem -»Staat gegen dessen Wunsch mit dem Zweck, sich einem anderen Staat anzuschließen oder einen eigenen zu gründen. Sicherheitspolitik, im engeren Sinn Maßnahmen eines -»Staates zum Schutz seiner - » B ü r g e r und seiner -»Souveränität vor äußeren Bedrohungen mittels Rüstungspolitik (einschließlich -»Rüstungskontrolle und —»Abrüstung) und Bündnispolitik. Im Zuge der -»Globalisierung erweitert sich das Betätigungsfeld der S.: So bleibt zwar nach wie vor die militärische Dimension ein Aspekt der S., allerdings treten Probleme hinzu, die bis dato nicht gekannte Schwierigkeiten für die nationale Souveränität bedeuten und die nicht mit nationalstaatlichen Ansätzen gelöst werden können, wie etwa die globale Umweltverschmutzung, Immigrationsbewegungen und internationaler Terrorismus - zur Lösung dieser Probleme reichen die traditionellen Mittel nicht hin. Vielmehr bedarf es der Zusammenarbeit verschiedenartiger, auch Nicht-Regierungs-Organisationen und des Aufbaus eines internationalen, auch informellen Netzwerkes der Kooperation. Grundsätzlich steigt aufgrund der Entwicklung der Globalisierung die Wahrscheinlichkeit, dass der Schutz der nationalen Souveränität nicht mehr auf die unmittelbaren, geographisch verstandenen eigenen Grenzen beschränkt ist, sondern weitgehend die gesamte Welt als die nationale Souveränität beeinflussend betrachtet wird. Damit erweitert sich der militärische Aktionsbereich, insofern Gebiete in der gesamten Welt als sicherheitspolitisch relevant erklärt werden. Sicherheitsrat, Hauptorgan der -»Vereinten Nationen, gebildet aus den Vertretern von 15 Ländern, darunter die fünf ständigen Mitglieder Vereinigte Staaten, Russland, China, Frankreich und Großbritannien, die über ein Vetorecht verfugen (die anderen zehn nichtständigen Mitglieder werden von der - » G e neralversammlung gewählt). Gemäß der -»UN-Charta Art. 24,1 hat der S. die

Single transferable vote „Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und die internationale Sicherheit". In den meisten Beschlüssen druckt er sein Bedauern über friedensbedrohende Lagen aus und fordert Konfliktparteien auf, ihre Streitigkeiten durch friedliche Mittel beizulegen. Überdies beschließt er Maßnahmen im Bereich der -»Friedenssicherung (-»Peacekeeping) oder der Friedensschaffung (-»Peace-enforcement). Dabei sind die Beschlüsse des S. für alle UN-Mitglieder bindend. Kritiker weisen auf die Unangemessenheit des Vetorechts der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates hin. Durch deren Entscheidungen werde ein großer Teil der Weltbevölkerung nicht repräsentiert. Außerdem wird das Vetorecht, gerade in politisch entscheidenden Fragen (wie es etwa im Kalten Krieg häufig der Fall war), nicht selten von einem Staat als Blockadeinstrument missbraucht. Single transferable vote (engl, für übertragbare Einzelstimmgebung), in einer Verhältniswahl (-»Verhältniswahlrecht) ein Wahlverfahren, das es den Wählern ermöglicht, Präferenzen hinsichtlich der -»Kandidaten anzugeben, und durch ein kompliziertes Auszählverfahren verhindern soll, dass die Stimmen verloren gehen, die über diejenigen hinausgehen, die für die Erlangung eines Sitzes des gewünschten Kandidaten notwendig sind. Bei diesem Wahlverfahren kennzeichnen die Wähler ihre Präferenzen hinsichtlich der Kandidaten: Den Favoriten kennzeichnet man beispielsweise mit einer 1, die zweitbeste Alternative mit einer 2 und so weiter. Die Auszählung basiert auf einer so genannten Droop-Quote: Hierbei wird die Zahl der abgegebenen Stimmen durch die Zahl der zu vergebenden Sitze plus Eins geteilt. Zu dem Ergebnis wird Eins dazu gezählt (z.B. ist bei 10.000 Stimmen und 4 Sitzen die Droop-Quote also 2001). Bei der Auszählung werden im ersten Schritt nur die Favoriten berücksichtigt, also die mit einer 1 gekennzeichneten Kandidaten. Sobald einer die Droop-Quote erreicht (also beispielsweise 2001 Stimmen erhält) und ihm damit ein Sitz 197

Sonderabgabe sicher ist, tritt bei jedem weiteren Wahlschein, auf dem dieser Kandidat als Favorit gekennzeichnet ist, die zweitbeste Alternative an erste Stelle (die noch verbleibenden Stimmen, die der Favorit, der bereits einen Sitz erlangt hat, eigentlich erhalten würde, werden also weitergegeben - daher der Ausdruck „transferable vote"). Erreicht dieser Kandidat wiederum die Droop-Quote und ist ihm damit auch ein Sitz sicher, dann wird nun die drittbeste Alternative berücksichtigt usw. Wenn immer noch ein Sitz zu vergeben ist, aber kein Kandidat mehr die Droop-Quote erreicht, wird derjenige Kandidat, der von den wenigsten favorisiert wird, gestrichen. Die Wahlscheine, auf denen er als Favorit gekennzeichnet ist, werden neu ausgewertet, wobei dem jeweils (also pro Wahlschein) an zweiter Stelle stehenden Kandidaten die Stimme übertragen wird. Die S. wird in Irland, Malta und Australien praktiziert. Sonderabgabe, in der Bundesrepublik Typus öffentlicher -»Abgaben, die anders als - • S t e u e r n nicht in den allgemeinen Haushalt einfließen und im Gegensatz zu -»Gebühren und -»Beiträgen nicht für eine besondere staatliche Leistung erhoben werden. Daher ist die Erhebung von S. an besondere Bedingungen gebunden (z.B. außerordentlicher, unerwarteter Finanzbedarf, Ziel der Beeinflussung des Verhaltens der Bevölkerung wie etwa durch Abfallabgaben).

Sozialdemokratie durch das Volk und diesem auch verantwortlich. 2.Völkerrechtlich verfügt jeder Staat über S. und ist somit von anderen Staaten rechtlich unabhängig und mit ihnen rechtlich gleichgestellt (was darin ausgedrückt ist, dass bei internationalen Verträgen und auf Konferenzen jeder Staat gleiches Stimmrecht hat, außer er stimmt einer Stimmgewichtung z.B. nach Größe oder Einwohnerzahl zu). Das Recht auf S. und damit das -»Selbstbestimmungsrecht begründet auch das Prinzip der -»Nichteinmischung in -»innere Angelegenheiten. Ein Staat kann einen Teil seiner S.srechte übertragen (-»Supranationale Organisationen). Sowjets, russisch für -»Räte. Sowjetsystem - » Rätesystem Sozialabgabe, in der Bundesrepublik die Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung, die jeweils zur Hälfte von -»Arbeitnehmern und -»Arbeitgebern aufgebracht werden müssen, und die Beiträge zur Pflegeversicherung, die ausschließlich von den Arbeitnehmern gezahlt werden muss.

Sondervotum, Darlegung eines von einem Urteil abweichenden Standpunktes, den ein Richter im Gegensatz zur Mehrheit seiner Kollegen im -»Bundesverfassungsgericht einnimmt.

Sozialdarwinismus, Übertragung der biologischen Vorstellung von der Auslese des Stärksten und des am besten Angepassten auf die -»Gesellschaft. Damit geht die radikale Abwertung von Gesellschaftsmitgliedem einher, die als körperlich, psychisch und geistig schwach betrachtet werden. Rassistische -»Ideologien bedienen sich häufig ebenso wie der -»Nationalsozialismus sozialdarwinistischen Gedankenguts (siehe auch -»Rassismus).

Souveränität (frz. souverain: überlegen), 1. innerstaatlich die höchste und unabgeleitete Entscheidungsgewalt bezüglich aller politischen Fragen einer -»Gesellschaft insbesondere hinsichtlich ihrer -»Verfassung. In einer -»Demokratie hat das Volk die S. inne (-»Volkssouveränität), das heißt, die Oberhoheit des -»Staates ist letztlich legitimiert

Sozialdemokratie, parteipolitische Richtung mit dem ursprünglichen Ziel, sozialistische Ideen zusammen mit demokratischen Grundsätzen zu verwirklichen (-»Sozialismus; -»Demokratie). Das Programm der S. nahm einerseits die marxistische Ablehnung des -»Kapitalismus auf und formulierte das Bestreben, die sozial schädlichen Konse-

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Soziale Bewegungen quenzen des Kapitalismus einzudämmen oder diesen sogar zu überwinden (siehe auch -»Marxismus); andererseits sind zur Erreichung dieses Ziels ausschließlich gewaltfreie, reformorientierte Instrumente innerhalb der parlamentarisch-demokratischen Ordnung vorgesehen. Fundamentale Grundsätze der S. sind unter anderem soziale -»Gleichheit, staatliche Wirtschaftsregulierung und —»soziale Gerechtigkeit. Im Laufe der Zeit bekannten sich weite Teile der S. zur -»Marktwirtschaft (bzw. -»sozialen Marktwirtschaft) und entfernten sich damit von ihrer ursprünglichen sozialistischen Ausrichtung. Soziale Bewegungen, meist lose organisierte Gruppen zur Artikulation und Durchsetzung politischer, ökologischer, sozialer, kultureller, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Ziele außerhalb von institutionalisierten, gesetzlich vorgegebenen Formen zur politischen Betätigung (siehe -»Alternativbewegung). Soziale Frage, 1. Ausdruck zur Bezeichnung gesellschaftlicher, dringend zu lösender Probleme, die aus v.a. wirtschaftlicher, aber auch politischer und sozialer Ungleichheit und Unzufriedenheit darüber resultieren. 2. Im 19. Jahrhundert inhumane, vornehmlich mit der Industrialisierung im Zusammenhang stehende Lebensverhältnisse der Arbeiter. Soziale Gerechtigkeit, normatives Prinzip zur politischen Gestaltung der -»Gesellschaft. Die S. beinhaltet, dass es zur Ermöglichung eines humanen Lebens aller Gesellschaftsmitglieder nicht hinreicht, lediglich Freiheitsrechte zuzugestehen, sondern auch die Rahmenbedingungen dafür herzustellen sind, dass jeder Einzelne dazu befähigt ist, das von ihm erwünschte Lebenskonzept zu verfolgen (siehe auch -»Chancengleichheit; -»Gleichheit). Ziel der S. ist es, Nachteile, die Gesellschaftsmitglieder gegenüber anderen etwa auf Grund ethnischer oder Schichtzugehörigkeit ebenso wie etwa des Besitzes haben, in gewissem Rahmen auszugleichen

Soziale Marktwirtschaft (Verteilungsgerechtigkeit, tigkeit).

siehe

-»Gerech-

Die Schwierigkeit einer an der S. orientierten Politik besteht unter anderem in der inhaltlichen Bestimmung derjenigen Nachteile, die sie auszugleichen hat. Einige Vertreter des -»Liberalismus begreifen eine solche Politik häufig als Gefährdung der individuellen -»Freiheit, die hierbei lediglich als Freiheit von staatlichen Eingriffen insbesondere in die wirtschaftliche Betätigung verstanden wird. Soziale Grundrechte, -»Grundrechte, die dem Bürger einen Anspruch auf soziale Leistungen gewähren z.B. durch Rechte auf Arbeit, Wohnung und Bildung. Im Gegensatz zu einem den Staat lediglich allgemein zum Ausgleich von Benachteiligungen verpflichtenden Sozialstaatsgebot (siehe -»Sozialstaat) sollen S. vom -»Bürger gegen den -»Staat gerichtlich durchsetzbar sein, dies allerdings nur im Rahmen der vom Staat verfügbaren, rechtmäßigen Möglichkeiten und Ressourcen. Das Grundgesetz sieht im Gegensatz zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (siehe -»Menschenrechte) keine expliziten S. vor. Soziale Marktwirtschaft, Wirtschaftsordnung, in der die negativen Folgen der —»Marktwirtschaft - wie etwa ungleiche Verteilung der Ressourcen, Durchsetzung des Stärkeren bzw. Reicheren - durch soziale Leistungen seitens des —»Staates abgefangen bzw. in der die Vorteile der Marktwirtschaft (wie etwa Förderung der Eigeninitiative, Effizienz und Innovation) mit denen einer politisch gesteuerten sozialen Ordnung (wie etwa -»soziale Gerechtigkeit und Stabilität) verbunden werden sollen. In der S. kommt dem Staat die Funktion zu, in den Wirtschaftsprozess einzugreifen, um sozialpolitische Ziele (z.B. Arbeitsschutzbestimmungen) durchzusetzen und wirtschaftliche Krisen beispielsweise durch —»Konjunkturpolitik zu verhindern. Kritiker des Begriffs weisen auf die lediglich rhetorische Dimension hin, die verdeckt, dass 199

Soziale Verteidigung es sich auch bei als S. bezeichneten Systemen im Grunde um reine Marktwirtschaften handelt. Soziale Verteidigung, Konzept für eine Verteidigungsstrategie, das eine gewaltlose Alternative zu militärischen Strategien vorsieht. Die S. setzt bei der Bekämpfung von Besatzungstruppen durch Boykottmaßnahmen, Verweigerung jeglicher Zusammenarbeit und -»Obstruktion an. Dadurch sollen die Kosten für eine Besetzung für einen Angreifer so hoch werden, dass er seine Truppen abzieht. Sozialer Rechtsstaat, die Ergänzung des -•Rechtsstaates um staatliche soziale Leistungen, die die materielle Grundlage für die Verwirklichung der Freiheitsrechte (siehe -•Freiheit) im weiten Sinne darstellen und damit —»soziale Gerechtigkeit gewährleisten sollen (siehe auch —»Sozialstaat). Sozialhilfe, in der Bundesrepublik staatlich gewährte, auf dem —•Fürsorgeprinzip basierende Unterstützung, auf die hilfsbedürftige Menschen einen Rechtsanspruch haben und die ihnen ein menschenwürdiges Leben sowie die Überwindung ihrer Notlage ermöglichen soll. Voraussetzung für die Erteilung von S. ist, dass dem Empfänger oder seinen nahen Angehörigen keine eigenen Mittel zur Verfügung stehen oder er nicht durch Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, er bereit ist, sich auf dem Arbeitsmarkt vermitteln zu lassen und die Unterstützungen anderer staatlicher Institutionen ausgeschöpft sind. Ein Anspruch auf S. besteht unabhängig davon, ob der Empfänger für seine Notlage selbst verantwortlich ist. Formen der Sozialhilfe sind: Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen (z.B. Alter, Behinderung). Die Träger der S. sind die Landkreise und Städte. Viele potentielle S.empfMnger beanspruchen diese Unterstützung nicht - entweder aus Unwissenheit, aus Scham oder weil sie befürchten, sozial ausgegrenzt zu werden.

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Sozialismus Sozialisierung, die Enteignung von Privateigentum an -»Produktionsmitteln, Boden und Unternehmen und deren Übernahme durch den Staat oder -»Genossenschaften. Ziel der S. bzw. Vergesellschaftung ist es, dass der gesellschaftliche Bedarf und nicht marktwirtschaftliche Mechanismen die Produktion der Güter bestimmen soll. In der Bundesrepublik können Grund und Boden, Naturschätze ebenso wie Produktionsmittel „zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden" (Art. 15 GG). Sozialismus, allgemein Sammelbegriff für Bestrebungen und deren theoretische Basis zum Aufbau einer Gesellschaft, in der alle Menschen gleichberechtigt an Politik und Wirtschaft teilnehmen können. Der S. zielt auf die Beseitigung jeglicher wirtschaftlicher Ungleichheit und hierarchischer Gesellschaftsstrukturen, die in sozialistischen Theorien zumeist auf den -»Kapitalismus und Privateigentum zurückgeführt werden. Es lassen sich folgende Dimensionen des S. unterscheiden: 1. Als Gesellschaftstheorie basiert der S. auch in seinem historischen Ursprung - auf einer Kritik des -»Kapitalismus und der durch ihn hervorgerufenen sozialen Missstände (-»soziale Frage). Die Verwirklichung einer an -»Gleichheit und Gemeinschaftswerten orientierten Gesellschaft wird oft als Ergebnis einer notwendigen geschichtlichen Entwicklung betrachtet, wobei allerdings die Ansätze darin divergieren, ob diese Folge einer -»Revolution oder - » R e f o r m ist. Überdies differieren die sozialistischen Entwürfe hinsichtlich der nach Umgestaltung der kapitalistischen Ordnung zu errichtenden wirtschaftlichen und Staatsordnung. Sie reichen vom -»Anarchismus bis hin zur zentralen Planwirtschaft unter staatlicher Führung. Ein entscheidendes theoretisches Konzept zur Konkretisierung des S. stellt der - » K o m m u nismus dar.

Sozialleistungen 2. Staats- und Gesellschaftssystem, das mit dem Verweis auf die Verwirklichung sozialistischer Ideen („real existierender S.") eine zentral gesteuerte Staats- und Wirtschaftsordnung errichtet, die in der Regel durch folgende Elemente geprägt ist: —•Planwirtschaft, Einparteienherrschaft, —>Sozialisierung bzw. Kollektivierung. 3. Seit dem 19. Jahrhundert existierende politische und soziale Bewegungen, die sich an sozialistischen Ideen orientieren, beispielsweise Selbsthilfevereine für Arbeiter, G e w e r k s c h a f t e n oder Parteien. Diese Bewegungen stellen in der Regel eher eine pragmatische A n w e n d u n g einzelner Prinzipien des S. dar als den Versuch, sozialistische Theorien vollständig in die Praxis umzusetzen. Sozialleistungen, in der Bundesrepublik die vom Staat gewährten materiellen und immateriellen (Dienstleistungen) Unterstützungen, die in direkte und indirekte S. gegliedert werden können. Erstere sind zum Beispiel Kindergeld, Pensionen, Sozialversicherungsleistungen, - » S o z i a l h i l f e . Indirekte S. bestehen unter anderem in sozialpolitisch motivierten Steuererleichterungen. Die S. sind ein wesentliches Element zur Verwirklichung des Prinzips des - » S o z i a l staats. Sozialpartnerschaft, Ausdruck, der die Kooperation zwischen gleichberechtigten Tarifparteien bei der Austragung und Beilegung von Konflikten und der Suche nach Konsens betont (siehe auch -»Tarifvertrag). Sozialpolitik, alle M a ß n a h m e n , die darauf abzielen, die soziale und wirtschaftliche Situation benachteiligter Gesellschaftsmitglieder zu verbessern und so —»soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen (siehe auch -»Sozialstaat). Wichtige Träger der S. sind neben staatlichen Institutionen - » V e r b ä n d e und Tarifparteien (siehe -»Tarifvertrag). S. richtet sich zunächst an Bürger, die aufgrund von Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Invalidität nicht in der Lage

Sozialstaat sind, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen. S. im weiteren Sinne verstanden hierbei häufig mit - » W o h l f a h r t s t a a t gleichgesetzt - umfasst auch Unterstützungen und Vorsorgemaßnahmen des Staates, die alle Bürger betreffen, etwa hinsichtlich Bildungs-, Wohnungs- und Arbeitsmarktpolitik. Es lassen sich drei Schwerpunktsetzungen bei der staatlichen S. unterscheiden: Erstens die grundsätzliche Orientierung am -»Fürsorgeprinzip, bei dem Staaten nur minimale S. verfolgen (nur bei bereits eingetretenen Notlagen) und sich ansonsten auf den Selbstregelungsmechanismus des Marktes verlassen; zweitens die sich auch auf Prävention richtende S. g e m ä ß des Versorgungsprinzips, das allen Staatsbürgern eine Mindestversorgung rechtlich garantiert und danach strebt, finanziellen und wirtschaftlichen Ungleichheiten entgegenzuwirken; drittens das Prinzip der staatlich gestützten - » S o z i a l versicherung, bei dem Erwerbstätige durch Sozialversicherungspflicht gegen U n w ä g b a r keiten Vorsorgen müssen. Sozialstaat, - » S t a a t , der versucht, soziale Konflikte und Ungleichheiten sowie ihre wirtschaftlichen, politischen und sozialen Ursachen zu verhindern und zu beheben. Überdies besteht seine Funktion darin, die Versorgung aller seiner Bürger mit G r u n d g ü tern zu gewährleisten, unabhängig von deren Beitrag zum Sozialprodukt und deren Leistungsfähigkeit. Dazu gehören insbesondere die gerechte Verteilung der Lasten und des gesellschaftlichen Wohlstandes auf alle Gesellschaftsmitglieder ( - » s o z i a l e Gerechtigkeit), Bewahrung vor und Unterstützung bei materiellen Notsituationen, gleicher Z u g a n g zu Bildung und Beruf. Die Bundesrepublik ist durch die Sozialstaatsklausel in Art. 20,1 G G zum sozialstaatlichen Handeln verpflichtet. A u f diese Aufgabe verweisen auch die Berufsfreiheit (Art. 12), Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14,2) und der Schutz von Ehe und Familie sowie der Mutterschutz (Art. 6). (Allerdings enthält das Grundgesetz keine - » s o z i a l e n Grundrechte.) 201

Sozialversicherung Da sich die Bundesrepublik zugleich zum Prinzip des -»Rechtsstaates bekennt (Art. 20,3 GG), muss sie zwischen den damit verbundenen Freiheitsrechten des Individuums und den sozialstaatlichen Grundsätzen ein ausgewogenes Verhältnis finden (siehe auch -»Gerechtigkeit; -»Freiheit; -»Gleichheit). Dies kann teilweise Schwierigkeiten mit sich bringen, da sozialstaatliches Handeln auch Eingriffe in die Freiheit des einzelnen erforderlich macht, wie etwa die Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit (Art. 14,3 GG). Sozialversicherung, Versicherung, die Arbeitnehmer (und ihre Familien) gegen die Folgen von Erwerbsunfähigkeit (aufgrund von Unfall, Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Mutterschaft) schützen soll. Die S. besteht aus -»Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung. Die S. ist in der Bundesrepublik gesetzlich für im Lehr-, Arbeits- oder Dienstverhältnis Stehende vorgeschrieben. Sozialvertrag - » Vertragstheorien

Spieltheorie sichtigt wird, wenn sie einen bestimmten Mindestanteil an Stimmen bzw. an - » D i rektmandaten erzielt hat. Die S. soll eine Zersplitterung des -»Parlaments in kleine Parteien verhindern und damit die Stabilität der Regierung sichern. Kritiker der S. weisen allerdings darauf hin, dass sie kleine oder neue Parteien benachteiligt bzw. diesen die Möglichkeit verwehrt, sich politisch zu etablieren. In der Bundesrepublik existiert für Landtagswahlen ebenso wie für die -»Bundestagswahl eine Sperrklausel, hinsichtlich letzterer in Form einer -»Fünfprozentklausel in Kombination mit der -»GrundmandatsKlausel. Sperrminorität, die festgelegte Stimmenzahl, mit der Mehrheitsbeschlüsse verhindert werden können. Insofern gewährt die S. der Opposition Einflussmöglichkeiten bei Gesetzesbeschlüssen. In der Bundesrepublik kann zum Beispiel die Opposition eine Verfassungsänderung verhindern, wenn sie über die S. von einem Drittel der Bundestagsabgeordneten plus einem Abgeordneten verfügt, da für -»Verfassungsänderungen eine Zweidrittelmehrheit vorgeschrieben ist.

Spannungsfall - » Notstandsverfassung Spätkapitalismus, Phase des -»Kapitalismus, die nach Aussagen marxistischer Theorien (-»Marxismus) und der -»Kritischen Theorie unter anderem durch folgende Merkmale charakterisiert ist: Abmilderung destabilisierender Folgen des Kapitalismus innerhalb der Gesellschaft durch sozialstaatliche Maßnahmen und Eingriffe des Staates in die Wirtschaft, hoher technologischer Standard, Konzentration und zunehmende Dominanz inter- und multinationaler Unternehmen, -»Neokolonialismus. Speaker (engl, für Sprecher) - » Parlamentspräsident Sperrklausel, Bestimmung im —»Verhältniswahlrecht, wonach eine -»Partei nur dann bei der Verteilung der -»Mandate berück202

Spieltheorie, Theorieansatz, der durch Modelle versucht, soziales Verhalten in verschiedenen Konflikt-, Abstimmungs- und Kooperationssituationen zu analysieren und für bestimmte Typen die jeweils - für alle Beteiligten - beste Lösung zu finden. Dabei geht die S. davon aus, dass die Beteiligten (die S. operiert immer mit mindestens zwei Beteiligten) rationale Akteure sind, das heißt, dass für ihre Entscheidung die Kalkulation der Kosten und Nutzen ausschlaggebend ist. Im Unterschied zur -»Entscheidungstheorie beruht die Möglichkeit rationaler Kalkulation in der S. unter anderem darauf, wie sich der jeweils andere Spieler verhält (bzw. die anderen Spieler verhalten), der seinerseits mögliche Handlungsoptionen des anderen Akteurs berücksichtigt (bzw. die ihrerseits mögliche Handlungsoptionen der anderen Akteure berücksichtigen).

