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German Pages [341] Year 2014
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525300473 — ISBN E-Book: 9783647300474
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Mathias Renz
Kartierte Kolonialgeschichte Der Kolonialismus in raumbezogenen Medien historischen Lernens – ein Vergleich aktueller europäischer Geschichtsatlanten
Mit 51 Abbildungen
Vandenhoeck & Ruprecht
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525300473 — ISBN E-Book: 9783647300474
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-30047-3 ISBN 978-3-647-30047-4 (E-Book) Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ó 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
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Inhalt
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . 1.1. Zum Stand der Forschung 1.2. Thema und Fragestellung 1.3. Methodisches Vorgehen .
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2. Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn« – historiographische Perspektiven und geschichtsdidaktische Relevanz . 2.1. Die Kategorie Raum – zwischen Repräsentation und Imagination. 2.1.1. Der Verflochtene Raum – spatial turn und Globalgeschichte 2.1.2. Mental maps als Ausdruck von Raumimagination . . . . . . 2.2. Kolonialgeschichte zwischen Eurozentrismus und Globalgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Nationenzentrierte Erinnerung(en) an die koloniale Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Kolonialgeschichte als Teil globalgeschichtlicher Perspektiven im Geschichtsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methodische Ansätze zur Analyse von Geschichtskarten als mehrschichtige Medien zur Visualisierung von Geschichte . . . . 3.1. Die Geschichtskarte als Medium der Raumvisualisierung und Raumkonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Zeigen, Verschweigen und Auswählen – Auswahlprozesse geschichtskartographischer Darstellung im Spannungsfeld zwischen Generalisierung und Komplexität . . . . . . . . . . 3.3. Die Grammatik der Geschichtskarte . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1. Kartenzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2. Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3. Kartenprojektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
3.3.4. Farbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Geschichtskarte und Multimodalität . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1. Die semiotische Binnenstruktur der Geschichtskarte . . . 3.4.2. Die Geschichtskarte in einer multimodalen Umgebung . . 3.4.3. Erinnerungskultur und Visualisierung – Die Wirkung der Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich . . . . . . . . . . . . 4.1. Die Entwicklung der Geschichtsatlanten in Europa bis 1990 . . 4.2. Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion in Europa . 4.3. Die aktuelle Geschichtsatlantenlandschaft in Europa . . . . . . 4.3.1. Methodische Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2. Klassifikation von Geschichtsatlanten nach Zielgruppen . 4.3.3. Raumdimensionale Klassifikation von Geschichtsatlanten 4.4. Europäische Geschichtsatlanten und Multimodalität . . . . . . . 4.4.1. Kartensequenzen als Gliederungsprinzipien . . . . . . . . 4.4.2. Geschichtskarten und die Vielfalt bildhafter Elemente . . 4.4.3. Geschichtskarten und Texte – Komplementarität und Inkongruenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4. Statistiken, Zeitleisten und paratextuelle Elemente – Orientierung und Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5. Entdecken, Erobern, Aufteilen – Typen der Darstellung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten . . . . . . . 4.5.1. Geschichtskarten als Teil eines europäischen Geschichtskartenkanons zum Kolonialismus . . . . . . . 4.5.2. Themen jenseits konventionalisierter Darstellungsmuster? 5. Die Darstellung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten zwischen persistenten Mythen und globalhistorischer Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Die Fiktion des leeren Raumes – Grenzen und Räume als Konsequenz sozialer und kultureller Konstrukte . . . . . . . . . 5.1.1. Afrikanische Staaten und Reiche in europäischen Geschichtskarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2. Die Rolle von Farben bei der Kartierung kolonialer Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3. Der Wilde Westen an der Atlantikküste – die Veränderung des nord-amerikanischen Grenzlands zwischen 1607 und 1890 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Die Visualisierung von Heldentum – Entdecker und Eroberer .
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Inhalt
5.3. Der Kolonialismus als global history in europäischen Geschichtsatlanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1. »The multiple truths of the mappable world« – Projektionsformen als Optionen zur Überwindung eines europazentrierten Blickes auf die Welt? . . . . . . . . . . . 5.3.2. Globalgeschichtliche Perspektiven in europäischen Geschichtsatlanten am Beispiel von Migrationsgeschichte(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Zwischen Kolonialromantik und globalhistorischer Perspektive – Europäische Geschichtskarten zur Darstellung des Kolonialismus . . 6.1. Die Vielfalt europäischer Geschichtsatlanten . . . . . . . . . . . 6.2. Konventionalisierte Themen in europäischen Geschichtsatlanten 6.3. Thematische und kartenmethodische Schnittflächen . . . . . . 6.4. Postkoloniale Weiterungen und globalgeschichtliche Aspekte . . 6.5. Ausblick und zukünftige Herausforderungen . . . . . . . . . . .
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7. Quellen und Literatur . . . . . . . . 7.1. Europäische Geschichtsatlanten 7.2. Literatur . . . . . . . . . . . . . 7.3. Digitale Ressourcen . . . . . .
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Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Anhang
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Danksagung
Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen des von der DFG geförderten Projektes »Geschichtsatlanten in Europa – Konstruktion und didaktischer Gebrauch raumbezogener Geschichtsdarstellung im transnationalen Vergleich« am Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik der Justus-Liebig-Universität Gießen verfasst. Die Arbeit wurde von Prof. Dr. Vadim Oswalt begleitet, der mir mit fördernden Anregungen, konstruktiver Kritik und inspirierenden Gesprächen stets hilfreich zur Seite stand und dabei die notwendigen Freiräume ermöglichte. Einen herzlichen Dank dafür. Ich kann an dieser Stelle leider nicht alle Personen namentlich erwähnen, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Insbesondere möchte ich allerdings Prof. Dr. Sylvia Schraut für die freundliche und bereitwillige Übernahme des Zweitgutachtens sowie den Mitarbeiter/innen des historischen Instituts bzw. der Geschichtsdidaktik der Justus-Liebig-Universität Gießen für die angenehme und konstruktive Arbeitsatmosphäre danken. Einen besonderen Dank verdient an dieser Stelle Sebastian Bode, der mir stets als Diskussionspartner und Ankerpunkt zur Seite stand. Ein großes Lob möchte ich auch den studentischen Hilfskräften Christian Zeuch, Rebekka Conrad, Jessica Jordan und Caroline Clormann aussprechen, die das DFG-Projekt und somit auch meine Arbeit wesentlich unterstützten. Darüberhinaus gebührt mein Dank den Mitarbeiter/innen des Herder-Instituts in Marburg, des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig und der Universitätsbibliothek der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Für das Korrekturlesen einen besonders herzlichen Dank an Heike Friedewald und Manuela Bäumer. Vor allem möchte ich meiner Familien und insbesondere meiner Frau Franziska für den persönlichen Rückhalt während der Abfassung meiner Dissertation danken.
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1. Einleitung
»Der Informationsgehalt einer Karte ist wie Milch verderblich, und es empfiehlt sich deshalb, vor dem Gebrauch auf das Datum zu schauen«1.
Zeit gilt nach wie vor als »historische Fundamentalkategorie par excellence«2, doch tritt im Zuge des spatial turn und der damit verbundenen Wiederentdeckung des Räumlichen in den Kultur- bzw. Geschichtswissenschaften immer mehr auch der Raum als kulturell konstituiert und historisch wandelbar in den interdisziplinären Fokus.3 Während deutschen Neuzeithistorikern, noch vor wenigen Jahren von Jürgen Osterhammel eine regelrechte Raumabstinenz attestiert wurde, so ist mittlerweile nicht nur von einer »Wiederkehr des Raumes«4 die Rede, sondern Raum ist neben der Zeit zu einer »grundkategoriale[n] Dimension historischen Denkens«5 avanciert. So stellt Vadim Oswalt erstmals die Bedeutung des spatial turn auch für historisches Lernen heraus und markiert Raum als »einen zentralen Baustein zur Einsicht in die Konstruktivität historischen Denkens«6. Er fragt dabei nicht nur nach dem »Wann« und dem »Was«, sondern auch nach dem »Wo«.7
1 Monmonier, Mark: Eins zu einer Million. Basel u. a. 1996, S. 82. 2 Rohlfes, Joachim: Geschichte und ihre Didaktik. Göttingen 2005, S. 46. 3 Vgl. hierzu u. a. Schlögel, Karl: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik. Frankfurt am Main 2006; Weigel, Sigrid: Zum ›topographical turn‹ – Kartographie, Topographie und Raumkonzepte in den Kulturwissenschaften, in: KulturPoetik 2/2 (2002), S. 151 – 165. 4 Osterhammel, Jürgen: Die Wiederkehr des Raumes: Geopolitik und historische Geographie, in: Neue Politische Literatur 43 (1998), S. 374; Vgl. hierzu auch Osterhammel, Jürgen: Raumbeziehungen. Internationale Geschichte, Geopolitik und historische Geographie, in: Ders./Loth, Wilfried (Hrsg.): Internationale Geschichte. Themen-Ergebnisse-Aussichten (Studien zur Internationalen Geschichte 10). München 2000, S. 287 ff. 5 Oswalt, Vadim: Raum und historisches Lernen – elaborierte Konzepte zu einer basalen Dimension geschichtlichen Denkens? in: Kotte, Eugen (Hrsg.): Kulturwissenschaften und Geschichtsdidaktik. München 2011, S. 199; Vgl. hierzu auch Kapitel 2.2. 6 Oswalt: Raum und historisches Lernen, S. 218.
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Einleitung
Durch diese »massive Raumrenaissance«8 in unterschiedlichen Disziplinen wird allerdings auch die Frage nach der Visualisierung von Räumen immer lauter. Während mapping »zu einem Synonym für Wissensorganisation«9 avanciert ist und historische bzw. Altkarten als Gegenstand der historischen Forschung (Quellen) in den letzten Jahren weitreichende Anerkennung fanden, so können vergleichbare Beobachtungen für Geschichtskarten als Medien zur Darstellung von Geschichte nicht gemacht werden.10 »Keine Karte bildet die Wirklichkeit ab – aber trotzdem glauben wir unbeirrt an die Objektivität der Kartographie«11. Vielleicht ist es gerade diese »verführerische Eindeutigkeit«12 der Geschichtskarte, die viele Historiker/innen noch immer auf Distanz hält und eine systematische Erschließung dieses raumbezogenen Mediums historischen Lernens als längst überfällig erscheinen lässt.13 Geschichtsatlanten als Träger von Geschichtskarten sind nicht nur »Quelle ethnozentrischer Selbstbilder«14, sondern sie spiegeln auch die »jeweiligen zeittypischen, grundlegenden Geschichtsauffassung[en], den Stand der geschichtswissenschaftlichen Kenntnisse wie der gerade vorrangigen Geschichtsmethode«15. Ferner prägen Geschichtsatlanten als Bildungsmedien den
7 Oswalt: Das Wo zum Was und Wann. Der »Spatial Turn« und seine Bedeutung für die Geschichtsdidaktik, in: GWU H. 4 (2010), S. 220 – 233. 8 Oswalt: Raum und historisches Lernen, S. 199. 9 Michaslky, Tanja: Raum visualisieren. Zur Genese des modernen Raumverständnisses in Medien der Frühen Neuzeit, in: Geppert, Alexander C. T./Jensen, Uffa/Weinhold, Jörn (Hrsg.): Ortsgespräche. Raum und Kommunikation im 19. und 20. Jahrhundert. Bielefeld 2005, S. 301. 10 Der Medienbegriff enthält hier im geschichtsdidaktischen Verständnis »alles, was primäre oder sekundäre Aussagen über Geschichte beinhaltet«. Doch sei an dieser Stelle auch auf die Unterscheidung von »Quelle« und »Medium« hingewiesen; Pandel, Hans-Jürgen/Schneider, Gerhard: Einführung, in: Ders. (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2002, S. 7. 11 Michalsky, Tanja: Die Welt entsteht im Kopf, in: Süddeutsche Zeitung vom 23. 10. 2010, S. 18. 12 Oswalt, Vadim: Wie Geschichte zweidimensional wird. Aus der Werkstatt eines Autors, in: Dipper, Christoph/Schneider, Ute/Behring, Wolfgang (Hrsg.): Kartenwelten. Darmstadt 2006, S. 35. 13 Entsprechend wird auch auf eine kartographiehistorische Darstellung in dieser Arbeit verzichtet, in der die Karte als Quelle näher fokussiert wird; Vgl. hierzu beispielsweise Schneider, Ute (Hrsg.): Die Macht der Karte. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute. Darmstadt 2004; Black, Jeremy : Maps and History. Constructing images of the past. New Haven 1997; Black, Jeremy : Visions of the World. A History of Maps. London 2005. 14 Mittag, Detlef: Schulgeschichtsatlanten – eine Quelle ethnozentrischer Selbstbilder? in: Internationale Schulbuchforschung 21 (1999), Heft 3, S. 217 – 234; Ders.: Geschichtsbilder in Schulgeschichtsatlanten. Ein diachroner und synchroner Vergleich (Dissertation). Hagen 1997. 15 Schraut: Geschichtsatlanten im Spannungsverhältnis von Zeitgeist, aktuellem politischen Geschehen und Geschichtswissenschaft, in: Brunner, Kurt/Heinz, Brunner (Hrsg.): 10.
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Zum Stand der Forschung
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»Zeitgeist«16 und beeinfluss(t)en somit nicht nur die nationalen Geschichtsbilder ganzer Schülergenerationen, sondern auch deren »Wahrnehmung anderer Länder in Zeit und Raum«17.
1.1. Zum Stand der Forschung Rudi Ogrissek betont zwar bereits in den 1960er Jahren den Stellenwert der Karte für Historiker als ein »Informationsmittel mit spezifischem Informationsgehalt«18, dennoch wurde dieser Ansatz nicht systematisch weiterverfolgt. Aktuelle Untersuchungen, wie jene von Detlev Mittag, Patrick Lehn und Sylvia Schraut, sind wichtige Beiträge zur Erschließung des Bildungsmediums Geschichtsatlas, indem sie ihren Blick besonders auf Geschichtskarten in historischen Schulatlanten richten.19 Doch gilt es, jene Betrachtungen durch die Auseinandersetzung mit Karten, als Geschichtsdarstellungen der Gegenwart, zu ergänzen. Im Gegensatz zur Geschichtswissenschaft betrachtet die Geschichtsdidaktik nicht vornehmlich historische Karten als Quellen (Medien aus der Geschichte), sondern nimmt verstärkt die Geschichtskarte als »Medium zur Geschichte« (Darstellung) in den Fokus. Während als Standardwerk der 1960er Jahre noch immer die Monographie von Hans-Joachim Fiala »Die Karte im Geschichtsunterricht« Beachtung findet, sind Autoren wie Irmgard Hantsche, Werner Vathke, Egon Breetz, Herbert Raisch, Michael Sauer und Christina Böttcher zu nennen, die sich besonders den methodischen Aspekten der Kartenarbeit im Geschichtsunterricht zuwenden.20 Doch gerade durch die Arbeiten von Vadim
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Kartographie-historisches Colloquium (14.–16. September 2000 in Bonn). Bonn 2008, S. 299. Schraut, Sylvia: Sind Geschichtsatlanten »objektiv«? in: Damals 6 (2000), S. 44 f. Schraut, Sylvia: Geschichtsatlanten im Spannungsverhältnis, S. 299. Ogrissek, Rudi: Die Karte als Hilfsmittel des Historikers. Gotha 1968, S. 7. Vgl. Mittag: Geschichtsbilder in Schulgeschichtsatlanten; Vgl. Lehn, Patrick: Deutschlandbilder. Historische Schulatlanten zwischen 1871 und 1990 – ein Handbuch. Köln 2008; Schraut, Sylvia: Kartierte Nationalgeschichte. Geschichtsatlanten im internationalen Vergleich 1860 – 1960. Frankfurt am Main 2011. Vgl. hierzu u. a. Fiala, Hans Joachim: Die Karte im Geschichtsunterricht (Methodische Beiträge zum Unterricht im Fach Geschichte 6). Berlin 1967; Hantsche, Irmgard: Geschichtskarten im Unterricht, in: Geschichte Lernen 59 (1997), S. 5 – 12; Vathke, Werner : Kartenarbeit, in: Pandel, Hans-Jürgen/Schneider, Gerhard/Beddig, Rainer (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Düsseldorf 1985, S. 145 – 167; Breetz, Egon: Fächerübergreifende Ausbildung der Schüler/innen in Kartenverständnis und Kartennutzung, in: Deutsche Gesellschaft für Kartographie e. V. (Hrsg.): Aspekte zur Gestaltung und Nutzung von Karten für den Schulunterricht (Kartographische Schriften 8) Bonn 2003, S. 9 – 16; Raisch, Herbert: Die Karte – ein vernachlässigtes Medium der Geschichtsdidaktik, in: Schönemann, Bernd/Meyer, Robert (Hrsg.): Geschichtsbewußtsein und Methoden historischen Lernens (Schriften zur Geschichtsdidaktik 8) Weinheim 1998, S. 169 – 186; Sauer, Michael: Karten und Kartenarbeit im Geschichtsunterricht, in GWU H. 1 (2000), S. 37 – 46;
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Einleitung
Oswalt21 und die Realisierung des DFG-Projektes »Geschichtsatlanten in Europa« seit Februar 2009 wird auch der Weg zur systematischen Erschließung des aktuellen Bildungsmediums geebnet. Autoren wie John Brian Harley, Jeremy Black oder Denis Wood22 sehen Geschichtskarten bereits seit geraumer Zeit nicht einfach als gefährliche Fehlerquelle oder als Mittel der Illustration. Karten werden gemäß dekonstruktivistischen Ansätzen verstärkt als »selective representations of reality«23 verstanden, die als eine eigenständige Kodierung neben Texten gleichwertig zur Verfügung stehen und als Medium der Kommunikation Anerkennung finden. Ferner ist unter neueren dekonstruktivistischen Ansätzen neben dem sozio-kulturellen Kontext auch die Perspektive der Kartenredakteur/innen und deren Intentionen zu einem wichtigen Referenzpunkt der Geschichtskartenanalyse herangewachsen. Während Mark Monmonier selbst aktuelle Karten als höchst manipulative Objekte charakterisiert, so nutzt John Brian Harley eher die ikonologische Herangehensweise, indem er Karten als Bilder betrachtet und sie nicht mehr als passive Widerspiegelung der Objektwelt versteht. »Es geht deshalb nicht um die traditionelle kartographische Kritik zwischen richtig oder falsch, genau oder ungenau, objektiv oder subjektiv, direkt oder symbolisch, sondern um die inhaltliche Selektivität und die Zeichen und Stile ihrer Repräsentation«24. Während das Feld der internationalen Schulbuchforschung in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch das Georg-Eckert-Institut in Braunschweig, an Bedeutung gewonnen hat, so blieb doch aber auch hier das Medium Geschichtskarte in Geschichtsbüchern und -atlanten bis auf wenige Ausnahmen25 weitge-
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Ders.: Zwischen Deutung und Manipulation. Kritischer Umgang mit Geschichtskarten, in: Geschichte Lernen 59 (1997), S. 53 – 58; Böttcher, Christina: Die Karte, in: Pandel, HansJürgen/Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 1999, S. 170 – 197; Ders.: Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie, in: Deutsche Gesellschaft für Kartographie e. V. (Hrsg.): Aspekte zur Gestaltung und Nutzung von Karten für den Schulunterricht, S. 41 – 69; Ders.: Die Darstellung von Zeit in Geschichtskarten, in Geschichte Lernen 59 1999, S. 48 – 52. Vgl. u. a. Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird; Bode, Sebastian/Renz, Mathias: Die Kartierung des Nicht-Kartierbaren. Die Visualisierung des Holocaust in aktuellen europäischen Geschichtskarten, in: Peter Haslinger ; Vadim Oswalt (Hrsg.): Kampf der Karten. Propaganda- und Geschichtskarten als politische Instrumente und Identitätstexte in Europa seit 1918, Marburg 2012. Vgl. u. a. Harley, John Brian: The New Nature of Maps. Essays in the history of Cartography. Baltimore 2002; Ders.: Deconstructing the Map, in: Cartographica 26 (1989) H. 2, S. 1 – 20; Black: Maps and History ; Wood, Denis: Rethinking the Power of Maps. New York 2010. Black, Jeremy : Maps and politics. Chicago 2002, S. 11. Vollmar, Rainer : Die Vielschichtigkeit von Karten als kulturhistorische Produkte, in: Unverhau, Dagmar (Hrsg.): Geschichtsdeutung auf alten Karten. Archäologie und Geschichte. Wiesbaden 2003, S. 382. Vgl. Grindel, Susanne: Deutscher Sonderweg oder europäischer Erinnerungsort? Die Dar-
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Thema und Fragestellung
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hend unberührt. Doch reicht es schon lange nicht mehr, wie eingangs von Mark Monmonier empfohlen, nur »auf das Datum zu schauen«, denn die Geschichtskarte ist schließlich auch ein Ausdruck subjektiver Wahrnehmungsmuster und der Konstruktion von Identitäten. Gerade im Hinblick auf die EU-Osterweiterung und die damit verbundene Neuausrichtung eines europäischen Raumkonzeptes ist demnach eine gesamteuropäische Fokussierung auf das Medium Geschichtskarte zwingend notwendig. Schließlich bilden gerade jene vergleichenden transnational-europäischen Studien und Analysen ein beachtliches Forschungsdesiderat mediendidaktischer Forschung. Aber auch das generelle Problem zum Verhältnis von Raum und Geschichte bedarf im Zuge einer zunehmend globalhistorischen Perspektive auf die Welt26 einer Erhellung, denn es ist gerade die Geschichtskarte, die wie kaum ein anderes Medium die Standortgebundenheit historischer Betrachtungsweisen herausstellen kann und Geschichte so aus unterschiedlichen europäischen Perspektiven erzählbar macht. Ebenso wenig wurden Aspekte von Multimodalität bzw. Intermedialität bisher systematisch analysiert, indem die Geschichtskarte beispielsweise auf Formen und Funktionen von Medienkombinationen untersucht bzw. die Auswirkungen des medialen Zusammenspiels berücksichtigt wurden.27
1.2. Thema und Fragestellung Für die systematische Analyse des Bildungsmediums Geschichtskarte wird, angesichts der engen Verknüpfungen zwischen medial-methodischen Aspekten und einem thematischen Schwerpunkt, eine mehrschichtige Themensetzung und Fragestellung als Zugriff gewählt. Dieses Vorgehen resultiert vor allem aus der Interdisziplinarität des Untersuchungsgegenstandes an der Schnittstelle zwischen Historiographie, Geschichtsdidaktik, Kartographie, Semiotik und Medienwissenschaften. Charles Maier betrachtet den Kolonialismus28 im Kontext einer globalisierten Welt als eine Art neue Meistererzählung, die andere Erzählungen der Moderne stellung des modernen Kolonialismus in neueren deutschen Schulbüchern, in: Internationale Schulbuchforschung 30 (2008), S. 695 – 717. 26 Andrea Komlosy betont in diesem Zusammenhang Globalgeschichte als eine »Teildisziplin der Geschichtswissenschaft […], die aus keinem Lehrplan mehr wegzudenken ist«; Komlosy, Andrea: Globalgeschichte. Methoden und Theorien. Wien u. a. 2011, S. 7; Vgl. hierzu auch Kapitel 2.2. 27 Vgl. hierzu u. a. Rajewsky, Irina O.: Intermedialität. Tübingen 2002, S. 18. 28 Zur begrifflichen Abgrenzung von Kolonialismus und Imperialismus (inhaltlich, zeitlich, räumlich) Vgl. Kapitel 2.2.
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Einleitung
durchaus ablösen könnte.29 Als wichtiger Entwicklungsfaktor des heutigen Welthandelssystems, früher Ausdruck einer globalisierten Welt und somit Sinnbild veränderter Kommunikationsstrukturen unter globalhistorischer Perspektive stellt der Kolonialismus aber auch einen idealen thematischen Rahmen einer vergleichenden Analyse von Geschichtskarten dar.
Thematische Ebene – Kolonialismus Am Beispiel Frankreichs aktueller Auseinandersetzung mit der französischen Kolonialgeschichte, der gelegentlich verzerrt anmutenden britischen Vorstellung vom Ende des eigenen Empires oder der vielfach diskutierten Frage, ob die Wurzeln der nationalsozialistischen Verbrechen im deutschen Kolonialismus zu finden sind, zeigt sich, dass der europäische Kolonialismus ein Themenfeld ist, das bis heute an Brisanz und Aktualität nichts eingebüßt hat. Vielmehr sind die europäischen Expansionsbestrebungen von etwa 1400 bis 1914 mittlerweile »als Teil eines gemeinsamen kollektiven Gedächtnisses, als ›europäischer Erinnerungsort und Ausdruck einer besonderen ›histoire crois¦e‹, einer mehrfach geteilten Geschichte« zu bewerten30. Während Karten in der internationalen Schulbuchforschung bereits Beachtung fanden und der Frage des Kolonialismus als Erinnerungsort nachgegangen wurde31, blieb dennoch eine systematische Analyse von Geschichtskarten in Geschichtsatlanten im europäischen Kontext weiterhin aus. Der Kolonialismus ist weder nur ein Teil nationaler Geschichtsschreibung, noch nur ein Aspekt gemeinsamer europäischer Geschichte, sondern ein bedeutendes Fragment globaler Geschichte, da Räume weltweit direkt oder indirekt, aktiv oder passiv betroffen waren und sind. Umso bedeutender werden also globalhistorische Perspektiven auf den Kolonialismus und dessen Darstellung im Kartenbild. »Schließlich ist Kolonialismus [auch] die Geschichte der Erinnerung an Kolonialherrschaft, die Geschichte der Kämpfe um Deutungen und Bewertungen kolonialer Erfahrungen«.32 Besonderen Ausdruck findet dieses in der Vermittlung und Konservierung von Weltbildern, Wertmustern, Vorurteilen, Stereotypen, Feindbildern und Ideologien mittels raumzeitlicher Visualisierungen. Dabei steht vor allem der »Blick von Europa aus auf die Welt« im Fokus, sodass sich diese Arbeit ihrer Standortgebundenheit
29 Vgl. Maier, Charles: Consigning the Twentieth Century to History. Alternative Narratives for the Modern Era, in: American Historical Review Bd. 105 (2000), S. 807 – 831. 30 Grindel: Deutscher Sonderweg oder europäischer Erinnerungsort, S. 695. 31 Vgl. ebenda. 32 Speitkamp, Winfried: Deutsche Kolonialgeschichte. Stuttgart 2005, S. 12.
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Thema und Fragestellung
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durchaus bewusst ist und Europa nicht »nur als Subjekt, sondern auch als Objekt der Expansion und ihrer Rückwirkungen«33 begreift. Diese Dissertation zielt somit unter globalhistorischer Schwerpunktsetzung auf folgende Fragen der thematischen Ebene ab: Wie wird der europäische Kolonialismus in aktuellen Geschichtskarten dargestellt und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich insbesondere zwischen ehemaligen großen Kolonialmächten im Vergleich zu Staaten ohne oder mit geringem »kolonialem Engagement« erkennen? Welche Weltbilder, Wertmuster, Vorurteile, Feindbilder und Ideologien werden durch die Geschichtskarte vermittelt bzw. korrigiert und welche Rückschlüsse auf das vermittelte Geschichtsbild können getroffen werden? Inwieweit können globalgeschichtliche Positionierung in europäischen Geschichtskarten zur Überwindung einer eurozentrischen Darstellung des Kolonialismus beitragen?
Medial-methodische Ebene Eine Analyse von aktuellen Geschichtskarten europäischer Geschichtsatlanten unter o. g. Fragestellungen ist allerdings nur möglich, wenn sie mit einer medialmethodischen Analyse einher geht, deren Notwendigkeit nicht zuletzt auch aus dem extrasignifikanten Verweis der Karte34 auf die zu ihrer Entstehung beigetragenen Faktoren (Autor, Gesellschaft, sozio-kulturelle Rahmensetzung etc.) resultiert und eine Verzahnung der Untersuchungsebenen unerlässlich macht. Somit wird es notwendig, nach dem umfangreichen Repertoire kartographischer Werkzeuge und Methoden ebenso zu fragen wie nach dem Einfluss didaktischer Reduktionen auf die Kartenaussage, dem Entstehungskontext und der Zementierung von Kartenbildern. Sowohl die semiotische Binnenstruktur als auch die multimodale Umgebung der Geschichtskarte stellen dabei wichtige Analyseschwerpunkte dar, denn nur wenn die Karte in ihrem Kommunikationszusammenhang betrachtet wird, also im medialen Zusammenspiel mit anderen Medien (Karte-Karte, Karte-Bild, Karte-Text), kann die Gesamtaussage und das somit generierte Raum- und Geschichtsbild analysiert werden. Als Fragestellung auf der medial-methodischen Ebene ergibt sich somit weiterhin: Inwieweit werden raum-zeitliche Visualisierungen zur Geschichte des europäischen Kolonialismus und deren Aussagen von ihrem Entwicklungsprozess, kartographischen Mitteln und Methoden, Mechanismen der didaktischen Reduktion und multimodalen Aspekten beeinflusst? 33 Wendt, Reinhard: Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Europa und die Welt seit 1500. Paderborn 2007, S. 11. 34 Wood, Denis: The power of maps, New York 1992, S. 116.
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Einleitung
1.3. Methodisches Vorgehen Die Vielschichtigkeit der Analyse findet nicht nur in der Auswahl des sehr heterogenen Untersuchungskorpus ihren Ausdruck (364 Geschichtsatlanten aus 37 Ländern)35, sondern bedient sich auch interdisziplinärer methodischer Zugänge, ohne die eine Erfassung der mehrschichtigen Sinnstrukturen kartographischer Darstellungen nicht gegeben wäre. So werden einerseits die thematischen Bezüge mittels fachwissenschaftlicher hermeneutischer Verfahren ergründet, wohingegen medienanalytische Verfahren eher im Sinne einer Produktanalyse anzuwenden sind. Anknüpfungspunkte bieten die qualitative Inhaltsanalyse, die eine Scharnierposition zwischen qualitativer und quantitativer Forschung einnimmt und dabei nach Verbindungen und Integrationsmöglichkeiten beider sucht.36 Ansätze aus der sozialwissenschaftlichen Schulbuchforschung geben dabei einen systematischen Rahmen.37 Im Hinblick auf eine vergleichende Geschichtskartenanalyse bedarf es zunächst einer näheren Betrachtung der Grundkategorie Raum, bevor Kolonialgeschichte anschließend mit einer räumlichen Perspektivierung in den Mittelpunkt von Historiographie und Geschichtsdidaktik gerückt werden kann (Kapitel 2). Anschließend erfolgt ein Blick auf methodische Ansätze zur Analyse von Geschichtskarten, um ein geschichtskartographisches Instrumentarium vorzubereiten, das eine vergleichende Kartenanalyse auf europäischer Ebene ermöglicht. Neben Aspekten der Raumvisualisierung und der Raumkonstruktion werden dabei auch die »Grammatik der Geschichtskarte« (Kartenzeichen, Maßstab, Kartenprojektion, Farbe etc.), sowie deren semiotische Binnenstruktur und ihre multimodale Einbettung thematisiert. Dieses Vorgehen orientiert sich an Peter Weinbrenners Ausführungen zur sozialwissenschaftlichen Schulbuchforschung und geht von einer produktorientierten Zugangsweise und entsprechenden inhaltsanalytischen Verfahren aus (Kapitel 3). Mit einer Darstellung zur Entwicklung des (Schul-)Geschichtsatlasses in Europa bis 1990 wird der europäische Vergleich des Bildungsmediums eröffnet und durch die Erläuterung von Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion weitergeführt (Kapitel 4). Da Geschichtsatlanten als Bildungsmedien zu verstehen sind, werden an dieser Stelle u. a. auch Auswahl- bzw. Zulassungs35 Nähere Informationen zum Untersuchungskorpus und zur Länderauswahl unter »Methodische Vorbemerkungen« (Kapitel 4.3.1.). 36 Vgl. Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim 2008. 37 Vgl. Weinbrenner, Peter : Grundlagen und Methodenprobleme sozialwissenschaftlicher Schul-buchforschung, in: Olechowski, Richard: Schulbuchforschung. Frankfurt am Main 1995, S. 21 – 42.
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Methodisches Vorgehen
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verfahren, curriculare Vorgaben, Verlagsinteressen und methodische Ansätze zur Kartenarbeit im Geschichtsunterricht anhand von Länderbeispielen in den Blick genommen. Neben der Thematisierung von multimodalen Bezügen in europäischen Geschichtsatlanten markiert auch deren Klassifikation nach Zielgruppen und Raumbezügen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur thematischen Gruppierung des Kartenbestandes (Kapitel 4.5.). Diese Gruppierung von Geschichtskarten zur Darstellung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten orientiert sich an deren Darstellungsschwerpunkten, sodass in der Auseinandersetzung mit dem Material Analysekategorien entwickelt werden, wobei sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte berücksichtigt werden. Die hier präsentierten Geschichtskartentypen stellen die Ausgangsbasis für nachfolgende Analysen bereit (»Europäischer Geschichtskartenkanon« – Kapitel 4.5.1.). Die Medienanalyse im Sinne eines synchronen produktorientierten Vorgehens bildet den Untersuchungsschwerpunkt, sodass hier nur begrenzt diachrone Besonderheiten thematisiert werden können.38 Die Schwerpunktsetzung erfolgt aufgrund fachwissenschaftlicher- und kartenmethodischer Erwägungen aus dem Material heraus (induktiv). Dabei werden primär kontroverse postkoloniale Fragen und raumbezogene Darstellungsmuster betont, sodass drei zentrale Aspekte in den Fokus rücken: – Die Darstellung von kolonialen Grenzen und Räumen (Kapitel 5.1.) – Die Visualisierung von Personengeschichte (Kapitel 5.2.) – Die globalgeschichtliche Perspektive auf den Kolonialismus (Kapitel 5.3.) Um eine Analyse der Innen- und Außenperspektive europäischer Geschichtskarten realisieren zu können, ist eine enge Verbindung zwischen thematischerund medial-methodischer Ebene unverzichtbar, sodass im Einzelnen folgende Aspekte exemplarisch berücksichtigt werden: Mit besonderem Schwerpunkt erfolgt eine Untersuchung formaler Gestaltungsaspekte entlang thematischer Bezüge (kartographisches Repertoire etc.), da die Kartographie den formalen Aspekt fixierter Kommunikation des Mediums Geschichtskarte liefert (Kartenzeichen, Kartenschrift, Farben etc.). Der Kommunikationskontext, in dem die Geschichtskarte zu verorten ist, wird im Rahmen dieser Untersuchung induziert (Kartenautor/innen, Multimodalität etc.). Qualitative Aussagen der Geschichtskartenanalyse werden quantitativ durch Frequenz- und Raumanalysen39 untermauert. 38 Vgl. hierzu vielmehr Mittag: Geschichtsbilder in Schulgeschichtsatlanten; Vgl. Lehn: Deutschlandbilder ; Vgl. Schraut: Kartierte Nationalgeschichte. 39 Vgl. Marienfeld, Wolfgang: Schulbuchanalyse und Schulbuchrevision: Zur Methodenpro-
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Einleitung
Um auch die tieferen und auf den ersten Blick verborgenen Dimensionen des Kartenbildes erschließen zu können, ist ein dekonstruktivistisches Vorgehen40 ein weiterer flankierender Analyseschritt. Im letztgenannten Bereich werden Geschichtsatlanten auf ihren symbolischen Gehalt und ihre Wertinhalte geprüft, die wiederum nicht nur als passive Wiederspiegelung der Objektwelt verstanden werden (ikonische Herangehensweise)41. Erst so wird es beispielsweise möglich, »rassistische Stereotype, Vorurteile, Bizarrheiten und Vorherrschaftsmerkmale wie Festungen, Soldaten, europäische Schiffe, Ausfuhrgüter und typische Handelsszenen oder Christianisierungszeichen für die ›Wilden‹« systematisch zu analysieren42 und nationale oder gar gemeinsame europäische Geschichtsbilder auszumachen. Das dekonstruktivistische Vorgehen schlägt außerdem die Brücke zur Kontextanalyse, wodurch nicht nur die Aspekte der Kartenproduktion (Persistenz von Kartenbildern etc.) oder sozioökonomischer Rahmenbedingungen (»social construction of reality«)43 in die Analyse eingeschlossen werden, sondern auch die Bedeutung von Kartenautor/innen und deren Intentionen innerhalb des Kommunikationsprozesses als wichtige Referenzpunkte der Karte betont werden.
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blematik, in: Internationales Jahrbuch für Geschichts- und Geographie-Unterricht 17 (1976), S. 51. Vgl. hierzu u. a. Black: Maps and Politics; Wood, Dennis: The fine line between Mapping and Mapmaking, in: Cartographica 4 (1993), S. 50 – 60; Harley : Deconstructing the Map. Vgl. Harley : Deconstructing the Map. Vollmar : Die Vielschichtigkeit von Karten als kulturhistorische Produkte, S. 382. Wood: The fine line between Mapping and Mapmaking, S. 52.
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2. Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn« – historiographische Perspektiven und geschichtsdidaktische Relevanz
Die Raumrenaissance der letzten Jahre in den Geschichts- und Kulturwissenschaften (spatial turn) und die damit eng verbundene Stärkung der Grundkategorie Raum in der Geschichtsdidaktik1 machen besonders in einer globalgeschichtlichen Perspektive auf den Kolonialismus die Thematisierung von Raum essentiell. Im Hinblick auf eine vergleichende Geschichtskartenanalyse bedarf es im Folgenden zunächst einer näheren Betrachtung der Grundkategorie Raum, bevor Kolonialgeschichte mit einer räumlichen Perspektivierung in den Mittelpunkt von Historiographie und Geschichtsdidaktik gerückt werden kann. Schließlich können, ohne dass Raum und Zeit explizit genannt oder implizit berücksichtigt werden, »keine historischen Aussagen formulier[t] oder Einsichten gew[o]nnen« werden.2
2.1. Die Kategorie Raum – zwischen Repräsentation und Imagination Nach Immanuel Kant ist neben der Zeit vor allem der Raum »eine notwendige Vorstellung, a priori, die allen äußeren Anschauungen zu Grunde liegt«3. Bereits vor der »Wiederkehr des Raumes«4 und dem Aufkommen des mittlerweile fast schon inflationär und transdisziplinär gebräuchlichen Terminus des spatial turn bzw. des topographical/topological turn5 bestand kein Konsens (auch nicht in1 So markiert Vadim Oswalt Raum und Zeit als »grundkategoriale Dimensionen historischen Denkens«; Oswalt: Raum und historisches Lernen, S. 199. 2 Ebenda, S. 200. 3 Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft (Hrsg. von Wilhelm Weischedel) Frankfurt am Main 1977, S. 72. 4 Osterhammel: Die Wiederkehr des Raumes, S. 374 – 397. 5 Vgl. hierzu Günzel, Stephan: Spatial Turn – Topographical Turn – Topological Turn. Über die Unterschiede zwischen Raumparadigmen, in: Döring, Jörg/Thielmann, Tristan (Hrsg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Bielefeld 2008,
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
nerhalb der Geographie) über die Frage, was unter dem Raumbegriff überhaupt zu fassen ist. Angloamerikanische und französische Darstellungen zur Geschichte kommen kaum ohne die Kategorie Raum und dessen Visualisierung aus und können dabei auf eine intensive methodische Auseinandersetzung mit Karten als Medien der Raumvisualisierung zurückgreifen.6 Dagegen attestiert Jürgen Osterhammel noch Ende der 1990er Jahre deutschen Neuzeithistorikern sogar eine regelrechte »Raumabstinenz« und eine »Weigerung, […] Geschichte im Raum zu sehen«7. Die Ursachen für einen solchen Nachholbedarf liegen einerseits in der Tradition des klassischen Historismus8 und der damit verbundenen Dominanz der Zeit als historische Leitkategorie. Die Skepsis der deutschsprachigen Forschung gegenüber dem Raum basiert aber vor allem auf der Instrumentalisierung des Raumkonzepts durch die nationalsozialistische Propaganda. Die Redewendung vom »Volk ohne Raum« und die Veröffentlichung des gleichnamigen Buches von Hans Grimm bereits 1926 seien hier stellvertretend für die ideologisierten Territorialkonzepte der Weimarer Zeit genannt, die letztlich in der nationalsozialistischen Lebensraumpolitik und der Blut- und Boden-Ideologie gipfelten.9 Jürgen Osterhammel geht sogar davon aus, dass »[g]eographischer oder gar geopolitischer Determinismus […] seitdem eine der schlimmsten Sünden geblieben [ist], deren ein Historiker überführt werden kann«10. Seit einigen Jahren hat die deutschsprachige Forschung den Raum als »feste Größe« wiederentdeckt und begonnen Berührungsängste abzubauen. Spätestens mit Karl Schlögels viel diskutiertem Werk »Im Raume lesen wir die Zeit«11
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S. 219 – 239; Bachmann-Medick, Doris: Cultural turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek 2010. Vgl. hierzu beispielsweise: Bertin, Jacques: Graphische Darstellungen und die graphische Weiterverarbeitung von Information. Berlin 1982 (Originaltitel: La Graphique et le Traitement Graphique de l’Information, 1977); Ders.: Graphische Semiologie. Diagramme, Netze, Karten. Berlin 1974 (Originaltitel: S¦miologie graphique: Les diagrammes, Les r¦seaux, les cartes, 1967); Black: Maps and History ; Wood: Rethinking the power of maps; Harley : Deconstructing the Map. Osterhammel: Die Wiederkehr des Raumes, S. 374. Vgl. Ebenda, S. 374. Vgl. hierzu vor allem Herb, Guntram: Under the Map of Germany. Nationalism and Propaganda 1918 – 1945. London 1997; Schultz, Hans-Dietrich: Raumkonstrukte der klassichen deutschsprachigen Geographie des 19./20. Jahrhunderts im Kontext ihrer Zeit, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 343 – 347; Ders.: Sie wussten, was sie taten! Die propagandistische »Kraft der Karte« in der deutschen Schulgeographie der Zwischenkriegszeit, in: Tzschschel, Sabine: Visualisierung des Raumes: Karten machen – die Macht der Karten (Forum Bd. 6), Leipzig 2006, S. 13 – 39. Osterhammel, Jürgen: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. München 2011, S. 129. Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit.
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Die Kategorie Raum – zwischen Repräsentation und Imagination
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ist unter deutschen Neuzeithistorikern ein verstärktes Mitdenken der Kategorie Raum beobachtbar. Vor dem Hintergrund einer breiten Auseinandersetzung mit Raumfragen allein in den Geschichts- und Kulturwissenschaften und einer Vielzahl von Raumkonzepten12 ist es kaum überraschend, wenn an dieser Stelle keine allgemeingültige Raum-Definition angeboten werden kann. Lediglich die Annahme eines kommunikativen Zusammenhangs von Raumwahrnehmung, -vorstellung und -gestaltung erscheint ebenso wie die Darstellung, Beschreibung und Imagination von Räumen13 als eine Art Minimalkonsens im Ringen um den Raumbegriff. Auch wenn Raum als »konzeptioneller Grenzgänger zwischen ›Physis‹ (Materialität) und ›Idee‹ (Mentalität)«14 beschrieben wird oder sogar als »trojanisches Pferd der Wissenschaft«15 gilt, handelt es sich doch um eine zentrale Kategorie historischen Denkens.16 Obwohl es den historischen Raum als solchen nicht gibt17, so ist Raum doch sowohl eine Voraussetzung für Geschichte als auch »in Form der gelebten Raumbezüge deren Produkt«.18 Das Reflektieren über den Raum muss in Historiographie und Geschichtsdidaktik zu einem notwendigen Bestandteil werden, da sonst die »Konstruktivität historischen Denkens an einem zentralen Punkt verborgen bleibt«19. Vadim Oswalt beschreibt in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, das dem Historiker vertraute »Was« und »Wann« durch ein »Wo« zu ergänzen und betont dabei die Bedeutung des spatial turn für die Geschichtsdidaktik. Über die ContainerVorstellung von Raum hinweg stellt er ferner eine Typologie der Raumbezüge im historischen Lernen fest. Diese reicht vom »sektoral- bzw. dimensional gegliederten Raum«, über den »verflochtenen Raum« und den »historischen Handlungs- und Geschehensraum« hin zum »Naturraum« und dem »Mentalraum«.20 12 Einen interdisziplinären Überblick bietet Günzel, Stephan (Hrsg.): Raum. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2010; Für die Kultur- und Sozialwissenschaften vgl. auch Döring, Jörg/Thielmann, Tristan (Hrsg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kulturund Sozialwissenschaften. Bielefeld 2008. 13 Michalsky, Tanja: Raum visualisieren. Zur Genese des modernen Raumverständnisses in den Medien der Frühen Neuzeit, in: Geppert, Alexander C. T./Jensen, Uffa/Weinhold, Jörn (Hrsg.): Ortsgespräche. Raum und Kommunikation im 19. Und 20. Jahrhundert. Bielefeld 2005, S. 288. 14 Miggelbrink, Judith: Die (Un)Ordnung des Raumes. Bemerkungen zum Wandel geographischer Raumkonzepte im ausgehenden 20. Jahrhundert, in: Geppert/Jensen/Weinhold: Orstgespräche, S. 80. 15 Ebenda, S. 85. 16 Rüsen, Jörn: Vorwort, in: Geppert, Alexander/Jensen, Uffa/Weinhold, Jörn: Ortsgespräche. Raum und Kommunikation im 19. und 20. Jahrhundert. Bielefeld 2005, S. 8. 17 Vgl. Oswalt: Das Wo zum Was und Wann, S. 226. 18 Middel, Matthias: Der Spatial Turn und das Interesse an der Globalisierung in der Geschichtswissenschaft, in: Döring /Thielmann: Spatial Turn, S. 120. 19 Oswalt: Das Wo zum Was und Wann, S. 233. 20 Vgl. Ebenda, S. 220 ff.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
Vor dem Hintergrund der Globalisierung und den damit einhergehenden neuen Raumerfahrungen gilt es allerdings, die Möglichkeiten und Grenzen von Visualisierungen zunehmend komplexer Räume neu auszuloten. Im Hinblick auf die Analyse des Parademediums der Raumvisualisierung – der Geschichtskarte – erscheint gerade im globalgeschichtlichen Kontext die Frage nach dem verflochtenen Raum von zentraler Bedeutung zu sein.
2.1.1. Der Verflochtene Raum – spatial turn und Globalgeschichte Vor allem in den Kulturwissenschaften ist neben einem kommunikativen und dynamischen Raumbegriff mittlerweile auch die Vorstellung eines relationalen Raumes etabliert.21 Dabei liegt der Fokus nicht mehr allein auf nationalstaatlichen Akteuren, sondern zunehmend rücken Interdependenzen und Netzwerke ins Blickfeld, wie sie von nichtstaatlichen Organisationen, Gesellschaften und Privatunternehmen getragen wurden und werden. Während beispielsweise die Vereenigde Oostindische Compagnie (1600 – 1800) zwar durch privates Kapital als Aktiengesellschaft gegründet wurde und als eine der größten Handelsorganisationen ihrer Zeit translokal agierte, so war sie doch abhängig von staatlichen Monopolen und trat sogar als Militärmacht in Erscheinung22. Im Gegensatz dazu wurde der französische Sklavenhandel bereits Ende des 17. Jahrhunderts durch kleinere Unternehmen organisiert, sodass sich schließlich eine bis dato nicht dagewesene Internationalisierung und Privatisierung des transatlantischen Sklavenhandels etablierte.23 Wie dieses Beispiel zeigt, müssen die Bedeutungen von Nationalstaaten und Territorialgrenzen zunehmend als Bezugsgrößen relativiert werden. In einer globalgeschichtlichen Betrachtung des Kolonialismus spielen vielmehr Translokalität, Interaktionsräume und Netzwerke eine entscheidende Rolle. Nur auf diesem Wege können unterschiedliche Raumkategorien (Nationalstaaten, Kulturräume etc.) und Raumbeziehungen (global, translokal, transnational, transkulturell etc.) betrachtet werden. Insbesondere der spatial turn ist ein Instrument zum Aufbrechen bisher vorherrschender nationalstaatlicher Containervorstellungen24, sodass Raum im Sinne einer »Kontaktarena«25 eher als In-
21 Vgl. Michalsky : Raum visualisieren, S. 288. 22 Vgl. hierzu Beelen, Hans: Handel mit neuen Welten. Die Vereinigte Ostindische Compagnie der Niederlande 1602 – 1789 (Schriften der Landesbibliothek Oldenburg Bd. 37) Oldenburg 2002. 23 Vgl. Meissner, Jochen/Mücke, Ulrich/Weber, Klaus (Hrsg.): Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. München 2008, S. 82. 24 Vgl. Conrad, Sebastian/Eckert, Andreas: Globalgeschichte, Globalisierung, multiple Mo-
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Die Kategorie Raum – zwischen Repräsentation und Imagination
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teraktionsraum zu Land und zu Wasser an Bedeutung gewinnt. Eine globalgeschichtliche Perspektive bietet außerdem die Möglichkeit, Räume, die vorher als geschichtslos betrachtet wurden, als Kontakt- und Interaktionsräume aufzuwerten.26 In diesem Zusammenhang markiert Andrea Komlosy sogenannte »Raumhorizonte«, zu denen sie »Kulturräume«, »Zivilisationen«, »Staaten und Reiche«, »Nationalökonomien«, sowie »Weltwirtschaften und Weltsysteme mit Zentren und Peripherien« zählt.27 Der vielfach bemühte Terminus der Welt als global village ist eine Metapher für die Annahme eines Verschwinden des Raumes durch zunehmende vernetzte Kommunikations- und Handlungsstrukturen. Ebenso wie die Wiederkehr des Raumes ist »das gleichzeitige Phänomen der globalen Enträumlichung und Entortung«28 somit unverkennbar. Gerade dieses Spannungsverhältnis zwischen Enträumlichung und Wiederkehr des Raumes zeigt, dass eine kritische Betrachtung des Raumes als historische Kategorie unabdingbar ist. Was die Auseinandersetzung mit dem spatial turn insbesondere in der Geschichtswissenschaft ausgelöst hat, ist vor allem die Erkenntnis, dass Räume nicht einfach verschwinden, sondern von unterschiedlichen Akteuren produziert, visualisiert und schließlich verbalisiert werden.29 Auch die Anerkennung von Gleichzeitigkeit im Raum wird besonders durch eine globalgeschichtliche Perspektive unterstützt, indem neben der Zeit der Raum eine flexible Größe darstellt. So wird es möglich, die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigkeit zu markieren. Doris Bachmann-Medick schlussfolgert entsprechend im Hinblick auf eine neue Raumkategorie: »Raum wird geradezu zu einer Metapher für kulturelle Dynamik: durch Grenzüberschreitungen und Grenzverlagerungen, durch Verhandlungen, durch Migration und Überlappung, durch das Entstehen netzwerkartiger transnationaler ›imagined communities‹. Diese neue Kategorie des Raums berücksichtigt ebendies Spannungsfeld von globalen und lokalen Phänomenen und Interdependenzen«30.
Damit verbunden ist die Frage nach dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie. Die einseitigen Bedeutungszuschreibungen als bloße Sender oder Empfänger von Impulsen31 müssen in der flexiblen Verwendung der Kategorien
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dernen: Zur Ge-schichtsschreibung der modernen Welt, in: Ders./Freitag, Ulrike (Hrsg.) Globalgeschichte. Frankfurt am Main 2007, S. 35. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 157. Ein Beispiel dafür sind zahlreiche Veröffentlichungen zum Black Atlantic; Vgl. hierzu u. a. Gilroy, Paul: the Black Atlantic. Modernity and Double Consciousness. London 1993; Rice, Alan J.: Radical Narratives of the Black Atlantic. New York 2003. Komlosy : Globalgeschichte, S. 20. Bachmann-Medick: Cultural turns, S.287. Vgl. Middel: Der Spatial Turn, S. 118 f. Bachmann-Medick: Cultural turns, S. 297. Vgl. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 131.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
Zeit und Raum neu überdacht werden, da sich hier Bedeutungen verlagern, Kooperationen verändern und Perspektiven wechseln oder gar verschmelzen. Einstige Peripherien sind bereits zu neuen Zentren avanciert, während einstige Zentren andererseits in die Marginalität abdriften. So wurde beispielsweise London als mit Abstand größte und bedeutendste Metropole der Welt um 1900 von einer einst scheinbar bedeutungslosen niederländischen Siedlung am Hudson in ihrem Rang als Global City überholt (New York).32 Der spatial turn zielt auch auf die »Ausbildung eines kritischen Raumverständnisses«33 ab und umfasst den Raum nicht nur als »Fundamentalkategorie jeder kulturwissenschaftlichen Erkenntnis«34, sondern auch als »gesellschaftliche[n] Produktionsprozess der Wahrnehmung, Nutzung und Aneignung«35. Raumkonstruktion und -imagination haben für historisches Denken, nicht zuletzt durch den spatial turn und seinen interdisziplinären Einfluss, und für die Geschichtswissenschaft bzw. für die Geschichtsdidaktik an Relevanz gewonnen. So stellt die Orientalismuskritik Eduard Saids das Vorhandensein geographischer Räume in Frage (der Orient als Imagination des Okzident) und macht deutlich, dass Raumkonstruktionen wie Amerika oder Afrika letztlich kolonialen Ursprungs sind und bis heute nachwirken. Amerika wurde also als solches nicht einfach »entdeckt« oder »benannt«, sondern erst die Verbindung von territorialer Inbesitznahme und symbolischer Bezeichnung schafft ein solches geographisches Wissen.36 Allein der Einfluss von geographischen Orts- und Raumbezeichnungen auf Bedeutungszuschreibungen und Raumkonzepte darf nicht mehr unterschätzt werden. Wird Raum also als Produkt menschlichen Agierens und als kulturelles bzw. soziales Konstrukt verstanden (relativer Raum) und nicht nur als physischer Ort oder geographisches Territorium vorausgesetzt (absoluter Raum), so erscheint die Fokussierung der Raumdarstellung unabdingbar. Für jene medialen Darstellungen von Raum und für deren Analyse bildet die Frage nach den mentalen Repräsentationen die Ausgangsbasis, um jene projizierten Konstruktionsmuster räumlich-historischer Vorstellungen37 fassbar zu machen. Genau diese Fragen der Raumkonstruktion und -imagination sind für die Analyse von Geschichtskarten zum Kolonialismus essentiell, da ihnen noch immer ein erhöhtes Maß an Objektivität zugeschrieben wird und unterschied32 Vgl. hierzu auch Sassen, Saskia: The global city. New York, London, Tokyo. Princeton 2001; Gerhard, Ulrike: Global Cities. Anmerkungen zu einem aktuellen Forschungsfeld, in: Geographische Rundschau 56 (2004) H.4, S. 4 – 11. 33 Bachmann-Medick: Cultural turns, S. 289. 34 Rüsen: Vorwort – Ortsgespräche, S. 7. 35 Bachmann-Medick: Cultural turns, S. 287 und 292. 36 Vgl. Dünne, Jörg: Die Karte als Operations- und Imaginationsmatrix. Zur Geschichte eines Raummediums, in: Döring/Thielmann: Spatial Turn, S. 65. 37 Oswalt: Das Wo zum Was und Wann, S. 221.
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Die Kategorie Raum – zwischen Repräsentation und Imagination
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liche Raumebenen so zusammenwirken (lokal, regional, überregional, global), dass Raum- und Geschichichtsbilder nachhaltig beeinflusst werden können.
2.1.2. Mental maps als Ausdruck von Raumimagination Interdisziplinär Anerkennung findet der Ansatz zur subjektiven Repräsentation des Raumes durch mental maps (besonders in der Psychologie und Geographie). Während die Ursprünge dieses Konzepts bereits in den Untersuchungen von Edwart C. Tolman38 liegen, so prägten neben Kevin Lynch vor allem der Geograph Roger M. Downs und der Psychologe David Stea in den 1970er Jahren maßgeblich den Begriff der mental map39 : »Eine kognitive Karte ist ein Produkt, ist eines Menschen strukturierte Abbildung eines Teils der räumlichen Umwelt […]. Eine kognitive Karte ist vor allem ein Querschnitt, der die Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt zeigt. Sie spiegelt die Welt so wieder, wie ein Mensch glaubt, daß sie ist, sie muß nicht korrekt sein. Tatsächlich sind Verzerrungen sehr wahrscheinlich. Sie gibt unser spezielles Verständnis der Welt wieder, und sie ist vielleicht nur von Ferne der Welt ähnlich, wie sie auf topographischen Karten oder Photos gezeigt wird.«40
Doch können mental maps vor allem als »Spiegelungen medialer Darstellungen« und weniger als »Ergebnisse von geistigen Kartierungen realer Landschaften«41 verstanden werden. Downs und Stea verweisen ausdrücklich auf die Individualität und Perspektivität jener mentalen Karten, da sie nicht zuletzt von einer 38 Tolman, Edward C.: Cognitive Maps in Rats an Men, in: Psychological Review 55 (1948), S. 189 – 208. 39 Downs, Roger M./Stea, David: Kognitive Karten: Die Welt in unseren Köpfen. New York 1982 (Originaltitel: Maps in Minds, 1977); Lynch, Kevin: The Image of the City. Cambridge/MA 1960. 40 Downs/Stea: Kognitive Karten, S. 24. Für einen interdisziplinären Zugang zum Themenfeld Mental Maps vgl. u. a. Schniotalle, Meike: Räumliche Schülervorstellungen von Europa. Ein Unterrichtsexperiment zur Bedeutung kartographischer Medien für den Aufbau räumlicher Orientierung im Sachunterricht der Grundschule. Berlin 2003; Damir-Geilsdorf, Sabine/ Hartmann, Angelika/Hendrich, B¦atrice (Hrsg.): Mental maps – Raum – Erinnerung. Kulturwissenschaftliche Zugänge zum Verhältnis von Raum und Erinnerung. Münster 2005; Schweizer, Karin: Strömt die Welt in unseren Köpfen? Kontiguität und Abruf in mentalen Karten. Wiesbaden 2004; Schenk, Frithjof Benjamin: Mental Maps. Die Konstruktion von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002) H. 4, S. 493 – 514; Downs, Roger M./Stea, David: Cognitive Maps and Spatial Behavior : Process and Products, in: Ders. (Hrsg.): Image and Environment. Cognitive Mapping and Spatial Behavior. New Jersey u. a. 2006 (Erstauflage 1973), S. 8 – 26. 41 Haubrich, Hartwig: Raum-Perzeption und geographische Erziehung, in: Geiger, Michael/ Hüttermann, Armin (Hrsg.): Raum und Erkenntnis. Eckpfeiler einer verhaltensorientierten Geographiedidaktik. Köln 2007, S. 60.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
subjektiven Auswahl an Sach- und Rauminformationen bestimmt sind42. So beschreibt auch Angelika Hartmann mentale Karten, ebenso wie Raum und Erinnerung, als kontextabhängig. Sie geht davon aus, dass sie »Ausdruck bestimmter Werte- und Normensysteme [sind], welche sich semiotisch manifestieren, aber auch als Konstrukte in Abhängigkeit von der jeweiligen Betrachterposition erscheinen«43. Somit werden mental maps zu subjektiv aufgeladenen kartographischen Bezugspunkten mit individuellen Bedeutungszuschreibungen.44 »[Sie] verweisen auf die Komplexität der Raumperspektive, auf die Schnittstelle zwischen Raum und Zeit, aufgrund ihrer Überlagerung der physisch-räumlichen Strukturen durch (subjektive) Erinnerungsakte.«45 Darüber hinaus können mental maps sogar als »Basis aller raumbezogenen Denkprozesse«46 bezeichnet werden. Als Indiz dafür sei auf die Verwobenheit von Faktualität und Fiktionalität in frühneuzeitlichen Afrika-Karten hingewiesen. Indem sie neben weißen Flecken beispielsweise exotische Tiere und sonstige Fabelwesen im Kartenbild verorten,47 geben sie sowohl über das zeitgenössische Raumwissen oder -unwissen als auch über entsprechende Visualisierungstechniken und Raumimaginationen ihrer Zeit Auskunft. Auch die jahrhundertelange Suche nach dem legendären christlichen Königreich des Priesterkönig Johannes, die u. a. portugiesischen Seefahrern noch im 15. Jahrhundert als Begründung für die Umsegelung Afrikas diente, ist Ausdruck einer frühen Vorstellung von entfernten und zugleich ›unentdeckten‹ Räumen. Die Vorstellung vom »Sichtbarmachen« bzw. vom »Speichern«48 mentaler Raumvorstellungen ist innerhalb der Geographiedidaktik seit geraumer Zeit
42 Vgl. hierzu auch Cosgrove, Denis: Mapping Meanings, in: Ders. (Hrsg.): Mappings. London 1999, S. 7. 43 Hartmann, Angelika: Konzepte und Transformationen der Trias »mental maps, Raum und Erinnerung«, in: Damir-Geilsdorf, Sabine/Hartmann, Angelika/Hendrich, B¦atrice (Hrsg.): Mental Maps – Raum – Erinnerung. Kulturwissenschaftliche Zugänge zum Verhältnis von Raum und Erinnerung (Kulturwissenschaft. Forschung und Wissenschaft Bd. 1). Münster 2005, S. 8. 44 Bachmann-Medick: Cultural Turns, S. 299. 45 Ebenda, S. 299. Mit Mental Mapping ist ferner der Prozess des Sammelns raumbezogener Informationen gemeint, die Auseinandersetzung mit diesen und der daraus resultierende Verstehensprozess; Downs/Stea: Kognitive Karten, S. 23. 46 Böttcher : Die Karte, S. 186. 47 Beispiele: Die Weltkarte von Pierre Desceliers von 1550, in: Schneider: Die Macht der Karten, S. 108 – 109; Die Weltkarte von Sebastiano Cabotos von 1544, in: Barber, Peter : Das Buch der Karten. Meilensteine der Kartografie aus drei Jahrtausenden. Darmstadt 2006 (Originaltitel: The Map Book, 2005), S. 102 f. 48 Volkmann, Hartmut: Mental Maps, in: Böhn, Dieter (Hrsg.): Didaktik der Geographie. Begriffe. München 1999, S. 103 f.
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Die Kategorie Raum – zwischen Repräsentation und Imagination
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verbreitet49. Allerdings zielt dieses Konzept von mental maps vornehmlich auf ein topographisches Orientierungswissen ab, sodass Defizite besonders in der Wahrnehmung von Entfernungen und Größenverhältnissen bei Schüler/innen lokalisiert und entsprechend korrigiert bzw. ergänzt werden sollen. So beschreibt Franz Kestler beispielsweise, dass »die vorhandene Mental Map schrittweise in jene Vorstellung zu überführen [sei], die der Lehrer für besser, angemessener und nützlicher hält«50. Ferner geht er davon aus, dass »kognitive Weltbilder relativiert und objektiviert werden [könnten]«51. Zwar weist er dabei auf das Problem der zeichnerischen Ausdrucksfähigkeit von Schüler/innen hin, doch werden hier offenbar die Probleme und Selektionsmechanismen unterschätzt, die eine solche Transformation komplexer mentaler Karten mit sich bringen. Die Annahme, dass mental maps einfach zum Richtigen hin korrigierbar seien, muss im Angesicht der komplexen und subjektiven Einflussfaktoren grundlegend hinterfragt werden. Das mentale Konstrukt Raum enthält nicht nur eine Vielzahl von individuellen Konnotationen (z. B. Ortsnamen), sondern dient auch als Projektionsfläche für Erinnerungen. Sabine DamirGeilsdorf und B¦atrice Hendrich weisen zu Recht darauf hin, dass Erinnerung selbst Raum herstellen und strukturieren kann, sodass sowohl physische als auch sozial konstruierte oder gar virtuelle Räume als eine Art »Erinnerungsgenerator« fungieren.52 Mental maps sind somit als »hoch selektive innere Raumbilder«53 in der Lage, Weltbilder und Bedeutungszuschreibungen nachhaltig zu beeinflussen, indem sie Identitätskonstruktionen auflösen und neu generieren.
49 Vgl. hierzu auch Haubrich, Hartwig: Wahrnehmungsgeographische Aspekte schulischer Kartenarbeit, in: Ders. (Hrsg.): Geographie hat Zukunft. Seelze 1998, S. 161 – 168; Hard, Gerhard: Umweltwahrnehmung und mental maps im Geographieunterricht, in: Praxis Geographie 18 (1988), Heft 7/8. S. 14 – 17; Rinschede, Gisbert: Geographiedidaktik. Paderborn 2007, S. 80 – 81; Fichtinger, Rudolf: Das Ammersee/Starnberger See-Naherholungsgebiet im Vorstellungsbild Münchener Schüler, in: Ders./Geipel, Robert/Schrettenbrunner, Helmut (Hrsg.): Studien zur Geographie der Wahrnehmung (Der Erdkundeunterricht 19). Stuttgart 1974, S. 11 – 163. 50 Kestler, Franz: Einführung in die Didaktik des Geographieunterrichts. Rieden 2002, S. 108. 51 Ebenda, S. 108. 52 Damir-Geilsdorf, Sabine/Hendrich, B¦atrice: Orientierungsleistungen räumlicher Strukturen und Erinnerung. Heuristische Potenziale einer Verknüpfung der Konzepte Raum, mental maps und Erinnerung, in: Damir-Geilsdorf/Hartmann/Hendrich: Mental Maps-Raum-Erinnerung, S. 34 – 35. 53 Oswalt: Das Wo zum Was und Wann, S. 222.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
2.2. Kolonialgeschichte zwischen Eurozentrismus und Globalgeschichte Die Darstellung des Kolonialismus im Kartenbild ist bestimmt von sich wandelnden historiographischen Perspektiven und Tendenzen, sodass im Folgenden vor allem die Betrachtung von drei zentralen Aspekten als grundlegend erachtet wird: Ausgehend von der eurozentrischen Perspektive wird der Einfluss postkolonialer Ansätze thematisiert, bevor die aktuelle Debatte um Global- und Weltgeschichte aufgegriffen wird. Ferner erfolgt der Versuch einer Periodisierung sowie die begriffliche Abgrenzung der zentralen Termini Kolonialismus und Imperialismus. Dabei sei allerdings darauf hingewiesen, dass keine vollständige Darstellung historiographischer Zugänge erfolgt, sondern der Schwerpunkt vielmehr auf den Aspekten der Raumperspektivierung dieses Themas liegt, da dies für eine geschichtskartographische Darstellung von zentraler Bedeutung ist. Der eurozentrische Blick auf die Welt Die für einen eurozentristischen Blick auf die Welt überaus treffenden Beschreibungen vom »West and the Rest«54 oder vom »Rise of the West«55 unterstellen eine Kolonialgeschichte in Form einer linear verlaufenden Expansionsgeschichte Europas. Als solche reicht sie von den sogenannten »europäischen Entdeckungen« seit dem 15. Jahrhundert hin zum Imperialismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts und gipfelt schließlich in der »Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts«56 und einem Zeitalter der Emanzipation und Dekolonisation, dessen Nachwehen bis heute spürbar sind. Die Geschichte des Kolonialismus wurde lange als »notwendige Realisierung der ›zivilisatorischen‹ Überlegenheit des Westens erzählt«57. Das leitende Motiv älterer Kolonialgeschichtsschreibungen sieht Jürgen Osterhammel in der Vor-
54 Hall, Stuart: The West and the Rest: Discourse and Power, in: Ders./Gieben, Bram (Hrsg.): Formations of Modernity. Cambridge 1992, S. 275 – 320. 55 McNeill, William H.: Rise of the West. Chicago 1963. 56 George Kennan bezeichnete den Ersten Weltkrieg als »the great seminal catastrophe of the century«; Kennan, George F.: The Decline of Bismarck’s european Order. Franco-Russian Relations, 1875 – 1890. Princeton 1979, S. 3.; Vgl. hierzu auch Mommsen, Wolfgang, J.: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914 – 1918 (Gebhardt, Handbuch der Deutschen Geschichte Bd. 17) Stuttgart 2002. 57 Englert, Birgit/Grau, Ingeborg/Komlosy, Andrea: Globale Ungleichheit in historischer Perspektive, in: Ders. (Hrsg.): Nord-Süd-Beziehungen. Kolonialismen und Ansätze zu ihrer Überwindung. Wien 2006, S. 16.
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Kolonialgeschichte zwischen Eurozentrismus und Globalgeschichte
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stellung einer »Schaffung von Ordnung aus Chaos, von Kultur aus Natur durch den energischen Eingriff rational denkender und wohlmeinender Europäer«58. Geprägt hat diese Vorstellung nicht zuletzt auch der Topos vom geschichtslosen Raum bzw. Volk und der damit verbundenen Diffamierung (insbesondere Afrikas) als »tabula rasa«59 oder »terra nullius«60. Postkoloniale Ansätze Um die Überwindung jenes binären Gegensatzes zwischen Okzident und Orient bzw. zwischen Nord und Süd61 geht es dem Postkolonialismus, indem nicht zuletzt durch ein kritisches Verständnis von Raum und Räumlichkeit koloniale Denkmuster aufgezeigt werden. Postkolonialismus meint nicht einfach die Zeit nach der Dekolonisation (Epochenbegriff), sondern beschreibt die Gegenwärtigkeit kolonialer Erfahrung als Analysekategorie62. Innerhalb postkolonialer Theorien sind vor allem »verräumlichte Bilder und kartographische Metaphern sowie Konzepte wie Marginalität, Exil, Grenzen und Zwischenräume«63 in den interdisziplinären Fokus genommen worden. In Bezug auf die afrikanische Geschichtsschreibung kennzeichnet Winfried Speitkamp die Einflüsse wie folgt: »Indem Afrikaner nun ihre eigene Geschichte schrieben, sollten sie sich gegen die okzidentale Überformung behaupten und ihre Identität wiedergewinnen […] Das Objekt fremder Beherrschung wurde so wieder zum Subjekt seiner eigenen Geschichte, es gewann Autonomie und Würde zurück«.64
58 Osterhammel, Jürgen: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen. München 2006, S. 31. 59 Vgl. hierzu auch Wirz, Albert: Klio in Afrika: »Geschichtslosigkeit« als historisches Problem, in: GWU 34 (1983), S. 98 – 108; Altena, Thorsten: »Ein Häuflein Christen mitten in der Heidenwelt des dunklen Erdteils«. Zum Selbst- und Fremdverständnis protestantischer Missionare im kolonialen Afrika 1884 – 1918. München 2003, S. 104 – 107; Blänkner, Reinhard: Historische Kulturwissenschaften im Zeichen der Globalisierung, in: Historische Anthropologie 16, Heft 3 (2008), S. 360 – 362. 60 Bayly, Christopher, A.: Die Geburt der modernen Welt. Eine Globalgeschichte 1780 – 1914. Frankfurt am Main 2008, S. 368. 61 Dass es sich hierbei um eine problembehaftete Begriffsverwendung handelt, machen u. a. Birgit Englert, Ingeborg Grau und Andrea Komlosy deutlich; Vgl. Englert/Grau/Komlosy : Globale Ungleichheit in historischer Perspektive, S. 13 – 28. 62 Vgl. Messerschmidt, Astrid: Wessen Wissen? Postkoloniale Perspektiven auf Bildungsprozesse in globalisierten Zonen, in: Klein, Regina/Dungs, Susanne (Hrsg.): Standardisierung der Bildung. Zwischen Subjekt und Kultur. Wiesbaden 2010, S. 223 – 237. 63 Varela, Mara do Mar Castro/Dhawan, Nikita/Randeria, Shalini: Postkoloniale Theorie, in: Günzel, Stephan (Hrsg.): Raumwissenschaften. Frankfurt am Main 2009, S. 308 (308 – 323). 64 Speitkamp, Winfried: Kleine Geschichte Afrikas. Stuttgart 2009, S. 11.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
An dieser Stelle soll nicht auf den gesamten postkolonialen Diskurs und die damit verbundenen Chancen und Probleme eingegangen werden, so dass lediglich einige Schlaglichter genannt werden.65 Besonders die Orientalismuskritik Edward Saids66 gilt bis heute als eine Art Gründungsmanifest der postcolonial studies und hat den kolonialen Diskurs besonders in den Vereinigten Staaten nachhaltig beeinflusst. Dabei wurden »die klassischen europäischen Schriften zur Geschichte, Ethnographie und Kultur Asiens (und anderer Regionen) als ›orientalistische‹ Fantasiereiche [angeprangert]«67. Aus dem dabei beschriebenen europäischen Selbstverständnis, »das sich durch Aufklärung, Säkularisierung, nationalstaatliche Modernisierung und technischen Fortschritt«68 abhob, erwuchsen seine Forderung nach einer »Reflexion auf die ›Orientalisten‹ als Teil der Forschung über den Orientalismus« und seine »grundlegende Kritik an den Formen westlichen Wissens«69. Für die Loslösung von der eurozentristischen Meistererzählung des Kolonialismus stellt die Formel »provincialization Europe«70 des Mitbegründers der subaltern studies Dipesh Chakrabartys einen weiteren bedeutenden Meilenstein dar. Er betont einerseits die Unmöglichkeit dieses Projektes, fordert aber dennoch eine Geschichte, »die bereits in der Struktur ihrer narrativen Formen ihre eigenen repressiven Strategien und Praktiken bewußt sichtbar macht«71. So weist
65 Näheres hierzu auch bei: Reinhard, Wolfgang: Kolonialgeschichtliche Probleme und kolonialhistorische Konzepte, in: Kraft, Claudia/Lüdtke, Alf/Martschukat, Jürgen (Hrsg.): Kolonialgeschichten. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen. Frankfurt am Main 2010, S. 67 – 91; Dhawan, Nikita/Varela, Mara do Mar Castro: Postkoloniale Theorie: eine kritische Einführung. Bielefeld 2005; Young, Robert C.: Postcolonialism: An Historical Introduction, Oxford 2001; Hall, Stuart: Wann war ›der Postkolonialismus‹? Denken an der Grenze, in: Bronfen, Elisabeth/Marius, Benjamin/Steffen, Therese (Hrsg.): Hybride Kulturen. Beiträge zur anglo-amerikanischen Multikulturalismusdebatte. Tübingen 1997, S. 219 – 246. 66 Said, Edward W.: Orientalism. New York 1978. 67 Darwin, John: Der Imperiale Traum. Die Globalgeschichte großer Reiche 1400 – 2000. Frankfurt am Main 2010, S. 25. 68 Englert, Birgit/Grau, Ingeborg/Komlosy, Andrea: Globale Ungleichheit in historischer Perspektive, S. 17. 69 Coronil, Fernando: Jenseits des Okzidentalismus, in: Conrad, Sebastian/Randeria, Shalini (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt am Main 2002, S. 182 – 183. 70 Vgl. hierzu auch Chakrabarty, Dipesh: Provincializing Europe. Postcolonial Thought and Historical Difference, Princeton 2000; Chakrabarty, Dipesh: Europa als Provinz: Perspektiven postkolonialer Geschichtsschreibung. Frankfurt am Main 2010. 71 Chakrabarty : Europa provinzialisieren, S. 283 – 312. Auch Hans-Heinrich Nolte geht in seiner »Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts« in Anlehnung an Chakrabarty vom Begriff der Provinzialisierung aus (»Europa als eine der Provinzen der Welt«), Nolte, Hans-Heinrich: Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. Bonn 2009, S.9.
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Kolonialgeschichte zwischen Eurozentrismus und Globalgeschichte
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auch Jürgen Osterhammel zu Recht darauf hin, dass die Geschichte anderer im Zuge einer voranschreitenden Globalisierung72 immer bedeutender wird.73 Postkoloniale Ansätze sind heute kaum mehr aus der Geschichtswissenschaft wegzudenken, haben sie doch auch auf unterschiedliche Weise Eingang in nationale Geschichten gefunden74. Salman Rushdies oft zitierte Beobachtung, »daß das Problem der Engländer darin besteht, daß ihre Geschichte im wesentlichen in Übersee stattgefunden hat und sie daher ihre Bedeutung nicht verstehen«75, erscheint ebenso nachvollziehbar wie die Schlussfolgerung Sebastian Conrads und Shalini Randerias, dass die englische Geschichte ohne ihre »überseeische Komponente« kaum sinnvoll zu erzählen sei.76 Immanuel Wallersteins Weltsystemtheorie77 argumentierte bereits seit den 1970er Jahren gegen die Vorstellung einer linear verlaufenden westlichen Geschichtsschreibung mit der Betonung von weltwirtschaftlichen Zusammenhängen (für den Zeitraum von etwa 1500 bis 1850). So betrachtet er die Ausweitung des europäischen Weltsystems auf andere Regionen vornehmlich als eine Expansion »kapitalistischer Weltwirtschaft« und verwendet dabei die Kategorien »Zentrum«, »Peripherie« und »Semiperipherie«.78 In der Auseinandersetzung mit dem Eurozentrismus wurden gerade in den letzten Jahren zunehmend die Rückwirkungen des Kolonialismus auf Europa und die Verflechtungen zwischen europäischen Zentren und kolonialen Peripherien betont.79 Dabei sind es vor allem Arbeiten wie die von Paul Gilroy zur Geschichte des »Black Atlantic«80, die den überaus komplexen und vielschichtigen Prozess der Zwangsmigration von Afrika nach Amerika mit dem Beginn der europäischen Moderne eng verknüpfen und Kolonialgeschichte als multizentrische Interaktions- und Verflechtungsgeschichte kennzeichnen. So wird 72 Zum Begriff der Globalisierung und der unter dieser Bezeichnung zusammengefassten Prozesse Vgl. Osterhammel, Jürgen/Petersson, Niels P.: Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen. München 2003, S. 7 – 24; Hopkins, Anthony G.: The History of Globalization – and the Globalization of History?, in: Ders. (Hrsg.): Globalization of World History. London 2002, S. 1 – 46. 73 Vgl. Osterhammel, Jürgen: Alte und Neue Zugänge zur Weltgeschichte, in: Ders. (Hrsg.): Weltgeschichte. Stuttgart 2008, S. 11. 74 Eine kritische Betrachtung postkolonialer Theorien findet sich hingegen bei: Varela/Dhawan: Postkoloniale Theorie, S. 111 – 128; Shoat, Ella: Notes on the Postcolonial, in: Social Text, Bd. 31 – 32 (1992), S. 99 – 113; McClintock, Anne: The Myth of Progress. Pitfalls of the Term Post-colonialism, in: Social Text, Bd. 31 – 32 (1992), S. 84 – 98. 75 Rushdie, Salman: The Satanic Verses. London 1988, S. 337. 76 Vgl. Conrad, Sebastian/Randeria, Shalini (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt am Main 2002. S. 39. 77 Wallerstein, Immanuel: The Modern World-System 3 Bde. New York 1974 – 1989. 78 Vgl. Conrad/Eckert: Globalgeschichte, Globalisierung, multiple Modernen, S. 16. 79 Vgl. hierzu auch Cooper, Frederick/Stoler, Ann Laura: Tensions of Empire. Berkeley 1997. 80 Gilroy : The Black Atlantic.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
beispielsweise deutlich, dass »nichteuropäische Völker« bei Weitem nicht nur »passive Empfänger westlicher Gaben« oder gar »träge Opfer des Westens« waren, sondern die Wechselbeziehungen unter ihnen offenbar um einiges intensiver waren als bisher gedacht.81 Welt- und Globalgeschichte Seit einigen Jahren ist in der Historiographie eine Renaissance weltgeschichtlicher Ansätze zu beobachten, die gerade Themenbereiche des Kolonialismus in ein breites und vielschichtiges Untersuchungsfeld einzubetten versuchen. Deutschland galt um 1900 sogar als »Hochburg der Weltgeschichtsschreibung«, wohingegen sich nach dem Ende des Dritten Reiches eine regelrechte »Aversion gegen große Entwürfe« und eine Zuwendung zur »Detailforschung« einstellte.82 Besonders seit den 1990er Jahren ist laut Osterhammel wieder ein verstärktes Engagement im Bereich der »world history« und »global history« feststellbar.83 Mit früheren Universalgeschichten haben diese allerdings nur noch wenig gemein, da sie vielmehr übergreifende Interdependenzsysteme84 in den Blick nehmen, dabei Lokalität bzw. Partikularität integrieren85 und den territorialen Nationalstaat nicht mehr als Dreh- und Angelpunkt betrachten86. Als Gründe für die zunehmende Hinwendung zur Weltgeschichtsschreibung und deren Betonung von Verflechtung und Relation sind nicht nur das Ende der bipolaren Welt, neue Kommunikationsmöglichkeiten (besonders über das Internet) und Optionen des Ferntourismus zu nennen, sondern auch die spürbaren Auswirkungen weltwirtschaftlicher Zusammenhänge und ein gestiegenes Bewusstsein für globale Problemlagen87. 81 Vgl. Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 15. 82 Geiss, Imanuel: Weltgeschichte und Globalisierung, in: Popp, Susanne/Forster, Johanna: Curriculum Weltgeschichte. Interdisziplinäre Zugänge zu einem global orientierten Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2003, S. 51 – 52. 83 Vgl. Osterhammel/Petersson: Geschichte der Globalisierung, S. 18. Imanuel Geiss beschreibt den Aufstieg einer neuen »world history« in den USA bereits für die 1960er Jahren u. a. mit Bezug auf McNeill: Rise of the West. 84 Popp, Susanne: Weltgeschichte im Geschichtsunterricht? Geschichtsdidaktische Überlegungen zum historischen Lernen im Zeitalter der Globalisierung, in: Ders./Forster, Johanna: Curriculum Weltgeschichte. Globale Zugänge für den Geschichtsunterricht. Schwalbach/ Ts. 2003, S. 70. 85 Schissler, Hanna: Weltgeschichte als Zeitgeschichte. Orientierungsbedürfnis der Gegenwart am Beispiel der USA und Deutschland, in: Popp/Forster : Curriculum Weltgeschichte, S. 186. 86 Parallel dazu weist Stefan Berger aber auch auf eine »Wiederbelebung der Gattung Nationalgeschichte« am Beispiel von »nationalisierender Regionalismen in Flandern, Katalonien und Schottland« hin; Berger, Stefan: Narrating the Nation: Die Macht der Vergangenheit, in: APuZ 1 – 2 (2008), S. 7 – 13. 87 Vgl. Osterhammel, Jürgen: Weltgeschichte: Von der Universität in den Unterricht, in: Geschichte für heute 2 (2009) Heft 3, S. 6. Dazu zählt auch ein erweitertes Bedürfnis nach einem
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Kolonialgeschichte zwischen Eurozentrismus und Globalgeschichte
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Neben einer gewissen Unklarheit und fehlenden Trennschärfe in der Verwendung der Labels Globalgeschichte (Global History) und Weltgeschichte (World History)88, werden diese häufig auch synonym verwendet.89 Reinhard Sieder und Ernst Langthaler schlagen in diesem Zusammenhang einen weitgefassten und fachübergreifenden Globalgeschichtsbegriff vor, der Weltgeschichte, transnationale Geschichte, International-vergleichende Geschichte und Globalgeschichte (im engeren Sinn) integriert90. Die Betonung von Transfer und Vernetzung, auch außerhalb des ökonomischen Bereichs, fällt hier ebenso ins Gewicht wie die fehlende Notwendigkeit zur Erfassung der »gesamten Welt«.91 Doch sei auf die Unterscheidungsmerkmale einiger Autoren hingewiesen, die vor allem den »Verzicht auf eine Totalgeschichte des Globus, die Überwindung des Eurozentrismus und die größere Inklusivität gegenüber den außereuropäischen Vergangenheiten, die Betonung der Verflechtung und schließlich die Absage an eine geschichtsphilosophisch untermalte Teleologie«92 betonen. Andrea Komlosy geht sogar davon aus, dass »Globalgeschichte im heutigen Sinn […] sich in Abgrenzung von der älteren Universalgeschichte nicht auf Menschheitsgeschichte schlechthin, sondern auf die Geschichte der Globalisierung [bezieht]«, sodass vor allem verbindende Prozesse in einer interdependenten Welt im Fokus stehen.93 Mit der Beschreibung von Globalgeschichte als »Interaktionsgeschichte innerhalb weltumspannender Systeme« und als »das genaue Pendant zu Nationalgeschichte«94 trennt auch Jürgen Osterhammel diesen engeren Begriff deutlich von dem zeitlichen Totalitätsanspruch einer Weltgeschichte im Sinne einer »whole history of the whole world«. Er bezeichnet Globalgeschichte nicht nur als
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Verständnis globaler Zusammenhänge und anderer Kulturen nach den Terroranschlägen vom 11. Septembers 2001, Vgl. Schissler : Weltgeschichte als Zeitgeschichte, S. 173. Hierzu können auch Begriffe wie Transnationale Geschichte, Universalgeschichte, Histoire crois¦e, Makrogeschichte u. a. gezählt werden. Eine gelungene Beschreiben der vier großen Diskussionszusammenhänge: »Weltwirtschaft und Weltsystem«, »Zivilisationsanalyse«, »Geschichte der Globalisierung« und »Postcolonial Studies« findet sich bei Conrad/Eckert/Freitag: Globalgeschichte 2007, S. 15 – 24. Eine kurze Übersicht zu zentralen globalgeschichtlichen Fragen Vgl. auch Feldbauer, Peter : Globalgeschichte 1450 – 1620: Von der Expansions- zur Interaktionsgeschichte, in: Edelmayer, Friedrich/Feldbauer, Peter/Wakounig, Marija (Hrsg.): Globalgeschichte 1450 – 1620. Anfänge und Perspektiven. Wien 2002, S. 23 – 32. Vgl. Sieder, Reinhard/Langthaler, Ernst: Was heißt Globalgeschichte? in: Ders. (Hrsg.): Globalgeschichte 1800 – 2010. Wien u. a. 2010, S. 10 – 11. Vgl. Ebenda, S. 10. Conrad/Eckert: Globalgeschichte, S. 24 – 25. Komlosy : Globalgeschichte, S. 49. Osterhammel, Jürgen: Weltgeschichte. Ein Propädeutikum, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 56 (2005) Heft 9, S. 460.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
eine »Sonderform« von Weltgeschichte95, sondern vielmehr als »the history of the continuous, but not linear intensification of interactions across vast spaces and of the crystallization of these interactions into extended networks or, sometimes, institutions which usually possess their own hierarchical structure«96. Mit dem Hinweis auf einen »epistemologischen Eurozentrismus bzw. Westzentrismus« weisen Sieder und Langthaler jedoch auch darauf hin, dass eine solche Geschichtsschreibung zwangsläufig eurozentistisch sei, sobald sie von Europa aus betrieben werde.97 Andrea Komlosy betont in diesem Zusammenhang vor allem »den Vergleich und die Interaktion zwischen verschiedenen regionalen Schauplätzen des historischen Geschehens über klein-, mitunter auch großräumige Grenzen hinweg« und markiert die Bedeutung von »verschiedenen, überlappenden Horizonten«98. Im Kontext einer solchen welt- und globalgeschichtlichen Perspektive scheint der Kolonialismus lediglich als eine »Vielzahl von Kolonialismen«99 oder als Sammlung von »Kolonialgeschichten«100 erzählbar. Wolfgang Reinhard beschreibt die »Geschichte der Interaktion menschlicher Gruppen im Zeichen der europäischen Expansion« sogar als »kommende Meistererzählung einer transnationalen Geschichtswissenschaft«101. Auch Jürgen Osterhammel hält die Bedeutung von Kolonialismus und Imperialismus für so wichtig, dass er auf ein eigenes Kapitel in seinem Epochenporträt »Die Verwandlung der Welt« verzichtet und stattdessen beide als Dimensionen permanent mitdenkt.102 Der Versuch einer Periodisierung Auch wenn das Bild des Kolonialismus als Geschichte europäischer Helden mehrfach überholt scheint und das Agieren der Kolonisierten im Sinne von Interaktion und Verflechtung einen festen Platz in der modernen Geschichtsschreibung eingenommen hat, so bleibt die Frage nach einer geeigneten Periodisierung offen. Osterhammel weist in diesem Zusammenhang auf das Pro95 Vgl. Osterhammel: Weltgeschichte. Ein Propädeutikum, S. 472. 96 Osterhammel: Global History in a National Context, S. 44. 97 Vgl. Sieder/Langthaler : Was heißt Globalgeschichte, S. 12. Auch Osterhammel bezeichnet die Position des Autors in Bezug auf Erwartungen, Vorwissen und kultureller Selbstständigkeit als »nicht standortneutral«, Osterhammel, Jürgen: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. München 2011, S. 20. 98 Komlosy : Globalgeschichte. Methoden und Theorien, S. 9. 99 Vgl. Englert/Grau/Komlosy : Globale Ungleichheit in historischer Perspektive, S. 21 – 22. 100 Vgl. hierzu auch Kraft, Claudia/Lüdtke, Alf/Martschukat, Jürgen (Hrsg.): Kolonialgeschichten. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen. Frankfurt am Main 2010. 101 Reinhard: Kolonialgeschichtliche Probleme und kolonialhistorische Konzepte, S. 86 – 87. 102 Vgl. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 16. Als weitere einschlägige Epochenporträts gelten auch Bayly : Die Geburt der modernen Welt; Nolte, Hans-Heinrich: Weltgeschichte. Imperien, Religionen und Systeme. 15.–19. Jahrhundert, Wien u. a. 2005.
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Kolonialgeschichte zwischen Eurozentrismus und Globalgeschichte
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blem der Aussagekraft lexikonnotorischer Daten hin und verdeutlicht dies am Beispiel der Kluft zwischen Gründungsdatum und tatsächlichem Wirken in der kolonialen Praxis.103 Als grundlegende Probleme einer Periodisierung sieht er weiterhin »die räumliche Vielfalt, die außerordentliche Verschiedenheit der kolonisierten außereuropäischen Kulturen, die Pluralität der Mächte [und] die Abstände und Verschiebungen zwischen Kernen und Rändern«104. Am Beispiel der deutschen Kolonialgeschichte stellt Sebastian Conrad außerdem fest, dass »Übergänge von formaler Territorialherrschaft zu unterschiedlichen Formen indirekter Herrschaft, ökonomischer Kontrolle und imperialistischer Infiltration« fließend waren und koloniale Beziehungen nicht mit einem Schlag endeten.105 Vor diesem Hintergrund scheint es nachvollziehbar zu sein, dass sich Historiker bislang auf keine gemeinsame Periodisierung verständigen konnten.106 Einigkeit besteht häufig in der Einschätzung bedeutender Ereignisse und Zäsuren, wie sie Andreas Eckert beispielsweise skizziert. So kennzeichnet er für die neunziger Jahre des fünfzehnten Jahrhunderts etwa als magisches Datum Christoph Kolumbus Landung in der Neuen Welt am 12. Oktober 1492, den Vertrag von Tordesilla vom 7. Juni 1494 und das Eintreffen Vasco da Gamas in Kalkutta am 18. Mai 1498. Diese Ereignisse läuten demnach den »Beginn der kapitalistischen Durchdringung der Welt« ein und »markieren daher den Beginn einer neuen Epoche«107. Die zunehmende Vernetzung der Welt unter britischer Vorherrschaft ist hingegen im Kontext der beginnenden industriellen Revolution und der damit eng verbundenen Veränderungen im Bereich der Kommunikation (Telegraph) und des Transportwesens (Dampfschiff) zu sehen.108 Bedeutende Globalhistoriker, wie etwa Sir Christopher A. Bayly oder Jürgen Osterhammel, nutzen in ihren Werken den von Reinhart Koselleck geprägten Begriff der »Sattelzeit«109, um die Epochenwende zum so genannten »langen 19. Jahrhundert« zu beschreiben. Während den europäischen Mächten noch im 103 Vgl. Osterhammel: Kolonialismus, S. 32. Vgl. hierzu auch Komlosy : Globalgeschichte, S. 49. 104 Osterhammel: Kolonialismus, S. 33. 105 Conrad, Sebastian: Deutsche Kolonialgeschichte. München 2008, S. 15. 106 Periodisierungen finden sich u. a. bei Osterhammel: Kolonialismus, S. 34 – 46; Eckert, Andreas: Kolonialismus. Frankfurt am Main 2006, S. 5 – 8; Pelizaeus, Ludolf: Der Kolonialismus. Geschichte der europäischen Expansion. Wiesbaden 2008, S. 21 – 26; Wendt: Vom Kolonialismus zur Globalisierung. 107 Eckert: Kolonialismus, S. 5 f. 108 Vgl. Middel: Der Spatial Turn und das Interesse an der Globalisierung in der Geschichtswissenschaft, S. 114. 109 Koselleck, Reinhart: Einleitung, in: Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1. Stuttgart 1972, S. 15.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
16. und 17. Jahrhundert »keine eindeutige Überlegenheit gegenüber China und den gunpowder empires der islamischen Welt«110 bescheinigt werden kann, kam es etwa um 1800 zu einer drastischen Veränderung der weltweiten Kräfteverhältnisse.111 So erscheint auch das »lange 19. Jahrhundert« bei einer ganzen Reihe von Autoren als ein bedeutender Wendepunkt des Kolonialismus112. Für Bayly steht hier die Entstehung und Zunahme einer globalen Uniformität im Vordergrund, die neben Fragen des Staates auch religiöse, ideologische und wirtschaftliche Bereiche tangiert113. Jürgen Kocka beschreibt in Bezug auf Deutschland vier große Eckpfeiler jenes 19. Jahrhunderts: »Industrialisierung, Bevölkerungsexplosion und Wanderung, Aufstieg und Durchsetzung des nationalstaatlichen Prinzips, Bürgertum und bürgerliche Kultur«114. Jürgen Osterhammel prüft diese Eckpfeiler nicht nur auf ihre weltgeschichtliche Gültigkeit, sondern erweitert sie auch um die Merkmale Siedlungsexpansion und Emanzipation bzw. Exklusion.115 Krieg und Revolution sind nach Osterhammel die noch immer »am häufigsten verwendeten Kriterien der historischen Periodisierung«116. So verwundert es nicht, dass die Jahre 1789 bis 1914 häufig als eine Art »Referenzrahmen« des langen 19. Jahrhunderts beschrieben werden.117 Zugleich wird hier neben den verwendeten Kriterien auch der Bezugsraum für eine solche Periodisierung wichtig, der sich in diesem Fall als europäisch beschreiben lässt. Aus weltgeschichtlicher Perspektive charakterisiert Osterhammel aber lediglich das Ende des Zweiten Weltkrieges als epochal: »1914 war im
110 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 104. 111 Für Bayly liegen die Ursprünge moderner Globalisierung in einer von ihm als »ProtoGlobalisierung« bezeichneten Epoche, die besonders im atlantischen Plantagensystem und einer Neuorientierung des Konsums ihren Ausdruck fanden; Vgl. Bayly, Christopher A.: Archaische und moderne Globalisierung, in: Conrad/Eckert/Freitag: Globalgeschichte, S. 81 – 109. 112 Vgl. hierzu z. B. Bauer, Franz, J.: Das ›lange‹ 19. Jahrhundert. Profil einer Epoche (1789 – 1917). Stuttgart 2004; Bayly : Die Geburt der modernen Welt; Kocka, Jürgen: Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft (Gebhard, Handbuch der deutschen Geschichte Bd. 13) Stuttgart 2002; Osterhammel, Jürgen: Auf der Suche nach einem 19. Jahrhundert, in: Conrad/Eckert/Freitag: Globalgeschichte, S. 109 – 130; Osterhammel: Die Verwandlung der Welt; Siemann, Wolfram: Das ›lange‹ 19. Jahrhundert. Alte Fragen und neue Perspektiven, in: Freytag, Nils/Petzold, Dominik (Hrsg.): Das ›lange‹ 19. Jahrhundert. Alte Fragen und neue Perspektiven (Münchener Kontaktstudium Geschichte Bd. 10) München 2007, S. 9 – 27. 113 Vgl. Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 13. 114 Kocka: Das lange 19. Jahrhundert, S. 44 – 138. 115 Osterhammel: Auf der Suche nach einem 19. Jahrhundert, S. 123 – 130. 116 Ebenda, S. 113. 117 Vgl. ebenda; Vgl. hierzu auch Bayly : die Geburt der modernen Welt; Pelizaeus: Der Kolonialismus 2008, S. 24 f.
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Kolonialgeschichte zwischen Eurozentrismus und Globalgeschichte
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Vergleich zu 1945 von tiefer, im Großen und Ganzen aber nicht von überwältigender Bedeutung«118. Als weitere gemeinsame Konstante in der Periodisierung des Kolonialismus ist das nichtlineare Ereignisgeflecht der Dekolonisation bzw. Entkolonialisierung119 auszumachen. Während sich weite Teile Süd- und Nordamerikas in den Jahren zwischen 1776 und 1825 bereits von den Kolonialmächten emanzipierten, begann die systematische Kolonisierung Afrikas doch erst Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.120 Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der Konfrontation der beiden neuen Weltmächte121 und der Neustrukturierung des internationalen Systems begann der weltweite Rückzug kolonialer Mächte und das Ende zumindest ihrer formalen Herrschaft. Globalgeschichte als besondere Form der Weltgeschichtsschreibung ist nach Osterhammel als »die Suche nach Beginn und früher Entwicklung des heute durch Globalisierung gestifteten Weltzusammenhangs«122 zu beschreiben. Kolonialismus – Imperialismus Mit der europäischen Expansion in der frühen Neuzeit und spätestens mit den zunehmend global agierenden europäischen Mächten seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Geschichte der Globalisierung kaum mehr von der des Kolonialismus und Imperialismus zu trennen. Kolonialismus definiert Jürgen Osterhammel wie folgt: »Kolonialismus ist eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorranginger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden. Damit verbinden sich in der Neuzeit in der Regel sendungsideologische Rechtfertigungsdoktrinen, die auf der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit beruhen.«123
Auf die zahlreichen Imperialismustheorien und die vielfältigen Beschreibungsversuche diverser Herrschaftsverhältnisse und Abhängigkeitsbeziehun118 Osterhammel: Auf der Suche nach einem 19. Jahrhundert, S. 115. 119 John Darwin geht hingegen von einem weiter gefasst Begriff aus und betrachtet Entkolonialisierung vielmehr als »das Abwracken einer eurozentristischen imperialen Ordnung […], in die das Territorialreich mit exterritorialen ›Rechten‹ eingebunden gewesen war«. Darwin: Der Imperiale Traum, S. 413. 120 Vgl. Eckert: Kolonialismus, S. 6 f. 121 Vgl. hierzu auch Loth, Wilfried: Die Teilung der Welt. Geschichte des Kalten Krieges 1941 – 1955. München 2000, S. 98 ff. 122 Osterhammel: Weltgeschichte. Ein Propädeutikum, S. 460. Zur Periodenbildung im globalen Kontext vgl. auch Komlosy : Globalgeschichte. Methoden und Theorien, S. 45 ff. 123 Osterhammel: Kolonialismus, S. 21.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
gen kann an dieser Stelle leider nicht umfassend eingegangen werden.124 Auch wenn beide Begriffe eine negative Konnotation gemeinsam haben125, so sind Imperialismus und Kolonialismus doch voneinander deutlich abzugrenzen. Der Begriff des Imperialismus bündelt demnach alle Maßnahmen zur Etablierung und zum Erhalt transkolonialer Imperien: »Imperialismus impliziert also nicht bloß Kolonialpolitik, sondern ›Weltpolitik‹, für welche Kolonien nicht allein Zwecke in sich selbst, sondern auch Pfänder in globalen Machtspielen sind«126. Auch wenn im Folgenden nicht auf die Darstellung imperialistischen Handels und Denkens verzichtet werden kann, so wird Kolonialismus doch im Sinne Andreas Eckerts als »eine besondere, wohl auch die wichtigste Erscheinungsform von Imperialismus«127 verstanden und als solche schwerpunktmäßig thematisiert.
2.3. Nationenzentrierte Erinnerung(en) an die koloniale Vergangenheit Geschichtskarten sind »Referenzpunkte für die nationale Erinnerung«128 auch an die koloniale Vergangenheit und werden somit selbst zu Erinnerungsorten.129 Für einen europäischen Kartenvergleich ist es von zentraler Bedeutung, die jeweiligen nationalen Besonderheiten zumindest exemplarisch zu skizzieren. Schließlich können nur durch ein Verständnis der jeweiligen erinnerungskul124 Vgl. hierzu auch Mommsen, Wolfgang, J.: Imperialismustheorien. Göttingen 1987; Hobsbawm, Eric J.: Das imperiale Zeitalter 1875 – 1914. Frankfurt am Main 2004; Bush, Barbara: Imperialism and Postcolonialism. London 2006. Schöllgen, Gregor/Kiessling, Friedrich (Hrsg.): Das Zeitalter des Imperialismus. München 2009. 125 Wolfgang Reinhard bemerkt sogar, dass »›Kolonialismus‹ oder ›Kolonisierung‹ […] sich ebenso wie ›Imperialismus‹ kaum mehr als wissenschaftliche Begriffe [eignen], weil sie zu politischen Schimpfwörtern geworden sind«; Reinhard: Kolonialgeschichtliche Probleme und kolonialhistorische Konzepte, in: Kraft/Lüdtke/Martschukat: Kolonialgeschichten, S. 80. 126 Osterhammel: Kolonialismus, S. 27. Sebastian Conrad weist aber auch darauf hin, dass »eine säuberliche Trennung von Imperialismus (mit der Betonung auf informeller Steuerung ohne territoriale Ansprüche) und Kolonialismus nicht immer hilfreich ist, um die Realitäten vor Ort zu beschreiben«, denn »[d]ie Übergänge von formaler Territorialherrschaft, ökonomischer Kontrolle und imperialistischer Infiltration waren häufig fließend«; Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 15. 127 Eckert: Kolonialismus, S. 8. 128 Grindel: Deutscher Sonderweg oder europäischer Erinnerungsort, S. 699. 129 Vgl. Böttcher, Christina: Die (Un)möglichkeit Grenzen auf Karten zu verstehen, in: Die Macht der Karten oder : was man mit Karten machen kann (hrsg. vom Freundeskreis der Prof. Dr. Frithjof Voss Stiftung und des Georg-Eckert-Institut Braunschweig) Eckert Dossiers 2 (2009).
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Nationenzentrierte Erinnerung(en) an die koloniale Vergangenheit
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turellen Hintergründe aktuelle Manifestationen im Kartenbild kontextualisiert und erklärt werden. Neben der Erinnerung an die europäische Expansion wird anhand der Beispiele Niederlande, Frankreich und Deutschland gezeigt, wie unterschiedliche Kolonialerfahrungen und deren Bewertungen das Erinnern an ein eigentlich europäisches Ereignisgeflecht prägen. Die Auswahl der Länderbeispiele ist dabei ein Ausdruck der Komplexität und Vielfältigkeit vermeintlich gemeinsamer historischer Erfahrungen ehemaliger Kolonialmächte.
Erinnerung an die Europäische Expansion Andreas Eckert stellt treffend fest, dass die Europäische Expansion »nicht nur die eroberten und kolonisierten Gebiete in Übersee [prägte], sondern auch die europäischen Staaten selbst«, weshalb sich das resultierende »koloniale Erbe« nicht verbergen lasse.130 So ist gerade die Erinnerung131 an den Kolonialismus in einer modernen europäischen Einwanderergesellschaft durchaus als konstitutiver Bestandteil einer europäischen und nationalen Identität zu verstehen. Helma Lutz und Kathrin Gawarecki weisen darauf hin, dass ein gemeinsames Erinnern auch Konstruktions- und Transformationsprozessen unterliegt, sodass Ereignisse unterschiedlich fokussiert oder gar ausgeblendet werden können.132 Wole Soyinka geht von einer geringen Aufklärungs- und Erinnerungsbereitschaft im Hinblick auf den europäischen Kolonialismus aus und spricht in seinem gleichnamigen Essayband sogar von der »Last des Erinnerns«133. Die Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien und deren Nachkommen wurden zu einem wichtigen Bestandteil der europäischen Gesellschaft, weshalb auch die Forderung nach einer Integration der Kolonialgeschichte in die nationalen Er130 Eckert, Andreas: Koloniale Vergangenheit und europäisches Gedächtnis, S. 694. 131 An dieser Stelle kann auf die Studien von Maurice Halbwachs zum kollektiven Gedächtnis und Jan Assmanns Konzept der Erinnerungskultur leider nicht ausführlich eingegangen werden, vgl. hierzu u. a.: Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung. Stuttgart u. a. 2005; Assmann, Aleida: Erinnerungsräume- Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 2003; Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Frankfurt am Main 1998; Nora, Pierre/ FranÅois, Êtienne: Erinnerungsorte Frankreichs. München 2005; Cornelißen, Christoph: Was heißt Erinnerungskultur? Begriff-Methoden-Perspektiven, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 54 (2003), S. 548 – 563; Zimmer, Hasko: Kollektives Gedächtnis im Zeitalter der Globalisierung: Gibt es eine postkoloniale Erinnerungskultur? in: Lutz, Helma/Gawarecki, Kathrin: Kolonialismus und Erinnerungskultur. Die Kolonialvergangenheit im kollektiven Gedächtnis der deutschen und niederländischen Einwanderungsgesellschaft (NiederlandeStudien, Band 40) Münster 2005, S. 67 – 81. 132 Vgl. Lutz/Gawarecki: Kolonialismus und Erinnerungskultur, in: Ders. (Hrsg.): Kolonialismus und Erinnerungskultur, S. 14 f. 133 Soyinka, Wole: Die Last des Erinnerns. Was Europa Afrika schuldet – und was Afrika sich selbst schuldet. Düsseldorf 2001.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
innerungskulturen erhoben wurde.134 Mit einer ›eurozentrischen Heldengeschichte‹, als welche sich der Kolonialismus in einigen Ländern noch lange darstellte (und zum Teil bis heute darstellt), ist dieses offenbar nicht zu vereinbaren. So bleibt die Frage offen, »wie sich die Gleichzeitigkeit von Aufklärung und rassistisch legitimierter Ausbeutung bzw. Unterdrückung in der europäischen Geschichte erklären lässt«135. David Levy und Natan Szaider argumentieren am Beispiel der Holocaust-Erinnerung sogar in Richtung einer Universalisierung nationaler Erinnerungen und beschreiben die Notwendigkeit zur »Entortung« des nationalen Gedächtnisses hin zu einem »kosmopolitischen Gedächtnis«.136 Von einer solchen universalen Erinnerung oder einem »Erinnerungsimperativ«, wie es Salomon Korn für die Erinnerung an den Holocaust in Europa137 beschreibt, ist ein europäisches Erinnern an den Kolonialismus offenbar weit entfernt. Auf der Suche nach einer gemeinsamen Erinnerung an den Kolonialismus sind nicht nur die gegenwärtigen Beziehungen zwischen Europa und seinen ehemaligen Kolonien zu berücksichtigen, sondern auch eine Fülle unterschiedlicher kolonialer Erfahrungen, Herrschaftspraktiken und Ideologien, die das koloniale Zeitalter bestimmten und bis heute nachwirken. So ist festzustellen, dass »die Debatte um die Bedeutung der kolonialen Vergangenheit für die Gegenwart […] noch weitgehend im Rahmen nationaler Diskurse [laufen].«138 Die Diskussion um die Kolonialgeschichte in Belgien richtet sich beispielsweise vor allem auf die einstige Privatkolonie König L¦opolds II. und die damit verbundenen Kongo-Gräuel.139 In Großbritannien hingegen ist die Erinnerung an die Sklaverei ein zentrales Element der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Empires.140 Im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der Abschaffung der Sklaverei 2007 und der Eröffnung einer Reihe von Ausstellungsprojekten ist sogar eine Art Erinnerungshype feststellbar.141 Obwohl in jüngster Zeit auch das Kapitel des Mau-
134 Vgl. Lutz/Gawarecki: Kolonialismus und Erinnerungskultur, S. 9. 135 Lutz/Gawarecki: Kolonialismus und Erinnerungskultur, S. 12. 136 Levy, Daniel/Szaider, Natan: Erinnerung im globalen Zeitalter : Der Holocaust. Frankfurt am Main 2001, S. 35 – 48. 137 Korn, Salomon: Die Zukunft der Erinnerung in Europa, zitiert nach: Lutz/Gawarecki: Kolonialismus und Erinnerungskultur, S. 9. 138 Eckert, Andreas: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, in APuZ 1 – 2 (2008), S. 38. 139 Vgl. hierzu auch Hochschild, Adam: Schatten über dem Kongo. Die Geschichte eines großen, fast vergessenen Menschheitsverbrechen. Stuttgart 2009. 140 Vgl. hierzu z. B. Farrell, Stephen/Unwin, Melanie/Walvin, James (Hrsg.): The British Slave Trade: Abolition, Parliament and People. Edinburg 2007. 141 Vgl. Eckert: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, S. 35.
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Nationenzentrierte Erinnerung(en) an die koloniale Vergangenheit
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Mau-Krieges in Kenia142 vermehrt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt ist, weist Andreas Eckert auf die Verdrängung der »mit dem imperialen Projekt verknüpfte[n] Schuld« und der »Trauer um das verloren gegangene Weltreich« hin.143 Das Ende der Kolonialreiche in Afrika und Asien galt lange als »Ausdruck einer liberalen Denkungsart«, sodass diese »allzu positive[n] Bilder vom britischen Kolonialismus korrigiert werden müssen«144. Eine nationenzentrierte Form der Erinnerung findet in unterschiedlicher Weise ihren Ausdruck, wie u. a. in Straßennamen145, Denkmälern146, historischen Romanen147, in aktuellen Spiel- und Dokumentarfilmen148 oder in unterschiedlichen Bildungsmedien, wie Geschichtslehrbüchern oder Geschichtsatlanten.
142 Vgl. hierzu auch Elkins, Caroline: Britain’s gulag. The Brutal End of Empire in Kenia. London 2005; Klose, Fabian: Menschenrecht im Schatten kolonialer Gewalt. Die Dekolonisierungskriege in Kenia und Algerien 1945 – 1962. München 2009, S. 78 – 97; Speitkamp, Winfried: Spätkolonialer Krieg und Erinnerungspolitik: Mau Mau in Kenia, in: Ders./ Berding, Helmut/Heller, Klaus (Hrsg.): Krieg und Erinnerung. Fallstudien zum 19. und 20. Jahrhundert. Göttingen 2000, S. 193 – 223; Anderson, David: Histories of the Hanged. Britain’s Dirty War in Kenya and the End of Empire. London 2005. 143 Eckert: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, S. 35. Für die Auseinandersetzung mit dem Ende des Britischen Empires im Schulbuch vgl. Mish, Carsten: Die Dekolonisation des Empire in britischen Geschichtsbüchern seit 1947, in: Internationale Schulbuchforschung 30 (2008), S. 741 – 762. 144 Eckert: Koloniale Vergangenheit und europäisches Gedächtnis, S. 693. 145 Vgl. Honold, Alexander : Afrikanisches Viertel. Straßennamen als kolonialer Gedächtnisraum, in: Kundrus, Birthe (Hrsg.): Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus. Frankfurt am Main 2003, S. 305 – 322. 146 Vgl. hierzu auch Zeller, Joachim: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewusstsein. Eine Untersuchung der kolonialdeutschen Erinnerungskultur. Frankfurt am Main 2000; Zeller, Joachim: Symbolische Politik. Anmerkungen zur kolonialdeutschen Erinnerungskultur, in: Ders./Zimmerer, Jürgen (Hrsg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904 – 1908) in Namibia und seine Folgen. Berlin 2003, S. 192 – 214. 147 Vgl. hierzu Brehl, Medardus: »Das Drama spielte sich auf der dunklen Bühne des Sandfeldes ab«. Die Vernichtung der Herero und Nama in der deutschen (Populär)Literatur, in: Zimmerer, Jürgen/Zeller, Joachim (Hrsg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904 – 1908) in Namibia und seine Folgen. Berlin 2003, S. 86 – 96; z. B. Conrad, Joseph: Herz der Finsternis. München 2005 (Originaltitel: »Heart of Darkness« 1899, Buchausgabe 1902); eine eher romantische Vorstellung Afrikas findet sich hingegen bei: Zweig, Stefanie: Nirgendwo in Afrika. München 1995 (verfilmt 2001). 148 Vgl. hierzu beispielsweise »Deutsche Kolonien – Vom Entdecker zum Eroberer – Afrika brennt« (FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht 2006); »Afrika Mon Amour« (TV-Serie ZDF 2007); hinzu kommen aber auch zahlreiche Internetportale, wie z. B. das der BBC-History (http://www.bbc.co.uk/history/british/abolition/).
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Die »heimgekehrte Erinnerung« in den Niederlanden Im Gegensatz zu Belgien und Großbritannien wurde das niederländische nationale Selbstbild in der Vergangenheit von zwei zentralen Themen dominiert, dem goldenen Jahrhundert und der deutschen Besatzung 1940 – 1945.149 Die Erinnerung an die verhältnismäßig lange koloniale Vergangenheit, an die Kolonialkriege und den Sklavenhandel konnte nicht zuletzt durch den Einfluss postkolonialer Migranten wiederbelebt werden. »Mit ihnen ist die koloniale Vergangenheit in den vergangenen Jahren buchstäblich heimgekehrt«.150 Besonders die Erinnerung an die Opfer der Sklaverei fand seit den 1990er Jahren ihren Ausdruck in einem Monument im Amsterdamer Oosterpark und der Gründung eines nationalen Instituts zur niederländischen Sklavereigeschichte. Als Indiz einer neuen Auseinandersetzung mit der eigenen Kolonialgeschichte und insbesondere mit der Geschichte der Sklaverei sind nicht nur zahlreiche Fernsehdokumentationen, Bücher und Museumsinstallationen zu nennen, sondern auch die Verankerung im »Bildungskanon der Niederlande«. Neben »De Verenigde Oostindische Compagnie 1602 – 1799« wird die »Slavernij ca. 1637 – 1863«151 hier zu einem zentralen Bestandteil der niederländischen Geschichte erhoben. Dennoch beschreibt Gert Oostindie, dass die aktuellen Entwicklungen nur bei einem geringen Anteil der Bevölkerung wahrgenommen werden. »Noch viele, wahrscheinlich die meisten Bürger in den Niederlanden glauben offensichtlich, dass die Vergangenheit der Sklaverei nur für die Niederländer aus Surinam und von den niederländischen Antillen Relevanz besitzt«.152 Von einer wirklich »nationalen Öffentlichkeit« kann in der Wahrnehmung der kolonialen Vergangenheit kaum gesprochen werden, sondern vielmehr von einer erfolgreichen Mobilisierung von Politik und Presse durch vielfältige Interessengruppen.153 Somit konnte die »koloniale Vergangenheit und mehr noch ihre postmigratorischen Epiphanien nicht zu einem untrennbaren Teil des holländischen Bewußtseins oder der holländischen Phantasie werden«154.
149 Vgl. Oostindien, Gerd: Fragmentierte ›Vergangenheitsbewältigung‹: Kolonialismus in der niederländischen Erinnerungskultur, in: Lutz/Gawarecki: Kolonialismus und Erinnerungskultur, S. 42. 150 Oostindien: Fragmentierte ›Vergangenheitsbewältigung‹, S. 42. 151 De Canon van Nederland: http://entoen.nu/po-docent. Vgl. hierzu auch Wilschut, Arie: Ein Referenzrahmen für den Unterricht im Fach Geschichte, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 60 (2009), S. 629 – 645. 152 Oostindien: Fragmentierte ›Vergangenheitsbewältigung‹, S. 52. 153 Vgl. Raben, Remco: Koloniale Vergangenheit und postkoloniale Moral in den Niederlanden, in: Knigge, Volkhard/Frei, Norbert: Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord. München 2002, S. 106. 154 Ebenda, S. 107.
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Nationenzentrierte Erinnerung(en) an die koloniale Vergangenheit
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Erinnerungspolitik in Frankreich Bereits nach der Niederlage im französischen Indochina-Krieg (1946 – 1954)155 wurden die gefallenen Soldaten seitens der französischen Regierung als Helden und Märtyrer geehrt, die »nicht nur für Frankreich, sondern für die Verteidigung der westlichen Welt vor dem kommunistischen Zugriff gestorben [sind]«156. Dirk Petter stellt darüber hinaus fest, dass weder von einem »Krieg« in Indochina, noch von einem Dekolonisationsprozess von öffentlicher Seite gesprochen wurde. Die französischen Parlamentsdebatten der 1950er Jahre waren geprägt vom Verschweigen des Dekolonisationsprozesses in Indochina und von der Betonung Frankreichs als Friedensstifter und Reformkraft in den nordafrikanischen Protektoraten Tunesien und Marokko.157 Während die koloniale Ablösung Tunesiens und Marokkos (1956) schlichtweg verharmlost und als interd¦pendance bezeichnet wurde, nahm Algerien, als »integraler Bestandteil des französischen Staatsgebietes« mit einem hohen Anteil französischer Siedler, eine Sonderstellung ein.158 So verwundert es kaum, dass der Ausbruch des Algerienkrieges (1954 – 1962) mit der Verteidigung der Einheit Frankreichs begründet und als interne Angelegenheit bezeichnet wurde.159 Jürgen Osterhammel beschreibt die politischen Rückwirkungen auf die IV. Republik Frankreichs, indem er von einer Erschütterung nach dem Indochina-Krieg und einer Zerstörung des politischen Systems nach dem Algerien-Krieg spricht.160 Umso bemerkenswerter erscheint in diesem Zusammenhang die staatliche Image- und Informationskampagne, die den Franzosen suggerieren sollte, »sich nicht nur als Einwohner des kontinentalen Frankreichs zu begreifen, sondern als Teil eines Landes von 100 Millionen Menschen und 12 Millionen Quadratkilometern«161. In diesem Rahmen wurden Informationsveranstaltungen und Foto- bzw. Filmvorführungen in Schulen von Seiten des Bildungsministeriums gefördert und die Schulbuchproduktion hinsichtlich der offiziellen Interpretation beeinflusst. »Ein Großteil der Geschichtsschulbücher der zweiten Hälfte der 1950er Jahre präsentierte den Schülern völlig unabhängig von Schulart oder Klassenstufe die koloniale Expansion Frankreichs seit der Dritten Republik als das hervorragende Eroberungs-
155 Vgl. hierzu auch Frey, Marc: Geschichte des Vietnamkriegs. Die Tragödie in Asien und das Ende des amerikanischen Traums. München 2006, S. 17 – 41. 156 Petter, Dirk: Bilder imperialen Abschieds: Die französische Dekolonisation im Spiegel von öffentlichen Debatten und Geschichtsschulbüchern (1954 – 1962), in: Internationale Schulbuchforschung 30 (2008), S. 718. 157 Vgl. Petter : Bilder imperialen Abschieds, S. 720. 158 Vgl. Petter : Bilder imperialen Abschieds, S. 721. 159 Vgl. ebenda, S. 721 f. 160 Osterhammel: Kolonialismus, S. 121 f. 161 Petter : Bilder imperialen Abschieds, S. 722.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
werk patriotischer französischer Kolonialherren und wies meist explizit auf das friedliche Ausgreifen der Republik nach Übersee hin.«162
Die enthaltenen Schulbuchtexte betonten somit den »Export zivilisatorischen Fortschritts« als zentrales Motiv. Mit zusätzlichen Unterrichtseinheiten sollte auf eine »koloniale Bewusstseinsbildung«163 hingewirkt werden. Während nach 1962 in Frankreich eine Art »postkoloniale Nostalgie«164 zu beobachten war, hat seit den 1980er und vermehrt seit den 1990er Jahren165 die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des französischen Kolonialreichs und dessen Ende zugenommen.166 Dennoch gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass in der öffentlichen Diskussion um Kolonialismus und Dekolonisation in Frankreich noch immer ein »verklärtes-unkritisches Bild der kolonialen Vergangenheit«167 mitschwingt. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist die Debatte um das 2005 verabschiedete Gesetz mit dem Titel »Loi portant reconnaissance de la Nation et contribution nationale en faveur des FranÅais rapatri¦s«168, das »den Schlusspunkt einer ganzen Serie von Maßnahmen [darstellt], mit denen der französische Staat das öffentliche Gedenken an den Algerienkrieg neu ordnen wollte«169. Auf Curricula, die universitäre Lehre und Forschung nahm dieses Gesetz Einfluss, indem es eine positive Darstellung der französischen Präsenz in Nordafrika forderte. Umfangreicher Widerstand formierte sich dagegen vor allem unter Menschenrechtsaktivist/innen und Historiker/innen, sodass der besonders umstrittene Artikel 4 bereits ein Jahr später aus dem Gesetz entfernt wurde.170 Die umstrittene Rede des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy an der Universit¦ Cheikh Anta Diop de Dakar (26. 07. 2007), ist mit ihrem rassistischen Unterton ebenso Ausdruck einer verklärten, vierzig Jahre überdauernden kolonialen Perspektive.171 Es gibt jedoch auch zahlreiche positive Entwicklungen, die nicht zuletzt unter dem Druck einer multikulturellen französischen Gesellschaft einen kritischen Umgang mit der eigenen Kolonialgeschichte begünstigen. Im Jahr 2001 erfolgte 162 163 164 165
166 167 168 169 170 171
Ebenda, S. 723. Ebenda, S. 724. Petter : Bilder imperialen Abschieds, S. 734 Beispielsweise durch die Debatte um die Art der französischen Kriegsführung und das Folterbekenntnis des Generals Aussaresses; Vgl. Mollenhauer, Daniel: Erinnerungspolitik in der postkolonialen Republik – Frankreich und das koloniale Erbe, in: Kraft/Lüdkte/ Martschukat: Kolonialgeschichten, S. 120. Vgl. Eckert: Koloniale Vergangenheit und europäisches Gedächtnis, S. 692. Vgl. Eckert: Koloniale Vergangenheit und europäisches Gedächtnis, S. 691. Weitere Informationen dazu auch bei Mollenhauer : Erinnerungspolitik in der postkolonialen Republik, S.119 ff. Ebenda, S. 119. Ebenda, S. 126. Vgl. Eckert: Koloniale Vergangenheit und europäisches Gedächtnis, S. 691.
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Nationenzentrierte Erinnerung(en) an die koloniale Vergangenheit
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beispielsweise die gesetzliche Anerkennung des Sklavenhandels als Verbrechen gegen die Menschlichkeit172 und 2006 die Einrichtung eines entsprechenden nationalen Gedenktages (10. Mai). In diesem Zusammenhang wurde ein Maßnahmenkatalog entwickelt, durch den die Geschichte der Sklaverei nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in Schule und Forschung verankert werden soll.173 Diese zunehmende Auseinandersetzung mit der französischen Kolonialgeschichte, besonders in Nordafrika, bezeichnet Andreas Eckert treffend als das »Ende der Amnesie«174. Die weitgehende Abwesenheit in der deutschen Erinnerungskultur »Die wissenschaftliche Forschung hat sich fast ausschließlich auf das Deutschland Hitlers und das Russland Stalins konzentriert, auf Kosten ihrer harmloseren Vorgänger«175. Zwei zentrale Aspekte der Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte werden in dieser Äußerung Hanna Arendts deutlich. So erfolgte in Deutschland nach 1945 die Fokussierung auf andere Themenfelder (a), wie Nationalsozialismus und Holocaust, Flucht und Vertreibung sowie die Entwicklungen in einer bipolaren Welt. Der Kolonialismus und die damit verbundenen Probleme wie Rassismus und Ausbeutung erschienen in diesem Zusammenhang eher als die Probleme der »großen Kolonialmächte«.176 So stellt Russel A. Berman fest, dass die deutsche Kolonialgeschichte kaum als eigenständiges Thema betrachtet wurde, sondern meist als »Nachtrag zur Binnenpolitik oder lediglich als ›Bruch-Teil‹ einer weitreichenden Weltpolitik«177. Auch wenn der Begriff ›harmlos‹ diskussionswürdig ist, so steckt in der Äußerung Hanna Arendts doch auch der Verweis auf eine Verbindung von Kolonialismus und Nationalsozialismus (b), der in der neueren Forschung aufgegriffen wurde.178 So weist vor allem Jürgen Zimmerer mit der oft genannten Grindel: Deutscher Sonderweg oder europäischer Erinnerungsort, S. 706. Vgl. Mollenhauer : Erinnerungspolitik in der postkolonialen Republik, S. 128. Eckert: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, S. 32. Arendt, Hanna: Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft (englische Originalausgabe 1951), München u. a. 1986, S. 215. 176 Vgl. Eckert: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, S. 37. Eine Zusammenfassung der Entwicklungen und aktuellen Tendenzen zur Geschichtsschreibung der deutschen Kolonialgeschichte; Vgl. Conrad: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 8 ff.. 177 Berman, Russel A.: Der ewige Zweite. Deutschlands Sekundärkolonialismus, in: Kundrus: Phantasiereiche, S.19. 178 Zur Diskussion um die Verbindung zwischen Holocaust und Kolonialismus vgl. u. a.: Zimmerer, Jürgen: Krieg, KZ und Völkermord in Südwestafrika, in: Zeller, Joachim/Zimmerer, Jürgen (Hrsg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904 – 1908) in Namibia und seine Folgen. Berlin 2003, S. 45 – 63; Zimmerer, Jürgen: Von Windhuk nach Warschau. Die rassische Privilegiengesellschaft in Deutsch-Südwest, ein Modell mit
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
und nicht minder kontroversen Formel »Von Windhuk nach Auschwitz«179 auf eine Kontinuität zwischen nationalsozialistischer Eroberungs- bzw. Vernichtungspolitik und dem europäischen Kolonialismus hin.180 In diesem Rahmen wurde in den letzten Jahren die Frage nach einem sogenannten »deutschen Sonderweg« gestellt, dessen Ausgangspunkt im Genozid an den Herero in Deutsch-Südwestafrika gesehen wird.181 Unabhängig von dieser Debatte konstatiert Winfried Speitkamp, dass »die Erinnerung an die koloniale Vergangenheit nach wie vor eine marginale Position in Deutschland ein[nimmt]«182. Helma Lutz und Kathrin Gawarecki sprechen in diesem Zusammenhang sogar von einer »weitgehenden Abwesenheit der Kolonialvergangenheit in der deutschen Erinnerungskultur«183. Als Gründe für diese Entwicklungen lassen sich beispielsweise die geringe ökonomische Bedeutung des deutschen Kolonialbesitzes184 ebenso anführen, wie die kurze Bestandsdauer, die verhältnismäßig geringen »imperialen Folgeprobleme«185 (im Vergleich zu Frankreich und Großbritannien) und die bereits erwähnte Fokussierung auf andere Themenfelder. Winfried Speitkamp beschreibt eine neue Debatte um ein angemessenes Erinnern seit den späteren 1980er Jahren und nennt zahlreiche Beispiele von
179 180 181
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Zukunft?, in: Becker, Frank (Hrsg.): Rassenmischehen-Mischlinge-Rassentrennung. Zur Politik der Rasse im deutschen Kolonialreich (Beiträge zur Europäischen Überseegeschichte Bd. 90). Stuttgart 2004, S. 97 – 123; Kundrus, Birthe: Von Windhoek nach Nürnberg? Koloniale »Mischehenverbote« und die nationalsozialistische Rassengesetzgebung, in: Ders. (Hrsg.): Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus. Frankfurt am Main 2003, S. 110 – 134. Zimmerer, Jürgen: Von Windhuk nach Auschwitz. Beiträge zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust. Münster u. a. 2007. Gegenpositionen dazu formulieren u. a. Malinowski, Stephan/Gerwart, Robert: Der Holocaust als »kolonialer Genozid«? Europäische Kolonialgewalt und nationalsozialistischer Vernichtungskrieg, in: Geschichte und Gesellschaft 33 (2007), S. 439 – 466. Zur Frage nach einem »deutschen Sonderweg« vgl. auch Eckert, Andreas: Namibia – ein deutscher Sonderweg in Afrika? Anmerkungen zur internationalen Diskussion, in: Zimmerer/Zeller : Völkermord in Deutsch-Südwestafrika, S. 226 – 238; Melber, Henning: Ein deutscher Sonderweg? Einleitende Bemerkungen zum Umgang mit dem Völkermord in Deutsch-Südwestafrika, in: Ders. (Hrsg.): Genozid und Gedenken. Namibisch-deutsche Geschichte und Gegenwart. Frankfurt am Main 2005, S. 13 – 22. Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 186. Ein Indiz dafür ist auch der Band »Deutsche Erinnerungsorte« von Etienne FranÅois und Hagen Schulze, in dem kein Ort mit Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte (z. B. in Afrika) zu finden ist; Vgl. FranÅois, Etienne/Schulze, Hagen (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte. München 2005. Lutz/Gawarecki: Kolonialismus und Erinnerungskultur, S. 10. Die deutschen Kolonien konnten den ökonomischen Erwartungen nicht im erhofften Maße gerecht werden, in denen sie als Rohstoffquelle und Absatzmarkt fungierten (im Sinne eines zweiten Indiens), sodass sie, bis auf die erzielten Gewinne einzelner Unternehmen, doch ein Verlustgeschäft blieben. Eckert: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, S. 37.
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Kolonialgeschichte als Teil globalgeschichtlicher Perspektiven
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Umbenennungen, Umwidmungen und Umdeutungen.186 Ein Meilenstein in der Erinnerung und Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte bildete der 100. Jahrestag der Schlacht vom Waterberg am 14. August 2004. Die damalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul nahm die Gedenkfeier zum Anlass für eine ausdrückliche Entschuldigung für den begangenen kolonialen Völkermord im heutigen Namibia.187 Die Entschuldigung und das Einräumen von Verantwortung stießen auf geteilte Zustimmung in Deutschland und zeigte, dass die Diskussion um finanzielle Entschädigung doch offenbar eine ganz andere ist.188 Im Gegensatz zum Genozid in Südwestafrika189 bemerkt Andreas Eckert, dass der Maji MajiKrieg (1905 – 197) in Deutsch-Ostafrika kaum das öffentliche Interesse weckte, obwohl die Folgen der deutschen Kriegsführung erheblich waren: »Deutsche Maschinengewehre und eine Taktik der ›verbrannten Erde‹ führten auf Seiten der afrikanischen Bevölkerung zu Hungersnöten, Epidemien und dem Zerfall sozialer Strukturen.«190 Die Beispiele aus den Niederlanden, Frankreich und Deutschland zeigen, dass eine gemeinsame Erinnerung an den europäischen Kolonialismus nur sehr schwer auszumachen ist, sodass zur Erklärung aktueller medialer Manifestationen die Betrachtung nationaler Erinnerungskulturen notwendig scheint.
2.4. Kolonialgeschichte als Teil globalgeschichtlicher Perspektiven im Geschichtsunterricht Im Hinblick auf Vermittlungskontexte macht Joachim Rohlfes eine deutliche Tendenz aus, »den europäischen Kolonialismus als einzigen Verursacher der gegenwärtigen Misere der Dritten Welt abzustempeln und so zu tun, als sei der Aufstieg der insdustriellen Wohlstandsgesellschaft vornehmlich auf dem Rü186 Vgl. Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 183 – 185. 187 Vgl. Kössler, Reinhart: Kolonialherrschaft – auch eine deutsche Vergangenheit, in: Lutz/ Gawarecki: Kolonialismus und Erinnerungskultur, S. 23; Die Rede der Bundesministerin findet sich auch auf der Internetpräsentation der »Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Windhuk«: (http://www.windhuk.diplo.de/Vertretung/windhuk/de/03/ Gedenkjahre__2004__2005/Seite__Rede__BMZ__2004 – 08 – 14.html). 188 Vgl. hierzu auch Böhlke-Itzen, Janntje: Die bundesdeutsche Diskussion um die Reparationsfrage. Ein »ganz normaler Kolonialkrieg«?, in: Melber : Genozid und Gedenken, S. 103 – 120. 189 Zimmerer, Jürgen: Kein Sonderweg im »Rassenkrieg«. Der Genozid an den Herero und Nama 1904 – 08 zwischen deutschen Kontinuitäten und der Globalgeschichte der Massengewalt, in: Müller, Sven Oliver/Torp, Cornelius (Hrsg.): Das Deutsche Kaiserreich in der Kontroverse. Göttingen 2009, S. 340. 190 Eckert: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, S. 38.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
cken der entrechteten Kolonialvölker vor sich gegangen«.191 Er warnt gerade im Sinne einer »fairen und sachlichen Behandlung der Dritten Welt« sehr deutlich vor einseitigen Schuldzuweisungen, die eine Thematisierung von Kolonialgeschichte im Geschichtsunterricht letztlich auf Zerstörung, Ausbeutung und Abhängigkeiten reduzieren. »Die afrikanische, asiatische, lateinamerikanische Welt darf nicht nur unter dem Aspekt der Begegnung mit den Europäern ins Blickfeld treten, sondern muß auch im Zusammenhang ihrer eigenen historischen Identität und Kontinuität gewürdigt werden. Dabei sollte ein Bewusstsein davon geweckt werden, daß die europäisch-abendländische Zivilisation und Weltsicht, so sehr sie die heutige Erde geprägt hat, kein verbindlicher Maßstab für die Wahrnehmung und Beurteilung nicht-europäischer Völker und Kulturen sein kann.«192
Für die Überwindung dieses eurozentrischen Blicks auf die Geschichte des Kolonialismus bietet in Vermittlungskontexten eine globalgeschichtliche Perspektive einen vielversprechenden Ansatz. Im Hinblick auf die Frage nach der Darstellung des Kolonialismus in Geschichtskarten stellen globalhistorische Fragen und Problemstellungen eine Vielfalt an Optionen bereit.193 So weist Susanne Popp etwa zu Recht darauf hin, dass »Geschichtskarten im Weltmaßstab zu den wichtigsten Hilfsmitteln für den Aufbau von globalen Makroperspektiven im Unterricht zählen«194. Umso notwendiger erscheint es Globalgeschichte im Rahmen geschichtsdidaktischer Zielsetzungen195 hinsichtlich ihrer allgemeinen Bedeutungen für historisches Lernen und als Ansatz zur Überwindung von Rassismus zu betrachten. Ferner gilt es, Vorschläge zur Umsetzung im Geschichtsunterricht zu skizzieren und letztlich Fragen zur Entwicklung von 191 Rohlfes: Geschichte und ihre Didaktik, S. 370. 192 Rohlfes: Geschichte und ihre Didaktik, S. 370. 193 Zur allgemeinen Bedeutung von Globalgeschichte im Geschichtsunterricht vgl. Popp, Susanne/Forster, Johanna (Hrsg.): Curriculum Weltgeschichte. Globale Zugänge für den Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2003; Günther-Arndt, Hilke/Kocka, Urte/Martin, Judith: Geschichtsunterricht zur Orientierung in der Welt – zu einer Didaktik von Globalgeschichte, in: Geschichte für heute 2 (2009) H. 3, S. 25 – 31. Als Indizien für ein gestiegenes Interesse an Globalgeschichte, seitens der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsdidaktik, erscheinen auch die erfolgreichen Sektionen auf dem 48. Deutschen Historikertag 2010 in Berlin: »Globalgeschichtliche Perspektiven im Geschichtsunterricht« und »Neue Wege der Globalgeschichte«. 194 Popp, Susanne: Antworten auf die neue Herausforderung. Welt- und globalgeschichtliche Perspektivierung des historischen Lernens, in: GWU 56 (2005), H. 9, S. 504. 195 Besonders sei an dieser Stelle Geschichtsbewusstsein als fachspezifische Zielangabe betont, Vgl. hierzu Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsunterricht nach PISA. Kompetenzen, Bildungsstandards und Kerncurricula. Schwalbach/Ts. 2005, S. 8 – 9; Ders.: Geschichtsbewußtsein, in: GWU 44 (1993), S. 725 – 728; Borries, Bodo von: Das Geschichtsbewußtsein Jugendlicher, Weinheim 1995; Jeismann, Karl-Ernst: »Geschichtsbewußtsein«. Überlegungen zu einer zentralen Kategorie eines neuen Ansatzes der Geschichtsdidaktik, in: Süßmuth, Hans (Hrsg.): Geschichtsdidaktische Positionen, Paderborn 1980, S. 179 – 222.
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Kolonialgeschichte als Teil globalgeschichtlicher Perspektiven
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Curricula und Lehrmitteln aufzugreifen. Schließlich haben Schule als wichtige Sozialisationsinstanz und Schulbücher als »besonders geeignete Indikatoren für die in einer Gesellschaft relevanten historischen Narrative«196 einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Produktion und Etablierung von Geschichtsund Raumbildern. Bedeutung für historisches Lernen Eine globalgeschichtliche Perspektivierung, die eine »Geschichte der Globalisierung verstärkt bei der Umsetzung der Lehrplan-Themen zur neueren und neuesten Geschichte [berücksichtig]«, fordert Susanne Popp. Sie schlägt geeignete Anwendungsbereiche vor, wie z. B. die Globalisierung europäischer Konflikte, die Revolution von Transport- und Kommunikationssystemen, globale Migration, Bevölkerungswachstum, städtische Ballungsräume und »nation building«.197 Darüber hinaus beschreibt sie eine weltgeschichtliche Perspektivierung als eine »den Globus oder zumindest Makroregionen umfassende räumliche Horizonterweiterung […], die auch auf die Frühgeschichte der Menschheit, sowie jene Epochen angewandt werden kann, die wir ›Antike‹ und ›Mittelalter‹ nennen«.198 Schüler/innen sollen nicht nur mit einer »Makroperspektive im Weltmaßstab«199 vertraut gemacht werden, sondern erkennen, dass die Geschichte der Globalisierung in der Neuzeit zu verorten ist. Die Industrialisierung und die europäische Expansion sollen demnach als wesentliche Elemente jener Geschichte verstanden werden. Schüler/innen sind heute, nicht zuletzt durch ihr eigenes Konsum- und Kommunikationsverhalten, aktiver Bestandteil der modernen globalisierten Welt, deren frühe Wurzeln bereits in den sich etablierenden Kolonialreichen Spaniens und Portugals ab etwa 1500 liegen. Als zentrale Kategorien historischen Denkens sind somit Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit einer solchen weltweiten Verflechtungsgeschichte von besonderer Relevanz.200 Die Lebenswelt der Schüler/innen und die sie umgebende Geschichtskultur können deshalb als zentrale Anknüpfungspunkte gelten, um einem zunehmenden Bedürfnis nach 196 Middel, Matthias: Wie gelangt Globalisierung in den Geschichtsunterricht?, in: Popp/ Forster : Curriculum Weltgeschichte, S. 37. 197 Popp: Antworten auf die neue Herausforderung, S. 494. 198 Ebenda. Osterhammel markiert den Beginn der Globalisierung bei engerer Definition sogar erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts; Vgl. Osterhammel: Weltgeschichte. Ein Propädeutikum, S. 460. 199 Popp: Antworten auf die neue Herausforderung, S. 494. 200 Vgl. hierzu auch Bergmann, Klaus: Der Gegenwartsbezug im Geschichtsunterricht – Methoden historischen Lernens. Schwalbach/Ts. 2002; Ders.: Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit, in: Bergmann, Klaus/Fröhlich, Klaus/Kuhn, Anette/Rüsen, Jörn/Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik. Seelze-Velber 1997, S. 267 f.
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Orientierung und dem »gesteigert[en] Interesse an weit ausgreifenden geschichtlichen Überblicken und Synthesen«201 zu begegnen (Schüler/innenorientierung, geschichtskulturelle Orientierung). Neben dem Gegenwartsbezug erscheinen Alteritätserfahrung und Fremdverstehen sowie Multiperspektivität als entscheidende Unterrichtsprinzipien202 im Hinblick auf eine globalgeschichtliche Perspektivierung. Dabei kann es nicht nur um das Erkennen und Nachvollziehen von globalen Strukturen und Verflechtungen als weltumspannendes System (horizontale Ebene) gehen, sondern auch um ein Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen Lokalität und Globalität (vertikale Ebene)203. Schließlich werden lokale Fragen und Probleme oft nur beantwortet und gelöst, wenn sie in einen globalen Zusammenhang gerückt werden. Dieses soll aber nicht zur Auslöschung individueller, lokaler, regionaler oder nationaler Geschichten führen, sondern vielmehr zu einem verbesserten Verständnis des Gesamtzusammenhangs beitragen. Johanna Forster und Susanne Popp beschreiben in diesem Rahmen ein »global orientiertes Geschichtsbewusstsein«204 und weisen auf die Notwendigkeit einer Kompetenz hin, »die das Ineinander der Ebenen des Individuellen, Lokalen, Milieuspezifischen, Regionalen, Nationalen, Kontinentalen und Globalen sowohl analytisch durchdring[t] als auch vernünftig miteinander in Beziehung setz[t]«205. Eine solche Kompetenz bezeichnet Ulrich Beck als »glokal« und versteht sie als Antwort auf die Fragen der Globalisierung unter Berücksichtigung einer »neue[n] Dialektik von globalen und lokalen Fragen«.206 Hilke Günther-Arndt, Urta Kocka und Judith Martin sehen vor allem kategoriales Denken als Voraussetzung dafür, auf globale Bezüge in der Vergangenheit aufmerksam zu machen207. Schüler/innen könnten so befähigt werden 201 Popp: Antworten auf die neue Herausforderung, S. 492. 202 Vgl. hierzu auch Bergmann, Klaus: Multiperspektivität: Geschichte selber denken, Schwalbach/Ts. 2000; Bergmann, Klaus: Multiperspektivischer Geschichtsunterricht, in: Süßmuth, Hans (Hrsg.): Geschichtsunterricht im vereinigten Deutschland, Baden-Baden 1991, S. 80 – 91; Sauer, Michael: Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik. Seelze 2001, S. 76 – 93. 203 Vgl. Popp: Antworten auf die neue Herausforderung, S.492. 204 Popp/Forster : Curriculum Weltgeschichte, S. 5; Popp, Susanne: Ein »global orientiertes Geschichtsbewusstsein« als zukünftige Herausforderung der Geschichtsdidaktik?, in: Onlinejournal für Sozialwissenschaften und ihre Didaktik vom 31. 07. 2002, URL: http:// www.sowi-onlinejournal.de/2002 – 1/geschichtsdidaktik_popp.htm (Stand: 20. 05. 2011, 19:30 Uhr). 205 Forster/Popp: Curriculum Weltgeschichte 2003, S. 7. 206 Beck, Ulrich: Wie wird Demokratie im Zeitalter der Globalisierung möglich? in: Ders. (Hrsg.): Politik und Globalisierung. Frankfurt am Main 1998, S. 19. 207 Vgl. Günther-Arndt/Kocka/Martin: Geschichtsunterricht zur Orientierung in der Welt, S. 27. An dieser Stelle werden neben den geschichtswissenschaftlichen und geschichtsdidaktischen Kategorien (Geschlecht, Wirtschaft, Krieg und Frieden, Aufklärung, Religion, Partizipation, Staat, Nation) auch geschichtskulturelle (Kommunikation, Medien, Kultur-
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Kolonialgeschichte als Teil globalgeschichtlicher Perspektiven
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entsprechende Kategorien auf unterschiedliche Raumebenen und Zeiträume anzuwenden, um so »historischen Wandel wahrzunehmen und zu reflektieren«208. Auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene wurde der europäische Kolonialismus lange als alleiniger Verursacher gegenwärtiger Probleme beschrieben und gleichzeitig als Sprungbrett einer industriellen Wohlstandsgesellschaft gedeutet. Eine globalgeschichtliche Betrachtung des Kolonialismus im Geschichtsunterricht, unter Zuhilfenahme entsprechender Kategorisierungen kann helfen die Geschichte von Less Developed Countries (LDC) und Least Developed Countries (LLDC)209 nicht nur auf einseitige Schuldzuweisung zu reduzieren.
Die Überwindung von Rassismus Für die geschichtsdidaktische Diskussion um Globalgeschichte ist allerdings auch die Frage nach einem veränderten Umgang mit Rassismus bzw. Rassismen210 von Bedeutung, wie es beispielsweise Astrid Messerschmidt im Rahmen einer »postnationalsozialistischen und postkolonialen Erinnerungsarbeit« fordert.211 Die besondere Bedeutung des Kolonialismus besteht demnach darin, dass in ihm sowohl die »biologistische Rassenideologien« als auch die »Vorstellungen kultureller Unvereinbarkeit«212 verbunden werden und somit Sklaverei, ökonomische Ausbeutung u. a. gerechtfertigt wurden. Ferner sei auch auf die besonders in der neueren Forschung diskutierte Verbindung zwischen kolonialem Rassismus und Antisemitismus hingewiesen.213 Christian Koller stellt fest, dass sich die alten Stereotypen und Argumenta-
208 209 210
211 212 213
transfer) und politische bzw. soziologische Kategorien (Umwelt, Bevölkerung, Migration, Ernährung, Arbeit) für global- und weltgeschichtliche Zusammenhänge empfohlen. Vgl. Günther-Arndt/Kocka/Martin: Geschichtsunterricht zur Orientierung in der Welt, S. 27. Die Bezeichnungen »Dritte Welt« und »Entwicklungsländer« sind entweder nicht bzw. nicht mehr zutreffend, sodass hier Bezug auf die international anerkannte Einteilung der Vereinten Nationen genommen wird. Vgl. Hall, Stuart: Ausgewählte Schriften – Ideologie, Kultur, Medien, Neue Rechte, Rassismus. Hamburg 1989, S. 85; Zum Rassismus-Begriff allgemein vgl. hierzu auch: Koller, Christian: Rassismus. Paderborn 2009; Miles, Robert: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffes. Hamburg 1991. Messerschmidt, Astrid: Postkoloniale Erinnerungsprozesse in einer postnationalsozialistischen Gesellschaft – vom Umgang mit Rassismus und Antisemitismus, in: PERIPHERIE 109 – 110 (2008), S. 42 – 60. Messerschmidt: Postkoloniale Erinnerungsprozesse, S. 44. Vgl. Leiprecht, Rudolf: Erinnerungskultur in Deutschland und den Niederlanden – Hinweise für eine Erinnerungspädagogik in pluriformen Einwanderungsgesellschaften, in: Lutz/Gawarecki: Kolonialismus und Erinnerungskultur, S. 102 – 104; Messerschmidt: Postkoloniale Erinnerungsprozesse.
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tionsmuster nach der Dekolonisation nicht auflösten. Vielmehr überlebten die »Ideen der Zivilisierungsmission« und entsprechende »exotische Wahrnehmungsmuster«, sodass »der alte Kolonialrassismus […] in den ehemaligen Kolonialmächten ziemlich nahtlos in fremdenfeindliche Vorurteile gegen Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien über[ging]«214. Eine globalgeschichtliche Perspektive kann durch die Betonung von individuellen, lokalen, nationalen und globalen Verflechtung (relationale Geschichte) einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Ideologien und vermittelte Geschichtsbilder zu hinterfragen und letztlich etablierte rassistische Stereotype in unterschiedlichen medialen Darbietungsformen zu entschlüsseln. Dabei sind die Betonung von globalen Interaktionen und die Überwindung des Eurozentrismus wichtige Schritte, um das Verhältnis von Kolonisierten und Kolonisatoren nicht mehr nur auf jeweils einseitige Erfolgs- oder Opfergeschichten zu projizieren. Darüber hinaus ist es notwendig, »soziale Konstruktionsprozesse zu beschreiben und die wesentlichen Konstruktionsprinzipien von rassistischen Bildern, Denkweisen und Erzählungen zu benennen«215. Dazu zählen entsprechend »die durch Rassismus behauptete Erbfolge« (»Rasse und Kultur«), »das angeblich Statisch- und Homogen-Sein« (Einheitlichkeit) und »weitere dichotomisierende Qualifikationen (z. B. herrschaftlich-dienend oder höherwertigminderwertig).216 Messerschmidt fordert in diesem Zusammenhang eine »Gedächtnisarbeit, die Spuren des kolonialen Verhältnisses zum Fremden freilegt und von da aus Machtverhältnisse sichtbar macht, die den aktuellen Umgang mit Fremden beeinflussen«217.