Splitterpartei Die S. versucht unter anderem, durch die Wiederholung einer gegebenen (modellartig konstruierten) Interaktionssituation (z.B. des —»Gefangenendilemmas) die für ein optimales Ergebnis erforderlichen Bedingungen und Entscheidungen herauszufinden. D a f ü r wird bei j e d e r Wiederholung der Interaktionssituation schrittweise eine Veränderung der Ausgangsbedingungen vorgenommen, so dass letztlich bestimmt werden kann, welche Variablen welches Verhalten beeinflussen, z.B. Kooperation unter den Akteuren. Splitterpartei, Partei mit geringer Zahl von Mitgliedern und Wählern. In -»parlamentarischen Regierungssystemen gilt es zum Teil als G e f a h r für die Stabilität der Regierung, wenn zu viele S.en im —»Parlament vertreten sind. Dem versucht man mit -»Sperrklauseln vorzubeugen. Splitting (engl, to split: spalten), allgemein die Verteilung der Stimmen eines Wählers bei einer Wahl auf mehrere - » P a r t e i e n bzw. -»Kandidaten. 1. Bei Wahlverfahren, die eine - » E r s t - und eine - » Z w e i t s t i m m e für die Wahl eines einzigen Organs vorsehen (personalisiertes Verhältniswahlrecht; siehe - » B u n d e s t a g s w a h l ) , meint S. die Wahl von unterschiedlichen Parteien (bzw. Parteikandidaten) mit der Erst- und der Zweitstimme (siehe auch -»Leihstimme). 2. In den Vereinigten Staaten bedeutet S. die Wahl mehrerer Kandidaten unterschiedlicher Parteien für mehrere Organe auf einer Liste an einem Wahlort und -tag. Staat, längerfristige Organisationsform gesellschaftlichen Zusammenlebens innerhalb eines umgrenzten Gebietes sowie die leitenden Institutionen, deren - » H e r r s c h a f t sich die Mitglieder dieser - » G e s e l l s c h a f t unterwerfen. Einerseits meint der Begriff S. somit eine Gruppe von Menschen (Staatsvolk), das Gebiet, auf dem sie zusammenlebt (Staatsgebiet), sowie alle ihre gesellschaftlichen Einrichtungen. Andererseits können mit S. ausschließlich die obersten politischen Entschei-

Staat dungsträger und - » O r g a n e ebenso wie die Institutionen zur Implementierung ihrer Entscheidungen bezeichnet sein ( - » E x e k u t i v e ; -»Judikative; -»Legislative). Staatsrechtlich lässt sich der S. durch das Staatsgebiet, das Staatsvolk und die Staatsgewalt erfassen. Letztere bezieht sich auf die Fähigkeit des S., für sein Gebiet und die auf diesem befindlichen Personen Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen. Zusätzlich kann ein Staat gegenüber anderen Staaten -»Souveränität im Sinne von rechtlicher Unabhängigkeit beanspruchen. Politikwissenschaftlich von Interesse ist Max Webers (1864-1920) Bestimmung des modernen S. durch die Elemente Territorialität (-»Territorialitätsprinzip), - » G e w a l t m o n o p o l und —»Legitimität: Territorialität meint die Erstreckung auf ein begrenztes Gebiet, das Gewaltmonopol meint, dass allein der S. berechtigt ist, (physische) Gewalt anzuwenden, und Legitimität bedeutet die Anerkennung der staatlichen Herrschaft durch die Beherrschten (siehe auch - » H e r r s c h a f t ) . Ein moderner Staat hat unter anderem folgende Funktionen zu erfüllen: Schutz der - » R e c h t e seiner - » B ü r g e r ( - » R e c h t s s t a a t ) und von deren (als innere und äußere verstandene) Sicherheit, S c h a f f u n g von Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Prozesse und Betätigung, S c h a f f u n g von politischen und kulturellen Partizipationsmöglichkeiten, Sicherstellung der G r u n d b e d i n g u n g e n für die soziale Wohlfahrt (-»Sozialstaat), Schutz der natürlichen Ressourcen (siehe auch —»Nachhaltigkeit). Ein Staat kann charakterisiert werden durch die verfassungsmäßige Legitimation seines Handelns (Prinzip der Rechtsstaatlichkeit), seine Staatsform ( - » M o n a r c h i e oder —»Republik), seine H e r r s c h a f t s f o r m ( - » D i k t a t u r oder —»Demokratie), Beschränkung der Herrschaftsausübung ( - » A u t o k r a t i e oder - » K o n stitutionalismus), den Grad und die Art der - » G e w a l t e n t e i l u n g (z.B. horizontal oder vertikal) bzw. —»Gewaltenverflechtung, sein - » R e g i e r u n g s s y s t e m (z.B. - » p a r l a m e n t a r i sches, -»präsidentielles oder semipräsidentielles Regierungssystem), seine 203

Staatenbund Gliederung (-»Einheitsstaat oder -»Bundesstaat), die ethnische Zusammensetzung seiner Bevölkerung (-»Nationalstaat oder -»Vielvölkerstaat). Die grundsätzliche Legitimität, der Ursprung und das Ziel eines S. werden in den verschiedenen -»Staatstheorien untersucht.

Staatsform chen Person zu einem -»Staat, die durch -»Einbürgerung, Geburt auf dem Staatsgebiet (lat. ius soli: Recht des Bodens) oder Abstammung von Staatsangehörigen (lat. ius sanguinis: Recht des Blutes) erlangt wird. Wer die S. eines Staates besitzt, hat damit auch die Rechte und Pflichten eines Staatsbürgers (-»Bürgerrechte).

Staatenbund - » Konföderation Staatenbttndnis - » Bündnis Staatenlose, Menschen ohne -»Staatsangehörigkeit. - » B ü r g e r werden zu S.n, wenn ihr -»Staat untergeht (und sie, so es einen -»Nachfolgestaat gibt, dessen Staatsangehörigkeit nicht erhalten), wenn sie von ihrem Staat ausgebürgert werden oder durch Verheiratung mit einem Bürger anderer Staatsangehörigkeit (die der S. durch die Heirat nicht erhält). Gemäß internationaler Abkommen haben S. in der Regel ähnlichen Status wie Flüchtlinge. In der Bundesrepublik ist es laut Grundgesetz Artikel 16,1 verboten, deutschen Bürgern die Staatsangehörigkeit zu entziehen. Staatensukzession (lat. succedere: nachfolgen) liegt vor, wenn ein -»Staat die Rechte und Pflichten (von Teilen) eines anderen Staates übernimmt (siehe -»Nachfolgestaat). Staatenverbund, vom Bundesverfassungsgericht verwendeter Begriff zur Kennzeichnung der Europäischen Union (-»EG/EU), der deren Zwitterstellung zwischen -»Staatenbund und -»Bundesstaat ausdrücken soll. Diese Zwitterstellung ergibt sich daraus, dass die Mitgliedsländer einige Souveränitätsrechte an die Europäische Union abgeben (z.B. die Währungshoheit), die Europäische Union somit nicht als Staatenbund bezeichnet werden kann, andererseits aber die Mitgliedsländer ihre nationale -»Souveränität beibehalten, die Europäische Union somit keinen Bundesstaat darstellt. Staatsangehörigkeit, auch Staatsbürgerschaft, rechtliche Zugehörigkeit einer natürli204

Staatsbürgerschaft, allgemein die -»Staatsangehörigkeit; im engeren Sinn das mit der Staatsangehörigkeit verbundene Innehaben und Wahrnehmen von -»Bürgerrechten und Pflichten. In der Bundesrepublik legt das Grundgesetz folgende Bürgerrechte fest: Versammlungsfreiheit (Art. 8), Wahlrecht (Art. 38), Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33). Zu den Pflichten gehört u.a. die Wehrpflicht (Art. 12a). Staatsduma, neben dem Föderationsrat (der Vertretung der Regionen und Gebiete Russlands) die Zweite - » K a m m e r des russischen Parlaments, die direkt vom Volk auf vier Jahre gewählt wird. Staatsform, 1. im engen Sinn durch die Art der -»Legitimation und Einsetzung des Staatsoberhaupts bestimmte Charakterisierung eines Staates als -»Monarchie (in der Regel durch Erbfolge und auf Lebenszeit) oder -»Republik (durch Wahl mit befristeter Amtsdauer); 2. im weiteren Sinne die durch eine Vielzahl möglicher Kriterien festgelegte Struktur eines -»Staates und der in ihm ausgeübten -»Herrschaft. Derartige Kriterien sind unter anderem die Herrschaftsform (-»Diktatur oder -»Demokratie) und die Beschränkung der Herrschaftsausübung (-»Autokratie oder -»Konstitutionalismus; Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, siehe -»Rechtsstaat), das - » R e gierungssystem (z.B. -»parlamentarisches oder -»präsidentielles Regierungssystem), die Gliederung (-»Zentralstaat oder - » B u n desstaat), der Grad und die Art der - » G e w a l tenteilung (z.B. horizontal oder vertikal) bzw. -»Gewaltenverflechtung.

Staatsgebiet Staatsgebiet, der geographische Raum, auf den sich die -»Herrschaft eines -»Staates erstreckt, insofern er -»Staatsgewalt über die in seinem Territorium befindlichen Sachen und die in ihm sich aufhaltenden Personen und deren Rechtsverhältnisse ausübt. Als S. eines Staates gilt die Erdoberfläche und ihr darüber liegender Luftraum und das darunter liegende Erdinnere (das sich kegelförmig bis zum Erdmittelpunkt verengt) und bei Küstenstaaten eine Zone von 12 Seemeilen Breite (bis 200 Seemeilen dürfen die wirtschaftlichen Ressourcen des Meeres sowie des darunter liegenden Festlandsockels genutzt werden - dieses Areal gehört allerdings nicht im engen Sinne zum S.). Die territoriale Integrität (-»Integrität, territoriale) eines Staates ist völkerrechtlich geschützt. Staatsgeheimnis, Informationen Uber staatsbezogene Sachverhalte, die von obersten staatlichen Stellen als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden. In der Bundesrepublik gelten nach dem Strafgesetzbuch die Angelegenheiten als S., deren Weitergabe einen großen Nachteil für die Lage der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik bedeuten würde. Sachverhalte, die die —»freiheitlichdemokratische Grundordnung verletzen oder auf Grund ihrer Geheimhaltung gegenüber Vertragspartnern gegen internationale Abkommen über Rüstungsbeschränkung verstoßen, dürfen laut Strafgesetzbuch nicht als zu schützende S. behandelt werden.

Staatshaushaltsplan und darf sich daher nicht gegen das Volk richten. Aus diesem Grund ist die S. durch den Bürgern zugesicherte Rechte und durch Kontrollmaßnahmen (wie etwa -»Gewaltenteilung; -»Wahlen) eingeschränkt. So gilt für die Bundesrepublik: „Alle S. geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt" (Art. 20,2 GG). Überdies muss die S. sich an die Verfassung halten und darf keine -»Gesetze und -»Rechte verletzen: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden" (Art. 20,3 GG). Staatshaftung, im weiteren Sinne die Verpflichtung des -»Staates, seine - » B ü r g e r für Beeinträchtigungen und Nachteile aufgrund staatlicher Tätigkeit zu entschädigen. In der Bundesrepublik wird die S. in mehreren unterschiedlichen Rechtsvorschriften geregelt. Bisweilen wird von S. auch dann gesprochen, wenn der Staat zwar rechtmäßig handelt, dem Bürger aber eine Entschädigung für Eingriffe in seine Rechte zusteht, etwa bei einer rechtmäßigen -»Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit.

Staatsgewalt, die Rechte eines -»Staates, kraft seines -»Gewaltmonopols nach innen und seiner -»Souveränität nach außen, über sein -»Staatsgebiet und die auf ihm befindlichen Personen, Rechtsverhältnisse und Dinge (ebenso wie - mit Einschränkungen - aufgrund seiner -»Personalhoheit über seine Staatsangehörigen im Ausland) Anordnungen zu treffen und diese mit Zwangsmitteln durchzusetzen (Entscheidungs- und Verfügungsgewalt durch -»Legislative, -»Exekutive und -»Judikative).

Im engeren Sinne setzt ein Anspruch auf S. stets ein rechtswidriges Handeln des Staates voraus. Verletzt ein -»Beamter gegenüber einem Bürger schuldhaft seine Amtspflicht, hat er nach dem BGB den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen (Amtshaftung). Nach Art. 34 GG übernimmt in einem solchen Fall der Staat oder die entsprechende öffentliche -»Körperschaft die Verantwortung für den entstandenen Schaden. Neben einer Vielzahl spezialgesetzlicher Regelungen hat die Rechtsprechung auch einen Anspruch auf Entschädigung für rechtswidrige Eingriffe ohne Verschulden sowie einen so genannten Aufopferungsanspruch für staatliche Eingriffe in immaterielle Rechte entwickelt.

In einem demokratischen -»Rechtsstaat gründet die S. auf der -»Volkssouveränität

Staatshaushaltsplan - » Haushaltsplan 205

Staatsinterventionismus

Staatsinterventionismus —> Interventionismus; - » Intervention; —» Interventionsstaat Staatskirche, Kirche, die staatliche Vorrechte genießt und eng mit dem Staat hinsichtlich der Finanzierung (z.B. Kirchensteuerpflicht für alle Staatsangehörigen), der Besetzung von Ämtern, der Organisation und Institutionen verflochten ist. Staatskirchenrecht, alle rechtlichen Normen, die das Verhältnis zwischen Staat und Kirche betreffen. So gibt es laut Grundgesetz in der Bundesrepublik keine -»Staatskirche (Art. 140 GG). Im weiteren Sinn erstreckt sich das S. auch auf das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften im Allgemeinen. Staatsminister, 1. in der Bundesrepublik die Bezeichnung für Landesminister (siehe -»Minister) und fiir parlamentarische Staatssekretäre im Kanzleramt und im —»Außenministerium; 2. -»Staatssekretär; 3. -»Regierungschef (z.B. in Schweden). Staatsmonopolistischer Kapitalismus, von marxistisch-leninistischen Ansätzen verwendeter Begriff zur Charakterisierung des -»Spätkapitalismus, der sich in seiner letzten Stufe hauptsächlich durch beinah vollständige Verschmelzung von -»Staat und Wirtschaft auszeichnet. Staatsnation - » Nation Staatsoberhaupt, oberster Amtsträger im Staat. Die Art seiner Bestellung und Amtsdauer bestimmt über die -»Staatsform eines Staates (-»Monarchie und -»Republik). Seine Befugnisse und die Verflechtung seiner Kompetenzen mit den anderen Staatsorganen ergeben sich aus dem -»Regierungssystem: Im -»parlamentarischen Regierungssystem repräsentiert das S. den -»Staat, es hat das Recht zur Auflösung des Parlaments - siehe -»Auflösung des Bundestages - und Ausru206

Staatsräson fung von Neuwahlen, Ernennungskompetenzen und die Aufgabe der Unterzeichnung von -»Gesetzen und Verträgen. Im -»präsidentiellen Regierungssystem bildet das S. die -»Exekutive und repräsentiert zugleich den Staat. In der Bundesrepublik ist das S. der - » B u n despräsident. Staatsorgane, -»Organe, die Tätigkeiten und Aufgaben des Staates ausführen und dabei -»Staatsgewalt ausüben. Zu den obersten S. zählen die Verfassungsorgane (meist - » P a r lament, -»Regierung, -»Staatsoberhaupt und Oberste Gerichte), die keinem anderen Organ untergeordnet und die in der Regel in der -»Verfassung genannt sind. In der Bundesrepublik zählen zu den Verfassungsorganen -»Bundestag, -»Bundesrat, -»gemeinsamer Ausschuss, -»Bundesversammlung, - » B u n despräsident, -»Bundesregierung und - » B u n desverfassungsgericht. Die nachgeordneten S. sind als -»Behörden anderen Staatsbehörden zugeordnet. Staatspartei, -»Partei, die als einzige Partei alle wichtigen politischen Entscheidungen in einem -»Staat herbeiführt und bestimmt, alle bedeutenden öffentlichen - » Ä m t e r besetzt und beansprucht, das -»Gemeinwohl zu vertreten und umzusetzen. Staaten mit S. sind in der Regel -»Diktaturen. Staatspräsident, in einer Republik das -»Staatsoberhaupt (siehe auch -»Präsident). Staatsquote, der Anteil der Staatsausgaben am Wert aller in einer Volkswirtschaft erzeugten Güter und Dienstleistungen. Bei einem internationalen Vergleich der S.n muss man berücksichtigen, dass in manchen Ländern Ausgaben zur S. zählen, die in anderen nicht als staatlich betrachtet werden (z.B. die Sozialversicherung). Staatsräson, besonderer Eigenwert der Existenz und Einheit eines —»Staates sowie seiner -»Macht, der in Ausnahmefällen die Aufhebung rechtlicher und ethischer Schranken

Staatstheorien

Staatsrat staatlichen Handelns rechtfertigt bzw. rechtfertigen soll. Die S. hat als oberstes Ziel den Erhalt der staatlichen Ordnung. Aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass der Staat nur mehr als reiner Selbstzweck unabhängig von dessen Legitimitätsgrundlagen, die etwa im Schutz von -»Menschenrechten und der Wohlfahrt der -»Bürger bestehen, behandelt wird. Staatsrat, 1. in einigen Staaten Bezeichnung der —»Regierung und deren Mitglieder; 2. kollektives Staatsoberhaupt. 3. Überdies wird in Baden-Württemberg ein Mitglied des Staatsgerichtshofes und in einigen Ländern das höchste Verwaltungsgericht als S. bezeichnet. Staatsrecht, derjenige Teil des -»öffentlichen Rechts, der die Grundsätze, Funktion und Organisation des Staates regelt. Das S. umfasst das Verfassungsrecht sowie die ergänzenden Regelungen, zum Beispiel zu Wahlen und einzelnen Verfassungsorganen. Staatsreligion, Religion, die staatliche Vorrechte genießt oder sogar als einzige Religion im Staat erlaubt ist. Die S. unterscheidet sich von der -»Staatskirche darin, dass keine institutionelle Verflechtung zwischen -»Staat und S. besteht. Staatsschutz, Schutz des -»Staates durch das Strafrecht vor Angriffen auf den Bestand des Staates oder die Verfassungsordnung (zum Beispiel durch -»Hochverrat). Staatssekretär, in der Bundesrepublik sind S.e Stellvertreter eines -»Ministers und - » B e a m t e mit höchstem Rang im Bundespräsidialamt, Bundespresseamt, Bundeskanzleramt. Man unterscheidet hinsichtlich der S.e in Ministerien zwischen den parlamentarischen S.en und den beamteten S.en, wobei letztere vor allem die administrative Leitung des Ministeriums innehaben, während erstere hauptsächlich den Minister im -»Bundestag und in der Öffentlichkeit vertreten. Die be-

amteten Beamte.

Staatssekretäre

sind

-»politische

Staatsstreich, Umsturz der Regierung, der in Gegensatz zum -»Putsch - von Mitgliedern der -»Exekutive, anderen Trägern hoher Staatsfunktionen oder des hohen Militärs mit Mitteln der Gewalt durchgesetzt wird. Staatstheorien, Theorien, die die -»Legitimität des -»Staates ebenso wie seine fundamentalen Funktionsweisen, Strukturen und sein Verhältnis zur -»Gesellschaft zu erklären suchen. Unter den zahlreichen Ansätzen lassen sich schwerpunktmäßig folgende Richtungen unterscheiden: 1. Der Versuch der Begründung der staatlichen Legitimität. Hierbei betrachten einige Ansätze den Staat und seine Organisationsform als Realisierung oder Spiegelbild bestimmter Ordnungsvorstellungen, die etwa durch den in der Natur des Menschen liegenden Bezug zur Gemeinschaft oder das Verhältnis des Menschen zu Gott angelegt sind. So wurde bereits in der Antike der Mensch als von Natur aus sozial verstanden, der deswegen nur in einem Staat sein Wesen entfalten und diesem gemäß leben kann (wie es zum Beispiel Aristoteles - 384-322 - und Piaton - 427-347 - darstellen). Die Auffassung einer politisch bzw. gemeinschaftlich ausgerichteten Natur des Menschen wird auch beispielsweise im -»Kommunitarismus vertreten. Zum anderen existiert, wie v.a. im Mittelalter, die Idee, dass der Staat die Aufgabe hat, der göttlichen Schöpfung, zu der die Menschen gehören, zu entsprechen und die göttliche Ordnung durch christliche Prinzipien zu verwirklichen bzw. den Menschen im Staat auf das ewige Leben vorzubereiten (z.B. Thomas von Aquin 1225-1274). Andere S. sehen den Staat als Mittel zur Durchsetzung eines bestimmten Zweckes, der dem Staat äußerlich ist. Eine bedeutende Form solcher S. stellen die -»Vertragstheorien dar. Ihnen zufolge ist die Errichtung eines Staates das Ergebnis einer unter bestimmten Umständen (-»Naturzustand) angestellten rationalen Überlegung, insofern er als 207

Staatsversagen einzige oder beste Möglichkeit betrachtet wird, das Leben, die Freiheit oder das Eigentum der Einzelnen zu schützen. Auch gemäß dem -»Liberalismus dient der Staat vornehmlich zum Erhalt der -»Freiheit des Individuums und dem Schutz der —»Menschenrechte, wobei er sich nicht nur vertragstheoretischer Argumente bedient. 2. Versuch der empirischen Beschreibung staatlicher Funktionsweisen und Strukturen, wobei nicht selten normative Prinzipien (wie etwa demokratische Grundsätze) als Analysekriterien dienen: Nach pluralistischen Erklärungen stellt der (demokratische) Staat den Rahmen für die Austragung von Interessenskonflikten durch -»Verbände und gesellschaftliche Gruppen (-»Pluralismus) zur Verfügung. Einige dieser pluralistischen S. begreifen den Staat nicht als diesen Interessengruppen übergeordnet, sondern fassen ihn selbst als eine spezielle Interessensagentur auf. Der -»Marxismus hingegen bewertet den Staat als Herrschaftsinstrument, das in den Händen der wirtschaftlich dominierenden -»Klasse liegt und dafür benutzt wird, ihre gesellschaftliche Position abzusichern (siehe auch -»Ideologie). Der -»Systemtheorie zufolge kann dem Staat eine derartige Machtposition nicht zugeschrieben werden, da sie die gesamte Gesellschaft als Komplex verschiedener, abgeschlossener Systeme beschreibt, die nicht unmittelbar aufeinander Einfluss nehmen können, sondern vielmehr sich auf sich selbst beziehen, sich selbst erzeugen und eigenen Logiken folgen. Demgemäß muss sich der Staat als ein abgeschottetes System unter anderen auf bestenfalls mittelbaren Einfluss beschränken. Zu S. im weitesten Sinne lassen sich auch die Untersuchungen einzelner Aspekte —»politischer Systeme zählen, wie etwa die Analyse von —»Regierungssystem, —»Herrschaftsform, -»Staatsform, -»Staatsrecht, dem Verhältnis Staat und Gesellschaft im allgemeinen oder der staatlichen Wirtschaftsordnung. Staatsversagen, die mangelhafte bzw. fehlende Fähigkeit des Staates, die von ihm 208

Stadtstaat erwarteten Leistungen zu erbringen, vor allem im Bereich der Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Einige beziehen den weit gefassten - Ausdruck ausschließlich auf die Ineffizienz staatlicher Tätigkeit im Vergleich zu marktwirtschaftlichen Mechanismen und befürworten daher eine weitestgehende -»Deregulierung. Andere dagegen führen S. auf das kapitalistische System zurück, das die notwendigen Eingriffe des Staates in gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse verhindert (siehe auch -»Kapitalismus). Staatsvertrag, 1. völkerrechtliche Verträge zwischen -»Staaten oder -»internationalen Organisationen und Staaten. 2. In der Bundesrepublik Vertrag zwischen den einzelnen -»Ländern zur Regelung von gemeinsamen Aufgaben, wie etwa im Bereich des Rundfunkwesens. Staatsvolk, alle Staatsangehörigen Staates (-»Staatsangehörigkeit).

eines

Staatsziel, leitende Grundsätze einer -»Verfassung, die die Gestaltung des politischen Gemeinwesens regeln sollen. In der Bundesrepublik gilt als ein S. etwa das Sozialstaatsgebot, das in Art. 20,1 GG niedergeschrieben ist (-»Sozialstaat), und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG). S.e sind nicht einklagbar. Stabilitätsgesetz, laut des 1967 verabschiedeten „Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" müssen -»Bund und -»Länder in ihren Planungen und Tätigkeiten bei Wirtschafts- und Finanzpolitik das Gleichgewicht der Gesamtwirtschaft in der Bundesrepublik berücksichtigen (siehe dazu -»Magisches Viereck). Stadtstaat, 1. Staat, dessen Territorium mit einem städtischen Gemeindegebiet (größtenteils) zusammenfällt und der rechtlich und politisch als eigenständiger Staat gilt.