Vorschläge zur Realisierung im Geschichtsunterricht Hinsichtlich der Realisierung von Globalgeschichte218 im Geschichtsunterricht ergeben sich unterschiedliche Zugänge, beispielsweise über transnationale Betrachtungsweisen, beziehungsgeschichtliches Vorgehen, weltgeschichtliche Themen, globalgeschichtliche Fragestellungen und Untersuchungen und glokale 214 215 216 217
Koller : Rassismus, S. 64. Leiprecht: Erinnerungskultur in Deutschland und den Niederlanden, S. 104. Ebenda, S. 104. Messerschmidt, Astrid: Weltbilder und Selbstbilder. Bildungsprozesse im Umgang mit Globalisierung, Migration und Zeitgeschichte. Frankfurt am Main 2009, S. 22. 218 Susanne Popp nennt in diesem Zusammenhang auch fünf didaktische Funktionen: »historische Orientierung auf der globalen Makroebene«, »Kontextualisierung für ›lokale‹ Themen«, »Systematisierung von historischen Begriffen und Fragestellungen, die aus ›lokalen‹ Themen erwachsen«, »kritische Korrektur von unzutreffenden und/oder unreflektierten Geschichtsannahmen« und schließlich eine »metakognitive Modellierung von historischen Lernprozessen bzw. geschichtlichem Wissen«; Vgl. Popp: Antworten auf eine neue Herausforderung, S. 506.
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Untersuchungen.219 Dabei sind der Verzicht auf einen enzyklopädischen Gesamtüberblick und die Notwendigkeit von Reduktion und Zuspitzung unerlässlich. Für einen weltgeschichtlichen Bezug im Geschichtsunterricht weist Jürgen Osterhammel sowohl auf die Bedeutung von Längs- und Querschnitten hin, betont aber auch Interaktionsräume als »Arenen des Kontakts«. Außerdem markiert er die Bedeutung von Warenketten (Rohstoffe, Kolonialwaren) bzw. Biographien und betont systematische und kontrafaktische Fragestellungen »querliegender Probleme« (z. B. Abschaffung der Sklaverei, Demokratisierung im 20. Jahrhundert).220 Darüber hinaus macht Susanne Popp einen konkreten Vorschlag zur Umsetzung von Globalgeschichte im Geschichtsunterricht. Zunächst geht es um das Identifizieren von historischen Phasen auf der Makroebene (a) und um die Anschlussfähigkeit von individuellen, lokalen und nationalen Perspektiven. Um die Verknüpfung mit der Makroebene zu ermöglichen, schlägt sie, ähnlich wie Hilke Günther-Arndt, Urta Kocka und Judith Martin, eine Kategorienbildung vor.221 Für die anschließende Auswahl von inhaltlichen Leitaspekten (b) nennt Popp als Orientierungsgrößen beispielsweise »die demographische Entwicklung der Weltbevölkerung«, Expansions- und Zerfallsprozesse« oder »Herrschaftsgebilde und Kulturräume«.222 In einem dritten Schritt geht es schließlich um die perspektivische Verknüpfung von Makroebene und sogenannten »einheimischen« Themen (c).223 Entwicklung von Curricula und Lehrmitteln Zwar wurde die Bedeutung einer globalgeschichtlichen Perspektive für den Geschichtsunterricht fokussiert, aber die Notwendigkeit zur Veränderung curricularer Vorgaben und der Einfluss auf Lehrwerke sind davon nur schwer abzukoppeln. Globalgeschichte als Konzept für den Geschichtsunterricht und die Entwicklung eines Weltgeschichtscurriculums ist verstärkt in den Vereinigten Staaten, aber auch in einigen Ländern Europas und Asiens Gegenstand geschichtsdidaktischer Auseinandersetzungen. In den Vereinigten Staaten wurzelt die Tradition, Globalgeschichte als festen Bestandteil des Geschichtsunterrichts zu nutzen, bereits in den Western-Civilization-Kursen des endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Allerdings waren diese noch eurozentrisch ge219 220 221 222 223
Vgl. Günther-Arndt/Kocka/Martin: Geschichtsunterricht zur Orientierung, S. 26. Osterhammel: Weltgeschichte: Von der Universität in den Unterricht, S. 9 – 11. Vgl. Popp: Antworten auf eine neue Herausforderung, S. 503. Ebenda, S. 504. Vgl. ebenda, S. 505.
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
prägt und entsprachen eher einer altmodischen Form der Weltgeschichte, so wie sie auch in Europa zu finden war. Mit dem Ersten Weltkrieg verstärkte sich das Bewusstsein in den USA für die kulturellen Verflechtungen mit Europa.224 Als Gründe für die Etablierung von Weltgeschichte in Textbooks und Curricula der Vereinigten Staaten nennt Hanna Schissler die Sputnik-Krise, die Verarbeitung des Vietnam-Krieges, die sozialen Bewegungen in den 1970er Jahren und das Ende der bipolaren Welt. Als weitere Meilensteine in der Entwicklung eines Curriculums Weltgeschichte gelten die 1982 gegründete World History Association (WHA), das World History-Curriculum, der National Standards for History Teaching von 1996 und das World History-Kurskonzept des Advanced Placement Program aus dem Jahr 2000.225 Allerdings ist festzustellen, dass die Etablierung von »Weltgeschichte« im Geschichtsunterricht eng mit dem amerikanischen Bedürfnis verbunden ist, »ein verändertes Verständnis der Welt zu entwickeln und die Rolle der USA in der Welt als der einzig übriggebliebenen Supermacht neu zu definieren«226. Bestimmt wird die Diskussion um Weltgeschichte in den USA somit von einer »Selbstvergewisserung über die vielfältigen Ursprünge dessen, was Amerika heute ist«227. In neueren Curriculum-Konzepten der Vereinigten Staaten sind wechselseitige Bezüge zwischen Welt- und Nationalgeschichte nur schwer auszumachen, sodass Susanne Popp sogar von einer »traditionellen, international praktizierte[n] Zweiteilung«228 spricht. Die eigene Nationalgeschichte wird dabei nicht in eine umfassende Weltgeschichte eingebettet, sondern als eine »Geschichte des ›Nicht-Wir‹« erzählt, die keinen Perspektivwechsel fördert, sondern vielmehr die Abgrenzung zu »den Anderen« intensiviert.229 In Europa gibt es seit den 1990er Jahren Ansätze, eurozentristischen Weltbildern im Geschichtsunterricht mittels curricularen Veränderungen zu begegnen. So stellt Peter Ziegler für den Lehrplan der Züricher Schule fest, dass »weltgeschichtliche Betrachtungen und die Auseinandersetzung mit Entwick-
224 Vgl. Schissler : Weltgeschichte als Zeitgeschichte, S. 182. 225 Vgl. Popp: Weltgeschichte im Geschichtsunterricht, S. 81. 226 Schissler, Hanna: »Weltgeschichte« oder die »Eine Welt«. Der gesellschaftliche Kontext amerikanischer und deutscher Überlegungen zur Darstellung einer Geschichte der Globalisierung in Curricula und Lehrmaterialien, in: Becher, Ursular A. J.(Hrsg.): Internationale Verständigung. 25 Jahre Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. Hannover 2000, S. 69. 227 Ebenda, S. 70. 228 Popp: Antworten auf eine neue Herausforderung, S. 493. 229 Ebenda, S. 493. Susanne Popp spricht an dieser Stelle auch vom Erhalt eines »identitätsrelevanten nationalhistorischen Narrativs«.
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Kolonialgeschichte als Teil globalgeschichtlicher Perspektiven
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lungen und Erscheinungen in einer immer enger vernetzten Welt hohe Priorität [genießen]«230. Die Erprobung eines global konstruierten Rahmencurriculums in Italien seit 1996 traf nicht nur auf Zustimmung, sondern löste im Gegenteil sogar einen regelrechten Sturm der Entrüstung aus. Curriculumsgegner beharrten dabei nicht nur auf der »Vorrangstellung Italiens im Kontext einer christlichen Kultur«, sondern wiesen auch darauf hin, dass »[eine] globale Sicht auf die historische Entwicklung die umfassende Würdigung der italienischen und der europäischen kulturellen Identität verhindert und die Verschiedenheit der kulturellen Werte und zivilisatorischen Errungenschaften einebnet«231. Dieser zentrale Kritikpunkt spiegelt die Besonderheit und das Potential dieses Konzeptes wider, denn hier werden Global- bzw. Weltgeschichte nicht neben eine nationalhistorische Geschichte gestellt, wie etwa in den Vereinigten Staaten oder in Russland232. Vielmehr findet sich im italienischen Entwurf eine Art »menschheitsgeschichtliches Rahmenkonzept«233, in das ein nationalhistorisches Curriculum eingewebt wird. Etwas anders verhält es sich in Japan – auch hier sind Debatten um den Stellenwert von Weltgeschichte im Geschichtsunterricht auszumachen. Bereits seit 1949 konnte sich ein entsprechendes Fach allmählich etablieren. In der Oberschule ist Weltgeschichte, neben der japanischen Nationalgeschichte, seit 1989 sogar als Pflichtfach eingeführt worden.234 Die bundesdeutschen Lehrpläne und Rahmenrichtlinien unterliegen spätestens seit den 1970er Jahren einem tiefgreifenden Wandel und sind somit Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen.235 Auch wenn die Dominanz von Politik- und 230 Ziegler, Peter : Weltgeschichte im fächerübergreifenden Unterricht der Züricher Volksschule, in: Forster/Popp: Curriculum Weltgeschichte 2003, S. 240 231 Manifest aus der Zeitung »Corriere della sera« aus dem Jahr 2001, zitiert nach: Cajani, Luigi, in: Popp/Forster: Curriculum Weltgeschichte, S. 212 f. Luigi Cajani charakterisiert den Konflikt wie folgt: »Kosmopolitismus steht gegen nationalen Konformismus, Gesellschaft gegen Gemeinschaft«, Cajani: Weltgeschichte im italienischen Geschichtscurriculum, S.213. 232 In Russland hat die sogenannte »vaterländische Geschichte« seit 1994 sogar Priorität gegenüber einer »Weltgeschichte«; vgl. Maier, Robert: Zum Wandel des Schulbuchs und des Geschichtsunterrichts in Russland seit der Wende, in: Becher, Ursula A. J./Riemenschneider, Rainer (Hrsg.): Internationale Verständigung. 25 Jahre Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. Hannover 2000, S. 219 – 225. Als Indiz für einen nationenzentrierten Geschichtsunterricht gilt auch die Betrachtung des Zweiten Weltkrieges in russischen Lehrbüchern und Geschichtsatlanten vornehmlich als 3V\Y[Qp ?cVhVbcSV^^Qp S_Z^Q (Großer vaterländischer Krieg). 233 Popp: Weltgeschichte im Geschichtsunterricht, S. 81. 234 Vgl. Oka, Hiroto: »Weltgeschichte« in der japanischen Schule – Konzeptionen, Intentionen, Praxiserfahrungen, in: Popp/Forster: Curriculum Weltgeschichte, S. 216 – 217. 235 Vgl. hierzu auch Bergmann, Klaus/Kuhn, Annette: Abschied vom Aufbruch. Hessen 1972 – 1982: Rahmenrichtlinien Gesellschaftslehre, in: Geschichtsdidaktik 7 (1982), 273 – 282; Sutor,
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Die Geschichte des Kolonialismus im Zeichen des »Spatial turn«
Personengeschichte u. a. durch die Etablierung von Sozial-, Alltags-, Geschlechter- und Umweltgeschichte aufgebrochen werden konnte, blieb ein tief verwurzeltes »nationalhistorisches Basis-Narrativ« bestehen.236 So stellt Gerd Steffens für den curricularen Bereich der politischen Bildung fest, dass »der hessische Gymnasialplan von 2002 ein eindrucksvolles Beispiel nationalstaatlicher Rückwendung und Schließung der Perspektive [ist]«.237 Die Existenz von Weltgeschichte in bundesdeutschen Lehrwerken und Curricula kann noch immer als selektiv und unsystematisch beschrieben werden, sodass postkoloniale Diskurse demnach kaum eine Rolle spielen und das eurozentrische Bewusstsein bei der Darstellung des Kolonialismus noch nicht überwunden ist.238 In Lehrwerken finden sich hier weder eine strikte Trennung von nationaler Geschichte und Weltgeschichte noch ein menschheitsgeschichtliches Gesamtkonzept, wie beispielsweise in Italien, »da die abstrakte Kategorie der ›Menschheit‹ als geschichtliche Denkgröße nahezu völlig aus[ge]blendet wird«239. Hanna Schissler geht davon aus, dass Weltgeschichte in deutschen Schulbüchern sogar »nationalen Geschichten aufgepfropft [wird]«240. So werde die Geschichte der Industrialisierung des 18. und 19. Jahrhunderts mit der Geschichte Großbritanniens verbunden und demokratische Revolutionen eng mit französischer und amerikanischer Geschichte verknüpft. Die Weltkriege des 20. Jahrhunderts sind hingegen als deutsche und japanische Geschichte beschreibbar, wohingegen in der Geschichte des Holocaust »deutsche Geschichte zur Weltgeschichte [wird]«241. Zwar konnten bereits einige Handlungsoptionen zur Etablierung von Welt- und Globalgeschichte im Geschichtsunterricht genannt werden, hinsichtlich der Konsequenzen für Curricula und Lehrwerke stellen Hilke Günther-Arndt, Urta Kocka und Judith Martin jedoch fest: »Um global- und weltgeschichtlich zu unterrichten, müssen keine neuen Schulbücher geschrieben werden oder Rahmenpläne verändert werden. […] Global- und Weltgeschichte ist kein neues Stoff- und Themenprogramm zusätzlich zum obligatorischen Unterrichtsstoff, vielmehr eine andere Perspektive, die den bekannten Unterrichtsstoff in global- und weltgeschichtliche Zusammenhänge rückt«242
236 237
238 239 240 241 242
Bernhard: Politische Bildung im Streit um die »intellektuelle Gründung« der Bundesrepublik Deutschland. Die Kontroversen der siebziger und achtziger Jahre, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. 45 (2002), S. 17 – 28. Vgl. Popp: Weltgeschichte im Geschichtsunterricht, S. 71. Steffens, Gerd: Perspektiven der Weltwahrnehmung und Universalisierung der Erinnerung, in: Bernhardt, Markus/Hencke-Bockschatz/Sauer, Michael (Hrsg.): Bilder-WahrnehmungKonstruktion. Reflexion über Geschichte und historisches Lernen. Schwalbach/Ts. 2006, S. 182 – 191. Vgl. Schissler : Weltgeschichte als Zeitgeschichte, S. 186. Popp: Antworten auf eine neue Herausforderung, S. 499. Schissler : »Weltgeschichte« oder »Die eine Welt«, S. 72. Ebenda, S. 72. Günther-Arndt/Kocka/Martin: Geschichtsunterricht zur Orientierung in der Welt, S. 26.
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Kolonialgeschichte als Teil globalgeschichtlicher Perspektiven
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Die Betonung von Perspektivwechseln und die Umstrukturierung des bereits bekannten Unterrichtsstoffes sind unabdingbar. Dennoch kann eine curriculare Entwicklung hin zu einem welt- und globalgeschichtlichen Rahmenkonzept mit einem eingebetteten Nationalcurriculum im deutschen Geschichtsunterricht einen wertvollen Beitrag zur Anbahnung und Etablierung eines global orientierten Geschichtsbewusstseins und glokaler Kompetenz leisten. Eine veränderte Konzeption von Lehrwerken kann einen solchen Geschichtsunterricht fördern, wenn von der bisherigen Praxis Abstand genommen wird, lediglich knappe Exkurse in die außereuropäische Welt zu wagen. Beispielsweise kann die Auswahl und Anordnung von Quellen und Autorentexten Längs- und Querschnitte erleichtern und Möglichkeiten zum historischen Vergleich noch deutlicher betonen, als dies bisher schon der Fall ist. Die Diskussionen um die Entwicklung von welt- und globalgeschichtlichen Curricula in anderen Ländern haben gezeigt, dass die Nationalhistorie als identitätsrelevante Konstante nicht vollständig ausgeblendet werden kann, sondern vielmehr in einen reflektierten weltgeschichtlichen Kontext eingebettet werden muss (»reflektierter Identitätsbezug«243). Die Diskussion um Curricula und Lehrwerke ist allerdings nicht isoliert von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu betrachten. Schließlich fungieren Schulbücher nicht nur als »Seismographen für Veränderungen im nationalen Selbstbild«, sondern sie »reflektieren [auch] den Stand der jeweiligen nationalen Erinnerungskultur«.244 Auch wenn es bisher nur sehr zögerliche Versuche gibt, Welt- und Globalgeschichte als feste Bestandtteile des Geschichtsunterrichts zu etablieren, so spiegeln doch allein die dabei geführten Aushandlungsprozesse eine Beharrlichkeit nationaler oder europazentrierter Perspektiven auf die Welt. Bevor europäische Geschichtsatlanten hinsichtlich der enthaltenen Raum- und Geschichtsbilder untersucht werden können, bedarf es eines intensiven Blickes auf kartenmethodische Zugriffe.
243 Popp: Antworten auf eine neue Herausforderung, S. 499. 244 Grindel: Deutscher Sonderweg oder europäischer Erinnerungsort, S. 698 und 710. Verwiesen sei an dieser Stelle auch auf das Teilprojekt: »Kolonialismus – Ein europäischer Erinnerungsort. Vergangenheitsbewältigung in Schulbüchern des 20. Jahrhunderts« im Rahmen des Verbundvorhabens »Lost in Translation? Europabilder und ihre Übersetzungen« (Förderung durch das BMBF 2009 – 2012).
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3. Methodische Ansätze zur Analyse von Geschichtskarten als mehrschichtige Medien zur Visualisierung von Geschichte
Die Annahme, dass die Interpretation von Geschichtskarten kein linearer und überschaubarer Prozess wäre und Kartenverstehen entsprechend eine »unabschließbare Unternehmung« sei,1 ist aus Perspektive einer vergleichenden Geschichtskartenanalyse nur wenig befriedigend. Umso mehr erfordert es systematische Dekodierungsstrategien, um die mehrschichtigen Sinnebenen der Karte in Sprache bzw. Text zu überführen (Kartennarration). Nur durch die bedeutungsvolle Verbindung jener (scheinbar) isolierten Karteninhalte auf den drei Ebenen des historischen Denkens (Erkenntnis, Darstellung, Diskurs)2 wird eine vergleichende Interpretation überhaupt erst möglich. Die Geschichtskarte ist ein Medium der rückblickenden Darstellung zur Geschichte (Retrospektivität), dessen zeitlicher, räumlicher und inhaltlicher Rahmen oftmals bereits durch den Kartentitel und -ausschnitt festgelegt wird (Partialität). Ferner sind Geschichtskarten, wie noch zu zeigen sein wird, stark perspektivische Medien (Selektivität/Konstruktivität) und bergen unterschiedliche Zeitschichten in sich (Temporalität). Sie sind schließlich Medien des historischen Erzählens, allerdings können erst Kartenleser/innen bzw. -nutzer/innen sie zum Sprechen bringen, indem auch »pikturale Gleichzeitigkeit« in ein »narratives Nacheinander« aufgelöst wird (Narrativität).3 In Anlehnung an Peter Weinbrenners Ausführungen zur sozialwissenschaftlichen Schulbuchforschung4 bildet das von ihm vorgeschlagene produktorientierte Vorgehen (a) mit entsprechenden inhaltsanalytischen Verfahren5 den Grundpfeiler folgender Geschichtskartenanalysen. Dabei wird das visuelle 1 Böttcher : Die (Un)möglichkeit Grenzen auf Karten zu verstehen, S. 8. 2 Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Narrativität, in: Ders./Mayer, Ulrich/Schneider, Gerhard/Schönemann, Bernd (Hrsg.): Wörterbuch Geschichtsdidaktik. Schwalbach/Ts. 2006, S. 135. 3 Pandel: Visuelles Erzählen. Zur Didaktik von Bildgeschichten, S. 388; Vgl. Pandel: Historisches Erzählen, S. 75 – 93; 4 Weinbrenner : Grundlagen und Methodenprobleme sozialwissenschaftlicher Schulbuchforschung, S. 21 – 45. 5 Vgl. hierzu auch Mayring: Qualitative Inhaltsanalyse.
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Methodische Ansätze zur Analyse von Geschichtskarten
Kommunikationsmittel Geschichtskarte zunächst als selektive Darstellung betrachtet, indem nach ihrem Gegenstand/Inhalt, der dargestellten Zeit bzw. Zeitschichten und dem abgebildeten Raum gefragt wird. Zu einer solchen Produktanalyse zählt auch die Betrachtung des verwendeten kartographischen Repertoires, um besonders Aussagen über die Visualisierung qualitativer und quantitativer Aussagen treffen zu können. Einen weiteren wichtigen Teilaspekt des produktorientierten Vorgehens stellt die semiotische Binnenstruktur der Karte dar, die auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Zeichensysteme innerhalb der Karte gerichtet ist (Karte als synoptisches Medium). Peter Weinbrenner beschreibt neben der »produktorientierten Schulbuchforschung« eine »prozessorientierte« und eine »wirkungsorientierte«,6 die allerdings in diesem Rahmen nur sehr begrenzt Anwendung finden können. Dennoch wird flankierend zum produktorientierten Vorgehen eine Analyse externer Einflussfaktoren/Kontextanalyse (b) erfolgen, die sowohl den medialen Außenbezug der Geschichtskarte (den medialen Kontext der Geschichtskarte) einschließt als auch Fragen nach instruktionalen Vorgaben, Geschichtspolitik, soziokulturellen Faktoren, den Verweis der Karte auf Diskurse bzw. Kontroversen und eine Reihe von weiteren Einflussfaktoren der Geschichtskartenproduktion und -rezeption beleuchtet. Erst durch eine Geschichtskartenanalyse, die solche flankierende Kontextanalysen beinhaltet, kann schließlich eine Karteninterpretation (c) erfolgen. Diese kann sowohl vergleichbare Aussagen über die Kohärenz der ›Kartenerzählung‹ treffen als auch Angaben zu enthaltenen Raum- und Geschichtsbildern (nationalgeschichtliche, europäische, translokale bzw. globalgeschichtliche Perspektiven) machen. Vor der Betrachtung der einzelnen Analyseschritte bedarf es folgend einer Darstellung der Geschichtskarte als Medium der Raumvisualisierung und der Raumkonstruktion.
3.1. Die Geschichtskarte als Medium der Raumvisualisierung und Raumkonstruktion »Now when I was a little chap I had a passion for maps. I would look for hours at South America, or Africa, or Australia and lose myself in all the glories of exploration. At that time there were many blank spaces on the earth, and when I saw one that looked particulary inviting on a map (but they all look that) I would put my fingers on it and say, ›When I grow up I will go there‹.«7 6 Vgl. Weinbrenner : Grundlagen und Methodenprobleme sozialwissenschaftlicher Schulbuchforschung, S. 22 – 26. 7 Conrad, Joseph: Heart of Darkness. Boston 1996 (Erstausgabe: Edinburg, London 1899), S. 22.
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Die Geschichtskarte als Medium der Raumvisualisierung und Raumkonstruktion
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In dieser Erinnerung des Dampferkapitäns Marlow in Joseph Conrads Heart of Darkness wird nicht nur die Begeisterung eines kleinen Jungen für Karten und Entdeckungsreisen deutlich, sondern auch eine koloniale Perspektive auf die Welt. Diese findet ihren Ausdruck in der Vorstellung von der Entdeckung unentdeckter Räume und der Kolorierung unkolorierter Flächen auf Landkarten (weiße Flecken). Die Karte lädt den Betrachter zu globalen Erkundungen ein, bei denen weiße Flecken offenbar Fixpunkte darstellen, von denen eine besondere Anziehungskraft ausgeht. Auch wenn Karten lange Zeit als objektive Darstellung der Wirklichkeit galten und entsprechenden Belegcharakter genossen, so ist spätestens seit der dekonstruktivistischen Positionierung (vor allem im angloamerikanischen Raum8) und der damit verbundenen Etablierung einer »Neuen Geographie«9 diese Vorstellung obsolet geworden. Aus der Betrachtung des Kartenautors als Referenzpunkt sowie der Berücksichtigung politischer und soziokultureller Kontexte resultiert die Feststellung, dass Karten bei Weitem keine Realitäten abbilden, sondern diese vielmehr erschaffen, deuten und interpretieren. Matthew H. Edney kommt mit Bezug auf das Britische Empire sogar zum Schluss: »The Empire exists because it can be mapped; the meaning of empire is inscribed into each map.«10 Eine konkrete Vorstellung von Territorialität bildet bereits seit der Frühen Neuzeit die Grundlage für Kartierungen und stellt somit eine wichtige Voraussetzung für die europäische Expansion und die sich etablierenden kolonialen bzw. imperialen Mächtekonstellationen dar.11 Neben den Interessen von Ökonomie, Kriegsführung und kolonialer Herrschaftskontrolle ist ein wachsendes Bedürfnis nach Sichtbarmachung der eigenen Nation spätestens seit dem 19. Jahrhundert durch das Medium Karte erkennbar.12 So suchte die klassische Geographie, die sich noch bis in die 1960er Jahre hinein in Deutschland als eine Art Landeskunde verstand, ihren Gegenstand auf physischen Karten. 8 Vgl. hierzu beispielsweise Black: Maps and history ; Ders.: Maps and Politics; Monmonier, Mark: How to Lie with maps. Chicago 1996 (deutsche Ausgabe: Eins zu einer Million: Die Tricks und Lügen der Kartographen 1996); Harley : Deconstructing the Map, S. 1 – 23; Ders.: Maps, Knowledge and Power, in: Cosgrove, Denis/Daniels, Stephen (Hrsg.): The Iconography of Landscape: Essays on the symbolic representation, design and use of past environments. Cambridge 1988, S. 277 – 312. 9 Laidlaw, Zoä: Das Empire in Rot. Karten als Ausdruck des britischen Imperialismus, in: Dipper, Christof/Schneider, Ute: Kartenwelten. Der Raum und seine Repräsentation in der Neuzeit. Darmstadt 2006, S. 148. 10 Edney, Matthew: Mapping an Empire. The geographical construction of British India 1765 – 1843. Chicago 1997, S. 2. 11 Zur Bedeutung der Landesvermessung im absolutistischen Frankreich bereits seit dem 17. Jahrhundert; Vgl. Bitterling, David: Der absolute Staat und seine Karten. Eine kritische Geschichte der Genauigkeit am Beispiel Frankreichs, in: Dipper/Schneider : Kartenwelten, S. 94 – 109; Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit, S. 167 – 176 12 Vgl. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 150.
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Methodische Ansätze zur Analyse von Geschichtskarten
»[Der gemeine Länderkundler] musste die Länder nicht ‹erfinden‹, sondern auf der Erdoberfläche nur suchen und finden.«13 Außerdem zeigt eine ganze Reihe von Propagandakarten der Zwischenkriegszeit14, dass Karten alles andere als neutrale Techniken der Raumvisualisierung waren bzw. sind und dabei maßgeblich von Raumvorstellungen und Machtrelationen abhängen.15 Gerade in der Frage nach der Darstellung von Grenzen bzw. von Grenzräumen wird dies umso deutlicher – nämlich dann, wenn diese erst durch die Darstellung in Karten eine neue Wirklichkeit erzeugen (Raumkonstruktion).16 Im Gegensatz zu historischen-/Altkarten sind Geschichtskarten als thematische Karten17 vielmehr chorographische Darstellungen zur Geschichte. Als synoptische Medien18 stellen sie zeitlich parallele Zustände im Raum dar (epochale Querschnitte, historische Längsschnitte, Zeitpunkte), die physisch nicht fassbar sind, und nehmen so Einfluss auf historische Narrationen19. Neben der Funktion eines raumbezogenen Informationsspeichers20 spiegeln sie als Abstraktionen der Wirklichkeit nicht nur den aktuellen Stand der Geschichtswissenschaft wider. Sie sind darüber hinaus in der Lage, Raum- und Geschichtsbilder zu konstruieren und bereits bestehende zu erhärten oder gar miteinander zu verschmelzen. Ferner können sie Weltbilder, Hierarchien und Zuschreibungen über Generationen hinweg transportieren.21 Kartenautor/ innen bzw. -redaktionen bedienen sich dabei einer genuin eigenen visuellen Sprache, deren »Urbestandteile«22 lediglich aus Punkt, Signatur, Linie und Flä-
13 Schultz, Hans-Dietrich: Raum als kartographische Repräsentation von Politik. Verirrungen der (Schul-)Geographie vor 1945 am Beispiel Deutschlands, in: Geiger/Hüttermann: Raum und Erkenntnis, S. 148. 14 Vgl. hierzu auch Schultz, Hans-Dietrich: Das Kartenbild als Waffe im Geographieunterricht der Zwischenkriegszeit, in: Kartographische Nachrichten (2008) H. 1, S. 19 – 27. 15 Vgl. Dünne: Karte als Operations- und Imaginationsmatrix, S. 53. 16 Vgl. hierzu auch Böttcher : Die (Un)möglichkeit Grenzen auf Karten zu verstehen; Bode, Sebastian/Renz, Mathias: Grenzen in ostmitteleuropäischen konventionellen und digitalen Geschichtskarten. Vortrag vom 01. 10. 2010 auf dem 48. Deutschen Historikertag in Berlin. 17 Vgl. Ogrissek: Die Karte als Hilfsmittel des Historikers. 18 Vgl. Schmauks, Dagmar: Landkarten als synoptisches Medium, in: Zeitschrift für Semiotik 20 (1998) H. 1 – 2, S. 7 – 24. 19 Eine umfassende Definition zur Geschichtskarten bietet u. a. auch Christina Böttcher an: »Geschichtskarte sind maßstäblich verkleinerte, vereinfachte und verebnete Grundrißbilder historisch-geographischer Räume, in die durch Kodierung mittels kartographischer Zeichen, Symbole und Farben Sachverhalte aus Politik, Wirtschaft und Kultur lokalisiert wurden. Sie machen die Erde, oder Teile von ihr, vergangenheitsrelevant überschaubar und fördern so eine historisch-räumliche Orientierung«; Böttcher, Christina: Die Karte, S. 172. 20 Vgl. Ebenda, S. 173. 21 Vgl. Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 35. 22 Ogrissek: Die Karte als Hilfsmittel, S. 46.
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Zeigen, Verschweigen und Auswählen
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che bestehen und durch Fragen der Farbgebung, der Schrift/Beschriftung, der Projektion und des Maßstabs bzw. des Kartenausschnitts ergänzt werden.23 Maßgeblichen Einfluss auf die Kartengestaltung haben die Mechanismen der Selektion und Generalisierung24. Vielschichtige historische Informationen werden durch die Verwendung des beschränkten (und ggf. konventionalisierten) kartographischen Zeichenrepertoires und eines zurückhaltenden Umgangs mit Sprache visuell codiert, im Raum verortet und dabei auf eine zweidimensionale Fläche projiziert.25 Dadurch ist ein vergleichsweise hoher Abstraktionsgrad beim Kartenlesen bzw. -nutzen erforderlich, um die in der Geschichtskarte enthaltenen Informationen zu dekodieren bzw. zu abstrahieren. Als bedeutendes Analysemedium dienen Karten nicht einfach der Abbildung räumlicher Kontingenz, sondern spiegeln in hohem Maße das, was Kartennutzer/innen in ihnen sehen. So obliegt die Verbalisierung von Karteninhalten den Kartennutzer/innen, denn »inwieweit Karten durch Deutungen und Erklärungen zum Verstehen führen, hängt in hohem Maße von [deren] kognitive[r] und pragmatische[r] Kompetenz […] ab«26. Auch wenn die Kartierung von Gleichzeitigkeit des eigentlich Ungleichzeitigen die Geschichtskarte besonders für eine global- und weltgeschichtliche Darstellung von Geschichte so attraktiv macht, weist Vadim Oswalt zu Recht auf die »verführerische Eindeutigkeit der Kartenbilder«27 hin.
3.2. Zeigen, Verschweigen und Auswählen – Auswahlprozesse geschichtskartographischer Darstellung im Spannungsfeld zwischen Generalisierung und Komplexität Geschichtskarten visualisieren hochkomplexe historische Ereignisse und Prozesse und machen dabei die räumliche Bedingtheit von Geschichte deutlich. Allerdings haben sie nur zwei Möglichkeiten: Abbilden oder Nichtabbilden. Nur mit kartographischen Hilfsmitteln sind dazwischenliegende Eventualitäten, Hoffnungen, Chancen oder gar Diskurse nicht darstellbar. Zur Visualisierung der komplexen dreidimensionalen Wirklichkeit müssen Kartenautor/innen bzw. 23 Für eine vollständige Übersicht der kartographischen Gestaltungsmittel Vgl. Hake, Günter/ Grünreich, Dietmar/Meng, Liquiu: Kartographie. Visualisierung raum-zeitlicher Information. Berlin und New York 2002, S. 118 ff. 24 Vgl. Kapitel 3.2. 25 Karl Schlögel sieht hier sogar das Grundproblem der Kartographie, nämlich die Abbildung »räumlicher, also dreidimensionaler Verhältnisse, auf eine[r] Fläche, in zwei Dimensionen«, Schlögel: Im Raume lesen wir die Zeit, S. 97. 26 Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie, S. 56. 27 Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 35.
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Kartenredaktionen auf ein eingeschränktes (kartographisches) Darstellungsrepertoire und eine begrenzte Darstellungsfläche zurückgreifen (z. B. Schulbuch- oder Atlasseite). Eine wirklichkeitsgetreue zweidimensionale Darstellung ist nicht möglich. Folglich wirkt das Ziel, eine lesbare Karte zu generieren, entgegen den Prinzipien der geometrischen Korrektheit und Vollständigkeit.28 Die Generalisierung ist insofern ein notwendiger Schritt, da so Karteninhalte in Raum und Zeit nachvollziehbar dargestellt werden können. Beispielsweise kann eine geometrische Generalisierung darin bestehen, dass im Gegensatz zur Kartierung aller belegbaren Handelsrouten zwischen Europa und Asien im 17. Jahrhundert lediglich eine sehr beschränkte Auswahl von ihnen im Kartenbild verortet wird. Auch eine grafische Anpassung an einen idealisierten Routenverlauf (Vereinfachung, Vergrößerung, Zusammenfassen, Glättung, Auswählen/Verdrängung, Klassifizieren/Typisierung, Betonung)29 kann erfolgen, um die Geschichtskarte besonders für Vermittlungskontexte überhaupt nutzbar zu machen. Vor allem die Selektion ist ein maßgeblicher Prozess der Kartenherstellung, in welchem Zeitzuschnitte (zeitliche Selektion)30, abzubildende Räume (räumliche Selektion) und Inhalte (sachliche/thematische Selektion) ausgewählt werden.31 Im Gegensatz zur topographischen Kartographie beabsichtigt die Geschichtskartographie in der Regel aber keine, auf möglichst genauen Vermessungen basierende, mathematische Genauigkeit (Maßstab), sondern zielt vielmehr auf die chorographische Darstellung historischen Wissens unterschiedlicher Kategorien (z. B. Wirtschaft, Herrschaft, Ökologie, Kultur, Soziales etc.). So liegt der Fokus bei einer Geschichtskarte zur europäischen Besiedelung Nordamerikas im 17. Jahrhundert beispielsweise kaum auf einer maßstäblich korrekten Verortung lokaler Laubwälder (zumal dies gar nicht möglich wäre), sondern in der Regel auf der Darstellung von Bevölkerungen (nationale, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit etc.), Siedlungen (Forts, Städte), territorialer Ausdehnung und den damit verbundenen Konflikten. Notgedrungen müssen Informationen also geglättet oder es muss gänzlich auf sie verzichtet werden, was durchaus die Gefahr eines unreflektierten Umgangs mit sich bringt. John Brian Harley hat in diesem Zusammenhang den Begriff der »Silences in Maps«32 geprägt. Ferner kann die Karte ›keine Anführungszeichen nutzen‹, sodass jegliche Daten- und Informationsquellen ungenannt bleiben. 28 Vgl. Hake/Grünreich/Meng: Kartographie, S. 166 – 175. 29 Vgl. Monmonier : Eins zu einer Million, S. 47; Hüttermann: Kartenlesen – (k)eine Kunst, S. 22. 30 Zu den Möglichkeiten der Darstellung von Zeit vgl. Böttcher : Die Darstellung von Zeit in Geschichtskarten, S. 48 ff. 31 Vgl. Ogrissek: Die Karte als Hilfsmittel, S. 10. 32 Harley : The New Nature of Maps, S. 85.
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Die Grammatik der Geschichtskarte
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Die Geschichtskarte verortet nicht nur chronologische Ereignisse im Raum, sondern sie visualisiert in der Regel auch parallele Erzählstränge. Entsprechend muss eine Kartenanalyse sowohl die unterschiedlichen Inhalts-, als auch die verwendeten Zeitebenen entflechten (und letztlich wieder durch die Karteninterpretation sinnbildend miteinander verknüpfen). Beachtet werden müssen das machtpolitische Potential und die aus der Generalisierung resultierenden Möglichkeiten der Instrumentalisierung und Manipulation von Kartenaussagen, sodass auch von der »Macht der Karte«33 gesprochen werden kann. Denn schließlich bildet dies die eigentliche Achillesferse der Geschichtskarte und ihrer Analyse, zumal hier (durch unterschiedliche Akteure und Einflussfaktoren) entschieden wird, was, wo und vor allem wie dargestellt wird. Die mit der Generalisierung verbundene »zielgerichtete Verallgemeinerung«34 beschreibt Mark Monmonier als eine Vielzahl von »kleinen Notlügen«35 und konstatiert außerdem: »Eine gute Karte beschönigt oder verschweigt die Wahrheit, um es dem Kartenbenutzer zu erleichtern, das Wichtigste zu erkennen […]. Eine Karte, die keine Generalisierung (Vereinfachung) vornehmen würde, wäre sogar völlig nutzlos«.36
3.3. Die Grammatik der Geschichtskarte Der Grammatik-Begriff ist im Rahmen der Geschichtskartenanalyse als eine metaphorische Begriffsverwendung zu verstehen, die in der Sprachwissenschaft wurzelt und als eine »möglichst umfassende Beschreibung aller feststellbaren bzw. erschließbaren Regeln einer Sprache«37 zu verstehen ist. Während Texte (morpho-syntaktisch betrachtet) aus Sätzen, Wörtern, Buchstaben, Satzzeichen etc. bestehen, so beschreibt Vadim Oswalt eine »Sprache der Geschichtskarte«, die sich aus Konventionen und »auszutarierende[n] Gestaltungsfragen«38 rekrutiert. Die Grammatik der Geschichtskarte oder das Kartenlesen an sich sind als begriffliche Manifestationen Ausdruck einer deutlichen Orientierung der theoretischen Kartographie an der Leitcodierung Sprache. Um eine Karte lesen 33 Vgl. hierzu auch Wood: Rethinking the Power of Maps; Black: Maps and Politics; Schneider: Die Macht der Karten. Hans-Dietrich Schultz bezeichnet mit Bezugnahme auf Rupert von Schuhmacher die Karte sogar als »Waffe, die nach hinten losgehen könne«; Schulz: Raum als kartographische Repräsentation, S. 148. 34 Ogrissek: Die Karte als Hilfsmittel, S. 12. 35 Monmonier : eins zu einer Million, S. 45. 36 Ebenda, S. 45. 37 Volmert, Johannes: Sprache und Sprechen: Grundbegriffe und sprachwissenschaftliche Konzepte, in: Ders. (Hrsg.): Grundkurs Sprachwissenschaft. München 1995, S. 12. 38 Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 33. Christina Böttcher spricht in diesem Zusammenhang auch von »Kartenbausteinen«; Böttcher : Die Karte, S. 184.
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oder analysieren zu können, ist ein Wissen um deren Codierung ebenso unerlässlich wie beispielsweise Kenntnisse zur Bedeutungsstruktur von Wörtern innerhalb der Sprachwissenschaft. Schließlich resultiert die Verwendung des Grammatikbegriffs im geschichtskartographischen Kontext aus der Regelhaftigkeit der Codierung im Kartenbild. Aus diesen Überlegungen heraus erfolgt die Betrachtung folgender Kernaspekte der Kartensprache: Kartenzeichen (Kapitel 3.3.1.), Maßstab (Kapitel 3.3.2.), Projektion (Kapitel 3.3.3.) und Farbverwendung (Kapitel 3.3.4.).
3.3.1. Kartenzeichen Kartenzeichen werden in der Kartographie häufig mit Signaturen oder Symbolen gleichgesetzt.39 Als grafische Codes sind sie Hilfsmittel des Speicherns von Informationen in einem zweidimensionalen Bezugssystem40. Kulturwissenschaftliche Zugänge betrachten hingegen Symbole in ihrem Kommunikationszusammenhang und unterscheiden sie dabei deutlich von Zeichen.41 »Während Zeichen auf das Bezeichnete referieren, wird das Bezeichnete in Symbolen selbst präsent«.42 Symbole resultieren aus einem Prozess der Symbolisierung und sind soziale Phänomene43, die das Individuum mit dem Sozialen verbinden und das eigentlich Nicht-Erfahrbare sichtbar machen. Ferner besteht die Besonderheit von Symbolen in der Vergegenwärtigung des zeitlich und räumlich Abwesenden. Umso wichtiger scheint es kulturwissenschaftliche Fragen zur Symbolhaftigkeit in die Kartenanalysen einzubeziehen, um deren (durchaus verborgene) mehrschichtige und konkurrierende Bedeutungsstrukturen erfassen zu können. Symbole haben nicht nur eine eigene Geschichte, sondern nehmen selbst Einfluss auf den historischen Prozess – somit sind sie »in einem doppelten Sinn historische Gebilde«44. Eng verbunden mit den kulturwissenschaftlichen Zugängen ist der semioti39 Vgl. Hake/Grünreich/Meng: Kartographie, S. 122. Mark Monmonier verwendet den Begriff des »Kartensymbols«, während Armin Hüttermann von Signaturen spricht; Vgl. Monmonier : Eins zu einer Million, S. 37 ff.; Vgl. Hüttermann: Kartenlesen, S. 29. 40 Die Zeichenerklärung bzw. Legende dient dabei als Leitfaden zur Decodierung von Informationen (durch eine Auflistung aller in der Karte verwendeten Zeichen und Farben). 41 Für einen Überblick zur Theorie und Zeichenlogik des Symbolischen und der Unterschiedung von Zeichen und Symbol in den Kulturwissenschaften; Vgl. Schlögl, Rudolf: Symbole in der Kommunikation. Zur Einführung, in: Ders./Giesen, Bernhard/Osterhammel, Jürgen (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Symbole. Grundlagen der Kommunikation in historischen und gegenwärtigen Gesellschaften. Konstanz 2004, S. 13 ff. 42 Schlögl: Symbole in der Kommunikation, S. 18. 43 Ebenda, S. 21. 44 Schlögl: Symbole in der Kommunikation, S. 35.
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sche Ansatz, der für eine Analyse von Kartenzeichen ebenso ergiebig ist. Jacques Bertins Grafische Semiologie legte in den 1960er Jahren mit der Untersuchung unterschiedlicher Zeichensysteme (Bilder, Sprache, Karte, Musik) die Grundlage der heutigen Kartosemiotik.45 Daraus resultierte die Betrachtung der Karte als ein monosemiotisches System, in dem ein Kartenzeichen mehrere Bedeutungen haben kann. Dabei unterschied er Variablen, durch die eine Darstellung verändert werden kann (Größe, Muster, Form, Farbe, Richtung, Helligkeitswert, Dimensionen der Ebene).46 Ein weiterer fruchtbarer Ansatz im semiotischen Feld ist das triadische Kartenzeichen, welches auf die allgemeine Zeichentypologie von Charles S. Peirce zurückgeht47, wonach jedes Zeichen aus einem Repräsentamen, einem Objekt und dem Interpretant besteht. Die Kartosemiotik projiziert diese Vorstellung auf Karten, wonach das Repräsentamen den Zeichenträger darstellt, der unterschiedlich wahrgenommen werden kann (meist visuell, eher selten akustisch oder taktil). Das Objekt ist demnach eher der Bezugspunkt des Kartenzeichens (z. B. der geographische Raum), wohingegen der Interpretant »die Art und Weise [beschreibt], wie der Zeichenbenutzer das Zeichen interpretiert«48. Ferner wird das Objekt unterteilt in ein dynamisches, das die geographische Wirklichkeit (Realraum) so umfasst, »wie sie sich uns durch geodätische Daten (an)zeigt«, und ein unmittelbares, welches die »Repräsentation […] in Form unseres bisherigen Wissens von der geographischen Welt« beschreibt.49 Somit muss das Objekt nicht zwangsläufig Teil des geographischen Raumes sein, sondern kann von einer bloßen Vorstellung ausgehen. Die bereits von Peirce beschriebene Einteilung von Zeichen (Ikon, Index und Symbol) kann auf Geschichtskarten übertragen werden, denn alle drei Zeichentypen sind hier zu finden. Winfried Nöth macht am Beispiel der Farbgebung von Kartenzeichen deutlich, dass die Ikonizität bei Karten keine Hauptrolle spielt. Er sieht beispielsweise in der Farbauswahl nur wenige Analogien zu dem, was sie eigentlich darstellen bzw. repräsentieren sollen, sodass die Karte an sich für ihn primär ein indexikalisches Zeichen darstellt.50 Auch wenn in Geschichtskarten alle drei Zeichentypen eine unterschiedlich große Rolle spielen, so ist die zentrale Frage bei Kartenanalysen jene nach dem Warum. Weshalb wurden die Kartenzeichen so und nicht anders ausgewählt bzw. konzipiert? 45 Vgl. Bertin: Grafische Semiologie. 46 Vgl. auch Bertin: Graphische Darstellungen, S. 186 ff. 47 Vgl. Peirce, Charles S.: Phänomen und Logik der Zeichen (hrsg. von Helmut Pape) Frankfurt 2005. 48 Nöth, Winfried: Kartosemiotik und das kartographische Zeichen, in: Zeitschrift für Semiotik 20 (1998) H. 1 – 2, S. 29. 49 Nöth: Kartosemiotik, S. 30. 50 Vgl. Nöth: Kartosemiotik, S. 35.
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Nehmen Konventionen, Traditionen, Geschichtspolitik oder Erinnerungskultur Einfluss auf deren Gestaltung, und inwieweit haben intermediale Bezüge, Designfragen oder schlichter Pragmatismus die Auswahl bestimmt? Auch wenn diese Fragen in der Regel kaum endgültig beantwortet werden können, so gibt es zumindest Ansätze der Kartographie zur Klassifikation von Kartenzeichen. Günter Hake, Dietmar Grünreich und Liqiu Meng bieten eine Möglichkeit an, indem sie Kartenzeichen nach ihrer Gestalt wie folgt unterteilen: bildhafte Signaturen (Bilder von Objekten in schematischer bis individueller Darstellung), symbolhafte Darstellungen (abstrahierte Sinnbilder der Objekte), geometrische (abstrakte) Signaturen und die Darstellungen von Buchstaben, Ziffern, Zahlen, Unterstreichungen. Die Anwendung dieser vier (morphologischen) Kartenzeichentypen bei Kartenanalysen und vergleichen stößt schnell an ihre Grenzen, da die Übergänge zwischen ihnen sehr fließend sind (besonders zwischen bildhaften und symbolischen Kartenzeichen). Somit ist eine Typisierung lediglich nach (a) geometrischen- (abstrakten) und (b) bildhaft-symbolischen (konkreten) Kartenzeichen für Kartenanalysen und -vergleiche praktikabel. Buchstaben- und Ziffernsignaturen gelten ergänzend als Sonderformen, die zwischen diesen beiden Typen liegen. Außerdem sei auf den Unterschied zwischen Individualdarstellungen und genormten Bildsignaturen (z. B. Gattungszeichen: Sakralbauten) verwiesen.51 Aufgrund ihrer variablen Form, Größe und Farbe können Kartenzeichen differenzierte Aussagen zu Qualitäten und Quantitäten auf den Ebenen lokal (Punktsignatur: z. B. Stadt), linear (Linien- und Pfeilsignaturen: z. B. Handelswege) und flächenhaft (Flächensignatur : z. B. territoriale Ausdehnung) treffen. Eine Ordnung von Handelsbeziehungen nach deren nationaler Zugehörigkeit (qualitative Eigenschaften) kann so beispielsweise durch die Variation der Liniensignatur in Farbe, Form, oder Füllung ausgedrückt werden. Auf der anderen Seite können Quantitäten durch die Modifikation der Signaturengröße (z. B. als hierarchische Stufung) und als Werteinheiten52 im Kartenbild verortet werden. Bei der Darstellung von Handelsgütern beispielsweise kann jeder Signatur (z. B. für Getreide) ein konstanter Wert zugeordnet werden, sodass durch die verwendete Anzahl jener Signaturen eine quantitative Aussage generiert wird.
51 Vgl. Hüttermann: Kartenlesen, S. 29. 52 Vgl. Hake/Grünreich/Meng: Kartographie, S. 128.
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3.3.2. Maßstab Der Maßstab ist der Schlüssel zur Bestimmung von Raumdistanzen im Kartenbild53, sodass durch ihn die topographischen Basisinformationen in gewisser Weise quantifizierbar werden. Umso größer das zu kartierende Gebiet ist, desto stärker muss mit allen resultierenden Konsequenzen (Generalisierung) verkleinert werden. Besonders bei Karten mit kleinem Maßstab (z. B. Weltkarten) ist zu beachten, dass es dabei zu relativ großen Längenverzerrungen kommen kann. Schließlich ist eine längengetreue Abbildung der Erdoberfläche an sich nicht möglich, sodass auch der Maßstab innerhalb einer Karte nicht konstant ist.54 Dargestellt wird dieser in der Regel als Verhältniszahl (z. B. 1:1 000) oder als Maßstabsleiste (skalierte grafische Darstellung). Verbale Beschreibungen wie »1 cm entspricht 1 000 Metern« sind selten. Geschichtskarten mit großem Maßstab enthalten meist detailliertere Informationen als jene mit einem kleinen Maßstab. Allerdings sei hier auch auf das Problem der räumlichen Selektion durch den Kartenrahmen verwiesen (Kartenausschnitt). Gerade deshalb scheint es notwendig zu sein, Karten unterschiedlichen Maßstabs und Ausschnitts und mit spezifischen Aussageabsichten in einem Kommunikationszusammenhang zu betrachten. Kleinräumige Strukturen können auf großmaßstäbigen Karten detaillierter dargestellt werden, als dies mittels kleinmaßstäbiger Karten je möglich wäre. Andererseits ist eine Überblicksdarstellung oder gar eine globalgeschichtliche Perspektive nur durch kleinmaßstäbige Karten überhaupt umsetzbar. Sollen beispielsweise die Kampfhandlungen des Zweiten Burenkrieges (1899 – 1902) in Südafrika kartiert werden, so können Kartenautor/innen bei der Verortung in einer Weltkarte im Din A4-Format (Maßstab etwa 1:136 000 000), aus Gründen der notwendigen Generalisierung, lediglich ein Kartenzeichen platzieren (z. B. gekreuzte Schwerter oder Flammen). Steht allerdings eine topographische Basiskarte Südafrikas mit größerem Maßstab zur Verfügung (etwa 1:20 000 000), können sogar Detailinformationen zu militärischen Kampagnen kartiert werden (z. B. mit Pfeilsignaturen). Zielt eine kartographische Darstellung auf einen Überblick zu globalen Konflikten um 1900 ab, so ist eine Weltkarte mit kleinem Maßstab sicher die geeignetere Wahl. Besonders bei der Analyse von Geschichtskarten kann die Maßstabsangabe für aktuelle Kartennutzer/innen sehr trügerisch sein, denn über die zeitspezifischen Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten (und oftmals auch über die damit verbundenen geomorphologischen Rahmenbedingungen) werden häufig keine Aussagen getroffen. So wird aus der Karte selbst heraus nicht 53 Vgl. Böttcher : Die Karte, S. 186. 54 Vgl. Hake/Grünreich/Meng: Kartographie, S. 149.
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deutlich, dass Atlantiküberquerungen im 15. Jahrhundert eine monatelange Reise bedeuteten und dass Entdeckungsreisen in Afrika durchaus mehrere Jahre in Anspruch nehmen konnten. Auch die Beschleunigung der Welt im 19. Jahrhundert durch die Telegrafie55 oder den Eisenbahnbau wird in der Regel nicht ersichtlich.
3.3.3. Kartenprojektion Eng verbunden mit den Fragen nach Maßstab und Kartenausschnitt ist auch jene nach der Verebnung (Kartenprojektion56). Kartographen sehen sich dabei mit der Aufgabe konfrontiert, Flächen, Winkel, Umrisse und Entfernungen möglichst verzerrungsfrei abzubilden (maßstabsgetreu). Allerdings ist keine zweidimensionale Karte in der Lage, eine solche Darstellung der gekrümmten Erdoberfläche zu leisten, sodass eine entsprechende Projektion immer nur ein Kompromiss sein kann.57 Schließlich ist die Verebnung ein zweistufiger Prozess, bei dem zuerst die Erde zu einer Kugel verkleinert wird, um einen einheitlichen Maßstab zu generieren. In einem zweiten Schritt erfolgt dann die eigentliche Projektion der Kugelmerkmale auf eine »verzerrungsfrei abwickelbare Fläche«58. Dabei lassen sich allerdings unterschiedliche Formen der Kartenprojektion nach der Beschaffenheit ihrer Projektionsfläche59 (a), nach Lage ihrer Abbildungsflächen (b) und nach ihren Abbildungseigenschaften60 (c) klassifizieren. Flächentreue (äquivalente) Projektionen stellen Größenverhältnisse ihrer geographischen Wirklichkeit entsprechend dar. So werden die europäischen Zentren beispielsweise im gleichen Größenverhältnis zu ihren kolonialen Peripherien kartiert, wie es den tatsächlichen Vermessungen des geographischen Raumes entspricht. Eine winkeltreue (konforme) Projektion stellt im Gegensatz dazu die Winkel sich schneidender Linien im Kartenbild ohne Verzerrungen dar. Auch wenn Kartenprojektionen mindestens eine dieser beiden Darstellungs-
55 Vgl. hierzu Bösch, Frank: Mediengeschichte. Vom asiatischen Buchdruck zum Fernsehen. Frankfurt am Main 2011, S. 128 ff. 56 Synonym wird im Folgenden auch der Begriff Kartennetzentwurf verwendet. 57 Vgl. Monmonier : Eins zu einer Million, S. 29. 58 Ebenda, S. 24. 59 Ebene – Azimutalprojektion (azimutale Abbildung); Kegel – Kegelprojektion (konische Abbildung); Zylinder – Zylinderprojektion (zylindrische Abbildung). 60 Unterscheidung nach Lage der Abbildungsfläche: normale (normalachsige, erdachsige und polständige Abbildungen), transversale (querachsige, äquatorständige) und schiefachsige (zwischenständige) Abbildungen. Unterscheidung nach Abbildungseigenschaft: längentreue (Äquidistanz), flächentreue (Äquivalenz), winkeltreue (Konformität) und vermittelnde Abbildungen; Vgl. Hake/Grünreich/Meng: Kartographie 55 f.
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prinzipien nutzen müssen, so sind beide miteinander doch nicht vereinbar (Winkeltreue und Flächentreue).61 Dadurch, dass sich Kugel und Projektionsfläche nur in einem Punkt bzw. in ein oder zwei Bezugslinien berühren, ist der Maßstab in der Regel nur in diesen Bereichen konstant. Mit zunehmendem Abstand zum Bezugspunkt bzw. zu den Bezugslinien, nimmt allerdings auch die Verzerrung des Maßstabs zu.62 Für Kartenanalysen ist somit besonders bedeutsam, dass umso dichter das Projektionszentrum in der Nähe des darzustellenden Gebietes liegt, desto geringer auch die Maßstabsverzerrungen sind. So kann eine Zentralprojektion (gnomische Azimutalprojektion) beispielsweise im Gegensatz zu einer Zylinderprojektion63 allein durch die unterschiedliche Maßstabsverzerrung andere Darstellungsschwerpunkte setzten und somit eine Kartenaussage deutlich verändern. Azimutalprojektionen werden somit häufig für die Darstellung von Polargebieten genutzt, während Zylinderprojektionen (z. B. Mercator-Projektion, flächentreue- oder längentreue Zylinderprojektion) eher in der Abbildung von Weltkarten Anwendung finden. Auch wenn für globalgeschichtliche kartographische Darstellungen gerade eben diese Weltkarten als geeignete Visualisierungsoptionen erscheinen, so unterliegen doch gerade sie den verstärkten Einflüssen der Projektion und der Zentrierung (aufgrund ihres Maßstabes). Mercatorprojektionen64 sind beispielsweise durch enorme maßstäbliche Verzerrungen gekennzeichnet und dadurch seit geraumer Zeit in die Kritik geraten. Allerdings liegt ihr ursprüngliches Anliegen nicht in einer möglichst flächentreuen Abbildung der Welt, sondern sie wurden ursprünglich als winkeltreue Navigationskarten konzipiert, bei denen die Winkelmessung entscheidend ist für die Positions- und Kursbestimmung. Dass die Wahrnehmung durch die Art der Projektion beeinflusst wird, macht das Beispiel der Mercatorprojektion umso deutlicher, denn »[u]nser Auge ist an die von dem Duisburger Geographen Gerhard Mercator im 16. Jahrhundert entwickelte Projektion gewöhnt«65. Im Gegensatz zur flächentreuen Projektion des marxistischen Kartographen Arno Peters, die vor allem die tropische Zonen betont und dabei den afrikanischen Kontinent überdimensioniert wirken lässt,
61 Vgl. Monmonier : Ein zu einer Million, S. 30 f. 62 Vgl. ebenda, S. 24. 63 Hier ist auch die einfache Zylinderprojektion von der Schnittzylinderprojektion zu unterscheiden; Vgl. Monmonier : Eins zu einer Million, S. 26. 64 Näheres hierzu vgl. Monmonier, Mark: Rhumb Lines and Map Wars. A Social History of the Mercator Projection. Chicago 2004. 65 Maurer, Michael: Kulturgeschichte. Köln 2008, S. 166.
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betont die Mercatorprojektion vielmehr die gemäßigten Breiten der nördlichen Halbkugel.66 Seit einiger Zeit wird in verschiedenen kartographischen Darstellungen versucht, den Fragen der Zentrierung und somit auch denen der eurozentrischen Perspektive mit polständigen Kartenprojektionen zu begegnen. Auch die Begrenzung durch den Kartenrahmen ist bei einer herkömmlichen Zylinderprojektion deutlich problematischer als bei einer polständigen, wie das folgende Beispiel verdeutlicht. Die Darstellung der ersten belegten Weltumsegelung der Geschichte durch Ferdinand Magellan (1480 – 1521) und Juan Sebastin Elcano (1486 – 1526)67 mit Hilfe der Zylinderprojektion führt in der Regel dazu, dass der Seeweg als Liniensignatur am linken Kartenrand Mitten im Pazifik plötzlich endet und wiederum am rechten Kartenrand (Mikronesien) einfach fortgesetzt wird. Das räumliche Ausmaß dieser Expedition können Kartenleser/innen bzw. Kartennutzer/innen durch diese Form der Darstellung allerdings kaum erfassen. Nur bei einer polständigen Projektion die entsprechend die Erdkrümmung mitberücksichtigt68, ist eine solche unterbrechungsfreie globale Perspektive durch eine ununterbrochene Liniensignatur überhaupt erst möglich. Dennoch ist zu bezweifeln, ob diese Art der Darstellung ein Allheilmittel sein kann, denn die Probleme der maßstäblichen Verzerrung und der Kartenzentrierung bleiben auch hier weiterhin bestehen. Bisher konnte keine zufriedenstellende Generallösung angeboten werden, denn »[e]ine Kugeloberfläche ist nicht als plane Fläche abbildbar«69. Umso mehr muss sich eine Kartenanalyse mit genau diesen Fragen der maßstabsmäßigen Betonung (Dehnung), Geringschätzung (Verkürzung) von Flächen, Winkeln, Entfernungen und Richtungen ebenso auseinandersetzen wie mit den Einflüssen der Zentrierung von Räumen im Kartenbild.
3.3.4. Farbe Bei der Kartenanalyse steht die Untersuchung der Farbe weder als physikalische (Wertigkeit und Helligkeit) noch als ästhetische Größe im Vordergrund, sondern es werden vielmehr die Fragen nach Ursprung, Funktion und Wahrnehmung (symbolische, psychologische, kulturelle, politische Wirkung70) in den 66 Maurer, Michael: Kulturgeschichte. Köln 2008, S. 166. 67 Vgl. hierzu auch Bitterli, Urs: Die Entdeckung Amerikas. Von Kolumbus bis Alexander von Humboldt. München 2006, S. 129 – 149. 68 Beispiele für eine solche Darstellung bieten u. a. Fernndez, Esther-Carriûn: Atlas Histûrico. Madrid 2002, S. 71; Lebrun, FranÅois: Atlas Historique. Paris 2000, S. 28. 69 Hüttermann: Kartenlesen, S. 24. 70 Vgl. Heller, Eva: Wie Farben wirken. Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestal-
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Fokus genommen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer unmittelbaren und oft unreflektierten Wirkung kommt der Farbe bei der Entschlüsselung der Kartengrammatik eine besondere Bedeutung zu. Durch ihre vielschichtigen Bezugspunkte in der Kartengestaltung und -wahrnehmung (Farbpsychologie) sind Farben nicht nur bloße Designwerkzeuge zur Generierung eines ästhetischen Kartenbildes, sondern bedeutende Funktionsträger71. Auch wenn Jeremy Black feststellt: »Colour is not necessary for the location of places«72, so dient sie in Geschichtskarten der Systematisierung und Differenzierung (a), indem sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowie Ordnungen und Hierarchisierungen sichtbar macht. Dabei können Geschichtskarten sowohl qualitative als auch quantitative Informationen über Geschichte in unterschiedlicher Form darstellen. Ferner sind Farben in Geschichtskarten Vehikel zum Transport von Bedeutungen, Zuschreibungen und Wertorientierungen (b), die sich im Laufe der Zeit entwickelt bzw. gewandelt haben. Sie hängen von individuellen Wahrnehmungen und Interpretationen ebenso ab wie von einer ganzen Reihe weiterer Einflussfaktoren. Hans-Dietrich Schultz beschreibt sogar die suggestive Farbgebung in Propagandakarten der Zwischenkriegszeit (in Verbindung mit Kartenzeichen) als einen wichtigen Beitrag zum zielgerichteten Einsatz der Karte als politische Waffe. »Rote Pfeile galten als besonders wirkungsvoll. So konnte der Kartenleser Territorialpolitik anschaulich miterleben und mochte sich durch das Kartenbild animiert fühlen, selbst zu einer raumüberwindenden Pfeilkraft zu werden, die einen erwünschten Trend vollendete bzw. einen unerwünschten stoppte oder gar umkehren half.«73
Die emotionale Beeinflussung durch Farben wird nicht zuletzt in den Ausführungen Erwin Riedenauers deutlich, der Kartenfarben sogar als »laut«, »störend«, »beißend«, »dominierend« oder schlichtweg als »unerträglich« beschreibt.74 Auch wenn Mehrfarbigkeit nicht zwangsläufiger Bestandteil von Geschichtskarten sein muss75, so werden doch in der Regel bunte Flächen- und
71 72 73 74 75
tung. Reinbek 2008; Vollmar, Klausbernd: Farben. Symbolik-Wirkung-Deutung. München 2009. Zur Funktion der Farbe in Geschichtskarten vgl. auch Böttcher, Christina: Theoretische und praktische Aspekte der Schulkartographie, S. 61. Black, Jeremy : Historiographical Review – Historical Atlases, in: The Historical Journal 37 (1994) H. 3, S. 660. Schultz: Das Kartenbild als Waffe im Geographieunterricht der Zwischenkriegszeit, S. 25. Riedenauer, Erwin: Zur Funktion der Farbe in der historischen Karte, in: Zeitschrift für Bayrische Landesgeschichte 40 (1977), S. 924 ff. Vgl. Black: Maps and History, S. 216. So zeigen beispielsweise die Karten von Martin Gilbert, dass eine Raumdarstellung lediglich durch die Kombination von Linie, Fläche, Schraffur/Raster und graduelle Abstufung (Vollbzw. Halbton) erfolgen kann, Vgl. hierzu beispielsweise Gilbert, Martin: The Routledge Atlas of British History. London 2004.
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Methodische Ansätze zur Analyse von Geschichtskarten
Randfärbungen zum Visualisieren räumlicher Gegebenheiten im zeitlichen Wandel genutzt. Eine Kartenanalyse muss dabei nicht nur die Wirkung von gegensätzlichen und ähnlichen Farben berücksichtigen76, sondern auch auf Nachbarfarben (Gefahr der Farbwertverschiebung) und die Möglichkeiten der Rasterungen (Punkt- und Strichraster, grobe und offene Raster) achten.77 Flächenfärbungen sind im Kartenbild oftmals farblich abgestuft und markieren damit territoriale Erweiterungen und Verluste, sowie einen Status- oder Qualitätswandel von Gebieten, ohne jedoch auf historische Tiefenstrukturen (Kontexte, Diskurse etc.) zu verweisen.78 So werden beispielsweise in einer Geschichtskarte, zur Darstellung der »Welt im Zeitalter des Imperialismus« (1880 – 1914)79 die europäischen Kolonien in Afrika durch ihre Flächenfärbung den entsprechenden Kolonialmächten in der Regel schlichtweg zugeordnet. Über Herrschaftspraxis oder gar naturräumliche Gegebenheiten in den jeweiligen Gebieten können dabei allerdings keine Aussagen getroffen werden. Dass sich ein Großteil der eingefärbten Gebiete (aufgrund ihrer Zentrum-PeripherieStruktur) der kolonialen Kontrolle jedoch entzog oder für die Kolonialherren wirtschaftlich schlicht uninteressant bzw. »schwer ›pazifizierbar‹«80 war (Ödland, Wüste), wird aus dem Kartenbild allein durch die Flächenfärbung nicht deutlich81. Ferner besteht die Gefahr, dass Kolonialreiche durch ihre einheitliche Farbgebung als homogene Gebilde wahrgenommen werden, obwohl selbst innerhalb der einzelnen Kolonien deutliche Unterschiede auszumachen sind.82 Zur Darstellung von Territorialität werden allerdings auch Randfärbungen genutzt, gerade wenn Gebietszuwächse und -verluste gemeinsam kartiert werden. Randfärbungen sind vor allem im kontrovers diskutierten Bereich der Grenzdarstellung83 häufig zu finden, gerade wenn es darum geht, Gebietsverluste zu markieren und auf ehemalige territoriale Größe hinzuweisen. Qualitative 76 Vor allem Komplementärfarben bilden auch im Kartenbild in der Regel starke Gegensätze ab, wohingegen ähnliche bzw. nichtnahestehende Flächen und Objekte oftmals auch in vergleichbaren Farben dargestellt werden. 77 Vgl. Riedenauer : Zur Funktion der Farbe in historischen Karten, S. 929. 78 Vgl. Böttcher : Die Karte, S. 238. Besonders bei sogenannten ›Inseldarstellungen‹ (Inselkarten) tritt das Problem auf, dass auch der Raum außerhalb des Darstellungsfokus dargestellt werden muss. Diese Räume werden häufig auch mit einem »Hellocker« visualisiert und mit ›Leere‹ assoziiert, Vgl. Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie, S. 61. 79 z. B. Rudolf, Ulrich/Oswalt, Vadim: Taschenatlas-Weltgeschichte. Gotha 2008, S. 160 f. 80 Osterhammel: Kolonialismus, S. 33. 81 Außerdem können territorial umstrittene Gebiete auch mit Schraffuren gekennzeichnet werden, wodurch sogar die beteiligten/konkurrierenden Akteure erkennbar werden. 82 Vgl. ebenda, S. 33. 83 Zur Problematik kolonialer Grenzen vgl. Demhardt, Imre Josef: Deutsche Kolonialgrenzen in Afrika. Historisch-geographische Untersuchungen ausgewählter Grenzräume von DeutschSüdwestafrika und Deutsch-Ostafrika. Hildesheim 1997.
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Die Grammatik der Geschichtskarte
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Informationen zu Grenzen und Grenzverläufen (Wandelbarkeit, Durchlässigkeit, Sichtbarkeit, Persistenz etc.) werden durch Farben allerdings nur sehr bedingt ausgedrückt.84 Neben kartographischen Darstellungstraditionen (z. B. Färbung der Oberflächenformen) beeinflussen auch Normen und kulturelle Konventionen (Ampelfarben), die kirchliche Liturgie, Politik (Farbsymbolik, Propaganda) und Wirtschaft (Werbung) die Wirkung und den damit verbundenen Gebrauch von Farben nachhaltig.85 Aus diesem Pool der (sich durchaus verändernden) Bedeutungszuschreibungen, wie gut und böse oder friedlich und aggressiv bedient sich mehr oder weniger bewusst eben auch die aktuelle Kartenproduktion. Somit bietet die Farbgebung in Geschichtskarten ein enormes Suggestionspotential, welches Rudi Ogrissek bereits andeutet, indem er bemerkt, dass »Farben […] nicht ohne zwingenden Grund gewechselt werden [sollten], da sie infolge langer Gewöhnung leicht bestimmte Assoziationen auslösen«86. Gerade bei internationalen Kartenvergleichen muss auf national- und kulturspezifische Darstellungstraditionen, Wahrnehmungsmuster und -gewohnheiten geachtet werden. So können Farben im Kartenbild nicht nur Ausdruck eines politischen Wandels sein (Russisches Reich – Grün, Sowjetunion – Rot, Russische Föderation – Grün), sondern auch ihr Bedeutungswandel selbst muss mit berücksichtigt werden. So ist Grün beispielsweise nicht nur die Farbe des Giftes, der Eifersucht und der Unerfahrenheit, sondern auch die des Wachstums, des Frühlings bzw. der Natur87 und auch die einer aus der Umweltbewegung der 1970er und 1980er Jahre hervorgegangenen deutschen Partei. Die kulturspezifische Wahrnehmung von Farben wird ebenfalls besonders deutlich bei der Farbe ›Grün‹, denn sie gilt einerseits als Farbe des irischen Katholizismus (Nationalfarbe Irlands) und zugleich als heilige Farbe des Islams.88 Schließlich können auch ganz pragmatische Gründe wie internationale Adaptionen, Farbkosten, verlagsinterner Absprachen bzw. Aushandlungsprozesse und persönliche Vorlieben die Verwendung von Farben im Kartenbild bestimmen und sogar zur Herausbildung von Leitfarben beitragen89. Deren Etablierung kann darüber hinaus aus einer direkten oder indirekten Ähnlichkeit zum dar84 Zu allgemeinen Fragen der Grenzdarstellung in Geschichtskarten vgl. auch Bode, Sebastian/ Renz, Mathias: Grenzen in ostmitteleuropäischen konventionellen und digitalen Geschichtskarten. Vortrag vom 01. 10. 2010 auf dem 48. Deutschen Historikertag in Berlin. 85 Vgl. Riedenauer : Zur Funktion der Farbe in der historischen Karte, S. 925. 86 Ogrissek: Die Karte als Hilfsmittel, S. 49. 87 Vollmar : Farben, S. 237. 88 Heller : Wie Farben wirken, S. 82. 89 Irmgard Hantsche benennt in diesem Zusammenhang für deutsche Atlanten einige Beispiele z. B. Osmanisches Reich – braun, Frankreich – lila, geistliche Territorien – violett etc., Hantsche: Geschichtskarten im Unterricht, S. 7; Vgl. hierzu auch Sauer : Karten und Kartenarbeit im Geschichtsunterricht, S. 43.
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Methodische Ansätze zur Analyse von Geschichtskarten
gestellten Objekt resultieren, auch wenn dies im Gegensatz zu physischen Karten (Wasser – Blau, Sand – Gelb, Vegetation – Grün90) für Geschichtskarten eher selten eindeutig nachweisbar ist. So wurde und wird beispielsweise für die Darstellung Preußens bzw. für das Deutsche Reich nach 1871 und seine späteren Schutzgebiete oftmals die Farbe Blau im Kartenbild genutzt (vor allem in der deutschen Geschichtskartographie).91 Eine farbpsychologische Erklärung könnte nun dahingehend argumentieren, dass Blau seriös und ordentlich wirkt und somit an die preußischen Tugenden anknüpft. Allerdings orientierten sich Kartenautor/innen wohl eher an den dunkelblauen Uniformen der preußischen Soldaten, die bereits unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620 – 1688) eingeführt wurden.92 Obwohl die preußisch-blauen Uniformen von den Schlachtfeldern verschwanden, so blieb doch die Farbe bis heute in aktuellen Geschichtskarten erhalten. Dennoch besteht das Problem bei der Entschlüsselung von Farben darin, dass eben jene politischen, religiösen, und soziokulturellen Aufladungen nur selten als solche nachweisbar sind und bewusste Farbentscheidungen oftmals verborgen bleiben. Dennoch sind gerade diese Farbaufladungen zusammen mit den Erkenntnissen der Farbpsychologie (Farbwirkung) bedeutende Aspekte einer Kartenanalyse bzw. -interpretation und müssen berücksichtigt werden.
3.4. Geschichtskarte und Multimodalität Auch wenn Bilder und Geschichtskarten in ihrem räumlichen Darstellungspotential dem Text weit überlegen sind93, so ist dieser doch das vertraute Medium von Historiker/innen. Der Text erlaubt »die lineare Schilderung diachroner Verläufe in der Zeit«94. Die Geschichtskarte ist wie kein anderes Medium in der Lage, durch die Kombination von textuellen und grafischen Elementen parallele historische Ereignisse und Prozesse im Raum zu visualisieren. Inwiefern sind diese beiden Zeichensysteme miteinander in der Karte verwoben und welche Bezüge werden zu Medien außerhalb der Karte hergestellt? Zur Klärung dieser Frage können u. a. textlinguistische Ansätze genutzt 90 Nach Winfried Nöth handelt es sich hierbei lediglich um »Stereotypen« der Farbgebung, Vgl. Nöth: Kartosemiotik, S. 35. 91 Vgl. Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie, S. 61. 92 Dabei resultierte die Wahl von ›Blau‹ als Uniformfarbe doch vor allem aus ökonomischen Erwägungen, denn die lokale Waidproduktion (auch als deutsches Indigo bezeichnet) sollte gefördert werden und gegen billigere Indigoimporte geschützt werden; Vgl. Heller : Wie Farben wirken, S.36; Vgl. hierzu auch Lehn: Deutschlandbilder, S. 574. 93 Vgl. Nöth: Kartosemiotik und das kartographische Zeichen, S. 26 ff. 94 Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 38; Vgl. hierzu auch Pandel: Historisches Erzählen, S. 75 ff.
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Geschichtskarte und Multimodalität
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werden, denn hier gilt ein weitgefasstes Textverständnis, dass nicht nur TextText-Beziehungen, sondern auch Text-Bild- und Text-Karte-Beziehung in den Fokus nehmen kann.95 So greift Hans-Jürgen Pandel im Rahmen der geschichtsdidaktischen Schulbuchforschung die Ansätze der Intertextualität und Kohärenz auf, um die Beziehung einzelner Buchelemente zu analysieren. Dabei markiert er Schulgeschichtsbücher als »Musterbeispiele von Intertextualität« und beschreibt das Konzept der Kohärenz als »die Verknüpfung von Textelementen über die Semantik zu einem narrativen Zusammenhang«96. Ein solches weitgefasstes Verständnis von Text wirkt für Nicht-Linguisten auf den ersten Blick vielleicht etwas befremdlich, da sich der bisherige Textbegriff doch eher an schriftlichen Quellen97 oder Autorentexten orientierte. Stephan Günzel macht allerdings eine allgemeine Tendenz aus, Karten vorrangig als Texte zu betrachten, was nicht zuletzt durch das Kartenlesen sogar eine begriffliche Manifestation erfährt.98 Für eine vergleichende Kartenanalyse sollen deshalb textlinguistische Konzepte zwar aufgegriffen werden, jedoch wird in Anlehnung an Hartmut Stöckl99 vielmehr von Sprache die Rede sein, sodass Text eher eng an ein Verständnis von Schriftlichkeit gebunden bleibt. Kurz gesagt: Geschichtskarten sind primär keine Texte, sondern enthalten lediglich textuelle Elemente. Somit eignet sich besonders die Semiotik als Leittheorie zur Analyse der Binnenstruktur von Geschichtskarten, denn schließlich ist sie in der Lage unterschiedliche Zeichenausprägungen gleich zu behandeln.100 Ferner weist auch Herbert Raisch mit Bezugnahme auf Autoren wie Hans Ebeling, Eberhard Schwalm, Hans-Joachim Fiala, Rudi Ogrissek, Irmgard Hantsche und Ulrich Mayer (u. a.) darauf hin, »daß die Geschichtskarte ikonisch ist und wirkt«101.
95 Vgl. hierzu beispielsweise Stöckl, Hartmut: Die Sprache im Bild – Das Bild in der Sprache. Zur Verknüpfung von Sprache und Bild im massenmedialen Text (Linguistik-Impulse & Tendenzen Bd. 3) Berlin 2004; Klein, Josef/Fix, Ulla (Hrsg.): Textbeziehungen. Linguistische und literaturwissenschaftliche Beiträge zur Intertextualität. Tübingen 1997; Klausnitzer, Ralf: Literaturwissenschaft. Begriffe-Verfahren-Arbeitstechniken. Berlin 2004, S. 10 ff. 96 Pandel: Was macht ein Schulbuch zu einem Geschichtsbuch, S. 16. 97 Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Quelleninterpretation. Die schriftliche Quelle im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2003. 98 Vgl. Günzel: Spatial Turn – Topographical Turn – Topological Turn, S. 231. 99 Stöckl, Hartmut: Die Sprache im Bild – Das Bild in der Sprache, S. 20 ff. 100 Fix, Ulla: Zugänge zu Stil als semiotisch komplexer Einheit. Thesen, Erläuterungen und Beispiele, in: Jakobs, Eva-Naria/Rothkegel, Annely (Hrsg.): Perspektiven auf Stil. Tübingen 2001, S. 115. 101 Raisch, Herbert: Die Karte – ein vernachlässigtes Medium der Geschichtsdidaktik. Kategoriale Kartenarbeit – ein möglicher Ansatz? in: Schönemann, Bernd (Hrsg.): Ge-
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Methodische Ansätze zur Analyse von Geschichtskarten
Die Wahrnehmung von Geschichtskarten erfolgt zunächst auf einer bildhaften Ebene102, sodass für deren Analyse Methoden der Bildinterpretation herangezogen werden103. Vor allem die ikonographisch-ikonologische Methode von Erwin Panowsky (Dreistufenmodell: vorikonische Beschreibung, ikonographische Analyse, ikonologische Interpretation) liefert hier neben den Ansätzen von Umberto Eco zur semiotischen Theorie (denotative- und konnotative Sinnebene) wichtige Anknüpfungspunkte.104 Ausgehend von einem deutlich geschärften Bildbegriff (das Bild als Quelle) bietet Hans-Jürgen Pandel mit Bezugnahme auf Erwin Panowsy und Rainer Wohlfeil u. a. eine vielversprechende Bildinterpretation für geschichtsdidaktische Aufgabenfelder an (Interpretation in vier Schritten: Erscheinungssinn, Bedeutungssinn, Dokumentensinn, Erzählsinn).105 Auch wenn Geschichtskarten semiotisch gesehen in der Nähe von Bildern zu verorten sind, so muss ihr synoptisches Zeichensystem dennoch in Sprache decodiert werden, damit ihre mehrschichtigen Sinnebenen freigelegt werden können (Kartennarration). Im Hinblick auf die Geschichtskartenanalyse sind somit zwei Formen von Bezügen von Geschichtskarten zu anderen Medien erkennbar : die semiotische Binnenstruktur und der mediale Kontext. Beide Bezüge sollen im Folgenden näher betrachtet werden.
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schichtsbewußtsein und Methoden historischen Lernens (Schriften zur Geschichtsdidaktik 8). Weinheim 1998, S. 171. Die Karte wird zwar als Ganzes wahrgenommen, aber die enge Verbindung von Text und Bild innerhalb der Karte führt dazu, dass die Speicherung, Verarbeitung und das Abrufen von Informationen im Kartenbild hingegen sequenziell erfolgt; Vgl. Kulhavy, Raymond. W./Stock, William. A./Kealy, William. A.: How Geographic Maps Increase Recall of Instructional Text. Educational Technology Research and Development 41 (1993), H. 4, S. 47 – 62. Vgl. hierzu auch Bohnsack, Ralf: Qualitative Methoden der Bildinterpretation, in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 6 (2002), H. 2, S. 239 – 256; Abel, Günther : Zeichen- und Interpretationsphilosophie der Bilder, in: Bredekamp, Horst/Werner, Gabriele (Hrsg.): Bilderwelten des Wissens, Bilder in Prozessen (Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik Bd. 1.1) Berlin 2003, S. 89 – 103; Pandel, Hans-Jürgen: Bildinterpretation. Zum Stand der geschichtsdidaktischen Bildinterpretation, in: Handro, Saskia/Schönemann, Bernd (Hrsg.): Visualität und Geschichte (Geschichtskultur und historisches Lernen Bd.1) Münster 2011, S. 69 – 88; Ders.: Bildinterpretation. Die Bildquelle im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2008. Vgl. Panowsky, Erwin: Ikonographie und Ikonologie. Bildinterpretation nach dem Dreistufenmodell. Köln 2006; Ders.: Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renaissance, in: Ders. (Hrsg.): Sinn und Deutung in der bildenden Kunst (englische Erstausgabe 1955). Köln 1975, S. 36 – 67; Eco, Umberto: Einführung in die Semiotik. München 2002. Einen Überblick bietet auch Bohnsack, Ralf: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen 2008, S. 155 – 171. Vgl. Pandel, Hans-Jürgen: Bildinterpretation. Zum Stand der geschichtsdidaktischen Bildinterpretation, in: Handro, Saskia/Schönemann, Bernd (Hrsg.): Visualität und Geschichte (Geschichtskultur und historisches Lernen Bd.1) Münster 2011, S. 74.
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3.4.1. Die semiotische Binnenstruktur der Geschichtskarte Geschichtskarten selbst enthalten textuelle Elemente (a) in unterschiedlicher Form und Funktion106, sodass Dennis Wood zur Feststellung kommt: »It is difficult to image a map without language«107. Neben Buchstaben- bzw. Ziffernsignaturen und sonstigen Beschriftungen (z. B. Ortsangaben) sind die Kartenüberschrift und entsprechende Erläuterungen in der Zeichenerklärung wesentliche schriftliche Elemente. Sie dienen nicht nur der Identifizierung von Objekten im Kartenbild, sondern auch der zeitlichen und räumlichen Einordnung sowie der Kategorisierung. Neben der Art und Weise (Variation nach Typ, Größe, Stärke, Farbe) ist hingegen schon die Entscheidung für die Verwendung von Schrift im Kartenbild selbst eine Form der Bedeutungszuschreibung. Aber auch grafische Elemente (b) sind nicht nur auf die topographische Grundkarte begrenzt (z. B. Geländerelief durch Schrägschummerung), sondern auch im Bereich der Kartenzeichen zu finden. Entsprechend können alle von Charles S. Peirce vorgeschlagenen Zeichentypen (ikonisch, indexikalisch und symbolisch) auf dieser Betrachtungsebene nachgewiesen werden108. Gerade bildhafte Elemente im Kartenbild dienen dazu, Objekte, Ereignisse und Prozesse im Raum zu lokalisieren und zu kategorisieren (qualitative und quantitative Informationen). Nicht nur Plakat und Karikatur spielen mit der Interferenz von Bild und Text,109 sondern auch Geschichtskarten nutzen das Potential dieser beiden Zeichensysteme. Als Negativbeispiel sei an dieser Stelle auf eine Auftaktdoppelseite des aktuellen deutschen Schulgeschichtsbuches Geschichte und Geschehen 3 (Imperialismus und Erster Weltkrieg) hingewiesen. Hier werden Fotografie, Gemälde und Karikatur als scheinbar beliebige Fragmente (verschnitten, entfernter Hintergrund) oder als Ganzes, in das Kartenbild eingeflochten bzw. überlappen dieses teilweise110. Zwar könnte allein über den Fluch und Segen moderner Bildbearbeitungstechniken in diesem Zusammenhang ausführlich debattiert 106 Dagmar Schmauks unterteilt hier sogar noch in interne (z. B. Ortsangaben) und externe textuelle Elemente (z. B. Kartentitel); Vgl. Schmauks: Landkarten als synoptisches Medium, S. 13 f. 107 Wood: The Power of Maps, S. 122. 108 Vgl. Schmauks: Landkarten als synoptisches Medium, S. 10; Vgl. Peirce: Phänomen und Logik der Zeichen. 109 Vgl. Pandel: Bildinterpretation, S. 71. 110 Geschichte und Geschehen 3. Leipzig 2006, S. 230 f. Besonders markant ist in diesem Zusammenhang das ausgeschnittene Foto eines Soldaten mit der Bildüberschrift »Deutscher Soldat an der Westfront«. Das Foto findet sich beispielsweise auch auf der Internetpräsentation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, allerdings unter dem Titel: »Kriegsende – Erschöpfter deutscher Soldat, 1918«; ullstein bild (Archiv Gerstenberg); Geschichte und Geschehen 3, S. 231.
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werden, doch bringt die hier enthaltene Grenzüberschreitung zwischen Bild (Quelle) und Geschichtskarte (Darstellung) eine ganze Reihe von Problemfeldern mit sich. Der positive Einfluss von Bildern auf das Behalten von Text ist sicher nicht nur Schulbuchautor/innenen, sondern auch den meisten Grafiker/ innen und Mediendesigner/innen bekannt111. Allerdings konfrontieren sie Schüler/innen an dieser Stelle durch ein solches fast willkürliches Konglomerat mit einer unlösbaren Dekodierungsaufgabe. Durch diese Beliebigkeit wird der Quellencharakter der verwendeten Bilder außer Acht gelassen und das Ziel, eine optisch ansprechende Collage zu generieren, rückt in den Vordergrund. Die erkenntnistheoretische Differenz zwischen Quelle (Bild) und Darstellung (Karte) bleibt entsprechend unbeachtet und das gesamte Gebilde wird zu einer bloßen Illustration degradiert. Besonders gravierend ist dabei, dass Geschichtsund Raumbilder durch eben solche Collagen nachhaltig beeinflusst und schließlich auch verzerrt werden können. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, wie wichtig die Analyse des Zusammenspiels unterschiedlicher Zeichensysteme innerhalb der semiotischen Binnenstruktur von Geschichtskarten ist.
3.4.2. Die Geschichtskarte in einer multimodalen Umgebung »If combined with photographs, the maps are often relegated to a secondary form of illustrative material. The emphasis on photographs and text reflects two aspects of financial pressure. First, there is a commercial distinction between essentially scholarly atlases which are, to some degree at least, new and different, usually being therefore more specialized in focus and more expensive, and atlases in colour for the general market and book clubs […] Second, it is less expensive to create an atlas that employs text and illustrations extensively than one that is largely composed of maps.«112
Diese fast schon ernüchternde Einschätzung Jeremy Blacks zur Medienkombination ist nicht nur ein vorsichtiger Blick hinter die Kulissen der Geschichtsatlantenproduktion, sondern zeigt auch, dass oftmals ganz pragmatische Entscheidungen ursächlich für Medienauswahl und -anordnung sind. Dennoch ist die dabei generierte mediale Gesamtkomposition zu analysieren, denn gerade die entstehenden (bewusst und unbewusst erzeugten) Bezüge zwischen unterschiedlichen Medien und Zeichensystemen haben gleichwohl eine sinnstiftende Funktion. Die Geschichtskarte steht niemals allein, sondern ist immer durch intrasignifikante- und extrasignifikante Verweise gekenn111 Vgl. hierzu Weidenmann, Bernd: Multicodierung und Multimodalität im Lernprozess, in: Issing, Ludwig, J./Klimsa, Paul (Hrsg.): Informationen und Lernen mit Multimedia und Internet. Weinheim 2002, S. 52. 112 Black: Maps and history, S. 138.
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zeichnet113. Neben ihrer Binnenstruktur verweist die Geschichtskarte auch auf Medien und Diskurse außerhalb des eigentlichen Kartenbildes, wodurch eine Analyse der medialen Zusammenhänge zur Entschlüsselung der unterschiedlichen Sinnebenen essentiell wird. Neben dem Verweis der Karte über ihre mediale Umgebung hinaus, z. B. auf historische Diskurse, sind für eine Kartenanalyse vor allem die Wechselbeziehungen innerhalb einer Geschichtsatlas- bzw. Schulgeschichtsbuchseite von Interesse (besonders zwischen den einzelnen Modulen: Geschichtskarten, historischen- bzw. Altkarten, Bildquellen, sonstigen Abbildern114, Verfasser- und Autorentexten, Fremdtexten, Statistiken und Aufgaben). Die Linguistik verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der Interaktion, um diese medialen Verweise zu beschreiben.115 Für die Analyse jener Verbindungen bietet der textlinguistische Ansatz der Multimodalität ebenso geeignete Anknüpfungspunkte wie das medientheoretische Konzept der Intermedialität.116 Dem teilweise schwammig verwendeten Intermedialitätsbegriffs stellt Irina O. Rajewsky eine klare Begriffsdifferenzierung entgegen.117 Während Medienkombination demnach als mediales Zusammenspiel im Kontext der Kartenanalyse lediglich auf die semiotische Binnenstruktur der Geschichtskarte abzielt (gleichzeitige Verwendung von Text und Bild), so sind Medienwechsel und intermediale Bezüge vielmehr auf den Herstellungsprozess und den generellen Bezug der Karte auf andere Medien gerichtet (z. B. eine Karte wird aus einem 113 Vgl. Wood: The Power of Maps, S. 116 ff. 114 Abbilder sind hier im Sinne Bernd Weidenmanns in Abgrenzung zu analytischen Bildern zu verstehen und sollen lediglich zeigen, wie etwas aussieht (z. B. die Zeichnung eines AztekenKriegers); Vgl. Weidenmann, Bernd: Abbilder in Multimediaanwendungen, in: Issing/ Klimsa: Information und Lernen mit Multimedia und Internet, S. 83 ff. 115 Gemeint ist hier die Interaktion mit anderen semiotischen Systemen; Vgl. Stöckl: Die Sprache im Bild, S. 18. Allerdings kollidiert diese Vorstellung häufig mit anderen Interaktionsbegriffen – wie z. B. dem sozialwissenschaftlichen-, der vielmehr auf eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Individuen und sozialen Gebilden abzielt. Der Interaktionsbegriff der Informatik hingegen beschreibt vielmehr die Mensch-Computer Beziehung und meint in der Regel die Zugriffs- und Steuerungsmöglichkeiten von Software; Vgl. Haack, Johannes: Interaktivität als Kennzeichen von Multimedia und Hypermedia, in: Issing/Klimsa: Information und Lernen mit Multimedia und Internet, S. 128. 116 Einen Überblick bieten u. a.: Kress, Gunther/van Leeuwen, Theo: Multimodal Discourse. The models and media of contemporary communication. London 2001; Stivers, Tanja/ Sidnell, Jack: Multimodal Interaction, in: Semiotica 156 (2005), S. 1 – 20; Stöckl: Die Sprache im Bild – Das Bild in der Sprache; Bucher, Hans-Jürgen: Multimodalität – eine Universalie des Medienwandels. Problemstellungen und Theorien der Multimodalitätsforschung, in: Ders./Gloning, Thomas/Lehnen, Katrin (Hrsg.): Neue Medien – neue Formate – Ausdifferenzierung und Konvergenz in der Medienkommunikation. Frankfurt 2010, S. 41 – 80; Rajewsky : Intermedialität; Helbig, Jörg (Hrsg.): Intermedialität. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Forschungsgebiets, London 2009. 117 Dabei geht sie allerdings von einem weitgefassten Medien-Begriff aus und nicht vom Begriff des Unterrichts-Mediums; Vgl. Rajewsky : Intermedialität, S. 15 ff.
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Text erstellt und umgekehrt). Für eine Analyse von Schulgeschichtsbuch- oder Geschichtsatlasseiten eignet sich dieser dreigliedrige Intermedialitätsbegriff allerdings nur bedingt. Lediglich die Bezeichnung »intermediale Bezüge« wird im Folgenden verwendet, wenn die Karte auf Darstellungen und Quellen verweist, die sich außerhalb ihres direkten medialen Umfeldes befinden. Das Konzept der Multimodalität ermöglicht hingegen neben der Analyse von Text-Bild-Zusammenhängen auch das Einbeziehen der Medienanordnung bzw. des Mediendesigns im Rahmen der visuellen Kommunikation.118 Für die Analyse von Geschichtskarten ist diese Herangehensweise auf zwei unterschiedlichen Ebenen gewinnbringend: Erstens wird danach gefragt, wie mediale Aussagen beim Übergang von einem Medium in ein anderes (z. B. vom Text zur Karte) überhaupt generiert werden. So sind Geschichtskarten nicht nur Produkt eines solchen ›Übersetzungsprozesses‹, sondern zugleich Ausgangspunkt für die Übersetzung in andere Modalitäten. Da sie selbst Daten aus allen anderer Modalitäten erfassen können, sind Geschichtskarten sogar in der Lage, Riechbares oder Hörbares visuell zu codieren.119 Zweitens ist nach der integrativen Leistung verschiedener Darstellungsmodi zu fragen, quasi der Analyse einer modalen Orchestrierung. Gemeint sind hier die Anordnung verschiedener Medien, zum Beispiel auf einer Lehrbuch- oder Atlasseite. Wie beim Schreiben eines Musikstückes müssen auch hier einzelne Instrumente ausgewählt und entsprechend integriert werden. Zwar ist die Karte in einem Geschichtsatlas alleine schon eine Art Binnenkomposition, die an Stelle von Streichern und einem Bläserquintett eher Farben und Kartenzeichen nutzt, doch entsteht die Gesamtkomposition eines Geschichtsatlasses beispielsweise erst durch das Zusammentreffen verschiedener solcher Binnenkompositionen. Dazu zählen auch Bilder und bildhafte Darstellungen sowie der Text als verbindendes und kontextualisierendes Element. Während der Gesang beispielsweise ein Instrumentalstück auf unterschiedliche Art und Weise grundlegend beeinflussen kann, so verändert sich auch die Gesamtaussage einer Geschichtsatlasseite durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Modi. 118 Genannt sei an dieser Stelle aber auch auf das Konzept einer Medienklassifikation nach Sinnesmodalitäten von Bernd Weidenmann, indem deutlich zwischen »multimodal« (»Angebote, die unterschiedliche Sinnesmodalitäten bei Nutzern ansprechen«) und »multicodal« (»Angebote, die unterschiedliche Symbolsysteme bzw. Codierungen aufweisen«) unterschieden wird; Weidenmann, Bernd: Multicodierung und Multimodalität im Lernprozess, in: Issing, Ludwig J./Klimsa, Paul (Hrsg.): Information und Lernen mit Multimedia und Internet. Weinheim 2005, S. 47; Vgl. hierzu auch Ders.: Lernen mit Bildmedien. Psychologische und didaktische Grundlagen. Weinheim 1994. Hans-Jürgen Pandel weist allerdings darauf hin, dass diese pädagogische Klassifikation »widersprüchlich« bzw. »sozialwissenschaftlich und geschichtsdidaktisch ohne Wert ist«, Pandel: Bildinterpretation – Zum Stand der geschichtsdidaktischen Bildinterpretation, S. 71. 119 Vgl. Schmauks: Landkarten als synoptisches Medium, S. 8.
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Um genau diese generierten Aussagen untersuchen zu können, bieten die Ansätze der Sozialsemiotik unverzichtbare Anhaltspunkte. Im Gegensatz zur strukturalistischen Semiotik, die von einer festgelegten Bedeutung ausgeht, betonen sozialsemiotische Theorien »den dynamischen Prozess- und Handlungscharakter von Zeichenproduktion und -interpretation, aus dem immer nur ein ›field of possible meaning‹, also ein Bedeutungspotential per se resultiert«120. In diesem Zusammenhang geht der Ansatz von Gunther Kress und Theo van Leeuwen davon aus, dass nicht nur die funktionale Grammatik der Sprache/ Kommunikation auf ein Bild übertragen werden kann, sondern auch erkennbare visuelle Strukturen mit sozial relevanten Bedeutungspotentialen in Verbindung gebracht werden können. Bezogen auf die unterschiedlichen Präsentationsmodi der Geschichtskarte bedeutet dies somit auch: »Mode is a socially shaped and culturally given semiotic resource for making meaning«121. Wie bereits das Beispiel der kulturspezifischen Wahrnehmung von Farben zeigte (Vgl. Kapitel 3.3.4), sind Geschichtskarten generell nur sozial und kulturell konnotiert zu lesen. Ein medienanalytischer Ansatz, der keinerlei Fragen der Kontextualisierung berücksichtig, würde zu kurz greifen. Vielmehr ist nach dem von Ralf Bohnsack beschriebenen »konjunktiven Erfahrungsraum der Bild-Produzent(inn)en [zu fragen], dessen zentrales Element der individuelle oder kollektive Habitus darstellt«122. Dass dieses allerdings für die Geschichtskartenanalyse nur begrenzt realisierbar ist, sondern lediglich einen Idealzustand darstellt, scheint ebenso wie für andere qualitative Methoden der Bildinterpretation zu gelten. Geschichtskarten sind neben Bildern nicht nur als analytische Bestandteile einer Schulgeschichtsbuch- oder Geschichtsatlasseite zu betrachten, sondern sie sind mittlerweile zu einem wichtigen Hilfsmittel geworden, das Buchseiten und deren Inhalte strukturiert.123 Demnach werden weder Text, noch Bild oder Karte isoliert voneinander betrachtet, sondern die Schulbuch- bzw. Atlasseite muss als komplexer Sinnzusammenhang verstanden werden. Dagmar Schmauks geht sogar davon aus, dass Karten andere Karten, Texte und Bilder »zitieren« und dabei gleichzeitig selbst durch Texte »zitiert« werden.124 Hier gilt allerdings, dass 120 Stöckl: Die Sprache im Bild, S. 15; Vgl. hierzu auch Jewitt, Carey/Oyama, Rumiko: Visual meaning: a social semiotic approach, in: Van Leeuwen, Theo/Jewitt, Carey (Hrsg.): Handbook of visual analysis. London 2001, S. 134 – 156. 121 Kress, Gunther : Multimodality. A social semiotic approach to contemporary communication. New York 2010, S. 79. 122 Bohnsack: Qualitative Methoden der Bildinterpretation, S. 248. 123 Vgl. Gautschi, Peter/Binnenkade, Alexandra: Ansicht, Einsicht, Übersicht, Aussicht. Die Funktion von Bildern im Schulgeschichtsbuch. »Viele Wege – eine Welt«, in: Bernhardt, Markus/Hencke-Bockschatz/Sauer, Michael (Hrsg.): Bilder-Wahrnehmung-Konstruktion. Reflexion über Geschichte und historisches Lernen. Schwalbach/Ts. 2006, S. 107. 124 Schmauks: Landkarten als synoptisches Medium, S. 22.
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jede historische Sinnbildung auch durch das »Nadelöhr des Textes« bzw. der Sprache hindurch muss.125 Die Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Geschichtskarten und Bildern ist bei einer Geschichtskartenanalyse von besonderer Bedeutung, da beide ein Lehrmittel nicht nur ›attraktiv‹ machen, sondern auch Aufmerksamkeiten bündeln126. Ob allerdings von einer »Dialogizität«127 zwischen beiden gesprochen werden kann, bleibt zu hinterfragen, zumal die eigentliche Sinnbildung dem Betrachter obliegt. Ungeachtet dessen ist dem Text durch seine Möglichkeiten der Kontextualisierung eine verbindende Rolle zuzuschreiben, sowohl in Lehrbüchern als auch in den meisten Geschichtsatlanten. Bevor allerdings der Geschichtsatlas als Analysemedium vorgestellt wird, sei zunächst auf die besondere Bedeutung von kolonialen Bildquellen verwiesen, die gerade im medialen Kontext der Geschichtskarte eine besondere Rolle spielen.
3.4.3. Erinnerungskultur und Visualisierung – Die Wirkung der Bilder Das 20. Jahrhundert wird auch als ein »visuelles Jahrhundert«128 bezeichnet, da Bilder hier erstmals in einer nie dagewesenen Fülle produziert und kommuniziert wurden. Dabei beeinflussen sie heute auf unterschiedliche Art und Weise die Produktion und Rezeption von Geschichtskarten, sodass ihnen eine wichtige Funktion in der Raumimagination und -konstruktion zukommt. Obwohl es eine ganze Reihe von Unterschieden zwischen Bild und Karte gibt129, so stehen beide in einem deutlichen Kommunikationszusammenhang, da sie durch ihre spezifische visuelle Codierung jeweils auf Sprache verweisen. Ferner sind beide in unterschiedlicher Form dazu geeignet, Räume zu visualisieren. Auch wenn an dieser Stelle nicht alle Bezüge zwischen Karte und Bild
125 Bohnsack: Qualitative Methoden der Bildinterpretation, S. 241. 126 In diesem Zusammenhang bemerkt Ulrich Schmitz, dass beim Lesen semiotischer Angebote zuerst das gesamte Erscheinungsbild wahrgenommen wird und erst auf einer zweiten Ebene ausgewählte bzw. hervorgehobene Einheiten (z. B. Kartenzeichen) betrachtet werden. Die eigentliche Lektüre von Fließtexten sieht er sogar auf einer dritten Ebene; Vgl. Schmitz, Ulrich: Sehlesen. Text-Bild-Gestalten in massenmedialer Kommunikation, in: Roth, Kersten Sven/Spitzmüller, Jürgen (Hrsg.): Textdesign und Textwirkung in der massenmedialen Kommunikation. Konstanz 2007, S. 97 f. 127 Gautschi/Binnenkade: Ansicht, Einsicht, Aussicht, S. 108. 128 Paul, Gerhard: Das Jahrhundert der Bilder 1900 – 1949. Göttingen 2009, S. 14. 129 So ist das Verhältnis einer Karte zum abgebildeten/repräsentierten Raum allein aufgrund ihrer geometrischen Projektion strenger definiert; Vgl. Michalsky : Raum visualisieren, S. 297.
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beleuchtet werden können, so zeigt sich doch eine enge Verbindung an folgenden Punkten. Erstens basiert das verwendete kartographische Zeichensystem in Geschichtskarten häufig auf kanonisierten bildhaften Darstellungen und Quellen (intermediale Bezüge). Dies wird besonders deutlich in der Verwendung bildhaft-abstrakter Kartenzeichen, da deren Gestaltung oftmals auf unterschiedliche Bildquellen zurückgeht, die wiederum Sichtweisen und Erinnerungen an den Kolonialismus nachhaltig beeinflusst haben. Eine Geschichtskartenanalyse wird sich also mit der Frage nach dem Ursprung der verwendeten Kartenzeichen beschäftigen müssen. Im Zuge der Erinnerungs- und Gedächtnisdiskurse wurde neben dem »kulturellen-, sozialen- und kommunikativen Gedächtnis« auch das Bild als kommunikatives Medium in den Fokus der Geschichtswissenschaft genommen, so dass mittlerweile der Begriff des »visuellen Gedächtnisses«130 interdisziplinär etabliert ist. Gerhard Paul beschreibt in diesem Zusammenhang die Entwicklung von der »Historischen Bildkunde« hin zu einer »Visual History«131. »Mehr noch als die narrative Struktur des Erinnerungstextes sorgen die Erinnerungsbilder seit der Wiederkehr der Bilder als Träger der Erinnerung für die Verzahnung der individuellen Erinnerungserzählungen mit den Leiterinnerungen, die Erzählung und Illustration in gleicher Weise verbinden. Ganz so, wie die Leiterzählungen sich nach bestimmten Typen und Themen ordnen lassen, setzt sich das Bildgedächtnis auf dieser Ebene der Aggregation aus einem Bündel von Ikonographien zusammen, die nicht nur unsere Wahrnehmung steuern, sondern sich auf das Darstellungsverhalten der Akteure selbst übertragen«.132
Zweitens beeinflusst die Anordnung bzw. die Kombination von Bildern mit anderen Medien, wie etwa Texten133, Statistiken und Geschichtskarten, die jeweilige Gesamtaussage beispielsweise einer Schulbuch- oder Geschichtsatlasseite (Medienkombination/Präsentationsmodus). In Lehrmitteln visualisieren 130 Vgl. hierzu beispielsweise auch Danelzik-Brüggemann, Christoph/Reichardt, Rolf (Hrsg.): Bildgedächtnis eines welthistorischen Ereignisses. Die Tableaux historique de la R¦volution franÅaise (Formen der Erinnerung Bd. 10) Göttingen 2001; Wirth, Bernhardt: Multidimensionale Entwicklung basaler Kompetenzen im elementaren Primarbereich (Schriften zur Interdisziplinären Bildungsdidaktik Bd. 14) München 2009, S. 93 ff. 131 Paul, Gerhard: Von der Historischen Bildkunde zur Visual History, in: Ders. (Hrsg.): Visual History. Ein Studienbuch. Göttingen 2006, S. 7 – 36. 132 Lottes, Günther : Erinnerungskulturen zwischen Psychologie und Kulturwissenschaft, in: Oesterle, Günther (Hrsg.): Erinnerung, Gedächtnis, Wissen. Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung. Göttingen 2005, S. 184. 133 Zum Verhältnis von Sprache und Bild vgl. Stöckl, Hartmut: Die Sprache im Bild – Das Bild in der Sprache. Zur Verknüpfung von Sprache und Bild im massenmedialen Text. Berlin 2004.
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Bilder nicht einfach abstrakte Sachverhalte, sondern werden bewusst als Lernhilfen eingesetzt.134 Entsprechend sind die Funktionen von Bildern auf einer Schulgeschichtsbuch- bzw. Geschichtsatlasseite näher zu fokussieren. Neben dem Visualisieren von Lerninhalten (Übersetzung des Geschriebenen ins Visuelle), dienen sie der Veranschaulichung und der bewussten und unbewussten Emotionalisierung. Ferner sind sie in der Lage, lebensweltliche Bezüge herzustellen und Multiperspektivität zu erzeugen (unterschiedliche Ansichten eines Ereignisses können dargestellt werden).135 Vor dem Hintergrund dieses besonderen Verhältnisses zwischen Bild und Geschichtskarte, ist es zunächst notwendig, die Bedeutung von Bildquellen für das Themenfeld Kolonialismus herauszustellen, um in einem zweiten Schritt deren Einfluss auf die Raumkonstruktion näher thematisieren zu können. Die Bedeutung von Bildern für die Darstellung des Kolonialismus Dirk van Laak beschreibt den europäischen Imperialismus als ein Medienereignis, in dem »Zeitschriften und Verlage […] als Mäzene der Reisenden auf [traten], die an den Sensationen – und theatralischen Inszenierungen – der Expeditionen überaus interessiert waren«136. Visuell präsent waren die Kolonien in Europa nicht nur durch Kartenmaterial, sondern vor allem durch vielfältige bildhafte Darstellungen. Dabei fallen nicht nur die Portraits kolonialer Helden und Herrscher auf, sondern auch Darstellungen von kolonialen Landschaften, Flora, Fauna und kolonisierten Völkern, deren oft rassistische Darstellungen sich in einem breiten Spektrum zwischen unzivilisierten Barbaren, edlen Wilden oder kultivierten Exoten bewegten. Das Debüt kolonialer Bildnisse geht eng einher mit technischen, wissenschaftlichen und ästhetischen Neuerungen, sodass bereits Holzschnitte aus dem 17. und 18. Jahrhundert als »Geburtsstunde der visuellen Kultur«137 bezeichnet werden können. Die Bildressource charakterisiert Jens Jäger für das deutsche Kaiserreich besonders nach den Reichstagswahlen von 1907 als »Unterhaltungsund Nachrichtenmedium«138. Neben der Fotografie und zahlreichen Werbebildern ist vor allem die Bildpostkarte zu nennen, die »wie kaum ein anderes
134 Vgl. Gautschi /Binnenkade: Ansicht, Einsicht, Übersicht, Aussicht, S. 108. 135 Vgl. ebenda, S. 108. 136 Laak, Dirk van: Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert. München 2005, S. 31. 137 Ciarlo, David, M.: Rasse konsumieren. Von der exotischen zur kolonialen Imagination in der Bildreklame des Wilhelminischen Kaiserreichs, in: Kundrus: Phantasienreiche, S. 136 f. 138 Jäger, Jens: »Unsere Kolonien« Populäre Bilder als Medien des Fernsehens, in: Paul: Das Jahrhundert der Bilder, S. 98.
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Bildmedium im Alltag präsent [war] – nicht allein als sichtbarer Gegenstand, sondern auch als Gebrauchsmittel«139. Selbst Zündholzschachteln waren Träger kolonialer Raumvisualisierungen, sodass beispielsweise die Darstellung von »Kamelkarawanen, Beduinen und maurische[r] Architektur«140 als Sinnbild des Orients im handlichen Westentaschenformat weitergegeben werden konnte. Auch als Werbeträger, anfangs nur für Schokolade, Kaffee oder Tabak, später auch für Seife, Waschmittel, Whisky und Bier, eignete sich das Zündholzschachteldesign hervorragend.141 Die steigende Quantität und Qualität der Bildproduktion im 19. Jahrhundert war eng mit der Etablierung der Fotografie als vermeintlichen Garanten von Authentizität verbunden. Den Betrachtern in Europa konnte so der Eindruck vermittelt werden, dass sie ein Stück weit am Geschehen in den Kolonien partizipieren würden. Jens Jäger weist am Beispiel Afrikas deutlich darauf hin, dass diese neuen Bilder auf »vorgefertigte Interpretationsmuster [trafen], die ihren Inhalt in eine europäische Vorstellungswelt einordneten«142. Außerdem wurden Fotografien, Zeichnungen und Gemälde, ebenso bewusst als Medien der »faktischen Berichterstattung«143 angefertigt. Das Dokumentieren von Missionserfolgen diente auch dem Akquirieren von finanziellen Mittel, wie durch den Verkauf von Bildpostkarten. Ferner bemerkt Jäger, dass das von ihm angesprochenen »Afrikabild« nicht nur auf deutsche Medien beschränkt blieb, sondern dass populäre Bildmedien auf die Vorstellungswelt anderer europäischer Ländern eingewirkt haben, die keine eigenen Kolonien in Afrika besaßen, wie etwa die Schweiz, Finnland oder osteuropäische Staaten.144 Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer französischen Werbestudie145, die festgestellt hat, dass es in afrikanischen Motiven »vor allem um die Suggestion von Naivität, Genuss(fähigkeit) und Animalität oder Exotik ging (und geht)«.146 Wie entstehen gerade diese visuellen Stereotype? Wie und warum sind sie im Laufe ihrer Genese so variabel? In diesem Rahmen stellt sich die Frage, ob dieses Geschichtsbild auch 139 Ebenda, S. 98. 140 Eiler, Silke: Die Welt im Westentaschenformat. Die Bilderwelt der Zündholzschachtel, in Paul: Das Jahrhundert der Bilder, S. 80. 141 Vgl. ebenda, S. 81; Vgl. hierzu auch Ciarlo: Rasse konsumieren, S. 135 ff. 142 Jäger, Jens: Bilder aus Afrika vor 1918. Zur visuellen Konstruktion Afrikas im europäischen Kolonialismus, in: Paul: Visual History, S. 137. 143 Jäger : Bilder aus Afrika vor 1918, S. 141. 144 Vgl. Jäger : Bilder aus Afrika vor 1918, S. 138 f. 145 Bachollet, Raymond/Debost, Jean Barth¦l¦mi /Lelieur, Anne Claude/PeyriÀre, Marie Christine (Hrsg.): N¦griPub. L’image des noirs dans la publicit¦. Pr¦face. Paris 1992. 146 Jäger : Bilder aus Afrika vor 1918, S. 136; Vgl. hierzu auch Pieterse, Jan Nederveen: White on Black. Images of Africa and Blacks in Western Popular Culture. New Haven 1992; Martin, Peter : Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Bewusstsein und Geschichte der Deutschen, Hamburg 2001.
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in aktuellen Lehrmitteln und insbesondere in Geschichtskarten erkennbar ist und inwieweit es sich hier um ein europaweites Phänomen handelt. Der Einfluss von Bildern auf die Raumkonstruktion Am Beispiel von Reklamebildern im Deutschen Kaiserreich bemerkt David M. Ciarlo zwei zentrale Darstellungsformen kolonialer Bildproduktion – einerseits die Subordination, »also die immer stärker werdende Tendenz nach 1900, Schwarze in Szenen darzustellen, die entweder koloniale Unterwerfung zeigten oder diese evozierten«, und andererseits die Rassifizierung, »also die Neigung nach 1905, den schwarzen Körper so abzubilden, dass besondere Merkmale und damit das ›Andersartige‹ betont wurden«147. Im Sinne Heike Talkenbergers sind diese Bilder nicht nur als »Reflexe der Realität« zu verstehen, sondern als »Meinungsmacher«, indem sie Angstvorstellungen hervorrufen können oder »gezielte Gegenbilder zur herrschenden gesellschaftlichen Wirklichkeit [bieten]«148. Vor der Etablierung bildlicher Darstellungen als Massenmedien wurden Entdeckungsfahrten und koloniale Erfahrungen, abgesehen von kartographischen Darstellungen, einigen wenigen Zeichnungen und Skizzen, maßgeblich durch schriftliche Überlieferungen in die Metropolen Europas gebracht149. Die sich daraus entwickelnden Raumimaginationen vom kolonialen Anderen sind also als Konglomerat älterer Reiseberichte, wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Projektion mythologischer und christlicher Vorstellungen zu verstehen. Sowohl die ersten bildlichen Darstellungen der neuen Welten als auch die Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Grafiken und Fotografien, bauten auf solchen bereits etablierten Fantasielandschaften auf und bedienten sich somit vorhandener stereotyper Vorstellungen und Raumimaginationen in Europa. So fungierte gerade die Darstellung Afrikas häufig »als Projektionsfläche von Wünschen und Kritik«150 und folgte so einer europäischen Tradition, die nicht zuletzt in Bildern ihren Ausdruck fand. Mit Formulierungen wie »Bilder machen
147 Ciarlo: Rasse konsumieren, S. 140. 148 Talkenberger, Heike: Von der Illustration zur Interpretation. Das Bild als historische Quelle. Methodische Überlegungen zur Historischen Bildkunde, in: Zeitschrift für Historische Forschung 21 (1994), S. 312. 149 Wort und Sprache als Auslöser und Träger von Imagination betrachtet auch Schörken, Rolf: Imagination und geschichtliches Verstehen, in: Fauser, Peter/Wulffen, Dorothee von (Hrsg.): Einsicht und Vorstellung. Imaginatives Lernen in Literatur und Geschichte. Seelze 1999, S. 124 ff. 150 Jäger : Bilder aus Afrika vor 1918, S. 137
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Geschichte«151 oder »Bilder schreiben Geschichte«152 wird die in den letzten Jahren besonders durch die Visual-Culture-Studies begünstigte Hinwendung zum Bildlichen (»iconic turn«153 bzw. »pictorial turn«154) und dessen Bedeutung für die Geschichtswissenschaft herausgestellt. Den Einfluss von Bildern auf den Umgang mit Geschichte macht auch Harald Welzer in seiner vielfach kontrovers diskutierten These deutlich: »Das Gedächtnis braucht die Bilder, an die sich die Geschichte als erinner- und erzählbar knüpft, und es gibt zwar Bilder ohne Geschichte, aber keine Geschichte ohne Bilder«.155 In Anlehnung an die Gedächtnis- und Erinnerungsforschung seit den 1990er Jahren identifiziert Gerhard Paul sogar einen »Bildkanon des kulturellen Gedächtnisses«156 für das 20. Jahrhundert. Er beschreibt Visual History als ein Forschungsfeld, »das Bilder in einem weiten Sinne sowohl als Quellen als auch als eigenständige Gegenstände der historiografischen Forschung betrachtet und sich gleichermaßen mit der Visualität von Geschichte wie mit der Historizität des Visuellen befasst«157. Ausgehend vom Bildbegriff Hans-Jürgen Pandels ist das Bild hingegen als eine »bemalte (bzw. gezeichnete, gestochene, belichtete etc.) Fläche« zu beschreiben, dass »vier Raum-Zeit-Dimensionen auf zwei [reduziert]« und dabei »die Perspektive fest[legt]«.158 Weil Bilder nicht alleine stehen, sondern »immer durch Bezug und Verweis auf Sprache gekennzeichnet [sind]«159, werden sowohl das Abbild des Raumes als auch die Raumimagination und das daraus resultierende Geschichtsbild nachhaltig beeinflusst. Denn obwohl das selbstständige Einzelbild dem Betrachter einen optischen 151 Hannig, Jürgen: Wie Bilder Geschichte machen. Dokumentationsphotographie und Karikatur, in: Geschichte Lernen 1 (1988) H. 5, S. 49 – 53. 152 Rother, Rainer (Hrsg.): Bilder schreiben Geschichte. Der Historiker im Kino. Berlin 1991. 153 Vgl. hierzu Burda, Hubert/Maar, Christa (Hrsg.): Iconic turn. Die neue Macht der Bilder. Köln 2004; Boehm, Gottfried: Die Wiederkehr der Bilder, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 1994, S. 11 – 38; Bachmann-Medick: Cultural turns, S. 329 ff. 154 Vgl. hierzu auch Mitchell, W. J. Thomas: Picture Theory. Chicago 1995, S. 11 – 34; Gugerli, David: Sozialtechnische Evidenzen. Der pictorial turn als Chance für die Geschichtswissenschaft, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte Bd. 6 (1999), H. 3, S. 131 – 159; Paul: Visual History, S. 7 – 36. 155 Welzer, Harald: Das Gedächtnis der Bilder. Ästhetik und Nationalsozialismus. Tübingen 1995, S. 228. 156 Paul: Das Jahrhundert der Bilder, S. 14 – 40; Vgl. hierzu auch die Untersuchung von Susanne Popp, die nach einem europaweiten Bildinventar aktueller europäischer Schulbücher fragt; Popp, Susanne: Europaweit gemeinsame Bilder? Anmerkungen zu europaweiten Präferenzen im Bildinventar aktueller Schulbücher, in: Schönemann, Bernd/Voit, Hartmut (Hrsg.): Europa in historisch-didaktischen Perspektiven. Idstein 2007 (Schriften zur Geschichtsdidaktik Bd. 22), S. 210 – 234. 157 Paul, Gerhard: Visual History. Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11. 2.2010, URL: http://docupedia.de/docupedia/index.php?title=Visual_History& oldid=68958 (Stand: 15. 03. 2011, 20:30 Uhr). 158 Pandel: Bildinterpretation, S. 10. 159 Ebenda, S. 21.
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Eindruck von vergangener Wirklichkeit verschafft, so birgt es doch keinerlei narrative Aussagen in sich, »weil es keine zwei Ereignisse unterschiedlicher Zeitindizes enthält«160. Ulrich Mayer charakterisiert Einzelbilder deshalb sogar als »unhistorisch« und kennzeichnet sie als »Momentaufnahmen eines vergangenen Zustandes«161. Auch wenn Geschichtsschulbücher und Geschichtsatlanten oft nur Einzelbilder abbilden, so kann sich dem Betrachter über einen Präsentationsmodus mit anderen Bildern, Geschichtskarten und Texten, beispielsweise auf einer Schulbuchseite bzw. Doppelseite, ein narrativer Sinn erschließen. Hans-Jürgen Pandel weist allerdings darauf hin, dass »Visuelles Erzählen […] die produktive Mitarbeit des Betrachters voraus[setzt]«162. Weiterhin charakterisiert er das selbstständige Einzelbild als ein »Bruchstück« und konstatiert: »[D]ie Erzählung [entsteht] nicht im Bild, sondern im Kopf des Betrachters. Dazu benötigt er die Fähigkeit, historische Fragen zu stellen, Hypothesen zu formulieren und die in den Momentaufnahmen ›eingefrorenen‹ Ereignisse erzählend in eine Geschichte zu integrieren. Es sind also nicht die Bilder, die die Geschichte erzählen, sondern sie sind nur deren Hilfsmittel. Sie bilden zwar die Chronologie der Ereignisse, aber noch keine Geschichte«.163
Gerade im Hinblick auf die Raumimagination und -konstruktion sei auf die »suggestive, die Gedächtnisleistung steigernde Wirkung«164 von Bildern verwiesen. Umso dringlicher ist es diese innerhalb ihres kommunikativen Kontextes zum Sprechen zu bringen.165 Schließlich werden koloniale Räume nicht einfach nur durch ein neutrales Werkzeug abgebildet, sondern auch (mit-) konstituiert. Neben Bild und Text (u. a.) ist vor allem das synoptische Medium166 Geschichtskarte in unterschiedlichen Ausprägungsformen dazu in der Lage, Raumvorstellungen und Rauminformationen durch kartographische Hilfsmittel in einer hochverdichteten Form zu visualisieren. Darüber hinaus bildet die Geschichtskarte nicht nur räumliche Zustände ab, sondern erschafft diese auch, wie allein die Geschichte der Kartierung des Britischen Empires eindrucksvoll zeigt.167 Im Folgenden steht neben der Geschichtskarte zunächst der Ge160 Bergmann, Klaus/Schneider, Gerhard: Das Bild, in: Pandel, Hans-Jürgen/Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts., S. 211. 161 Mayer, Ulrich: Umgang mit Bildern, in: Geschichte lernen, H. 28 (1998), S. 38. 162 Pandel: Bildinterpretation, S. 208. 163 Ebenda, S. 208. 164 Mayer: Umgang mit Bildern, S. 38. 165 Vgl. Pandel: Bildinterpretation I, S. 187. 166 »synoptisch« meint hier die Verwobenheit von grafischen und textuellen Elemente; Vgl. Schmauks, Dagmar : Landkarten als synoptisches Medium, in: Zeitschrift für Semiotik Bd. 20 (1998), H. 1 – 2, S. 7 – 24. 167 Vgl. Edney : Mapping an Empire; Vgl. hierzu auch Klein, Bernhard: »The whole Empire of Great Britain?« Zur Konstruktion des nationalen Raums in Kartographie und Geographie,
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schichtsatlas als Gesamtkomposition bzw. als Medienträger im Fokus geschichtsdidaktischer Analysen.168
in: Bielfeld, Ulrich/Engel, Giesela (Hrsg.): Bilder der Nation. Kulturelle und politische Konstruktionen des Nationalen am Beginn der europäischen Moderne. Hamburg 1998, S. 40 – 75. 168 Kartographiegeschichte kann an dieser Stelle nicht umfassend thematisiert werden, sodass lediglich exemplarisch auf einschlägige Beiträge verwiesen sei: Schneider: Die Macht der Karte; Black: Maps and History ; Black: Visions of the World. A History of Maps.
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4. Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
Spätestens seit den dekonstruktivistischen Arbeiten des Geographen und Kartographen John Brian Harley1 scheint unumstritten, dass Geschichtskarten und Geschichtsatlanten nicht einfach geographische und historische Fakten objektiv wiedergeben, sondern immer von Raum- und Geschichtsbildern der am Produktionsprozess beteiligten Personen beeinflusst sind. Geschichtsatlanten können nicht nur als »Quelle ethnozentrischer Selbstbilder«2 betrachtet werden, sondern sind zugleich auch »Spiegelbild didaktischer und ideologischer Gegebenheiten«3. Der sie prägende »Zeitgeist«4 beeinflusste nicht nur die nationalen Geschichtsbilder ganzer Schülergenerationen, sondern auch deren »Wahrnehmung anderer Länder in Zeit und Raum«5. Sylvia Schraut geht davon aus, dass Geschichtsatlanten »den Stand der jeweiligen zeittypischen, grundlegenden Geschichtsauffassung, den Stand der geschichtswissenschaftlichen Kenntnisse wie der gerade vorrangigen Geschichtsmethode [spiegeln]«.6 Auch die Arbeiten von Patrick Lehn zeigen, dass Geschichtsatlanten Geschichtsbilder und die damit verbundenen raumbezogenen Vorstellungen über Generationen hinweg transportieren können.7 Im europäischen Vergleich ist der Geschichtsatlas nur im seltensten Fall eine bloße (meist chronologische) Aneinanderreihung von Geschichtskarten. Vielmehr stellt er eine Gesamtkomposition dar, die mithilfe 1 Vgl. Harley : The New Nature of Maps; Ders.: Silences and Secrecy : the Hiden Agenda of Cartography in Early Modern Europe, in: Imago Mundi, Vol. 40 (1988), S. 58; Ders.: Deconstructing the Map, in: Cartographica 26 (1989) H. 2, S. 1 – 20; Ders.: Maps, Knowledge and Power. 2 Mittag: Schulgeschichtsatlanten; Ders.: Geschichtsbilder in Schulgeschichtsatlanten. 3 Hantsche: Geschichtskarten im Unterricht, S. 5. 4 Schraut: Sind Geschichtsatlanten »objektiv«, S. 44 f. 5 Schraut: Geschichtsatlanten im Spannungsverhältnis von Zeitgeist, aktuellem politischen Geschehen und Geschichtswissenschaft, S. 299. 6 Ebenda, S. 299. 7 Vgl. Lehn: Deutschlandbilder ; Vgl. hierzu auch Kötter, Heinrich: Der Schulatlas – ein Produkt seiner Zeit, in: Kartographische Nachrichten 39 (1989), H. 3, S. 81ff; Black: Historiographical Review. Historical Atlases, S. 643 – 667.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
unterschiedlicher Medien die historische Narration beeinflusst und die »räumliche Bedingtheit von Geschichte«8 fokussiert. Im Vergleich zu Geschichtskarten in Schulgeschichtsbüchern, die in der Regel auf wesentliche Kernaussagen reduziert sind (didaktische Reduktion), weisen Geschichtskarten in Geschichtsatlanten ein deutlich höheres Maß an Komplexität auf und sind immer als eine Karte unter vielen zu betrachten. Geschichtsatlanten bieten in der Regel nicht nur Überblickskarten, Kartenausschnitte und -vergrößerungen, sondern auch Detail- und Ergänzungskarten, die eine multiperspektivische Betrachtung historischer Problemfelder unterstützen können. Bevor allerdings auf die aktuelle europäische Geschichtsatlantenlandschaft eingegangen wird, folgt zunächst ein einführender Verweis auf die Entwicklung des Geschichtsatlasses in Europa bis 1990.
4.1. Die Entwicklung der Geschichtsatlanten in Europa bis 1990 Die Schulkartographie als eine der ältesten Zweige der Kartographie ist eng mit der Entwicklung des Geographie- bzw. Erdkundeunterrichts verwoben. Ihre Ursprünge reichen bis in die frühe Neuzeit. Zwar kann an dieser Stelle keine allumfassende Abhandlung über die Entwicklung aller Geschichtsatlanten Europas geliefert werden, doch werden im Folgenden schlaglichtartig wesentliche Einschnitte und Entwicklungen beschrieben, die zur Herausbildung der heutigen Geschichtsatlantenlandschaft in Europa beitrugen. Neben Johannes Honterus (1498 – 1547)9 und Johann Amos Comenius (1592 – 1670)10 verwendete bereits Phillip Melanchthon (1497 – 1560) Karten, allerdings vorwiegend für die theologische Lehre.11 »The Bible was a significant inspiration for mapping. There was interest in the location of places mentioned in it and also the wish to construct a geography that could encompass Eden.«12 Sylvia Schraut geht hingegen davon aus, dass jene frühen kartographischen Produkte zur biblischen Geschichte (seit dem 16. Jahrhundert) nicht als Geschichtskarten bezeichnet werden können. Vielmehr kennzeichnet sie diese als »religiös motivierte Karten kirchengeschichtlich relevanter Gegebenheiten«13. Neben der bi8 Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 36. 9 Er verwendete in der zweiten Auflage seines Erdkundebuches (Rudimenta Cosmographica aus dem Jahr 1532) eine Weltkarte und 16 weitere Karten. Heinrich Kötter beschreibt dieses Werk sogar als die »Vorstufe eines Schulatlas«; Vgl. Kötter: Der Schulatlas, S. 81 10 Besonders das Werk Orbis sensualium pictus (1658) erhielt Landkarten; Vgl. Kötter : Der Schulatlas, S. 81. 11 Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie, S. 45. 12 Black: Maps and History, S. 5. 13 Schraut: Kartierte Nationalgeschichte, S. 15.
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Die Entwicklung der Geschichtsatlanten in Europa bis 1990
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blischen Geschichte lag bis weit ins 19. Jahrhundert ein weiterer Schwerpunkt des Geschichtsunterrichts auf der intensiven Behandlung der Antike. Es waren aber vor allem die geographischen Entdeckungsreisen und die damit verbundene Herausbildung der modernen Geographie als Wissenschaft Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, die für die Schulkartographie in Europa bedeutende Impulsgeber waren.14 Im Zuge der Nationalstaatenbildung im Europa des 19. Jahrhunderts und dem damit verbundenen Etablieren imperialer Strukturen wuchs die Bedeutung des Geschichtsunterrichts als wichtiger »Träger von Identitätsvermittlung«15. Jeremy Black bemerkt in diesem Zusammenhang: »Maps played a crucial role in imperializing states, explaining through depiction new links and ambitions«16. Karten wurden nun zunehmend nicht mehr nur zur Orientierung, Lokalisation und Reproduktion genutzt, sondern dienten als Schulgeschichtskarten auch dem »Memorieren von historischen Ereignissen«17. Jeremy Black beschreibt Karten in diesem Zusammenhang als »visuelle Zentren des Klassenzimmers«18, denn durch Geschichtsatlanten und Wandkarten konnten die Kolonien in die europäischen Klassenzimmer geholt und für Schüler/innen präsent werden. Der erste Geschichtsatlas geht zwar bereits auf Abraham Ortelius (1527 – 1598) zurück19, doch ist er als generelles Lehrmittel verstärkt erst seit dem 19. Jahrhundert in schulischen Vermittlungskontexten verankert. Auch wenn über die europäische Rezeptionsgeschichte von Geschichtsatlanten bisher nur wenig bekannt ist, so verweist neben seinem Namen das Vorwort zur ersten Ausgabe des »Putzger-Historischer Schul-Atlas« von 1877 (Verlag Velhagen & Klafing) explizit auf dessen vorgesehenen Gebrauch: »Dieser Atlas ist von der Verlagshandlung deshalb zu so billigem Preise angesetzt worden, um den Gebrauch des Geschichtsatlas in den höheren Schulen ebenso allgemein zu machen, wie den Gebrauch des Volksschulatlas in der Volksschule. […] Und doch wird keine Meinungsverschiedenheit darüber bestehen, dass es zur Belebung des Geschichtsunterrichts wünschenswert wäre, wenn jeder Schüler ohne Ausnahme einen 14 Eng verbunden mit der Herausbildung der modernen Geographie und dem damit verbundenen Ziel der wissenschaftlichen Erschließung der Erde sind u. a. Wissenschaftler, wie Johann Georg Forster (1754 – 1794), Alexander von Humboldt (1769 – 1859) und Carl Ritter (1779 – 1859). Zum Erdkundeunterricht um 1870 – 1880 und zur Entstehung methodisch neuer Schulatlanten; Vgl. u. a. Kötter : Der Schulatlas, S. 83 ff. 15 Furrer, Markus: Einführende Bemerkungen zu Kriegsnarrativen im Schulgeschichtsbuch, in: Ders./Messmer, Kurt (Hrsg.): Kriegsnarrative in Geschichtslehrmitteln. Schwalbach/ Ts. 2009, S. 8. 16 Black: Maps and history, S. 53. 17 Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte der Schulgeschichtskartographie, S. 46. 18 Black: Maps and History, S. 53. 19 Der im Rahmen des geographischen Theatrum Orbis Terrarum erstmals 1579 publizierte und in Antwerpen erschienene Parergon, gilt bis heute als erster bekannter Geschichtsatlas; Vgl. Black: Historical Atlases, S. 644.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
Geschichtsatlas besitzen könnte, am besten einen solchen, dessen Inhalt für den Gebrauch von den unteren bis zur obersten Klasse ausreichte«20.
Der Putzger eroberte schon bald darauf die Klassenzimmer, sodass bis zu seiner 59. Auflage im Jahr 1914 bereits von etwa einer Million verkauften Exemplaren ausgegangen werden kann (deutsche Ausgabe).21 Neben zahlreichen weiteren deutschsprachigen Publikationen22 wurden u. a. auch in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Ungarn, Polen und Russland Atlanten produziert und im Geographie- und Geschichtsunterricht verwendet.23 Übersetzungen oder länderspezifische Adaptionen waren schon in dieser Pionierphase der Schulgeschichtsatlanten-Produktion keine Seltenheit24, sodass deutsche Geschichtsatlanten sogar als »Vorbild für die Entwicklung von Konkurrenzprodukten im Ausland diente[n]«.25 Dementsprechend wird im Folgenden die Entwicklung deutscher Geschichtsatlanten betont. In Großbritannien konnte sich vor allem der »Philips’ A New School Atlas of Modern History« für den Schulgebrauch etablieren und wurde so zu einem jahrzehntelangen Erfolg.26 Mit den aufkommenden geopolitischen Tendenzen und den Vorstellungen vom permanenten Kampf der Völker um Raum27 hielten entsprechende Karten Einzug in den deutschen Geographie- und Geschichtsunterricht. Besonders nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden Karten 20 Putzger, Friedrich Wilhelm: F. W. Putzger’s historischer Schul-Atlas zur alten, mittleren und neuen Geschichte. Bielefeld und Leipzig 1877, S. 2. 21 Vgl. Wolf, Armin: 100 Jahre Putzger – 100 Jahre Geschichtsbild in Deutschland (1877 – 1977), in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 29 (1978), S. 715. Zur weiteren Geschichte des Putzger vgl. auch Hantsche, lrmgard: Friedrich Wilhelm Putzger und der Putzger. Zur Anfangsgeschichte eines historischen Atlas, in: Internationale Schulbuchforschung 18 (1996), S. 5 – 105; Schraut: Kartierte Nationalgeschichte, S. 62 ff.; Lehn: Deutschlandbilder, S. 49ff, 89ff, 162ff, 239ff, 264ff, 374ff, 431 ff. 22 Z. B. Kruse, Christian: Tabellen zur Übersicht der Geschichte aller Europäischen Länder und Staaten von ihrer ersten Bevölkerung an bis zum Jahre 1800 nach Christi Geburt. Leipzig 1802 – 1818; Spruner, Karl von: Historisch-geographischer Hand-Atlas. Gotha 1837 – 1841. 23 Z. B. Philip, George: Philips‹ School Classical Atlas. Liverpool 1855 (GB); Huberts, W. E. J.: Historisch-Geographische Atlas der Algemeenen Vaderlandsche Geschiedenis. Den Haag 1855 (NL); Las Cases, Emmanuel Auguste Dieudonn¦ Marius Joseph de: Atlas historique, g¦n¦alogique, chronologique et g¦ographique. Paris 1802 – 1804 (F); Jausz, Georg: Historisch-geographischer Schul-Atlas für Gymnasien, Realschulen und verwandte Lehranstalten. Die alte Welt (Ed. Hölzel) Wien 1872 (AU); Helmr, Ýgost: Iskolai atlasz az ûkori tört¦nelem tantshoz. Bratislava 1889 (H); Lelewel, Joachim: Atlas do Historyi i Geografi Starozytney. Warschau 1828 (PL); Zamyslolvkii, Egor: Uchebnyi Atlas po Russkoi Istorii. St. Petersburg 1867 (RUS). 24 Vgl. Black: Maps and History, S. 36 und 73; Vgl. auch Black: Historical Atlases, S. 647. 25 Schraut: Kartierte Nationalgeschichte, S. 49. 26 Muir, Ramsay : A New School Atlas of Modern History (Georg Philip). London 1911 (Erste Auflage); Vgl. hierzu auch Schraut: Kartierte Nationalgeschichte, S. 288 ff. 27 Vgl. hierzu u. a. Schultz, Hans-Dietrich: Herder und Ratzel: Zwei Extreme, ein Paradigma? in: Erdkunde 52 (1998), S. 127 – 143.
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regelrecht als propagandistische Waffen im Kampf gegen Versailles eingesetzt, indem sie »die Folgen der Niederlage im Weltkrieg als ungeographisch, ungerecht und unbedingt revisionsbedürftig zeigten«28. Während der Erste Weltkrieg gerade in deutschen Klassenzimmern noch als »Kartenerlebnis«29 wahrgenommen wurde, so ist der »Geopolitische Typen-Atlas« von Max Georg Schmidt und Hermann Haack aus dem Jahr 1929 ein Paradebeispiel für die Etablierung geodeterministischer Gesetzmäßigkeiten. So wird hier beispielsweise der Parallellauf der Flüsse in Deutschland als ein Hemmnis des staatlichen Zentralismus beschrieben. Dieser Atlas stellt somit physisch-geographische Gegebenheiten in einen absurden Kausalzusammenhang mit historisch-politischen Entwicklungen (»Der Flusz als Träger der geschichtlichen Bewegung«).30 Verwiesen sei an dieser Stelle auch exemplarisch auf die Volks- und Kulturbodenkarte nach Albrecht F. K. Penck, die in zahlreichen Variationen erschien und gerade Schüler/ innen (z. B. als Karte im Lehrbuch) zeigen sollte, »daß die Grenzen deutschen Volkstums sich nicht decken mit den engen politischen Grenzen«.31 In den nationalsozialistischen Rassen- und Völkerkarten gipfelte schließlich die Entwicklung der »suggestiven Karten«32 bis Anfang der 1940er Jahre.33 Das Ende des Zweiten Weltkrieges und die weltpolitischen Neukonstellationen nach 1945 bedeuteten besonders für die deutsche Geschichtsatlantenproduktion einen radikalen Neubeginn. Inhaltliche, konzeptionelle und technische Innovationen, wie der Vierfarbendruck bestimmten seit den 1960er Jahren die europäische Geschichtsatlanten-Landschaft. In der Bundesrepublik der Nachkriegszeit konnten sich besonders der Putzger seit 1954 (erste Auflage nach Ende des Zweiten Weltkrieges) und seit 1964 der dtv-Atlas zur Weltgeschichte von Hermann Kinder und Werner Hilgemann etablieren. Gerade der dtv-Atlas mit seinem (vergleichsweise) großen Anteil an außereuropäischer Geschichte er28 Schultz, Hans-Dietrich: Sie wussten was sie taten, S. 14. Vgl. hierzu auch Schultz: Das Kartenbild als Waffe im Geographieunterricht der Zwischenkriegszeit, S. 19 – 27; Herb: Under the Map of Germany ; Stöber, Georg: Schulbuch, Karten und Konflikte, in: Eckert Dossiers 2 (2009). URL: http://www.edumeres.net/urn/urn:nbn:de:0220 – 2009 – 0002 – 021 (Stand: 21. 04. 2011, 19:30 Uhr). 29 Schultz: Raum als kartographische Repräsentation von Politik, S. 157. 30 Schmidt, Max Georg/Haack, Hermann: Geopolitischer Typen-Atlas. Gotha 1929, S. 10 (Kartenanhang); Vgl. hierzu auch Lehn: Deutschlandbilder, S. 171 ff. 31 Radeck, H.: Das Deutschtum im Erdkundlichen Unterricht, in: Geographischer Anzeiger 29 (1928), S. 148, zitiert in: Schultz: Sie wussten was sie taten, S. 24 – 25. 32 Schultz: Sie wussten was sie taten, S. 15. 33 Christina Böttcher geht davon aus, dass »Propagandakarten« bis 1943 sogar »weitgehend aus öffentlichen Massenmedien verschwunden waren«; Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie, S. 46; Vgl. hierzu auch Herb: Under the Map of Germany, S. 151ff; Kleinschmidt, Vera: Nationalsozialismus und Schulatlas. Die Entwicklung der Rassen- und Völkerkarten 1933 – 1942, in: Praxis Geschichte 12 (1999), Heft 4, S. 52 – 55.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
schien u. a. in Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Lettland, Libanon, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Spanien, Taiwan, der Tschechische Republik, der Türkei, der Ukraine, Ungarn und den USA.34 Übersetzt und um die jeweilige nationalen Vergangenheiten erweitert, erreichten der dtv-Weltatlas und der Putzger als regelrechte Exportschlager hohe Auflagen.35 So verschieden wie sich der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit im geteilten Deutschland darstellte, so groß waren auch die innerdeutschen Unterschiede in der Geschichtsatlantenproduktion. So beschreibt Christof Dipper beispielsweise, dass in den westlichen Besatzungszonen der Bundesrepublik, wie auch in Italien, zunächst sogar Seiten aus Schulbüchern und Atlanten entfernt wurden, um einen Schulunterricht überhaupt gewährleisten zu können. Während sich in der Bundesrepublik aber verhältnismäßig schnell ein Markt für den Schulgebrauch vorgesehener Atlanten (unabhängig von alliierter Genehmigung) etablierte, so wurde in der DDR noch bis in die 1970er Jahre hinein mit Provisorien gearbeitet.36 Erst 1973/1975 erschien hier der erste »Atlas zur Geschichte«37 in zwei Bänden, der auch der letzte seiner Art in der DDR bleiben sollte. Die Herausbildung der bipolaren Welt nach 1945 hinterließ allerdings bei Weitem nicht nur ihren Einfluss in der deutschen Geschichtsatlanten-Produktion. Jeremy Black beschreibt in diesem Zusammenhang eine »Cartography of Communism« und markiert dabei deutlich die politisch-ideologischen Färbungen in den Geschichtsatlanten (besonders Schulgeschichtsatlanten) der DDR, Ungarns, Polens, der Tschechoslowakei, Jugoslawiens, Bulgariens, Albaniens, Rumäniens und der Sowjetunion bis zur politischen Wende 1989/1990 bzw. zum Zerfall der Sowjetunion.38 Bemerkenswert ist, dass die u. a. in der Sowjetunion (unter staatlicher Kontrolle) produzierten Schulgeschichtsatlanten an bestimmte Jahrgangsstufen gebunden waren und eine Einteilung in sowjetische- und Weltgeschichte erfolgte.39 In den Diktaturen
34 Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner : dtv-Atlas Weltgeschichte. Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Französischen Revolution. München 2007, S. 4. 35 Vgl. Dipper : Was vom Nationalsozialismus bleibt, S. 193; Black: Maps and History, S. 145. 36 Vgl. Black: Maps and History, S. 194. Christof Dipper beschreibt hier sehr eindrucksvoll die Bearbeitung unterschiedlicher (durchaus kontroverser) Themenfelder, wie »Flüchtlinge und Vertriebene«, »Bombenkrieg« oder »Die ›Endlösung‹ der Judenfrage« in Geschichtsatlanten der Nachkriegszeit. 37 Atlas zur Geschichte in zwei Bänden (hrsg. vom Zentralinstitut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, VEB Hermann Haack). Gotha und Leipzig 1973/1975. Die deutliche politische Färbung dieses Werkes wird allerdings bereits im Untertitel des ersten Bandes deutlich: »Von den Anfängen der menschlichen Gesellschaft bis zum Vorabend der großen sozialistischen Oktoberrevolution 1917«. 38 Vgl. Black: Maps and history, S. 149 – 160. 39 Z. B.: Atlas Istorii SSSR, 4 klass. Moskau 1980; Atlas istorii drevnego mira, 5 klass. Moskau
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Portugals (bis 1974) und Spaniens (bis 1975) stellt die Geschichtsatlantenproduktion der Nachkriegszeit im Vergleich zu anderen westlichen Staaten (wie z. B. Großbritannien oder Frankreich) offensichtlich einen Sonderfall dar. So verwundert es kaum, dass die portugiesische Kolonialgeschichte in der zweiten Auflage des »Atlas de Portugal« von Aristides de Amorim Gir¼o40 als eine portugiesische Erfolgsgeschichte erscheint, die nahtlos an die Tradition des Römischen Reiches anknüpft: »There were no maps of Portuguese conquests in Africa or Brazil: the empire was presented as natural and organic, not as the consequence of conquest«41. Für die britischen und französischen Geschichtsatlanten der 1980er und 1990er Jahre diagnostiziert Jeremy Black eine hohe Textlastigkeit, sodass sie letztlich »Bücher im Atlasformat« darstellten.42 Seit den 1960er Jahren ist auch in der Geschichtsatlanten-Produktion eine zunehmende Internationalisierung zu erkennen (»Global Publishing«43). Übersetzungen und Adaptionen werden nicht nur exportiert, sondern Teile des Produktionsprozesses (z. B. der Druck), oftmals unabhängig von der eigentlichen redaktionellen Arbeit, in andere Länder verlagert. Ein Beispiel dafür ist der 1978 erstmals von Geoffrey Barraclough herausgegebene »The Times Atlas of World History«, der zwar in London erschien, aber in Verona (Italien) gedruckt wurde und mit einem internationalen Autorenteam aus Großbritannien, den USA, Deutschland, Neuseeland, Australien, Schweden, Israel und den Niederlanden arbeitete.44 Auch wenn dieser Atlas nicht explizit für den Schulgebrauch vorgesehen war (allein schon aufgrund seines Formates), so wurde er dennoch in 17 Sprachen übersetzt und über eine Million Mal verkauft. Allerdings war »The Times Atlas of World History« nicht nur eines der innovativsten Atlasproduktionen (besonders aufgrund der verwendeten Projektionen und Karten- bzw. Themenauswahl) seiner Zeit, sondern mit Produktionskosten von etwa £500.000 auch eines der teuersten Projekte der 1970er Jahre.45 Es erschienen zahlreiche Adaptionen aus Deutschland und Großbritannien. Auch der italienische »Il Grande Atlante Storico Illustrato« aus dem Jahr 1985 wurde als britische Ausgabe unter dem Titel »Atlas of World History« von Giorgio Bombi 1987 veröffentlicht. Die französische Produktion
40 41 42 43 44 45
1980; Darüber hinaus wurden auch sogenannte Konturkarten (stumme Karten) verwendet, vgl. hierzu beispielsweise: Konturnye karty : po istorii SSSR, dlja 7 klassa. Moskau 1980. Gir¼o, Aristides de Amorim: Atlas de Portugal. Coimbra 1958. Black: Maps and History, S. 166 f; Vgl. auch Black,: Historical Atlases, S. 649. Black: Maps and History, S. 136. Ein Beispiel dafür ist u. a. der Atlas des britischen Historikers Christopher A. Bayly : Atlas of the British Empire. New York 1989; Hier werden auf 256 Seiten lediglich 39 Karten verwendet. Black: Maps and History, S. 144. Parker, Geoffrey : The Times Atlas of World History (Geoffrey Barraclough). London 1994, S. 5. Black: Maps and History, S. 144.
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von Jacques Bertin und Pierre Vidal-Naquet »Atlas historique« aus dem Jahr 1987 kam u. a. in Schweden vier Jahre später unter dem Titel »Atlas över Mänsklighetens Historia: Frn Urtid Till Nutid« auf den Markt.46 Mit den politischen Umbrüchen der 1980er und 1990er Jahre und der damit verbundenen Neuformierung und Neuorientierung in Mittel-, Ost- und Südeuropa war die Geschichtsatlanten-Landschaft starken Veränderungen unterworfen.47 Während Susanne Popp feststellt, dass im Hinblick auf eine veränderte Schulbuchproduktion für die Bilderverwendung eine starke Orientierung an »›westlichen‹ Vorbildern«48 (bzgl. Inhalt, Konzeption und Layout) erfolgte, trifft dieser Befund für Geschichtsatlanten- und Geschichtskarten nur bedingt zu. Auch wenn die von ihr als Ideenbörse beschriebene Bibliothek des Georg-Ekkert-Instituts für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig in Fragen der Kartenproduktion einen wichtigen Beitrag zu Transfer- und Adaptionsprozessen leisten konnte, so ist gerade in Ostmitteleuropa eine verhältnismäßig starke Orientierung an eigenen nationalen Fragen und Problemstellungen erkennbar. Dennoch sei an dieser Stelle auf die Probleme und Gefahren verwiesen, die ein nur ungenügend reflektierter Umgang mit bzw. die komplette Übernahme von Geschichtskarten/Geschichtsatlanten und den damit verbundenen Geschichtsbildern mit sich bringen kann.