START

Stagflation 2. In einem Bundesstaat ein Gliedstaat, dessen Territorium mit einem städtischen Gemeindegebiet (größtenteils) zusammenfällt. Stagflation, wirtschaftliche Situation, die durch hohe Inflation und durch hohe Arbeitslosigkeit (die filr gewöhnlich zusammen mit -»Deflation auftritt) gekennzeichnet ist. Der Ausdruck S. ist eine Zusammensetzung aus -»Inflation und Stagnation. Stalinismus, von J.W. Stalin (1879-1953) vertretene Ideologie und Praxis des -»Bolschewismus, die den Aufbau des (dogmatisch ausgerichteten) -»Sozialismus in einem Land (Russland) verfolgte, vor allem mittels T e n o r und Willkürakten (z.B. Massenmorde, -»Schauprozesse, Zwangsumsiedelung). Stammwähler, im Unterschied zu - » W e c h selwählern die Wähler, die bei mehreren -»Wahlen über längere Zeit hin die gleiche -»Partei wählen. Stamokap, Abkürzung für -»Staatsmonopolistischer Kapitalismus. Stand, die durch Abstammung, Besitzstand und Beruf gekennzeichnete soziale Gruppe, die durch strenge Regeln und bestimmte Rechte und Pflichten charakterisiert ist. Die Zugehörigkeit zu einem S. ist festgelegt - ein S. kann daher in der Regel nicht verlassen werden. Um die soziale Position einer Person in modernen Industriegesellschaften zu kennzeichnen, spricht man nicht mehr von S., sondern von der Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht. Ständestaat, Staat, dessen gesellschaftliche und politische Ordnung durch das geregelte Mitwirken der -»Stände gekennzeichnet ist. Im Europa des 13. bis 17. Jahrhunderts waren die meisten Staaten S.en. Ständige Wahlkreiskommission, in der Bundesrepublik eine Kommission, die dem Bundestag Vorschläge zur Einteilung gerechter -»Wahlkreise unterbreitet.

Standortpolitik, alle politischen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, ein Gebiet für die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen attraktiv zu machen. S. besteht unter anderem in niedrigen Steuern und dem Abbau von Sozial- und Umweltstandards, die von Unternehmen als Einschränkung begriffen werden. Die Notwendigkeit der S. wird oft mit wirtschaftlichen Erfordernissen begründet, die sich aus der -»Globalisierung ergeben, wie etwa einem verstärkten internationalen Wettbewerb. Kritiker der S. weisen auf die Gefahr hin, dass immer mehr politische Entscheidungen hinsichtlich immer mehr politischer Regulierungs- und Handlungsbereiche sich nur auf standortpolitische Erfordernisse ausrichten und dafür andere gesellschaftspolitische Aufgaben des -»Staates (wie etwa -»Sozialpolitik) geopfert werden oder umgekehrt staatliche Defizite hinsichtlich der Sozial- und -»Umweltpolitik universell mit nötiger S. entschuldigt werden. Starre Liste - » Liste START, Abkürzung für engl. Strategie Arms Reduction Treaty: Vertrag über den Abbau strategischer Waffen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten. 1991 verpflichteten sich die Vereinigten Staaten und die UdSSR bzw. Russland im START-I-Vertrag zu einer allmählichen Reduzierung der Interkontinentalraketen um 30 bis 40 Prozent (Kasachstan, Weißrussland und die Ukraine sind durch ein Zusatzprotokoll dem Vertrag beigetreten und verpflichten sich zugleich zu einem vollständigen Verzicht auf Kernwaffen). 1993 wurde der START-II-Vertrag unterschrieben, der eine weitere Reduzierung der strategischen Waffen und ein totales Verbot von landgestützten - > M l R V s beinhaltet. Der START-II-Vertrag ist allerdings erst 2000 mit der Ratifikation Russlands in Kraft getreten. 1999 begannen Verhandlungen zum START-III-Vertrag, der weitere Reduzierungen von Nuklearsprengköpfen festlegen soll.

209

Status quo Status quo (Iat. für Zustand, in dem sich etwas befindet), im politischen Sinne der tatsächliche oder rechtliche außenpolitische Zustand eines -»Staates, vor allem hinsichtlich seiner Grenzen oder der militärischen Position. Dabei kann sich der S. auf die gegenwärtige Situation oder auf eine - beispielsweise vertraglich festgelegte - zukünftige oder eine ehemalige Situation beziehen.

Stimmrecht Sieg erforderliche Stimmzahl erzielt hat. Die S. kann entweder als erneuter Durchgang der gesamten Wahl mit allen Kandidaten erfolgen, als Entscheidung zwischen den Kandidaten mit den meisten Stimmen (meist zwischen den ersten beiden Kandidaten) oder schon beim ersten Wahlgang durch Abgabe einer zusätzlichen Stimme für einen Alternativkandidaten (falls der präferierte Bewerber die zum Sieg erforderliche Mehrheit verfehlt).

Steuerhoheit - » Finanzhoheit Stimmbezirk - » Wahlkreis Steuern, Gesamtheit der staatlich (oder durch eine öffentliche Körperschaft) erhobenen Zwangsabgaben, denen keine speziellen Gegenleistungen seitens des -»Staates entsprechen, die aber begründet sein müssen, da sie in das Privateigentum eingreifen. S. stellen in einem modernen marktwirtschaftlichen Staat die wichtigste Finanzquelle dar. Das Recht zur Erhebung von S. kommt dem Staat aufgrund seiner -»Finanzhoheit zu. In der Bundesrepublik erheben der -»Bund, die - » L ä n d e r und die -»Kommunen S. (Bundess., Landess. und Gemeindes.). Einige der S. sind -»Gemeinschaftssteuern. Überdies findet bei der Zuweisung der Steuereinnahmen (die nicht automatisch den steuererhebenden Körperschaft vollständig zukommen) ein —»Finanzausgleich statt. In der Bundesrepublik sind etwa 90 Prozent der Einnahmen des Bundes Steuereinnahmen. Steuerpolitik, der Versuch, politische Ziele durch die Erhebung von -»Steuern und die Gestaltung des Steuersystems zu erreichen. Über die Erzielung öffentlicher Einnahmen hinaus können solche Ziele insbesondere wirtschafts- und sozialpolitischer aber auch umweltpolitischer Art sein. Steuerpolitische Instrumente sind zum Beispiel Steuererleichterungen für spezielle Investitionsvorhaben oder für Familien sowie die Besteuerung ökologisch unerwünschten Konsumverhaltens (-»Ökosteuer). Stichwahl, zweiter Wahlgang, der über den Sieger einer - » W a h l entscheiden soll, wenn im ersten Wahlgang kein —»Kandidat die zum 210

Stimmgebungsverfahren, Weise, wie der Wähler bei -»Wahlen seine Stimme abgibt. Man unterscheidet: Einzelstimmgebung, bei der der Wähler nur über eine Stimme verfügt, mit der er eine Parteiliste (-»Verhältniswahlrecht, -»Listenwahl) oder einen -»Kandidaten (-»Mehrheitswahlrecht) wählt, und Mehrstimmgebung. Variationen der Mehrstimmengebungsverfahren sind folgende: -»Panaschieren; -»Kumulieren; Zweistimmgebung (beim personalisierten Verhältniswahlrecht; siehe -»Bundestagswahl); Präferenzstimmgebung, das heißt die Möglichkeit, die Reihenfolge der Kandidaten auf einer Liste entsprechend der Präferenzen zu verändern. Dies kann durch entsprechende Nummerierung der Kandidaten erfolgen, wobei die Anzahl der angebbaren Präferenzen beschränkt sein kann (die Beschränkung kann so weit gehen, dass nur ein Kandidat auf der Liste eine Präferenzstimme erhalten darf). Des Weiteren besteht die Option der Alternativstimmen, das heißt, dass der Wähler einen zweiten Kandidaten bestimmt für den Fall, dass sein erster Kandidat nicht die erforderliche Mehrheit erzielt oder mehr Stimmen als zum Sieg notwendig erhält. In letzterem Fall werden die über die für den Sieg des ersten Kandidaten erforderliche Stimmzahl hinausgehenden Stimmen dem Alternativkandidaten übertragen (siehe -»Single transferable vote).

Stimmrecht, das Recht, an - » W a h l e n und -»Abstimmungen teilzunehmen. In einer -»Demokratie müssen dabei die Wahlen allgemein, frei, gleich und geheim sein.

Streik

Streik, organisierte, zeitlich befristete Einstellung der Arbeit durch mehrere (in der Regel, aber nicht notwendigerweise gewerkschaftlich gebundene) Arbeitnehmer mit dem Ziel, bestimmte wirtschaftliche, aber auch politische Interessen durchzusetzen. Eine dem S. entsprechende Arbeitskampfmaßnahme der Arbeitgeber ist die -»Aussperrung. Der S. als Mittel des ->Arbeitskampfes gilt in der Bundesrepublik als ein Grundrecht. Er darf in der Bundesrepublik allerdings nur nach einer durch Abstimmung erzielten Zustimmung der Mitglieder der den S. betreffenden -»Gewerkschaften stattfinden. Diese Abstimmung wird wie auch diejenige über die Annahme eines -»Tarifvertrags als Urabstimmung bezeichnet. Streitbare Demokratie wird eine - » D e m o kratie genannt, die verschiedene gesetzlich festgelegte Mittel hat, sich gegen die Gefährdung der demokratischen Prinzipien und Institutionen zur Wehr zu setzen (daher auch wehrhafte Demokratie genannt). In der Bundesrepublik zählen zu den Instrumenten der S. zur Bewahrung der -»freiheitlich-demokratischen Grundordnung: -»Parteienverbot (Art. 21,2 GG), Verbot von Vereinigungen und Versammlungen („Vereinigungen, deren Zweck oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten." (Art. 9,2 GG)), Verwirkung von -»Grundrechten (Art. 18 GG), Verfolgung durch das Strafrecht, - » N o t standsverfassung, Pflicht der -»Beamten und Angestellten des -»öffentlichen Dienstes zur besonderen Verfassungstreue (siehe auch -»Radikalenerlass), -»Widerstandsrecht (Art. 20,4 GG), —»Ewigkeitsklausel (Art. 79,3 GG). Strukturelle Gewalt - » Gewalt Strukturpolitik, derjenige Bereich der -»Wirtschaftspolitik, der sich auf die Verbes-

Supranationale Organisation serung der Grundbedingungen wirtschaftlicher Tätigkeit (z.B. Ausbildung und Infrastruktur) bezieht (siehe auch -»Standortpolitik). STV, Abkürzung für -»Single transferable vote. Subsidiaritätsprinzip (lat. subsidium: Unterstützung), Prinzip, wonach eine kleinere Einheit innerhalb einer Gesamtheit soweit wie möglich eigenständig ihre Aufgaben zu erfüllen hat. Die übergeordnete, größere Einheit wird erst dann unterstützend tätig bzw. muss dann tätig werden, wenn die kleinere ihre Aufgaben nicht mehr selbst erfüllen kann. Sozialpolitisch beschränkt das S. die staatlichen Leistungen auf diejenigen Notlagen, die nicht durch außerstaatliche Gemeinschaften, wie etwa Familie oder Wohlfahrtsverbände, bewältigt werden können. Diese Form des S. trifft ebenso auf die Bundesrepublik zu wie auch das auf den föderalen Staat bezogene S.: Danach wird den Ländern ein weiter Kompetenzbereich zugestanden und der Gesamtstaat wird nur in den Bereichen tätig, die von den Gliedstaaten nicht zufriedenstellend geregelt werden können bzw. deren Bewältigung die Gliedstaaten überfordern würde (siehe auch -»Föderalismus; —»Gesetzgebung). Entsprechendes gilt für das Verhältnis zwischen Europäischer Union ( - » E G / E U ) und ihren Mitgliedsländern. Subvention (lat. subvenire: zur Hilfe kommen), finanzielle Unterstützung durch den -»Staat. Man unterscheidet in unmittelbaren Zuwendungen bestehende direkte S.en von indirekten S.en, die vor allem in Form von Steuervergünstigungen gewährt werden. Supranationale Organisation (lat. supra: über; natio: Volk), von mehreren -»Staaten gebildeter internationaler Zusammenschluss mit eigenen Kompetenzen und Entscheidungsbefugnissen. Die Mitgliedsstaaten übertragen einen Teil ihrer —»Souveränität auf die

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Suprematie S. und sind in den entsprechenden Bereichen durch deren Beschlüsse gebunden. Die Europäische Union ( - » E G / E U ) bildet eine S. Suprematie (lat. supremus: der oberste, höchste), Ausdruck für die Oberherrschaft eines -»Staates über andere Staaten oder eines - » O r g a n s über andere Organe. Supreme Court, höchstes Gericht der Vereinigten Staaten, das als letzte Kontrollinstanz für alle Rechtsnormen und Gerichtsentscheidungen dient. Sustainable development - » Nachhaltigkeit Swing (engl, to Swing: schwanken), im politischen Sinne im Bereich der Wahlforschung derjenige Wert, der sich aus dem Durchschnitt der prozentualem Stimmengewinne bzw. Stimmenverluste (in Bezug auf zwei aufeinander folgende Wahlen) der größten -»Parteien ergibt. Der S. soll die durchschnittliche Veränderung, die die größten Parteien innerhalb einer -»Legislaturperiode im Verhältnis zueinander hinsichtlich ihrer gewonnen Stimmen erfahren, darstellen. Beispiel: Partei A erhält in der ersten Wahl 35 Prozent, in der zweiten 40 Prozent (das entspricht einem Zuwachs von fünf Prozentpunkten), Partei B erhält in der ersten Wahl 45 Prozent, in der zweiten 38 Prozent (das entspricht einem Verlust von sieben Prozentpunkten). Der S. ergibt sich aus dem Durchschnitt der gewonnen beziehungsweise verlorenen Prozentpunkte ((5 Prozent + 7 Proz e n t ) ^ = 6 Prozent). Der analytische Nutzen des S. ist zweifelhaft, und besteht - wenn überhaupt - nur für -»Zweiparteiensysteme. Syndikalismus (frz. syndicat: Gewerkschaft), Strömung innerhalb der -»Arbeiterbewegung, die Elemente des -»Sozialismus und des -»Anarchismus miteinander verbindet. Der antikapitalistische und antiparlamentarische S. erstrebt auf dem Weg der -»Revolution die Abschaffung des Staates und anstelle 212

Systemtheorie dessen überregionale Gewerkschaftsverbände ebenso wie die Abschaffung des Privateigentums und anstelle dessen ein System von -»Genossenschaften. Diese Ziele sollen durch einen gewerkschaftlich organisierten -»Arbeitskampf und nicht unter der Führung einer -»Partei realisiert werden. Systemtheorie, theoretisches Modell, das die Gesamtheit der politischen Prozesse und Institutionen als System betrachtet, das gegenüber seiner so genannten Systemumwelt abgegrenzt ist und mit dieser durch inputs und Outputs, die das System von seiner Umwelt erhält beziehungsweise an sie abgibt, in Beziehung steht. Die Umwelt des -»politischen Systems wird beispielsweise durch die -»Bürger oder das Wirtschaftsystem gebildet, die politische Forderungen (input) stellen und mit politischen Entscheidungen (output) konfrontiert werden. Zu den bekanntesten Vertretern der S. gehören Talcott Parsons (1902-1979), David Easton (geb. 1917) und Niklas Luhmann (1927-1999). Talcott Parsons definiert beispielsweise ein System durch dessen charakteristische Funktionen, wobei das politische System durch die sozialen Interaktionen gekennzeichnet ist, die kollektiv bindende Entscheidungen treffen und durchsetzen. Luhmann richtet das Augenmerk vor allem auf die Geschlossenheit der einzelnen Systeme, die sich selbst hervorbringen und verändern („autopoiesis"). Der Kontakt zwischen den Systemen findet über eine strukturelle Koppelung mittels eines so genannten Mediums statt (so stehen etwa das politische System und das Rechtsystem über die Verfassung miteinander in Verbindung, wobei das spezifische Medium des politischen Systems die - » M a c h t darstellt). Anspruch der S. ist es, eine adäquate Beschreibung der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu liefern, ohne dabei normative Vorgaben zu machen.

Terrorismus

Tarifautonomie

T Tarifautonomie Tarifvertrag



Gewerkschaften;

—>

Tarifpartei - » Tarifvertrag Tarifpolitik, alle auf den Abschluss eines -•Tarifvertrages gerichteten Maßnahmen der Tarifparteien. Tarifvertrag, schriftliche Vereinbarung zwischen einer -»Gewerkschaft und einem oder mehreren -»Arbeitgebern (T.sparteien bzw. Tarifparteien). Der T. besteht für gewöhnlich aus zwei Teilen: Der schuldrechtliche Teil regelt die wechselseitigen Pflichten und Rechte der Vertragsparteien (wie etwa die Pflicht zur Einstellung des Arbeitskampfes während der Verhandlungen und die Durchführung des T.), der normative Teil enthält Regelung zum Arbeitsrecht (wie etwa Normen des Arbeitsschutzes, Urlaubsansprüche, Arbeitszeit). In der Bundesrepublik genießen die Tarifparteien Tarifautonomie, das heißt sie regeln wesentliche Teile der Arbeitsbeziehungen ohne staatliche Eingriffe durch den Abschluss von T.en (Art. 9,3 GG). Der Bundesarbeitsminister kann indes einen T. unter bestimmten Bedingungen für allgemeinverbindlich erklären, so dass er nicht nur die Mitglieder der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, die den T. abgeschlossen haben, sondern auch alle anderen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einer Branche bindet. Tarifvertragsparteien - » Tarifvertrag Technikfolgenabschätzung, institutionalisiertes und systematisches Verfahren der Prognose und Bewertung von Folgen bestimmter technischer Verfahren ftir die - » G e sellschaft und die natürliche Umwelt. Die T. soll als Beratungsinstrument für politische Entscheidungsträger dienen. Technokratie (griech. techne: Kunstfertigkeit, Technik; kratein: herrschen), 1. System,

in dem Fachleute, vor allem im Bereich der Technik, die politischen Entscheidungen stark beeinflussen. 2. Primat von Wissenschaft und Technik in der -»Gesellschaft bzw. den politischen Entscheidungsprozessen. Terms of Trade (engl, ftir Handelsverhältnisse), das Verhältnis von Exportgütern und Importgütern eines -»Staates gemessen als Verhältnis der Exporterlöse zu den Importausgaben. Die T. verschlechtern sich beispielsweise, wenn das Preisniveau der Importgüter im Verhältnis zu dem der Exportgüter steigt. Die T. sollen dazu dienen, positive und negative Entwicklung des Außenhandels zu erkennen. Der Aussagewert der T. bezüglich der Bewertung des Außenhandels ist allerdings umstritten, da sie nicht alle Kriterien zu berücksichtigen vermögen (wie etwa das Qualitätsniveau eines Produktes). Territoriale Integrität - » Integrität, territoriale Territorialhoheit (lat. territorium: Gebiet), synonym mit -»Gebietshoheit. Territorialitätsprinzip (lat. territorium: Gebiet), rechtlicher Grundsatz, wonach ein -»Staat über alle, die sich auf seinem Gebiet aufhalten, —»Staatsgewalt ausübt (siehe -»Gebietshoheit). Territorialstaat (lat. territorium: Gebiet), Staat, der durch sein Staatsgebiet und die darüber ausgeübte -»Gebietshoheit definiert ist. Terrorismus (lat. terror: Schrecken), exzessive Gewaltanwendung gegen Politiker und Bürger, um dadurch Angst vor allem in der Bevölkerung zu erzeugen, die Machtlosigkeit des Staates zu demonstrieren und ihn zu Panikreaktionen zu provozieren - dies alles letztlich zur Durchsetzung politisch radikaler Ziele. Von Staatst. spricht man, wenn ein -»Staat Terrorakte gegen die eigene Bevölkerung oder gegen andere Staaten richtet. 213

Teststopp-Abkommen

Teststopp-Abkommen, „Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser", der 1963 zwischen den Vereinigten Staaten, der UdSSR und Großbritannien abgeschlossen und 1974 durch den „Vertrag über die Begrenzung unterirdischer Kernwaffenversuche" ergänzt wurde, der Obergrenzen für die Sprengkraft dieser Versuche festlegt. Letzterer ist 1990 in Kraft getreten. Das T. wurde durch den „Comprehensive Nuclear Test-Ban Treaty" (Vertrag über ein allgemeines Verbot von Kernwaffenversuchen) im Jahre 1996 erweitert. Allerdings tritt dieser Vertrag erst in Kraft, wenn ihn die 44 Staaten, die über Kernreaktoren verfügen, ratifiziert haben.

Tripartismus nikation, bedient (vgl. in Abgrenzung zum T. auch -»Autoritarismus). Der -»Nationalsozialismus und Phasen des Sowjetkommunismus, hauptsächlich der -»Stalinismus werden als totalitaristische Regime bezeichnet. Trade Union, vor allem in Großbritannien verbreiteter Typus der -»Gewerkschaft, der sich für die ausschließlich außerpolitischen, vor allem auf die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung bezogenen Interessen einsetzt. Die T. wird häufig dem kontinentaleuropäischen Verständnis gewerkschaftlicher Aufgaben gegenübergestellt, das in der Regel auch politische Ziele umfasst.

Theokratie (griech. theos: Gott; kratein: herrschen), angeblich durch Gottes Willen legitimierte Herrschaftsausübung durch ein -»Staatsoberhaupt oder eine Gruppe von Herrschern, die Gottesgleichheit oder seine Vertretung beanspruchen (siehe auch - » H i e rokratie).

Transnationale Organisationen, Organisationen, die in mehreren Ländern tätig sind (etwa in Form von Dienstleistungen oder der Produktion von Sachgütern) und die sich nicht allein aus Regierungsvertretern, sondern auch aus nichtstaatlichen Mitgliedern zusammensetzen. Man unterscheidet profitorientierte (transnationale Konzerne) und gemeinnützige T.

Timokratie (griech. time: Wertschätzung, Ehre; kratein: herrschen), Herrschaftstypus, in dem die Bürger j e nach Vermögen an politischen Entscheidungen beteiligt sind und Rechte und Pflichten besitzen.

Der Begriff der T. wird in seiner Verwendung häufig mit dem der -»internationalen O. gleichgesetzt; dabei scheint lediglich die Profitorientierung mancher T. als einzig eindeutiges Unterscheidungsmerkmal zu internationalen Organisationen zu gelten.

Totalitarismus, Herrschaftstypus, der vor allem durch —»Gleichschaltung versucht, die gesamte Gesellschaft zu kontrollieren und fiir seinen Zweck zu mobilisieren. Die Gleichschaltung erfolgt im T. durch eine staatliche —•Einheitspartei, durch streng hierarchische Institutionen, die keiner -»Gewaltenteilung unterliegen, durch Lenkung der Massenmedien, zentrale Regulierung der Wirtschaft, Ideologisierung und Militarisierung aller sozialen (und wirtschaftlichen) Bereiche, wobei manche Gesellschaftsgruppen als subversiv stigmatisiert, isoliert und terrorisiert werden. Der T. ist eine spezifisch moderne Form der Herrschaftsausübung, die sich der technischen Mittel, etwa der Massenkommu214

Treuhandschaft, die zeitlich befristete Verwaltung eines Gebietes durch einen —»Staat mit dem Ziel, diesem Gebiet die Entwicklung zu einem souveränen und unabhängigen Staat zu erleichtern. Die T. ist in der - » U N - C h a r t a für ehemalige -»Kolonien insbesondere der Verlierer des Zweiten Weltkriegs vorgesehen. Mittlerweile haben alle ehemaligen Treuhandgebiete Unabhängigkeit erhalten. Tripartismus (Iat. tripartitus: dreigeteilt), Ausdruck für die Kooperation zwischen Gewerkschaft, Unternehmervertretern und Regierung hinsichtlich der auf einem Konsens beruhenden Formulierung und Implementie-

Trittbrettfahrer rung v.a. ökonomischer Ziele (siehe - » N e o korporatismus). Trittbrettfahrer - » Free Rider Trotzkismus, nach Leo D. Trotzki (18791940) benannte Strömung innerhalb des -»Marxismus, die durch die so genannte Theorie der permanenten Revolution, die den bruchlosen Übergang von der bürgerlichen zur proletarischen Revolution bezeichnet, charakterisiert ist. Im Gegensatz zum zeitgleich vertretenen -»Stalinismus forderte der T. eine weltweite -»Revolution und dabei auch die Unterordnung sowjetischer nationaler Interessen unter internationale Ziele seitdem ist der T. eine negative pauschale Bezeichnung für alle Abweichungen von der offiziellen kommunistischen Parteidoktrin (siehe auch -»Kommunismus). Tyrannei der Mehrheit, Bezeichnung für die befürchteten negativen Auswirkungen demokratischer -»Herrschaft vor allem auf die Rechte von -»Minderheiten. Die dadurch zum Ausdruck kommende Skepsis richtet sich vor allem gegen Elemente der -»direkten Demokratie und betont die Notwendigkeit rechtsstaatlicher Beschränkungen (etwa durch -»Grundrechte) und der Abmilderung demokratischer Machtausübung durch - » R e präsentation (siehe auch -»Rechtsstaat). Tyrannis (griech. tyrannos: König, Herr), Bezeichnung für eine auf eigenen Nutzen ausgerichtete, mit Mitteln der -»Gewalt erworbene und ausgeübte Willkürherrschaft eines einzelnen oder einer Gruppe (ursprunglich stellte T. nach Aristoteles - 384-322 die Entartung der -»Monarchie dar).

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Überbau

u Überbau - » Basis-Überbau Überhangmandat - » Bundestagswahl Ultimatum (lat. ultimus: der Letzte), im völkerrechtlichen Sinne die letzte Erklärung eines -»Staates, in der er an einen anderen Bedingungen stellt mit der Forderung nach einer eindeutigen Beantwortung. Das U. ist in der Regel mit einer Drohung negativer Konsequenzen (im äußersten Fall einer Kriegserklärung) verknüpft, für den Fall, dass der Adressat innerhalb einer festgelegten Frist die Bedingungen nicht beantwortet und erfüllt. Umweltpolitik, im auf den Politikbereich bezogenen Sinn Gesamtheit aller Maßnahmen mit dem Ziel, die natürliche Umwelt insbesondere in ihrer Funktion als Lebensgrundlage des Menschen zu schützen und zu erhalten. Eine genauere Bestimmung des Umfanges der U. hängt davon ab, was unter dem Begriff Umwelt verstanden wird. Unumstritten ist, dass der Schutz natürlicher Ökosysteme als Gegenstand der U. zu begreifen ist; politisch von Interesse und für die Praxis relevant ist darüber hinaus die Frage, ob auch die vom Menschen künstlich geschaffene Umwelt, wie etwa die Infrastruktur im weiten Sinne (einschließlich beispielsweise Wohnungsbau und Stadtentwicklung), dazu zählt. Neben den Schutz der Umwelt vor menschlichen Eingriffen etwa durch Verschmutzung und Flächenverbrauch erstrecken sich die Aufgaben der U. auch auf Maßnahmen, die auf -»Nachhaltigkeit gerichtet sind. In der Bundesrepublik verpflichtet sich der Staat nach Art. 20a GG dazu, „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung" zu schützen. Umweltverträglichkeitsprttfung, in der Bundesrepublik für bestimmte, in der Regel größere Bauvorhaben (wie etwa Straßen, 216

UNESCO Fabriken, Flughäfen, Kanäle) gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren, in dem die Auswirkungen auf die Umwelt analysiert werden. Die U. ist Teil des Genehmigungsverfahrens und findet mit öffentlicher -»Anhörung statt. UN, Abkürzung für engl. United Nations: —»Vereinte Nationen. Unabhängigkeitsbewegung - » Befreiungsbewegungen UN-Charta, -»Satzung der -»Vereinten Nationen von 1945. Sie setzt die Organisationsstruktur der UNO und deren Ziele fest. Zu den Zielen gehören hauptsächlich -»Friedenssicherung, Schutz von -»Menschenrechten, Wahrung und Sicherung des -»Selbstbestimmungsrechts und der Gleichheit der Völker, Förderung der internationalen Zusammenarbeit. UNCTAD, Akronym für engl. United Nations Conference on Trade and Development: Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, seit 1964 existierendes Spezialorgan der -»Vereinten Nationen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der -»Entwicklungsländer und zur Förderung des internationalen Handels. Der U. gehören alle UN-Mitglieder an. Die zunächst von der -»Gruppe der 77 und ihrer Forderung nach einer -»Neuen Weltwirtschaftsordnung dominierte U. hat geringen Einfluss auf die internationale Handelspolitik. UNESCO, Akronym für engl. United Nations Educational, Scientific, and Cultural Organization: Erziehungs-, Wissenschaftsund Kulturorganisation der Vereinten Nationen, Sonderorganisation der -»Vereinten Nationen zur Förderung des wissenschaftlichen internationalen Austausches und vornehmlich zur Bekämpfung des Analphabetismus.

Usurpation

Unfreundlicher Akt Unfreundlicher Akt, völkerrechtlich erlaubte, aber den Adressaten schädigende Handlung eines ->Staates gegenüber einem anderen Staat, wie etwa Zollerhöhung. Die ebenfalls völkerrechtlich erlaubte Antwort des geschädigten Staates auf einen U. wird als -»Retorsion bezeichnet. UNHCR, Abkürzung für engl. United Nations High Commissioner for Refiigees: Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, 1951 eingerichtetes humanitäres Amt der Vereinten Nationen, dessen Hauptaufgabe vornehmlich darin besteht, den -»Flüchtlingen Rechtsschutz zu bieten und die Einhaltung internationaler Abkommen zum Schutz von Flüchtlingen zu überwachen ( - » G e n f e r Flüchtlingskonvention). UNICEF, Akronym für engl. United Nations Children's Emergency Fund: Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Sonderorganisation der -»Vereinten Nationen, deren Hauptaufgaben in der Förderung von Bildung und Familienplanung, in der Katastrophenhilfe und in der weltweiten Hunger- und Krankheitsbekämpfung liegen. UNIDO, Akronym für engl. United Nations Industrial Development Organization: UNOrganisation für industrielle Entwicklung, Sonderorganisation der -»Vereinten Nationen, die die -»Entwicklungsländer in der Industrialisierung durch Beratung und Planung unterstützt - die finanzielle Hilfe durch U. ist gering. Unitarismus, in einem -»Bundesstaat oder -»Staatenbund das Streben danach, den Gesamtstaat gegenüber den Gliedstaaten zu stärken, im Extremfall mit der Konsequenz eines zentralistischen -»Einheitsstaates, weswegen der Begriff des U. beizeiten sy-nonym mit dem des -»Zentralismus verwandt wird (im Gegensatz dazu -»Föderalismus). UNO, Abkürzung für engl. United Nations Organization: —»Vereinte Nationen.

Unregierbarkeit - » Regierbarkeit Unterhaus, in Großbritannien die Zweite Kammer des Parlaments, die weit größere Entscheidungsbefugnisse hat als das - » O b e r haus. So verfügt das U. fast ausschließlich allein über die Gesetzgebungskompetenz und wählt allein die Regierung. Untersuchungsausschuss, in der Bundesrepublik hauptsächlich zur parlamentarischen Kontrolle der -»Exekutive eingerichteter Adhoc-Ausschuss (-»Ausschuss), der die Aufklärung von vermuteten Fehlhandlungen und Verstößen gegen -»Gesetze zur Aufgabe hat. Der U. wird auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des -»Bundestages eingesetzt, wobei der U. sich nach dem Prinzip des -»Proporzes entsprechend der Fraktionsstärke im Bundestags zusammensetzt. Er hat das Recht, Sachverständige und Zeugen zu laden und Amtshilfe von Gerichten und Verwaltungsbehörden zu erbitten. Mit der Berichterstattung der untersuchten Sachverhalte vor dem Bundestag ist die Arbeit des U. beendet. Kritiker weisen darauf hin, dass das Besetzungsprinzip des U. die Kontrollfunktion gegenüber der Regierung stark beeinträchtigt, da das Proporzprinzip dazu führt, dass die Parteien im U. am stärksten vertreten sind, die auch im Bundestag die Mehrheit bilden und damit (aufgrund des -»parlamentarischen Regierungssystems) die -»Parteien darstellen, die die -»Regierung stützen. Unverletzlichkeit der Grenzen - » Integrität, territoriale Urabstimmung - » Streik Usurpation (lat. usurpare: sich aneignen), die Ergreifung der -»Herrschaft, die auf rechtswidrigen Wegen geschieht, wie etwa durch -»Putsch, -»Staatsstreich oder - » B e setzung. Bei -»Revolutionen oder bei Aktionen des Volkes, die die Absetzung einer -»Diktatur und die Errichtung einer --»Demokratie erstreben, wird nicht von U. gesprochen. 217

Utilità rismus Utilitarismus (lat. utilis: nützlich), im Bereich der -»politischen Philosophie theoretische Richtung, die die Gesellschaftsordnung und das gesellschaftliche Handeln allein nach Maßstäben des Nutzens für alle Gesellschaftsmitglieder misst. Hierbei erfolgt die Bewertung jeglichen Handelns immer nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung und ergibt sich nicht aus der Art bzw. Qualität der Handlung selbst. Innerhalb des U. bestehen Differenzen sowohl hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung des Nutzens für einen Menschen als auch darüber, wie der gemeinsame Nutzen aller Mitglieder der -»Gesellschaft berechnet werden soll. Utopie (griech. ou topos: ortlos, kein Ort), fiktives Konstrukt einer -»Gesellschaft, das deren Distanz zur Gegenwart zunächst durch die Situierung weit in der (unbestimmten) Zukunft oder an einem abgelegenen (unbestimmten) Ort kennzeichnet. Intention der U. ist es, bestehende gesellschaftliche oder politische Missstände, die als Resultat eines falschen Gesellschaftssystems begriffen werden, aufzuzeigen und zu kritisieren. Dies geschieht entweder in Form einer positiven U. durch einen detaillierten Gegenentwurf einer idealen Herrschafts- und Gesellschaftsordnung oder in Form einer negativen U., in der Angst einflößende und beunruhigende Züge eines Gesellschaftszustandes ausgemalt werden, der als notwendige Konsequenz der gegenwärtigen Gesellschaftsentwicklung dargestellt wird. Die meisten positiven U.n beinhalten in ihren Entwürfen kommunistische Elemente, sowohl hinsichtlich der Eigentumsordnung als auch der Idee sozialer -»Gleichheit (siehe auch -»Kommunismus).

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Vasallenstaat

Verbundföderalismus

V Vasallenstaat (lat. vasallus: Gefolgsmann), Staat, der de jure zwar -»Souveränität als eigenständiger Staat besitzt, de facto aber oder aufgrund eines bestimmten Vertrages wirtschaftlich und vor allem außenpolitisch von einem anderen Staat vertreten wird und von diesem abhängig ist. Verantwortlichkeit, Grundsatz in demokratischen Systemen, wonach ein Amtsträger gegenüber den Wählern oder ihren Repräsentanten über sein Handeln Rechenschaft ablegen muss und von diesen bei nicht zufriedenstellender Leistung abgesetzt werden kann (-•Ministerverantwortlichkeit). Verantwortungsethik, von Max Weber (1864-1920) geprägte Bezeichnung einer moralischen Haltung, die als Handlungsprinzip nicht allein - wie in der -»Gesinnungsethik - um jeden Preis zu verwirklichende Werte und Grundsätze gelten lässt, sondern hauptsächlich die absehbaren Konsequenzen der Handlung berücksichtigt. Die Webersche Unterscheidung zwischen V. und Gesinnungsethik kann bestenfalls als Versuch gewertet werden, verschiedene Prinzipien auszumachen, die einer Handlung und deren Beurteilung zu Grunde liegen. Als systematische und analytische Unterscheidung zwischen Typen ethischen Handelns jedoch ist sie wenig überzeugend, weil sie hierbei zwei Prinzipien einander gegenüberstellt, die nicht voneinander getrennt werden können: So können Handlungen nur nach ihren Konsequenzen beurteilt werden, wenn Beurteilungskriterien zur Verfügung stehen, die wiederum der Werte bedürfen. Umgekehrt richten sich ethische Prinzipien, so sie handlungsleitend sein können (wie bei der Gesinnungsethik), immer auch auf Konsequenzen. Verbände, im weiteren Sinne jede Verbindung von Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zieles oder Wertes. Im engeren politischen Sinne siehe -»Interessenverband.

Verbändestaat, Ausdruck für ein -»politisches System, in dem -»Interessenverbände bei den politischen Entscheidungen starken Einfluss ausüben. Die Bezeichnung V. wird in der Regel in kritischer Absicht verwendet, um die Vorherrschaft von Partikularinteressen in einem -»Staat, der für die Verwirklichung des Gemeinwohls zuständig ist, zu betonen (siehe auch -»Pluralismus; - » N e o korporatismus). Verbandsklage, Klage, die von • • V e r b ä n den stellvertretend erhoben wird, um Rechte der Mitglieder oder Interessen der Allgemeinheit zu vertreten (siehe auch --»Popularklage). Die Möglichkeit der V. ist beschränkt, da in der Regel nur die direkt von einer Rechtsverletzung Betroffenen Klage erheben können. In der Bundesrepublik besitzen Verbraucherverbände und in manchen Bundesländern Naturschutzverbände das Recht zur V. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, von einzelnen Personen, Staaten oder Organisationen an der Zivilbevölkerung verübte Verbrechen. Dazu zählen insbesondere Mord, Verschleppung, Versklavung, Folter, Vergewaltigung und Ausrottung sowie die Verfolgung aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen. In das Völkerrecht wurden V. als rechtlicher Tatbestand eingefugt zur Aburteilung der Verbrechen des -»Nationalsozialismus. In der Bundesrepublik stehen V. etwa als —»Völkermord, Menschenraub oder Verschleppung unter Strafe. Im internationalen Recht bilden V. einen der Straftatbestände, die der -»Internationale Strafgerichtshof verfolgen soll. Verbundföderalismus, Begriff zur Charakterisierung eines föderalistischen Systems, in dem die Entscheidungsträger des - » B u n d e s und der -»Bundesländer über die meisten politische Fragen nur zusammen, „im Verbund", entscheiden können und in dem viele öffentliche Funktionen gemeinsam wahrge-

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Vereinigungsfreiheit nommen werden (siehe auch mus).

Vereinte Nationen -»Föderalis-

Vereinigungsfreiheit, Recht zur Gründung von und der Teilnahme an Vereinen, -»Parteien und -»Verbänden. In der Bundesrepublik ist die V. grundgesetzlich gewährleistet dort allerdings beschränkt auf die deutschen Staatsangehörigen (Art. 9,1 GG). -»Koalitionsfreiheit ist ein Sonderfall der V. Vereinte Nationen (UN bzw. UNO), 1945 gegründete -»internationale Organisation mit mittlerweile 189 Mitgliedern. Zu den wesentlichen Zielen der V. gehören die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, die Gewährleistung der - » M e n schenrechte ebenso wie die Förderung internationaler Zusammenarbeit auf der Grundlage gleichberechtigter -»Selbstbestimmung der -»Staaten. Dabei gilt das Prinzip der nationalen -»Souveränität und somit dasjenige der -»Nichteinmischung in -»innere Angelegenheiten einerseits, andererseits verpflichten sich alle Mitglieder zum Verzicht auf Anwendung oder Androhung von --»Gewalt in den internationalen Beziehungen (Art. 2 UN-Charta). Zusätzlich verpflichten sie sich, die V. aktiv zu unterstützen, Sanktionsmaßnahmen der V. (im Extremfall militärische Eingriffe) aktiv mitzutragen, sofern alle anderen Versuche zur friedlichen Konfliktbeilegung gescheitert sind (-»Peaceenforcement). Zu den wichtigsten Hauptorganen der V. gehören: -»Sicherheitsrat, -»Generalversammlung, vom -»Generalsekretär geleitetes Sekretariat, - » E C O S O C , -»Internationaler Gerichtshof. Darüber hinaus besteht ein System zahlreicher Nebenorgane und Sonderorganisationen der V. wie z.B. - » F A O , - » U N H C R . - » H o h e r Kommissar für Menschenrechte, -»UNICEF, -»UNESCO, -»ILO, -»UNIDO. Seit ihrer Gründung haben sich die V. immer stärker Hilfen im Bereich wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung zugewandt. Dies drückt sich beispielsweise in der (von den Entwicklungsländern geforderten) Gründung 220

der - » U N I D O mit Ziel der Förderung von Industrialisierung aus. Während in der Anfangsphase die Mehrheit der Mitglieder aus der westlichen Hemisphäre kamen, hat sich mittlerweile das Gewicht auf Länder Asiens und Afrikas verschoben. Dem entspricht allerdings nicht die Stimmengewichtung im Sicherheitsrat, weswegen seit mehreren Jahren eine Diskussion über die Aufnahme neuer ständiger Mitglieder geführt und die Forderung nach einer gerechten Repräsentation gestellt wird. Kritiker weisen außerdem vielfach auf die Unangemessenheit des Vetorechts der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates hin, insofern damit ein großer Teil der Weltbevölkerung durch die (für alle UN-Mitglieder bindenden) Entscheidungen nicht repräsentiert wird. Außerdem wird das Vetorecht, gerade in politisch entscheidenden Fragen (wie etwa im Kalten Krieg), nicht selten von einem Staat als Blockadeinstrument missbraucht. Fraglos stellen die V. - vor allem die Generalversammlung - für viele benachteiligte Länder das einzige weltweite Forum zur Artikulation ihrer Interessen dar. Ebenso fraglos leisten die V. bedeutende Arbeit bei der Fortentwicklung internationaler Normen. Darüber hinaus treten sie in Konfliktsituationen häufig als einziger Vermittler auf, der von allen Seiten akzeptiert wird. Auf der anderen Seite jedoch waren viele friedenserhaltende und -sichernde UNEinsätze erfolglos, dies unter anderem deswegen, weil die von den Staaten zur Verfügung gestellten Mittel bei weitem nicht hinreichen, um die vom Sicherheitsrat erteilten Aufträge zu realisieren (siehe -»Peacekeeping; -»Peace-enforcement). Die Zurückhaltung der einzelnen Staaten hinsichtlich ihres Engagements liegt teilweise darin begründet, dass ihre Bürger den UN-Einsätzen große Skepsis entgegenbringen. Überdies leiden die V. an chronischem Geldmangel, dem die schlechte Zahlungsmoral vieler Mitgliedsländer zugrunde liegt, wobei vor allem die Schulden der großen Mitglieder (wie etwa der Vereinigten Staaten) besonders ins Gewicht fallen. Die zahl-

Verelendung reichen Sonderorganisationen und Aufgabenbereiche führen des Weiteren zur Überforderung der V. einerseits und zur zunehmenden Bürokratisierung andererseits. Verelendung, im engeren marxistischen Sinn die Situation der Arbeiter innerhalb des -»Kapitalismus, die durch Armut auf Grund ihrer Ausbeutung und durch völlige -»Entfremdung gekennzeichnet sei (-»Marxismus). Nach Marx (1818-1883) ist die V. wesentlicher Impetus zur -»Revolution des Proletariats. Verelendungstheorie - » Verelendung Verfassung, Gesamtheit von Rechtsnormen, welche die grundsätzliche Struktur eines -»Staates (seiner -»Organe, deren Kompetenzen und deren Zusammenwirken ebenso wie sein Verhältnis zu den -»Bürgern), seine Grundprinzipien und Aufgaben - meist in schriftlicher Form - regeln. Rechtsstaatliche V.en begrenzen staatliche Machtausübung durch die Garantie von —»Grundrechten sowie durch die Aufteilung der -»Staatsgewalt (-»Gewaltenteilung; siehe auch -»Rechtsstaat). Die V. enthält außerdem mehr oder minder konkrete Vorgaben für die politische Gestaltung der sozialen und wirtschaftlichen Ordnung eines Staates. Ihre -»Legitimität bezieht eine V. aus der tatsächlichen oder angenommenen Zustimmung des Trägers der staatlichen -»Souveränität, in -»Demokratien also des Volkes oder seiner Vertreter. Die Verfassung geht allen anderen Rechtsnormen eines Staates vor. Über ihre Einhaltung wacht in der Regel das oberste Gericht eines Staates (-»Bundesverfassungsgericht; -»Supreme court). Da eine ihrer wesentlichen Funktionen in der Beschränkung der jeweiligen Machthaber besteht, ist die V. vor deren politischem Zugriff besonders geschützt. So bedürfen -»Verfassungsänderungen meist besonderer Mehrheiten oder einer -»Volksabstimmung. In der Bundesrepublik, in der die V. als -»Grundgesetz bezeichnet wird,

Verfassungsbeschwerde verbietet die -»Ewigkeitsklausel eine Änderung der Grundprinzipien des Staates. Verfassunggebende Versammlung - » Nationalversammlung Verfassungsänderung, aufgrund ihrer besonderen Stellung kann (in einem -»Rechtsstaat) die -»Verfassung nur unter bestimmten, klar festgelegten Bedingungen geändert, aufgehoben oder ergänzt werden. Für die Bundesrepublik gilt gemäß Art. 79 GG, dass eine V. „der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des -»Bundestages und zwei Dritteln der Mitglieder des - » B u n desrates" bedarf. Diese Bestimmung gilt allerdings nicht für Art. 1 (Menschenwürde und -»Menschenrechte) und Art. 20 ( - » D e mokratie, -»Rechtsstaat, -»Sozialstaat, -»Gewaltenteilung, -»Widerstandsrecht), die beide in keinem Fall verändert werden dürfen. Ein Ausnahme stellt überdies die Neugliederung des Bundesgebietes dar, die nur per -»Volksentscheid möglich ist. Verfassungsbeschwerde, in der Bundesrepublik Verfahren, in dem jeder einzelne beim -»Bundesverfassungsgericht gegen die Verletzung von ihm durch das -»Grundgesetz garantierten -»Rechten durch die öffentliche Gewalt klagen kann. Zu den einklagbaren Rechten gehören laut Art. 93,1 Ziffer 4a GG: die -»Grundrechte, Art. 20,4 (-»Widerstandsrecht), Art. 33 (gleiche staatsbürgerliche Rechte und Pflichten), Art. 38 (-»Wahlrecht), Art. 101 (Anspruch auf gesetzlichen Richter), Art. 103 (rechtliches Gehör und Verbot rückwirkender Strafgesetze und von Doppelbestrafung), Art. 104 (Rechtsgarantie bei Freiheitsentzug). Außerdem sieht das Grundgesetz Art. 93,1 Ziffer 4b die Möglichkeit der V. von Gemeinden und Gemeindeverbänden vor, wenn sie ihr Recht auf Selbstverwaltung durch ein Gesetz verletzt sehen (sofern das Landesverfassungsgericht nicht angerufen werden kann). V. kann in der Bundesrepublik allerdings erst erhoben werden, wenn alle anderen Rechtswege ausgeschöpft sind. 221

Verfassungsgerichtsbarkeit

Verfassungsgerichtsbarkeit, gerichtliche Institutionen eines -»Staates und deren Tätigkeit, welche die Einhaltung der -»Verfassung überwachen und über verfassungsrechtliche Streitigkeiten zwischen staatlichen - » O r g a n e n untereinander oder mit -»Bürgern entscheiden. Die V. ist ein wesentliches Prinzip rechtsstaatlicher -»Demokratie und gilt als ein entscheidendes Element der -»Gewaltenteilung, insofern sie die Verfassungsmäßigkeit der -»Exekutive und -»Legislative kontrolliert (siehe auch -»Rechtsstaat). In der Bundesrepublik sollen das -»Bundesverfassungsgericht und die Staats- und Verfassungsgerichte der Länder die Einhaltung und den Schutz der Verfassung garantieren. Allerdings beschränkt sich die V. nicht nur auf die korrekte Anwendung bestehenden Verfassungsrechts, sondern entwickelt dieses durch Interpretationen weiter. Dabei ist umstritten, ob sie damit ihren Aufgabenbereich überschreitet, indem sie legislative Kompetenzen übernimmt. Überdies weisen Kritiker darauf hin, dass die Entscheidungen der V. politisch beeinflusst sind und politischen Charakter haben, wodurch die ihr zugewiesene Rolle der unabhängigen Kontrolle aller staatlichen Organe gemindert bzw. gefährdet wird. Verfassungskonflikt, Streitigkeit zwischen mindestens zwei obersten Staatsorganen bezüglich ihrer verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten. In der Bundesrepublik wird ein V. als -»Organstreit vor das -»Bundesverfassungsgericht gebracht. Verfassungsorgan —• Staatsorgan Verfassungspatriotismus, Identifikation des -»Bürgers mit der verfassungsmäßigen Ordnung eines -»Staates. Der Begriff ist im Gegensatz zum -»Patriotismus ausschließlich positiv besetzt und dient in pluralistischen -»Rechtsstaaten zur Ersetzung des irrationalen Patriotismus durch eine rational motivierte Befürwortung der demokratischen Prinzi222

Verhältniswahlrecht pien, deren Akzeptanz ein Zusammenleben verschiedener Gruppen mit unterschiedlichen Anschauungen und Werten ermöglichen soll. Verfassungsschutz, Gesamtheit aller staatlichen Maßnahmen zum Schutz der - » V e r f a s sung vor ihrer Verletzung oder Aufhebung. In der Bundesrepublik sieht das Grundgesetz die Möglichkeit des repressiven bzw. präventiven und konstruktiven V. vor. Unter der repressiven (bzw. präventiven) Form versteht man das Verbot von Vereinigungen und -»Parteien mit verfassungsfeindlichen Zielen (Art. 9,2 u. 21,2 GG) und die -»Verwirkung von -»Grundrechten, wenn sie „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" missbraucht werden (Art. 18 GG) (siehe -»freiheitlich-demokratische Grundordnung). Konstruktiver V. bedeutet, dass Veränderungen der Verfassung besondere Bedingungen erfüllen müssen (-»Verfassungsänderung) und bezüglich bestimmter Bereiche verboten sind (-»Ewigkeitsklausel). Verfassungsstaat, -»Staat, dessen Tätigkeit durch die Regeln einer -»Verfassung gebunden und beschränkt ist. Zu diesen Bindungen zählen unter anderem die Überprüfbarkeit staatlichen Handelns durch -»Gerichte, die Garantie von -»Grundrechten und die - » G e waltenteilung (siehe auch -»Rechtsstaat; -»Konstitutionalismus). Vergesellschaftung - » Sozialisierung Verhältnismäßigkeit - » Rechtsstaat Verhältniswahlrecht, Grundtyp von Wahlverfahren zur Besetzung einer Versammlung (z.B. eines -»Parlamentes), bei dem die Wähler nicht für einzelne -»Kandidaten, sondern für -»Parteien oder deren -»Listen (-»Listenwahl) votieren. Das zu besetzende Gremium setzt sich entsprechend dem Verhältnis der Stimmen zusammen, welche die Parteien oder Listen insgesamt bekommen haben. Um aus ihrer Stimmenzahl die Zahl der -»Mandate einer Partei zu bestimmen, bedarf es eines Berechnungsverfahrens (zum

Vermittlungsausschuss Beispiel - » D ' H o n d t ' s c h e s Höchstzahlverfahren und —>Hare/Niemeyer-Verfahren). Beim V. tritt eine Partei oder Liste in der Regel für das gesamte Wahlgebiet zur Wahl an. Allerdings kann - wie in der Bundesrepublik - das Wahlgebiet auch in mehrere Zonen unterteilt werden, für die es jeweils getrennte Listen (-»Landesliste) gibt. Wie beim -»Mehrheitswahlrecht tritt das V. häufig in modifizierter Form auf. Zu den wichtigsten Modifikationen zählen unter anderem: die Kombination mit dem Mehrheitswahlrecht (wie etwa das personalisierte V. siehe -»Bundestagswahl - , bei dem wie beim Mehrheitswahlrecht Wahlkreiskandidaten gewählt werden) und die Einführung einer —•Sperrklausel. Das V. basiert auf der Idee einer direkt proportionalen Abbildung des Wählerwillens in der Zusammensetzung des Repräsentationsgremiums, so dass ebenso die Vertretung von Minderheiten ermöglicht wird. Dadurch soll das Gremium als Spiegelung der Gesellschaft die Vielfalt ihrer Interessen darstellen und vertreten. Dies erleichtert auch den Zutritt kleinerer und neuer Parteien zum gewählten Gremium (was bei der Mehrheitswahl nahezu ausgeschlossen ist). Andererseits kann dies aber zur Zersplitterung jenes Gremiums fuhren und dessen Entscheidungsfähigkeit, in Parlamenten insbesondere die Regierungsbildung, gefährden. Die -»Sperrklausel soll dieser Konsequenz entgegenwirken.