4.2. Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion in Europa Die Geschichtsatlanten-Konzeption und -produktion ist in Europa von einer Vielzahl nationaler und transnationaler bzw. translokaler Faktoren abhängig, die im Folgenden anhand ausgewählter Länderbeispiele thematisiert werden. Dazu gehören u. a. instruktionale Vorgaben, die sich in Zulassungsverfahren oder bildungspolitischen bzw. curricularen Vorgaben spiegeln. Neben Verlagsinteressen und -traditionen, den damit eng verwobenen »foreign editions« (Übersetzungen und Adaptionen) und Fragen der »Vergangenheitsvergegen-
46 Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jacques: Atlas historique. Histoire de l’humanit¦, de la pr¦histoire nos jours. Paris 1987; Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jacques: Atlas över Mänsklighetens Historia: Frn Urtid Till Nutid. Stockholm 1991; Darüber hinaus erschienen Adaptionen auch in Italien (Il Nouvo Atlante Storico – Zanichelli, 1987) und Großbritannien (The Harper Atlas of World History, 1992). 47 Popp: Europaweit gemeinsame Geschichtsbilder? S. 217; Vgl. auch Maier : Zum Wandel des Schulbuchs und des Geschichtsunterrichts in Russland seit der Wende, S. 222. 48 Popp: Europaweit gemeinsame Geschichtsbilder? S. 217.
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Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion in Europa
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wärtigungskultur«49 bestimmen aber auch methodische Ansätze zur Kartenarbeit die Geschichtskarten- und die Geschichtsatlanten-Produktion.
Zulassungsverfahren »Bildung ist Ländersache« – so die verkürzte Beschreibung für die Länderkompetenz in der Bildungspolitik im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland. Damit liegt die Auswahl und Zulassung von Lehrwerken in den Händen der einzelnen Bundesländer50. Bis auf Berlin, Hamburg, das Saarland und Schleswig-Holstein51, die mittlerweile auf zentrale Zulassungsverfahren verzichten, erfolgt in den anderen Ländern ein entsprechendes Zulassungsverfahren durch Ministerien bzw. durch Landesinstitute, bevor neue Lehrwerke an Schulen eingesetzt werden dürfen.52 Der Vergleich zugelassener Geschichtsatlanten in der Bundesrepublik offenbart deutliche Unterschiede (Vgl. Anlage 1). Während für bayrische Haupt- und Mittelschule kein Geschichtsatlas offiziell zugelassen ist, wird für bayrische Gymnasien und Realschulen lediglich der Putzger-Historischer Weltatlas (mit einem zusätzlichen Kartenteil zur Geschichte Bayerns) als Lehrmittel aufgenommen. Auch wenn im Unterricht ältere Auflagen Verwendung finden können, so ist für die Abiturprüfung in Bayern lediglich die 103. Auflage aus dem Jahr 2006 (Kartenausgabe/Bayern) zugelassen53. Im Gegensatz dazu werden Atlanten 49 Pandel: Hans-Jürgen/Oswalt, Vadim: Einführung, in: Ders. (Hrsg.): Geschichtskultur. Die Anwesenheit von Vergangenheit in der Gegenwart. Schwalbach/Ts. 2009, S. 9. 50 Der rechtliche Rahmen von Schulbuchzulassungen in der Bundesrepublik basiert auf Gesetzen, Erlassen und Verordnungen der einzelnen Bundesländer, wobei die Entscheidungsträger variieren können. So sind in Bayern, Thüringen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die Ministerien mit den Zulassungsverfahren betraut, wohingegen in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt und Sachsen untergeordnete Dienststellen oder Landesinstitute diese Aufgaben wahrnehmen; Vgl. Stöber, Georg: Schulbuchzulassung in Deutschland: Grundlagen, Verfahrensweisen und Diskussionen. Eckert Beiträge 3 (2010), S. 5 – 12. 51 Seit 2004 hat Berlin das Zulassungsverfahren für Schulbücher eingestellt. Hamburg verzichtet seit 2009 und Schleswig-Holstein seit 2008/2009 auf Empfehlungslisten. Im Saarland wurde 2009 die Verwendung von Schulbüchern dem Verantwortungsbereich der jeweiligen Schulleitungen übertragen; Vgl. hierzu auch Schattenberg, Kerstin/Uphoff, Anette: Verzeichnis der zugelassenen Schulbücher für die Fächer Geographie, Geschichte, Sozialkunde (Politik) in den Ländern der Bundesrepublik. Ausgabe 2009/2010 (Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung). URL: http://www.gei.de/fileadmin/bilder/pdf/ Publikationen/GEI-Publikationen/Synopse_2010.pdf (Stand: 11. 05. 2011, 08:30 Uhr). 52 Für eine ausführliche Beschreibung der Zulassungsverfahren und der zugrundeliegenden Kriterien in der Bundesrepublik vgl. Stöber : Schulbuchzulassung in Deutschland, S. 5 ff. 53 Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (Hrsg.): Schriftliche Leistungserhebungen und Abiturprüfungen im Fach Geschichte.
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in Nordrhein-Westphalen als ergänzende Medien sogar pauschal zugelassen und müssen lediglich von den jeweiligen Schulen auf Eignung geprüft werden (Richtlinienbezug etc.).54 Es finden sich nur wenige Geschichtsatlanten, die in einem Großteil der deutschen Bundesländer als Lehrmittel zugelassen sind. Hierzu zählen (u. a.) der »Putzger-Historischer Weltatlas« (Kartenausgabe und erweitere Ausgabe), der Atlas »Geschichte und Geschehen« und der »Westermann-Geschichtsatlas«, sowie der Kombiatlas »Diercke Drei«55. Während in Deutschland Schulbuchzulassungen verhältnismäßig strikt durch Ministerien oder Landesinstitute geregelt sind, finden sich solche Regelungen beispielsweise nicht in Frankreich. Hier gilt vielmehr : »The teacher is completely free to choose the teaching methodology and the pedagogical equipment (toys, educational games, books, audio-visual material, etc.)«56. Auch in Italien können vergleichbare Beschränkungen des Schulbuchmarktes nicht ausgemacht werden, sondern lediglich eine Kontrolle der äußeren Merkmale (Papierqualität, Schriftart, Seitenzahl und Preis).57 In Italien und Frankreich haben Lehrer/innen also weitgehende Autonomie in Lehrmittelfragen, wobei das nationale Curriculum als zentraler Bezugsrahmen gilt.58 Ein weiterer Faktor der Schulbuch- und Geschichtsatlantenproduktion ist in diesem Zusammenhang die Mehrsprachigkeit in einigen europäischen Ländern (Belgien, Lettland u. a.). In Norwegen gibt es zwar keine administrativen Beschränkungen der Schulbuchzulassungsverfahren, dennoch
54 Vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen URL: http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Unterricht/Lernmittel/pauschale Zulassung.html (Stand: 15. 09. 2011, 09:30 Uhr). 55 Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger : Historischer Weltatlas, Cornelsen, Berlin 2011; Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans Ulrich: Geschichte und Geschehen Atlas, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 2009; Birkenfeld, Wolfgang: Westermann Geschichtsatlas, Westermann, Braunschweig 2008; Michael, Thomas: Diercke Drei – Universalatlas Erkunde/Geschichte/Wirtschaft/Politik, Westermann, Braunschweig 2009. 56 Edumeres – Schulbuchsysteme: Frankreich URL: http://www.edumeres.net/informa tionen/ bildungssysteme/schulbuchsysteme/schulbuchsystem/article/frankreich.html (Stand: 18.09. 2011, 20:50 Uhr). 57 Edumeres – Schulbuchsysteme: Italien URL: http://www.edumeres.net/informationen/bil dungs systeme/schulbuchsysteme/schulbuchsystem/article/italien.html (Stand: 18. 09. 2011, 20:30 Uhr). 58 Freie Lehrmittelwahl durch Schulen und Lehrer/innen auch in: Spanien, Belgien, Dänemark, Estland, Niederlande, Irland, Tschechische Republik, Großbritannien (England, Wales, Nordirland, Schottland). Administrative Beschränkungen (Genehmigungsverfahren) können darüber hinaus festgestellt werden in: Griechenland, Bulgarien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Türkei, Ungarn; Vgl. EURZDICE – Informationen zu Bildungssystemen und -politiken in Europa URL: http://eacea.ec.europa. eu/ education/eurydice/eurybase_de.php. (Stand: 20. 09. 2011, 19:40 Uhr).
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müssen alle Publikationen sowohl auf Bokml (Buchsprache) als auch auf Nynorsk (Neunorwegisch) erscheinen.59
Curriculare Vorgaben Wenn es in einigen europäischen Ländern auch kein administratives Zulassungsverfahren für Schulbücher und sonstige Lehrmittel gibt, so kann doch nicht ohne Weiteres von einem vollkommen unabhängigen Lehrmittelmarkt ausgegangen werden. So wirken sich beispielsweise (nationale) Bildungsstandards auf die Geschichtsatlanten-Produktion aus. Gerade wenn Schulen, Kollegien oder Lehrer/innen selbst entscheiden können, welche Lehrmittel zu nutzen sind, wirken verbindliche curriculare Vorgaben steuernd. In diesem Zusammenhang ist der 2008 erschienene niederländische Geschichtsatlas »De Bosatlas van de Geschiedeniscanon«60 zu sehen, der sich stark am bereits 2006 erstmals veröffentlichten Kanon der niederländischen Geschichte und Kultur orientiert. Im Jahr 2009 wurde dieser Kanon sogar zum offiziellen Unterrichtsbestandteil für Schüler/innen der Primar- und Sekundarstufe in den Niederlanden erklärt.61 Allerdings wird dieser aus einer Identitätsdebatte in den Niederlanden heraus entstandene Bildungskanon bei Historiker/innen und Geschichtslehrer/innen seit seiner ersten Veröffentlichung kontrovers diskutiert. Dass gerade die Niederlande, die lange das Image eines besonders weltoffenen und multikulturellen Landes innerhalb Europas inne hatten, nun einen national fokussierten Bildungskanon der Geschichte und Kultur veröffentlichen und diesen im Bildungssystem verankern, trifft häufig auf Unverständnis. Kritisiert wird vor allem eine Nähe zu »ideologisch ausgerichteten Nationalismen des 19. Jahrhunderts«62 als eine Art Gegenbewegung zu globalgeschichtlichen Tendenzen. Allerdings ist der Kanon auch als eine Art Diskussionsimpuls zu verstehen, der aufgrund seiner als kontrovers zu beur59 Edumeres – Schulbuchsysteme: Norwegen URL: http://www.edumeres.net/informationen/ bildungssysteme/schulbuchsysteme/schulbuchsystem/article/norwegen.html (Stand: 18. 09. 2011, 21:15 Uhr). 60 Nordhoff Atlasproducties: De Bosatlas van de Geschiedeniscanon – eerste editie, Groningen 2008. 61 Vgl. hierzu auch Siedhoff, Felix: Der Kanon der niederländischen Geschichte. Eine Untersuchung zum Bedürfnis nach Identität, Gemeinschaft und Bürgersinn (Niederlande-Studien, Kleinere Schriften H. 14). Münster 2011; Popp, Susanne: Geschichtliches Überblickswissen aufbauen – ein konzentrisch-longitudinales Geschichtscurriculum aus den Niederlanden, in: Erdmann, Elisabeth/Maier, Robert/Popp, Susanne (Hrsg.): Geschichtsunterricht international, Hannover 2006 (Studien zur internationalen Schulbuchforschung, Bd. 117), S. 269 – 300. 62 Siedhoff: Der Kanon der Niederländischen Geschichte, S. 12.
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teilenden Inhaltsauswahl zur Auseinandersetzung einlädt. Im Auftrag des niederländischen Bildungsministeriums wurde de Canon van Nederland von der Commissie Ontwikkeling Nederlandse Canon zusammengestellt. Als Orientierungshilfe für Lehrer/innen soll er das enthalten, was jede/r Niederländer/in (bis zu einer bestimmten Klassenstufe) über die Geschichte seines/ihres Landes wissen sollte. Charakteristisch für den Geschichtskanon ist die Darstellung auf einer Wandtafel, die nicht nur durch einen Zeitstrahl, sondern vor allem durch 50 zugeordnete Themen in Gestalt von markanten Bildern zur niederländischen Geschichte gekennzeichnet ist. »De Bosatlas van de Geschiedeniscanon« ist allerdings eine mediale Verarbeitung des niederländischen Geschichtskanons. Er reiht sich ein in eine Vielzahl von Kanonprodukten, wie Wandkarten in unterschiedlichen Größen (für das Klassenzimmer und den Hausgebrauch), Fensterund Faltkarten, Kinderbücher, Puzzle, DVDs, Liederbücher, Sticker-Hefte (als Belohnungsmaterial) und sogar ein Brettspiel.63 Während im föderalen Bildungssystem der Bundesrepublik keine verbindlichen nationalen Bildungsstandards oder ein Geschichtscurriculum existieren64, hat beispielsweise das polnische Bildungsministerium über 70 Schulcurricula zugelassen. Allerdings wird hier durchaus dasselbe Curriculum in abgewandelter Form in unterschiedlichen Schultypen eingesetzt, sodass tatsächlich etwa dreißig verschiedene Lehrpläne in drei Varianten genutzt werden. Die Mehrheit der Curricula erscheint neben sonstigen Lehrmitteln bei privaten Verlegern (z. B. Arka, Nowa Era oder Demart), wobei Sebastian Rosenbaum von einer »relativ starke[n] Präsenz von neokonservativen Autoren« ausgeht.65 Adam Zielin´ski weist darüber hinaus darauf hin, dass »[d]ie Verlage […] sich überdies mit kompletten Lernsets zum Zulassungsverfahren des Ministeriums [melden], das zumeist aus einem Lehr- und Arbeitsbuch, einem Lehrplan und einem Lehrerhandbuch besteht. Oft schreiben die Autoren eines Lehrbuches speziell einen Lehrplan für ihr Werk«66.
63 Vgl. hierzu De Canon van Nederlands – URL: http://entoen.nu/webwinkel (Stand: 15. 09. 2011, 08:30 Uhr). 64 Allerdings sei auf das vom Verband der Geschichtslehrer Deutschlands e. V. (VGD) vorgelegte Modell für »Bildungsstandards Geschichte« (Gymnasium, Jahrgangsstufe 5 – 10) ebenso hingewiesen, wie auf die Vorstöße einiger Bundesländer zur Etablierung eigener Standards bzw. Kerncurricula; Vgl. Verband der Geschichtslehrer Deutschlands (Hrsg.): Bildungsstandards Geschichte – Rahmenmodell Gymnasium 5.–10. Jahrgangsstufe. Schwalbach/Ts. 2006; Hessisches Kultusministerium (Hrsg.): Bildungsstandards und Inhaltsfelder – Das neue Kerncurriculum für Hessen. Wiesbaden 2011. 65 Rosenbaum, Sebastian: Nationale Aspekte in den gegenwärtigen polnischen GeschichtsCurricula, in: Maier, Robert (Hrsg.): Zwischen Zählebigkeit und Zerrinnen. Nationalgeschichte im Schulunterricht in Ostmitteleuropa (Studien zur Internationalen Schulbuchforschung Bd. 112) Hannover 2004, S. 26. 66 Zielin´ski, Adam: Geschichtsunterricht in der Republik Polen, in: Erdmann, Elisabeth/Maier,
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Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion in Europa
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Das bereits mit der Bildungsreform 1988 eingeführte National Curriculum in Großbritannien ist nur für England und Wales verbindlich, wobei der gerade in England bedeutende Privatschulsektor ausgeklammert bleibt. Eng verbunden mit der Einführung des National Curriculums ist die Etablierung eines gemeinsamen Abschlussprüfungssystems, das nationale (im Alter von 7, 11 und 14 Jahren) und öffentliche Prüfungen für Schüler/innen im Alter von 16 Jahren vorsieht.67 Wie auch in den Niederlanden löste die Veröffentlichung dieses nationalen Curriculums, vor allem für das Fach Geschichte, von Anfang an umfangreiche Debatten um eine staatlich autorisierte Geschichtsdeutung aus. Von der Forderung nach einer Identifikation mit dem eigenen Nationalstaat bis hin zu einer Schwerpunktsetzung auf eigenständiges Arbeiten und eine breite Themenpalette reichten hier die Positionierungen.68 Mit Bezugnahme auf das gerade für Großbritannien bedeutende Themenfeld der Dekolonisation weist Carsten Mish nicht nur auf einen Paradigmenwechsel im Umgang der Sekundarschulen in Großbritannien mit dem Themenfeld Kolonialismus und Dekolonisierung seit 1947 hin, sondern markiert bis in die jüngste Vergangenheit hinein eine Marginalisierung der Auflösung des Empires durch die curriculare Zentralisierung.69 Gerade in Großbritannien ist im Zuge der Etablierung des National Curriculums eine starke Orientierung von Lehrbüchern an den einheitlichen Unterrichtsmodulen (Primary curriculum – Key stage 1 – 2, Secondary curriculum – Key stage 3 – 4) zu beobachten, sodass die Themenauswahl der Verlage stark auf die Unterrichtseinheiten zugeschnitten sind.70 So orientieren sich auch Schulgeschichtsatlanten, wie beispielsweise der »Philip’s History Atlas«, an der im National Curriculum vorgenommen Unterscheidung von »British History« und »European and World History«.71 Hier
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Robert/Popp, Susanne (Hrsg.): Geschichtsunterricht international (Studien zur Internationalen Schulbuchforschung Bd. 117) Hannover 2006, S. 362. Vgl. Phillips, David: England und Wales, in: Döbert, Hans/Hörner, Wolfgang/von Kopp, Botho/Mitter, Wolfgang (Hrsg.): Die Schulsysteme Europas (Grundlagen der Schulpädagogik Bd. 46) Baltmannsweiler 2004, S. 115 ff. Vgl. Mish, Carsten: Die Dekolonisation des Empire in britischen Geschichtsbüchern seit 1947, in: Internationale Schulbuchforschung (2008) H. 3, S. 753. Vgl. ebenda, S. 757 ff. Dabei wurde das Empire und die damit verbundene Dekolonisierung entsprechend selten in Schulbüchern thematisiert; Mish: Die Dekolonisation des Empires in britischen Geschichtsbüchern seit 1947, S. 755. Allerdings wird gerade in den Beschreibungen der einzelnen Levels (Attainment target) die Verbindung von lokalen, nationalen und internationalen Zusammenhängen betont: »Pupils show their knowledge and understanding of local, national and international history […]«; Programme of study for key stage 3 and attainment target; Department for Education: National Curriculum 2007, S. 118. URL: www.qca.org.uk/curriculum (Stand: 25. 05. 2011, 30. 09. 2011).
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
wird zuerst »Medieval Europe« auf einer Doppelseite präsentiert, bevor »Medieval Britain« als separate Darstellung folgt.72 Die Beispiele aus den Niederlanden und Großbritannien machen deutlich, dass curriculare Rahmenbedingungen in den jeweiligen europäischen Ländern limitierende Faktoren der Geschichtsatlantenproduktion sein können, insbesondere dann, wenn keine administrativen Zulassungsverfahren für Lehrmittel greifen.
Vergangenheitsvergegenwärtigungskultur, Verlagsinteressen und »foreign editions« Neben Zulassungsverfahren und curricularen Vorgaben einzelner Länder nehmen weitere Faktoren Einfluss auf die Geschichtsatlantenproduktion. Exemplarisch sei hier vor allem auf die komplexen Forschungsfelder der Erinnerungskulturen (Vgl. Kapitel 2.3.) und die Manifestationen im Bereich der Geschichtskultur hingewiesen. Eine Rolle spielt auch die bewusste Einflussnahme durch Geschichtspolitik und eine ihr zugrunde liegenden Ideologie.73 Die »Vergangenheitsvergegenwärtigungskultur«74 und die gelenkte Vermittlung von Geschichtsbildern beeinflussen direkt oder indirekt Autor/innen, Kartograph/innen und ganze Redaktionen, die an der Herstellung von Geschichtsatlanten beteiligt sind. Vor diesem Hintergrund werden Schwerpunktsetzungen, Themenauswahl und Perspektiven erklärbar. Ferner bestimmen auch Verlagsinteressen und -traditionen den Herstellungsprozess von Geschichtsatlanten (Format, Umfang, Gliederung, Kartenauswahl, Vorstellungen von Ästhetik etc.). Als namenhafte europäische Produktionen seien an dieser Stelle exemplarisch der »Putzger Historischer Weltatlas« bzw. der »dtv-Atlas zur Weltgeschichte« für Deutschland75, Geschichtsatlanten aus dem Hause Ed. Hölzel für Österreich76, der »Bosatlas van de We72 Edmonds, Jane/ King, Jannet/Lintott, Hazel: Philip’s history atlas – 2000 years of world and british history. London 1998, S. 12 ff. 73 Stuart Foster und Keith Crawford betrachten in diesem Zusammenhang u. a. »Textbooks as Idealogical Discourses«; Foster, Stuart/Crawford, Keith: Introduction. The Critical Importance of History Textbook Research, in: Ders. (Hrsg.): What shall we tell the children? International Perspectives on School History Textbooks. Greenwich 2006, S. 4 f. 74 Pandel: Hans-Jürgen/Oswalt, Vadim: Einführung, in: Ders. (Hrsg.): Geschichtskultur. Die Anwesenheit von Vergangenheit in der Gegenwart. Schwalbach/Ts. 2009, S. 9. 75 Derzeit aktuelle Ausgaben: Bruckmüller, Ernst (Hrsg.): Putzger – historischer Weltatlas. Berlin 2011; Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner/Hergt, Manfred: dtv-Atlas Weltgeschichte: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 2010. 76 Benvenutti, Fritz/Tuschel, Manfred: Hölzel-Geschichtsatlas für die 6. bis 8. Schulstufe. Wien 1998.
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Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion in Europa
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reldgeschiedenis« für die Niederlanden77, der »Hayt Atlas d’Histoire« für Belgien78 oder der »Philips’s History Atlas«79 für Großbritannien genannt.80 Darüber hinaus haben namenhafte Autoren wie Jeremy Black, John Haywood, Georges Duby, Jaques Bertin, FranÅois Lebrun, Simon Adams, Geoffrey Barraclought, Bo Pederby, Rik Geivers oder Xavier Adams Einfluss auf die europäische Geschichtsatlantenlandschaft, zumal einige von ihnen in beratender Funktion an unterschiedlichen Werken beteiligt sind. Verlagsinteressen und die damit eng verbundenen finanziellen Erwägungen führen einerseits zum Aufbereiten bzw. zum Aktualisieren von bereits publiziertem Kartenmaterial (Persistenz von Geschichtskarten) und andererseits zu einer beträchtlichen Anzahl von internationalen Übersetzungen und Adaptionen. So bemerkt Tomasz Kamusella: »The production of detailed and topographically correct maps is an expensive business, to be realized only with the participation of several literate and numerate specialists with a sound grasp of cartographic methods and practice.«81 Ein Beispiel für transnationale Zusammenarbeit ist die norwegisch-schwedische Gemeinschaftsproduktion des »Historisk Atlas«.82 Es weist bereits das Vorwort auf eine Zusammenarbeit mit dem norwegischen Cappelens Verlag und »Liber Karto« hin: »[…] da Cappelen für den Großteil (Seite 8 – 75) verantwortlich war, während Almqvist & Wiksell und Liber Kartor den abschließenden Teil produziert haben. Cappelen war auch für die technische Produktion verantwortlich«83. Gerade Verlagskooperationen und -zusammenschlüsse sind Gründe für das meist kostengünstigere gemeinsame Verwenden und Aufbereiten von bereits bestehendem Kartenmaterial. Sowohl ganze Geschichtsatlanten, Atlasseiten als auch einzelne Karten werden variiert (z. B. durch eine andere Text-Bild-Komposition, veränderte Farbgebung etc.) oder eins zu eins durch den Verkauf von Drucklizenzen europaweit genutzt. Dabei ist nicht immer eindeutig nachvollziehbar, woher die eine oder andere Karte wirklich stammt. Als foreign edition des Times Atlas of World history kann der italienische Atlante storico mondiale84 gekennzeichnet werden, der nicht nur auf der dritten Auflage der geschichtsträchtigen Atlasproduktion ba-
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Kuipers, R. A./Van Hooff, A. J. L.: Bosatlas van de Wereldgeschiedenis, Groningen 1997. Patart, Christian: Hayt Atlas d’Histoire. Brüssel 2006. Edmonds /King /Lintott: Philip’s history atlas. Vgl. hierzu u. a. Lehn, S. 49ff; Schraut: Kartierte Nationalgeschichte, S. 62 ff. Kamusella, Tomasz: School Historical Atlases as Instruments of Nation-State-Making and Maintenance, in: Journal of Educational Media, Memory and Society Vol. 2 (2010), S. 117. 82 Valle, Kre/Pederby, Bo: Historisk Atlas, Almqvist & Wiksell, Stockholm 2001. 83 Vorwort von Almqvist & Wiksell 1995 (Übersetzung aus dem Schwedischen), Valle/Pederby : Historik Atlas, S. 3. 84 Barraclough, Geoffrey/Stone, Norman: The Times Atlas of World History. London 1993.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
siert, sondern auch über 23 zusätzliche Seiten zur italienischen Geschichte verfügt.85 Einen Sonderfall stellt die Atlasproduktion in der Tschechischen- und Slowakischen Republik dar, da hier jeweils nur ein Verlag für die Produktion von Schulgeschichtsatlanten ausgemacht werden konnte (»Kartografie Praha« und »VK¢ Harmanec«) und darüber hinaus eine enge transnationale Verbindung nachweisbar ist. So handelt es sich beispielswiese bei der slowakischen Produktion »Novovek I, Dejepisn¦ Atlasy pre zkladn¦ sˇkoly a osemrocˇn¦ Gymnzi«86 und der tschechischen Produktion »Novoveˇk I, Deˇjepisn¦ atlasy pro zkladn ˇskoly a vceleta gymnzia«87 augenscheinlich um den gleichen Atlas von Helena Mandelov. Die Karten zur Geschichte der eigenen Nation wurden je nach Land angepasst bzw. schlicht ausgetauscht. Neben dem »Times Atlas of World History«88 ist der »dtv-Weltatlas« einer der einflussreichsten Geschichtsatlanten in Europa. Er wurde nicht nur für die meisten europäischen Länder, sondern u. a. auch für Brasilien, Japan oder Taiwan übersetzt. Auch andere britische, französische oder skandinavische Produktionen, wie die von John Haywood89, Jeremy Black90, Georges Duby91, Pierre Vidal-Naquet/Jacques Bertin92 oder Bo Peterby93, sind in anderen europäischen Ländern als foreign 85 Black: Historical Atlases, S. 656. 86 Dt. Übersetzung des Titels: »Neuzeit I, Geschichtsatlas für die Grundschule und das achtjährige Gymnasium« 87 Mandelov, Helena/Jezˇkov, Dagmar : Novoveˇk I – Deˇjepisn¦ atlasy pro zkladn ˇskoly a vceleta gymnasia. Prag 1998; Mandelov, Helena: Novovek I – Dejepisn¦ Atlasy pre zkladn¦ sˇkoly a osemrocˇn¦ Gymnzi, Harmanec 1997. 88 Übersetzungen liegen hier für 12 Sprachen vor (einschließlich Chinesisch und Hebräisch); Vgl. Black: Historical Atlases, S. 656. 89 Die mehrbändige Reihe aus dem Hause Oxford University Press (Haywood, John: The Ancient World – earliest times to 1 BC – Volume 1. London 2004; Haywood, John: The Medievel World – AD 1 to 1492 – Volume 2. London 2004; Haywood, John: The age of discovery – 1492 to 1815 – Volume 3. London 2004; Haywood, John: Modern Times – 1815 to the present – Volume 4. London 2004) findet sich einbändig u. a. auf Deutsch (Haywood, John: Weltgeschichtsatlas. Köln 1999), auf Dänisch (Haywood, John: Historisk Verdensatlas. Köln 2000); auf Niederländisch (Haywood, John: Atlas Van De Wereld Geschiedenis. Köln 1999) und auf Schwedisch (Haywood, John: Historisk Världsatlas. Köln 2000). 90 Black, Jeremy : World History Atlas – Mapping the Human Journey. London 2005; dt. Ausgabe: Black, Jeremy : Atlas der Weltgeschichte. München 2010. 91 Duby, Georges: Atlas historique. Paris 2010 (Erstausgabe bereits 1987); ital. Ausgabe: Duby, Georges: Atlante storico – la storia del mondo in 335 carte. Turin 2000. 92 Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jaques: Histoire de l’humanit¦, de la Pr¦histoire la fin du XXe siÀcle. Paris 1992 (Erstausgabe 1987); ital. Ausgabe: Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jacques: Il Nouvo Atlante Storico, Zanichelli, Bologna 2007; dt. Ausgabe: Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jacques: Historischer Bild-Atlas – Daten und Fakten zur Weltgeschichte, Orbis Verlag, München 2001; US-/brit. Ausgabe: Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jacques: The Harper Atlas of world history, New York 1992; schwed. Ausgabe: Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jacques: Atlas över Mänsklighetens Historia: Frn Urtid Till Nutid. Stockholm 1991. 93 Pederby, Bo/Sandberg, Robert: Historien I Kartor, Stockholm 2005; dän. Ausgabe: Hen-
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Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion in Europa
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editions (Übersetzungen und Adaptionen) nachweisbar. Inwieweit dabei Raumund Geschichtsbilder transportiert oder gar übernommen werden, bleibt dagegen zu hinterfragen, zumal einige europäische Länder gar keine eigenen Geschichtsatlanten produzieren und somit auf Übersetzungen und Adaptionen zurückgreifen müssen.
Methodische Ansätze zur Kartenarbeit Auch wenn an dieser Stelle keine detaillierte Bestandsaufnahme des jeweiligen unterrichtsmethodischen Repertoires aller europäischen Länder erfolgen kann, so zeigt sich, dass Schüler/innen im europäischen Vergleich zu unterschiedlichen Zeitpunkten und auf unterschiedlichem Wege mit Geschichtskarten konfrontiert werden. So erfolgt beispielweise in Deutschland zwar bereits im Sachunterricht der Grundschule ein bewusster Umgang mit Karten, allerdings werden hier vornehmlich regional-geographische Karten und nur sehr selten Geschichtskarten genutzt.94 Erst mit dem Beginn der weiterführenden Schullaufbahn erfolgt dann sowohl für physische und thematische Karten im Geographieunterricht als auch für Geschichtskarten im Geschichtsunterricht eine systematische Einführung.95 In Polen hingegen wird bereits ab der vierten Klasse mit Geschichtsatlanten gearbeitet, die speziell für die zweite Bildungsetappe der polnischen Grundschule (Klasse 4 – 6) konzipiert werden.96 Auch für weiterningsen, Karsten: Historisk Atlas. Brenderup 2000; fin. Ausgabe: Pederby, Bo/Sandberg, Robert: Historian kartasto. Helsingissä 2004. 94 So sind beispielsweise dem Fachlehrplan Grundschule – Sachunterricht des Landes SachsenAnhalt für den »Raumbezogenen Bereich« im Schuljahrgang 4 folgende Kompetenzen zu entnehmen: »Räume Sachsen-Anhalts auch durch Lesen der Karte beschreiben und sich in diesen orientieren« (Inhaltskompetenz); »Objekte in die wirkliche Umgebung und in die Karte einordnen, sowie Karten Informationen entnehmen« (Teilkompetenz); Im Bereich flexibel anwendbares Grundwissen wird u. a. folgendes vermerkt: »Kompass als Orientierungshilfe«, »physischen, politischen und thematischen Karten: Legende, Maßstabsleiste, Höhenschichten«; Kultusministerium Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Fachlehrplan Grundschule. Magdeburg 2007, S. 10; Darüber hinaus wird zur Weiterentwicklung der mathematischen Kompetenz neben dem »Bauen von Modellen« auch das »Anfertigen von Kartenskizzen« empfohlen, »um Lagebeziehungen im Raum und in der Ebene […] bewusst zu erfassen«; Kultusministerium Sachsen-Anhalt: Fachlehrplan Grundschule, S. 19. 95 Den Rahmenrichtlinien Sachsen-Anhalt (Geschichte) für die Schuljahrgänge 5/6 ist beispielsweise zu entnehmen: »Geschichtskarten analysieren: Kernaussage einer Geschichtskarte durch Erkennen von Thema, dargestelltem Raum, Zeit und Legende erschließen«; Kultusministerium Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Rahmenrichtlinien Gymnasium Geschichte 5 – 12. Magdeburg 2003, S. 22. 96 Speziell für den Grundschulunterricht konzipierte Geschichtsatlanten z. B.: Piłat, Zbigniew: Atlas historyczny – szkoła podstawowa. Warschau 2004; Przybytek, Dariusz/Konopska, Beata: Atlas historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Szkoła podstawowa.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
führende Schulen wie das Gymnasium oder das Lyzeum werden neben Schulgeschichtsbüchern und Lehrplänen auch spezielle Geschichtsatlanten genutzt.97 In den 1970er Jahren war der Geschichtsatlas in der Bundesrepublik noch ein obligatorisches Lehrmittel98, sodass umfangreiche Klassensätze angeschafft wurden. Heute sind Geschichtsatlanten als »konzeptionell und gestalterisch abgestimmte Orientierungssysteme«99 mit ihren spezifischen Komplexkarten nur noch selten im Geschichtsunterricht präsent. Schließlich hat ihre Attraktivität und Bedeutung für Vermittlungskontexte im Angesicht moderner Schulgeschichtsbücher, hoher Anschaffungskosten und einer zunehmenden Verfügbarkeit digitaler Karten stark nachgelassen. Atlanten nehmen zwar aufgrund ihrer Konzeption eine besondere Funktion in historischen Lehr- und Lernkontexten ein, sie sind jedoch nicht alleiniger Träger von Geschichtskarten.100 Zwar sind Wandkarten in ihrem Gebrauch weniger flexibel, doch ist ihre »Fernwirkung«101 nicht nur im Geschichtsunterricht, sondern auch im musealen Kontext für Lokalisationsaufgaben noch immer von Bedeutung.102 Heute gelten mehr denn je Schulgeschichtsbücher als häufigste Träger von Geschichtskarten. »Zusammen mit Darstellungstexten, Bildern oder Statistiken bildet [die Geschichtskarte im Schulbuch] ein integriertes Arbeitsangebot. Allerdings tritt sie in diesem Verbund weniger als spezifische Darstellungsform in Erscheinung.«103 So bleibt zu hinterfragen, ob und inwiefern die Geschichtskarte im Schulgeschichtsbuch als Analysemedium tatsächlich eingesetzt wird oder ob sie nur auf eine lokalisierende oder gar illustrierende Funktion reduziert wird. Ferner können eigene Geschichtskarten mithilfe von Arbeitskarten (Konturkarte) und
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Warschau 1999; Gawrysiak, Jacek: Atlas Historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Szkoła Podstawowa. Warschau 2009. Geschichtsatlanten für das Gymnasium z. B.: Kurzbauer-Zaniewska, Maria/Horubała, Leokadia/Lewandowska, Krystyna: Atlas historyczny do gimnazjum. Warschau 1999; Piłat, Zbigniew/Trzcionkowski, Lech: Atlas historyczny – gimnazjum. Warschau 2004; Sikorski, Jarosław/Zaremba, Krzysztof: Atlas historyczny – gimnazjum. Breslau 2002. Geschichtsatlanten für das Lyzeum z. B.: Gawrysiak, Jacek, Atlas Historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Liceum. Warschau 2008; Olzak, Elz˙bieta: Historia – zeszyt do c´wiczen´ na mapach konturowych – Liceum. Warschau 2006 (Übungsatlas). Irmgard Hantsche weist aber darauf hin, dass allein aus dem Vorhandensein von Atlanten nicht unweigerlich auch auf Nutzungshäufigkeiten geschlossen werden kann. Vielmehr deutet der gute Erhaltungszustand vieler Exemplare sogar auf eine geringe Nutzung hin; Vgl. Hantsche: Karten im Schulgeschichtsbuch, S. 384. Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie, S. 55. Als Gründe für den vergleichsweise seltenen Einsatz im Geschichtsunterricht nennt Irmgard Hantsche u. a. auch den Nutzungsaufwand im täglichen Unterricht und die mangelhafte geschichtskartographische Ausbildung von Lehrkräften; Vgl. Hantsche: Karten im Schulgeschichtsbuch, S. 384. Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte zur Schulgeschichtskartographie, S. 49. Dennoch stellt Michael Sauer fest, dass Wandkarten im Geschichtsunterricht immer seltener genutzt werden; Vgl. Sauer : Geschichte unterrichten, S. 7. Sauer : Geschichte Unterrichten, S. 206 f.
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Die aktuelle Geschichtsatlantenlandschaft in Europa
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Kartenskizzen selbst erstellt werden. Auch Folienkarten werden als Alternative zu Wand-, Atlas- oder Schulbuchkarten verwendet – entweder als Teil vorgefertigter Folienordner oder als selbstbedruckte Overhead-Folien. Zunehmend sind es auch Digitale Karten, die als Kartenkopien (als Bestandteil von Arbeitsblättern bzw. Werkstattmaterialien) oder gar mithilfe von interaktiven Whiteboards im Geschichtsunterricht genutzt werden. Methodische Aspekte der Kartennutzung im Geschichtsunterricht und ihre Veränderungen haben entsprechend Einfluss auf die Herstellung von Geschichtsatlanten. Als Reaktion auf zurückgehende Verkaufszahlen ist beispielsweise die Konzeption von integrierten Kartenwerken für die Fächer Erdkunde/Geographie, Geschichte, Politik/Sozialkunde und Wirtschaft zu sehen.104 Digitale Karten werden nicht nur seit Jahrzehnten im Produktionsprozess von analogen Geschichtsatlanten genutzt, sondern zunehmend selbst als Produkt vermarktet. So wird mittlerweile zum herkömmlichen analogen Kartenwerk »Geschichte und Geschehen« (Klett) auch eine digitale Version mitgeliefert. Darüber hinaus ist dieser Geschichtsatlas auch als eigenständige Produktion zur Projektion an interaktiven Whiteboards konzipiert worden.105
4.3. Die aktuelle Geschichtsatlantenlandschaft in Europa 4.3.1. Methodische Vorbemerkungen Die Auswahl der Staaten für diese vergleichende Untersuchung erfolgt als systematischer Zugriff unter dem Blickwinkel Europa. Im Rahmen eines offenen Europabegriffs wird keine ausschließliche Abgrenzung hinsichtlich geographischer Grenzen oder einer stereotypen Einteilung nach Himmelsrichtungen vorgenommen. Gerade im Hinblick auf die Neuorientierung ostmitteleuropäischer Staaten in politischer wie geopolitischer Hinsicht und der Erweiterung der Europäischen Union orientiert sich die Auswahl der Länder an der geographischen Lage (a), den Staaten der Europäischen Union (b) und an der Mitgliedschaft im Europarat (c). Somit können auch Geschichtsatlanten aus Staaten, die geographisch nicht primär Europa zugeordnet werden, doch aber enge Beziehungen zu Europa aufweisen, mit betrachtet werden. Europa wird nicht als isolierter Container 104 Vgl. Jung, Dieter/Meinel, Matthias: Trio – Atlas für Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde. Braunschweig 2006; Knippert, Ulrich/Wagner, Stefan: Alexander – Kombiatlas – Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde, Wirtschaft. Gotha 2008; Lebrun, FranÅois: Atlas du monde – histoire et g¦ographie du monde – la France, l’Europe, le monde en 200 cartes. Paris 2001. 105 Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans Ulrich: Geschichte und Geschehen Atlas mit CD-ROM, Stuttgart 2009; CD-ROM: Geschichte und Geschehen – Atlas digital 2009.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
gedacht, sodass beispielsweise auch Geschichtsatlanten aus Russland und der Türkei in den Untersuchungskorpus eingehen. Ferner bleiben allerdings europäische Kleinstaaten wie San Marino, Monaco, Vatikanstaat und Lichtenstein, sowie Staaten aus denen keine eigenen geschichtskartographischen Lehrwerke bekannt sind, wie z. B. Malta, unberücksichtigt. Darüber hinaus wird auf einen bilateralen Fokus zugunsten einer multilateralen europäischen Perspektive verzichtet und große europäische Staaten werden nicht zwangsläufig kleineren vorgezogen, so wie es in anderen vergleichenden Untersuchungen beobachtbar ist. Entsprechend können Geschichtsatlanten aus folgenden Ländern in die Untersuchung einbezogen werden: Albanien, Armenien, Belgien, Bulgarien, Deutschland, Dänemark, Estland, Frankreich, Finnland, Georgien, Großbritannien, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Litauen, Lettland, Moldawien, Mazedonien, Norwegen, Niederlande, Österreich, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn und Weißrussland. Die Auswahl des Zeitraumes orientiert sich vor allem an der veränderten geopolitischen Situation in Europa und der Welt seit 1990, sodass auch für die europäische Geschichtsatlantenproduktion eine bedeutende Zäsur angenommen wird. Da schwerpunktmäßig keine diachrone-, sondern vielmehr eine synchrone Untersuchung aktueller Geschichtsatlanten angestrebt wird, werden ausschließlich Produktionen in den Untersuchungskorpus integriert, die nach 1990 erschienen sind. Zwar kann eine systematische diachrone Untersuchung der seit 1990 bis heute erschienenen Geschichtsatlanten nicht erfolgen, dennoch werden diese Aspekte in der synchronen Betrachtung nicht gänzlich außer Acht gelassen. Nach der bibliographischen Erfassung und Klassifikation von 364 Geschichtsatlanten aus 37 Ländern konnte eine Datenbank erstellt werden, die ca. 3.500 gescannten Geschichtsatlas(doppel-)seiten zum Themenfeld Kolonialismus enthält.106 Mithilfe eines auf Raum-, Zeit-, Sach-, und Darstellungsebenen basierenden Schlagwortregisters erfolgte die Analyse innerhalb des enstandenen Wissensspeichers. Ferner wurden umfangreiche Übersetzungen zu kompletten Karteninhalten (Kartenbild, Kartenlegende) und zu begleitenden Informationen (Inhaltsverzeichnisse, Bildunterschriften etc.) angefertigt. Für die Übersetzung der Geschichtskarten aus 28 Sprachen wurde ein eigens dafür entwickeltes Raster ge-
106 Der vorliegende Geschichtsatlanten-Korpus ist zwar umfassend und repräsentativ, erhebt allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
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Die aktuelle Geschichtsatlantenlandschaft in Europa
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nutzt, das die Erfassung sowohl von einzelnen Kartensegmentenals auch von Textbeiträgen auf einer Geschichtsatlas(doppel-)seite erlaubt.107 Eine Typenbildung erfolgt nicht nur anhand ausgewiesener Schulgeschichtsatlanten, sondern steht auf einer deutlich breiteren konzeptionellen Basis. Ursächlich dafür ist einerseits, dass es in einigen Ländern Europas keine speziell für den Schulgebrauch ausgewiesenen Geschichtsatlanten gibt, und andererseits, dass Geschichtsatlanten als Elemente der Geschichtskultur108 auch außerhalb des Schulunterrichts rezipiert werden. Ferner sind innerhalb der erhobenen Geschichtsatlanten 45 Adaptionen feststellbar, die einzelne Karten und ganze Atlasseiten übernommen haben. Dieses schließt auch Geschichtsatlanten ein, die als Übersetzungen in einem anderen europäischen Land erschienen sind (Global Publishing). Auch wenn dieser repräsentative Geschichtsatlantenkorpus keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, so sei doch darauf hingewiesen, dass es sich hier um einen systematischen Zugriff auf ein europäisches Bildungsmedium handelt. Um diesem Ziel gerecht zu werden, ist es im Folgenden notwendig, erstens eine generelle Unterscheidung nach ihren Zielgruppen (4.3.2.) und zweitens nach ihrem Raumbezug (4.3.3.) vorzunehmen.
4.3.2. Klassifikation von Geschichtsatlanten nach Zielgruppen Schulgeschichtsatlanten Ausgehend von einer Klassifizierung nach Zielgruppen werden im Folgenden unter Schulgeschichtsatlanten jene Geschichtsatlanten verstanden, die für instruktionale Ziele bestimmt sind. Diese wurden entweder im Rahmen staatlicher Zulassungsverfahren für den Gebrauch in Schulen als geeignet begutachtet oder dieser Anspruch wird bereits aus ihrer Konzeption ersichtlich, da sie sich beispielsweise an (nationalen) Bildungsstandards oder Curricula orientieren. Klassifikation von Schulgeschichtsatlanten in Europa a) Jahrgangs- und schulformübergreifende Geschichtsatlanten b) Geschichtsatlanten für bestimmte Jahrgangsstufen und/oder Schulformen 107 Sowohl die bibliographische Erfassung, die datenbankbasierte Verschlagwortungen der eingescannten Geschichtsatlasseiten sowie die Übersetzungsaufträge erfolgten im Rahmen des DFG-Projektes »Geschichtsatlanten in Europa« am Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik an der Justus-Liebig-Universität Gießen (2009 – 2012). 108 Hier wird auf den »Geschichtskultur-Begriff« von Hans-Jürgen Pandel Bezug genommen, der »die Art und Weise [bezeichnet], wie eine Gesellschaft mit Vergangenheit und Geschichte umgeht«; Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtskultur, in: Ders/Mayer, Ulrich/ Schneider, Gerhard/Schönemann, Bernd (Hrsg.): Wörterbuch Geschichtsdidaktik, S. 74 f.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
c) Begleithefte von Schulgeschichtsbüchern d) Kontur- bzw. Übungsatlanten e) Kombi-Atlanten (Geschichte, Geographie/Erdkunde, Politik/Sozialkunde und Wirtschaft) Schulgeschichtsatlanten haben im europäischen Vergleich allerdings sehr unterschiedliche Erscheinungsformen, sodass für Spanien, Frankreich, Belgien, Schweden, Großbritannien und Deutschland in der Regel jahrgangsübergreifende Geschichtsatlanten (a) Anwendung finden, während in Polen, Bulgarien, Litauen, Russland, der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik, Kroatien und Ungarn109 Geschichtsatlanten oftmals entlang curricularer Bestimmungen für bestimmte Jahrgangsstufen und/oder Schulformen (b) konzipiert werden. Diese meist im Format von Themenheften gebundenen Geschichtsatlanten sind mit einem Umfang von etwa 20 bis 40 Seiten für den Gebrauch im Geschichtsunterricht geradezu prädestiniert. Darüber hinaus finden sich u. a. in Italien Geschichtsatlanten, die lediglich als Begleithefte (c) von Schulgeschichtsbüchern konzipiert wurden und ausschließlich als solche verwendet werden können.110 In Russland, Polen, Litauen, Lettland und Kroatien werden außerdem Konturkarten (stumme Karten bzw. Übungskarten) in Atlanten genutzt111 (d). Die sogenannten Kombi-Atlanten (e), die in der Regel für den gemeinsamen Einsatz in den Fächern Erdkunde/Geographie und Geschichte (oft auch Wirtschaft und Politik/Sozialkunde) konzipiert wurden, enthalten meist nur wenige Geschichtskarten neben anderen thematischen und physischen Karten und
109 Z. B. Smyl, Teresa/Kobylin´ski, Szymon: Atlas historyczny – Dla klasy 4, Pol. Warschau 1998 (PL); Krasimir, Andreev : Atlas istoria 6 Klas. Sofia 2003 (BG); Lukosˇevicˇius, Liudvikas/ Sˇinku¯nas, Romualdas: Mokyklinis Lietuvos istorijos atlasas – V – X klasems. Wilna 1995 (LIT); Kolpakov, Sergej V./Ponomarev, Michail V.: Atlas Istorija Rossii XIX veka – 8 klass. Moskau 2007 (RUS); Vasˇek, Jaroslav : Atlas Sveˇtovy´ch Deˇjin 2. Dl – Strˇedoveˇk-Novoveˇk. Prag 1996 (CZ); Kanisˇki, Tomislav/Velagic´, Zoran/Samarzˇija, Zdenko: Povijesni atlas za 6. razred osnovne sˇkole, Zagreb 2006 (HR); Horvth, Andrea/Horvth, Levente Attila/Bencsik, P¦ter : Tört¦nelmi Atlasz- 5.–8. Szeged 2009 (H). 110 Z. B. De Bernardi, Alberto/Guarracino, Scipione: I tempi della storia 1 – 3. Atlante storico. Mailand 1998. 111 Z. B. Włodzimierz, Chybowski: Historia Skoła ponadgimnazjalna cz. 2 – zeszyt do c´wiczen´ na mapach konturowych wiek XVI – XIX«. Warschau 2006 (PL); Lukosˇevicˇius, Liudvikas/ Sˇinku¯nas, Romualdas: Viduriniu amzˇiu Lietuvos istorijos pratybu atlasas – VII klasei. Wilna 1994 (LIT); Madunic´, Margita: Povijest na slijepim zemjovidima – prirucˇnik za 8. razred osnovne sˇkole – Hrvatska i svijet od kraja prvogo svjetskogo rata do kraja 20. Zagreb 2006 (HR). Auch in Deutschland sind Konturkarten vor allem aus Arbeits- bzw. Übungsheften des Geographieunterrichts bekannt (meist zum Testen topographischer Kenntnisse). Allerdings finden sich Kontur-Geschichtskarten in entsprechenden Werken für den Geschichtsunterricht doch eher selten.
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stellen somit eine Besonderheit in Deutschland und Frankreich dar.112 Erklärbar wird die Produktion integrierter Kartenwerke durch die traditionelle Verquickung des Geschichtsunterrichts in einem Fächerverbund beispielswiese in Frankreich (»histoire, g¦ographie et initiation ¦conomique«113) oder durch Fachbündelungen in nicht-gymnasialen Bereichen in Deutschland (Gemeinschaftskunde).114 Durch die hier erfolgte Klassifikation von Schulgeschichtsatlanten und der damit einhergehenden konzeptionellen Unterschiede können auch Rückschlüsse auf den Gebrauch in Vermittlungskontexten und zum Stellenwert von Kartenarbeit allgemein erfolgen. So kann für die meisten westeuropäischen Länder festgehalten werden, dass Schulgeschichtsatlanten in der Regel nicht für spezielle Jahrgangsstufen oder Schulformen produziert werden, sondern lediglich flankierend zu anderen Lehrwerken eingesetzt werden (Vgl. Abbildung 1). Schulgeschichtsatlanten besitzen hier offenbar einen deutlich geringeren Stellenwert als Geschichtslehrbücher, die wiederum als »Medienmix«115 u. a. zum zentralen Träger von Geschichtskarten in Vermittlungskontexten avanciert sind. Sowohl die Untersuchung europäischer Lehrbücher hinsichtlich des verwendeten Kartenmaterials (qualitativ und quantitativ) als auch eine Befragung von Geschichtslehrer/innen und Geschichtsdidaktiker/innen im Rahmen des DFG-Projektes »Geschichtsatlanten in Europa«116 stützen diesen Befund. Auch die Zulassung und Verwendung von Kombi-Atlanten in Deutschland117 und Frankreich deuten auf eine Nutzung von Geschichtsatlanten 112 Vgl. z. B. Le Callennec, Sophie: Atlas des ¦coles – histoire, g¦ographie. Paris 2002; Michael, Thomas: Diercke Drei – Universalatlas: Erdkunde, Geschichte, Wirtschaft, Politik, Westermann, Braunschweig 2009. 113 Haubrich, Hartwig: Der Blick über die Grenzen: Aktuelle didaktische und methodische Entwicklungen im Ausland, in: Blotevogel, Hans H./Ossenbrügge, Jürgen/Wood, Gerald (Hrsg.): Lokal verankert -weltweit vernetzt. Tagungsbericht zum 52. Deutschen Geographentag in Hamburg, S. 633. 114 Vgl. Erdmann, Elisabeth/Hasberg, Wolfgang: Introduction: Mapping Diversity. Foundation of a European Discourse on History education, in: Ders. (Hrsg.): Facing-MappingBridging Diversity. Foundation of an European Discourse on History Education. Schwalbach/Ts. 2011, S. 10; Vgl. hierzu auch Tutiaux-Guillion: French Paradox: Meningful yet uncertain History Didactics, in: Erdmann/Hasberg (Hrsg.): Facing-Mapping-Bridging Diversity, S. 271 – 290. 115 Vgl. Pandel, Hans-Jürgen/Schneider, Gerhard: Einführung, in: Pandel/Schneider : Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, S. 8; Es sei in diesem Zusammenhang allerdings auf die Spezifik von Geschichtskarten im Schulbuch hingewiesen, Vgl. hierzu u. a. Hantsche, Irmgard: Karten im Schulgeschichtsbuch, in: Internationale Schulbuchforschung 19 (1997), S. 383. 116 Es handelt sich hierbei um eine nicht repräsentative Befragung im Rahmen des DFGProjekt: »Geschichtsatlanten in Europa« aus dem Jahr 2011, bei der Geschichtslehrer/innen und Geschichtsdidaktiker/innen in verschiedenen europäischen Ländern zum Geschichtskarten- und Geschichtsatlantengebrauch befragt wurden. 117 Vgl. hierzu auch Sauer: Geschichte unterrichten, S. 206.
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als eine Art universalgeschichtliches Begleitmedium hin, das im Geschichtsunterricht nur punktuell zum Einsatz kommt und sogar eine zunehmend untergeordnete Rolle spielt. Schließlich wird hier nur eine geringe Zahl von Geschichtskarten verwendet, sodass allein die sequenzielle Gliederung jener Atlanten auf eine Betrachtung von Geschichtskarten als notwendige Überbleibsel neben anderen thematischen- und physisch-geographischen Karten verweist. Auch wenn die vergleichsweise enge Vorstellung von Schulgeschichtsatlas bei Tomasz Kamusella »as a compulsory (or recommended) textbook«118 nicht geteilt werden kann und die Befunde für Westeuropa nicht immer zutreffen119, so weist er erstens auf eine massive Bedeutungskluft zwischen west- und ostmitteleuropäischen Ländern hinsichtlich des Gebrauchs von Schulgeschichtsatlanten hin. Zweitens markiert er auch den bereits beschriebenen Bedeutungsverlust von Schulgeschichtsatlanten zugunsten von Geschichtslehrbüchern und geographischen Atlanten. »Nevertheless, the genre of the school history atlas as a compulsory (or recommended) textbook is largely limited to Central and Eastern Europe. It appears that such atlases are employed in schools in Albania, Bulgaria, the Czech Republic, Estonia, Hungary, Latvia, Lithuania, Moldova, Poland, in the post-Yugoslav states, Romania, Slovakia, Turkey and Ukraine and also in Belgium and Norway. […] In Western Europe – Ireland, France, Spain, Portugal, and the United Kingdom – school history Atlases do not exist. Historical maps appear in history textbooks and sometimes in school geography atlases.«120
Zwar kann die Beobachtung geteilt werden, dass Schulgeschichtsatlanten in Ostbzw. Ostmitteleuropa einen deutlich größeren Stellenwert für Vermittlungskontexte haben als in vielen westeuropäischen Ländern, doch die Behauptung, dass es in Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Spanien etc. gar keine Geschichtsatlanten für den Schulgebrauch gäbe, ist unzutreffend. Die Annahme 118 Kamusella, Tomasz: School Historical Atlases as Instruments of Nation-State-Making and Mainten-ance, in: Journal of Educational Media, Memory and Society Vol. 2 (2010), S. 123. Eine ganz andere Vorstellung von Geschichtsatlas vertritt hingegen Irmgard Hantsche: »Ein Geschichtsatlas muß vielen Zwecken dienen; er muss nicht nur für viele Themen einsetzbar sein, sondern auch unterschiedlichen Alters- und Bildungsstufen genügen. Er begleitet seinen Besitzer im allgemeinen über viele Jahre, oft sogar Jahrzehnte, und dient ihm nach der Schulzeit häufig noch als Nachschlagewerk bei ganz unterschiedlichen Anlässen«; Hantsche: Karten im Schulgeschichtsbuch, S. 384. 119 Es existieren durchaus Schulgeschichtsatlanten in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden nach 1990; Vgl. u. a. Edmonds /King /Lintott: Philip’s history atlas; Lambin, Jean-Michel/Carton, Jean-Luc: Atlas des colleges – toutes les cartes des programmes d’histoire-g¦ographie. Paris 2000; Le Callennec, Sophie: Atlas d’histoire. Paris 2006; Vallaud, Pierre: Atlas Historique. Paris 1999; Nordhoff Atlasproducties: De Bosatlas van de Geschiedeniscanon. 120 Kamusella: School History Atlases, S. 123 f.
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von Tomasz Kamusella über das Fehlen westeuropäischen Schulgeschichtsatlanten ist allerdings ein deutlicher Beleg für die Pluralität an Vorstellungen in Europa, was einen Schulgeschichtsatlas eigentlich ausmacht bzw. ausmachen sollte. Nicht nur die Vielfalt an Publikationen, sondern vor allem die Spezialisierung der Schulgeschichtsatlanten auf Schulformen bzw. Klassenstufen und die Nähe zu entsprechenden curricularen Vorgaben und Lehrwerken sind Indikatoren für einen hohen Stellenwert als Lehrmittel. Auch der Einsatz von Kontur- bzw. Übungsatlanten ist kennzeichnend für eine hohe Bedeutung von Raumbezügen im Geschichtsunterricht. Ferner stützen auch hier die Ergebnisse der Befragung des DFG-Projektes »Geschichtsatlanten in Europa« den Rückschluss auf eine hohe Relevanz von Geschichtskarten und Schulgeschichtsatlanten für Vermittlungskontexte, vor allem in Polen, Ungarn und Russland. Während in Großbritannien nur wenige Schulgeschichtsatlanten produziert und genutzt werden, so beschreibt Tomasz Kamusella aber »the production of historical atlases of world or national history is amazingly wide, it is directed at the general and specialist consumer, not at schools.«121 Es sei aber auch auf eine fließende Grenze zwischen Schulgeschichtsatlanten und Geschichtsatlanten für »general and specialist consumer«122 hingewiesen, schließlich können letztgenannte in Vermittlungskontexten Anwendung finden oder schlicht außerhalb der Institution Schule rezipiert werden. Allgemeine Geschichtsatlanten Unter dem Anspruch (Welt-)Geschichte in Karte, Bild und Schrift darzustellen, sind oft großformatige populärwissenschaftliche Produktionen (a)123, die oftmals mit geringerer kartographischer Qualität und hoher Text- bzw. Bildlastigkeit für den Einsatz im Geschichtsunterricht gänzlich ungeeignet sind, von traditionsreichen Geschichtsatlantenproduktionen124 mit einem hohen wissenschaftlichen Standard (b) deutlich abzugrenzen. 121 Kamusella: School History Atlases, S. 124. 122 Im Folgenden wird die Bezeichnung ›Allgemeiner Geschichtsatlas‹ für diese Produktionen verwendet. Der Untersuchungsfokus lag im Rahmen des DFG-Projekts »Geschichtsatlanten in Europa« primär auf Schulgeschichtsatlanten, sodass keine systematische Erschließung ›Allgemeiner Geschichtsatlanten‹ angestrebt wurde. Dennoch kann hier, wenn auch nicht von einem vollständigen, so doch aber von einem repräsentativen Untersuchungskorpus ausgegangen werden. 123 Z. B. Konstam, Angust: Atlas der Beutezüge zur See – Piraten, Seeräuber, Freibeuter. Augsburg 1999 (Originalausgabe: Atlas of Piracy, 1999). 124 z. B. Barraclough/Stone: The Times Atlas of World History ; Black: World History Atlas; Edmonds /King /Lintott: Philip’s history atlas; Putzger, Friedrich Wilhelm/Kasper, Ralf: Putzger – Atlas und Chronik zur Weltgeschichte. Berlin 2009; Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-
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Klassifikation von allgemeinen Geschichtsatlanten a) populärwissenschaftliche Geschichtsatlanten b) Geschichtsatlanten mit hohem wissenschaftlichem Standard c) Kindergeschichtsatlanten Letztgenannte enthalten durchaus innovative Darstellungsformen und bleiben trotz ihres hohen fachwissenschaftlichen- und kartographischen Standards allgemein verständlich. Indikatoren für solche Produktionen sind oftmals die Beteiligung namenhafter Historiker/innen (je nach Themen- bzw. Epochenschwerpunkt) und eine Betreuung durch renommierte Kartograph/innen. In populärwissenschaftlichen Geschichtsatlasproduktionen hingegen wird die Rolle von Kartograph/innen zunehmend von Grafiker/innen oder Mediendesigner/innen übernommen, worunter nicht zuletzt die Kartenqualität deutlich leidet. Gerade traditionsreiche Atlasproduktionen sind in unterschiedlichen Ausgaben erschienen, sodass beispielsweise der »Putzger-Historischer Weltatlas« sowohl als Kartenausgabe speziell für den Schulgebrauch als auch aktualisiert und komplett überarbeitet in einer Chronik-Ausgabe für den allgemeinen Gebrauch vorliegt.125 Auch der aktuelle Geschichtsatlas aus dem Hause Klett-Perthes kann mit seiner Taschenbuchausgabe (Taschenatlas Weltgeschichte; Taschenatlas Deutsche Geschichte) und der einbändigen Ausgabe (Atlas zur Weltgeschichte) sowohl im Geschichtsunterricht genutzt werden als auch in außerschulischen Bereichen Anwendung finden (z. B. als Nachschlagewerk auf Reisen und zuhause).126 Unterschiedliche Ausgaben jener Atlaswerke unterscheiden sich nicht nur im Format, der Seitenzahl und dem Kaufpreis deutlich voneinander, sondern vor allem in der Anzahl der Überblicks- und Detailkarten zu den entsprechenden Themenfeldern. Einschlägige britische und französische Geschichtsatlanten, wie beispielsweise »The Times Atlas of World History« von Geoffrey Barraclough, Jeremy Blacks »World History Atlas« oder der »Grand Atlas historique« von Georges Duby, beschränken sich hingegen auf ihr traditionelles Großformat.127 »Komm mit auf eine spannende Entdeckungsreise!« – so titelt der Einband Ulrich: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte. Stuttgart 2011; Duby, Georges: Grand Atlas Historique. Paris 2008. 125 Berg, Rudolf/Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Historischer Weltatlas. Putzger (Ausgabe für Bayern). Berlin 2007; Putzger/Kasper : Putzger – Atlas und Chronik zur Weltgeschichte. 126 Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Taschenatlas Weltgeschichte. Gotha 2008; Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Taschenatlas Deutsche Geschichte. Stuttgart 2009; Oswalt /Rudolf: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte. 127 Barraclough, Geoffrey : The Times Atlas of World History. London 1997; Black: World History Atlas; Duby : Grand Atlas historique.
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von Simon Adams »Mittelalter-Atlas«128 und macht dabei die Intention von Kindergeschichtsatlanten (c) recht deutlich. Nur sehr begrenzt für eine zielgerichtete Erarbeitung oder Analyse im Geschichtsunterricht einsetzbar (Primarstufe und teilweise in Sekundarstufe I), laden die hier enthaltenen Karten, reich an farbigen Illustrationen und verkürzten Autorentexten, vor allem zum Entdecken von Geschichte (meist Personengeschichte) ein. Ob sie für den bewussten ›Erstkontakt‹ mit Geschichtskarten wirklich geeignet sind, bleibt zu bezweifeln. Durch vereinfachte, vermeintlich kindgerechte Illustrationen werden oftmals nicht nur Fakt und Fiktion eng miteinander verwoben, sondern es wird auch ein stereotypes Bild der Weltgeschichte gezeichnet. So wird in einer Karte mit dem Titel »Europa beherrscht die Welt« Mowgli, der Protagonist des Dschungelbuchs129, beispielsweise zum Stellvertreter Indiens befördert, David Livingston wirkt fast wie Sherlock Holmes auf Spurensuche in Afrika und die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn wird von Sissi grafisch repräsentiert. Gerade dieses Beispiel zeigt recht deutlich, dass Geschichtskarten stark mit stereotypen Raumvorstellungen aufgeladen sein können und diese entsprechend transportieren.130
4.3.3. Raumdimensionale Klassifikation von Geschichtsatlanten Neben der Klassifikation nach Zielgruppen ergibt eine Betrachtung nach raumdimensionalen Schwerpunkten weitere Ausprägungsformen im europäischen Vergleich. Raumdimensionale Klassifikation aktueller europäischer Geschichtsatlanten (Schwerpunkte der Raumdarstellung) a) Geschichte der eigenen Nation (nationalzentrierter Raumbezug) b) Weltgeschichte (globale Raumbezüge) c) Differierende Raumbezüge (zeitliche und/oder thematische Schwerpunktsetzung)
128 Adams, Simon: Mittelalter – Eine Zeitreise in Bildern von 500 n. Chr. bis 1450 n. Chr. Münster 2007. 129 Das Dschungelbuch geht zurück auf den britischen Autor Rudyard Kipling (1865 – 1936) und beschreibt unter anderem die Geschichte des ohne menschlichen Kontakt im indischen Dschungel aufwachsenden Mowgli (Erstausgabe: The Jungle Book, 1884/1885). 130 Blakert, Elisabeth/Albertz, Anuschka: Kinderatlas Geschichte – Menschen, Länder, Epochen. Köln 2008, S. 34 f. Im begleitenden Text wird allerdings auch auf den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn und den indischen Geburtsort des Schriftstellers Rudyard Kipling verwiesen.
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So ist neben Rumänien, Litauen, der Tschechischen Republik und Polen besonders in Russland (gemäß den curricularen Vorgaben) eine deutliche Unterteilung der Schulgeschichtsatlanten in vaterländische Geschichte und Weltgeschichte erkennbar. Der Stellenwert der Geschichte der eigenen Nation (a) gegenüber der Weltgeschichte (b) wird hier allerdings nicht nur in den eigens zur vaterländischen Geschichte (1c\Qb ocVhVbcSV^^Qp 9bc_aYp) herausgegebenen Schulgeschichtsatlanten deutlich. Allein die Titel »Atlas der umgebenden Welt« (Ac\ab ?[adWaojYZ ]Ya) oder »Russland und die Welt« (A_bbYp Y ]Ya),131 sind Anhaltpunkte für einen Blick von Russland aus auf die Welt. Dass eine solche Perspektive allerdings keine eigens russische ist, zeigen u. a. auch Beispiele aus Belgien und Großbritannien: Atlas Historique – Les grandes ¦tapes de l’Histoire du Monde et de la Belgique, Atlas van de algemene en Belgische geschiedenis und Philip’s History Atlas – 2000 years of world and british history132. Zwar ist das Verhältnis von National- und Europa- bzw. Weltkarten innerhalb dieser Atlanten deutlich ausgewogener als bei den russischen Beispielen, dennoch verweist allein der Titel auf eine nationenzentrierte Darstellung. Geschichtsatlanten in Europa können auch differierende Raumbezüge (c) enthalten, die beispielsweise aus zeitlichen bzw. thematischen Spezialisierungen resultieren. Im Rahmen historischer Längs- oder Querschnitte können so verschiedene historische Themenfelder in den Fokus genommen werden, wie beispielsweise das Britische Empire, Flucht und Vertreibung oder auch der Holocaust133. Dabei werden allerdings auch Verbindungen zwischen unterschiedlichen Räumen hergestellt, die lokale, regionale, nationale und globale Betrachtungsschwerpunkte ermöglichen134. Die thematische Fokussierung ermöglicht diesen Geschichtsatlanten ein relativ breites Anwendungsspektrum
131 Saplin, Andrej I./Saplina, Elena V.: Atlas Okruzˇajusˇcˇij mir, obsˇcˇestvo, 1 – 4 klassy. Moskau 2008; Volubuev, Oleg Vladimirovicˇ : Atlas klassy 10 – 11 – Rossija i mir. Moskau 2005. 132 Genicot, L¦opold/Georges, Jean/Bruneel, Alfred: Atlas Historique. Les grandes ¦tapes de l’Histoire du Monde et de la Belgique. Namur 2002; Hayt, Franz/Grommen, Jos/Janssen, Roger/Manet, Albert: Atlas van de algemene en Belgische geschiedenis. Wommelgem 2005; Edmonds, Jane/King, Jannet; Lintott, Hazel: Philip’s history atlas – 2000 years of world and british history. London 1998. 133 Vgl. z. B.: Gilbert, Martin: The Routledge Atlas of Jewish History, London 2006; Dalziel, Nigel: The Penguin Historical Atlas of the British Empire. London 2006; Fischer, Ferenc: A Megosztott Vilg: Tört¦nelmi-Politikai Atlasza 1941 – 1991, Budapest 1996; Dohnke, Kay : Nationalsozialismus in Norddeutschland, Europa Verlag, Hamburg 2001; Zuzief, Artur : Atlas ethnopolititschkoi istorii Kawkas 1774 – 2004. Moskau 2006; Sienkiewicz, Witold/ Hryciuk, Grzegorz: Wysiedlenia wype˛dzenia i ucieczki 1939 – 1959 – Atlas ziem Polski, Warschau 2008. 134 Ein Beispiel regionaler Fokussierung bieten u. a. Geuenich, Dieter: Atlas zur Geschichte des Niederrheins. Essen 2004; Dohnke, Kay : Nationalsozialismus in Norddeutschland. Hamburg 2001.
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von Forschung und Lehre (Schule und Universität) bis hin zum Hausgebrauch für den interessierten Laien. Um räumliche Fokussierungen für Geschichtsatlanten zu ermitteln, bedarf es neben der Einbeziehung von Atlastiteln und entsprechenden Inhaltsverzeichnissen einer weitergehenden Untersuchung zur Raumdarstellung. Hier bietet sich, in Anlehnung an die Untersuchungen von Detlef Mittag135, eine Frequenzanalyse an, die alle enthaltenen Welt-, Europa- und Nationalkarten eines Atlasses erfasst und somit Präferenzen der Raumdarstellung offenbart (vgl. Abbildung 2).136 So lässt sich für Schulgeschichtsatlanten u. a. aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Norwegen und den Niederlanden eine verhältnismäßig große Anzahl von Europakarten feststellen, woraus sich schlussfolgern lässt, dass hier die eigene Geschichte verstärkt als Teil einer europäischen wahrgenommen wird137. Die Trennung von Weltgeschichte und der der eigenen Nation in Russland, Polen u. a. erschwert allerdings die Vergleichbarkeit mit vielen westeuropäischen Schulgeschichtsatlanten. Während in Ländern wie Deutschland, den Nieder135 Mittag: Schulgeschichtsatlanten. 136 Da sich allein Schulgeschichtsatlanten in ihrer Konzeption stark voneinander unterscheiden, erfolgt die Frequenzanalyse entlang von Untersuchungskriterien, sodass lediglich Schulgeschichtsatlanten untersucht werden, die… a) …jahrgangs-/schulformspezifisch und/oder jahrgangs-/schulformunspezifisch strukturiert sind. b) …sich nicht ausschließlich auf die Darstellung der Geschichte der eigenen Nation beschränken, sondern weltgeschichtliche Bezüge enthalten (unter weltgeschichtlichen Bezügen ist an dieser Stelle allerdings nicht die schwerpunktmäßige Betrachtung von Weltgeschichte zu verstehen, sondern lediglich auch die Darstellung außereuropäischer Geschichte). Für die Frequenzanalyse wird die Anzahl der jeweiligen Nationalkarten (Karten zur Geschichte der eigenen Nation – NK), Europakarten (EK) und Weltkarten (WK), die in einem Geschichtsatlas verwendet wurden bestimmt. Als Bezugsgröße dient hier die Gesamtseitenzahl der Atlasproduktionen (pro 100 Seiten). Eine Analyse, die als Referenzgröße die gesamte Anzahl der verwendeten Karten wählte, bestätigte die Ergebnisse dieser Untersuchung. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass die Verwendung von Weltkarten beispielsweise nicht automatisch auch ein Garant für eine weltgeschichtliche Perspektive ist, sondern lediglich als Indiz dafür zu werten ist. Schließlich können sie je nach Darstellungsgegenstand sogar eine nationenzentrierte Narration unterstützen, wie beispielsweise einzelne Weltkarten zur russischen Entdeckungsgeschichte belegen; Vgl. hierzu beispielsweise Gradskova, Elena P./Samsonova, Aleksandr I.: Sˇkol’nyj atlas po istorii Rossi – s drevnejsˇich vremen do nasˇich dnej – posobie dlja ucˇasˇcˇichsja 10 – 11 klassov obsˇcˇeobrazovatel’nych ucˇrezˇdenij. Moskau 1997, S. 56 f. 137 Die Anzahl von Welt-, Europa- und Nationalkarten pro 100 Atlasseiten: Belgien (WK: 16, EK: 32,4 NK: 11,6); Deutschland (WK: 11,2 EK: 21,6 NK: 15,1), Frankreich (WK: 12,0 EK: 25,5, NK: 23,9), Spanien (WK: 9,3 EK: 29,1 NK: 24,2), Italien (WK: 10,2, EK: 33,0 NK: 14,6), Großbritannien (WK: 12,1 EK: 24,1 NK: 20,5), Norwegen (WK: 10,8 EK: 36,9 NK: 22,7), Schweden (WK: 14,3 EK: 50,3 NK: 47,9), die Niederlande (WK: 27,1 EK: 52,5 NK: 46,7); Vgl. hierzu auch Anlage 3.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
landen oder Frankreich in der Regel sowohl weltgeschichtliche als auch nationalgeschichtliche Bezüge in einem Band dargestellt werden, so lassen sich in Russland beispielsweise Schulgeschichtsatlanten in Form von separaten Themenhefte zur russischen Geschichte (1c\Qb 9bc_aYp A_bbYY) und zur Weltgeschichte (Ac\ab ?[adWaojYZ ]Ya) ausmachen. Diese sind wiederum nicht nur jahrgangsspezifisch unterteilt, sondern weisen oftmals auch eine zeitliche Eingrenzung auf. Dennoch kann für jene russischen Produktionen, die eine weltgeschichtliche Orientierung aufweisen, festgestellt werden, dass auch hier die Zahl der Europakarten überdurchschnittlich hoch ist.138 Zurückzuführen ist dies nicht nur auf eine umfangreiche Thematisierung des großen vaterländischen Krieges im europäischen Kontext, sondern auch auf die Konzeption dieser weltgeschichtlich orientierten Atlanten, wodurch die russische Geschichte mit starken und integrativen Bezügen zur gesamteuropäischen betrachtet wird. In Polen zeigt sich ein anderes Bild – hier fällt besonders der überdurchschnittlich hohe Anteil von Karten zur eigenen Geschichte auf.139 Obwohl seit der Schulreform in Polen 1999/2000 für das ersten Jahr des Gymnasiums eine europäische bzw. weltgeschichtliche Perspektive gegenüber der »traditionell stark vertretene[n] polnische[n] Landesgeschichte«140 verankert wurde, lässt sich dies in Schulgeschichtsatlanten, die speziell für das polnische Gymnasium entwickelt wurden, nur bedingt erkennen. Vielmehr ist der Anteil von Geschichtskarten zur nationalen Geschichte im Vergleich europäischer Schulgeschichtsatlanten in Polen signifikant hoch und der Anteil an Weltkarten eher gering. Ein vergleichbares Bild zeigt sich auch in kroatischen und ungarischen Schulgeschichtsatlanten.141 In der Tschechischen Republik, Bulgarien, der Slowakischen Republik und Litauen weist der verhältnismäßig hohe Anteil an Europakarten hingegen darauf hin, dass die eigene (nationale) Geschichte in den Kontext einer gesamteuropäischen Betrachtung eingebettet wird. In westeuropäischen Schulgeschichtsatlanten überwiegt zwar die Zahl der verwendeten Europakarten deutlich, doch belegt die relativ hohe Anzahl der verwendeten Nationalkarten auch in Ländern 138 Die Anzahl von Europakarten pro 100 Atlasseiten in russischen Schulgeschichtsatlanten beträgt 21,3 (im Gegensatz zu Weltkarten mit 7,8 und Karten zur Geschichte der eigenen Nation mit 5,5). 139 Während die Anzahl von Europakarten pro 100 Atlasseiten in polnischen Schulgeschichtsatlanten bei 30,2 liegt, so sind Karten zur eigenen Geschichte mit einem Wert von 49,5 besonders häufig vertreten. Mit 7,2 liegen Weltkarten hingegen weit hinter Europaund Nationalkarten; Vgl. hierzu auch Anlage 2. 140 Rosenbaum, Sebastian: Nationale Aspekte in den gegenwärtigen polnischen GeschichtsSchulcurricula, in: Maier, Robert (Hrsg.): Zwischen Zählebigkeit und Zerrinnen. Nationalgeschichte im Schulunterricht in Ostmitteleuropa, Hannover 2004, S. 25 f. 141 Die Anzahl von Welt-, Europa- und Nationalkarten pro 100 Atlasseiten: Kroatien (WK: 8,9 EK: 23,0 NK: 31,0) und Ungarn (WK: 19,9 EK: 44,3 NK: 53,1).