Verschwörungstheorien mungs- und desrat, bei (mindestens neten) und werden.

-»Einspruchsgesetzen vom Bunersteren auch vom Bundestag fünf Prozent seiner -»Abgeordder Bundesregierung angerufen

Verordnung, 1. Rechtsnorm, die von der -»Exekutive erlassen wird. In der Bundesrepublik bedarf dies eines -»Gesetzes, das eine nach „Inhalt, Zweck und Ausmaß" bestimmte Ermächtigung enthält (Art. 80 GG). Diese in -»Rechtsstaaten übliche Regelung soll den Missbrauch von V.en durch die -»Regierung zur Umgehung der Legislativorgane verhindern. 2. Interne Richtlinien zur Organisation und detaillierten Regelung der Tätigkeit einer -»Behörde (Verwaltungsverordnung); 3. -»EG-Verordnung. Versammlungsdemokratie, Form der -»direkten Demokratie, bei der politische Entscheidungen in einer Versammlung aller Bürger getroffen werden. Versammlungsfreiheit, in der Bundesrepublik durch das Grundgesetz den Staatsbürgern garantiertes -»Grundrecht, „sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln" (Art. 8,1). Wenn die Versammlung unter freiem Himmel stattfindet (-»Demonstration), bedarf sie der Anmeldung und Genehmigung.

Vermittlungsausschuss, in der Bundesrepublik gemeinsam von Mitgliedern des - » B u n destags und -»Bundesrats gebildeter -»Ausschuss, der bei Streitigkeiten hinsichtlich des Erlasses eines Bundesgesetzes eine Kompromisslösung herbeiführen soll. Der V. tritt insbesondere bei -»Zustimmungsgesetzen in Aktion (siehe auch -»Gesetzgebungsverfahren).

Versammlungsregierung, Bezeichnung für eine Kompetenzverteilung zwischen —»Parlament und -»Regierung, wobei letztere eine schwache Position innehat und ausschließlich darauf reduziert ist, die Beschlüsse des Parlaments durchzuführen.

Der Bundestag wählt die Hälfte der Mitglieder des V. für eine -»Legislaturperiode, während die andere Hälfte sich aus Vertretern der Landesregierungen zusammensetzt letztere sind in ihrer Vermittlungsarbeit nicht weisungsgebunden. Der V. kann bei Zustim-

Verschwörungstheorien, Erklärungen für alle Arten von Missständen, deren Ursachen - anscheinend oder scheinbar - nicht direkt einsehbar und komplex sind und daher den Absichten von Personen oder Organisationen zugeschrieben werden, die unerkannt im

Verschuldungskrise - » Schuldenkrise

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Versorgungsprinzip Hinter- oder Untergrund agieren. V. werden allerdings auch zur Hilfe genommen, wenn die üblichen Erklärungsmuster nicht den eigenen Interessen entsprechen. Häufig dienen V. dazu, fiir Notlagen einen SUndenbock zu suchen. Dabei wird häufig auf bereits existierende Feindbilder zurückgegriffen, wie zum Beispiel im -»Antisemitismus auf das Judentum. Da einen wesentlichen Bestandteil der V. immer die Annahme bildet, dass das Handeln der für die Missstände verantwortlichen Akteure für die Gesellschaft nicht erkennbar ist, sind die V. durch den Verweis auf evidente Sachverhalte nicht widerlegbar. Versorgungsprinzip, Richtlinie, die verlangt, dass alle - » B ü r g e r eines Staates ein Minimum an sozialen staatlichen Leistungen erhalten, auch wenn sie keine Gegenleistung erbringen (siehe auch ->Sozialstaat). Verstaatlichung stellt einen Typus der -»Sozialisierung dar, insofern sie die Überführung privaten -»Eigentums in Staatsbesitz bedeutet. Verteidigungsfall - » Notstandsverfassung Verteidigungsministerium, zu den fünf klassischen -»Ministerien gehöriges Ministerium, zu dessen Aufgabenbereich als Teil der -»Verteidigungspolitik die Militärpolitik und die Streitkräfte gehören. In der Bundesrepublik hat der Bundesminister der Verteidigung in Friedenszeiten die „Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte" (Art. 65a, 1 GG). Verteidigungspolitik, im engeren Sinne Gesamtheit aller militärischen Maßnahmen eines -»Staates im Bereich der -»Sicherheitspolitik; beizeiten wird V. mit Sicherheitspolitik vollständig gleichgesetzt. Vertragstheorien, Typus sozialphilosophischer Theorien, die gesellschaftliche Beziehungen und insbesondere Herrschaftsverhältnisse mittels des Modells eines so genannten 224

Vertragstheorien Gesellschaftsvertrags zu erklären und zu rechtfertigen versuchen. Ausgangspunkt aller dieser im 17. Jahrhundert entstandenen Erklärungsmuster bildet das Individuum und seine Bedürfnisse. Um diese zu sichern und zu schützen, so argumentieren die Vertragstheoretiker, schließen die Menschen einen Vertrag ab, der wechselseitige Rechte und Verpflichtungen enthält. Ziel der V. ist es hierbei, den abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag (Sozialvertrag) als rational beste Lösung für alle Individuen darzustellen denn nur dann gilt der daraus folgende Gesellschaftszustand als legitimiert. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dieser Vertragsschluss ebenso wie seine Bedingungen für gewöhnlich nicht als faktisches Ereignis in der Geschichte betrachtet, sondern als rein hypothetisches Gedankenkonstrukt zur Argumentation verwendet wird. Die klassischen V. gehen von der Schilderung eines anarchischen -»Naturzustandes aus, der durch keine staatliche Ordnung strukturiert ist und in dem jedes Individuum (das bei einigen Theoretikern als mit angeborenen Rechten ausgestattetes Individuum betrachtet wird) frei ist und seine Interessen mit allen Mitteln verfolgen kann. Dies führt zu einem Stadium, in dem die Verfolgung der Interessen Probleme für einzelne Individuen mit sich bringt, wie z.B. die Bedrohung durch andere, Unsicherheit von erworbenem Besitz und die ungleiche Verteilung und dadurch Knappheit von Gütern. Da die V. auf der Annahme basieren, dass das höchste Ziel des einzelnen die Erhaltung seines Lebens ist, folgern sie, dass die Individuen diesem Stadium zu entrinnen versuchen. Dies erfolgt über den Gesellschaftsvertrag, in dem alle darin übereinkommen, den vorstaatlichen Zustand aufzugeben, auf einen Teil ihrer Freiheit zu verzichten und sich einer staatlichen Ordnung zu unterwerfen. Der genaue Inhalt der Rechte und Pflichten des Vertrages hängt davon ab, wie die einzelnen Vertragstheoretiker den zu überwindenden Naturzustand konzipieren. Nur wenn jeder dem Vertrag zustimmt, kann gesichert werden, dass die durch diesen ver-

Vertrauensbildende Maßnahmen einbarte Ordnung legitim ist und sich jeder ihrer Gewalt beugen muss. Lediglich ein Punkt erlaubt es den durch den Vertrag in einen staatlichen Zustand getretenen Individuen, Widerstand zu üben und den Vertag zu kündigen: wenn der Zweck der Überwindung des Naturzustandes und des Vertragsschlusses (wie etwa die Erhaltung des eigenen Lebens) durch die staatliche Herrschaft vereitelt wird. Zu den klassischen und bekanntesten Vertragstheoretikern gehören Thomas Hobbes (1588-1679), John Locke (1632-1704) und Jean-Jacques Rousseau (1712-1778). Die modernen Vertragstheoretiker der Gegenwart, zu denen etwa John Rawls (geb. 1921) und Robert Nozick (geb. 1938) zählen, folgen dem vertragstheoretischen Modell nicht in aller Strenge, sondern bedienen sich der Argumente in abgewandelter Form, wobei sie jedoch die wesentlichen Aspekte der Rationalität und Gleichheit der Individuen ebenso wie der Übereinkunft aller in der Zuweisung von Rechten und Pflichten beibehalten. Außerdem basiert ihre Argumentation auf der Konstruktion eines hypothetischen Anfangszustandes. Vertrauensbildende Maßnahmen, staatliche Maßnahmen mit dem Ziel, die Gefahr bewaffneter Konflikte zu mindern, indem man die Sicherheits-, Militär- und Rüstungspolitik einsehbar und kalkulierbar macht, zum Beispiel durch Ankündigung von Manövern und die Möglichkeit ihrer Beobachtung. Vertrauensfrage, im -»parlamentarischen Regierungssystem die Aufforderung der -»Regierung beziehungsweise des -»Regierungschefs an das -»Parlament, der Regierung seine Unterstützung zuzusichern. Findet sich keine parlamentarische Mehrheit, die der Regierung das Vertrauen ausspricht, können in der Regel das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt werden. Dies ist auch in der Bundesrepublik der Fall, in der allerdings ausschließlich der —»Bundeskanzler die V. stellen und bei negativem Ergebnis den

Verwaltungsgerichtsbarkeit -»Bundespräsidenten darum bitten kann, den -»Bundestag aufzulösen (Art. 68 GG). Die V. wird als Instrument zur Versicherung und Erlangung einer Mehrheit beispielsweise bei Gesetzesvorhaben benutzt, was umso wirksamer ist, wenn mit der V. die mögliche Auflösung des Parlaments verbunden ist (siehe auch -»Auflösung des Bundestages). Vertriebene, in der Bundesrepublik laut Bundesvertriebenengesetz die Angehörigen des deutschen Staates oder Volkes, die in den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches vom 31. Dezember 1937 wohnten und diesen Wohnsitz auf Grund von Vertreibung bzw. Flucht im Kontext des Zweiten Weltkrieges aufgeben mussten oder die diese Gebiete nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aufgrund von drohender Verfolgung verlassen mussten. -»Aussiedler gelten ebenfalls als V. Verwaltung, im politischen Bereich diejenigen -»Behörden und Institutionen, die die öffentlichen Aufgaben ausführen. Die V. setzt die in den -»Gesetzen geregelten politischen Vorgaben um, wobei sie sich innerhalb eines Spielraumes bewegt, der ihr erlaubt, die Realisierung von Vorgaben j e nach Fall zu differenzieren und zu modifizieren. In der Bundesrepublik ist die V. prinzipiell Aufgabe der Länder. Verwaltungsgerichtsbarkeit, Zweig der Rechtsprechung, der filr Streitigkeiten im Bereich der öffentlichen -»Verwaltung zuständig ist. In der Bundesrepublik kann sich jeder an die V. wenden, wenn er sich in seinem Recht durch staatliches Handeln verletzt fühlt. Das V. behandelt grundsätzlich alle öffentlich-rechtlichen Kontroversen, außer es sind spezielle Gerichte für besondere Angelegenheiten vorgesehen, wie etwa die Sozialgerichtsbarkeit. Die V. ist in drei Stufen aufgebaut: Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgerichte und Bundesverwaltungsgericht.

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Verwirkung von Grundrechten

Völkerrecht

Verwirkung von Grundrechten, laut Art. 18 GG verliert jeder die Garantie bestimmter -»Grundrechte, wenn er diese „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht". Zu diesen Grundrechten gehören -»Pressefreiheit, -»Meinungsfreiheit, -»Versammlungsfreiheit, -»Vereinigungsfreiheit, das Eigentumsrecht, Brief-, -»Post- und Fernmeldegeheimnis, -»Asylrecht und -»Lehrfreiheit. Die V. muss vom —»Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden. Veto (lat. veto: ich verbiete), die Verhinderung einer Mehrheitsentscheidung durch einen Einspruch. Man unterscheidet ein absolutes V., das einen Beschluss endgültig verhindert, von einem suspensiven V., das lediglich aufschiebende Wirkung hat und beispielsweise weitere Beratungen erforderlich macht. Ein absolutes V. besitzen etwa die ständigen Mitglieder im -»Sicherheitsrat der -»Vereinten Nationen und in der Bundesrepublik der -»Bundesrat bezüglich -»Zustimmungsgesetzen. Bei -»Einspruchsgesetzen verfügt letzterer über ein suspensives V. Vielparteiensystem, häufig gleichbedeutend mit -»Mehrparteiensystem. Bisweilen jedoch in Abgrenzung zum Mehrparteiensystem als ein -»Parteiensystem verstanden, das sich aus vielen, mindestens sechs kleineren und größeren -»Parteien, die in der Regel weitgehend unabhängig voneinander in Konkurrenz treten, zusammensetzt. Vielvölkerstaat, Staat, meist -»Bundesstaat, dessen Bevölkerung sich (in Abgrenzung zum -»Nationalstaat) aus mehreren, meist gleichberechtigten Nationalitäten zusammensetzt. Vierte Welt, Sammelbegriff -»LLDC-Länder.

für

alle

Visegrad-Staaten, 1991 erfolgter Zusammenschluss zwischen Polen, der Slowakischen Republik, der Tschechischen Republik und Ungarn zur Kooperation vor allem hin226

sichtlich ihres Bestrebens um Aufnahme in der -»EG/EU und der - » N A T O . Vizekanzler, Stellvertreter des -»Bundeskanzlers, der in der Bundesrepublik von diesem ernannt wird. Der V. ist dem - » B u n destag gegenüber nicht verantwortlich, sondern nur der Bundeskanzler. VKSE, Abkürzung für Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa, die die Verhandlungen zur - » M B F R 1989 weiterführten und 1990 im Abschluss des - » K S E Vertrags endeten. Volk, 1. im weiten Sinne eine durch Kriterien der gemeinsamen Kultur, Sprache, Herkunft und/oder Geschichte identifizierte Gesamtheit von Individuen, die nicht notwendig in einem -»Staat organisiert sein müssen, um als V. bezeichnet zu werden. 2. Staatsrechtlich bezieht sich der Begriff auf alle Angehörigen eines Staates (-»Staatsangehörigkeit), die in einer -»Demokratie über —»Souveränität verfugen und vor denen sich die Staatsgewalt rechtfertigen muss (Staatsvolk). Völkermord, vollkommene oder partielle Auslöschung einer ethnischen, religiösen oder nationalen Gruppe. Gemäß der 1951 in Kraft getretenen Konvention über die Verhütung und Bestrafung des V. gilt als V. neben der Tötung auch die Erschwerung der Lebensbedingungen, die die Vernichtung zum Ziel hat, Verhinderung von Fortpflanzung, Verschleppung von Kindern und deren Eingliederung in andere Gruppen mit dem Ziel der Vernichtung der betreffenden Gruppe. Die Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten dazu, V. auf ihrem Territorium zu ahnden. Die Verfolgung von V. gehört zu den Aufgaben des -»internationalen Strafgerichtshofes. Völkerrecht, im engeren Sinne alle Rechtsnormen, die das Verhältnis zwischen -»Staaten und/oder anderen -»Völkerrechtssubjekten regeln. Das V. hat zumeist die Form von

Völkerrechtssubjekt

Volksbegehren

zwischen Staaten abgeschlossenen internationalen Verträgen, umfasst aber als Völkergewohnheitsrecht auch durch allgemeine Praxis gebildete, anerkannte Grundsätze. Man unterscheidet dabei zwischen partikularem V., das nur für die Unterzeichnerstaaten eines entsprechenden Vertrages gilt, allgemeinem V., das für die meisten Staaten verbindlich ist, und universalem V., welches alle Staaten bindet. Das klassische V. zur Regelung von kriegerischen Auseinandersetzungen und des diplomatischen Verkehrs wurde erweitert um Verträge zu -»Menschenrechten, Arbeitsbedingungen, internationalen Wirtschaftsbeziehungen und Umwelt. Während nach klassischer Auffassung das V. nur für Staaten und -»internationale Organisationen unmittelbar gilt, werden zunehmend auch Einzelpersonen als V.ssubjekte betrachtet, wie zum Beispiel die Beschwerdebefugnis des einzelnen beim -»Europäischen Gerichtshof zum Schutz der Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen seiner Rechte gemäß der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zeigt. Da zur allgemeinen Durchsetzung des V. keine Instanzen existieren, stehen die Staaten selbst in der Pflicht, dieses zu realisieren. Dabei treten zunehmend internationale Organisationen - zu deren Gründung es, sofern sie staatliche Organisationen sind, völkerrechtlicher Verträge bedarf - in den Vordergrund, die den Einzelstaaten bei der Durchführung zur Seite stehen bzw. eine Kontrollfunktion ausüben. Die Weiterentwicklung und Kodifizierung ebenso wie auch die Überwachung der Einhaltung des V. obliegt unter anderem den -»Vereinten Nationen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik erklärt „die allgemeinen Regeln des Völkerrechts" zu Bundesrecht, das allen -»Gesetzen vorgeht und die Bürger unmittelbar verpflichtet und berechtigt (Art. 25 GG).

Völkerrechtssubjekt, recht unmittelbar, d.h. staatliche Gesetze, mit versehene juristische

durch das -»Völkernicht vermittelt durch Rechten und Pflichten Person. Dabei unter-

scheidet man hinsichtlich des Umfanges der Rechte und Pflichten zwischen unbeschränkten (etwa -»Staaten) und beschränkten (wie etwa -»internationale Organisationen) V.en. Als V. gelten überdies etwa Staatenverbindungen, internationale Organisationen und deren Einrichtungen. Zunehmend werden auch Einzelpersonen als V.e anerkannt, wie zum Beispiel die Beschwerdebefugnis des einzelnen beim -»Europäischen Gerichtshof zum Schutz der Menschenrechte gegen staatliche Verletzungen seiner Rechte gemäß der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten zeigt. Volksabstimmung, Sammelbezeichnung für die Befragung der Bevölkerung hinsichtlich politisch zu entscheidender Themen (siehe -»Volksbegehren; -»Volksentscheid; - » R e ferendum; -»Plebiszit). Die V. ist Element der -»direkten Demokratie, insofern die stimmberechtigten Bürger sich zu sachpolitischen (Gesetzes-)Vorhaben unmittelbar äußern und teilweise darüber - ohne die Vermittlung durch einen Vertreter - entscheiden können. Für eine V. spricht, dass die Bevölkerung in den Prozess der politischen Gestaltung eingebunden wird und die Entscheidung bei wichtigen Themen nicht ihren Vertretern überlassen muss. Auf der anderen Seite wird eingewendet, dass die Bevölkerung nicht über komplexe Sachverhalte abstimmen kann, da sie nicht über die notwendigen Sachkenntnisse verfügt. Daher bestünde bei V.en die Gefahr der Vereinfachung, mit der populistische Kampagnen einhergingen. Volksbegehren, die Forderung eines Teiles der Bevölkerung nach einer Gesetzesänderung, einem Gesetzentwurf oder auch einem Vorhaben. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten des V.: Das direkte V. ist die Vorstufe zum -»Volksentscheid, der über den Erlass bzw. die Änderung eines -»Gesetzes oder eines Vorhabens bestimmt. Damit das V. zum Volksentscheid fuhrt, bedarf es einer in Gesetzen festgelegten Mindestanzahl von Unterschriften der Stimmberechtigten, wobei dieses 227

Volksdeutsche - » Q u o r u m meist bei zehn Prozent liegt. (In der Bundesrepublik differieren die Quoren j e nach Bundesland.) Das indirekte V. dagegen schlägt dem -»Parlament ein Gesetz vor, über das letztlich die -»Legislative entscheidet. Es hat keinen bindenden, sondern lediglich empfehlenden Charakter. Volksdeutsche, die Personen mit deutscher Nationalität, die nicht innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches vom 31. Dezember 1937 und nicht in Österreich leben. Wenn sie (ebenso wie ihre Nachkommen und Ehepartner) als -»Flüchtlinge oder -»Vertriebene in dem Gebiet des Deutschen Reiches vom 31.12.1937 aufgenommen wurden, besitzen sie deutsche Staatsangehörigkeit (Art. 116,1 GG). Volksentscheid, in einer Abstimmung die verbindliche Entscheidung der stimmberechtigten Bürger über Gesetzes- oder andere politische Vorhaben. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen fakultativem und obligatorischem V. Ersterer findet nur statt, wenn er von (einem Teil) der -»Legislative, -»Exekutive oder in einem -»Volksbegehren gefordert wird, während der obligatorische V. für bestimmte Vorhaben gesetzlich vorgeschrieben ist. So verlangt in der Bundesrepublik etwa Art. 29 GG bei Neugliederung des Bundesgebietes einen V. Volksinitiative - » Volksbegehren Volkspartei, Partei mit einer großen und breiten Wählerschaft aus verschiedenen sozialen Gruppen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und weltanschaulichen Positionen. Damit verbunden ist ein wenig detailliertes, allgemein gehaltenes und auf Integration möglichst vieler Wähler ausgerichtetes Parteiprogramm. Das -»Mehrheitswahlrecht begünstigt die Entstehung von V.en. Vom Typus der V. werden die -»Massenintegrationspartei, die -»Interessenpartei und die —»Klassenpartei unterschieden.

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Volkswille Volkssouveränität (frz. souveraineté: Oberhoheit), Prinzip, wonach die höchste -»Staatsgewalt vom - » V o l k ausgeht bzw. das Volk ist - j e nachdem, ob dieser Grundsatz der V. die Basis einer -»repräsentativen oder -»direkten Demokratie bildet. Grundsätzlich geht der Gedanke der V. von der -»Gleichheit und -»Freiheit aller Individuen aus, auf Grund derer sie über politische Angelegenheiten selbst entscheiden, ohne sich dabei einer von ihnen unabhängigen - » M a c h t zu unterwerfen. In der -»politischen Theorie ist strittig, ob die V. - deren bedeutendster Theoretiker Jean-Jacques Rousseau ( 1712-1778) war und die der Herrschaft eines absoluten -»Monarchen entgegengesetzt wurde (siehe auch -»Absolutismus) - geteilt werden kann, das heißt, ob Mehrheitsentscheidungen, denen sich die -»Minderheit zu unterwerfen hat, als Ausdruck der V. gelten oder allein Konsensentscheidungen der V. entsprechen. In der Bundesrepublik geht laut Art. 20,2 GG alle -»Staatsgewalt vom Volke aus. „Sie wird vom Volke in -»Wahlen und Abstimmungen und durch besondere -»Organe der - » G e setzgebung, der vollziehenden Gewalt und der -»Rechtsprechung ausgeübt." Volksvertretung, Synonym fur -»Parlament. Volkswille, politische Entscheidungen und Einstellungen eines -»Volkes, wie sie in direkten -»Wahlen und Abstimmungen der Bürger zum Ausdruck kommen (-»Volksbegehren, -»Volksentscheid) oder wie sie von ihren Vertretern in ihrem Wirken und Handeln zu Grunde gelegt werden. Das heißt, der V. kann empirisch festgestellt oder hypothetisch angenommen werden. In einer -»direkten Demokratie wird davon ausgegangen, dass ein Volkswille sich unmittelbar ausdrücken muss und nicht vertreten werden kann, während in einer -»repräsentativen Demokratie die gewählten Vertreter des Volkes in ihren politischen Entscheidungen sich an die gemutmaßten Erwartungen ihrer Wähler halten (sollten).

Vollbeschäftigung Vollbeschäftigung, Zustand des Arbeitsmarktes, in dem nahezu alle Arbeitsuchenden eine Stelle finden beziehungsweise alle Arbeitswilligen eine Beschäftigung haben. Bei einer Arbeitslosenquote von ein bis höchstens drei Prozent gilt V. als erreicht. Sie ist in der Bundesrepublik eines der das -»magische Viereck bildenden Hauptziele staatlicher -»Wirtschaftspolitik (siehe auch -»Arbeitslosigkeit; -»Arbeitsmarktpolitik). Vollziehende Gewalt, Synonym für -»Exekutive.

VSBM-Verhandlungen Votum (lat. votum: Versprechen), im politischen Sinn die einzelne Stimme bei einer Abstimmung oder der Beschluss eines abstimmenden Gremiums. VSBM-Verhandlungen, Abkürzung für Vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen, 1984 begonnene Verhandlungen der Mitgliedsstaaten der KSZE (-»OSZE), die 1986 zu einem Abkommen führten, in dem Inspektionen sowie die Ankündigung und Beobachtung von Manövern geregelt sind.

Volonté de tous (frz. für Wille aller), vom französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) geprägter Begriff zur Bezeichnung der Summe der Interessen der einzelnen Bürger. Diese Interessen sind egoistisch motiviert und orientieren sich nicht, wie der - » G e meinwille, am Wohl der -»Gemeinschaft, nicht zuletzt deswegen, weil der einzelne sich nicht mit der Gemeinschaft identifiziert. Volonté générale (frz. für allgemeiner Wille) - » Gemeinwille Vorbehalt, im -»Völkerrecht die Erklärung eines -»Staates, spezielle Bestimmungen eines Vertrages nicht oder nur in geänderter Form als verbindlich anzusehen. Vorbehalt des Gesetzes - » Gesetzesvorbehalt Vorrang des Gesetzes, aus dem Prinzip des —»Rechtsstaates abgeleiteter Grundsatz, wonach alle staatlichen Handlungen und Entscheidungen an -»Gesetze gebunden sind. Vorsorgeprinzip, Grundsatz der -»Politik, dem gemäß die Prävention von Notfällen sowohl im sozialen, als auch im wirtschaftlichen und ökologischen Bereich im Vordergrund steht. Vorwahlen - » primaries

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Waffenruhe

w Waffenruhe, in Abgrenzung zum Waffenstillstand eine kurzfristige, häufig örtlich begrenzte Einstellung der Kampfhandlungen, die einem konkreten Zweck, wie etwa der Bergung von Verwundeten, dient. Waffenstillstand, meist für einen bestimmten Zeitraum von den kriegführenden Parteien vertraglich vereinbarte Einstellung, aber nicht Beendigung der militärischen Feindseligkeiten. Wahl, Verfahren zur Besetzung eines oder mehrerer -»Ämter, insbesondere von politischen Machtpositionen, wobei die Mitglieder einer Gruppe oder eines politischen Gemeinwesens jeweils ihre Präferenzen hinsichtlich der zu wählenden Personen in einem geordneten Verfahren zum Ausdruck bringen. Auf diese Weise unterscheidet sich die W. von anderen Verfahren der Bestellung von Amtsträgem, etwa durch Los, aufgrund von Geburt oder Alter. Über den Sieger der Wahl entscheidet in der Regel das -»Mehrheitsprinzip. Im demokratischen Systemen (-»Demokratie) gilt die Wahl als wichtiges Prinzip der -•Volkssouveränität, insofern die Bürger über die Leitung ihres Staates bestimmen. Dabei muss die Wahl frei sein (d.h. der Wähler darf nicht zu einer bestimmten Wahl gezwungen werden und er muss zwischen verschiedenen Alternativen entscheiden können), allgemein (d.h. grundsätzlich haben alle Bürger das Recht, zu wählen und gewählt zu werden), gleich (d.h. jeder Wähler hat gleich viele Stimmen mit dem gleichen Gewicht) und kompetitiv (d.h. es stehen mehrere konkurrierende Kandidaten mit gleichen Chancen zur Wahl). Überdies gilt die W. nur für einen bestimmten Zeitraum (-»Wahlperiode). In der Regel ist die W. geheim und direkt (d.h. die W. richtet sich unmittelbar auf den zu wählenden Kandidaten und nicht auf einen -»Wahlmann). In der Bundesrepublik werden die Abgeordneten des Deutschen -»Bundestages in „all230

Wahlgang gemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt" (Art. 38,1 GG). Wählbarkeit - » passives Wahlrecht Wahlbezirk - » Wahlkreis Wahlbündnis, Zusammenschluss mehrerer -»Parteien zur wechselseitigen Hilfe für ihre -»Kandidaten bei einer Wahl. Dies geht beispielsweise dadurch vonstatten, dass in einem -»Wahlkreis nur ein Kandidat von jeweils einer Partei des W. antritt und dieser von der anderen Partei Unterstützung, etwa durch Wahlaufrufe, erfährt. Wählerbewegung, die Veränderung des Wählerverhaltens von einer - » W a h l zur nächsten. Die W. besteht in einem Differieren hinsichtlich der Wahlbeteiligung, in der Zusammensetzung der Wählerschaft und der Parteipräferenzen. Wählerpartei, -»Partei, die den Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Gewinnung von Wählern und nicht in der von Mitgliedern sieht (in Abgrenzung dazu siehe -»Mitgliederpartei). Eine Form der W. ist die - » H o n o ratiorenpartei. Wählervereinigung, lockerer Zusammenschluss von Bürgern vor einer Wahl mit dem Ziel, parteiunabhängige -»Kandidaten zu nominieren und zu unterstützen. Im Gegensatz zu -»Parteien ist eine W. nicht auf Dauer angelegt, verfügt über keine feste Organisation, ist sachlich und regional beschränkt. Häufig wird die W. mit der -»freien Wählergemeinschaft gleichgesetzt. Wählerwanderungsbilanz, Darstellung der - » Wählerbewegung. Wahlfreiheit - » Wahlgrundsätze Wahlgang, Abgabe der Stimmen und deren Auszählung in einer Wahl. Ein zweiter W. erfolgt beispielsweise, wenn die erforderliche Mehrheit von keinem -»Kandidaten erreicht

Wahlgebiet wurde (somit etwa eine -»Stichwahl erforderlich ist). In der Bundesrepublik erfolgt die Wahl des -»Bundeskanzlers und des - » B u n despräsidenten in höchstens drei W.en, bei den ersten beiden bedarf es der absoluten, beim dritten der relativen Mehrheit (siehe -»Mehrheitsprinzip). Wahlgebiet, der geographische Bereich, in dem eine Wahl abgehalten wird. Das W. wird in manchen -»Wahlsystemen in -»Wahlkreise eingeteilt. Wahlgeheimnis - » Wahlgrundsätze Wahlgrundsätze, diejenigen Prinzipien, die einer - » W a h l zu Grunde liegen und zu denen in einer -»Demokratie folgende Bestimmungen gehören; Allgemeinheit (keinem Bürger darf das -»aktive und —»passive Wahlrecht, das er bei Erfüllung bestimmter Bedingungen hat, abgesprochen werden), Gleichheit (jeder Bürger hat gleich viele Stimmen mit der gleichen Gewichtung), Wahlfreiheit (auf keinen Bürger darf zur Beeinflussung seiner Wahlentscheidung Druck ausgeübt werden und er muss zwischen mehreren Alternativen wählen können) und Wahlgeheimnis (die Wahlentscheidung des Wählers bleibt geheim). Zusätzlich gilt in vielen Demokratien der Grundsatz der Unmittelbarkeit (der Wähler bestimmt direkt seinen Kandidaten, ohne einen Mittelsmann, d.h. einen -»Wahlmann zu wählen). Wahlkampfkostenerstattung - » Parteienfinanzierung Wahlkreis (Stimmbezirk), Teil eines -»Wahlgebietes, in dem die dort ansässigen -»Bürger einen oder mehrere dort aufgestellte -»Kandidaten wählen. Je nach der Zahl der in einem W. zu wählenden Personen unterscheidet man Einerw.e und Mehrpersonenw.e. Während bei einem -»Mehrheitswahlrecht immer die Einteilung von W.en notwendig ist, kann diese bei einem -»Verhältniswahlrecht unterlassen werden. Grundsätzlich

Wahlpflicht besteht bei der W.einteilung die Möglichkeit der Manipulation (siehe -»Gerrymandering). In der Bundesrepublik ist das Wahlgebiet in 328 Einerw.e eingeteilt. Wahlkreisabgeordneter, der -»Abgeordnete, der in einem -»Wahlkreis als Direktkandidat gewählt wird (siehe -»Direktmandat). Wahlkreisgeometrie, Bezeichnung für die willentliche Einteilung eines -»Wahlkreises derart, dass die eigene -»Partei bei einer Wahl Vorteile auf Kosten der anderen hat. Dies geschieht hauptsächlich durch - » G e r rymandering. Wahlmänner sind diejenigen gewählten Mitglieder eines Gremiums, die im Auftrag ihrer Wähler einen oder mehrere Amtsträger mit —»freiem Mandat wählen. Ein derartiges Verfahren wird als indirekte Wahl bezeichnet. Der Präsident der Vereinigten Staaten wird in einer indirekten Wahl bestimmt, dies allerdings nur formal, da die W. in der Regel weisungsgebunden sind. Wahlmännerausschuss, nach Fraktionsstärke besetzter, nicht weisungsgebundener —>Ausschuss des Deutschen -»Bundestages mit zwölf Mitgliedern, der acht Richter des -»Bundesverfassungsgerichts wählt (die anderen acht Richter werden vom -»Bundesrat gewählt). Wahlmonarchie, -»Monarchie, deren Oberhaupt, meist auf Lebenszeit, gewählt wird. Als W. im weiteren Sinn wird etwa der Vatikan betrachtet. Wahlperiode, die Zeitspanne, für die ein Gremium oder eine Person gewählt wird (siehe auch -»Legislaturperiode). Wahlpflicht, die für alle Wahlberechtigten eines -»Staates bestehende Verpflichtung zu wählen. Bisweilen wird eine W. als unvereinbar mit der Wahlfreiheit betrachtet, da diese letztlich auch die Freiheit nicht zu wäh-

231

Wahlplattform len einschließe (siehe auch -»Wahlgrundsätze). Wahlplattform - » Wahlprogramm Wahlprogramm, Zusammenstellung der wichtigsten Ziele einer -»Partei zu den -»Wahlen, die sie im Falle eines Sieges und der Regierungsübemahme zu verwirklichen verspricht. W.e, die in der Regel sehr allgemein formuliert sind, verpflichten die Parteien nicht auf tatsächliche Realisierung. Wahlprüfung, die Überprüfung des Wahlergebnisses hinsichtlich seiner Gültigkeit. Als Kriterien gelten die Einhaltung der vorgegebenen -»Wahlgrundsätze und die korrekte Auswertung der Stimmenzahlen. In der Bundesrepublik ist für die -»Bundestagswahl ein spezieller W.sausschuss, der sich aus Mitgliedern des -»Bundestages zusammensetzt, zuständig. Die Forderung der W. kann jeder - » B ü r g e r erheben. Wahlquotient, die v.a. bei einer -»Verhältniswahl für den Erhalt eines Parlamentssitzes erforderliche Anzahl von Stimmen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem freien W. (der sich aus der Wahlbeteiligung errechnet, wobei die Anzahl der Sitze vorgegeben ist) und dem festen W. (dieser ist bereits vor der Wahl festgelegt, wobei die Anzahl der Sitze je nach Beteiligung höher oder niedriger ist). Wahlrecht, allgemein alle Verordnungen und rechtlichen Regelungen, die den Wahlvorgang bestimmen (siehe auch - » W a h l grundsätze). Im engeren Sinn versteht man unter W. das Recht des Individuums zu wählen (-»aktives W.) und gewählt zu werden (-»passives W.). Das W. ist wesentlicher Bestandteil einer -»Demokratie. Wahlsystem, alle rechtlichen Grundsätze, die die Art der Kandidatenaufstellung und der Stimmabgabe festlegen und das Verfahren bestimmen, wie sich die Besetzung von Ämtern aus der Zahl und der Verteilung der 232

Warschauer Pakt abgegebenen Stimmen errechnet. Die zwei wichtigsten Typen von W.en sind ->'Verhältniswahlrecht und -»Mehrheitswahlrecht (siehe ebenso -»Stimmgebungsverfahren; -»Wahlkreis; -»Bundestagswahl). Währungspolitik, alle (nationalen oder internationalen) Maßnahmen, mittels derer der Wert und die Kaufkraft einer Währung beeinflusst werden sollen, in der Regel mit dem vornehmlichen Ziel der Währungsstabilität und der Vermeidung von -»Inflation. Zu den Instrumenten einer W., die gewöhnlich in den Händen der so genannten -»Zentralbanken liegen, gehören unter anderem: Devisenpolitik (An- und Verkauf ausländischer Währungen), Festsetzung von Wechselkursen und im weiteren Sinne -»Wirtschafts- und --»Finanzpolitik. Als Instrument der internationalen W. existiert der Internationale Währungsfonds (-»IWF). Aufgrund der -»Währungsunion liegt in der - » E G / E U die Kompetenz für europäische W. bei der Europäischen Zentralbank (-»ESZB). Währungsunion, endgültige Vereinbarung zwischen -»Staaten, die Wechselkurse ihrer Währungen festzusetzen ohne die Möglichkeit einer späteren Änderung. Mindestvoraussetzung einer W. ist eine währungspolitische und wirtschaftliche Koordinierung (siehe auch - > W W U ) . Warnstreik, regional und zeitlich begrenzter -»Streik, mit dem die -»Arbeitnehmer ihren Forderungen im -»Arbeitskampf bereits während der laufenden Verhandlungen Nachdruck zu verleihen suchen. Warschauer Pakt, 1955 gegründetes militärisches Bündnis zwischen Albanien (bis 1968), Bulgarien, DDR (ab 1956 bis 1990), Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, UdSSR und Ungarn. 1991 hat sich der W. mit Ende der Blockkonfrontation und im Zuge des Zusammenbruchs der UdSSR aufgelöst, und die Mitglieder des W. kooperieren inzwischen mit der - » N A T O oder sind ihr beigetreten.

Wechselwähler

WEU

Wechselwähler, in Abgrenzung zu den -»Stammwählern diejenigen Wähler, die nicht kontinuierlich einer einzigen -»Partei ihre Stimme geben. Wehrbeauftragter, in der Bundesrepublik -»Organ des -»Bundestages, das diesen bei der parlamentarischen Kontrolle der - » B u n deswehr unterstützt und die Einhaltung der -»Grundrechte der Soldaten gewährleisten soll. Jeder Soldat kann sich direkt an den W. wenden. Der W., der vom Bundestag für fünf Jahre gewählt wird, hat unter anderem das Recht auf Akteneinsicht und Auskunftserteilung vom Verteidigungsministerium. Wehrdienstgericht - » Militärgericht Wehrdienstverweigerung - » verweigerung

Kriegsdienst-

Wehrhafte Demokratie - » Streitbare Demokratie Wehrpflicht, Verpflichtung der Staatsbürger, in den Streitkräften eines Landes Wehrdienst zu leisten. In der Bundesrepublik können Männer „vom vollendeten 18. Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden" (Art. 12a,l GG). Gegenwärtig dauert der Wehrdienst zehn Monate. Von der W. ausgeschlossen sind die zu einer Haftstrafe von über einem Jahr oder über einem halben Jahr (etwa wegen Hoch- oder Landesverrats) Verurteilten. Befreit von der W. sind Geistliche und Schwerbehinderte. In der Bundesrepublik besteht die Möglichkeit, die W. zu verweigern (-»KriegsdienstVerweigerung). Befürworter der W. weisen auf die durch sie hergestellte Verbindung zwischen Militär und Gesellschaft hin, die die Herausbildung eines unabhängigen, in sich geschlossenen Machtzentrums verhindern soll. Andere dagegen bewerten die W. u.a. als schweren Eingriff in die persönliche Freiheit.

Wehrstrafgericht - » Militärgericht Weißbuch - * Farbbücher WeiOes Haus, Amtssitz des Präsidenten der Vereinigten Staaten und zugleich Synonym für die US-amerikanische Regierung. Weltanschauungspartei, -»Partei, deren Programm auf einer bestimmten Weltsicht oder -»Ideologie basiert und sich dieser verpflichtet. Weltbank, eigentlich Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, -»internationale Organisation (182 Mitglieder), die 1944 mit dem Ziel gegründet wurde, durch die an bestimmte Bedingungen geknüpfte Vergabe von Krediten auf die -»Entwicklungsländer Einfluss auszuüben und sie zu fordern. Dabei werden die Kredite unter anderem für Infrastrukturprojekte, Bildung, Gesundheitswesen, aber auch für Umweltschutzprojekte verwendet (siehe auch -»IWF). Weltgesundheitsorganisation - » W H O Welthandelsorganisation - » W T O Weltwirtschaftsgipfel, alljährliches internationales Treffen der -»G-8-Staaten. Westeuropäische Union - » WEU WEU, Abkürzung für Westeuropäische Union, 1955 gegründetes Verteidigungsbündnis, dem mittlerweile - als Kernstaaten - die Beneluxstaaten, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Portugal und Spanien angehören. Assoziiert sind Bulgarien, Estland, Island, Lettland, Litauen, Norwegen, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien, Türkei, Ungarn. Beobachterstatus haben Dänemark, Finnland, Irland, Österreich, Schweden. Die mittlerweile mit der - » E G / E U verflochtene W., die eine Beistandspflicht aller Mitglieder beinhaltet und 233

Whipper die europäische Sicherheit zum Ziel hat, soll binnen der nächsten Jahre völlig in die EU eingegliedert werden und eigene Streitkräfte erhalten. Whipper, engl, für -»Einpeitscher. W H O , Abkürzung für engl. World Health Organization: Weltgesundheitsorganisation, Sonderorganisation der -»Vereinten Nationen mit Sitz in Genf, deren Aufgabe hauptsächlich in der organisatorischen, politischen, fachlichen als auch finanziellen Unterstützung internationaler Gesundheitsprogramme besteht. Zu den bekanntesten und wohl größten Erfolgen der W. gehört die weltweite Bekämpfung und Ausrottung der Pocken. Widerstandsbewegung, Gruppen oder Personen, die gegen die diktatorischen Machthaber oder eine Besatzungsmacht eines Staates kämpfen. Widerstandsrecht, Recht der -»Bürger eines -»Staates, sich gegen Maßnahmen der Regierung zur Wehr zu setzen, unter der Bedingung, dass die Maßnahmen gegen die -»Grundrechte verstoßen oder die -»Regierung unrechtmäßig herrscht. In der Bundesrepublik hat laut Art. 20,3 und 20,4 GG jeder Deutsche „das Recht zum Widerstand" gegen jeden, der die verfassungsmäßige Ordnung beseitigt, „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist". Allerdings darf sich das W. nicht gegen eine einzige staatliche Maßnahme richten, die als unrechtmäßig betrachtet wird, sondern es muss ein offensichtlicher Versuch vorliegen, die -»freiheitlich-demokratische Grundordnung zu zerstören und es darf kein Rechtsweg zu deren Wiederherstellung mehr offen stehen. Dieses im Grundgesetz garantierte W. besteht nicht nur gegen öffentliche -»Organe, sondern gegen jede Person oder Gruppe, deren Tätigkeit die verfassungsmäßige Ordnung bedroht. Wiedergutmachung, Geldleistungen der Bundesrepublik an Personen oder deren Hinterbliebene, die auf Grund ihrer Rasse 234

Wirtschaftspolitik oder auf Grund ihrer politischen, religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung durch nationalsozialistische Gewalttaten Schäden an Leben, Freiheit, Gesundheit oder Eigentum erlitten haben (siehe auch -»Nationalsozialismus). Wirtschafts- und Sozialrat - » E C O S O C Wirtschaftsdemokratie, Regelung der Wirtschaft nach demokratischen Prinzipien (-»Demokratie), wozu hauptsächlich die -»Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb gehört, die Partizipation von -»Körperschaften der wirtschaftlichen Selbstverwaltung (—»Kammern) an der Wirtschaftsplanung auf lokaler, regionaler und gesamtstaatlicher Ebene, die -»Sozialisierung von Unternehmen, die gesellschaftlich von Bedeutung sind, wie etwa die Energieunternehmen und Verkehrsbetriebe, und staatliche Finanzund Wirtschaftslenkung, wie zum Beispiel durch öffentliche Investitionen. Wirtschaftsordnung - » Wirtschaftssystem Wirtschaftspolitik, Gesamtheit aller Maßnahmen des -»Staates und von -»Verbänden zur Lenkung wirtschaftlicher Prozesse. In der W. bedient man sich unter anderem folgender Mittel: -»Ordnungspolitik, -»Geldpolitik, -»Währungspolitik, Gestaltung des staatlichen Haushalts, -»Konjunkturpolitik und sonstiger Eingriffe wie etwa der Kontrolle der Märkte (etwa zur Gewährleistung des Wettbewerbs). Ob eine W. eher angebotsoder nachfrageorientiert handeln soll, ist gegenwärtig umstritten (-»angebotsorientierte und -»nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik). In der Bundesrepublik richtet sich die W. vor allem auf die Eckpunkte des -»Magischen Vierecks, wobei immer häufiger gefordert wird, dass auch nicht klassische Ziele, wie etwa Umweltschutz und Verteilungsgerechtigkeit (siehe auch -»Gerechtigkeit), berücksichtigt werden sollen.

WWU

Wirtschafts rat Wirtschaftsrat, (meist) öffentlich-rechtliche Institution, an der Arbeitnehmer und Arbeitgeber beteiligt sind und die zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen Stellung nimmt, Gutachten entwirft und Gesetzesinitiativen ausarbeitet und sich damit an - » P a r lament und - » R e g i e r u n g , die wiederum dem W. A u s k ü n f t e erteilen müssen, richtet. Der W. ist Element einer wirtschaftsdemokratischen G r u n d o r d n u n g ( - » W i r t s c h a f t s d e m o kratie) und existiert auch in mehreren europäischen Ländern, wie etwa in Österreich. Wirtschaftssystem, Modell einer wirtschaftlichen Ordnung, das durch deren Akteure, Austauschprozesse, Entscheidungsmechanismen, Institutionen und rechtliche Vorgaben charakterisiert ist. Grundsätzlich lassen sich zwei Typen von W.en unterscheiden: die freie - » M a r k t w i r t s c h a f t und die - » P l a n w i r t schaft. Wirtschafts- und Währungsunion, europäische - » W W U Wissenschaftsfreiheit - > Lehrfreiheit Wohlfahrtsstaat, häufig mit -»Sozialstaat synonym gebrauchter Begriff. Von einigen j e d o c h im negativen Sinne verwendeter Begriff, der in A b g r e n z u n g zum Sozialstaat die starke Einschränkung der individuellen - » F r e i h e i t ebenso wie der - » M a r k t w i r t s c h a f t durch weitgehende staatliche Eingriffe bezeichnet. Als K o n s e q u e n z wird von Kritikern des W. vorgebracht, dass die Individuen alle Verantwortung dem Staat überlassen und keine individuelle Leistung mehr erbringen. Letztlich führe dies zur Erlahmung der Wirtschaft und der - » G e s e l l s c h a f t . W S A , A b k ü r z u n g für Wirtschafts- und Sozialausschuss der - » E G / E U , der aus Vertretern von - » A r b e i t g e b e r n , - » A r b e i t n e h m e r n

und

- » V e r b ä n d e n , zum Beispiel Agrar- und Konsumentenverbänden,

besteht,

die

von

den

Nationalregierungen vorgeschlagen und vom - » E u r o p ä i s c h e n Ministerrat ernannt werden.

Der W. berät die - » E u r o p ä i s c h e K o m m i s s i o n bei Fragen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. W T O , Abkürzung f ü r engl. W o r l d T r a d e Organization: Welthandelsorganisation, seit 1995 Nachfolgeorganisation des - » G A T T und Sonderorganisation der - » V e r e i n t e n Nationen mit dem Ziel, durch Förderung des Handels die weltweite wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu unterstützen und vor allem durch Beseitigung von nationalen Handelsbeschränkungen den weltweiten Handel zu liberalisieren. Im Gegensatz zum G A T T verfugt die W. Uber verbindliche Mechanismen zur Schlichtung von Streit und zur Sanktionierung von Verstößen gegen Handelsvereinbarungen und Prinzipien, wie etwa die -»Meistbegünstigungsklausel und den Abbau von staatlichen Handelsschranken. Kritiker weisen d a r a u f h i n , dass die W . lediglich die Prinzipien der freien - » M a r k t w i r t schaft fördert, ohne dabei die soziale Dimension, wie etwa die Gewährleistung von sozialen Mindeststandards, zu berücksichtigen. So wird etwa L o h n d u m p i n g von der W. als legales Mittel zur Konkurrenz- bzw. Wettbewerbsfähigkeit anerkannt - die Forderung nach der A u f n a h m e von Mindestlohn und anderen sozialen Vereinbarungen wurde bisher von der W. weitestgehend abgelehnt.