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Europäische Geschichtsatlanten und Multimodalität
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wie Spanien, Frankreich, Schweden oder den Niederlanden, dass die Geschichte der eigenen Nation noch immer deutlichen Vorrang vor welt- bzw. globalgeschichtlichen Betrachtungen hat.142 Demzufolge kann zwar von einem annähernd gemeinsamen westeuropäischen Raumbezug gesprochen werden, doch zeigt sich weder für die postsowjetischen Staaten noch für den gesamten Raum Ostmittel- bzw. Osteuropas ein homogenes Bild einer nationalzentrierten Raumfokussierung. Wenn allein die Verwendung von Weltkarten als Indiz für eine weltgeschichtliche Perspektive verstanden wird, so kann im Umkehrschluss eine deutliche Dominanz europäischer und meist auch nationaler Betrachtungen in europäischen Schulgeschichtsatlanten festgestellt werden. Lediglich der nicht für den Schulgebrauch vorgesehene »World History Atlas«143 von Jeremy Black, der mit insgesamt 55 Weltkarten die Anzahl der enthaltenen Europakarten (47) übertrifft und auf Inselkarten zur britischen Geschichte gänzlich verzichtet, kann als Ausnahme markiert werden. Durch eine hohe Zahl von Europadarstellungen und Karten zur Geschichte der eigenen Nation kann in einem Geschichtsatlas eine vorwiegend global- und weltgeschichtliche Perspektive weitgehend ausgeschlossen werden. Andererseits gibt allein die quantitative Bestimmung der verwendeten Weltkarte keine Auskunft darüber, ob ein Geschichtsatlas in seiner Konzeption über den eurozentristischen Tellerrand blickt und dabei Verflechtungsgeschichte fokussiert oder beispielsweise in der Tradition nationalgeschichtlicher Darstellungen verankert ist. Die Wahl des dargestellten Raumes (Maßstab) hat schließlich nicht zwingenden Einfluss auf die raumdimensionale Positionierung kartierter Geschichte. Umso bedeutender werden also Kartenanalysen, die sich gezielt der Frage nach der Darstellung von Globalgeschichte in Geschichtskarten zuwenden (vgl. Kapitel 5.3.).
4.4. Europäische Geschichtsatlanten und Multimodalität »One polemical claim of Picture Theory is that the interaction of pictures and text is constitutive of representation as such: all media are mixed media, and all representations are heterogeneous; there are no ›purely‹ visual or verbal arts, though the impulse to purify media is one of the central utopian gestures of modernism«144
Auch wenn die Vorstellung Mitchells von »interaction of pictures and text« und insbesondere sein Interaktionsbegriff in diesem Kontext keine Anwendung 142 Vgl. Anlage 3. 143 Black: World History Atlas. 144 Mitchell: Picture Theory, S. 5.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
findet145, so lässt sich aus seiner Feststellung für das Medium Geschichtsatlas ein wesentlicher Aspekt ableiten – nämlich dessen mediale Heterogenität. Obwohl es oftmals den Anschein hat, als würden sich Schulgeschichtsatlanten als mediale Gesamtkomposition dem zentralen Lehrmittel Schulgeschichtsbuch annähern, so kann im Angesicht eines iconic turns146 von einer Verschmelzung beider Medienträger keine Rede sein. Zwar werden auch in Schulgeschichtsatlanten zunehmend Bilder und Texte genutzt, doch bleibt hier die Karte noch immer das zentrale Leitmedium. Ferner spielen Arbeitsfragen, bis auf die Verwendung in Übungsatlanten, in Schulgeschichtsatlanten kaum eine Rolle. Eine Untersuchung der einzelnen Module147 in europäischen Geschichtsatlanten ergab folgende Befunde (Abbildung 3). Erstens finden sich unter europäischen Geschichtsatlanten verhältnismäßig wenige Produktionen, die gänzlich auf die Verwendung von Fließtexten und visuellem Material verzichten – allerdings sind es deutlich mehr Schulgeschichtsatlanten, die als reine Kartendarstellungen erschienen sind. Der europäische Vergleich offenbart deutliche Unterschiede – während in Ländern wie Litauen, Lettland, Rumänien, Türkei und Belgien ein vergleichsweise hoher Anteil an reinen Kartendarstellungen feststellbar ist, so werden u. a. für Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kroatien, Polen, Russland, die Tschechische Republik und Ungarn deutlich weniger solcher Kartenwerke produziert.148 Erklärbar wird der Verzicht auf Fließtexte und visuelles Material in vielen Schulgeschichtsatlanten vor allem durch die veränderte Zielgruppe. In Vermittlungskontexten können Karten schließlich durch eine entsprechend didaktisch-methodisch Aufbereitung nicht nur in historische Kontexte eingeordnet werden, sondern auch gezielte Analysen und Kartenvergleiche sind so möglich. Der interessierte Laie hingegen, der zuhause in einem allgemeinen Geschichtsatlas stöbert, ist auf das eigene Wissen und seine Fähigkeiten zur Wissensgenerierung angewiesen, sodass eine Kontextualisierung des Karten145 Interaktion wird hier vielmehr in einem sozialwissenschaftlichen Verständnis als ein gegenseitiges Beeinflussen verstanden, wobei Bilder und Texte selbst keine handelnde Akteure sind, sondern ausschließlich Nutzer/innen eine Beziehung zwischen den unterschiedlichen Modulen herstellen und sie sinnstiftend miteinander in Verbindung setzt. Vgl. Haack, Johannes: Interaktivität als Kennzeichen von Multimedia und Hypermedia, in: Issing/Klimsa (Hrsg.): Information und Lernen mit Multimedia und Internet, S. 127 – 138. 146 Vgl. hierzu Bachmann-Medick: Cultural turns, S. 329 ff.. 147 Vgl. Hans Jürgen Pandel spricht im Kontext von Geschichtsbüchern auch von Elementen; Pandel: Was macht ein Schulbuch zu einem Geschichtsbuch, S. 18. 148 Anteil von Geschichtsatlanten mit reinen Kartenproduktionen: Belgien (5 von 8); Litauen (7 von 16); Lettland (4 von 8); Rumänien (6 von 8), Türkei (3 von 4); Deutschland (4 von 31); Frankreich (1 von 14); Großbritannien (5 von 39); Kroatien (2 von 14); Polen (6 von 41); Russland (9 von 51); Tschechische Republik (2 von 10); Ungarn (2 von 11).
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materials notwendig erscheint. Die hohe Textlastigkeit in allgemeinen Geschichtsatlanten wird so erklärbar (Fließtexte). Zweitens unterscheidet sich die Verwendung von Bildquellen und sonstigen Grafiken in Schulgeschichtsatlanten deutlich von der in allgemeinen Geschichtsatlanten. Während vor allem populärwissenschaftliche Produktionen mit der opulenten Darbietung von Bildquellen und sonstigen Grafiken potentielle Leserschaften für sich gewinnen wollen (Eye-Catcher), beschränken sich Schulgeschichtsatlanten häufig nur auf Grafiken. Vor allem teure Bildrechte und das Vorhandensein in Geschichtsbüchern lässt Schulgeschichtsatlanten auf die Präsentation von Bildquellen oftmals verzichten und nach Alternativen suchen (Vgl. Kapitel 4.4.2.). Vielmehr werden gerade im Zuge einer elementarisierten Darstellung und der Vermeidung bildrechtlichen Fragen historische Bilder, wie beispielsweise die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches von Anton von Werner (1871) oder die Ankunft Kolumbus in der Neuen Welt von Theodor de Bry (1594), grafisch umgesetzt oder gar als Versatzstücke auf einer Atlasseite platziert.149 Auch Illusionsbilder150 finden Anwendung (vor allem in Schulgeschichtsatlanten für die Primar- und Sekundarstufe I), die Hans-Jürgen Pandel für den Bereich Geschichtsbuch als »spekulativ« und »anachronistisch« brandmarkt, da sie einerseits »Ausdruck der spekulativen Phantasie mittelmäßiger Verlagsgrafiker sind« und andererseits »die visuelle Handschrift der Gegenwart und nicht der jeweiligen Epoche tragen«.151 Grafische Umsetzungen von historischen Bildern und/oder rein fiktive Illusionsbilder werden besonders häufig in Geschichtsatlanten aus Deutschland, Großbritannien, Kroatien, Polen, Russland, der Tschechischen Republik und Ungarn genutzt.152 Da Grafiker/innen versuchen, sowohl historische Ereignisse als auch Personen aus ihrer heutigen Perspektive grafisch nachzuempfinden, bedienen sie aber bewusst oder unbewusst eine Vielzahl von Vorurteilen und Stereotypen. So werden Betrachter/innen beispielsweise nur mit dem Entdecker, 149 Vgl. Ýrpd, Papp-Vry : K¦pes tört¦nelmi atlasz. Budapest 2006, S. 30; Mandelov, Helena: Novovek I – Dejepisn¦ Atlasy pre zkladn¦ sˇkoly a osemrocˇn¦ Gymnzi. Harmanec 1997, S. 17. 150 Vgl. hierzu beispielsweise Mandelov, Helena/Jezˇkov, Dagmar : Novoveˇk I – Deˇjepisn¦ atlasy pro zkladn ˇskoly a vceleta gymnasia. Prag 1998, S. 16; Sikorski, Jarosław/Zaremba, Krzysztof: Atlas historyczny – gimnazjum. Breslau 2002, S. 32; Worsnop, I. R.: A first history atlas – the past maps, stories and pictures. Huddersfield 1996, S. 14; Reis, Antûnio do Carmo: Atlas de histûria de Portugal. Porto 1997, S. 46; Fernndez, Esther – Carriûn: Atlas Histûrico. Madrid 2002, S. 109. 151 Pandel: Was macht ein Schulbuch zum Geschichtsbuch, S. 25. 152 Anteil der Geschichtsatlanten mit sonstigen Grafiken: Deutschland (20 von 31); Großbritannien (24 von 39); Kroatien (9 von 14); Polen (23 von 41); Russland (40 von 51); Tschechische Republik (8 von 10); Ungarn (8 von 11).
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dem Sklaven, dem Freiheitskämpfer oder dem heldenhaften Soldaten konfrontiert, die allesamt weder Namen noch eine eigene Geschichte haben, sondern lediglich grafische Phantasieprodukte darstellen. Doch sei darauf hingewiesen, dass für Bildquellen und für sonstige grafischzeichnerische Bestandteile unterschiedliche Interpretationsstrategien benötigt werden. Umso fataler wird es, wenn die Grenzen zwischen Bildquellen und Illustrationen, besonders in Lehrmitteln, zu verschwimmen beginnen.153 Drittens finden zwar Statistiken etwa im gleichen Umfang Anwendung, doch nutzen allgemeine Geschichtsatlanten Zeitleisten deutlich häufiger als Schulgeschichtsatlanten. Allerdings zeigt der Ländervergleich, dass Geschichtsatlanten aus nur sehr wenigen Ländern diese überhaupt verwenden. Hier sind vor allem deutsche-, britische- und russische Produktionen zu nennen, die sich in signifikantem Umfang einer »räumlich-anschauliche[n] Umsetzung des abstrakten historischen Zeitverlaufs« bedienen.154 Ferner werden paratextuelle Elemente wie Farbgliederungen zur epochenspezifischen Einteilung oder Icons als Orientierungssysteme verhältnismäßig selten verwendet.155 Neben den massiven Unterschieden im medialen Gebrauch zwischen Schulgeschichtsatlanten und allgemeinen Geschichtsatlanten kann auch festgehalten werden, dass die verwendeten Module (Karte, Bildquelle, Text etc.) nicht nur eigene Funktionen innehaben, sondern auch in einem besonderen Kommunikationszusammenhang zueinander stehen. Zwar können die Bezüge zwischen den nichtkartographischen Modulen eines Geschichtsatlas nicht vollkommen außer Acht gelassen werden, doch sind im Folgenden verstärkt die Bezüge zum zentralen Medium Geschichtskarte zu hinterfragen.
4.4.1. Kartensequenzen als Gliederungsprinzipien Während Geschichtslehrbücher in der Regel didaktisch reduzierte und auf den jeweiligen Darstellungskontext zugeschnittene Einzelkarten und nur sehr selten Kartenfolgen präsentieren, so sind Schulgeschichtsatlanten hingegen in der Lage, umfangreiche und komplexe Kartensequenzen bereitzustellen. Die Geschichtskarte wird im Geschichtsbuch oftmals für ein ganz bestimmtes Thema bzw. für einen besonderen Schwerpunkt konzipiert und erfüllt dabei durchaus 153 Vgl. Pandel: Bildinterpretation – Zum Stand der geschichtsdidaktischen Bildinterpretation, S. 71 f. 154 Sauer, Michael: Die Zeitleiste, in: Pandel/Schneider (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, S. 197 (197 – 210). Anteil der Geschichtsatlanten mit der Darstellung von Zeitleisten: Deutschland (15 von 31); Großbritannien (13 von 39) und Russland (10 von 51). 155 Bis auf sehr wenige Atlanten in anderen Ländern, sind es vor allem deutsche- und belgische Geschichtsatlanten, die entsprechende Orientierungssysteme nutzen.
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eine Lokalisationsfunktion für die im Text benannten Orte. Karten in Schulgeschichtsatlanten können darüberhinaus für die Analyse komplexer Fragestellungen herangezogen werden, die eine didaktische reduzierte Schulbuchkarte nicht leisten kann (Analysemedium). In europäischen Geschichtsatlanten sind in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Präsentationsmodi auszumachen, die auch in Kombination auftreten können. Erstens ist die diachrone Kartensequenz der wohl am häufigsten gebrauchte Modus in europäischen Geschichtsatlanten. Hier werden historische Längsschnitte ermöglicht, die zeitdifferente Ereignisse bzw. Prozesse im Raum thematisieren und beispielsweise territoriale Veränderungen sichtbar werden lassen (Differenz zwischen Territorium und Raum). Das prozessuale Moment der Geschichte wird betont als ein »Nacheinander von Zuständen und Situationen, die durch Ursache-Wirkungs-, aber auch Bedingungs-Beziehungen miteinander verknüpft sind.«156 Während der Raumausschnitt konstant bleibt, können so durch unterschiedliche Zeitebenen räumliche Veränderungen dargestellt und somit auch Aussagen über Dauer und Wandel getroffen werden. Komplexe Prozesse und Entwicklungen, wie beispielsweise die Herausbildung des Britischen Empires, der »Scramble for Africa«157 oder die Geschichte globaler Migrationsbewegungen, werden so in ihrer räumlichen Dimension vergleichsweise schnell nachvollziehbar und können sogar mit einem entsprechenden Gegenwartsbezug präsentiert werden. Zweitens sei die synchrone Kartensequenz zu nennen, die zwar einen festen Zeitraum umfasst, jedoch unterschiedliche Raumausschnitte fokussiert. Während in der Regel ein bis zwei Hauptkarten die Aufmerksamkeit des Betrachters bündeln, so werden in europäischen Geschichtsatlanten zusätzliche Detailkarten mit unterschiedlichem Maßstab, Zentrierung und Projektion zur Präsentation von historischen Querschnitten genutzt. Ein multiperspektivischer Blick auf Geschichte wird so unterstützt, da jene Momentaufnahmen die »vielschichtige Verflochtenheit des Gleichzeitigen«158 zutage fördern. Auf der Doppelseite eines belgischen Geschichtsatlasses finden sich beispielsweise nicht nur eine Europakarte zum Westfälischen Frieden (1648) und der Ausbreitung des Protestantismus (16. bis 17. Jahrhundert), sondern auch eine Weltkarte der kolonialen Gebietsansprüche um 1650 und entsprechende Detailkarten zur Karibik (16. bis 17. Jahrhundert) und Nordamerika (17. Jahrhundert).159 Das sinnbildende Verknüpfen dieser Detail- und Hauptkarten (räumlich und inhaltlich) ist aller156 157 158 159
Rohlfes: Geschichte und ihre Didaktik, S. 48 f. Pakenham, Thomas: The Scramble for Africa 1876 – 1912. London 2001. Rohlfes: Geschichte und ihre Didaktik, S. 48. Adams, Xavier: Historische Atlas. Wommelgem 2005, S. 36 f.
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dings ein wesentlicher Schritt, den Betrachter/innen selbst vollziehen müssen, um die narrativen Strukturen herzustellen. Diachrone und synchrone Kartensequenzen finden sich in europäischen Geschichtsatlanten nur selten getrennt voneinander. Ergänzend zu diesen beiden Modi der Kartensequenzierung in europäischen Geschichtsatlanten lassen sich drittens auch thematische und räumliche Kartensequenzen ausmachen. Gerade in Schulgeschichtsatlanten, die sich eng an curricularen Bestimmungen orientieren oder mit Lehrbüchern korrespondieren, werden häufig Themenfelder scheinbar aneinandergereiht, ohne dass diese augenscheinlich in einen gemeinsamen Sinnzusammenhang einzuordnen sind. So können narrativen Leerstellen entstehen, die es beispielsweise im Geschichtsunterricht aufzulösen gilt. Eine räumliche Sequenzierung findet sich vor allem in britischen allgemeinen Geschichtsatlanten, wie »The Cassel Atlas of the 19th Century World« von John Haywood, da diese oftmals eine konzeptionelle Gliederung nach Weltkarten und der Betrachtung einzelner Kontinente praktizieren.160
4.4.2. Geschichtskarten und die Vielfalt bildhafter Elemente Geschichtsatlanten können eine ganze Reihe von historischen Bildquellen und sonstigen bildhaften Elementen vor, nach, über, unter, neben oder sogar in Geschichtskarten abbilden. Dabei sind zwei zentrale Modi in europäischen Geschichtsatlanten auszumachen. Erstens werden Bilder und bildhafte Elemente abgebildet, deren Gegenstand entweder einen direkten oder zumindest einen indirekten Bezug zu verwendeten Geschichtskarten herstellen. Während die Fahrten des Kolumbus im Kartenbild beispielsweise kartiert und benannt werden, ist daneben ein Portrait ggf. sogar mit kurzen biographischen Angaben zu finden. Bilder und bildhafte Elemente werden so allerdings auf ihre einfachste Funktion beschränkt – die schlichte Illustration des Kartenbildes, sodass nicht das Bild als Quelle, sondern der kartierte Gegenstand im Fokus steht. Zweitens dienen Bilder und bildhafte Elemente auch dazu, Informationen über das Kartenbild hinaus bereitzustellen, sodass beispielsweise im Rahmen der europäischen Staatenbildung im 19. Jahrhundert ein Portrait Wilhelm II. mit der Bildunterschrift »Kaiser Wilhelm II was determined to establish Germany as Europe’s leading military power«161 abgebildet wird. Hier handelt es sich nicht 160 Vgl. hierzu beispielsweise Haywood, John: The Cassell Atlas of the 19th Century World; 1783 – 1914. London 1998. 161 Black: World History Atlas, S. 94.
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einfach um eine Illustration, sondern die Person wird an dieser Stelle als Bedeutungsträger des kartierten Geschehens benannt. Als oft verwendete Bildgattung in europäischen Geschichtsatlanten können vor allem Portraits von Herrschern, Helden und Eroberern, aber auch vergleichbare Abbildungen von Beherrschten ausgemacht werden. Neben den Herrscherportraits von Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941) oder Königin Victoria (1819 – 1901) sind aber auch Feldherren, Entdecker, Freiheitskämpfer und Eroberer gern genutzte Motive.162 Aber spätestens wenn Grafiker/innen versuchen, in Kinderatlanten oder Schulgeschichtsatlanten (Primar- und Sekundarstufe I) den Soldaten, den Arbeiter, den Römer, den Afrikaner oder den Indianer abzubilden, wird nicht nur auf zahlreiche Klischees und Vorurteile zurückgegriffen, sondern es werden durchaus auch rassistische Stereotype bedient. Es scheint fast so, als sei gerade Personengeschichte auf diese Art vielerorts durchaus wieder salonfähig geworden (vgl. Kapitel 5.2.). Doch gerade jene Bilder und bildhafte Elemente sind »hochgradig kulturell und historisch codiert«163. So geben sie neben der Perspektive des Autors lediglich Aufschluss über die Zeit, in der sie entstanden sind. Außerdem sind auch nationalspezifische Bedeutungen von besonderem Interesse, wie Susanne Popp am Beispiel der Fotografie »Hissen der Sowjetflagge« deutlich macht.164 Ferner kann gerade im Hinblick auf Vermittlungskontexte eine einstige »Medienikone«165 relativ schnell zu einem schlichten Bild unter vielen werden. Neben der Abbildung von Personen mittels Portraits enthalten Geschichtsatlanten auch Bilder und bildhafte Elemente, die Ereignis- und Sozialgeschichte präsentieren. Konkrete Ereignisse wie die Landung Christoph Kolumbus in der Neuen Welt am 12. Oktober 1492, der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789, das Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914 oder gar der Einmarsch von Wehrmachtsverbänden in Paris am 14. Juni 1940166 werden durch die Abbildung von Kupferstichen, Gemälden oder Fotografien als historische Momentaufnahmen in Geschichtsatlanten platziert, jedoch ohne ihre Entstehungskontexte näher zu fokussieren und ihren Quellencharakter zu betonen. Besonders Illusionsbilder präsentieren fiktive Szenen der Geschichte, sodass beispielsweise der Sklavenhandel oder die koloniale Herrschaft grafisch umgesetzt werden und meist nur 162 Vgl. hierzu beispielsweise Piłat/Trzcionkowski: Atlas historyczny, S. 80 f; Barratt, Edward/ Catchpole, Brian/Haywood, John: The Cassel Atlas of World history : The Modern World 1783 – 2000: Volume Three. London 2000, S. 45; Albertz, Anuschka/Blakert, Elisabeth: Kinderatlas Geschichte; Menschen, Länder, Epochen. Köln 2008, S. 34 f. 163 Pandel: Bildinterpretation – Zum Stand der geschichtsdidaktischen Bildinterpretation, S. 75. 164 Vgl. Popp: Europaweit gemeinsame Bilder, S. 232. 165 Vgl. Paul: Visual History, S. 244. 166 Ýrpd: K¦pes tört¦nelmi atlasz, S. 37.
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als mäßig geglückte Platzhalter für breite historische Themenfelder fungieren und zahlreiche koloniale Stereotype bedienen.167 Neben der Darstellung von Personen und Ereignissen sind aber auch Bauwerke bzw. gegenständliche Quellen und ›Raumbilder‹ in europäischen Geschichtsatlanten beliebte Motive. So werden beispielsweise aktuelle Fotografien der Inkastadt Machu Picchu168 als eine Art ›Kulturbeleg‹ verwendet. Neben Geschichtskarten lassen diese Fotografien allerdings keinen Blick in die präkolumbianische Zeit zu, sondern zeigen lediglich einen Raumausschnitt der aktuellen Ruinenstadt. Schließlich ergibt sich für den Betrachter/die Betrachterin so eine zeitliche Inkongruenz zwischen Fotografie und Geschichtskarte, die auch der Text nur schwer überbrücken kann.169 Über die Intention dieser Bildverwendung, von finanziellen Erwägungen bis hin zur bewussten Herstellung von Gegenwartsbezügen, kann allerdings meist nur spekuliert werden. Umso bedeutender ist für den Betrachter/die Betrachterin die Fähigkeit zur Entschlüsselung dieser inkongruenten Gesamtkomposition, da sonst das Raumund Geschichtsbild massiv beeinflusst werden kann. Besonders aktuelle Fotografien von scheinbar unberührten Amazonasregenwäldern forcieren schließlich erst den kolonialen Blick auf die Welt als unberührt und menschenleer, quasi bereit zur Besiedelung und Ausbeutung durch die Europäer. So besteht die Gefahr, dass Geschichtskarten in ein Szenario voll verklärter Kolonialromantik gerückt werden und ihre Aussagen verfälscht werden.
4.4.3. Geschichtskarten und Texte – Komplementarität und Inkongruenz Während textuelle Elemente bereits im Kartenbild präsent sind und notwendige Funktionen übernehmen, so finden sich auch außerhalb der Geschichtskarte Texte, die sie umgeben und unterschiedliche Funktionen einnehmen können. 167 Besonders Geschichtsatlanten aus Ungarn und der Tschechischen- bzw. der Slowakischen Republik nutzen verhältnismäßig häufig jene fiktiven Grafiken; Vgl. beispielsweise Ýrpd, Papp-Vry : K¦pes tört¦nelmi atlasz. Budapest 2006; Horvth, Andrea/Horvth, Levente Attila/Bencsik, P¦ter: Tört¦nelmi Atlasz- 5.–8. osztlyosok szmra. Szeged 2009; Klmov, Eva: Sˇkoln atlas cˇesky´ch deˇjin – atlas pro zkladn sˇkoly a vcelet gymnasia. Prag 2006; Mandelov, Helena/Jezˇkov, Dagmar : Deˇjiny 20. Stolet – deˇjepisn¦ atlasy pro zkladn sˇkoly a vceleta gymnasia. Prag 2002; Mandelov, Helena: Stredovek – Dejepisn¦ Atlasy pre zkladn¦ ˇskoly a osemrocˇn¦ Gymnzi. Harmanec 1997. 168 Vgl. Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jacques: Atlas över Mänsklighetens Historia: Frn Urtid Till Nutid. Stockholm 1991, S. 13. 169 Vgl. hierzu auch »die neuenglischen Wälder« oder »die Kamelherde aus dem 16. Jahrhundert«, Haywood, John: The age of discovery – 1492 to 1815 – Volume 3. London 2004, S. 18 f. und 52 f.
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Als knappe Erläuterungen von Karten, Bildern und sonstigem visuellem Material finden sie ebenso Anwendung in Gestalt von mehr oder weniger umfangreichen Fließtexten. Wie Verfassertexte in Schulbüchern entstehen diese auch in Geschichtsatlanten »durch Transformation von Historiographie«170. Doch haben speziell Fließtexte, aufgrund veränderter Rezeptionsgewohnheiten der Nutzer/innen, erst seit wenigen Jahrzehnten verstärkt Eingang in die Atlantenproduktion gefunden. Während das zweidimensionale Medium Karte oftmals »eine scheinbar ›alternativlose Geschichte‹«171 präsentiert, bieten Texte hingegen die Möglichkeit zur »lineare[n] Schilderung diachroner Verläufe in der Zeit«. Ferner ist der Text in der Lage, »Deutungen, Einordnungen in den Kontext einer Epoche und die Erläuterung von Kausalitäten und historischen Alternativen zu leisten«.172 In europäischen Geschichtsatlanten lassen sich demnach folgende Modi im Verhältnis von Karte und Text ausmachen. Erstens werden Texte als Kommentare oder Erläuterungen zum Kartenbild verwendet, wodurch die Karte in den Gesamtzusammenhang eingeordnet wird oder eine Kurzbeschreibung des Dargestellten erfolgt (komplementäre Komposition).173 Das begrenzte Platzangebot des Textes führt allerdings dazu, dass komplexe Ereignisse und Prozesse zu Zweizeilern komprimiert werden oder diese Aufgabe gar nur einem ausführlichen Kartentitel überlassen wird. Nur selten findet sich dabei eine ausführliche Übersetzung der Karteninhalte in Sprache. Zweitens dient der Text in europäischen Geschichtsatlanten auch als eine Art allgemeine Epochen- oder Personencharakteristik, ohne allerdings dabei explizit auf das in der Karte Dargestellte einzugehen (inkongruente Komposition).174 Hierbei handelt es sich vor allem in Schulgeschichtsatlanten häufig um sehr komprimierte Darstellungen, die oftmals keinen direkten Bezug zur Karte herstellen. Die Herstellung von Bezügen zwischen diesen allgemeinen Kurztexten und den Karteninhalten obliegt somit oftmals allein dem Nutzer/der Nutzerin jener Geschichtsatlanten. Drittens wird der Text, vor allem in populärwissenschaftlichen Geschichtsatlanten, als dominierendes Medium genutzt. Von der Text-Bild-Komposition bestimmt,175 kommt der Geschichtskarte hier lediglich eine ergänzende Rolle zu, 170 171 172 173
Pandel: Was macht ein Schulbuch zum Geschichtsbuch, S. 20. Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 38 f. Ebenda, S. 38 f. Vgl. hierzu beispielsweise Barraclough, Geoffrey/Stone, Norman: The Times Atlas of World History, Times Books Limited, London 1993, S. 172. 174 Vgl. ebenda, S. 66 f. 175 Die von Susanne Popp in aktuellen Geschichtsschulbüchern festgestellte »stetig wachsende Tendenz zu immer opulenteren Illustrationen« trifft auf Schulgeschichtsatlanten allerdings nur bedingt zu. Zwar werden auch hier mittlerweile Abbildungen von Historiengemälden, Fotografien von Sachquellen und sonstige Grafiken in signifikantem Umfang genutzt, doch
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um der linearen Schilderung diachroner Verläufe einen Ort zuzuweisen (»Darstellung paralleler Ereignisse im Raum«176). Die Beschränkung auf ihre Lokalisationsfunktion äußert sich auch in der Anordnung von Text, Bild und Karte, sowie in der verwendeten Textlänge und Bildgröße. Schließlich kann der Text viertens die Funktion einer chronologischen Ereignisschilderung übernehmen und so die Darstellung von Zeit in Geschichtskarten unterstützen, wie es beispielsweise im dtv-Atlas Weltgeschichte praktiziert wird.177 Ferner können so Personen und Ereignisse näher charakterisiert bzw. Begriffe erläutert werden, die im Kartenbild zwar eine Rolle spielen, aber dort auf das visuell Darstellbare beschränkt bleiben müssen (geringe Kontextualität).
4.4.4. Statistiken, Zeitleisten und paratextuelle Elemente – Orientierung und Ordnung Im Gegensatz zu Fließtexten und Bildern bzw. bildhaften Elementen ist der Anteil von Statistiken und Zeitleisten sowie von paratextuellen Elementen in europäischen Geschichtsatlanten deutlich geringer (vgl. Abbildung 3). Auffällig ist der signifikante Anteil deutscher Schulgeschichtsatlanten, die sich der vermeintlichen Belegfunktion von Statistiken bzw. von Diagrammen bedienen,178 sodass eine Art Materialsammlung für unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten im Geschichtsunterricht entsteht. Statistisches Material und vor allem dessen Visualisierung durch Diagramme stellt eine »bereits äußerst komprimierte Zusammenfassung und Interpretation von Quellen unterschiedlicher Herkunft [dar]«179, sodass neben Vergleichen auch Problematisierungen, besonders in Vermittlungskontexten, möglich werden. Geschichtskarten dienen in diesem Zusammenhang einerseits dazu, den Raum als bestimmenden Faktor von Quantitäten auszumachen und somit den erhobenen Daten einen Ort zuzuweisen. Statistiken und Diagramme können andererseits spezifische Aussa-
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sind es im europäischen Vergleich doch vor allem allgemeine Geschichtsatlanten, die kaum mehr ohne die Verwendung von Bildern auskommen; Popp: Europaweit gemeinsame Bilder, S. 217. Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 39. Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner : dtv-Atlas Weltgeschichte – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 2010. Verwiesen sei an dieser Stelle allerdings auch auf die Probleme im Umgang mit Statistiken und Diagrammen; Vgl. hierzu beispielsweise Mayer, Ulrich: Das Diagramm, in: Pandel, Hans-Jürgen/Schneider, Gerhard: Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach/Ts. 2002, S. 146 – 169. Mayer: Das Diagramm, S. 147.
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gen zu lokalen, nationalen oder globalen Räumen treffen und somit die Kartenaussage quantitativ unterfüttern. Zeitleisten können Geschichtsatlanten als gliederndes Element durchziehen und dabei »den an sich unanschaulichen Faktor der vergangenen Zeit vorstellbar machen«180. Zwar sind Geschichtskarten in der Lage, sowohl das zeitliche Nacheinander als auch das räumliche Nebeneinander gemeinsam zu präsentieren, doch die Zeitleiste ermöglicht darüberhinaus ein chronologisches Ordnungswissen über das in der Karte Dargestellte hinaus (Makroperspektive). Auch wenn in den letzten Jahren die Geschichtsdidaktik eine »ereignisgeschichtlich-chronologisch ausgerichtete Behandlung der Historie« eher ablehnend gegenüberstand, so findet Michael Sauer mittlerweile sogar Argumente für eine Renaissance: »[J]e mehr heute im Geschichtsunterricht mit thematischer Schwerpunktsetzung und Inselbildung gearbeitet wird, um so wichtiger wird ein orientierender Überblick, der es Schülerinnen und Schülern erst erlaubt, Einordnungen vorzunehmen und Bezüge herzustellen«181. In europäischen Geschichtsatlanten findet sich neben der klassichen Zeitleiste auch das sogenannte Geschichtsfries, das neben den Grundelementen Linie, Zahl und Wort auch Bilder, Grafiken, Symbole und sogar kurze Texte enthalten kann.182 In europäischen Geschichtsatlanten spielen im Zusammenhang mit Designfragen bzw. Vorstellungen von Ästhetik und Nutzerfreundlichkeit paratextuelle Elemente eine immer größere Rolle. Auch wenn Hans-Jürgen Pandel für Geschichtslehrbücher »Paratextuelle Beigaben und Gestaltungen wie Vorwort, Glossar, Register, Layout, Methodenseiten und die Lesetipps aus Jugendbüchern […] nicht zum eigentlichen Text [zählt]«, sondern vielmehr als »Hilfsdiskurse« ansieht183, so sind jene Elemente für Geschichtsatlanten doch von zentraler Bedeutung. Ein Geschichtsatlas ohne Register ist nur schwer nutzbar, sodass es einen deutlich höheren Stellenwert einnimmt als im Geschichtslehrbuch. Zusätzlich werden aber räumliche Orientierungshilfen wie die Lokalisierung des Kartenausschnittes mittels Miniaturkarten genutzt.184 Darüber hinaus können Farbleitsystem innerhalb eines Geschichtsatlasses zeitliche, räumliche oder thematische Gliederungen kenntlich machen und so 180 Gies, Horst: Geschichtsunterricht. Ein Handbuch zur Unterrichtsplanung. Köln 2004, S. 247. 181 Sauer : Die Zeitleiste, S. 197 f. Für eine mögliche Renaissance von Zeitleisten spricht auch die aktuelle Ausgabe des »Putzger-Historischer Weltatlas«, die im Gegensatz zur Auflage von 2001 (103. Auflage) umfangreiche Zeitleisten nutzt; Vgl. Kasper, Ralf/Schwarzrock, Götz: Putzger – Atlas und Chronik zur Weltgeschichte. Berlin 2009; Bruckmüller, Ernst/ Hartmann, Peter Claus: Putzger : Historischer Weltatlas. Berlin 2011. 182 Vgl. Gies: Geschichtsunterricht, S. 247; Vgl. hierzu beispielsweise Nordhoff Atlasproducties: De Bosatlas van de Geschiedeniscanon; Pro Ruiz, Juan: Atlas Histûrico. Madrid 2005. 183 Pandel: Was macht ein Schulbuch zum Geschichtsbuch, S. 18. 184 Vgl. hierzu Bruckmüller: Putzger : Historischer Weltatlas.
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die Nutzung des grafischen Komplexmediums erheblich erleichtern.185 Neben der bloßen Zuordnung von Epochen186, strukturieren sie Themen. Ferner ermöglichen auch Icons, deren Nutzen vor allem durch grafische Benutzeroberflächen verschiedener Softwareprodukte bekannt ist, sowohl eine schnelle Orientierung als auch Querverweise innerhalb von Geschichtsatlanten. Aufgrund deren Beschränkung auf eine piktorale Ebene (oftmals auch Fragmente historischer Bilder) wird vor allem der Wiedererkennungswert eindeutiger Strukturen für eben jene Aufgabe nutzbar. Doch sei darauf hingewiesen, dass eben jene Elemente einem rasanten Wandel in Bezug auf Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten sowie ästhetischen Vorlieben ausgesetzt sind. Als Trend aktueller Geschichtsatlanten (vor allem Schulgeschichtsatlanten) kann allerdings auch das Verwenden von Onlinelinks benannt werden, wodurch eine engere Anbindung des analogen Mediums Geschichtsatlas an die erweiterten Möglichkeiten digitaler Medien und insbesondere an das Internet angestrebt wird. Geschichtsatlanten in Europa nutzen die einzelnen Module in unterschiedlicher Intensität und setzen dabei je nach Zielgruppe unterschiedliche Schwerpunkte. Es sei allerdings auch auf persönliche Vorlieben, ästhetischer Aspekte, das Vorhandensein von Bildrechten und sonstige finanzielle Erwägungen hingewiesen, die eine Kommunikationsstruktur zwischen Karte, Bild (bzw. sonstigen grafischen Elementen) und Text beeinflussen. Dennoch ist es immernoch der Rezipient/die Rezipientin, der/die aus diesem Medienmix Informationen entnimmt und Sinnstrukturen formt. Im Folgenden liegt der Fokus allerdings auf dem Leitmedium des Geschichtsatlasses – den Geschichtskarten und deren thematischen Schwerpunktsetzung.
4.5. Entdecken, Erobern, Aufteilen – Typen der Darstellung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten Von insgesamt 364 Geschichtsatlanten verwenden 231 Geschichtskarten zum europäischen Kolonialismus187. Im Folgenden ist besonders nach den Darstel185 Vadim Oswalt spricht in diesem Zusammenhang auch von einem »Orientierungs- und Referenzsystem«; Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 33. 186 Vgl. beispielsweise Oswalt/Rudolf: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte; Patart: Atlas d’Histoire; Adams, Xavier : Historische Atlas. Wommelgem 2005. 187 Aus folgenden Ländern stammen diese Geschichtsatlanten: Österreich (4), Albanien (1), Belgien (8), Bulgarien (5), Schweiz (1), Tschechische Republik (4), Deutschland (27), Dänemark (2), Spanien (9), Frankreich (12), Finnland (3), Großbritannien (28), Griechenland (4), Ungarn (9), Kroatien (11), Italien (18), Litauen (4), Lettland (2), Moldawien (1), Mazedonien (2), Norwegen (2), Niederlande (4), Portugal (3), Polen (20), Rumänien (5),
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lungstypen und -besonderheiten zu fragen, die als immer wiederkehrende Muster in der europäischen Geschichtsatlantenlandschaft markiert werden können (vgl. Kapitel 4.5.1). In diesem Zusammenhang wird der Begriff des Geschichtskartenkanons lediglich in einem heuristischen Verständnis und nicht in seiner eigentlichen Bedeutung als einen »abgegrenzten, hochselektiven Wissensbereich mit verpflichtendem Charakter« gebraucht.188 Darüberhinaus finden auch Themenfelder des Kolonialismus Beachtung, die eher selten oder im Rahmen nationaler bzw. transnationaler Fokussierungen als Darstellungen jenseits konventionalisierter Darstellungsmuster betrachtet werden (vgl. Kapitel 4.5.2). Grundlage dieser Typisierung sind Geschichtskarten, die die Kolonialgeschichte im Zeitraum von 1400 bis 1914 darstellen (vgl. Anlage 7). Bei diesem Vorgehen bildet neben den fundamentalen Kategorien Raum (kartierter Raum) und Zeit (kartierter Zeitraum) der Inhalt eine wesentliche dritte Säule.
4.5.1. Geschichtskarten als Teil eines europäischen Geschichtskartenkanons zum Kolonialismus I. Eines der zentralen gemeinsamen Kartenbilder189 stellt den Beginn des kolonialen Zeitalters dar – die ersten europäischen Entdeckungsfahrten und die Inbesitznahme erster iberischer Überseeterritorien. Neben bedeutenden Entdeckern und Eroberern, wie beispielsweise Christoph Kolumbus (1451 – 1506), Vasco da Gama (1469 – 1524), Bartolomeu Diaz (1450 – 1500), Hernn Cort¦s (1485 – 1547), Francisco Pizarro (1476 – 1541), Ferdinand Magellan (1480 – 1521) bzw. Juan Sebastin Elcano (1486 – 1526), Sir Francis Drake (1540 – 1596) oder John Cabot (1450 – 1498), sind die Tordesilla- und die Zaragoza-Linie190 in der Regel feste Bestandteile dieser Weltkarte. Auch die Etablierung der ersten spanischen und portugiesischen Kolonialreiche in Übersee wird in einem Zeitfenster vom 15. bis 17. Jahrhundert in der Regel als Mercator-Projektion abgebildet. Generell variiert allerdings der Darstellungszeitraum dieser ersten koRussland (25), Schweden (5), Slowakei (4), Slowenien (3), Serbien (1), Türkei (4). Auch wenn verschiedene Auflagen/Ausgaben unberücksichtigt bleiben (die aktuellste Auflage wird jeweils berücksichtigt), so enthält diese Aufstellung auch 38 Geschichtsatlanten-Adaptionen, die als Übersetzungen oder länderspezifisch-variierte Atlaswerke veröffentlicht wurden. 188 Pandel, Hans-Jürgen: Kanon, in: Ders./ Mayer, Ulrich/Schneider, Gerhard (Hrsg.): Wörterbuch Geschichtsdidaktik. Schwalbach/Ts. 2009, S. 111. 189 Für eine Übersicht einzelner Kartentypen (Europäischer Geschichtskartenkanon zum Kolonialismus) vgl. Analge 6. 190 Vgl. hierzu Schneider, Ute: Tordesillas 1494 – Beginn einer globalen Weltsicht, in: Saeculum 54/I (2003), S. 43 ff.
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lonialen Phase, sodass die englischen, französischen, niederländischen und russischen Expansionen meist kaum verortet werden. Die frühe Staatenbildung in Afrika, ost- und südostasiatischen Reiche sowie vorkolumbischen Staaten und Kulturen in Lateinamerika werden in diesem Kartentyp nur sehr begrenzt kartiert. Trotz einiger zeitlicher und inhaltlicher Variationen markiert dieser Kartentyp in europäischen Geschichtsatlanten einen gemeinsamen Blick auf das beginnende Übergreifen Europas auf den Rest der Welt.191 Ergänzend zur Darstellung der auch als »Iberische Phase«192 genannten Zeit in Form einer Weltkarte wird häufig eine Detailkarte zu Lateinamerika verwendet. Hier werden die Eroberungszüge Francisco Pizarros und Hernn Cort¦s thematisiert und dabei, neben den untergehenden Reichen der Azteken und Inka bzw. den Maya-Staaten, explizit die spanischen bzw. portugiesischen Besitzungen in der Neuen Welt in den Fokus genommen.193 Eine vergleichbare Detailkarte findet sich auch für den afrikanischen Kontinent, wobei hier der Darstellungsschwerpunkt sowohl auf den ersten portugiesischen Entdeckungen als auch auf den vorkolonialen afrikanischen Staaten liegt. Ferner ist eine Detailkarte zum asiatischen Raum auszumachen, die besonders die asiatischen Großreiche und erste europäische Expeditionen und Besitzungen (vor allem Stützpunktkolonien) thematisiert. II. Des Weiteren wird die Etablierung kolonialer Strukturen vom 17. bis 19. Jahrhundert ebenfalls auf einer Weltkarte dargestellt.194 Die hier abgebildete und von Reinhardt Wendt als »Nordwesteuropäische Phase«195 bezeichnete Zeit, umfasst den Aufstieg der Kolonialmächte England und Frankreich sowie der Niederlande und Russlands. Die dargestellte Zeit dieses Kartentyps beginnt häufig mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges (1756 – 1763), sodass die daraus resultierenden französischen Gebietsabtretungen an Großbritannien bereits im Kartenbild vermerkt werden. Auch die zweite Welle geographischer Entdeckungen u. a. mit den Expeditionen von Abel Janszoon Tasman (1603 – 1659) und James Cook (1728 – 1779) werden hier im Rahmen territorialer Gewinne kartiert. Die zeitliche Begrenzung dieser globalen Darstellung wird meist um
191 Kartentyp I (Iberische Phase): Von den 231 Geschichtsatlanten, die Kolonialgeschichte thematisieren, nutzen 88 Geschichtsatlanten aus 22 Ländern den hier beschriebenen Weltkartentyp (vgl. Anlage 8). Für eine Übersicht über alle Kartentypen vgl. Anlage 6. 192 Wendt: Vom Kolonialismus zur Globalisierung, S. 31 ff. 193 Eine Detailkarte zu »Mesoamerika«, die explizit auf das Aztekenreich und die Maya-Staaten eingeht, findet sich hingegen vergleichweise selten. 194 Kartentyp II (Nordwesteuropäische Phase): Dieser zweite Weltkarten-Typ ist in 81 Geschichtsatlanten aus 22 Ländern vertreten (vgl. Anlage 9). 195 Wendt: Vom Kolonialismus zur Globalisierung, S. 107 ff.
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1830/1850 festgelegt, unmittelbar vor dem Beginn des eigentlichen Hochimperialismus.196 Dieser Kartentyp ist somit Ausdruck einer zunehmenden Färbung der Welt durch die europäischen Kolonialmächte, wobei gerade die drei Haupttypen von Kolonien hier synchron nebeneinander im Kartenbild verortet sind.197 So werden beispielsweise die portugiesischen Stützpunkte zur Sicherung des Seeweges nach Ostindien entlang der afrikanischen Küste (Stützpunktkolonisation) neben Spanisch-Amerika (Beherrschungskolonie) und den britischen Kolonien in Nordamerika (Siedlungskolonie) gemeinsam in einem Kartenbild abgebildet. Zusammen mit der Darstellung Afrikas als unentdeckter Kontinent wird der Kolonialismus so nicht als eine gleichförmige Entwicklung beschrieben, sondern als ein regional spezifischer Prozess, der aufgrund unterschiedlicher kolonialer Interessen differiert. Besonders häufig finden sich in diesem Zusammenhang begleitende Detailkarten zu europäischen Entdeckungsreisen in Afrika im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert. Ähnlich wie bei der Darstellung der ›großen Entdecker und Eroberer‹ des 15. Jahrhunderts auf einer Weltkarte, so differiert auch in dieser Darstellung Afrikas die jeweilige Auswahl der kartierten Entdecker ebenso wie die Nennung afrikanischer Reiche. In diesem Zusammenhang werden in der Regel auch Südafrika und die damit verbundene britische Besitzergreifung in Form einer separaten Karte thematisiert. Eine konstante Detaildarstellung für den asiatischen Raum findet sich in diesem Zeitfenster vor allem für den indischen Subkontinent als Kartierung der britischen Erwerbungen (unter direkter Herrschaft) und des Aufbaus des britischen Kaiserreiches in Indien (Beherrschungskolonie). Während für Lateinamerika lediglich eine Detailkarte verhältnismäßig häufig thematisiert wird, die sich dem Aufstand gegen die Kolonialmächte Spanien bzw. Portugal widmet, so erfolgt für Angloamerika in der Regel die Darstellung einer ganzen Kartenserie. Das Ringen zwischen den Kolonialmächten in Nordamerika und das Entstehen der Vereinigten Staaten wird ebenso thematisiert wie die weitere territoriale Entwicklung der USA bis ins 19. Jahrhundert.
196 Eric Hobsbawn stellt fest, dass fast alle Regionen der Welt bis etwa 1880 bekannt und auch kartographisch erfasst waren (zumindest aus europäischer Perspektive). Deshalb ist der Termininus Entdeckungsfahrten für Forschungsreisen für die Zeit danach eher ungeeignet, da es sich vielmehr um »athletische Unternehmungen, häufig durchgesetzt von starken Elementen persönlicher oder nationaler Rivalität« handelte; Hobsbawn, Eric, J.: Das imperiale Zeitalter, S. 25. 197 Vgl. Osterhammel: Kolonialismus, S. 16 ff.
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III. Zu einem gemeinsamen europäischen Geschichtskartenkanon des Kolonialismus zählt auch die Darstellung einzelner Kolonialreiche198. Typisch für diesen Kartentyp ist vor allem die Wahl des dargestellten Zeitraumes, der sich in der Regel an der maximalen territorialen Ausdehnung des jeweiligen Kolonialreiches orientiert, wobei die Gebiete auf einer Weltkarte eingefärbt werden, die von der jeweiligen Kolonialmacht beansprucht wurden. Auch wenn der abgebildete Raum je nach darzustellenden Territorien etwas variieren kann, so wird doch meist ein globaler Bezugsraum gewählt. Um den weltumfassenden Charakter von Kolonialreichen zu betonen, erfolgt nicht nur eine Kartierung mittels der Mercatorprojektion, sondern es lassen sich auch verschiedene Formen der Azimutalprojektion vor allem in französischen Atlasproduktionen ausmachen.199 Gerade das Britische Empire ist eines der am häufigsten verwendeten Darstellungen, gefolgt vom spanischen, französischen, niederländischen und portugiesischen Kolonialreich, wohingegen die Thematisierung der deutschen Schutzgebiete in dieser Form eher die Ausnahme darstellt.200 Auch die gemeinsame Darstellung zweier konkurrierender Kolonialmächte (z. B. Frankreich und Großbritannien) wird in dieser Karte verarbeitet. IV. Ein weiterer Kartentyp, der fest zum europäischen Repertoire kartographischer Darstellungen zur Geschichte des Kolonialismus gehört, ist die kartierte Aufteilung der Welt im »imperialen Zeitalter« (1875 – 1914).201 Bei dieser globalen Darstellung werden die Zeitschnitte allerdings recht unterschiedlich gelegt, sodass sowohl 1900202 als auch der Vorabend der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts (1914)203 als zeitliche Begrenzung dient. Während die Staatenbildung in Lateinamerika und die territoriale Ausweitung der USA größtenteils abgeschlossen sind, liegt der Darstellungsschwerpunkt vielmehr auf den europäischen Mächten und ihren Kolonien in Afrika und Süd- bzw. Südostasien.204 Als eine der wohl am häufigsten Verwendung findenden Detailkarten dient die Darstellung der Aufteilung Afrikas. Allerdings beschränkt sich diese AfrikaKarte nicht nur auf die europäische Okkupation, sondern thematisiert auch den Konflikt zwischen den Kolonialmächten (z. B. Faschoda-Krise 1898) und kartiert 198 Kartentyp III (Kolonialreiche): Dieser Kartentyp wurde in 50 Geschichtsatlanten aus 17 Ländern verwendet (vgl. Anlage 10). 199 Vgl. hierzu beispielsweise: Duby : Atlas historique Mondial, S. 46 f; Bertin/Vidal-Naquet: Histoire de l’humanit¦, S. 157; Duby : Atlas historique, S. 156 f. 200 Vgl. Vallaud, Pierre: Atlas Historique. Paris 1999, S. 66. 201 Vgl. Hobsbawn: Das imperiale Zeitalter. 202 Vgl. Black: World History Atlas, S. 94 f. 203 Bruckmüller/Hartmann: Putzger : Historischer Weltatlas, S. 148. 204 Kartentyp IV (Imperialismus): Mit 93 Geschichtsatlanten aus 24 Ländern, die diesen Kartentyp verwenden gehört er zu den am meist genutzten im europäischen Vergleich (vgl. Anlage 11).
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Aufstände gegen die koloniale Herrschaft, wie z. B. den Aufstand der Herero und Nama (1904/1907), den Mahdi-Aufstand (1881 – 1899) oder die Burenkriege (1880 – 1881/1899 – 1902) im südlichen Afrika. Eine Detailkarte Lateinamerikas beschränkt sich in diesem Zeitfenster hingegen auf die Darstellung der politischen Entwicklung (Nationalstaatenbildung). V. Neben den zentralen Überblicksdarstellungen (Epochen) und den ergänzenden Detailkarten zieht sich auch ein Kartentyp zur Migrationsgeschichte205 wie ein roter Faden durch die Geschichtsatlanten-Landschaft Europas.206 Auf dieser Weltkarte werden verschiedene Migrationsformen wie beispielsweise der transsaharischen und -atlantischen Sklavenhandel (Zwangsmigrationen) oder die Frontiermigrationen in Nordamerika bzw. Sibirien dargestellt. Darüber hinaus finden sich auch Formen von Verbannungsmigration (z. B. nach Australien als Sträflingskolonie Großbritanniens seit 1788) und ein System asiatischer Kontraktarbeit (z. B. aus Indien und China) in diesem Kartenbild. Auch wenn unterschiedliche inhaltliche Schwerpunktsetzungen erfolgen (globale Migrationsgeschichte, europäische Emigration in die Welt, länderspezifische Emigration), so liegt der Fokus doch in der Regel auf den europäischen Emigrationen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Nomadische Bewegungen, wie sie für Afrika im 19. Jahrhunderts auszumachen sind207, finden kaum Beachtung. VI. Ein weiterer epochenübergreifender Kartentyp stellt die Etablierung des Welthandels dar208. Dabei werden neben wichtigen globalen Handelsgütern (Gold, Silber, Gewürzen, Zucker, Baumwolle, Tee, Kaffee, Tabak etc.) auch Handelsrouten bzw. Schifffahrtslinien auf einer Weltkarte abgebildet (durch Beschriftungen, Kartenzeichen, Linien- und Pfeilsignaturen). Auch wenn bereits frühe Handelsverbindungen wie die Seidenstraße zwischen China und dem Mittelmeerraum oder Seehandelsrouten zwischen der arabischen Halbinsel und dem indischen Subkontinent teilweise kartiert werden, so liegt der Darstellungsschwerpunkt bei diesem Kartentyp auf den zunehmend globalen Handelsverbindungen der europäischen Mächte. Zwar variieren der dargestellte Zeitraum und die inhaltlichen Fokussierungen (z. B. nur die Handelsverbindungen einer Kolonialmacht), doch kann von einer Wirtschaftskarte ausgegangen werden, die das entstehende Weltwirtschaftssystem vom 17. bis ins 19. Jahrhundert hinein thematisiert. Dieser Kartentyp macht eher selten quan205 Vgl. hierzu Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 183ff, 199ff, 206ff, 235 ff. 206 Kartentyp V (Migration): Nicht sehr häufig, dafür aber europaweit vertreten ist dieser Kartentyp in 39 Geschichtsatlanten aus 18 europäischen Ländern (Vgl. Anlage 12). 207 Vgl. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 228. 208 Kartentyp VI (Welthandel): Dieser Kartentyp ist in 68 Geschichtsatlanten aus 18 europäischen Ländern vertreten (vgl. Anlage 13).
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titative Angaben, sondern weist lediglich auf Fernhandelsverbindungen und ihre Handelsgüter hin. Die separate Darstellung des Dreieckshandels ist dabei eher eine stark vereinfachte Variation dieses Kartentyps (inhaltliche Reduktion) und beschränkt sich lediglich auf den atlantischen Raum (räumliche Reduktion). VII. An der Schnittstelle von Migrations- und Wirtschaftgeschichte wird die Geschichte des Sklavenhandels in seinen vielfältigen Ausprägungen in einem Kartentyp thematisiert.209 Da dieses vielschichtige Themenfeld nur schwer in ein monolithisches Korsett zu schnüren ist, sind die räumlichen und inhaltlichen Darstellungsmöglichkeiten entsprechend variabel. Einerseits werden globale Darstellungen genutzt, um den Sklavenhandel als Bestandteil von Welthandelsströmen (insbesondere des Dreieckshandels) zu thematisieren. Andererseits sind auch separate Kartierungen des transatlantischen Raumes oder des afrikanischen Kontinents auszumachen, die mittels Pfeilsignaturen lediglich die Zielgebiete andeuten und den transsaharischen Sklavenhandel deutlich häufiger einbinden, als dies in einer globalen Perspektive geschieht. Auch die Wahl der darzustellenden Zeit variiert, sodass die Sklaventransporte für einzelne Jahrhunderte oder die gesamte Entwicklung vom 15. bis zum 19. Jahrhundert in einer Karte zusammengefasst werden.
4.5.2. Themen jenseits konventionalisierter Darstellungsmuster? Neben den Standard-Kartentypen (I – VII) und ihren Variationen sind in europäischen Geschichtsatlanten eine ganze Reihe von Themenfeldern des Kolonialismus deutlich unterrepräsentiert. Diese werden im Folgenden exemplarisch thematisiert. So wird beispielsweise nicht nur die territoriale Expansion der großen Kolonialmächte dargestellt, sondern auch Pläne und Optionen kartiert, quasi auf ein Stück »virtuelle Geschichte«210 hingewiesen. Besonders ein Kartenbild aus dem »dtv-Atlas Weltgeschichte« von Hermann Kinder und Werner Hilgemann beschreibt eben solche »ungeschehene Geschichte«211 sehr deutlich mit dem Thema »Napoleons weltpolitischer Machtkampf mit Großbritannien«212. Neben dem französischen Machtbereich werden hier die napoleonischen Pläne für ein karibisches Reich, sowie die Indien- und Australienpläne kartiert. »The Times 209 Kartentyp VII (Sklavenhandel): Die europaweite Relevanz des Themas wird allein darin deutlich, dass es in 87 Geschichtsatlanten aus 24 Ländern kartiert wird (vgl. Anlage 14). 210 Vgl. hierzu u. a. Ferguson, Niall: Virtual history : alternatives and counterfactuals. London 2003. 211 Demandt, Alexander: Ungeschehene Geschichte. Göttingen 2011. 212 Kinder/Hilgemann: dtv-Atlas Weltgeschichte 2010, S. 308.
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Atlas of World History« von Geoffrey Barraclough und Norman Stone beschreibt darüber hinaus sogar die Pläne für eine militärische Kampagne nach Nordamerika Anfang des 19. Jahrhunderts (Louisiana).213 Diese seltene und zugleich faszinierende Darstellungsform ist allerdings eine Gradwanderung zwischen Fakt und Fiktion, denn auch wenn die napoleonischen Pläne nie in dieser Form verwirklicht worden sind, so kann im Gegensatz zu einer Darstellung in Textform eine Geschichtskarte durchaus Gegenteiliges suggerieren. Allein der in der Karte bzw. in der Kartenlegende enthaltene Hinweis auf »Pläne« lässt Rückschlüsse auf den konjunktiven Charakter der Darstellung zu. Bemerkenswert ist, dass eine solche Kartierung in französischen Geschichtsatlanten nicht zu finden ist, hingegen in einem deutschen und britischen Geschichtsatlas (»dtv-Atlas zur Weltgeschichte« und »The Times Atlas of World History« mit jeweils hohen Auflagen innerhalb Europas) das hier beschriebene Bedrohungsszenario präsent ist. Im Zuge der Kartierung europäischer Entdeckungsgeschichte werden auch die sogenannten bereits bekannten Räume kartiert und mit aktuellen geographischen Erkenntnissen verglichen.214 In der Regel mit einem Zeitschnitt, der vor der ersten Atlantiküberquerung des wohl bekanntesten genuesischen Wollwebers ansetzt, wird hier der Stand der europäischen Entdeckung der Welt kartiert. Unklar bleibt allerdings, wessen Erfahrungsraum genau kartiert wird, denn bis auf einige Reisebeschreibungen oder Erzählungen arabischer Händler war von Zentralasien beispielsweise noch im 15. Jahrhundert in Westeuropa kaum etwas bekannt. Auch wenn der Vergleich der europäischen Erfahrungsräume im 15. und im 16. Jahrhundert den Beginn eines kolonialen Übergreifens Europas auf die Welt verdeutlicht215, so bewegt sich diese Darstellung doch im Bereich des Imaginären. Eine weitere Darstellung außerhalb des Kartenkanons beschreibt Einflusszonen, Expansionsrichtungen216, und Bedrohungen217 des britischen Empires. Diese geben keinerlei Aufschluss über tatsächliche Macht- und Herrschaftsstrukturen. Koloniale Konfliktzonen bzw. bedeutende Kriegs- und Krisengebiete, wie sie vereinzelt in französischen oder deutschen Geschichtsatlanten
213 Barraclough/Stone: The Times Atlas of World History, S. 205. 214 Atlas histûrico integral SPES. Barcelona 1998, S. 38; Hajkiewicz, Izabela: Atlas historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Gimnazjum, Pol. Przedsieb. Warschau 2001, S. 26 f; Lambin, Jean-Michel/Villette, Jean Luc: Atlas des colleges. Paris 1994, S. 42 f. 215 Vgl. Hajkiewicz: Atlas historyczny, S. 26 f. 216 Vgl. Bertin/Vidal-Naquet: Histoire de l’humanit¦, S. 238; Lambin/Carton: Atlas des colleges, S. 57. 217 Hall, Simon/Haywood, John: The Penguin Atlas of british and irish history – from the earliest times to the present day. London 2001, S. 186 ff.
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beschrieben werden218, finden nur selten einen Platz in europäischen Geschichtsatlanten. Von den bereits beschriebenen Standard-Typen (Iberische Phase und Nordwesteuropäische Phase), die als Weltkarten u. a. zwei Wellen von Entdeckungen kartieren, sind einige russische Geschichtskarten deutlich abzugrenzen. Unter dem Titel »Bedeutende russische Expeditionen des 19. Jahrhunderts« (»3QW^VZiYV adbb[YV n[b`VUYgYY S XIX SV[V«219) wird eine Geschichtskarte in einem Atlas zur russischen Geschichte des 19. Jahrhunderts verwendet, die die russische Entdeckungsgeschichte vollkommen isoliert von der globalen Entdeckungsgeschichte betrachtet. Auch wenn die hier thematisierten russischen Entdecker nur selten in anderen europäischen Geschichtsatlanten kartiert werden, so ist die generelle Darstellung nationaler Entdeckungsreisen doch keine Besonderheit220. Allerdings ist der Darstellungsschwerpunkt so nur in russischen Atlanten zu finden – schließlich werden nicht nur die russischen Entdeckungsfahrten auf den Weltmeeren thematisiert, sondern vor allem die sibirischen bzw. zentralasiatischen Expeditionen fokussiert.221 Sowohl die Suche nach der Nordwestpassage, die den atlantischen mit dem pazifischen Ozean verbindet und durch das kanadisch-arktische Archipel führt, als auch die späteren Expeditionen zum Nord- und Südpol finden in separaten Karten im europäischen Vergleich nicht immer einen Platz. Nur selten in europäischen Geschichtskarten thematisiert werden die großen Expeditionen des chinesischen Admirals ZhÀng H¦, der mit dutzenden Schiffen seit 1407 insgesamt sieben Fahrten von Nanjing (der kaiserlichen Hauptstadt) aus nach Südostasien und Indien unternahm. Ursächlich für die seltene Kartierung dieser chinesischen Fahrten ist wohl, dass es über die genauen Reichweite und die vorherrschende Motivlage (wirtschaftliche oder politische Interessen) keine gesicherten Informationen gibt. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Flotte des Admirals auch ostafrikanische Hafenstädte wie Mogadischu erreichte.222 Eine der wenigen kartographischen Darstellungen dazu liefert der vielfach adaptierten Atlas von Jaques Bertin und Pierre Vidal-Naquet »Histoire de l’humanit¦, de la Pr¦histoire la fin du XXe siÀcle«223. Hier werden neben den
218 Bertin/Vidal-Naquet: Histoire de l’humanit¦, S. 139; Oswalt/Rudolf: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte, S. 308 f. 219 Kolpakov/Ponomarev : Atlas Istorija Rossii XIX veka – 8 klass, S. 28 f. 220 Vgl. z. B. Nordhoff Atlasproducties: De Bosatlas van de, S. 17. 221 Vgl. hierzu beispielsweise Polunkina, N. N.: Atlas Istorija Rossii. Moskau 2005, S. 28; Regentova, E. M.: Atlas; otecˇestvennaja istorija – XIX vek. Moskau 2009, S. 10. 222 Vgl. Ptak, Roderich/Salmon Claudine: Zheng He: Geschichte und Fiktion, in: Ders./Salmon Claudine (Hrsg.): Zheng He. Image & Perceptions. Wiesbaden 2005, S. 9 ff. 223 Bertin/Vidal-Naquet: Histoire de l’humanit¦; ital. Ausgabe: Vidal-Naquet, Pierre: Il Nouvo Atlante Storico, Zanichelli, Bologna 2007, S. 137; dt. Ausgabe: Vidal-Naquet, Pierre/Bertin,
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Expeditionen des chinesischen Admirals auch die generellen chinesischen und europäischen Erforschungsgebiete in den Jahren 1400 – 1460 gegenübergestellt. Im Gegensatz dazu thematisiert der Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte die Seeexpeditionen des ZhÀng H¦ fast unscheinbar im Kontext asiatischer Großreiche, wobei die Frage nach der maximalen Reichweite der großen Flotte hier offen bleibt.224 Gerade durch eine globalgeschichtliche Perspektive der beiden Erforschungsgebiete (Portugals und Chinas) um 1400 gerät das vorherrschende eurozentrische Bild von der ausschließlich »europäischen Entdeckung der Welt« deutlich ins Wanken. Im Kontext des Hochimperialismus ist neben dem bereits beschriebenen Kartentyp (Imperialismus) die kartographische Darstellung einer in vielerlei Hinsicht besonderen europäischen Kolonie in Afrika zu nennen. Vor allem die herrschende Brutalität und die rücksichtslose Ausbeutungspolitik in der Privatkolonie des belgischen Königs Leopold II. (1835 – 1909) ließen selbst Vertreter anderer Kolonialmächte wie etwa Großbritannien bereits 1905 von den so genannten Kongogräuel sprechen.225 Bis heute findet in Belgien eine nur unzureichende Auseinandersetzung mit der eigenen Kolonialgeschichte statt und eine Entschuldigung seitens der belgischen Regierung steht noch immer aus. Belgische Geschichtsatlanten widmen diesem Raum hingegen eine Reihe von Detailkarten. Auch wenn die eigentlichen kolonialen Verbrechen in der Regel kaum bis gar nicht dargestellt bzw. kartiert werden, so wird die Geschichte des Kongo hier als ein Stück belgische Geschichte verstanden. Obwohl dieser kurze Themenaufriss nur eine Auswahl aus einer Vielzahl von kartierten Themenfeldern des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten darstellt (außerhalb der Standard-Typen I – VII), so zeigt er doch die Vielfältigkeit und das Vorhandensein nationaler Schwerpunktsetzungen. Außerhalb des europäischen Kartenkanons ergeben sich folgende Beobachtungen: Erstens kann in europäischen Geschichtsatlanten von einer ähnlichen Themenlagerung ausgegangen werden, sodass nur wenige Ausnahmen vom Geschichtskarten-Kanon ermittelt werden können. So zeigen beispielswiese selbst Jacques: Historischer Bild-Atlas – Daten und Fakten zur Weltgeschichte. München 2001, S. 14. 224 Oswalt/Rudolf: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte, S. 135. 225 Vgl. hierzu auch Kinet, Ruth: »Licht in der Finsternis«. Kolonisation und Mission im Kongo, 1876 – 1908. Kolonialer Staat und nationale Mission zwischen Kooperation und Konfrontation (Europa-Übersee Bd. 15). Münster 2005, S. 32ff; Baur, John: Christus kommt nach Afrika. 2000 Jahre Christentum auf dem Schwarzen Kontinent (Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte, Bd. 6). Stuttgart 2006, S. 269 ff.
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Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich
russische Geschichtsatlanten ein vergleichbares Bild und erweitern dieses lediglich durch eine nationale Perspektive. Zweitens finden sich eben jene Geschichtskarten im Gegensatz zu den beschriebenen Standard-Kartentypen des europäischen Kartenkanons häufiger in allgemeinen Geschichtsatlanten als in Schulgeschichtsatlanten. Drittens können nur sehr selten Darstellungen ausgemacht werden, wie das Beispiel ZhÀng H¦ verdeutlicht, die neben den zahlreichen Variationen von Standard-Typen eine globalgeschichtliche Perspektive herstellen, um so den eurozentrischen Blick auf die Welt zu überwinden. Viertens fällt eine deutliche thematische Schwerpunktsetzung hinsichtlich der unterschiedlichen »Schlüsselfelder der Geschichtswissenschaft«226 auf. Während Geschichtskarten zum Kolonialismus im Hinblick auf das Ausgreifen Europas auf die Welt und die beginnende Globalisierung meist nur politische und Wirtschaftsgeschichte thematisieren, so werden andere Felder fast vollständig ausgeblendet. Auch wenn Religionsgeschichte (z. B. die Rolle des Islam in Afrika) oder Technikgeschichte (z. B. der Einfluss der Industrialisierung und die Entwicklung der Telegraphie) zumindest selten kartiert werden, so spielen Kulturgeschichte, Sozialgeschichte, Geschlechtergeschichte oder gar Umweltgeschichte in der Betrachtung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten so gut wie keine Rolle. Beispielsweise könnten die naturräumlichen Veränderungen in der Karibik als Folge einer sich etablierenden Plantagenökonomie ebenso kartiert werden wie kulturgeschichtliche Aspekte der Baumwolle oder des Zuckers im Rahmen von Industrialisierung und Globalisierung.227 Durch die Fokussierung auf die Bereiche Politik- und Wirtschaftsgeschichte wird eine einseitige Raumerzählung generiert, die weder aktuellen Forschungstendenzen noch didaktischen Zielstellungen entspricht. Um die Frage nach nationalen oder europaweiten Geschichtsbildern beantworten zu können, sind im Folgenden detaillierte Kartenanalysen bzw. –vergleiche, entlang thematischer Schwerpunktsetzungen, unabdingbar.
226 Metzler, Gabriele: Einführung in das Studium der Zeitgeschichte. Paderborn 2004, S. 272. 227 Vgl. hierzu auch Beckert, Sven: Das Reich der Baumwolle. Eine globale Geschichte, in: Conrad, Sebastian/Osterhammel, Jürgen (Hrsg.): Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871 – 1914. Göttingen 2006; Mönninghoff, Wolfgang: King Cotton – Kulturgeschichte der Baumwolle. Düsseldorf 2006; Mintz, Sidney Wilfried: Die süße Macht – Kulturgeschichte des Zuckers. Frankfurt am Main 2007 (Original: Sweetness and power, 1986).
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5. Die Darstellung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten zwischen persistenten Mythen und globalhistorischer Orientierung
Die folgenden Geschichtskartenanalysen sind als Schnittstelle angelegt zwischen Themenfeldern des Kolonialismus und kartenmethodischen Schwerpunkten. Der Gegenstand (Was?), die dargestellte Zeit bzw. der dargestellte Zeitraum (Wann?) und der abgebildete Raum (Wo?) bilden neben formalen Aspekten und der semiotischen Binnenstruktur der Karte (Wie?) die eigentliche Produktanalyse, während der mediale Kontext der Geschichtskarte und die sonstigen Einflussfaktoren der Kartenproduktion (Warum?) einen flankierenden Analyseschritt darstellten.
5.1. Die Fiktion des leeren Raumes – Grenzen und Räume als Konsequenz sozialer und kultureller Konstrukte Eines der zentralen Problemfelder der Geschichtskartographie ist die Frage nach der Darstellung von Grenzen und Räumen. Koloniale Raumimaginationen, Herrschaftspraktiken und naturräumliche Gegebenheiten kollidieren mit der völkerrechtlich-geodätischen Praxis – schließlich haben Grenzen auf der Erdoberfläche keine Breite.1 Die Kluft zwischen Kartierung und kolonialer Wirklichkeit zeigt sich beispielsweise an Flüssen, als augenscheinlich natürliche Scheidemarken zweier kolonialer Herrschaftsgebiete. Während darüber verhandelt wurde, welche Linie im Flussbett nun die eigentliche Grenze sei – die Mittelweg- oder Medianlinie, die Thalweglinie, die »Uferlinie entlang einer Uferseite« oder gar die »Gerade Grenzlinie von Wendepunkt zu Wendepunkt«2, so spielten diese Fragen vor Ort nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle. Schließlich ändern sich naturräumliche Gegebenheiten ständig, indem Flüsse beispielsweise jahreszeitlich bedingt versiegen (Trockenzeit), nur bei Starkregenfällen plötzlich in Erscheinung treten (Wadis) oder sich das Flussbett durch 1 Vgl. Demhardt: Deutsche Kolonialgrenzen in Afrika, S. 45. 2 Ebenda, S. 51 ff.
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Die Darstellung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten
fluviale Sedimente oder sich verändernde Fließgeschwindigkeiten verlagert. Ferner erstreckten sich Handelsbeziehungen, lokale Konflikte und sonstige soziale Praktiken über konstruierte Grenze hinaus, sodass sich Grenzräume als vielfältige Zonen des Austauschs und des Kontakts präsentierten. Kartographische Darstellungen suggerieren hingegen, z. B. mit einer breiten durchgezogenen Grenzsignatur, schlichtweg Undurchlässigkeit. Um dieses Problem der kartographischen Repräsentation von Grenzen und Räumen näher zu untersuchen, werden im Folgenden Geschichtskarten aus europäischen Geschichtsatlanten anhand von Staaten und Reichen im vorkolonialen und kolonialen Afrika betrachtet (Kapitel 5.1.1.), sowie die Rolle von Farben bei der Kartierung kolonialer Herrschaftsräume (Kapitel 5.1.2.) und die Darstellung der US-amerikanischen Frontier untersucht (Kapitel 5.1.3.).
5.1.1. Afrikanische Staaten und Reiche in europäischen Geschichtskarten Noch im 17. Jahrhundert wurden kartographische Darstellungen Afrikas mit Legenden und Mythen angereichert – von Fabelwesen und wilden Tieren über christliche Königreiche bis hin zur legendären Quelle des Nils reichte das Repertoire. Erst mit der Herausbildung der Geographie als Wissenschaft und der damit einhergehenden Professionalisierung seit dem 19. Jahrhundert verlagerten sich in der Kartographie die Prioritäten. Durch den Anspruch, nur empirisch belegbares Wissen abzubilden, entstand auf Afrika-Karten notgedrungen erstmals eine ganze Reihe von »weißen Flecken«3. Allerdings waren diese Gebiete alles andere als menschenleer, sodass Franz Ansprenger feststellt, dass das innere Afrikas als »großer leerer Fleck« so nur auf den Landkarten der Europäer vorkam, »niemals [jedoch] in den Köpfen der Afrikaner«4. Auch wenn Karten schon vor dem 19. Jahrhundert »wirkungsvolle Träger geographischer Terminologien und Instrumente räumlicher Bewusstseinsbildung«5 waren, so kam zu ihren Funktionen in den Bereichen Transport, Militär und kolonialer Verwaltung nun auch das Bedürfnis nach Sichtbarmachung der eigenen Nation hinzu. Die Projektion dieses eigenen europäischen Bildes von Staat und Staatlichkeit auf die zu kartierenden kolonialen Gebiete umfasste neben der Vorstellung eines staatlichen Gewaltmonopols und einer zuordenbaren Bevölkerung vor allem die territoriale Macht (»Staatsgewalt«, »Staatsvolk«, »Staatsgebiet«6) und die damit verbundene Abgrenzung. Kartographen versuchen bis heute (mehr oder weni3 4 5 6
Schneider: Die Macht der Karte, S. 100. Ansprenger, Franz: Geschichte Afrikas. München 2007, S. 42. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 149 f. Nohlen, Dieter/Grotz, Florian (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik. München 2011, S. 584; Holtmann, Everhard: Politiklexikon. München 2000, S. 656.
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ger erfolgreich und durch das europäische Konzept von Staatlichkeit beeinflusst) die vorkolonialen Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens in Afrika trotz fließender Übergänge zwischen »Gesellschaften ohne politische Zentrale und den sogenannten Reichen oder Hegemonien«7 zu kartieren. Städtische Niederlassungen sind meist als Handelsstädte, vor allem an den Küsten (West-, Ostund Südafrika) oder entlang der Transsahararouten auszumachen (z. B. Gao oder Timbuktu). Doch fanden sich vor allem »kleinteilig organisierte Gesellschaftsformationen«, die entweder nicht oder nur teilweise sesshaft waren und oftmals von der Viehhaltung lebten.8 Ferner sind gerade in diesen segmentären Gesellschaftsformen weitreichende Netzwerke entstanden, »die durch Klan und Verwandtschaft oder durch Handel und Bünde zusammengehalten wurden und bis zu einigen zehntausenden Menschen erfassen konnten. Diesen Verbänden fehlt auf der einen Seite ein präzise bestimmbares Territorium, auf der anderen Seite ein eindeutiger politischer Mittelpunkt«9. Besonders für Historiker wird hier einmal mehr die Bedeutung des Raumes neben der Zeit als zentrale Kategorie historischen Denkens deutlich (spatial turn), denn schließlich können gerade im vorkolonialen Afrika Räume und Grenzen »nicht als zwingende Konsequenzen natürlicher Gegebenheiten […], sondern vermehrt als soziale und kulturelle Konstrukte verstanden [werden]«10. Um allerdings der Frage nach der Darstellung von vorkolonialen Räumen und Grenzen Afrikas in europäischen Geschichtsatlanten nachzugehen, bedarf es einer Analyse der enthaltenen Geschichtskarten, die jene Strukturen thematisieren. Von 231 Geschichtsatlanten in Europa, die überhaupt Karten zum Kolonialismus enthalten, thematisieren 79 Geschichtskarten auf einer separaten Detailkarten zum afrikanischen Kontinent vorkoloniale Strukturen (afrikanische Staaten und Reiche). Während diesem Thema in Geschichtsatlanten aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Belgien oftmals ein fester Platz eingeräumt wird, so sind Darstellungen in dieser Form (Afrika-Karte) aus Polen, Rumänien, Ungarn und Russland deutlich seltener zu finden. Auch wenn die Daten für niederländische und portugiesische Geschichtsatlanten diesen Befund nicht stützen (vgl. Anlage 15), ist doch aber feststellbar, 7 8 9 10
Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 39. Ebenda, S. 36 f. Ebenda, S. 37 f. Ebenda, S. 12. Angelika Hartmann bemerkt in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass sich »in der Erinnerung und im kollektiven Gedächtnis zeitliche und räumliche Organisationsprinzipien [verschränken]«; Hartmann, Angelika: Konzepte und Transformationen der Trias »Mental Maps, Raum und Erinnerung«, in: Damir-Geilsdorf, Sabine/Hartmann, Angelika/Hendrich, B¦atrice (Hrsg.): Mental Maps-Raum-Erinnerung. Kulturwissenschaftliche Zugänge zum Verhältnis von Raum und Erinnerung. Münster 2005, S. 11.
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dass Geschichtsatlanten aus Ländern mit eigener kolonialer Vergangenheit eher vorkoloniale afrikanische Räume kartieren (Afrika-Karte), als dies Geschichtsatlanten aus ost- bzw. ostmitteleuropäischen Staaten tun, die keinerlei eigene Besitzansprüche auf dem afrikanischen Kontinent geltend machten. Bei Schulgeschichtsatlanten und allgemeinen Geschichtsatlanten überwiegt deutlich der Anteil jener, die die Herrschaftsstrukturen in Afrika vor dem Beginn der eigentlichen Expansion nicht kartieren. Doch deutet der erhöhte Anteil von nichtschulbezogenen Produktionen auf eine Behandlung als Spezialthema hin, das für Vermittlungskontexte eine geringere Relevanz besitzt (vgl. Abbildung 4). Besonders britische, französische und deutsche Publikationen mit eher wissenschaftlichem Anspruch widmen sich dieser Thematik sehr intensiv.11 Zu betrachten ist dies aber im Kontext der vor allem in Großbritannien seit den 1980er Jahren intensiv geführten Auseinandersetzung um postkoloniale Theorien, sodass die Darstellung afrikanischer Geschichte im Kartenbild auch im Kontext der Überwindung eurozentrischer Darstellungsmuster zu werten ist.12 Umso bedeutender scheint die Frage nach den Darstellungskontexten zu sein, in denen afrikanische Staaten und Reiche13 in europäischen Geschichtsatlanten kartiert werden (Vgl. Abbildung 5). Schließlich erfolgt hier nicht nur eine thematische Zuordnung, sondern durch diese Form der inhaltlichen Kontextualisierung wird die Gesamtaussage einer Geschichtskarte massiv beeinflusst. Es konnten sehr unterschiedliche Darstellungskontexte (meist im Zeitraum vom 15. bis 19. Jahrhundert) ausgemacht werden, wie beispielsweise die Verortung afrikanischer Staaten und Reiche zusammen mit dem transatlantischen Sklavenhandel (I). Vorkoloniale Strukturen werden hier als Rohstofflieferanten kartiert, aus denen die Ressource Sklave Richtung Küste oder via Transsahararouten nach Norden transportiert wird.14 Auch wenn die Namen Goldküste und Elfenbeinküste auf andere wichtige Ressourcen hinweisen, so war es doch vor allem eines – eine »Sklavenküste«. Worüber Geschichtskarten allerdings eher selten bis gar keine Auskunft geben, ist die Verlagerung dieses Sklaven-
11 Vgl. u. a. Bertin/Vidal-Naquet: Histoire de l’humanit¦; Barraclough, Geoffrey/Stone, Norman: The Times Atlas of World History. London 1997; Vaighi, Maria: Atlante Storico Del Mondo. Novara 2005; Haywood: The age of discovery ; Black, Jeremy : Warfare – Renaissance to Revolution 1492 – 1792. Cambridge 1996. 12 Vgl. hierzu Bachmann-Medick: Cultural Turns, S. 184ff; Young: Postcolonialism, S. 57 ff. 13 Winfried Speitkamp weist allerdings auf die Gefahr von »missverständliche Assoziationen« hin, die der »Staatsbegriff« für die Zeit bis ins 18. Jahrhundert hervorrufen könnte (Afrika), sodass er die Bezeichnung »Staatlichkeit« vorschlägt; Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 39. 14 32 % der Atlanten, die afrikanische Staaten und Reiche kartieren (N=79) nutzen den Darstellungskontext des transatlantischen bzw. des transsaharischen Sklavenhandels; Vgl. Abbildung 5.
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handels nach Süden, sodass im 17. Jahrhundert Benin und Biafra (heute: Nigeria) und im 18. bzw. 19. Jahrhundert sogar Angola betroffen waren.15 Besonders im Zuge der beginnenden europäischen Expansion (II) wird der afrikanische Kontinent als Raum großer Reiche dargestellt16, der durch seine vielen Leerstellen menschenleere Räume suggeriert und somit zum Entdecken und Erobern geradezu einlädt. Die ersten portugiesischen und niederländischen Stützpunktkolonien entlang der afrikanischen Küste wirken hier an sich wenig bedrohlich gegenüber den großen westafrikanischen Reichen. Exemplarisch seien hier nur die Reiche Ghana17 und Mali erwähnt, die jeweils »Zonen verdichteter Herrschaft« darstellten, indem sie von »starken Zentren […] die Macht unterschiedlich weit aus[strahlten]«18. Besonders Mali entwickelte sich bereits ab 1235 durch seine Anbindung an die Transsahararouten zu einem der größten Handelszentren der Welt und bescherte seinen Herrschern einen immensen Reichtum. Mit dem finanziellen Wohlstand ging auch die wissenschaftliche Entwicklung einher, sodass Timbuktu beispielsweise (weit vor den portugiesischen Erkundungen an der westafrikanischen Küste) nicht nur einer der bedeutendsten Handelsplätze des afrikanischen Kontinents war, sondern seine Hochschule bereits Gelehrte mit Ägypten und Spanien austauschte19. Ab 1464 übernimmt allerdings das Songhay-Reich mit dessen neuen Hauptstadt Gao die Vormachtstellung in dem bisher von den Herrschern Malis kontrollierten Gebiet.20 Weder diese Entwicklungen in Westafrika, noch die vorherrschenden Herrschaftsstrukturen stellen europäische Geschichtskarten umfassend dar. Es handelt sich bei Afrika-Karten, die vorkoloniale afrikanische Staaten und Reiche kartieren, vielmehr um eine Art Bestandsaufnahme als um eine differenzierte Darstellung von Herrschaftsverhältnissen. Ursächlich dafür sind einerseits die fließenden Übergänge, in denen sich Machtstrukturen im Laufe der Zeit verlagern, und andererseits eine teilweise ungesicherte Quellenbasis bezüglich territorialer Ausdehnungen und entsprechender Grenzverläufe. Schriftlichen Aufzeichnungen zur Geschichte sind vor der europäischen Kolonialherrschaft in Afrika und damit eng verbundenen missionarischen Einflüssen nur schwer auszumachen, schließlich waren beispielsweise »Yoruba und Bini […] ebenso 15 Vgl. Ansprenger : Geschichte Afrikas, S. 44. 16 62 % der Atlanten, die afrikanische Staaten und Reiche kartieren, nutzen den Darstellungskontext der europäischen Expansion (vgl. Abbildung 5). 17 Hier ist allerdings keine territoriale oder ethnische Verbindung zum heutigen gleichnamigen Staat auszumachen. Vielmehr erstreckte sich das Königreich über die heutigen Staaten Senegal, Mauretanien und Mali; Vgl. Van Dijk, Lutz: Die Geschichte Afrikas. Frankfurt 2004, S. 68. 18 Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 49. 19 Eine vergleichsweise seltene Detailkarte zum »Empire of Mali« bietet beispielsweise der »Atlas of Empires«, Vgl. Davidson, Peter : Atlas of Empires. London u. a. 2011, S. 131. 20 Vgl. Van Dijk: Die Geschichte Afrikas, S. 69.
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wie die Kikuyu schriftlose Völker, ihre Mythen und Traditionen wurden bis dahin mündlich überliefert«21. Kartenautor/innen bzw. Kartenredaktionen stehen allerdings vor einer schwierigen Aufgabe, wenn sie eine solch flexible Kategorie Grenze22 mit Hilfe der kartographischen Grundelemente Punkt, Linie und Fläche visualisieren wollen. Schließlich konstituieren Grenzen die soziale Welt und unterliegen einem permanenten Wandel, sodass sie eine »universale Kategorie [darstellen], die Mensch, Natur und Gesellschaft betrifft«23. So ist Alexander Demandt auch in Bezug auf die Darstellung von Grenzen im vorkolonialen Afrikas zuzustimmen, wenn er davon ausgeht, dass Grenzen das »Ergebnis von Wanderungen, Eroberungen und Kriegen, [hingegen] selten das Resultat gütlicher Einigung [sind]. Sie bezeichnen Linien, an denen Bewegungen zur Ruhe gekommen sind, wo Kraft und Widerstand ihren Ausgleich gefunden haben«24. Über die inneren und äußeren Kräfteverhältnisse, die zu Grenzziehungen bzw. Grenzveränderungen führten, werden in diesem Zusammenhang nur selten Aussagen getroffen, sodass auch entsprechende Wanderungsbewegungen oder Expansionsbestrebungen oft nur begrenzt thematisiert werden. Eng damit verbunden sind Überlappungszonen und sozio-kulturelle Vermischungen, die bei solchen mobilen Gesellschaften entstanden.25 Auch wenn der dargestellte Zeitraum dieser Geschichtskarten in der Regel vom 15. bis ins 19. Jahrhundert hineinreicht, so werden die Veränderungen afrikanischer Herrschaftsstrukturen durch die beginnenden kolonialen Einflüsse nur begrenzt kartiert. Mithilfe europäischer Feuerwaffen und Militärtechniken gelang es beispielsweise dem Ashanti-Reich (im heutigen Ghana) nicht nur einen Küstenzugang zu erobern, sondern ihr Territorium generell 21 Speitkamp, Winfried: Geschichte im Raum. Afrikanische Geschichtsdarstellungen in vorkolonialer und kolonialer Zeit, in: Damir-Geilsdorf, Sabine/Hartmann, Angelika/Hendrich, B¦atrice (Hrsg.): Mental Map-Raum-Erinnerung. Kulturwissenschaftliche Zugänge zum Verhältnis von Raum und Erinnerung. Münster, S. 185. 22 Vgl. Weinbrenner, Uta: Europas Grenzen. Anregung zu ihrer Darstellung in Schulbüchern der Geographie, in: Internationale Schulbuchforschung 18 (1996), S. 65. Vgl. zu Fragen der »Grenze und ihrer Darstellung« auch: Bachmann-Medick: Cultural Turns, S. 297; Speitkamp: Geschichte im Raum, S. 189ff; Black: Maps and History, S. 218 ff.; Böttcher : Die (Un) möglichkeit Grenzen auf Karten zu verstehen, S. 3ff; FranÅois, Etienne/Seifert, Jörg/Struck, Bernhard (Hrsg.): Die Grenze als Raum. Erfahrungen und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2007; Demhardt: Deutsche Kolonialgrenzen in Afrika; Melber, Henning: Grenzen des (post-)kolonialen Staates. Von Deutsch-Südwest nach Namibia, in: Becker, Joachim/Komlosy, Andrea: Grenzen weltweit. Zonen, Linien, Mauern im historischen Vergleich. Wien 2006, S. 125 – 140. 23 Becker, Joachim/Komlosy, Andrea: Grenzen und Räume – Formen und Wandel, in: Ders. (Hrsg.): Grenzen weltweit, S. 21. 24 Demandt, Alexander : Die Grenzen in der Geschichte Deutschlands, in: Demandt, Alexander (Hrsg.): Deutschlands Grenzen in der Geschichte. München 1991, S.19. 25 Vgl. Speitkamp: Geschichte im Raum, S. 189.
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auszuweiten.26 Das Eindringen der Europäer löste an der westafrikanischen Küste eine ganze Reihe von Kettenreaktionen aus. Im Zuge des sich etablierenden transatlantischen Sklavenhandels und einer stärkeren Anbindung an die Transsahararouten in Westafrika entwickelten sich die sogenannten HausaStadtstaaten als »Zonen verdichteter Siedlungen […], die eher Stadtlandschaften glichen und in großen Teilen polyzentrisch organisiert waren«27. Eng verbunden mit der kolonialen Eroberung Afrikas sind die europäischen Forschungsreisen des 19. Jahrhunderts (III) ins Landesinnere.28 Eric J. Hobsbawm bemerkt allerdings, dass bis auf wenige Ausnahmen diese »Forschungsreisen keine ›Entdeckungsfahrten‹ mehr dar[stellten], sondern eher athletische Unternehmungen, häufig durchgesetzt von starken Elementen persönlicher oder nationaler Rivalität«29. Es sind koloniale Helden, wie David Livingston (1813 – 1873), Sir Henry Morton Stanley (1841 – 1904), Ren¦ Cailli¦ (1799 – 1838) oder Heinrich Barth (1821 – 1865), die auf Geschichtskarten den schwarzen Kontinent durchdringen und die weißen Flecken auf den Landkarten scheinbar zu kolorieren versuchen. Die afrikanischen Staaten und Reiche werden auf diesen Entdeckerkarten allerdings nur am Rande erwähnt, da der Darstellungsschwerpunkt vielmehr auf den Reiserouten und auf den dabei durchquerten afrikanischen Machtzentren jener Zeit liegt. Qualitative Darstellungen zu afrikanischen Macht- und Einflusszonen finden sich in der Regel nicht. Generell kann festgestellt werden, dass afrikanische Staaten und Reiche deutlich häufiger im Kontext europäischer Expansionen und Forschungsreisen dargestellt werden (62 %), als ohne europäischen Einfluss (41 %).30 Aber wie begegnen Kartenautor/innen in europäischen Geschichtsatlanten den beschriebenen Problemen bei der Kartierung afrikanischer Staaten und Reiche? Dabei können ganz unterschiedliche Formen der Darstellung ausgemacht werden, die von der bloßen schriftlichen Benennung bis hin zur detaillierten Beschreibung von Machtbereichen und Wanderungsbewegungen reichen kann. So zeigt Abbildung 6 den Ausschnitt einer Afrika-Darstellung für den Zeitraum von 1500 bis 1800 aus dem »Putzger : Historischer Weltatlas«. Neben dem transatlantischen Sklavenhandel (Sklavenmärkte, Handelsrouten), sonstigen Handelswaren und den von außerafrikanischen Mächten kontrollierten Gebieten (Stand 1783) werden hier auch afrikanische Staaten und Staatsgebilde,
26 Vgl. Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 50. 27 Ebenda, S. 51. 28 30 % der Atlanten, die afrikanische Staaten und Reiche kartieren (N=79) nutzen den Darstellungskontext der europäischen Entdecker, während sogar 41 % auf die Kartierung europäischen Einflusses gänzlich verzichten; Vgl. Abbildung 5. 29 Hobsbawm: Das imperiale Zeitalter, S. 25. 30 Vgl. Abbildung 5.
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sowie afrikanische Reiche in zwei Zeitschichten dargestellt (Afrika im 16./17. und 17./18. Jahrhundert). Hier fallen besonders unterschiedliche Formen der Grenz- und Raumdarstellung auf: Während afrikanischen Reiche im 16. und 17. Jahrhundert mit einer markanten Randfärbung und einer transparenten Flächenfärbung versehen wurden, wird die ungefähre territoriale Ausdehnung afrikanischer Staaten bzw. Staatsgebilde im 17. und 18. Jahrhundert in Form von Einflusszonen als wage Grauflächen kartiert. Gerade die Liniensignaturen mit transparenter Flächenfüllung, beispielsweise zur Darstellung des Songhai-Reiches, bietet so die Möglichkeit zwei Zeitschichten übereinander zu präsentieren, ohne jedoch auf eine übersichtliche Gesamtdarstellung verzichten zu müssen. Im Gegensatz zu vielen anderen Abbildungen kann durch diese Darstellungsmethode die veränderte Herrschaftsstruktur in Afrika seit 1500 in seiner zeitlichen Variabilität erfasst werden. Allerdings suggeriert eine solche Form der Liniensignatur ein festes Staatsgebiet mit starren Grenzen, im Gegensatz zu den »Einflusszonen« des 17./18. Jahrhunderts, bei denen der Kartennutzer fließende Grenzen vermuten kann. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die zeitliche Spezifizierung der unterschiedlichen Reiche in der Zeichenerklärung (z. B. Songhai-Reich in seiner Ausdehnung um 1515). Ferner bleibt der europäische Einfluss auf den afrikanischen Kontinent in dieser Geschichtskarte offenbar nur auf die unter europäischer Kontrolle befindlichen Gebiete und den transatlantischen Sklavenhandel beschränkt (Beschriftung: »niederländische und portugiesische Händler«). Über sonstige direkte oder indirekte Einflussnahme auf die afrikanischen Herrschaftsverhältnisse und Machtstrukturen kann der Karte allerdings keinerlei Aussage entnommen werden. In der Geschichtskarte vom Klett-Perthes Verlage (Abbildung 7) werden neben den »europäischen Besitzungen« vom 15.–17. Jahrhundert auch eine Auswahl afrikanischer Staaten kartiert.31 Für letztgenannte werden ebenso zwei Zeitschichten (vor 1500 und im 16./17. Jahrhundert) angeboten. Allerdings sind die territorialen Veränderungen bis zum 16./17. Jahrhundert aufgrund von Überlappungseffekten nicht immer eindeutig erkennbar. Deutlich wird hingegen, dass die »Hauptgebiete des Sklavenfangs im 17. Jahrhundert« weit ins Landesinnere hineinreichten. Kartennutzer/innen können auch hier lediglich Vermutungen darüber anstellen, inwieweit dadurch das Staaten- und Herrschaftsgefüge in Westafrika nachhaltig beeinflusst wurde. Eine Entwicklung der afrikanischen Staaten und Reiche vom 16./17. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhun31 Auf die Thematisierung von Sklavenmärkten wird in dieser Karte bewusst verzichtet, da sich auf der Atlasseite ebenfalls eine Detailkarte zu »Europäischen Sklavenhandelsstützpunkten an der Goldküste« befindet; Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Perthes Atlas: Geschichte. Gotha 2011, S.181.
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dert hinein wird deutlich, wenn zwei Karten im Zusammenhang betrachtet werden (Kartenfolge – Abbildung 7). Nicht nur die Ausweitung europäischer Besitzungen entlang der afrikanischen Küsten, sondern der Auf- und Abstieg afrikanischer Reiche wird so unter europäischem Einfluss deutlich. Im Gegensatz zur Darstellung im Putzger »Historischer Weltatlas« werden die Gebiete entlang der Goldküste aber nicht nur als Sklavenmärkte ausgewiesen, sondern als portugiesische Besitzungen kartiert, wodurch der Darstellungsfokus eher auf der europäischen Geschichte als auf den afrikanischen Staaten und Reichen liegt. Eine andere Möglichkeit vorkoloniale afrikanische Herrschaftsstrukturen kartographisch umzusetzen bietet ein Kinderatlas aus Großbritannien (Abbildung 8). Diese inhaltlich stark reduzierte Darstellung beschränkt sich lediglich auf die Abbildung wesentlicher Kingdoms, die in leuchtendem Rot auf einer Afrika-Karte dargestellt sind. Die Besonderheit an dieser Kartierung sind aber die Randgebiete dieser Kingdoms, die jeweils von einer dunkelroten und nach außen hin schattenwerfenden Kontur umgeben sind. Bewusst oder unbewusst gewählt, repräsentieren diese Darstellungen weitläufige (Grenz-)Räume und sind dabei Ausdruck einer nur ungenauen Angabe territorialer Ausdehnungen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Grenzen nicht einfach vorhanden sind (im Sinne natürlicher Grenzen), sondern erst durch handelnde Menschen entstehen.32 Neben umfangreichen Detailkarten zu Westafrika in der vorkolonialen- und kolonialen Zeit, wird in der französischen Atlasproduktion von George Duby großer Wert auf die Darstellung von Bewegung und Wandel afrikanischer Staaten und Reiche gelegt. So sind hier beispielsweise die Eroberungen durch die Ashanti vom 17. bis 18. Jahrhundert durch Pfeilsignaturen angedeutet, die aus dem Kernsiedlungsgebiet ins Umland ragen (Abbildung 9). Zwar gibt diese Darstellung Auskunft darüber, dass eine territoriale Erweiterung stattgefunden hat, aber qualitative bzw. kontextualisierende Informationen kann diese Geschichtskarte nicht bieten. So gelang es den Ashanti beispielsweise einen Zugang zur Küste zu erobern und letztlich sogar ein Handelssystem zu etablieren, das auf Gold- bzw. Sklaventransporten aus den Binnenregionen an die Küste basierte und somit bis ins 19. Jahrhundert hinein ökonomische Absicherung bedeutete.33 Eine weitere Darstellungsvariante, um afrikanische Staaten und Reiche zu kartieren, bietet das Beispiel einer Geschichtskarte aus Polen (Abbildung 10). Während in den vorhergehenden Darstellungen Variationen flächenhafter Signaturen (farbig) zur Verortung genutzt wurden, so erfolgt hier eine territoriale 32 Vgl. Kreft, Wolfgang: Grenzen im östlichen Mitteleuropa des 19. und 20. Jahrhunderts im Kartenbild. Marburg 1995, S. 1 ff. 33 Vgl. Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 50.
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Zuordnung lediglich durch die schriftliche Benennung. Dadurch werden zwei Zeitzustände deutlich voneinander unterschieden – nämlich die Zeit vor dem Kolonialismus (»vorkoloniale Staaten«) und der eigentliche Darstellungszeitraum (»19. Jahrhundert bis zum Jahr 1870«). Allerdings wird so dem Betrachter suggeriert, dass die hier verorteten Staaten und Reiche lediglich vor dem europäischen Kolonialismus zu finden waren. Über Wanderungen, Eroberungen bzw. Expansionen werden keinerlei Angaben gemacht, sodass der Darstellungsfokus deutlich auf den europäischen Besitzansprüchen liegt und afrikanische Herrschaftsstrukturen nur als Überbleibsel kartiert werden. In der Regel stehen Darstellungen vorkolonialer afrikanischer Staaten und Reiche nicht allein auf einer Atlasseite (Vgl. Abbildung 11), sondern sind oftmals eingebunden in eine direkte Kartenfolge (58,2 %)34 oder verwenden sogar Detailkarten (13,9 %)35. Einerseits handelt es sich bei den Kartenfolgen um thematische Sequenzen, indem separate Karten zum transatlantischen Sklavenhandel, zu Forschungsreisen und Karten zu Herrschaftsstrukturen oder Ressourcen dargeboten werden.36 Andererseits sind es vor allem chronologische Sequenzen, die häufig das beginnende europäische Übergreifen auf Afrika bis Anfang des 19. Jahrhunderts, gefolgt von der konsequenten Aufteilung des schwarzen Kontinents am Ende des 19. Jahrhunderts, darstellen.37 Oftmals handelt es sich hier nicht um die Darstellung der Geschichte afrikanischer Staaten und Völker, sondern vielmehr um eine Geschichte des Raumfüllens seitens der europäischen Kolonialmächte. So erinnern solche chronologischen Kartensequenzen an Positionierungen, die schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts »das subsaharische Afrika nicht nur als schrift- und geschichtslosen, sondern auch als grenzenlosen Kontinent beschrieben, als amorphe Masse, als undurchdringlichen Raum, der nicht zur Gliederung in Territorialstaaten gefunden habe«38. Die Geschichte afrikanischer 34 Gemeint sind hier Karten (gleichen Raumausschnittes bzw. Zentrierung/Maßstab/Projektion), die in einem Geschichtsatlas in kurzem Abstand aufeinander folgen bzw. sogar auf einer Atlasseite/ -doppelseite zusammen abgebildet sind. 35 Vgl. z. B. Duby : Atlas historique Mondial, S. 230 f; Pederby /Sandberg: Historien I Kartor, S. 56 f. 36 Vgl. z. B. Adams, Xavier/Colle-Michel, Marcella: L’ atlas d’histoire Êrasme, Namur 2004, S. 33; Wipszycka-Bravo, Ewa/Tazbir, Julia/Tazbir, Janusz/Scwarc, Andrzej/Roszkowski, Wojciech: Wielki Atlas Historyczny. Warschau 2008, S. 82 f; Birkenfeld, Wolfgang/Bode, Dieter/Zahn, Ulf: Westermann Geschichtsatlas. Braunschweig 2000, S. 24 f; Vaighi, Maria: Atlante Storico Del Mondo. Novara 2005, S. 108 f. 37 Vgl. z. B. Martynova, T. I.: Atlas ˇskol’nika – zarubezˇnaja istorija s drevniejsˇich vremen do nacˇala XXI v. Moskau 2008, S. 88 f; Latisˇenka, Aru¯nas: Naujuju laiku istorijos atlasas 9 klasei. Wilna 2004, S. 16 f; Bertin/Vidal-Naquet: Historischer Bild-Atlas, S. 182 f; Genicot, L¦opold/ Georges, Jean/Bruneel, Alfred: Atlas Historique. Les grandes ¦tapes de l’Histoire du Monde et de la Belgique. Namur 2002, S. 60. 38 Speitkamp: Geschichte im Raum, S. 184.
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Staaten und Reiche ist keine Geschichte von Grenzen im modernen territorialstaatlichen Sinne – vielmehr muss von Grenzregionen, Einfluss- und Machtbereichen sowie von Kontakt- und Handelsnetzen ausgegangen werden, deren Intensität bzw. Dichte zur Peripherie hin nachließ.39 Die Kartenausschnitte zeigen nicht nur unterschiedliche Möglichkeiten der Raum- und Grenzvisualisierung, sondern zugleich auch die Darstellung scheinbar leerer Räume. Nach John Brian Harleys Annahme vom produktiven Schweigen der Karte (»the silence of maps«40) erfüllen auch diese Leerstellen eine wichtige Funktion im Kommunikationsmedium Geschichtskarte. Allerdings ist das Schweigen an dieser Stelle nicht nur Ausdruck einer bewussten Kartierung, sondern auch das Ergebnis ungenauer bzw. ungesicherter Erkenntnisse über Grenzen und Räume im vorkolonialen und kolonialen Afrika. Jeremy Black stellt in diesem Zusammenhang fest: »Mapping African kingdoms is often an act of unacknowledged analysis, rather than the cartographic rendering of a clear-cut reality. It is right to try to do this as it matters to any historian where things approximately were. However, the mapping itself reifies ideas in a way that makes assumptions about the actual nature of pre-colonial organizations«41
Dennoch bleibt zu betonen, dass gerade im 19. Jahrhundert diese leeren Räume kulturell produziert wurden und somit als bedeutende Bestandteile des Kolonialisierungsprozesses anzusehen sind. Zwar waren »Menschen und Handlungen von kulturell determinierten Konstruktionen des Raumes und der Raumerfahrung bestimmt«42, aber die weißen Flecken auf den Landkarten (insbesondere Afrikas) waren es, die den »Mythos, mit dem die Kolonisatoren ihre historische Mission [zu] legitimieren [ver]suchten«, forcierten.43 Die Kartographie des 19. Jahrhunderts verwandelte schließlich annektierte Räume in »lesbare, geordnete und damit kontrollierbare imperiale Territorien […]. Es ist dies eine Praxis, die Orte produziert oder entfernt, um eine für die Kolonialmacht sinnvolle Perspektive auf die Welt durchzusetzen«44. Bei der Analyse aktueller Geschichtskarten finden sich nicht nur jene beschriebenen weißen Flecken, sondern auch ein damit verbundener Transport von Raumbildern. Gewollt oder ungewollt suggerieren auch diese Karten einen 39 40 41 42
Vgl. Speitkamp: Geschichte im Raum, S. 189. Harley : The new nature of maps, S. 85 ff. Black: Maps and History, S. 192. Honold, Alexander : Zur Kolonisierung des geographischen Raumes, in: Geppert, Alexander C. T./Jensen, Uffa/Weinhold, Jörn: Ortsgespräche. Raum und Kommunikation im 19. Und 20. Jahrhundert, S. 137. 43 Ebenda, S. 140. 44 Varela/Dhawan/Randeria: Postkoloniale Theorie, S. 311.
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unerschlossenen und noch zu kultivierenden afrikanischen Kontinent und kartieren damit vorranging eine eurozentrische Perspektive.45 Einen Versuch, die Darstellung leerer Räume zu vermeiden, bietet der belgische »Atlas d’Histoire« an.46 In einer Karte, die ihren Darstellungsfokus deutlich auf die europäischen Forschungsreisen in Afrika (19. Jahrhunderts) legt, werden nicht afrikanische Staaten und Reiche, sondern ethnische Gruppe kartiert. Ob diese Darstellung allerdings wesentliche Vorteile mit sich bringt, bleibt zu bezweifeln. Schließlich ist die Kartierung ethnischer Grenzen auch eine nicht zu unterschätzende Gratwanderung zwischen Fakt und Fiktion und wirft in der Regel mehr Fragen auf als sie zu beantworten. Eine andere Möglichkeit, die Suggestion leerer Räume zu vermeiden, zeigt »The Times Atlas of World History«47. Genutzt wird hier eine Kartenfolge, die einerseits die vorkolonialen afrikanische Herrschaftsbereiche und Handelsrouten/Sklavenrouten auf einer physischen Karte zeigt und andererseits afrikanische Sprachen auf einer separaten thematischen Karte darstellt. Da die Kartierung von Sprachengrenzen bei weitem nicht die Brisanz ethnischer Grenzen enthält, scheint diese Darstellungsart durchaus geeignet zu sein, um nicht das Bild des vorkolonialen Afrikas als weißer Flickenteppich zu transportieren. Auch wenn es kein Patentrezept für eine Geschichtskarte Afrikas frei von eurozentristischen Vorwürfen gibt, so muss neben den kartographischen Möglichkeiten (Schraffuren, verblassende Effekte, farbliche Kontraste, Kartenfolgen etc.) dem Text die bedeutende Rolle zukommen. Text muss jene Grenzen der Geschichtskarte aufheben und relativieren, indem er entsprechende Kontexte und Diskurse aufzeigt. Denn nur dann kann die Geschichtskarte ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht werden, nämlich die räumliche Komplexität ganzheitlich darzustellen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Geschichtskarten in Geschichtsatlanten, denn vor allem sie sind es, die Themen in unterschiedlichen Darstellungskontexten kartieren können (vgl. Abbildung 5). Durch Detailkarten zu West- oder Südafrika, unterschiedliche Darstellungsschwerpunkte in Afrika-Karten in einer Kartenfolge (Sklaverei, Forschungsreisen, europäische Expansion etc.) und ergänzende globalgeschichtliche Perspektiven (Weltkarten zu unterschiedlichen Zeiträumen) werden sogar multiperspektivische Bezüge bezüglich der Geschichte afrikanischer Staaten und Reiche realisiert.
45 Vgl. hierzu auch Comaroff, John L./Comaroff Jean: Hausgemachte Hegemonie, in: Conrad/ Randeria: Jenseits des Eurozentrismus, S. 251. 46 Patart, Christian: Atlas d’Histoire, Hayt de boeck, Brüssel 2006, S. 116. 47 Barraclough: The Times Atlas of World History, S. 60 f.
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5.1.2. Die Rolle von Farben bei der Kartierung kolonialer Herrschaft »Kein Imperium kann auf die symbolische Sichtbarmachung der Reichseinheit verzichten«48. In Geschichtskarten, die das imperiale Zeitalter (1875 – 1914)49 präsentieren, werden Farben zu solchen wirkmächtigen Symbolen, wie das Beispiel des Britischen Empires deutlich zeigt. Der wohl bekannteste Satz des britischen Unternehmers und Politikers Cecile Rhodes: »to paint the whole Map of Africa red – red from Cape to Cairo. That is my creed, my dream and my mission in life«50, ist hingegen symptomatisch für die Symbolkraft und die Macht der Farbe Rot in Bezug auf das Britische Empire. Das Innere des schwarzen Kontinents galt noch bis ins 19. Jahrhundert hinein als terra incognita und somit als »unverteilt«51. Darüber hinaus geriet insbesondere Ägypten durch den Bau des Suezkanals, als direkte Verbindung zum britischen »jewel in the crown«52 in den besonderen Fokus des Empires. Schließlich war Indien zum »Mittelpunkt eines politisch-militärischen wie auch wirtschaftlichen Kraftfeldes weiträumiger Wirkung [geworden]. Es diente als Militärbasis zur Kontrolle des gesamten Orients«53. Autoren wie John Brian Harley und Jeremy Black betonen mit ihrer dekonstruktivistischen Positionierung politische, aber auch sozio-kulturelle Einflussfaktoren der Kartenproduktion – so seien es einerseits der »Wunsch der Mächtigen eines Staates, [dass historische Kartographie] Machtausübung widerspiegelt«54, und andererseits die Staaten selbst, die Einfluss auf die Produktion von Karten nehmen. Besonders die Imperialismus-Karte des Britischen Empires (Empirekarte) zeigt seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts deutlich die Verbindung zwischen »Nationale[r] Kartographie und Nationalis-
48 Osterhammel, Jürgen: Symbolpolitik und imperiale Integration. Das britische Empire im 19. und 20. Jahrhundert, in: Ders./Giesen, Bernhard/Osterhammel, Jürgen (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Symbole. Grundlagen der Kommunikation in historischen und gegenwärtigen Gesellschaften. Konstanz 2004, S. 399. 49 Entgegen der Vorstellung Eric Hobsbawns von dem einen »imperialen Zeitalter« (1875 – 1914), beschreibt Jürgen Osterhammel sogar drei »Zeitalter des globalen Imperialismus«; Vgl. Hobsbawn: Das imperiale Zeitalter ; Vgl. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 621. 50 Zitiert bei Mylam, Paul: The cult of Rhodes – remembering an imperialist in Africa. Claremont 2005, S. 95. 51 Schöllgen, Gregor/Kiessling, Friedrich: Das Zeitalter des Imperialismus. München 2009, S. 54. 52 Besonders Benjamin Disraeli prägte diese Bezeichnung für Indien, zitiert durch: Stuchtey, Benedikt: Die Europäische Expansion und ihre Feinde. Kolonialismuskritik vom 18. bis 20. Jahrhundert. München 2010, S. 190. 53 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 159. 54 Laidlaw: Das Empire in Rot, S. 148.
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mus«.55 Die daraus resultierende enge Verbindung von Kartographie und dem für Nationalismus so essentiellen Territorium beschreibt Matthew E. Edney wie folgt: »Imperialism and mapmaking intersect in the most basic manner. Both fundamentally concerned with territory and knowledge. […] This Satire is rooted in an important realization: knowledge of the territory is determined by geographic representations and most especially by the map.«56
Weiterhin weist er darauf hin: »[…] ›empire‹ and ›map‹ are discursive constructions. […] Ideas of ›empire‹ and ›map‹ have, in the modern world at least, developed together and in reference to each other.«57 Besonders Rot, die Farbe des Blutes und des Feuers, aber auch Sinnbild des Krieges58, ist durch die Verwendung im Kartenbild (Empirekarte) eng mit dem britischen Imperialismus verbunden. Die nationale Bedeutung der Farbe Rot reicht allerdings bis in die Zeit der Kreuzzüge zurück, als das rote St. George’s Cross auf weißem Grund zur Flagge Englands erhoben wurde.59 Die besondere Bedeutung der Farbe Rot für die Darstellung des Britischen Empires resultiert auch aus der Konnotation der Farbe mit militärischer Macht, denn die Rotröcke, wie die britischen Truppen besonders in Nordamerika genannt wurden, waren Sinnbild imperialer Überlegenheit. Doch wurde das leuchtende Rot nicht nur zur besseren Identifizierung eigener Truppen auf den zum Teil dicht bewaldeten Schlachtfeldern Nordamerikas ausgewählt, sondern es war schlichtweg die kostengünstige Verfügbarkeit, die Rot zur Standard-Uniformfarbe des britischen Militärs werden ließ.60 So wird gerade an diesem Beispiel deutlich, inwiefern naturalistische Nähe und direkte bzw. indirekte Ähnlichkeit zum Objekt auf die Farbgebung in Geschichtskarten einwirken können. Bereits 1733 veröffentlichte Henry Popples eine Kartenserie zu Nordamerika, 55 Laidlaw: Das Empire in Rot, S. 148. 56 Edney : Mapping an Empire, S. 1; Vgl. hierzu auch Akerman, James R. (Hrsg.): The Imperial Map. Cartography and the Mastery of Empire. Chicago 2009. 57 Edney : The Irony of Imperial Mapping, in: Akermann: The Imperial Map, S.12. 58 Vgl. Heller : Wie Farben wirken, S. 51 ff. 59 Mit der endgültigen Vereinigung von Schottland und England (Act of Union 1707) und der Integration Irlands (1801) wurden auch die Flaggen vereinigt (Überlagerung). Das schottische »St. Andrew Cross«, das irische St. Patricks Cross und das englische St. Georg’s Cross (rot) bilden somit bis heute den Union Jack; Vgl. hierzu auch Crampton, William G.: The complete guide to flags. London 1989, S. 23 ff. 60 Vgl. Nolan, Cathal J.: Wars of the Age of Luis XIV, 1650 – 1715. An Encyclopedia of Global Warfare and Civilisation. Westport 2008, S. 484; Vgl. hierzu auch Brumwell, Stephen: Redcoats. The British Soldier and War in the Americas 1755 – 1763. New York 2002; Carman, William Young: British military uniforms from contemporary pictures. Henry VII. to the present day. Feltham 1968.
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in der erstmals die britischen Kolonien rot, die französischen blau und die spanischen gelb dargestellt wurden.61 Die Empirekarte, dessen bekanntester Prototyp die »Imperial Federation Map of the World« aus dem Jahr 1886 darstellt (Abbildung 12), färbt lediglich das britische Territorium rot, während der Rest der Welt in einem unscheinbaren Beige koloriert ist. Im Gegensatz zu Statistiken erschienen Karten in der öffentlichen Wahrnehmung des viktorianischen Empires als vertrauenswürdig, doch setzte sich die Empire-Karte als Symbol britischer Macht und Souveränität erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch. »Karten und Atlanten wurden für Geschäfte, Büros und Gentlemen, das Heim und für Klassenzimmer in der Schule hergestellt. […] In Atlanten blieb Rot mehr und mehr dem Britischen Empire vorbehalten, doch die meisten Kartenwerke verwendeten weiterhin eine Reihe von anderen Farben für nicht-britisches Territorium. Der Grund war, dass Atlanten und Karten für den viktorianischen Betrachter verschiedene Aufgaben erfüllten und nicht nur erzieherisch und politisch, sondern auch dekorativ und ästhetisch sein mussten. Natürlich spielte die Kolorierung eine wichtige wirtschaftliche Rolle: Ein Atlas, der nur eine Farbe verwendete, verkaufte sich weniger gut«.62
Erst mit dem Beginn des Hochimperialismus in den 1880er Jahren wurden Karten, die ausschließlich die Farbe Rot für die Darstellung des Empires verwendeten und auf sonstige Farben verzichteten, verstärkt herausgegeben.63 Ihre besondere Symbolkraft äußerte sich vor allem durch die Präsenz bei bedeutenden Anlässen wie großen Ausstellungen oder sonstigen Feierlichkeiten. So verwundert es nicht, dass neben Atlanten auch Zeitungen und Zeitschriften die Redewendung das Rot gar als Kurzform für das Empire verwendeten. »Am Ende des Jahrhunderts war das Rot ein kraftvolles patriotisches Zeichen des Empires« und leistete so einen unschätzbaren Beitrag zur »Legitimation des Britischen Empires«64. So geht auch Jürgen Osterhammel davon aus, dass vor allem »über die Welt verstreute Imperien der visuellen Vergegenwärtigung [bedürfen]«65. Wie das Beispiel der »Imperial Federation Map« zeigt, ist gerade die Farbe Rot nicht nur ein Vehikel zum Transport von Bedeutungen und Zuschreibungen, sondern vielmehr noch ein Mittel der Produktion von Herrschaftsansprüchen der Metropole gegenüber ihrer Peripherie. Dennoch bemerkt Erwin Riedenauer, dass Rot zwar als »die Farbe des Feuers, wärmend oder warnend [wirkt]«, doch
61 Vgl. Laidlaw: Das Empire in Rot, S. 150. 62 Laidlaw: Das Empire in Rot, S. 157. 63 Vgl. Cook, Terry : A Reconstruction of the World: George Parkin’s British Empire Map of 1893, in: Cartographica Bd. 21 (1984), S. 53 ff. 64 Laidlaw: Das Empire in Rot, S. 158 f. 65 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 150.
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sei die »Komponente der Gewöhnung« nicht zu unterschätzen und verweist dabei auf die Ampelfarben.66 An dieser Stelle sei an die national- und kulturell-spezifische Farbwahrnehmung und deren historischen Wandel erinnert. So ist die Farbe Rot in der traditionellen westeuropäischen Wahrnehmung die Farbe der Aggression, des Krieges oder gar einer sowjetischen Bedrohung, doch kann beispielswiese die russische Wahrnehmung eine vollkommen andere sein. Hier wird schließlich allein durch die sprachliche Verwandtschaft zwischen »[aQb^lZ« (rot) und »[aQbYSlZ« (schön, herrlich, gut)67 ein ganz anderes semantisches Feld generiert. Besonders der Kontrast ist bei der Kartierung von Kolonialreichen das entscheidende Moment der Farbgebung, denn erst die Kartierung des Empires durch die »laute Farbe«68 Rot lässt den beigen Rest der Welt scheinbar in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der Kontrast beeinflusst auch die Größenwahrnehmung von Farbflächen massiv, sodass dunklere Gebiete kleiner wirken als heller kolorierte. Durch seine dunkelrote Färbung wirkt Großbritannien im Gegensatz zu seinen Kolonien deutlich verkleinert, sodass die Aussage unterstrichen wird, die einstige kleine Inselmacht beherrsche nun einen Großteil der Erdoberfläche. Die Farbverwendung kann auch an Farbleitsysteme gebunden sein, sodass beispielsweise für die Darstellung eines Landes innerhalb eines Atlasses immer die gleiche Farbe verwendet wird. Die Flexibilität dieser Farbpaletten muss allerdings im Angesicht des historischen Wandels und entsprechender Bedeutungszuschreibungen auf dem Prüfstand stehen, gerade wenn es zu Statusänderungen wie territorialen Zusammenschlüssen oder Aufteilungen kommt.69 Zwar hat sich das Prinzip der Farbleitsysteme in physisch-geographischen Karten international bewährt, doch geht es in Geschichtskarten schließlich nicht nur um die Kartierung von Gewässern, Vegetation und Oberflächenformen, sondern um die Verortung komplexer Prozesse und Ereignisse im Wandel der Zeit. Aber inwieweit haben koloniale Kartierungsmuster in Karten überdauert? Kann vielleicht sogar von einer Art Persistenz oder gar Konservierung von kolonialen Darstellungsmustern gesprochen werden? Genau diese Fragen gilt es 66 67 68 69
Riedenauer : Zur Funktion der Farbe, S. 925. Vgl. Heller : Wie Farben wirken, S. 51 ff. Riedenauer : Zur Funktion der Farbe, S. 927. Vadim Oswalt weist hier im Zusammenhang mit der Entwicklung von Taschenatlanten bei Klett-Perthes (Weltgeschichte, Deutsche Geschichte) auf die Bedeutung eines »Zeichen- und Farbleitsystems« hin und markiert dabei auch die Notwendigkeit einer »Vielzahl von Farbschattierungen […], um die notwendige Anzahl an Varianten bereit zu halten«; Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 33.
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im Folgenden anhand sogenannter Leitfarben70 aktueller Geschichtskarten in europäischen Geschichtsatlanten zu klären. Koloniale Farbgebung in aktuellen Geschichtskarten Wie das einführende Beispiel zeigt, hat die Farbe Rot eine besondere Symbolkraft und Tradition in der Kartierung des Britischen Empires. Darüber hinaus beschreibt u. a. Christina Böttcher auch für die deutsche Geschichtskartographie Konventionen der Farbgebung. Patrick Lehn markiert im Hinblick auf gebräuchliche Uniformfarben sogar »Kontinuitäten bei der Verwendung von bestimmten Territorialfarben«71, sodass beispielweise für preußische Territorien Blau verwendet wird, nach 1871 auch das Deutsche Reich und sogar die Bundesrepublik Deutschland häufig entsprechend eingefärbt werden.72 Diese beiden wohl bekanntesten Beispiele für Leitfarben wurden anhand von Afrika- und Weltkarten zum imperialen Zeitalter in europäischen Geschichtsatlanten untersucht. Hier zeigt sich eine deutliche Kluft zwischen Schulgeschichtsatlanten und Allgemeinen Geschichtsatlanten – während 28 % der Schulgeschichtsatlanten die Farbe Blau für die Darstellung der Deutschen Schutzgebiete und 25,3 % Rot für die des Britischen Empires verwenden, so ist der Anteil von allgemeinen Geschichtsatlanten in beiden Fällen erheblich geringer (Abbildung 13). Während allgemeine Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich weitgehend auf entsprechende Kolorierungen verzichten oder gar bewusst andere Farben nutzen, so ist das Empire-Rot und das Preußisch-Blau in Vermittlungskontexten offensichtlich noch immer präsent. Auch wenn ein nicht zu verachtender Anteil europäischer Geschichtsatlanten die Symbol-Farben Rot und Blau nutzt, um britische und deutsche Gebietsansprüche einzufärben, kann von einem gemeinsamen europäischen Muster der Farbverwendung keine Rede sein. Ein Blick auf den direkten Ländervergleich zeigt (Abbildung 14): Neben Italien, Russland und den Niederlanden sind es europäische Länder ohne eigenes koloniales Engagement, wie Ungarn, Rumänien und Kroatien, die weitgehend auf die Verwendung von Empire-Rot und Preußisch-Blau verzichten. Gerade britische Atlanten verwenden sogar bewusst andere Farben (meist
70 Hantsche: Geschichtskarten im Unterricht, S. 7. 71 Lehn: Deutschlandbilder, S. 574. Auch Jeremy Black weist auf sich etablierende Farbkonventionen am Beispiel des Britischen Empires hin, Black: Maps ans History, S. 50. 72 Vgl. Böttcher : Theoretische und praktische Aspekte der Schulgeschichtskartographie, S. 61; Vgl. hierzu auch Riedenauer: Zur Funktion der Farbe, S. 925 ff.
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Blautöne)73 für die Kartierung des Britischen Empires, um eben jene negativbesetzten Konnotationen der Farbe Rot zu vermeiden. Diese Farbgebung ist durchaus als Gegenbewegung eines Empire-Hypes zu sehen, der noch vor einigen Jahren in Großbritannien ein deutlich positives Bild der eigenen Kolonialvergangenheit zeichnete. »So wurde etwa das Ende der britischen Kolonialherrschaft in Afrika und Asien lange Zeit zum Ausdruck einer liberalen Denkungsart erklärt, gar zu einer Erfolgsgeschichte aus dem Geist angelsächsischer Freiheitsliebe stilisiert«74. Lediglich in thematischen Atlasproduktionen, die sich ausschließlich der Geschichte des Britischen Empires widmen, werden noch immer verschiedene Rottöne für die Kartierung des Empires verwendet.75 Doch kann von einer generell stereotypen Farbverwendung in britischen Atlanten bezüglich der Empire-Darstellung keine Rede sein. Gerade in Ländern wie Frankreich und Großbritannien, in denen mittlerweile ein zunehmend kritischer Umgang mit der eigenen Kolonialgeschichte erkennbar ist (postkolonialer Diskurs), kann ein weitgehender Verzicht auf jene traditionellen Leitfarben ausgemacht werden. Im Gegensatz dazu wird in spanischen, belgischen, polnischen und deutschen Geschichtsatlanten das Empire-Rot recht häufig verwendet, sodass teilweise sogar von einem kanonisierten Farbgebrauch gesprochen werden kann. Allerdings findet die in der deutschen Geschichtskartographie gebräuchliche Leitfarbe Preußisch-Blau im europäischen Vergleich keine Entsprechung. Neben deutschen sind es bis auf wenige andere Ausnahmen (belgische- und litauische-) vor allem polnische Geschichtsatlanten, die verstärkt Blautöne einsetzten, um deutsche Schutzgebiete darzustellen. Inwieweit sich die Farbgebung in polnischen Geschichtsatlanten aber tatsächlich an denen in Deutschland erschienenen Produktionen orientiert oder ob es vielleicht auch hier entsprechende nationale Darstellungstraditionen gibt, bleibt zu prüfen. Auch wenn allein die Verwendung von Farben in Imperialismus-Karten bereits Aufschluss über Raum- und Geschichtsbilder geben kann, so ist doch besonders die Art der Farbverwendung bei der Visualisierung von räumlichen Strukturen und Prozessen von entscheidender Bedeutung. 73 Vgl. hierzu beispielsweise Haywood: The Cassell Atlas of the 19th Century World 1783 – 1914, S. 16; Black: World History Atlas, S. 96. 74 Eckert: Koloniale Vergangenheit und europäisches Gedächtnis, S. 693. 75 So findet sich u. a. im »Historical Atlas of the British Empire« eine Afrika-Karte zum Imperialismus, die jene von Großbritannien beanspruchten Territorien in einem Rotton darstellt (lachsfarben). Allerdings beschränkt sich diese Farbwahl selbst innerhalb dieses Atlasses auf nur sehr wenige Karten. In der Regel werden Gebietsansprüche des Empires aber auch hier vielmehr senffarben dargestellt; Vgl. Dalziel: Historical Atlas of the British Empire. Im Gegensatz dazu gebraucht allerdings der Atlas von Christopher A. Bayly aus dem Jahr 1989 die Farbe Rot für die Darstellung des Empires auf einer Weltkarte; Bayly : Atlas of the British Empire, S. 120 f.
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Rand- und Flächenfarben »Das Britische Empire und der Rest der Welt« wäre wohl bereits für die »Imperial Federation Map of the World« von 1886 ein passender Titel gewesen (Abbildung 12). Die Macht der Farbe zur Darstellung von Kolonialreichen wird auch in aktuellen Lehrmitteln genutzt. Zwar erschien die Erstauflage des »dtv-Atlas: Weltgeschichte« bereits 1966, doch ist dessen Geschichtskarte zum britischen Empire noch immer in der aktuellen Ausgabe enthalten und wird nach wie vor rezipiert (Abbildung 15). Die rötliche Flächenfärbung der beanspruchten Gebiete dient hier besonders in Kombination mit der eingefügten Statistik dazu, die Relationen zwischen Großbritannien und seinen Kolonien bzw. den Dominions zu veranschaulichen (Bevölkerung und Fläche). Seit 1880 kann Großbritannien durchaus als führende Weltmacht beschrieben werden, denn »[s]ein riesiges Archipel aus Kolonien und Einflusssphären reichte von Westkanada bis nach Südafrika, von Suez bis Honkong«76. Doch suggeriert die Rotfärbung der Welt dem Betrachter, wie vergleichbare Darstellungen anderer Kolonialreiche ebenso, sowohl die vollständige staatliche Kontrolle über jene Territorien als auch eine entsprechende Homogenität des Empires als Ganzes. De facto war das Britische Empire allerdings alles andere als ein monolithisches Gebilde – vielmehr war es »planlos zusammengestückt« und »uneinheitlich«, sodass »[z]u Beginn des 20. Jahrhunderts […] im britischen Kolonialrecht mehr als vierzig Statusarten überseeischer Gebiete [unterschieden wurden], deren Kontrolle sich auf drei Ministerien verteilte«77. Allein unter der Rubrik indirect Rule verbirgt sich ein wahres Sammelsurium von Einflussnahmen und Herrschaftspraktiken. Auch wenn Kanada und Jamaika als Teile des Empires im Kartenbild die gleiche Farbgebung besitzen, so sind die Ähnlichkeiten zwischen beiden Peripherien (im Verhältnis zu Großbritannien) sehr begrenzt – auf der einen Seite »ein sich selbst regierender Proto-Nationalstaat« und auf der anderen Seite eine »Kronkolonie«78. Andreas Eckert weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass »der koloniale Staat [zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg] nicht die Durchsetzungskraft gehabt [hat], die Mobilität der Menschen zu begrenzen. Handel, Arbeitsmigration, grenzüberschreitende Weidewirtschaft sowie Fluchtbewegungen vor Hunger waren möglich und üblich«.79 Entgegen der Farbgebung der Karte, die eine vollständige koloniale Durchdringung des Raumes suggeriert, beschreibt John Darwin den Kolonialstaat vielmehr als einen
76 77 78 79
Darwin: Der Imperiale Traum, S. 307. Osterhammel: Kolonialismus, S. 55. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 619. Eckert: Kolonialismus, S. 66.
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»schlanke[n] Staat«, der lediglich von »einer Handvoll Ausländer behutsam regiert [wurde]« und stets auf Kollaboration angewiesen blieb.80 Schon die Bezeichnung »Erwerbung« im Kartenbild erweckt hingegen den Eindruck eines rechtmäßig erworbenen Gebietes. Winfried Speitkamp unterscheidet aber allein für afrikanische Territorien seit den 1880er Jahren zwischen drei unterschiedlichen Formen der Inbesitznahme. Neben der »militärischen Eroberung« und »Kauf- und Schutzverträge mit einheimischen Autoritäten« sind es demnach vor allem »bilateriale Verträge zwischen europäischen Mächten«, die im »Scramble for Africa«81 Gebietsansprüche sicherten.82 Neben der Rotfärbung britischer Erwerbungen kann, in Anlehnung an John Brian Harleys Theorie des »produktiven Schweigens der Karte«83, auch das Nicht-Färben von Territorien zu Aussagen über den Raum führen. Auch wenn indirekte Formen der kolonialen Einflussnahme nicht primär in der Karte thematisiert werden, so wird doch der Eindruck erweckt, dass Lateinamerika bis auf wenige Ausnahmen von der britischen Hegemonialmacht gänzlich unbeeinflusst blieb. Informelle bzw. nichtstaatliche Einflussnahme, wie beispielsweise Investitionen und »privilegierte Wirtschaftsbeziehungen«84 vermag diese Karte nicht darzustellen. So gibt selbst die Kartierung von allgemeinen Welthandelslinien keinerlei Aufschluss über Bedingungen und Qualitäten von internationalen Handelsaktivitäten. Neben der Verwendung von Farbflächen sei allerdings auch auf den möglichen Gebrauch von Randfarben hingewiesen, wie er beispielsweise im Geschichtsatlas aus dem Hause Westermann zu finden ist (Abbildung 16 links). Während »selbstständige Staaten« (in diesem Fall Äthiopien und Liberia) durch Flächenfarben dargestellt werden, sind »Kolonialgebiete europäischer Staaten 1914« lediglich mit einer breiten und ununterbrochenen Grenzsignatur umgeben, die Undurchlässigkeit suggeriert und somit der Praxis kolonialer Herrschaft in weiten Teilen widerspricht. Diese Darstellung repräsentiert schlicht eine eurozentrierte Perspektive auf den afrikanischen Kontinent Anfang des 20. Jahrhunderts.85 Der Eindruck von der Inbesitznahme eines eigentlich leeren Kontinents kann der Betrachter/die Betrachterin nur vermeiden, wenn er die zuvor im Atlas präsentierten Karten zur »Völkerwanderung in Afrika«, den 80 Darwin: Der Imperiale Traum, S. 301; Zur kolonialen Herrschaftspraxis vgl. u. a. auch Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 311. 81 Pakenham: The Scramble for Africa 1876 – 1912. 82 Vgl. Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 208. 83 »Silence and utterance are not alternatives but constituent parts of map language, each necessary for the understanding of the other«; Harley : Silences and Secrecy, S. 58. 84 Hänsch, Lars/Riekenberg, Michael: Das politische System Argentiniens, in: Stüwe, Klaus/ Rinke, Stefan (Hrsg.): Die politischen Systeme in Nord- und Südamerika. Eine Einführung, S. 83. 85 Vgl. Eckert: Kolonialismus, S. 66.
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»Afrikanische[n] Staaten im 15.–17. Jahrhundert« und den »Völker[n] in Westafrika« zur Kenntnis nimmt. Ohne die Beachtung dieser Kartensequenz wird jedoch ein deutlich verzerrtes Raum- und Geschichtsbild begünstigt.
Qualitative Aussagen durch Farbgebung
Über den Gebrauch von Flächen- oder Randfarben hinaus kann auch eine qualitative Abstufung innerhalb der Farbgebung erreicht werden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede können hier ebenso ausgedrückt werden wie territoriale Veränderungen in der Zeit. So werden beispielsweise die britischen Dominions zwar häufig aufgrund ihrer Farbgebung zu den kolonialen Eroberungen des Empires gezählt, doch erst durch die Zuhilfenahme von Schraffuren oder Tonwertänderungen (hell und dunkel) wird ihr besonderer Status im Kartenbild kenntlich gemacht.86 Die spanische Mehrphasenkarte in Abbildung 16 (rechts) zeigt nicht nur eine Zuordnung afrikanischer Territorien zu europäischen Mächten, sondern vielmehr die territoriale Entwicklung kolonialer Besitzansprüche von 1885 bis 1914 durch die Zuhilfenahme entsprechender Farbvariationen. Dabei wird allerdings der Eindruck einer problemlosen Inbesitznahme vermittelt, ohne jedoch auf den Konflikt zwischen den Kolonialmächten, allen voran Großbritannien und Frankreich, einzugehen. Die Farbgebung in Imperialismus-Karten dient also nicht nur der bloßen Zustandsbeschreibung, quasi einer Zuordnung von Kolonien und Metropolen, sondern erlaubt vielmehr eine Darstellung von Gebietsverlusten oder -gewinnen im Wandel der Zeit. Obwohl die Farbfläche keinen Blick auf lokale Strukturen zulässt, so liefert sie doch einen Eindruck von der räumlichen Dimension des Geschehens. Allerdings verbergen sich hinter diesen Farbflächen hochkomplexe Prozesse und Entwicklungen, Instrumentalisierungen und bereits frühe Widerstände gegen unterschiedliche Formen kolonialer Herrschaft. So sind allein für Britisch-Ostafrika zwischen 1894 und 1914 etwa fünfzig bewaffnete Konflikte nachweisbar.87 Auch wenn bereits gezeigt wurde, dass Kartenfolgen für die Darstellung des afrikanischen Kontinents in europäischen Geschichtsatlanten eine große Bedeutung haben (vgl. Kapitel 5.1.1), so sind Farben für diese Präsentationsform doch essentiell. Durch die Wahl von unterschiedlichen Zeitebenen kann eine Art Vorher86 Vgl. beispielsweise Stamsø, May-Britt/Fowelin, Peter : Bonniers Historiska Atlas. Stockholm 2000, S. 54; Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner : dtv-Atlas: Weltgeschichte, Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart (2. Bd.). München 2003, S. 380. 87 Vgl. Eckert: Kolonialismus, S. 70.
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Nachher-Effekt erzeugt werden, der dem Betrachter den Prozess des Raumfüllens veranschaulichen soll. Die britische Geschichtskarte in Abbildung 17 präsentiert beispielsweise drei Zeitebenen in einer Afrika-Karte von 1870 über 1878 bis hin zum Vorabend des Ersten Weltkrieges 1913 und nutzt entsprechende Farbfolgen zur Visualisierung der territorialen Veränderungen. Gekennzeichnet ist diese Karte durch eine hohe Informationsdichte und ein stark strukturiertes Kartenbild, wobei Aussagen über Zeit ausschließlich durch Flächenfärbung und ihre Erläuterung in der Zeichenerklärung (Legende) generiert werden. Die Besonderheit dieser Darstellung macht hingegen die zusätzlich angefügte Karte aus (unten links). Sie kartiert ausschließlich den Stand europäischer Besitzansprüche in Afrika im Jahr 1870 und markiert dabei einen Großteil des afrikanischen Kontinents als terra incognita. Diese zusätzliche Karte macht aus der Mehrphasenkarte zusätzlich eine Kartenfolge und betont umso deutlicher das vergleichsweise kleine Zeitfenster, indem der eigentliche »Scramble for Africa« als koloniale Durchdringung des Kontinents erfolgte. Neben Mehrphasenkarten und Kartenfolgen kann ein dritter Anwendungsbereich von Farben bei der Kartierung des Zeitalters des Imperialismus ausgemacht werden. So spielen Farben im Bereich der Kartenzeichen eine besondere Rolle, da diese beispielsweise als Pfeilsignaturen zur Kartierung von Expansionsrichtungen entsprechenden Kolonialmächten zugeordnet werden können und letztlich die Aufteilung Afrikas als Prozess darstellen. Im Gegensatz zur Darstellung der »principales ejes de penetraciûn« (Hauptachsen der Durchdringung) oder der »European routes of expansion«88 kann dieses Vorgehen allerdings nicht als Handeln nach einem Masterplan beschrieben werden, sondern vielmehr als eine Art »Domino-Effekt«89 oder als »ungeplant, chaotisch und opportunistisch verlaufender Prozess«90, der vor allem durch das britische und französische Engagement im Nahen Osten ausgelöst wurde. Somit bedeutete gerade die koloniale Eroberung Afrikas auch »eine Kette von mehr oder weniger hektisch ausgehandelten Verträgen […], aus denen jene Staatsgrenzen hervorgingen, die Afrikas Befreiungsbewegungen um 1960 von den abziehenden Kolonialmächten erbten. […] Dass diese Grenzen von Fremden willkürlich gezogen waren, oft vor der faktischen Eroberung und ohne Kenntnis der Völker, die beiderseits lebten, wurde in Kauf genommen.«91 88 OrdûÇez, Juan: Cûrdoba y Atlas de historia universal y de EspaÇa. Madrid 1993, S. 125; Black: World History Atlas, S. 167. Ferner finden sich französische- und britische Expansionsrichtungen als blaue und rote Pfeilsignaturen in: OrdûÇez, Juan: Cûrdoba y Atlas de historia universal y de EspaÇa. Madrid 1993, S. 125. 89 Ansprenger : Geschichte Afrikas, S. 76. 90 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 577. 91 Ansprenger : Geschichte Afrikas, S. 79.
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Der Prozesscharakter des Imperialen Zeitalters auf dem afrikanischen Kontinent und die damit verbundene Konkurrenzsituation zwischen den europäischen Mächten wird vornehmlich in Geschichtsatlanten aus Belgien, Deutschland, Spanien und Großbritannien betrachtet, doch überwiegt auch in diesen Ländern die statische Darstellung des Ist-Zustandes. Ferner werden auch Widerstände gegen die europäische Kolonialherrschaft durch scheinbar gelb-rot lodernde Flammen, gelbe Sterne oder rote Schraffuren repräsentiert. Rot hat hier offenbar eine besondere Funktion, einerseits aufgrund seiner Signalwirkung und andererseits durch seine Symbolik als Farbe des Krieges und des Blutes.92 Für britische und deutsche Geschichtsatlanten kann das Kartieren von »Antikolonialen Bewegungen«93 oder »major African resistance«94 mittels Kartenzeichen durchaus als Ausdruck einer erinnerungskulturellen Verankerung im Hinblick auf die eigene Kolonialgeschichte gewertet werden.95 Die Kartierung von »aQZ_^l b_`a_cYS\V^Yp ]Vbc^_T_ ^QbV\V^Yp VSa_`VZb[Y] [_\_^YXQc_aQ]« (»Bereiche des Widerstandes gegen die europäischen Kolonisatoren«) ist hingegen nicht nur Ausdruck einer weitreichenden Verallgemeinerung, sondern resultiert auch aus einer Affinität russischer Geschichtsatlanten zur Darstellung revolutionärer Ereignisse. Zwar zeigt der »Atlas of British History« von Martin Gilbert, dass Farben nicht unbedingt notwendige Bestandteile der Kartengrammatik sein müssen, doch werden sie von den meisten Geschichtsatlanten in Europa genutzt.96 Allein die Visualisierung qualitativer Aussagen und vor allem die Darstellung von Zeit sind durch die Verwendung von Farben in Kartenfolgen, Mehrphasenkarten und Kartenzeichen einfacher und vor allem vielschichtiger möglich. Gerade die Kartierung von Kolonialreichen und Imperien beinhaltet eine besondere Form der Generalisierung, die ganze Kontinente zu monolithischen Gebilden formt und Herrschaftsstrukturen suggeriert, die es so nie gegeben hat. Im Hinblick auf die Farbgebung können in der Darstellung von Kolonialreichen somit zwei zentrale Aspekte in aktuellen europäischen Geschichtsatlanten ausgemacht werden. Erstens reproduzieren europäische Geschichtsatlanten traditionelle Koloni92 Flammen, Sterne und Schraffuren als Kartenzeichen des »anti-colonial resistance« in: Ponomarev, Michail V./Volkova, Elena Vasil’evna: Novaja istorija: konec XVIII – nacˇalo XX veka – 8 klass. Moskau 2006, S. 20 f; Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Perthes Atlas: Geschichte. Gotha 2006, S. 277; Polunkina, N. N./Regentova, E. M.: Atlas Novaja istorija – s 1870 goda do 1918 goda. Moskau 2009, S. 12 f; Haywood, John: The Cassell Atlas of the 19th Century World 1783 – 1914. London 1998, S. 16. 93 Bruckmüller/Hartmann: Putzger: Historischer Weltatlas, S. 151. 94 Haywood: The Cassell Atlas of the 19th Century World 1783 – 1914, S. 16. 95 Allerdings thematisieren lediglich 23,9 % der Imperialismus-Karten (Afrika) in europäischen Geschichtsatlanten antikoloniale Bewegungen. 96 Gilbert, Martin: The Routledge Atlas of British History. London 2004, S. 93 f.
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alkarten, wodurch eine damit verbundene Homogenität des kolonialen Gebildes suggeriert wird. Dadurch transportieren europäische Geschichtsatlanten Muster kolonialer Propaganda, die im Wettlauf um die Aufteilung der Welt möglichst viel mit der jeweiligen nationalen Farbe anzustreichen versucht und dabei die Motive der Kolonisatoren nicht sichtbar macht. So stellt auch Susanne Grindel in ihrer Untersuchung zur Darstellung des Kolonialismus in neueren deutschen Schulbüchern fest, dass die Aufteilung des Kontinents lediglich aus Perspektive der Kolonialmächte dargestellt wird und die Teilhabe der »Kolonialisierten« unberücksichtigt bleibt: »Die Karten tragen indessen nur wenig dazu bei, das Bewusstsein für die Interdependenz von kolonisierenden und kolonisierten Identitätskonstruktionen zu schärfen«97. Zweitens können auch Einflüsse postkolonialer Perspektiven ausgemacht werden, die sich vereinzelt in der europäischen Geschichtsatlantenlandschaft andeuten. Eine Möglichkeit bietet die bewusste Vermeidung einer Farbgebung, die durch ihre negativen Konnotationen koloniale Darstellungsmuster bedient. So verzichten britische Geschichtsatlanten oftmals auf die Verwendung des Empire-Rot, um eine Distanzierung von der kolonialen Vergangenheit herzustellen. Ferner sind die Kartierung von antikolonialen Bewegungen gerade in Afrika-Karten ein Indiz für ein Durchbrechen der Vorstellung von der widerstandslosen Inbesitznahme einer terra incognita und der damit verbundenen »Entwicklung und Zivilisierung«98. Darüber hinaus können Mehrphasenkarten mit entsprechenden Farbabstufungen oder farbige Pfeilsignaturen dazu beitragen, dass der »Scramble for Africa« als ein differenzierter Prozess und vor allem auch als Konflikt zwischen konkurrierenden europäischen Mächten wahrgenommen wird.