W W U , Abkürzung für Wirtschafts- und Währungsunion, seit 1. Januar 1999 geltender Zusammenschluss von Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spanien zu einem einheitlichen Währungsgebiet mit dem Euro als gemeinsamer Währung. Damit sind die Wechselkurse zwischen den genannten Ländern unwiderruflich fixiert und die nationalen Währungen abgeschafft, auch wenn für eine Obergangszeit bis 2002 noch das nationale Geld als Zahlungsmittel verwendet wird. Ziel der W . ist eine gemeinsame, vorrangig am Ziel der Währungsstabilität orientierte - » W ä h r u n g s und -»Geldpolitik in Europa. Für die Bundesrepublik gilt die Einbindung in die europäische W. und damit der Verzicht auf ein 235

WWlj wesentliches nationales Souveränitätsrecht überdies als Gegenleistung dafür, dass die anderen europäischen Staaten die Wiedervereinigung Deutschlands akzeptiert haben. Grundlage der W. ist der -»Maastrichter Vertrag von 1993, der die Einführung der W. in drei Stufen vorsah. Über den letzten Schritt des Beitritts eines Staates zur W. entschieden dabei die so genannten - » K o n vergenzkriterien, die sicherstellen sollten, dass die Staaten in ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik die Ziele der Preisstabilität (-•Inflation) und des Abbaus der Staatsschulden verfolgen. Dies kommt auch in der Konstruktion des Europäischen Systems der Zentralbanken ( - » E S Z B ) zum Ausdruck, dessen Kern die Europäische Zentralbank (EZB) bildet. Nach dem Muster der Deutschen -»Bundesbank konstruiert, trifft der Europäische Zentralbankrat währungspolitische Entscheidungen unabhängig von nationalen Regierungen und Parlamenten, aber auch unabhängig von den entsprechenden Institutionen auf der Ebene der - » E G / E U . Oberstes Ziel ist dabei allein die Preisstabilität. Gegen Staaten, in denen die Staatsverschuldung und das Defizit des Staatsbudgets festgelegte Grenzen überschreiten, sind Geldbußen vorgesehen, die der -»Europäische Rat verhängt. Diese Festlegung der -»Geldpolitik auf das Ziel der Preisstabilität und Haushaltskonsolidierung ist zum Teil auf Kritik gestoßen, weil sie einen etwaigen Konflikt zwischen Inflationsbekämpfung einerseits und anderen wirtschaftspolitischen Zielen andererseits vorab zugunsten ersterer entscheidet (siehe auch -»Magisches Viereck). Andere Kritiker, die zwar den Vorrang der Preisstabilität betonen, wenden gegen die W. gleichwohl ein, dass eine -»Währungsunion in einem weit höheren Maße, als dies derzeit der Fall ist, die Einheitlichkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse im gesamten Währungsgebiet voraussetzt. Demnach dürfe eine gemeinsame Währung erst bei weitgehender wirtschaftspolitischer Konvergenz der beteiligten Staaten eingeführt werden.

236

Zentralstaat

Zählwertgleichheit

z Zählwertgleichheit, im -»Wahlrecht die Gleichheit der Stimmen. Der Z., die einen unabdingbaren -»Wahlgrundsatz bei demokratischen Wahlen darstellt, wird der Erfolgswert einer Stimme gegenübergestellt. Dieser bezieht sich auf die tatsächliche Umsetzung des in der Stimme ausgedrückten Wunsches nach der Wahl eines Vertreters in das Parlament. Gleicher Erfolgswert von Stimmen ist nicht in allen demokratischen -»Wahlsystemen gewährleistet. So gehen etwa diejenigen Stimmen verloren, die eine an der -»Sperrklausel gescheiterte -»Partei oder ein nach dem -»Mehrheitswahlrecht unterlegener Wahlkreiskandidat erhalten hat. Dies stellt indes keine Verletzung der Z. dar, da die Stimmen aller Wahlberechtigten die gleiche Chance und das gleiche Gewicht bei der Auswertung der Wahl haben. Zehnerklub, Verbindung von mittlerweile elf westlichen Industriestaaten innerhalb des —»IWF mit dem Ziel der Beratung und gegenseitigen Unterstützung bei internationalen Finanzkrisen. Mitglieder des Z. sind: Belgien, die Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, die Niederlande, Schweden, Schweiz, die Vereinigten Staaten. Assoziierte Mitglieder sind: Luxemburg, Dänemark und Irland. Zensur (lat. censere: schätzen, werten), staatliche Überwachung von Veröffentlichungen aller Art und gegebenenfalls deren Verbot oder Einschränkung. Bei der Kontrolle entscheidet die Übereinstimmung mit sittlichen, politischen, gesetzlichen und auch religiösen Normen. In der Bundesrepublik findet laut Art. 5,1 GG keine Z. statt. Dies trifft allerdings vollständig nur auf die Vorz. zu, das heißt auf die Z. vor Erscheinen der Veröffentlichung. Bei Veröffentlichungen mit pornographischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt können Behörden eine Prüfung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften beantragen, die gegebenenfalls eine Indizierung und damit

Werbe- und Folge hat.

Vertriebsbeschränkungen

zur

Zensuswahlrecht (lat. censere: schätzen, meinen), -»Wahlrecht, bei dem nur derjenige, der über finanzielle Mittel verfügt, wie etwa über ein bestimmtes Einkommen (Einkommensz.) oder Vermögen (Vermögenz.), oder einen bestimmten Steuerbetrag zahlt (Steuere.), zur (aktiven) Wahl zugelassen wird oder dieser mehr Stimmen hat als die anderen -»Bürger. Im ersten Fall spricht man vom absoluten, im zweiten vom relativen Z. Zentralbank, in einem Staat diejenige Bank, die das Monopol zur Herstellung und Ausgabe der nationalen Währung hat und die -»Währungspolitik eines -»Staates ebenso wie seine Kredit- und Geldpolitik zusammen mit der Regierung gestaltet. Um zu verhindern, dass die Z. von der Regierung zu kurzfristigen, populistischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen gezwungen wird, genießt sie in vielen Staaten Unabhängigkeit. Dies wird vielfach als Verstoß gegen die demokratische Grundordnung gesehen, weil nicht vom Volk gewählte Vertreter wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen (-»Demokratie). Andererseits ist die Stabilität der Währung durch eine unabhängige Z. leichter zu sichern. Die Z. der Bundesrepublik ist die deutsche -»Bundesbank. Im Zuge der - » E G / E U gehen allerdings weite Kompetenzbereiche an die Europäische Zentralbank ( - » E S Z B ) über. Zentralismus (lat. centrum: Mitte), Staatsordnung, die durch die Konzentration politischer und verwaltungstechnischer Kompetenzen auf zentrale Institutionen charakterisiert ist, wobei diese Behörden ftlr das ganze Land zuständig sind. Der Z. steht insofern im Gegensatz zum -»Föderalismus. Zentralstaat, in einem -»Bundesstaat diejenige Ebene staatlicher Organisation, deren Kompetenz sich auf den ganzen Staat erstreckt. Der Gesamtstaat setzt sich aus dem

237

Zentralverwaltungswirtschaft Z. und den Gliedstaaten zusammen (siehe auch in Abgrenzung dazu -»Einheitsstaat). Zentralverwaltungswirtschaft - » Planwirtschaft Zession - » Abtretung Zionismus, (nach dem Tempelberg Zion in Jerusalem benannte) Bewegung innerhalb des Judentums, die die Stärkung des jüdischen Staates nach seiner Errichtung in Palästina zum Ziel hat. Dies soll unter anderem durch Siedlungspolitik, durch weltweite Förderung der jüdischen Kultur, Religion und des Hebräischen erreicht werden ebenso wie durch die Unterstützung Israels in seiner militärischen und politischen Auseinandersetzung mit den arabischen Gegnern. Zitierrecht (lat. citare: vorladen), Recht des -•Parlaments, die Präsenz eines bestimmten Regierungsmitgliedes bei der Behandlung eines bestimmen Themas in einer Sitzung zu fordern. Zivildienst, Ersatztätigkeit in zivilen Institutionen anstatt der Ableistung des Wehrdienstes. Dem Z. liegt das Recht auf -»Kriegsdienstverweigerung zu Grunde. In der Bundesrepublik dauert der Z. gegenwärtig elf Monate, und die Zahl der Z.leistenden betrug Mitte 2000 rund 124.500. Ziviler Ungehorsam, der bewusste, gewaltfreie Verstoß gegen Konventionen und Rechtsnormen mit dem Ziel, öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und dadurch die politische Meinungsbildung zu beeinflussen. Zivilgesellschaft (civil society), unscharfer, häufig schlagwortartig gebrauchter Begriff, der einen gesellschaftlichen Bereich bezeichnet, in dem die Individuen an Gemeinschaftsaufgaben teilnehmen, ohne dabei staatliche Unterstützung oder Einflussnahme zu erfahren. Der Begriff Z. verweist auf eine - » G e sellschaft, in der der aktive -»Bürger sich auf die Durchsetzung von Interessen und Ver238

Zwangsarbeit wirklichung von -»Grundrechten richtet. Der Z. liegt dabei das Ideal einer bürgerlichen -»Gemeinschaft zu Grunde, die durch - » P a r tizipation, -»Pluralismus und Achtung der Grundrechte gekennzeichnet ist. Zollunion, Verbindung mehrerer -»Staaten, die dadurch gekennzeichnet ist, dass diese untereinander keine Zölle erheben und, in Abgrenzung zur -»Freihandelszone, eine einheitliche Zollpolitik gegenüber Drittländern verfolgen. Zustimmungsgesetz, in der Bundesrepublik dasjenige -»Gesetz, das zu seinem Erlass der Einwilligung (mit absoluter Mehrheit) seitens des -»Bundesrates bedarf (in Abgrenzung dazu -»Einspruchsgesetz; siehe auch - » G e setzgebungsverfahren). Zu den zustimmungspflichtigen Gesetzen zählen alle Gesetze, die eine Änderung der Verfassung beinhalten (Art. 79,2 GG), die in Aufgabenbereiche der -»Länder eingreifen bzw. deren -»Hoheitsrechte betreffen und die Hoheitsrechte auf die - » E G / E U übertragen. So handelt es sich etwa um ein Z., wenn das Gebiet eines Landes verändert werden soll, wenn Landesbehörden das Gesetz ausführen sollen, ebenso bei -»Steuern, die ganz oder teilweise vom Land erhoben werden und bei der Finanzverwaltung. -»Verordnungen, deren Grundlage ein zustimmungspflichtiges Gesetz ist, bedürfen ebenso der Einwilligung des Bundesrates. Zwangsarbeit, allgemein Tätigkeiten, zu denen eine Person vom Staat gezwungen wird. Die Z. stellt einen massiven Eingriff in die persönliche —»Freiheit dar und ist daher in demokratischen -»Rechtsstaaten in der Regel nur in engen gesetzlichen Grenzen zulässig. In der Bundesrepublik darf nach Art. 12,2 GG niemand „zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, fiir alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht", wie sie etwa die —»Wehrpflicht darstellt. Z. ist nur bei einer gerichtlich verhängten Freiheitsstrafe zulässig (Art. 12,3 GG).

Zweidrittelmehrheit Im -»Nationalsozialismus wurden in Deutschland mehrere Millionen Menschen (Kriegsgefangene, Verschleppte und Häftlinge von -»Konzentrationslagern) zur Z. eingesetzt. 1944 war jeder vierte Arbeitsplatz von einem Zwangsarbeiter besetzt. Erst im Jahr 2000 fanden sich Unternehmen, die von dieser Z. profitiert haben, zu einer Entschädigungsregelung bereit, nachdem einige Opfer mit Entschädigungsklagen bei US-amerikanischen Gerichten drohten. Für die angebotene Errichtung eines Entschädigungsfonds mit staatlicher Unterstützung soll die Regierung der Vereinigten Staaten garantieren, dass die betroffenen Unternehmen vor Gericht nicht mehr belangt werden können. Vielfach werden die versprochenen Entschädigungen als unzureichend kritisiert; zudem verweigern immer noch einige Unternehmen die Beteiligung daran. Zweidrittelmehrheit - > Mehrheitsprinzip Zweikammersystem, Organisationsform des -•Parlaments, das sich in zwei, für gewöhnlich voneinander unabhängige -»Kammern aufteilt. Dabei fungiert die allgemein und direkt vom - » V o l k gewählte Zweite Kammer als Volksvertretung (siehe auch -»Repräsentantenhaus), die Erste Kammer hingegen repräsentiert in der Regel die Gliedstaaten (siehe auch -»Senat), wobei deren Mitglieder entweder von den Bürgern der einzelnen Gliedstaaten direkt gewählt oder von den Landesregierungen bzw. den Landesparlamenten entsandt werden (einige bezeichnen umgekehrt die Volksvertretung als Erste und die Vertretung der Gliedstaaten als Zweite Kammer). In einigen Staaten vertritt die Erste Kammer nicht Teilstaaten, sondern bildet die Vertretung des Adels (-»Oberhaus) oder wichtiger gesellschaftlicher Gruppen und -»Interessenverbände. Grundsätzlich lassen sich zwei Typen des Z. unterscheiden, das -»Senatssystem und das System mit -»Bundesrat: Bei ersterem wird die Erste Kammer direkt gewählt, sie ist gegenüber der Zweiten Kammer im - » G e setzgebungsverfahren gleichberechtigt, jeder

Zweitstimme Gliedstaat entsendet gleich viele Vertreter, wobei diese ein —»freies Mandat haben - im Gegensatz dazu sind die Bundesratsmitglieder von den Landesregierungen oder Landesparlamenten gewählt und haben ein - » i m p e ratives Mandat, die Bevölkerungszahl des jeweiligen Gliedstaates bestimmt über die Zahl seiner Vertreter und die Erste Kammer hat im Vergleich zur Zweiten Kammer eingeschränkte Rechte hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens. In der Bundesrepublik liegt das Bundesratsystem vor. Zweiparteiensystem, System, das von zwei ungefähr gleich starken -»Parteien dominiert wird, insofern weitere Parteien im -»Parlament nicht oder kaum vertreten sind. In -»parlamentarischen Regierungssystemen mit Z. bildet jeweils eine von beiden Parteien allein die Regierung und die andere, in der Oppositionsrolle befindliche, hat eine reelle Chance zur Regierungsübernahme. Z.e existieren zumeist in Staaten, in denen das -»Mehrheitswahlrecht gilt. Zwei-plus-Vier-Vertrag, eigentlich „Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland", 1990 zwischen der Bundesrepublik, der DDR, Frankreich, Großbritannien, der UdSSR und den Vereinigten Staaten unterzeichneter Vertrag, der dem vereinigten Deutschland volle -»Souveränität gewährt und seine Außengrenzen fiir endgültig erklärt. Überdies enthält der Vertrag u.a. hinsichtlich Deutschland ein Verbot der Herstellung und des Besitzes von - > A B C Waffen und eine Obergrenze fiir deutsche Streitkräfte (siehe auch -»Bundeswehr). Zweite Kammer - » Repräsentantenhaus; - » Zweikammersystem Zweitstimme, diejenige Stimme bei einer personalisierten Verhältniswahl (—»Bundestagswahl), die im Gegensatz zur -»Erststimme nicht einem -»Kandidaten, sondern einer —»Partei gegeben wird und die über die Zahl der Mandate einer Partei bestimmt. 239

Anhang

Zeittafel Internationale Ereignisse 1945

4.-11. Feb.

Konferenz von Jalta (Teilnehmer: Churchill, Roosevelt, Stalin): Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen (UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich); Westverschiebung Polens

26. Juni

Unterzeichnung der UN-Charta

17. Juli-2. Aug.

Potsdamer Konferenz (Churchill, Truman, Stalin): Entnazifizierung und Entmilitarisierung Deutschlands; Reparationsfragen

6./9. Aug.

Atombombenabwurf durch die USA in Hiroshima und Nagasaki

14. Aug.

Bedingungslose Kapitulation Japans und Ende des Zweiten Weltkrieges

12. März

Verkündung der Truman-Doktrin: Militärische und wirtschaftliche Unterstützung der USA für unabhängige Länder mit dem Ziel, kommunistischen Einfluss zu verhindern

5. Juni

Marshall-Plan: Wirtschaftliche Unterstützung der USA für europäische Länder

15. Aug.

Indien und Pakistan erhalten Unabhängigkeit von Großbritannien.

1946

1947

1948

1949

1950

1951

242

14. Mai

Gründung des Staates Israel

15. Mai

Ausbruch des ersten Israelisch-Arabischen Krieges (bis Jan. 1949)

15.Jan.

Ende des ersten Israelisch-Arabischen Krieges (begonnen Mai 1948)

18. Jan.

Gründung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) der kommunistischen Länder Europas

4. Apr.

Gründung der N A T O

1. Okt.

Proklamation der Volksrepublik China

25. Juni

Beginn des Korea-Krieges (Ende: Juli 1953)

Zeittafel Europäische Integration

19. Sept.

5. Mai

Ereignisse in Deutschland 8-/9. Mai

Deutschland kapitulier bedingungslos (9. Mai nach osteuropäischer Zeit).

14. Nov.

Beginn der Nürnberger Prozesse zur Ahndung der NS-Verbrechen

20. Juni

Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen

26. Juni

Beginn der Berlin-Blockade durch die UdSSR (Ende: Mai 1949)

12. Mai

Ende der Berlin-Blockade (Beginn: Juni 1948)

23. Mai

Grundgesetz tritt in Kraft.

14. Aug.

Erste Wahlen zum Deutschen Bundestag

15. Sept.

Konrad Adenauer wird erster Bundeskanzler der BR Deutschland.

Der britische Premierminister Churchill schlägt die Gründung der „Vereinigten Staaten von Europa" vor.

Gründung des Europarates

7. Okt. 9. Mai

Schuman-Plan: Vorschlag zur Grün- 15. Juni dung der EGKS

18. Apr.

Gründung der EGKS durch Belgien, BR Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande

Gründung der DDR BR Deutschland wird assoziiertes Mitglied des Europarates.

243

Zeittafel Internationale Ereignisse 1952

10. März

Stalin-Note an die Westmächte: Die UdSSR bietet die Wiedervereinigung Deutschlands an, wenn dieses neutral bleibt. Dies wird von den Westmächten abgelehnt.

1953

5. März

Tod Stalins

27. Juli

Ende des Korea-Krieges (Beginn: Juni 1950)

1954

26. Apr.-21. Juli

Konferenz über Korea und Indochina: Teilung Vietnams; Unabhängigkeit von Laos und Kambodscha

1955

14. Mai

Gründung des Warschauer Paktes

1956

14.-25. Febr.

XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion: Entstalinisierung; Doktrin der friedlichen Koexistenz zwischen den Blöcken

1957

244

26. Juli

Verstaatlichung des Suez-Kanals durch den ägyptischen Staatschef Nasser

24. Okt.-l 1. Nov.

Aufstand in Ungarn, der durch sowjetische Truppen niedergeschlagen wird

29. Okt.-5. Nov.

Israelische Truppen besetzen die Sinai-Halbinsel; Eingreifen britischer und französischer Truppen in die Kämpfe auf dem Sinai, die am 5. Nov. die Kanalzonebesetzen; nach Verurteilung durch die USA und UdSSR Abzug der Truppen

2. März

Rückzug der israelischen Truppen vom Sinai und vom Gaza-Streifen; der Gaza-Streifen und der Sinai werden unter UN-Kontrolle gestellt.

4. Okt.

Start des ersten Satelliten (Sputnik) durch die UdSSR

Zeittafel Europäische Integration 27. Mai

Ereignisse in Deutschland

Gründung der EVG

30. Aug.

Scheitern der EVG (Ablehnung durch die französische Nationalversammlung)

23. Okt.

Unterzeichnung der Pariser Verträge (in Kraft getreten am 5. Mai 1955): Bildung der WEU unter Oberbefehl der NATO; Aufnahme der BR Deutschland in die NATO; BR Deutschland verzichtet auf ABC-Wafifen

10. März

Stalin-Note: Die UdSSR bietet die Wiedervereinigung Deutschlands an, wenn dieses neutral bleibt.

26. Mai

Deutschlandvertrag: BR Deutschland erhält beschränkte Souveränität

17. Juni

Volksaufstand in der DDR

. Okt.

25. März

Aufnahme der BR Deutschland in die NATO; BR Deutschland verzichtet auf ABC-Waffen (Pariser Verträge, in Kraft getreten am 5. Mai 1955)

DDR erhält Souveränität.

5. Mai

Pariser Verträge vom Okt. treten in Kraft

1954 5. Mai

BR Deutschland erhält vollständige Souveränität.

25. März

Die Römischen Verträge werden 1. Jan. unterzeichnet: Gründung der EWG und von EURATOM (in Kraft getreten am 1. Jan. 1958)

Das Saarland wird Teil der BR Deutschland,

245

Zeittafel Internationale Ereignisse 1958

27. Nov.

1960

Berlin-Ultimatum durch die UdSSR an die Westmächte: Forderung nach Entmilitarisierung Berlins

Alle west- und zentralafrikanischen Kolonien Frankreichs werden im Jahr 1960 unabhängig.

1961 1962

18. März

Algerien erlangt volle Unabhängigkeit von Frankreich.

22. Okt.

Beginn der Kuba-Krise: Die USA entdecken sowjetische Raketen auf Kuba; 24. Okt.: Seeblockade der USA gegen Kuba; 28. Okt.: Abzug der sowjetischen Raketen und damit Ende der Kuba-Krise

20. Juni

USA und UdSSR vereinbaren den „Heißen Draht", eine direkte Fernschreibverbindung zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml.

5. Aug.

Unterzeichnung des Teststopp-Abkommens UdSSR und Großbritannien

22. Nov.

Ermordung des US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy

1964

2.-4. Aug.

„Tonkin-Zwischenfall": Die USA behaupten, dass zwei amerikanische Kriegsschiffe von nordvietnamesischen Kriegsschiffen beschossen wurden (im Feb. 1965 beginnen amerikanische Bombardements auf Nord vietnam).

1965

13. Feb.

Beginn amerikanischer Bombardements auf Nord viemam

1966

Mai

Beginn der „Kulturrevolution" in China

1967

5.-11. Juni

Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und Ägypten, Syrien, Jordanien. Israel besetzt in einem Präventivschlag den Sinai, das Westjordanland, den Gazastreifen und die Golanhöhen

1963

246

zwischen

der

USA,

der

Zeittafel Europäische Integration

Ereignisse in Deutschland

l.Jan.

Römische Verträge treten in Kraft: 27. Nov. Gründung der EWG und von EURATOM. Mitglieder sind Belgien, BR Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande.

Berlin-Ultimatum durch die UdSSR an die Westmächte: Forderung nach Entmilitarisierung Berlins

3. Mai

Gründung der EFTA

13. Aug.

Bau der Berliner Mauer

26.-27. Okt. Spiegel-Affäre: Durchsuchung der Redaktionsräume des „Spiegel" und Verhaftung des Herausgebers mit der Begründung des „Landesverrats". 19. Nov.: Verteidigungsminister Strauß, der in Absprache mit Bundeskanzler Adenauer die Durchsuchung in die Wege leitete, muss zurücktreten.

22. Jan.

Unterzeichnung des deutsch-fran- 14. Okt. zösischen Freundschaftsvertrages

8. Apr.

Unterzeichnung des Vertrags zur Fusion von EWG, EGK.S und EURATOM zur EG (in Kraft getreten im Juli 1967)

1. Juli

Rücktritt von Bundeskanzler Adenauer; am 15. Okt. wird Ludwig Erhard Bundeskanzler.

l.Dez.

Bildung der Großen Koalition (CDU/CSU und SPD) mit Bundeskanzler Georg Kiesinger

Fusionsabkommen von EURA- 2. Juni T O M , E W G und EGKS zur EG tritt in Kraft.

Studentenunruhen in Berlin (nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg) 247

Zeittafel Internationale Ereignisse 1968

5. Jan.

Beginn des „Prager Frühlings": Liberalisierung und Demokratisierung in der Tschechoslowakei

6. Apr.

Ermordung von Martin Luther King und Rassenunruhen in den USA

Mai 20. Aug.

Studentenunruhen in Paris Besetzung der Tschechoslowakei durch Truppen des Warschauer Paktes: Ende des „Prager Frühlings"

1969

20. Juli

Erste Mondlandung (durch US-amerikanische Astronauten)

1970

16. Apr.

Beginn der SALT-Verhandlungen zwischen den USA und der UdSSR

12. Aug.

Unterzeichnung des Moskauer Vertrages zwischen der BR Deutschland und der UdSSR: Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze Polens und der Grenze zwischen der BR Deutschland und der DDR; Anerkennung aller in Europa bestehender Grenzen; Gewaltverzicht

7. Dez.

Warschauer Vertrag zwischen Polen und der BR Deutschland: Normalisierung der Beziehungen; Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als polnische Westgrenze; Gewaltverzicht

1971

3. Sept.

Vier-Mächte-Abkommen über Berlin zwischen USA, Großbritannien, Frankreich und UdSSR: Bekräftigung der gemeinsamen Verantwortlichkeit für Gesamt-Berlin und Garantie eines erleichterten Transitverkehrs zwischen der BR Deutschland und Westberlin

1972

24. März

Die britische Regierung beendet die Selbstverwaltung Nordirlands und übernimmt anstelle dessen direkte Regierungsgewalt (nach Verschärfung der Unruhen in Nordirland).

26. Mai

Abschluss des SALT-I-Abkommens zwischen den USA und der UdSSR

248

Zeittafel Europäische Integration 1. Juli

Die europäischen verwirklicht.

Zollunion

Ereignisse in Deutschland wird 30. Mai

Bundestag beschließt Notstandsverfassung.

21. Okt.

Ende der Großen Koalition; Bildung der SPD/FDP-Regierung mit Bundeskanzler Willy Brandt

12. Aug.

Unterzeichnung des Moskauer Vertrages zwischen der BR Deutschland und der UdSSR: Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze Polens und der Grenze zwischen der BR Deutschland und der DDR; Anerkennung aller in Europa bestehender Grenzen; Gewaltverzicht

7. Dez.

Warschauer Vertrag zwischen Polen und der BR Deutschland: Normalisierung der Beziehungen; Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als polnische Westgrenze; Gewaltverzicht

3. Sept.

Vier-Mächte-Abkommen über Berlin zwischen USA, Großbritannien, Frankreich und UdSSR: Bekräftigung der gemeinsamen Verantwortlichkeit für Gesamt-Berlin und Garantie eines erleichterten Transitverkehrs zwischen der BR Deutschland und Westberlin

21. Dez.

Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zwischen der BR Deutschland und der DDR (in Kraft getreten im Juni 1963): gute Beziehungen und die Einrichtung von ständigen Vertretungen

249

Zeittafel Internationale Ereignisse 1973

27. Jan.

Waffenstillstands-Abkommen zwischen den USA, Nordvietnam, Südvietnam, Vietcong: Abzug der US-amerikanischen Truppen aus Südvietnam

3. Juli

Beginn der KSZE-Gespräche

25. Sept.

Beginn der SALT-II-Verhandlungen zwischen den USA und der UdSSR

6.-25. Okt.

Jom-Kippur-Krieg zwischen Israel und Syrien/Ägypten; daran anschließend Ölboykott und weltweite Ölkrise

30. Okt.

Beginn der MBFR-Gespräche zwischen der N A T O und dem Warschauer Pakt

1974

8. Aug.

Rücktritt des US-Präsidenten Nixon als Reaktion auf die Watergate-Affäre

1975

30. Apr.

Ende des Vietnam-Kriegs: Nordvietnamesische Truppen erobern Saigon; Kapitulation Südvietnams bzw. der Republik Vietnam.

1. Aug.

Unterzeichnung der KSZE-Schussakte

1978

17. Sept.

Rahmenvertrag von Camp David zwischen Israel und Ägypten: Abzug Israels vom Sinai; Ägypten erhält Souveränität über den Sinai zurück, im Gegenzug erhält Israel Nutzungsrechte über den Suez-Kanal und den Golf von Akaba.

1979

7. Jan.

Vietnamesische Truppen vertreiben die Roten Khmer aus der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh und beenden deren Herrschaft. Die Roten Khmer haben binnen vier Jahren 1,7 Millionen Menschen (das entspricht einem Viertel der kambodschanischen Bevölkerung) umgebracht.

16. Jan.

Sturz des Schahs im Iran durch Ayatollah Khomeini

26. März

Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Ägypten und Israel (auf der Grundlage des Abkommens von Camp David vom Sept. 1978)

18. Juni

Unterzeichnung UdSSR

12. Dez.

NATO-Doppelbeschluss: mögliche Aufstellung von Mittelstreckenraketen in Europa

1977

27. Dez.

250

des SALT-II-Vertrages

Invasion der UdSSR in Afghanistan

zwischen

den

USA

und

der

Zeittafel

l.Jan.

28. Feb.

Europäische Integration

Ereignisse in Deutschland

EG-Erweiterung um die Staaten 21. Juni Dänemark, Großbritannien und Irland tritt in Kraft.

Grundlagenvertrag zwischen der BR Deutschland und der DDR vom Dez. 1972 tritt in Kraft.

18. Sept.

Aufnahme der BR Deutschland und der DDR in die U N O

6. Mai

Rücktritt des Bundeskanzlers Willy Brandt und im Anschluss Amtsantritt Helmut Schmidts

4. Sept.

Diplomatische Anerkennung DDR durch die USA

7. Apr.

Beginn einer Folge von Attentaten durch die RAF

der

Unterzeichnung des ersten LomeAbkommens zwischen der EG und den AKP-Staaten

13. März

E W S tritt rückwirkend zum 1. Jan. in Kraft.

7.-10. Juni

Erste Direktwahl des Europäischen Parlaments

251

Zeittafel Internationale Ereignisse 1980

4. Mai

Tod des jugoslawischen Staatspräsidenten Tito

August

Streikwelle in Polen; Gründung der Gewerkschaft „Solidamosc"

21. Sept.

Beginn des Golfkrieges zwischen Iran und Irak

30. Nov.

Beginn der START-Verhandlungen zwischen den USA und der UdSSR

13. Dez.

Verhängung des Kriegsrechts in Polen

1982

6. Juni

Israelischer Einmarsch im Südlibanon

1983

Dez.

Vertagung der START-Verhandlungen auf unbestimmte Zeit (Wiederaufnahme der Verhandlungen im März 1985)

1985

11. März

Michail Gorbatschow wird nach dem Tod von Konstantin Tschemenko Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.

1981

12. März

Wiederaufnahme der START-Verhandlungen

21./22. Nov.

Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und dem US-Präsidenten Reagan in Genf

1986

26. Apr.

Reaktorunfall in Tschernobyl

1987

8. Dez.

Unterzeichnung des INF-Vertrages zwischen den USA und der UdSSR

9. Dez.

Beginn der Intifada in israelisch besetzten Gebieten

Mai

Beginn des Rückzuges der sowjetischen Truppen aus Afghanistan (Beendigung: Februar 1989)

20. Aug.

Waffenstillstand zwischen Iran und Irak

1988

252

Zeittafel Europäische Integration

1. Jan.

Ereignisse in Deutschland

Griechenland wird Mitglied der EG.

1. Okt.

1. Jan.

Erfolgreiches konstruktives Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Wahl des neuen Bundeskanzlers Helmut Kohl

Portugal und Spanien treten der EG bei.

17./28. Febr. Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) 1. Juli

Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) tritt in Kraft.

25. Juni

EG und R G W nehmen Beziehung zueinander auf.

offiziell

253

Zeittafel Internationale Ereignisse 1989

1990

254

9. März

Beginn der Verhandlungen über die Konventionellen Streitkräfte in Europa (VKSE) (KSE-Vertragsschluss im Nov. 1990)

2. Mai

Abbau der Grenzbefestigung an der ungarisch-österreichischen Grenze

4. Juni

Tiananmen-Massaker: gewaltsame Niederschlagung friedlicher Studentendemonstrationen in China (etwa 7.000 Tote)

24. Aug.

Tadeusz Mazowiecki wird zum ersten nicht-kommunistischen Ministerpräsidenten von Polen (seit 1947) gewählt.

10. Sept.

Ungarn öffnet seine Grenzen für die DDR-Bürger zur Ausreise nach Westdeutschland; in der folgenden zeit dürfen Tausende von DDR-Bürgern auch aus der DDR, Polen und der Tschechoslowakei nach Westdeutschland ausreisen.

22. Dez.

Absetzung und Hinrichtung des rumänischen Diktators Ceau9escu

29. Dez.

Wahl von Vaclav Havel zum Präsidenten der Tschechoslowakei

2. Febr.

In Südafrika wird das Verbot des ANC aufgehoben.

11. Febr.

In Südafrika wird der Führer des ANC Nelson Mandela aus der Haft entlassen.

25. März

In den ersten freien Wahlen in Ungarn werden die Kommunisten abgewählt.

2. Aug.

Irakische Truppen marschieren in Kuwait ein.

12. Sept.

Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages zwischen der DDR, der BR Deutschland, den USA, der UdSSR, Großbritannien und Frankreich

19. Nov.

Unterzeichnung des KSE-Vertrages durch die NATO und den Warschauer Pakt

Zeittafel Europäische Integration

1. Juli

Ereignisse in Deutschland 10. Sept.

Ungarn öffnet seine Grenzen für die DDR-Bürger zur Ausreise nach Westdeutschland; in der folgenden zeit dürfen Tausende von DDRBürgern auch aus der DDR, Polen und der Tschechoslowakei nach Westdeutschland ausreisen.

Okt./Nov.

Hunderttausende von DDR-Bürgern demonstrieren für politische und gesellschaftliche Reformen.

7. Nov.

DDR-Regierung tritt zurück.

9. Nov.

Öffnung der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze

3. Dez.

Rücktritt des Politbüros und des Zentralkomitees der SED

Erste Stufe der Wirtschafts- und 1. Juli Währungsunion der EG tritt in Kraft.

Wirtschafts- und Währungsunion zwischen der BR Deutschland und der DDR

12. Sept.

Abschluss des Zwei-plus-VierVertrages zwischen der DDR, der BR Deutschland, den USA, der UdSSR, Großbritannien und Frankreich

3. Okt.

Wiedervereinigung: der Staatsvertrag zwischen der BR Deutschland und der DDR tritt in Kraft.

2. Dez.

Erste gesamtdeutsche Bundestagswahl (Sieg der CDU/CSU-FDPKoalition)

255

Zeittafel Internationale Ereignisse 1991

1992

1993

256

17. Jan.

Angriff multinationaler Truppen unter US-amerikanischer Führung auf den Irak (vom UN-Sicherheitsrat autorisiert): Luftangriffe gegen Ziele im Irak und Kuwait; Raketenangriffe Iraks auf Israel

27-/28. Feb.

Abzug irakischer Truppen aus Kuwait

3. Apr.

Waffenstillstandsresolution des UN-Sicherheitsrates wird vom Irak angenommen: Zerstörung der chemischen und biologischen Waffen und Raketen sowie Reparationen ftlr Kuwait.

25. Juni

Slowenien und Kroatien erklären Unabhängigkeit von Jugoslawien; daraufhin kommt es in Slowenien zu Kampfhandlungen mit der jugoslawischen Bundesarmee. In Kroatien beginnt ein Bürgerkrieg zwischen der kroatischen Nationalgarde auf der einen Seite und der jugoslawischen Bundesarmee und serbischen Freischärlern auf der anderen Seite.

1. Juli

Der Warschauer Pakt wird aufgelöst.

31. Juli

Unterzeichnung des START-I-Vertrages

19. Aug.

(Gescheiterter) Putsch in Moskau gegen Präsident Gorbatschow; im selben Monat erklären die Parlamente von Aserbeidschan, Kirgisien, Moldawien, Tadschikistan, der Ukraine, von Usbekistan und Weißrussland die Unabhängigkeit von der UdSSR.

17. Dez.

Der sowjetische Präsident Gorbatschow und der russische Präsident Jelzin vereinbaren die Auflösung der UdSSR zum 31. Dez.

21. Dez.

Gründung der G U S (Zusammenschluss von elf Sowjetrepubliken)

23. Dez.

Deutschland erkennt die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens an; bis Januar 1992 sprechen sich alle anderen EU-Staaten für die Anerkennung aus.

25. Dez.

Rücktritt des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow

17. März

Reformen (Abschaffung der Apartheid) in Südafrika in einem Referendum durch die weiße Bevölkerung bestätigt

April

Beginn des Bürgerkrieges um Bosnien-Herzegowina

27. Apr.

Serbien und Montenegro rufen die „Bundesrepublik Jugoslawien" aus.

25. Nov.

Das tschechoslowakische Parlament beschließt die Auflösung der Tschechoslowakei zum 31. Dezember und die Aufteilung in die Tschechische und Slowakische Republik.

3. Jan.

Unterzeichnung des START-II-Vertrages

13. Jan.

Unterzeichnung der Chemiewaffenkonvention

13. Sep.

Gaza-Jericho-Abkommen in Washington zwischen Israel und der PLO: vorübergehende Autonomie von Israel besetzter palästinensischer Gebiete bis zu einer endgültigen Regelung

Zeittafel Europäische Integration

7. Feb.

Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages (Nov. 1993 in Kraft getreten)

2. Mai

Vertrag zur Gründung des Europäischen Wirtschaftsraumes wird von Vertretern der EG und EFTA unterzeichnet.

l.Jan.

Europäischer Kraft.

1. Nov.

Maastrichter Vertrag tritt in Kraft.

Ereignisse in Deutschland 20. Juni

Beschluss des Deutschen Bundestages über Berlin als Parlaments- und Regierungssitz

23. Dez.

Deutschland erkennt die Unabhängigkeit von Kroatien und Slowenien an.

Binnenmarkt tritt in

257

Zeittafel Internationale Ereignisse 1994

1995

1996

1997

1998

258

28. Feb.

Erster Kampfeinsatz der NATO seit ihrer Gründung: Abschuss serbischer Kampfflugzeuge über Bosnien-Herzegowina nach deren Missachtung der UN-Flugverbotszone

6. Apr.

Beginn des blutigen Bürgerkrieges in Ruanda mit mehr als einer halben Millionen Ermordeten und Millionen von Flüchtlingen

26. Apr.

Erste freie Wahlen in Südafrika

25. Juli

Friedensschluss zwischen Israel und Jordanien

9. Dez.

Präsident Jelzin autorisiert russischen Militäreinsatz in Tschetschenien.

4. Nov.

Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Rabin

14. Dez.

Unterzeichnung des Vertrags von Dayton: Serbien, Kroatien und Bosnien vereinbaren eine neue Staatsstruktur für Bosnien-Herzegowina und die Stationierung von NATO-Truppen zur Überwachung.

16. Juni

Erste demokratische Präsidentschaftswahl in Russland; Wahlsieger ist Boris Jelzin.

Sept.

Radikal-islamische Taliban-Milizen nehmen die afghanische Hauptstadt Kabul ein und deklarieren einen islamischen Gottesstaat.

29. Apr.

Chemiewaffenkonvention tritt in Kraft.

9. Dez.

Erstmaliges Treffen nach 44 Jahren zwischen Vertretern der am KoreaKrieg beteiligten Staaten Nordkorea, Südkorea, USA und China

Feb.

Verstärkte Kampfhandlungen im Kosovo zwischen Serben und KosovoAlbanern

10. Apr.

Vereinbarung eines Friedensplanes zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland; am 15. Aug. wird ein Attentat in Omagh verübt (25 Tote und 200 Verletzte), wozu sich eine Splittergruppe der IRA („Real IRA") bekennt.

11. Mai

Beginn einer Folge indischer Atomtests; am 28. Mai startet auch Pakistan mehrere Atomtests.

August

Beginn des Bürgerkriegs im Kongo. Die Zahl der Todesopfer aufgrund direkter oder indirekter Kriegsfolgen wird auf 300 pro Tag geschätzt.

23. Okt.

Vereinbarung von Wye zwischen Israel und der PLO: israelischer Truppenrückzug aus weiteren 13 Prozent des Westjordanlandes und Sicherheitsgarantien für Israel

Zeittafel Europäische Integration 1. Jan.

Zweite Stufe der Wirtschafte- und Währungsunion der EU tritt in Kraft.

1. Jan.

EU-Beitritt Finnlands, und Schwedens

26. März

Das Schengener Abkommen tritt in Kraft.

Ereignisse in Deutschland

Österreichs

Februar

2. Okt.

Unterzeichnung Vertrages

des

2. Mai

Der Europäische Rat entscheidet 27. Sept. über die Teilnehmerstaaten der Währungsunion.

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland erreicht mit ca. 4,7 Mio. einen Höchststand.

Amsterdamer

Bei den Bundestagswahlen wird die CDU/CSU-FDP-Koalition nach 16 Jahren von der SPD-Bündnis90/Die Grünen-Koalition abgelöst.

16. Okt.

Der Bundestag beschließt die militärische Beteiligung an möglichen NATO-Einsätzen im Kosovo.

27. Okt.

Gerhard Schröder wird Nachfolger von Bundeskanzler Helmut Kohl.

259

Zeittafel Internationale Ereignisse 1999

2000

260

12. März

Polen, Ungarn und Tschechien treten der NATO bei.

24. März

Beginn von NATO-Luftangriffen (mit deutscher Beteiligung) auf Ziele in Jugoslawien als Reaktion auf Vertreibung und Gewalt gegen die albanischstämmige Bevölkerung im Kosovo

10. Juni

Beschluss des UN-Sicherheitsrates zum Einsatz einer Schutztruppe im Kosovo

20. Juni

Endgültige Einstellung der NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien nach Abzug aller jugoslawischen Militär- und Sicherheitskräfte aus dem Kosovo

16. Juli

Bericht des UNHCR über blutige Übergriffe auf Serben und Roma im Kosovo

30. Okt.

Ende der militärischen Besetzung von Osttimor durch Indonesien und Errichtung einer UN-Übergangsverwaltung

6. Feb.

Russische Truppen nehmen die tschetschenische Hauptstadt Grosny ein; der Krieg in Tschetschenien dauert an.

11. Feb.

Die britische Regierung hebt die Selbstverwaltung Nordirlands auf, als die IRA sich weigert, ihre Waffen abzugeben.

14. Juni

Erstes Gipfeltreffen der Präsidenten Nord- und Südkoreas seit der Teilung des Landes im Jahr 1948

28. Sept.

Wiederaufflammen blutiger Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern in israelisch besetzten Gebieten nach dem Besuch Ariel Sharons, eines Vertreters der konservativen israelischen Likud-Partei, auf dem Tempelberg in Jerusalem.

5./6. Okt.

Nach Massenprotesten gegen Wahlmanipulationen erkennt der jugoslawische Präsident Milosevic den Wahlsieg des Oppositionskandidaten Kostunica bei der Präsidentenwahl am 24. September an und tritt zurück.

internationalen

Zeittafel Europäische Integration

Ereignisse in Deutschland

1. Jan.

Dritte Stufe der Wirtschafts- und 24. März Währungsunion der EU: Einführung des Euro in elf der fünfzehn Mitgliedsstaaten

Deutsche Soldaten beteiligen sich an den Luftangriffen auf Jugoslawien (erste deutsche Beteiligung an einem Kriegseinsatz seit 1945).

16. März

Die Europäische Kommission gibt ihren Rücktritt bekannt (als Folge von Korruptionsvorwürfen gegen einige ihrer Mitglieder).

1. Mai

In Kraft Treten des Amsterdamer Vertrages (vom Okt. 1997)

28. Sept.

Die dänische Bevölkerung lehnt die 3. Jan. Beteiligung am EURO ab.

Die Bonner Staatsanwaltschaft beginnt Ermittlungen gegen Altbundeskanzler Helmut Kohl, der nach eigenen Angaben zwei Millionen Mark von ungenannten Spendern auf Schwarzkonten deponierte.

261

Anhang Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland

Einwohner in Mio.

Fläche in 1.000 qkm

Hauptstadt

Baden-Württemberg

10,4

35,7

Stuttgart München

Bayern

12,1

70,5

Berlin

3,4

0,9

Brandenburg

2,6

29,5

Potsdam

Bremen

0,7

0,4

Bremen Hamburg

Berlin

Hamburg

1,7

0,8

Hessen

6,0

21,1

Wiesbaden

Mecklenburg-Vorpommern

1,8

23,2

Schwerin

Niedersachsen

7,8

47,4

Hannover

17,9

24,0

Düsseldorf Mainz

Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz

4,0

19,8

Saarland

1,1

2,6

Sachsen

4,4

18,3

Dresden

Sachsen-Anhalt

2,6

20,4

Magdeburg

Schleswig-Holstein

2,7

15,7

Kiel

Thüringen

2,5

16,2

Erfurt

ca. 81,7

ca. 356,9

Berlin

Bundesrepublik

Saarbrücken

Anhang Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland

Konrad Adenauer

Ludwig Erhard

Wahl durch den Bundestag

Regierungsparteien

15. September 1949

CDU/CSU, FDP, DP

20. Oktober 1953

CDU/CSU, FDP, DP, BHE

22. Oktober 1957

CDU/CSU, DP

7. November 1961

CDU/CSU, FDP

1

CDU/CSU, FDP

16. Oktober 1963

CDU/CSU, FDP

20. Oktober 1965 Kurt-Georg Kiesinger

1. Dezember 1966

Willy Brandt

21. Oktober 1969

2

14. Dezember 1972 Helmut Schmidt

Helmut Kohl

Gerhard Schröder

16. Mai 1974

CDU/CSU, SPD SPD, FDP 3

4

SPD, FDP SPD, FDP

15. Dezember 1976

SPD, FDP

5. November 1980

SPD, FDP

1. Oktober 1982

5

CDU/CSU, FDP

29. März 1983

CDU/CSU, FDP

11. März 1987

CDU/CSU, FDP

17. Januar 1991

CDU/CSU, FDP

15. November 1994

CDU/CSU, FDP

27. Oktober 1998

SPD, Bündnis 90/Die Grünen

DP: Deutsche Partei BHE: Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten, tritt 1955 aus der Regierung aus

2 3

4 5

nach Rücktritt Ludwig Erhards nach vorgezogenen Neuwahlen am 19. November 1972 aufgrund einer negativ beantworteten Vertrauensfrage nach Rücktritt Willy Brandts Wahl durch konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt 263

Anhang Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland

Amtsantritt

Parteizugehörigkeit

13. September 1949

FDP

Heinrich LUbke

13. September 1959

CDU

Gustav Heinemann

1. Juli 1969

SPD

Walter Scheel

1. Juli 1974

FDP

Karl Carstens

1. Juli 1979

CDU

Richard von Weizsäcker

1. Juli 1984

CDU

Roman Herzog

1. Juli 1994

CSU

Johannes Rau

1. Juli 1999

SPD

Theodor Heuß

264

Anhang Mitgliedsländer der Europäischen Union

Einwohner in Mio. Belgien* (1958) Dänemark (1973) Deutschland* (1958) Finnland* (1995) Frankreich* (1958)

Fläche in 1.000 qkm

10,2

30,5

Hauptstadt Brüssel

5,3

43,0

82,0

357,0

Berlin

Kopenhagen

5,1

338,1

Helsinki

58,2

544,0

Paris

Griechenland (1981)

10,5

132,0

Athen

Großbritannien (1973)

58,9

242,9

London

Irland* (1973)

3,6

70,3

Dublin

Italien* (1958)

57,5

301,3

0,4

2,6

Luxemburg

Luxemburg* (1958)

Rom

15,6

41,9

Amsterdam

Österreich* (1995)

8,1

83,9

Wien

Portugal* (1986)

9,9

92,3

Lissabon

Schweden (1995)

8,8

450,0

Stockholm

39,3

504,8

Madrid

Niederlande* (1958)

Spanien* (1986)

in Klammern: Jahr des Beitritts zur EWG, EG beziehungsweise EU * : Mitglied der Europäischen Währungsunion ( W W U )

265

Anhang Beitrittskandidaten zur Europäischen Union

Staaten, die bei der nächsten EU-Erweiterungsrunde höchstwahrscheinlich der EU beitreten werden: Einwohner in Mio.

Fläche in 1.000 qkm 313

Hauptstadt

Polen

38,6

Warschau

Tschechien

10,3

79

Prag

Ungarn

10,2

93

Budapest

Weitere Staaten, mit denen gegenwärtig Verhandlungen über ihren Beitritt geführt werden: Einwohner in Mio.

Fläche in 1.000 qkm

Hauptstadt

Estland

1,5

45

Tallinn

Slowenien

2,0

20

Ljubljana

Zypern

0,7

9,25

Nikosia

Weitere beitrittswillige Staaten: Einwohner in Mio.

Fläche in 1.000 qkm

Hauptstadt Sofia

Bulgarien

8,4

111

Lettland

2,5

65

Riga

Litauen

3,7

65

Vilnius

Malta

0,4

0,3

Valletta

22,7

238

Bukarest

5,4

49

62,6

780

Rumänien Slowakei Türkei

266

Bratislava Ankara

Mitgliedsländer der N A T O

Einwohner in Mio. Belgien (1949)

Fläche in 1.000 qkm

Hauptstadt

10,2

30,5

Brüssel

5,3

43,0

Kopenhagen

Deutschland (1955)

82,0

357,0

Frankreich* (1949)

58,2

544,0

Paris

Griechenland (1952)

10,5

132,0

Athen

Großbritannien* (1949)

58,9

242,9

London

0,3

103,0

Reykjavik

Dänemark (1949)

Island (1949)

Berlin

Rom

Italien (1949)

57,5

301,3

Kanada (1949)

30,0

9.958,3

Luxemburg (1949)

0,4

2,6

Luxemburg

Niederlande (1949)

15,6

41,9

Amsterdam

4,4

323,8

Norwegen (1949)

Ottawa

Oslo

38,6

312,7

Warschau

Portugal (1949)

9,9

92,3

Lissabon

Spanien (1982)

39,3

504,8

Polen (1999)

Tschechische Republik (1999)

10,3

78,9

Türkei (1952)

62,7

779,4

Ungarn (1999)

10,2

93,0

265,3

9809,1

USA* (1949)

Madrid Prag Ankara Budapest Washington

in Klammern: Jahr des Beitritts * : Staat verfugt über Kernwaffen

267

Anhang Generalsekretäre der Vereinten Nationen

Beginn der Amtszeit

Nationalität

Trygve Lie

1. Februar 1946

Norwegen

Dag Hammarskjöld

10. April 1953

Schweden

Sithu U Thant

3. November 1961'

Birma

Kurt Waldheim

1. Januar 1972

Österreich

Javier Pérez de Cuellar

1. Januar 1982

Peru

Boutros Boutros-Ghali

1. Januar 1992

Ägypten

Kofi Annan

1. Januar 1997

Ghana

1

nach dem Tod Dag Hammarskjölds am 18. September 1961

268