5.1.3. Der Wilde Westen an der Atlantikküste – die Veränderung des nord-amerikanischen Grenzlands zwischen 1607 und 1890 Stärker als Herrschaftsstrukturen im kolonialen und vorkolonialen Afrika ist die Frontier in Nordamerika aufgrund ihrer geschichtskulturellen Manifestation (z. B. im Film) zu einem globalen Erinnerungsort geworden, der auch in europäischen Geschichtskarten und Geschichtsatlanten einen festen Platz gefunden hat. Das Bild des kolonialen und postkolonialen Nordamerika ist in der Welt durch eine Fülle an Literatur, Bildern und Filmen nachhaltig beeinflusst wor97 Grindel: Deutscher Sonderweg oder europäischer Erinnerungsort, S. 701 f. 98 Wesseling, Hendrik L.: Teile und Herrsche. Die Aufteilung Afrikas 1880 – 1914. Stuttgart 1999, S. 128.
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den.99 So prägten besonders Abenteuerromane und deren spätere Verfilmungen u. a. von James Fenimore Cooper (1789 – 1851) oder Carl Friedrich May (1842 – 1912) mit ihren charakteristischen Protagonisten das Bild des edlen Wilden für ganze Generationen von Lesern und Zuschauern. Auf diese überaus interessanten geschichtskulturellen und zugleich kulturgeschichtlichen Aspekte kann nicht intensiv eingegangen werden. Die bewegliche Grenze zwischen europäischen Siedlungskolonien und scheinbar unerschlossener Wildnis im kolonialen und postkolonialen Nordamerika ist jedoch mehr als Handlungskulisse. Vielmehr handelt es sich um eine vielfältige Kontakt- und Konfliktzone, die nicht nur durch geographische Besonderheiten geprägt war und ist (Landschafts- und Vegetationszonen), sondern vor allem soziale, politische und kulturelle Implikationen einschloss. Jürgen Osterhammel bezeichnet die Frontier als »eine gesellschaftliche Konstellation besonderer Prägung, die ihrem Wesen nach einer Zwischenepoche am Vorabend von Dampflok und Maschinengewehr angehört«100. Die Bedeutung von Imagination und Konstruktion wird hier besonders deutlich. Die Frontier wurde trotz ihres enormen Wandels, stets als der Westen wahrgenommen und somit nicht nur als Region, sondern auch als Prozess und Mythos innerhalb der US-amerikanischen Geschichte betrachtet wird. »Es war eine Projektionsfläche für Zukunftshoffnungen und wurde als Verwirklichungsort politisch-sozialer Utopien definiert«101. In diesem Zusammenhang ist auch die Frontierthese Frederick Jackson Turners zu erwähnen, die davon ausgeht, dass sich erst durch die Eroberung des amerikanischen Westens und die dabei entstehende Pioniergesellschaft der eigentliche Nationalcharakter geformt habe und »der Egalitarismus der amerikanischen Demokratie […] sich dem Gemeinschaftserlebnis in den Wäldern und Prärien des Westens [verdankte]«102. Während um 1750 mit dem Begriff des Westen das Gebiet zwischen der Atlantikküste und den Appalachen gemeint war, so umfasste die Bezeichnung um 1800 bereits das Gebiet jenseits der Appalachen bis hin zum Mississippi. Nach 1850 wurde schließlich auch diese natürliche Barriere überwunden, sodass 1890 die Siedlungsgrenze die Pazifikküste erreichte.103 Bis heute bietet die Frontier als sich permanent veränderndes Gebiet der
99 Vgl. hierzu u. a. auch Wellenreuther, Hermann: Niedergang und Aufstieg. Geschichte Nordamerikas vom Beginn der Besiedlung bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts (Geschichte Nordamerikas in Atlantischer Perspektive von den Anfängen bis zur Gegenwart Bd. 1) Münster 2004, S. 151ff; Depkat, Volker : Geschichte Nordamerikas. Köln 2008. 100 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 472. 101 Depkat: Geschichte Nordamerikas, S. 77 f. 102 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 469. Vgl. hierzu auch Hill, Christopher L.: Nationalgeschichten und Weltsystem. Die Beispiele Japan, Frankreich und Vereinigte Staaten, in: Conrad/Eckert/Freitag: Globalgeschichte, S. 233. 103 Vgl. Depkat: Die Geschichte Nordamerikas, S. 77 f.
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»Landnahme und Ressourcenerschließung«104 nicht nur den Erzählrahmen für Literatur und Film (z. B. »New Western«), sondern stellt auch eine enorme Herausforderung für die Geschichtskartographie dar. Denn gerade Geschichtskarten als Transporteure von Geschichtsbildern sind anfällig für einseitig glorifizierende Darstellungen. Sie nehmen sowohl den edlen Indianer in den Fokus, als auch die heldenhaften und abenteuerhungrigen Kolonisten, die mit ihren Planwagen immer der untergehenden Sonne entgegenfahren und dabei die Wildnis bezwingen. So wird die Darstellung der Frontier als »Kernelement der Expansionsideologie der US-amerikanischen Siedlergesellschaft«105 zu einer besonderen Herausforderung für Kartograph/innen. Die kritische Auseinandersetzung mit der Erschließung des amerikanischen Westens und der damit verbundenen Geschichte der Native Americans erfolgt gerade in der angloamerikanischen Literatur bereits seit geraumer Zeit.106 Inwieweit sich diese Fortschrittserzählung der USA auf dem Weg zur Hegemonialmacht auch in europäischen Geschichtskarten manifestiert, blieb bisher unbeachtet. Im Folgenden wird deshalb sowohl nach dem Darstellungskontext der kolonialen und postkolonialen Raumerschließung als auch nach der Art und Weise ihrer Darstellung in europäischen Geschichtsatlanten und den daraus resultierenden Geschichtsbildern gefragt. Betrachtet werden hier Geschichtskarten aus europäischen Geschichtsatlanten, die die Geschichte des Nordamerikanischen Kontinents auf separaten Detailkarten im Zeitraum von der Gründung der Siedlung Jamestown in Virginia 1607 bis zur Auflösung des Indianerterritoriums und der erklärten Schließung der Frontier 1890 mit unterschiedlichen Zeit- und Themenschwerpunkten thematisieren.
Der Darstellungskontext der kolonialen und postkolonialen Raumerschließung Obwohl der Untersuchungskorpus eine beträchtliche Anzahl von thematischen Atlanten und geschlossenen Darstellungen zur Geschichte der eigenen Nation enthält, ist die Anzahl der Geschichtsatlanten, die nordamerikanische Geschichte thematisieren, verhältnismäßig hoch. So betrachten 152 Geschichtsatlanten die Geschichte Nordamerikas bzw. die der Vereinigten Staaten mittels Detailkarten in unterschiedlichen Facetten. Auch wenn vergleichsweise viele Geschichtsatlanten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Schweden die Geschichte Nordamerikas anhand von separaten Detailkarten thematisieren, so ist im Gegensatz zur Darstellung afrikanischer Geschichte allerdings kein 104 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 466. 105 Depkat: Die Geschichte Nordamerikas, S. 78. 106 Vgl. hierzu auch Bitterli, Urs: Die ›Wilden‹ und die ›Zivilisierten‹. Grundzüge einer Geistesund Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung. München 2004.
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Unterschied zwischen ehemaligen Kolonialmächten und Staaten ohne kolonialem Engagement erkennbar (Vgl. Anlage 16). Signifikant hoch erscheint sogar der Anteil polnischer, tschechischer und ungarischer Geschichtsatlanten bei der Thematisierung US-amerikanischer Geschichte, während Geschichtsatlanten aus Portugal dagegen keine und niederländische nur wenige Detailkarten zur nordamerikanischen Geschichte enthalten.107 Es ist allerdings eine Konstante feststellbar, die den verhältnismäßig hohen Anteil von Detailkarten zur amerikanischen Geschichte auch in vielen ostmitteleuropäischen Ländern erklärt – die Verbindung zur Geschichte der eigenen Nation. So ist vor allem die umfangreiche europäische Emigration des 19. Jahrhunderts als historisches Bindeglied auszumachen, wodurch die US-amerikanische Geschichte als Teil der europäischen bzw. der Geschichte der eigenen Nation wahrgenommen wird.108 Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass in polnischen Geschichtsatlanten nicht nur die polnische Emigration in die Vereinigten Staaten, sondern auch die (kaum bekannte) polnische Beteiligung am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kartiert wird (»Kämpfe mit polnischer Teilnahme«)109. Ob die vergleichsweise geringe Anzahl an Detailkarten zur nordamerikanischen Geschichte in russischen Geschichtsatlanten allerdings als postsowjetisches Relikt zu werten ist, bleibt wohl zu bezweifeln.110 Die Geschichte Nordamerikas wird in europäischen Geschichtsatlanten häufig als die Geschichte der Vereinigten Staaten dargestellt, sodass beispielsweise Kanada bis auf die Darstellung in britischen und französischen Atlanten eher marginal kartiert wird.111 Begrenzt kann sogar von einer Art Faszination gesprochen werden, die nicht nur den Unabhängigkeits- und Bürgerkrieg, sondern vor allem die US-amerikanische Expansion nach Westen und den damit oft unmittelbar in Verbindung 107 Geschichtsatlanten, die Detailkarten zur nordamerikanischen Geschichte enthalten (Atlanten mit Kolonialgeschichte): Deutschland (25 von 27); Frankreich (8 von 12); Großbritannien (19 von 28); Schweden (5 von 5); Polen (16 von 20); Ungarn (8 von 9); Tschechische Republik (3 von 4); Portugal (0 von 3); Niederlande (1 von 4). Bemerkt sei allerdings auch, dass nur bedingt Aussagen zur generellen Thematisierung nordamerikanischer Geschichte getroffen werden können, da nicht nur Detailkarten (mit dem RaumausschnittNordamerika oder USA) Aussagen zur nordamerikanischen Geschichte zulassen, sondern auch Weltkarten dieses leisten können. 108 Vgl. hierzu auch Ehmer, Josef: Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie 1800 – 2000 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd. 71). München 2004, S. 19ff; Zu den einzelnen Phasen der nordamerikanischen Einwanderungsgeschichte, vgl. auch Depkat: Geschichte Nordamerikas, S. 82 ff. 109 Konarski, Jan/Daniluk, Andrzej: Atlas historyczny – dla szkûł s´rednich. Warschau 2000, S. 44. 110 In Russland sind es nur 9 von 25 Geschichtsatlanten, die Detailkarten zur Geschichte der USA enthalten (von denen, die Kolonialgeschichte überhaupt kartieren). 111 Volker Depkat beschreibt dieses Phänomen, indem er sogar von der »Konstruktion eines Kontinents« ausgeht; Vgl. Depkat: Geschichte Nordamerikas, S. 5.
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gebrachten Aufstieg der Vereinigten Staaten zur globalen Hegemonialmacht fokussiert. Weiterhin konnten klare thematische bzw. zeitliche Schwerpunktsetzungen ausgemacht werden: Die nordamerikanische Kolonialzeit bis zur Anerkennung der staatlichen Souveränität der Vereinigten Staaten durch das Britische Empire im Frieden von Paris 1783 wird in 51,3 % dieser Geschichtsatlanten thematisiert. Inhaltliche Konstanten dieser Karten sind vor allem die Etablierung der 13 Kolonien und das Aufeinandertreffen der Rivalen Frankreich und Großbritannien im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763), wohingegen andere europäische Kolonialmächte, wie die Niederlande oder auch Schweden eher selten thematisiert werden112. Im europäischen Vergleich zählen auch Geschichtskarten zum Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) und zum Sezessionskrieg (1861 – 1886) zu den häufig verwendeten Detailkarten (Abbildung 18).113 Neben diesen beiden Meilensteinen der US-amerikanischen Geschichte sind aber vor allem zwei Themenfelder aus europäischen Geschichtsatlanten nicht wegzudenken – die territoriale Erweiterung der USA bis 1890 und der damit verbundene Aufstieg zur Weltmacht einerseits (78,9 %) und andererseits die Geschichte der »Native Americans« (57,2 %). Im Folgenden gilt es innerhalb dieser Themenfelder der nordamerikanischen Geschichte (Detailkarten) nach der Art und Weise der Darstellung des amerikanischen Grenzlandes im Kartenbild zu fragen. Schließlich sorgt eine Vorstellung vom »Winning of the West« als »‹Großerzählung‹ der US-amerikanischen Nationalgeschichte«114 auch für zahlreiche kontroverse Auseinandersetzungen. Wie wird die nordamerikanische Kolonialzeit dargestellt? Für die Darstellung der nordamerikanischen Kolonialzeit bis zum Ende des Unabhängigkeitskrieges und dem Frieden von Paris 1783 können in europäischen Geschichtsatlanten ganz unterschiedliche Darstellungsvariationen des nordamerikanischen Grenzlandes ausgemacht werden. Die in Abbildung 19 dargestellte Detailkarte aus einem belgischen Geschichtsatlas thematisiert sowohl die Anfänge der Siedlungskolonisation in Nordamerika und markiert zugleich die sich andeutende Rivalität zwischen Großbritannien und Frankreich bereits im 17. Jahrhundert u. a. durch die Kartierung von Forts. Auch wenn zahlreiche erfolglose Siedlungsversuche an der 112 Vgl. Pro Ruiz, Juan: Atlas Histûrico, Madrid 2005, S. 80. 113 Während von den 152 Geschichtsatlanten, die nordamerikanische Geschichte thematisieren 46,7 % Detailkarten zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) beinhalten, so werden sogar von 48,7 % Karten zum Sezessionskrieg (1861 – 1886) genutzt. 114 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 469.
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nordamerikanischen Ostküste vorangingen, so gilt heute Jamestown in Virginia als erste dauerhafte britische Siedlung in Nordamerika (1607).115 Neben diesem zentralen Erinnerungsort der amerikanischen Geschichte werden auch Charleston, New York (Nieuw Amsterdam), New Orleans (La Nouvelle-Orl¦ans), Montr¦al, Quebec und Plymouth als bedeutende Siedlungen kartiert. Dass es sich z. B. bei New York allerdings um eine anfänglich niederländische Siedlungsgründung handelte, die erst 1664 kampflos an die Engländer übergeben wurde und 1673 sogar kurzzeitig erneut in niederländische Hände fiel, wird lediglich in der ergänzenden Namensbezeichnung Nieuw-Amsterdam und deren Datierung (1612 – 1667) angedeutet. Erst mit dem Vertrag von Westminster 1674 gaben die Niederländer ihre Besitzansprüche schließlich endgültig an Großbritannien ab. Dieses Beispiel zeigt recht deutlich, wie viele Informationen in einer scheinbar simplen Ortssignatur verborgen sein können und inwieweit die Kartenanalyse und -interpretation vom Vorwissen der Betrachter/innen abhängig ist. Diese Geschichtskarte stellt allerdings nicht eine Grenze dar, die die europäischen Siedlungen von der Wildnis im Westen trennt, sondern zeigt durch die Schwerpunktsetzung auf die drei großen Kolonialmächte im Nordamerika des 17. Jahrhunderts (Großbritannien, Frankreich und Spanien) eine Vielzahl von Grenzräumen entlang der beanspruchten Territorien. Obwohl der hier dargestellte Korridor zwischen den französischen, spanischen und britischen Besitzungen als Niemandsland erscheint, so wird doch (wenn auch begrenzt) auf die Heterogenität der eingewanderten Siedler hingewiesen (Puritaner, Katholiken etc.). Neben religiösen Dissidenten und Glücksrittern kamen auch Zwangsarbeiter hinzu, die auf den Tabakplantagen Virginias und Marylands arbeiten mussten.116 Krankheit, Hunger und generelle Knappheit prägten die ersten Jahre der Kolonisten, zumal die niedrigen Einnahmen aus den Exporten kaum die Kosten einer sich etablierenden Plantagenkolonie deckten.117 Von Virginia als jungfräuliches Land konnte hingegen keine Rede sein. Algonkin, Irokesen, Delawaren, Powhatan u. a. duldeten die ersten weißen Kolonisten nicht nur, sondern trieben auch mit ihnen Handel und knüpften sogar Heiratsbündnisse. Über intensive Austauschbeziehungen zwischen Native Americans und britischen bzw. französischen Siedlern, die sogar die Basis erster europäischer Siedlungsbemühungen waren, und über Bundesgenossen, die für verschiedene kriegerische Auseinandersetzungen rekrutiert wurden, schweigt diese Karte allerdings. 115 Vgl. hierzu auch Bitterli, Urs: Die Entdeckung Amerikas. Von Kolumbus bis Alexander von Humbold. München 2006, S. 149ff; Nasson, Bill: Das britische Empire. Ein Weltreich unterm Union Jack. Essen 2007 (Originalausgabe: Britannia’s Empire. Making a British World 2006), S. 35 ff. 116 Vgl. Pelizaeus: Der Kolonialismus, S. 142. 117 Vgl. Nasson: Das britische Empire, S. 35 ff.
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Dieser hohe Grad an didaktischer Reduktion lässt sich eindeutig auf die Tatsache zurückführen, dass es sich hierbei um eine Geschichtskarte aus einem Schulgeschichtsatlas handelt, die im Unterricht eine entsprechende Kontextualisierung erfährt. Darüber hinaus sind noch eine ganze Reihe weiterer Grenzdarstellungen in europäischen Geschichtsatlanten feststellbar. So unterscheidet wie eine Vielzahl von europäischen Atlanten auch der Putzger »Historischer Weltatlas« die eigentliche territoriale Grenze des britischen Territoriums von der offiziellen »Siedlungsgrenze der königlichen Proklamation von 1763«, indem letztgenannte lediglich durch eine gestrichelte Linie gekennzeichnet wird.118 Auf diese Weise wird eine qualitative Unterscheidung vorgenommen, sodass die Proklamationslinie im Zuge des Vertrags von Paris von 1763 nicht als unüberwindbares Hindernis, sondern als temporäre bzw. sogar als eine gedachte Linie kartiert wird. Schließlich sollte sie vor allem den Handel und den Landerwerb im Zuge einer Stabilisierung der Beziehungen zwischen britischen Siedlern und Native Americans regeln. Hier werden sowohl Farben als auch Liniensignaturen für die Darstellung von Grenzen zusammen im Kartenbild verwendet. Eine weitere Möglichkeit der Grenzdarstellung ist die verblassende Flächenfärbung – dieser Effekt wird erzeugt, indem in den Randgebieten einer Flächenfärbung die Transparenz zu den Rändern hin zunimmt.119 Abbildung 20 zeigt zwei Beispiele für Geschichtskarten, die eine deutlich höhere Komplexität aufweisen und somit auch Grenzen und Räume als vielschichtigere Gebilde kartieren. In diesen Karten aus einem französischen und im Ursprung nach britischen Geschichtsatlas (u. a. auch in Dänemark und Deutschland erschienen) wird der beschriebene menschenleere Korridor lediglich als von Europäern nicht erschlossen dargestellt. Die Geschichtskarte aus dem »Grand Atlas historique« zeigt die Territorialgrenzen nach den Friedensschlüssen von Rijswijk (1697) und Utrecht (1713). Dabei werden nicht nur die territorialen Veränderungen der jeweiligen Kolonialmächte kartiert, sondern auch sogenannte umstrittene Gebiete als Schraffuren dargestellt. Zwar beschränkt sich auch diese Karte inhaltlich nur auf die Geschichte der Kolonialmächte in Nordamerika, doch wird hier lediglich westlich des Mississippi ein 118 Vgl. Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger : Historischer Weltatlas. Berlin 2011, S. 125; Vgl. hierzu auch Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Perthes Atlas: Geschichte. Gotha 2006, S. 254 – 255; Haywood, John: The Cassell Atlas of World History : The Medieval & Early Modern Worlds, London 2000, S. 147 f; Vasˇek, Jaroslav : Atlas Svetovy´ch Dejn 2. Diel – Stredovek-Novovek. Harmanec 1997, S. 12; Hajkiewicz, Izabela: Atlas historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Gimnazjum. Warschau 2001, S. 38 f; Kurzbauer-Zaniewska, Maria/Horubała, Leokadia/Lewandowska, Krystyna: Atlas historyczny do gimnazjum, Warschau 1999, S. 24. 119 Vgl. Jung, Dieter/Meinel, Matthias: Trio – Atlas für Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde. Braunschweig 2006, S. 112.
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wirklich leerer Raum kartiert, während die Schraffuren den Eindruck eines breiten Interaktionsraums vermitteln120. Die geschlossene Farbfläche der britischen Kolonien suggeriert allerdings nicht nur eine territoriale, sondern auch eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Einheit, obwohl die koloniale Praxis alles andere als ein homogenes Staatengebilde hervorbrachte. So entwickelten sich seit Anfang des 17. Jahrhunderts vor allem im britischen Siedlungsraum Nordamerikas drei unterschiedliche Typen von Kolonien: Kronkolonien, Eigentümerkolonien und Charterkolonien. Während die Kronkolonien einem königlichen Gouverneur unterstellt waren, so konnten Eigentümerkolonien beispielsweise ihren Siedlern vollständige Glaubensfreiheit einräumen (z. B. New York, Pennsylvania). Die Charter Colony hingegen setzte als Grundlage für eine Siedlung einen Vertrag mit einer privilegierten Gesellschaft voraus. Auch zu den Kolonisationsmotiven sind beiden Karten keinerlei Informationen zu entnehmen – schließlich ist die vorherrschende spanische Kreuzzugsideologie deutlich von der französischen und britischen Siedlungspolitik abzugrenzen.121 Herrmann Wellenreuther beschreibt in diesem Zusammenhang allein den Gegensatz zu Spanien als ein Hauptmotiv der französischen Kolonisation, während er die englischen Motive eher in der Ausweitung des Außenhandels und in der Suche nach neuen Fischfanggründen sieht. Ferner ist die nordamerikanische Ressource Holz von großem Interesse, durch die sich Pottasche, Pech und Teer gewinnen ließ.122 Hinsichtlich der Missionierung als Argument der Kolonisation kann sogar festgestellt werden: »1584 war das Missionsargument zum ›ceterum censeo‹ geworden: Es mußte gebraucht werden, aber keiner nahm das Argument mehr ernst«123. Die zweite Karte in Abbildung 20 (»World Atlas of the Past«) zeigt weder einen vollkommen leeren Raum noch umstrittene Gebiete, sondern macht deutlich, dass in den um 1713 und 1750 nicht von Europäern besiedelten Gebieten dennoch Menschen lebten. Durch die Nennung von »Indianerstämmen«, wie den Cherokee, den Creek oder den Shawnee im Korridor zwischen Appalachen und dem Mississippi und die zusätzliche Geländeschummerung wird keine eigens europäische Geschichte kartiert – vielmehr wirken die europäischen Siedlungen, Forts und Handelsniederlassungen sogar als sich immer 120 Eine vergleichbare Darstellung mit einem gepunkteten Grenzraum liefert die italienische Adaption eines französischen Atlasses: Duby, Georges: Atlante storico – la storia del mondo in 335 carte. Turin 2000, S. 290 f; Vgl. hierzu auch Patart, Christian: Atlas d’Histoire, Brüssel 2006, S. 93. 121 Vgl. Pelizaeus: Der Kolonialismus, S. 142 f; Vgl. auch Wellenreuther : Niedergang und Aufstieg, S. 151 ff. 122 Vgl. Wellenreuther: Niedergang und Aufstieg, S. 152. 123 Ebenda, S. 154.
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weiter ausbreitende Eindringlinge. Der Eindruck einer regelrechten Überschwemmung entsteht besonders durch die unterschiedlichen Zeitebenen der Karte (1713 und 1750), die die Ausdehnung des europäischen Siedlungsraumes und den scheinbar unumgänglichen Konflikt mit den Native Americans andeuten.124 Dass sich besonders die drei Kolonialmächte Frankreich, Großbritannien und Spanien als Konkurrenten gegenüberstanden wird aus dem Kartenbild kaum deutlich. Im Gegenteil wird sogar durch eine ähnliche Farbgebung ihre Gemeinsamkeit als Eindringlinge Nordamerikas hervorgehoben, die den ursprünglichen Siedlungsraum der Native Americans zunehmend bedrohen. Im Gegensatz zum belgischen und dem vorigen französischen Beispiel ist die Geschichtskarte aus der britischen Produktion John Haywoods in einen umfangreichen medialen Kontext eingebunden. Neben einer Detailkarte zur frühen Entdeckungsgeschichte der amerikanischen Ostküste ist ein Bild des Künstlers John White abgebildet, das als die mit Palisaden umzäunte Siedlung Pomeiock in Virginia gekennzeichnet ist (London 1585, British Museum). Zusammen mit der folgenden Doppelseite widmet sich der Atlas unterschiedlichen Themenfeldern der beginnenden Kolonialgeschichte Nordamerikas. Neben Handel und Kontakten werden erste Konflikte und eine neu entstehende Gesellschaft umfassend beschrieben. Darüber hinaus wird die von Legenden umrankte Figur der Pocahontas thematisiert, der Typus des Pfeife rauchenden Waldläufers dargestellt (Grafik aus dem Jahr 1710) und ein Bezug zur heutigen Landschaft Neuenglands hergestellt (aktuelles Foto). Ein Zeitstrahl rundet diese mediale Kompaktdarstellung scheinbar ab, indem er den konkreten zeitlichen Bezugsrahmen markiert.125 In diesem medialen Umfeld bildet die Geschichtskarte (Abbildung 20 – rechts) die Basis für alle folgenden Betrachtungen dieses Themenbereichs im Atlas. In dieser medialen Gesamtkomposition wird der Raum neben der Zeit zur grundlegenden Bezugsgröße, sodass dem umgebenden Text lediglich eine verbindende Aufgabe zukommt. Während die Karte allein schon ein differenziertes Bild des sich wandelnden Grenzraumes zeichnet, so unterstützt dieser mediale Kontext diese Aufgabe, indem auf Native Americans ebenso eingegangen wird wie auf deren europäische Kontakte. Auch die veränderten Beziehungen zwischen Ureinwohnern und Siedlern werden über die Informationen im Kartenbild hinaus ebenso betont wie die unterschiedlichen soziokulturellen Strukturen innerhalb der europäischen Kolonien. Während sich die Karte nur auf die Darstellung der britischen, französischen und spanischen Besiedlung Nord124 Die Ausdehnung von Siedlungsräumen und Kolonialreichen wird neben unterschiedlichen Flächenfärbungen häufig auch durch Pfeilsignaturen kartographisch umgesetzt, vgl. u. a. Barraclough, Geoffrey/Stone, Norman: The Times Atlas of World History. London 1993, S. 165. 125 Haywood: Historisk Verdensatlas, S. 126 ff.
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amerikas konzentriert, verweist der Text auch auf schwedische und holländische Kolonien und betont punktuell sogar bedeutende Siedlungen (z. B. Jamestown und Qu¦bec). Diese mediale Gesamtkomposition umfasst insgesamt vier großformatige Atlasseiten und ist durchaus als eine multiperspektivische Darstellung der nordamerikanischen Besiedlungsgeschichte bis ins 18. Jahrhundert hinein zu bezeichnen. Aber erst die Geschichtskarte gibt dieser Erzählung einen konkreten Bezugsraum, sodass der Text auf seitenfüllende Lagebeschreibungen verzichten kann. Die hier beschriebene mediale Orchestrierung ist nicht nur reflektiert und richtet sich an eine breite Leserschaft, sondern vermittelt darüber hinaus einen hohen wissenschaftlichen Anspruch. Garanten dafür sind auch die Autorenschaft durch ein Mitglied der Royal Historical Society of Great Britain – John Haywood (University of Lancaster) und eine Fachberatung durch den Archäologen bzw. Anthropologen Paul Garwood (University of Oxford/Birmingham) sowie den Atlasautor und Historiker Jeremy Black (University of Exeter). Innerhalb der Fortschrittserzählung der USA auf dem Weg zur Hegemonialmacht fallen in europäischen Geschichtsatlanten besonders zwei Detailkarten auf, die Schlüsselereignisse der amerikanischen Geschichte kartieren – den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) und den amerikanischen Bürgerkrieg (Sezessionskrieg 1861 – 1865). Auch hier ist nach der Art der Grenzdarstellung zu fragen und inwieweit leere Räume kartiert werden. Die Kartenfolge aus dem italienischen »Atlante Storico« (Abbildung 21) präsentiert eine Art Verfestigung der Grenze. So zeigt die Teilkarte (a) eine inkongruente Grenze, indem das homogene Gebiet der 13 Kolonien (»Territorio delle Tredici Colonie«) von dem undifferenzierten und scheinbar unbekannten »Territori Indiani« lediglich durch die Farbgebung abgegrenzt wird (Grünfärbung). Allerdings ist auch die Proklamationslinie von 1763, die nach dem Frieden von Paris die britischen Gebiete in Nordamerika neu einteilt und Regelungen bzgl. Handel und Landerwerb beinhaltet, zusätzlich kartiert. Somit wird für den Betrachter/die Betrachterin der Eindruck einer zu überwindenden Inkongruenz erzeugt, zwischen politischer Grenze und tatsächlicher Siedlungsgrenze. Durch die folgende Detailkarte (b) zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (»La Guerra d’Indipendenza americana«) wird dieser Eindruck einer notwendigen Entwicklung des Raumfüllens noch verstärkt, denn auf dieser ›Inselkarte‹ sind beide Grenzen scheinbar bereits miteinander verschmolzen. Das Land jenseits der politischen bzw. der Siedlungsgrenze wird allerdings in beiden Karten schlicht als »Territori Indiani« bezeichnet. Im Gegensatz zur Kartierung afrikanischer Staaten und Reiche erfolgt hier zumindest keine Darstellung als »Terra nullius«, sondern vielmehr als »Terra incognita«. Die dritte Karte dieser Kartenfolge (c) thematisiert die 13 Gründungskolonien und ihre Anerkennung als Vereinigte Staaten von Amerika durch den Frieden von
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Paris 1783. Wie schon in den Teilkarte zuvor wird auch hier eine Inkongruenz zwischen den Territorien der 13 Gründungsstaaten (Flächensignatur) und der Proklamationslinien von 1783 (Liniensignatur) dargestellt. Auch wenn die gestrichelte Grenzsignatur der Kolonien schon auf eine gewisse Durchlässigkeit hinweist, so wird erst durch diese Differenz von Fläche und Linie eine Art notwendiger Drang nach Westen suggeriert, der mit dem Mississippi scheinbar sogar eine naturräumliche Legitimation erfährt. Auch wenn die Proklamationslinie von 1783 hier als unüberwindbar scheint (breite und durchgezogene Linie), so war sie doch eine gedachte Linie, die sich lediglich an den naturräumlichen Gegebenheiten orientierte (Verlauf des Mississippi). Ferner wird das Problem der Grenzziehung an einem zweiten Punkt sehr deutlich – nämlich der Kartierung von Gebietsansprüchen. Schließlich wurden die Kolonien Ost- und Westflorida (»Florida Occidentale« und »Florida Orientale«) nach dem Frieden von Paris an Spanien abgetreten, jedoch ohne genaue Klärung des nördlichen Grenzverlaufes.126 Sowohl Spanien, als auch Großbritannien machten territoriale Ansprüche geltend, sodass diese Zonen unsicherer Zugehörigkeit im Kartenbild schraffiert dargestellt werden. Die inhaltliche und räumliche Reduktion dieser drei Karten (a-c) ist auf die Darstellungsart als Kartenfolge zurückzuführen, als Alternative zu einer unübersichtlichen Komplexkarte. Allerdings thematisiert dieser italienische Atlas die amerikanische Geschichte nicht nur anhand einer Kartenfolge, sondern bettet sie in eine Gesamtnarration ein, die von der Geschichte der Entdeckungen (»Principali itinerari di esplorazione e di conquista«) bzw. der ersten europäischen Besiedelung über die Thematisierung von Kulturräumen (»Aree Culturali«), Native Americans und deren Migrationsbewegungen, den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, den Sezessionskrieg bis hin zum Ende der Westexpansion und der Etablierung der Vereinigten Staaten als Weltmacht reicht.127 Dadurch, dass der nordamerikanischen Geschichte in diesem Atlas eine relativ große Bedeutung eingeräumt wird, können verhältnismäßig viele didaktisch reduzierte Detailkarten (inhaltlich, räumlich, zeitlich) mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung verwendet werden (Verzicht auf Komplexkarten). Erst die Gesamtnarration, die sich aus der Betrachtung aller Karten und dem begleitenden Texten zur nordamerikanischen Geschichte (und den entsprechenden Querverweisen zur europäischen Geschichte) ergibt, kann der Betrachter den Raum jenseits der Frontier nicht bloß als leer oder unentdeckt wahrnehmen und die ›Frontier‹ selbst als Konflikt-, aber auch als kulturelle Kontaktzone begreifen. 126 Erst mit dem Pickney-Vertrag wurden 1795 in San Lorenzo u. a. die Grenzen zwischen den Vereinigten Staaten und dem spanischen Kolonien in Nordamerika festgelegt; Vgl. Wasser, Hartmut: Die große Vision – Thomas Jeffersen und der amerikanische Westen. Wiesbaden 2004, S. 87. 127 Baselli, Giovanni: Atlante Storico. Novara 2004, S. 70 und 96 f.
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Erst wenn die hier verwendeten Geschichtskarten als mentale Folien übereinandergelegt werden, kann ein differenziertes Bild der nordamerikanischen Geschichte aufgezeigt werden. Die Frage nach der Darstellung von Grenzen und Räumen stellt sich auch bei einer Geschichtskarte, die als Detailkarte zur Westexpansion der Vereinigten Staaten sehr häufig innerhalb der europäischen Geschichtsatlantenlandschaft in Erscheinung tritt.128 Charakteristisch für diesen Kartentyp ist die Gestalt einer Inselkarte der Vereinigten Staaten mit deren aktuellen Außengrenzen. Abgesehen von der Tatsache, dass die Frontiergesellschaften in Kanada und Mexiko dadurch ausgeblendet werden129, wird so die nordamerikanische Westexpansion als eine US-amerikanische Geschichte der Inbesitznahme kartiert und die einstigen Kulturareale verschwinden scheinbar unter dem Deckmantel eines Flächenstaates.130 Abbildung 22 zeigt diesen Kartentyp anhand von drei unterschiedlichen Geschichtskarten. Das russische und französische Beispiel thematisieren lediglich den Beitritt der einzelnen Bundesstaaten und markiert diesen durch entsprechende Jahreszahlen. Zusätzlich werden Expansionsphasen ausgemacht, die allerdings recht unterschiedlich kartiert sind. Während die russische Geschichtskarte lediglich grobe Zeiträume beschreibt, wie beispielsweise die »erste Hälfte des 19. Jahrhunderts« (»S `V´ aS_Z `_\_SY´ ^V XIX S.«), so bietet die französische Geschichtskarte hingegen eine differenzierte zeitliche Einteilung an (z. B. »ðtats admis dans l’Union de 1790 1821«), jedoch ohne nähere Informationen bereitzustellen. Sogar dass in vielen europäischen Geschichtskarten zur US-amerikanischen Geschichte verschollen geglaubte Alaska und die Hawaiianischen Inseln werden hier als Bestandteile der USA bereits dargestellt. Die schwedische Geschichtskarte kartiert ebenso wie die Beispiele aus Russland und Frankreich das Jahr des Beitritts der einzelnen Bundesstaaten zu den Vereinigten Staaten und markiert dabei unterschiedliche Entwicklungsphasen. Neben zahlreichen Grenzkartierungen werden leere Räume allerdings in keiner der drei Kartenbeispiele kartiert (abgesehen von den Territorien außerhalb der Vereinigten Staaten). Das schwedische Beispiel differenziert hingegen deutlich zwischen Abtretung bzw. 128 Von 152 Geschichtsatlanten, die nordamerikanische Geschichte kartierten, nutzen 94 (62 %) diesen Kartentyp der US-amerikanischen »Westexpansion«; Vgl. hierzu auch Anlage 17. Vgl. hierzu u. a. Patart, Christian: Atlas d‹Histoire. Brüssel 2006, S. 113; Serryn, Pierre/Blasselle, Ren¦: Atlas Bordas geographique et historique Bordas, Paris 1993, S. 27; Jung, Dieter ; Meinel, Matthias: Trio – Atlas für Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde. Braunschweig 2006, S. 108; Vasˇek, Jaroslav : Atlas Sveˇtovy´ch Deˇjin 2. Dl – Strˇedoveˇk-Novoveˇk, Prag 1996, S. 26. 129 Vgl. Depkat: Geschichte Nordamerika, S. 79 ff. 130 Vgl. ebenda, S. 46 ff.
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Annexion und thematisiert außerdem konkrete Ereignisse mit entsprechender Datierung. Schließlich werden im Gegensatz zu dem französischen und russischen Beispiel hier sogar drei verschiedene Formen der territorialen Abgrenzung bzw. Differenzierung kartiert. Während die heutigen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten lediglich durch eine sehr dünne, gestrichelte und damit kaum wahrnehmbaren Grenzsignatur gekennzeichnet sind (a), werden die Grenzen der Expansionsphasen lediglich durch unterschiedliche Farbflächen voneinander getrennt (b). Die markanteste Grenzsignatur, die sich der Abgrenzung von Nord- und Südstaaten widmet (c), markiert eines der bedeutendsten Ereignisse der amerikanischen Geschichte und zugleich eine zentrale Unterbrechung der US-amerikanischen Westexpansion (rote und blaue Grenzsignatur). Der Vergleich der drei Geschichtskarten zeigt, dass sie sich trotz vermeintlich gleichem Inhalt deutlich voneinander unterscheiden und dabei durch ihre unterschiedlichen Informationsebenen auch Aussagen über Räume und Grenzen variieren. Dennoch treffen alle drei Beispiele keinerlei Aussagen zu einem raumprägenden Faktor des postkolumbianischen Nordamerika – den ZentrumPeripherie-Beziehungen. Zwar ist das koloniale Nordamerika einst als Ganzes die Peripherie eines in Europa liegenden Zentrums gewesen, doch hat sich im Zuge der Unabhängigkeit und Westexpansion ein massiver Wandel vollzogen. Neben dem neuen Zentrum im US-amerikanischen Nordosten und Zentralkanada (zumindest bis Mitte des 20. Jahrhundert), nahmen vor allem regionale Beziehungsgeflechte immer mehr an Bedeutung zu.131 Gerade das schwedische Beispiel macht deutlich, dass die Westexpansion und die damit verbundenen Gebietsgewinne für die Vereinigten Staaten nicht als unaufhaltsame Selbstläufer erscheinen müssen, sondern vielmehr als ein komplexer Prozess mit vielschichtigen Problem- und Konfliktlagen dargestellt werden können.
Die resultierenden Raum- und Geschichtsbilder Dass die nordamerikanische Geschichte und speziell die Geschichte der Vereinigten Staaten wichtige Bestandteile europäischer Geschichtsatlanten sind, konnte bereits gezeigt werden. Allerdings gibt es doch einige Anzeichen für differierende Geschichtsbilder innerhalb Europas, die gerade in Detailkarten zur US-amerikanischen Geschichte und speziell in der Darstellung von Räumen und Grenzen ihren Ausdruck finden. So deutet allein der Titel »America Rebels – The American Revolution 1775 – 83« auf eine deutliche Wertung der Ereignisse 131 Vgl. Depkat: Geschichte Nordamerikas, S. 53 ff.
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hin.132 Denn hier werden zwei Begriffe miteinander verwoben, die vielmehr voneinander abzugrenzen sind. So bedient sich der Autor hier der negativen Konnotation des Begriffes »Rebellion« und vermengt ihn mit der unter Historikern anerkannten Bezeichnung der »American Revolution«.133 Von einem Krieg ist im Gegensatz zu französischen Geschichtsatlanten in britischen eher selten die Rede.134 Vielmehr wird der Eindruck vermittelt, das Ende des Siebenjährigen Krieges sei das bedeutendere Ereignis gewesen: »The American Revolution came soon after Britain’s triumph in the Seven Years War. The loss of the ›first Empire‹ was a shock, but the danger of a revived French North America was averted in the peace settlement of 1783 […]«.135 Unabhängig von dieser Darstellung eines britischen Themenatlasses zieht sich durch die europäische Geschichtsatlantenlandschaft allerdings die Betrachtung der Vereinigten Staaten als eine lineare Erfolgsgeschichte von den ersten britischen, französischen und spanischen Kolonien (nur selten werden auch niederländische und schwedische genannt) über den Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) und den Sezessionskrieg (1861 – 1865) hin zur Westexpansion und der Etablierung als Globalmacht des Kalten Krieges. Dabei fällt auf, dass die beiden als für die US-amerikanische Geschichte zentral dargestellten kriegerischen Auseinandersetzungen (›Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg‹ und ›Sezessionskrieg‹) in der Regel als von der Weltgeschichte isolierte Ereignisse kartiert werden. So sind es vor allem Inselkarten, wie sie beispielsweise in den Abbildungen 21 und 22 gezeigt werden, die auf eine welt- und globalgeschichtliche Positionierung verzichten. Allerdings ist gerade der Sezessionskrieg
132 Dalziel: Historical Atlas of the British Empire, S. 52 f. 133 Reinhart Koselleck trennt diese Begriffe deutlich voneinander und weist auf eine geschichtsphilosophische Ausweitung des Revolutionsbegriffs seit dem 18. Jahrhundert hin: »›Revolution‹ wurde zum Legitimationstitel für Veränderungen, die zuvor tabuisiert oder noch gar nicht in den Bereich der Erfahrung getreten war. ›Rebell‹ zu sein, war negativ, ›Revolutionär‹ zu sein, wurde als positiv besetzt«; Koselleck, Reinhardt: Revolution, Rebellion, Aufruhr und Bürgerkrieg (Einleitung), in: Conze, Werner u. a. (Hrsg.): Geschichtliche Grundbegriffe (Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland Bd. 5). Stuttgart 2004, S. 13 ff. 134 So spricht beispielsweise »The Penguin Atlas of british and irish history« von »American Independence« oder die Geschichtsatlanten von Jeremy Black und John Haywood von »The American Revolution«; Vgl. Hall/Haywood: The Penguin Atlas of british and irish history, S. 172; Black: Warfare – Renaissance to Revolution 1492 – 1792, S. 154; Haywood: The age of discovery – 1492 to 1815, S. 20 f. Französische Geschichtsatlanten nutzen hingegen vornehmlich den Terminus Krieg, indem sie beispielsweise vom »La Guerre d’Ind¦pendance Am¦ricaine« sprechen; Vgl. Duby, Georges: Grand Atlas historique. Paris 2008, S. 301. Ein schwedischer Geschichtsatlas nutzt sogar die Bezeichnung »Nordamerikanischer Freiheitskampf (»Nordamerikanska Frihetskriget«), Stamsø, May – Britt; Fowelin, Peter : Bonniers Historiska Atlas, Stockholm 2000, S. 62. 135 Dalziel: Historical Atlas of the British Empire, S. 52.
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nicht nur als das »Schlüsselereignis des amerikanischen 19. Jahrhunderts«136 zu sehen, sondern auch hinsichtlich seiner Konsequenzen137 für Eurasien und Lateinamerika zu beurteilen. Als der Baumwollexport nach Großbritannien kriegsbedingt zum Erliegen kam (Blockade der Südstaatenhäfen), wurden neue Bezugsquellen in Ägypten und Indien erschlossen, sodass »[d]er amerikanische Bürgerkrieg […] der Wirtschaft des britischen Weltreichs in der Mitte des Viktorianischen Zeitalters zu einer Blüte [verhalf]«138. Die Wiederaufnahme des amerikanischen Exports führte hingegen nicht nur zu einer Krise der Weltwirtschaft in den 1870er und 1880er Jahren (Einbruch der Baumwollpreise nach 1867), sondern begünstigte indirekt auch den antibritischen Nationalismus in Westindien (Hungersnöte durch Zusammenbruch der indischen Baumwollpreise) und lösten in Kuba eine Wirtschaftkrise aus, die den dortigen Aufstand zum Sturz der spanischen Regierung begünstigte. »Der Amerikanische Bürgerkrieg war daher ebenso ein Weltereignis wie der Taipingaufstand oder die 1848er Revolution, weil direkte Verbindungen von Handel, Regierung und Ideologie ihre Folgen auf der ganzen Welt verbreiteten.«139 Neben der isolierten Darstellung der US-amerikanischen Geschichte finden sich u. a. auch in polnischen Geschichtsatlanten direkte Gegenüberstellungen der US-amerikanischen Westexpansion mit der russischen Expansion nach Sibirien bzw. nach Zentralasien bis 1914 (»Ekspanja kolonialna Rosiji i USA«)140 auf einer Atlasseite, offenbar als Orientierung auf einen sich bereits andeutenden globalen Konflikt beider Mächte. Darüber hinaus besitzt die Darstellung der amerikanischen Revolution in polnischen Geschichtsatlanten im Gegensatz zu den russischen einen verhältnismäßig großen Stellenwert.141
136 Gräser, Marcus: Der Bürgerkrieg und das amerikanische 19. Jahrhundert, in: Grandner, Margarete/Gräser, Marcus (Hrsg.): Nordamerika – Geschichte und Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert (Edition Weltregionen Bd. 18) Wien 2009, S. 54. 137 Neben den ökonomischen Konsequenzen sind allerdings auch politische- und militärischezu nennen. »Durch die Verflechtung moralischer und wirtschaftlicher Argumente standen Reformbewegungen auf beiden Seiten des Atlantiks oft in einer direkten Beziehung zueinander« (Antisklavereibewegung etc.). Aber auch die Entwicklungen im Bereich der Kriegsführung (Mechanisierung etc.) wurden auf legalen oder illegalen Wegen in andere Teile der Welt exportiert; Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 205 f. 138 Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 202. 139 Ebenda, S. 203. 140 Beispiele aus Polen: Panfil, Tomasz/Piłat, Zbigniew: Atlas historyczny – Dla klasy 7 – 8. Warschau 1998, S. 14; Konarski, Jan/Daniluk, Andrzej: Atlas historyczny – dla szkûł ´srednich, Pol. Przedsieb. Warschau 2000, S. 58; Piłat, Zbigniew/Trzcionkowski, Lech: Atlas Historyczny – Gimnazjum -Wydanie uzupełnione i rozszerzone. Warschau 2006, S. 76. Beispiele dafür finden sich allerdings auch in Belgien und Rumänien: Geivers, Rik/Devos,W.: Atlas Historique Erasme. Namur 1990, S. 51; Ba˘lan, Angela Mihaela/Ionit¸a˘, Ovidiu Cristian/Scurtu, Ioan: Atlas s¸colar de istorie universal. Bukarest 2006, S. 45. 141 60 % der polnischen Geschichtsatlanten (die den Kolonialismus thematisieren) nutzen eine
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Die von Jürgen Osterhammel als »‹Großerzählung‹ der US-amerikanischen Nationalgeschichte« beschriebene Geschichte der Frontier ist Gegenstand vielfältiger Debatten, insbesondere in der Auseinandersetzung mit der Konzeption von Frederick Jackson Turner.142 Gerade die kartographische Umsetzung des wandernden Grenzraumes offenbart eine durchaus unterschiedliche Positionierung zur Geschichte der amerikanischen Westexpansion und den jeweiligen Frontiergesellschaften. Sowohl die Frage nach dem Kartieren von Grenzen, der inhaltlichen Auswahl, als auch der mediale Kontext der Geschichtskarte sind hier die entscheidenden Einflussfaktoren. Wie das Beispiel der Detailkarten zur US-amerikanischen Westexpansion zeigt (Abbildung 22), kann eine stark generalisierte und didaktisch reduzierte Geschichtskarte durchaus eine Narration der kontinuierlichen und unaufhaltsamen Erweiterung nach Westen unterstützen, während Komplexkarten hingegen auch multiperspektivische Betrachtungen erlauben. So kartiert beispielsweise ein britischer Geschichtsatlas neben der Westexpansion (Beitrittsjahr der Bundesstaaten, Phasen der Erschließung) auch die Reservate der Native Americans im Jahr 1875, Indianermassaker, Eisenbahnlinien und Goldvorkommen.143 Auch die Nutzung von Kartenfolgen kann einen eher differenzierenden Blick auf die nordamerikanische Expansionsgeschichte und damit auf Räume und Grenzen ermöglichen, indem neben der Westexpansion z. B. auch Detailkarten zu den sogenannten Indianerkriegen genutzt werden.144 Unabhängig von den beschriebenen Komplexkarten und deren Möglichkeiten zur Differenzierung, ist der Großteil der in europäischen Geschichtsatlanten verwendeten Karten zur nordamerikanischen Geschichte auf ein bestimmtes Nordamerikabild hin ausgerichtet. Gerade für die Vereinigten Staaten als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird ein Bild vermittelt als »freiheitlich [es] Schlaraffenland, als Asyl für die Armen und Unterdrückten Europas, das jedem Fleißigen die Chance zum sozialen Aufstieg bot«145. In diesem Zusammenhang wird in europäischen Geschichtsatlanten offenbar noch immer ein verklärtes Bild der Frontier als Bühne der Wildwestromantik transportiert.
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Detailkarte zur amerikanischen Revolution, wohingegen lediglich in 24 % der russischen Geschichtsatlanten eine solche Darstellung zu finden ist. Vgl. hierzu u. a. Waechter, Matthias: Die Erfindung des amerikanischen Westens. Die Geschichte der Frontier-Debatte. Freiburg 1996. Haywood, John: Modern Times – 1815 to the present – Volume 4. London 2004, S. 16 f. Vgl. hierzu z. B. Pederby, Bo/Sandberg, Robert: Historien I Kartor. Stockholm 2005, S. 60 f. Depkat: Die Geschichte Nordamerikas, S. 17 f.
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5.2. Die Visualisierung von Heldentum – Entdecker und Eroberer Jürgen Osterhammel stellt fest, dass es »keine Geschichte des Kolonialismus [gibt]«, sondern lediglich »eine Vielzahl von Geschichten einzelner Kolonialismen«146. Ein Teilbereich dessen sind Geschichten kolonialer Helden147, die wahlweise in der Gestalt von Entdeckern, als Träger von Fortschritt, Wissenschaft und Freiheit, aber auch als goldhungrige Eroberer, Ausbeuter, Zerstörer und Schlächter überliefert werden. Ob nun der »Wiederentdecker Amerikas«148 Christoph Kolumbus (1451 – 1506), die Konquistadoren Francisco Pizarro (1478 – 1541) und Hernn Cort¦s (1485 – 1547), »the queen’s pirate«149 Sir Francis Drake (1540 – 1596), die Afrikaforscher David Livingstone (1813 – 1873) und Sir Henry Morton Stanley (1841 – 1904)150 oder gar »der Löwe von Afrika«151 Paul Emil von Lettow-Vorbeck (1870 – 1964) – all diese Beispiele zeigen, dass die spätestens im Rahmen des Postkolonialismus in die Kritik geratene HeldenErzählung keine Ad hoc-Veranstaltung ist, sondern über Generationen hinweg transportiert und letztlich auch medial beeinflusst wird. »Der Heldenkult, der im 19. Jahrhundert mit Vorliebe betrieben wurde, ist längst überholt. Denkmäler werden heute den Opfern der Geschichte errichtet, vorzugsweise von denen, die diese Opfer zur Stütze ihrer eigenen Identität benötigen.«152 Dass die Entzauberung kolonialer Helden aber noch immer nicht abgeschlossen ist, macht das Beispiel Pizarros deutlich. Nach dem Ende des FrancoRegimes wurden in Spanien zwar die Statuen Francisco Francos abgebaut, die Statuen Pizarros hingegen blieben unberührt, wie das Reiterstandbildes auf der Plaza Mayor der spanischen Kleinstadt Trujillo zeigt. »[A]n Pizarro vergreift sich
146 Osterhammel: Kolonialismus, S. 29. 147 Vgl. hierzu u. a. auch: Berenson, Edward: Heroes of Empire: Five Charismatic Men and the Conquest of Africa. London 2011; Neuhold, Helmuth: Die großen Eroberer. Wiesbaden 2008, S. 150 ff. 148 Volger, Gernot: Gold, Ruhm und Evangelium. Der Wiederentdecker Amerikas als Verkörperung der europäischen Expansion, in: Archiv für Kulturgeschichte Bd. 88 (2006), S. 323 – 354; Vgl. hierzu auch Venzke, Andreas: Der Entdecker Amerikas. Aufstieg und Fall des Christoph Kolumbus. Berlin 2006. 149 Kelsey, Harry : Sir Francis Drake – The queen’s pirate. New Haven 2000. 150 Vgl. Berenson: Heroes of Empire, S. 22 ff. 151 Vgl. hierzu u. a. Mass, Sandra: Weisse Helden, schwarze Krieger. Zur Geschichte kolonialer Männlichkeit in Deutschland 1918 – 1964. Köln 2006, S. 40 ff.; Stephenson, William: Der Löwe von Afrika. Der legendäre General Paul von Lettow-Vorbeck und sein Kampf um Ostafrika. München 1984. 152 Dipper : Einleitung, in: Dipper, Christof/Vogt Martin (Hrsg.): Entdeckung und frühe Kolonisation – Ringvorlesung (THD Schriftreihe Wissenschaft und Technik Bd. 63). Darmstadt 1993, S. 10.
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keiner, obwohl der Konquistador nicht weniger Menschen massakriert hat als der Diktator der Jahre 1939 – 1975.«153 Aber wie werden koloniale Heldenerzählungen in Geschichtsatlanten überhaupt präsentiert? Gibt es Unterschiede im europäischen Vergleich? Und inwieweit haben Kartenzeichen einen Einfluss auf Raum- und Geschichtsbilder? Bevor jedoch Entdecker-Weltkarten dahingehend einer detaillierten Analyse unterzogen werden, gilt es den Typus des Entdeckers und Eroberers zunächst in den Blick zu nehmen und danach zu fragen, wer überhaupt in europäischen Geschichtsatlanten kartiert wird. Am 12. Oktober 1992 jährte sich eines der wohl bekanntesten Ereignisse der Weltgeschichte zum 500. Mal – die sogenannte Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus. Anlässlich der Feierlichkeiten wurden allerdings zahlreiche Stimmen laut, die nicht nur den eurozentrischen Begriff Entdeckung verurteilten, sondern auch andere Gruppen in den Fokus der Betrachtung rückten. Neben den asiatischen Einwanderern, die Nordamerika über die Landbrücke der Beringstraße bereits einige tausend Jahre zuvor in mehreren Wellen erreichten, entdeckten Wikinger bereits 500 Jahre vor Kolumbus als erste Europäer die Neue Welt. Im Rahmen der großen skandinavischen Expansion des 9. bzw. 10. Jahrhunderts stießen die normannischen Siedler unter Führung Erik des Roten 982 zunächst bis nach Grönland und unter seinem Sohn Leif Erikson um das Jahr 1000 schließlich sogar bis Neufundland vor.154 Diese frühe europäische Besiedelung war allerdings nur ein kurzes Intermezzo, sodass die portugiesischen und spanischen Entdeckungsfahrten des 15. Jahrhundert nicht auf den Erkenntnissen der Nordmänner aufbauen konnten. Die Motivlagen und Bedingungen, die den Ausgangspunkt des Zeitalters der Entdecker markierten, waren hingegen vielfältig. Getragen von einer frühmodernen Staatlichkeit155 waren es vor allem die europäischen Länder Portugal, Spanien, Frankreich und England, die nach schnelleren, günstigeren und sicheren Handelswegen nach Asien suchten. Sie wollten Kontrolle über den lukrativen Gewürzhandel bekommen, der bis dato von den italienischen Stadtstaaten Venedig und Genua dominiert wurden. Schließlich sei auch darauf hingewiesen, dass Europa vor den großen Entdeckungsfahrten bereits »ein 153 Schoepp, Sebastian: Niemandes Söhne, in: Die Zeit – Geschichte. Das Zeitalter der Entdeckungen, S. 48. 154 Vgl. hierzu auch Schmitt, Eberhard (Hrsg.): Die mittelalterlichen Ursprünge der europäischen Expansion (Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion Bd. 1). München 1986, S. 29ff; Ingstad, Helge: Die erste Entdeckung Amerikas – Auf den Spuren der Wikinger. Frankfurt 1983. 155 Für Volker Depkat sind die »innere Konsolidierung des Königtums und die beginnende Zentralisierung der Staatsgewalt« wichtige Voraussetzungen für ein »Ausgreifen dieser Staaten in die Welt«; Depkat: Geschichte Nordamerikas, S. 177.
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Produkt des Austauschs mit afrikanischer und asiatischer Kultur« gewesen ist.156 Durch den von Vasco da Gama und Bartolomeu Diaz erschlossenen Seeweg nach Indien konnte Portugal als erste europäische Macht die hohen Zölle muslimischer Machthaber umfahren und schließlich den Handel mit Gold und Sklaven aus Afrika und mit Gewürzen aus Asien zunehmend kontrollieren. Nicht zuletzt war dies eine Konsequenz aus der gezielten Förderung portugiesischer Entdeckungsfahrten entlang der westafrikanischen Küste durch Heinrich den Seefahrer (1394 – 1460).157 Erst mit der Einigung der beiden Königreiche Kastilien und Aragon und dem Abschluss der Reconquista, mit der Wiedereroberung des nasridischen Königreichs Grenada im Jahre 1492, konnte auch Spanien ernsthaft an überseeischen Einflussgebieten und Handelsverbindungen partizipieren. Da der Vertrag von AlcÅovas (1479) die portugiesischen Einflussgebiete entlang der westafrikanischen Küste garantierte, blieb Spanien dieser Weg nach Indien allerdings verwehrt, sodass lediglich die Westpassage als einzige Option offen blieb.158 Im Hinblick auf die aktuelle europäische Geschichtsatlanten-Landschaft stellt sich die Frage, wer von den zahlreichen (früh)neuzeitlichen Entdeckern und Eroberern in Geschichtskarten überhaupt abgebildet wird. Auch wenn es Einzelfälle gibt, die sich an einer annähernd vollständigen kartographischen Bestandsaufnahme versuchen159, so sind gerade Weltkarten zur Entdeckungsgeschichte160 auf eine Auswahl von Entdeckern angewiesen, um eine aussagefähige Geschichtskarte zu generieren (inhaltliche Reduktion). In einem zweiten Schritt ist nach dem Wie zu fragen, denn die Art und Weise der Darstellung gibt im Hinblick auf die semiotischen Binnenstruktur der Geschichtskarte Auskunft über vorherrschende Raum- und Geschichtsbilder. »Wer« wird »Wo« kartiert? Geschichtskarten lokalisieren Räume und Orte, visualisieren Ereignisse und Prozesse. Auf den handelnden Akteuren liegt dabei selten der Fokus. Neben der äußerst seltenen Kartierung von Biographien161 bilden Entdeckerkarten jedoch einen besonderen Kartentypus, bei dem notwendigerweise die Darstellung von 156 Conrad/Randeria: Jenseits des Eurozentrismus, S. 11 157 Vgl. Depkat: Geschichte Nordamerikas, S. 178; Vgl. auch Pelizaeus: Der Kolonialismus, S. 41 ff. 158 Vgl. Pelizaeus: Der Kolonialismus, S. 43. 159 Vasˇek, Jaroslav : Atlas Sveˇtovy´ch Deˇjin 1. Dl – Praveˇk-Strˇedoveˇk. Prag 1995, S. 34; Vgl. hierzu auch Vasˇek, Jaroslav : Atlas Svetovy´ch Dejn 2. Diel – Stredovek-Novovek. Harmanec 1997, S. 21. 160 Wie z. B. der beschriebene Standard-Typ I (»Iberische Phase«), vgl. Kapitel 4.5.1. 161 z. B. Anne Franck – Nordhoff Atlasproducties: De Bosatlas van de Geschiedeniscanon, S. 40 f.
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Personen in den Vordergrund rückt. Ferner ist die »biographische Entdeckergeschichte«162 bereits für frühneuzeitliche Karten ein integraler Bestandteil und schließlich spielten »starke Persönlichkeiten als geistige Führer, Staatsmänner, Erfinder, Entdecker, Glaubenshelden, soziale Kämpfer«163 auch im Geschichtsunterricht der Weimarer Republik eine tragende Rolle164. Darüber hinaus bemerkt Fritz März, dass es vor allem Personen seien, »die Geschichte machen – nicht die ›Verhältnisse‹, die ›Entwicklungen‹, ein obskurer Weltgeist und was immer auch sonst noch […], Personen machen Geschichte: sie denken, planen, handeln und – oft genug erliegen sie Illusionen, irren sich […]«165. Zugespitzt auf Geschichtskarten europäischer Entdeckungsfahrten bedeutet das also: keine Entdeckungsgeschichte ohne ihre Entdecker. Auch wenn beispielsweise der Typus des goldhungrigen und mordenden spanischen Konquistadors mit Namen wie Cort¦s oder Pizarro ein Gesicht bekommt, ist eine solche Personalisierung von Geschichte oder gar die Herleitung von Kollektivbiographien aber doch kritisch zu hinterfragen.166 Umso notwendiger ist es festzustellen, welche Entdecker und Eroberer überhaupt Eingang in die europäische Erinnerungslandschaft gefunden haben und somit das Bild des Zeitalters der Entdeckungen maßgeblich bis heute prägen. Um Entdeckerkarten in Geschichtsatlanten miteinander vergleichen zu können, bedarf es einer Eingrenzung der vielfältigen räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Darstellungsvariationen in europäischen Kartenwerken. Somit wird im Folgenden auf die Untersuchung von Detailkarten weitgehend verzichtet, die beispielsweise ihren Fokus ausschließlich auf den pazifischen Raum oder die Karibik legen (Raumausschnitte). Im Hinblick auf die globalen Bedeutungen und Konsequenzen von (meist europäischen) Entdeckungsfahrten werden im Folgenden entsprechend Darstellungen auf Weltkarten untersucht, die mit einem Zeitraum von 1400 bis 1700 die iberische und den Beginn der nord162 Schraut: Kartierte Nationalgeschichte, S. 334. 163 Preußische Richtlinien aus dem Jahr 1927, zitiert bei Schraut: Kartierte Nationalgeschichte, S. 44. 164 Neben frühneuzeitlichen Entdeckern haben aber auch Kartierungen von Forschungsreisen und Expeditionen im Afrika des 19. Jahrhunderts bereits eine lange Tradition. Exemplarisch sei hier u. a. auf den »Deutsche Kolonial-Atlas« von Paul Langhans verwiesen, der sich mit entsprechend geopolitischer Fokussierung u. a. dem »Anteil der Deutschen an der Erforschung des Erdteils« widmete und die »Kulturbestrebungen in Afrika« kartierte; Vgl. Langhans, Paul: Deutscher Kolonial-Atlas. Gotha 1892 – 97, zitiert bei Demhardt, Imre Josef: Aufbruch ins Unbekannte. Legendäre Forschungsreisen von Humboldt bis Hedin. Darmstadt 2011, S. 63. 165 März, Fritz: Personengeschichte der Pädagogik. Bad Heilbrunn 1998, S. 7. 166 Innerhalb der Geschichtsdidaktik gilt u. a. Klaus Bergmann bereits Anfang der 1970er Jahre als einer der bedeutendsten Kritiker der Personengeschichte, indem er beispielsweise die Vernachlässigung von Strukturen zugunsten der Personalisierung anprangert; Vgl. Rohlfes, Joachim: Ein Herz für die Personengeschichte, in: GWU, Bd. 50 (1999), S. 311.
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westeuropäischen Phase des kolonialen Zeitalters umfassen. Bei Entdeckern und Eroberern, die in diesem Kontext verortet werden, kann von einer Zuschreibung als global bedeutende Akteure ausgegangen werden. Wer gehört allerdings zu diesem Entdeckerkanon europäischer Geschichtsatlanten? Weit über 100 Entdecker und Eroberer konnten ausgemacht werden, die in unterschiedlichen Kontexten kartiert werden. Als Destillat ergaben entsprechende Frequenzanalysen die fünfzehn meist-kartierten Entdecker in europäischen Geschichtsatlanten (Vgl. Abbildung 23). Darüber hinaus liefert die Analyse folgende Erkenntnisse. I. Als Konstante aller betrachteten Entdecker-Weltkarten durchziehen die Namen Christoph Kolumbus, Vasco da Gama und Ferdinand Magellan die europäische Geschichtsatlanten-Landschaft. Die Wiederentdeckung Amerikas, die Erschließung des Seewegs nach Indien und zumindest der Beginn der ersten Weltumsegelung sind somit feste Bestandteile einer gesamteuropäischen Erinnerungskultur. 141 Entdecker-Weltkarten aus 29 europäischen Ländern167 stützen diesen Befund. Selbst stark elementarisierte Entdecker-Weltkarten, die beispielsweise in Kinderatlanten oder Schulgeschichtsatlanten (Primarstufe, Sekundarstufe I) zu finden sind, nennen mindestens diese drei Namen im Kartenbild oder in der Zeichenerklärung (Legende). Allerdings sind einige Unterschiede im europäischen Vergleich auszumachen, sodass die Auswahl der Entdecker und Eroberer durchaus an der Geschichte der eigenen Nation orientiert sein kann. II. Während in britischen Geschichtsatlanten die Kartierung John Cabots (Giovanno Caboto) einen verhältnismäßig großen Stellenwert einnimmt, bleibt Jacques Cartier hier eher unterrepräsentiert. Für Frankreich zeigt sich ein umgekehrtes Bild (Vgl. Abbildung 24). Auch wenn der nordamerikanische Kontinent vor der Landung des Venezianers Giovanno Caboto im Jahre 1497 an der Küste Neufundlands »bereits viele tausend Jahre historischen Wandels hinter sich [hatte]«168, so ist dieses Ereignisses als Grundstein späterer Erkundungen Nordamerikas für die folgende englische Siedlungskolonisation von enormer Bedeutung. Die Expeditionen des Venezianers in englischen Diensten spielt in Entdecker-Weltkarten französischer Geschichtsatlanten hingegen eine geringere Rolle. In deutschen, belgischen, italienischen, spanischen und russischen Ge167 Entdecker-Weltkarten aus Geschichtsatlanten folgender Länder : Belgien, Bulgarien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Finnland, Großbritannien, Griechenland, Italien, Kroatien, Litauen, Lettland, Moldawien, Mazedonien, Norwegen, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Türkei. 168 Depkat: Geschichte Nordamerikas, S. 175.
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schichtsatlanten wird die Erkundung der neufundländischen Küste durch John Cabot häufiger kartiert als in französischen Produktionen. Ein Grund für die häufige Erwähnung in italienischen Atlanten ist offenbar in der Herkunft des Entdeckers zu suchen. Generell kann von einer höheren Bedeutungszuschreibung in europäischen Geschichtsatlanten ausgegangen werden, als es beispielsweise für Jacques Cartier der Fall ist. Der französische Entdecker war auf der Suche nach der Nordwestpassage und gelangte dabei bis ins heutige Kanada. Durch die dabei erlangten Informationen zu ökonomischen Potentialen und geographischen Gegebenheiten kann er durchaus als essentieller Wegbereiter des französischen Kolonialreichs in Nordamerika beschrieben werden.169 Dieses Bild spiegeln französische Geschichtsatlanten deutlich wider, doch auch jene in Spanien, Deutschland und Ungarn. Beide Nordamerika-Entdecker werden hingegen von belgischen, rumänischen und polnischen Geschichtsatlanten in gleichem Umfang kartiert. Auch wenn John Cabot und Jacques Cartier als Bestandteile europäischer Erinnerungskulturen beschrieben werden können, so förderte allein der quantitative Vergleich beider Kartierungen jedoch nicht das Bild einer einheitlichen europäischen Darstellung zutage, sondern vielmehr eine Ansammlung nationaler Perspektiven. III. Eine an der Geschichte der eigenen Nation ausgerichtete Auswahl von Entdeckungsfahrten zeigen auch folgende russische Beispiele (Vgl. Abbildung 25). Vor allem der Befund im Falle des russischen Pelzhändlers Semjon Iwanowitsch Deschnjow (»BV]r^ 9SQ^_SYh 5VW^rS«; um 1605 – 1673), der bereits vor Vitus Jonassen Bering (1681 – 1741) die Tschuktschen-Halbinsel umsegelte und somit die Theorie einer Landverbindung zwischen Asien und Nordamerika wiederlegte, ist besonders markant.170 Neben einigen deutschen und spanischen sind es ausschließlich russische Geschichtsatlanten, die sogar in erheblichem Maße (88,9 %) die Expedition des gebürtigen Kosaken kartieren. Im Gegensatz dazu findet sich der Name Jermak Timofejewitsch (» 6a]Q[ CY]_eVVSYh«), wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als die großen Eroberer der Weltmeere, auch in westeuropäischen Geschichtsatlanten. Sowohl belgische und deutsche als auch französische, italienische und spanische Geschichtsatlanten kartieren den Eroberer Sibiriens. Auffällig ist, dass vor allem in Ländern wie Großbritannien, Polen und Rumänien Entdecker-Weltkarten auf diesen Namen gänzlich verzichtet wird. Der in diesen Ländern beobachtbare Entdeckerkanon ist vornehmlich an frühneuzeitlichen Forschungsreisen orientiert, die im Auftrag Spaniens, Portugals, Frankreichs und Großbritanniens 169 Vgl. Depkat: Geschichte Nordamerikas, S. 180. 170 Vgl. Riedel, Glenn/Gerald, Sammet: Die Welt der Karten: historische und moderne Kartografie im Dialog. Gütersloh 2008, S. 41.
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realisiert wurden. Expeditionen nach Zentralasien bzw. die Eroberung Sibiriens spielen nur eine untergeordnete Rolle, da sie sich offenbar jenseits der eigenen Interessenssphäre befinden. Schließlich thematisieren selbst britische Geschichtsatlanten zur Entdeckungsgeschichte (»Historical Atlas of Exploration«171) keine russischen Expeditionen, sondern beschränken sich vornehmlich, neben denen der eigenen Nation, auf west- und südeuropäische Expeditionen seit dem 15. Jahrhundert.172 Unabhängig von den betrachteten Entdecker-Weltkarten (1400 – 1700) sei allerdings auch auf Geschichtskarten zu »wichtige russische Expeditionen im 19. Jahrhundert« (»SQW^VZiYV adb[YV n[b`VUYgYY S XIX SV[V«) hingewiesen, die ausschließlich eine nationale Perspektive fokussieren.173 Ferner bleibt beispielsweise auch die Weltumsegelung von Wassili Michailowitsch Golownin (1776 – 1831) und Fjodor Petrowitsch Lütke (1797 – 1882) bis auf wenige Ausnahmen in westeuropäischen Geschichtsatlanten unerwähnt.174 IV. Sehr unterschiedlich sind auch die Häufigkeiten mit denen Juan Sebastin Elcano in Entdecker-Weltkarten genannt wird (Vgl. Abbildung 26). Genaugenommen war es schließlich nicht Magellan, unter dessen Führung Menschen das erste Mal die Welt umsegelten, vielmehr war es Elcano, der nach dessen Tod am 27. April 1521 die begonnene Expedition zu Ende führte. Auch wenn er die Fahrt nur als Steuermann der »Conceptiûn« begann, so kehrte die Expedition doch unter seiner Führung nach etwa drei Jahren auf dem einzig verbliebenen Schiff, voll beladen mit Gewürzen von den Molukken, nach Spanien zurück. »Sebastin Elcano, der Spanier, der die Victoria nach Hause brachte, streicht den Ruhm für die erste Weltumsegelung ein«175. Diesen Befund scheinen europäische Geschichtsatlanten allerdings nur bedingt zu stützen. Denn obwohl Magellan in annähernd allen Entdecker-Weltkarten erscheint, bleibt Elcano oft ungenannt. Lediglich spanische Geschichts171 Konstam, Angus: Historical Atlas of Exploration, New York 2000; Adams, Simon: Coppenraths Atlas der Weltgeschichte – Weltreiche und Entdeckungen – Eine Zeitreise in Bildern von 1450 n. Chr. bis 1800 n. Chr. (Originaltitel: Kingfisher Atlas of Exploration and Empires: A Pictorial Guide to the Golden Age of Discovery 1450 – 1800, 2007) Münster 2008. 172 Eine Ausnahme stellt hingegen »The illustrated Atlas of Exploration« dar, der nicht nur eine kontinentale Gliederung aufweist, sondern beispielsweise auch vorkoloniale Entdeckungen und die russische Eroberung Sibiriens thematisiert; Vgl. Howgego, Raymond John u. a.: Atlas der Entdeckungen. Die Grossen Pioniere und ihre Expeditionen (Originaltitel: »The illustrated Atlas of Exploration«, 2011) Hamburg 2011. 173 Kolpakov, Sergej V./Ponomarev, Michail V.: Atlas Istorija Rossii XIX veka – 8 klass. Moskau 2007, S. 28 f; Polunkina, N. N.: Atlas Istorija Rossii. Moskua 2005, S. 28; Regentova, E. M.: Atlas; otecˇestvennaja istorija – XIX vek. Moskau 2009, S. 10. 174 Vgl. u. a. Duby, Georges: Atlas historique Mondial. Paris 2006, S. 43. 175 Schnurr, Eva-Maria: In 1082 Tagen um die Erde, in: Die Zeit – Geschichte. Das Zeitalter der Entdeckungen, S. 62.
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atlanten stellen meist sowohl Magellan als auch Elcano nebeneinander dar und liefern so ein differenzierendes Bild dieser Expedition. Geschichtsatlanten u. a. aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien kartieren in nicht unerheblichem Maße lediglich Magellan. Auch in russischen und ungarischen Geschichtsatlanten wird das Bild Ferdinand Magellans als erster Weltumsegler gepflegt, da oftmals keine Informationen zu seinem Tod auf der Insel Mactan dem Kartenbild zu entnehmen sind und Elcano ungenannt bleibt. Auch wenn es nationale Schwerpunktsetzungen bei der Auswahl von zu kartierenden Entdeckern und Eroberern gibt, so bedarf es im Folgenden doch aber vor allem einer Untersuchung der Darstellungsoptionen in Geschichtsatlanten und der daraus resultierenden Konsequenzen. »Wie« werden ›Entdecker und Eroberer‹ kartiert? Zwar sind die kartographischen Werkzeuge limitiert, doch können Geschichtskarten allein im Bereich ihrer semiotischen Binnenstruktur insbesondere mit Hilfe von Kartenzeichen (Signaturen) und textuellen Elementen (im Kartenbild selbst und in der Zeichenerklärung/Legende) Entdeckungsfahrten sehr unterschiedlich kartieren. Lassen sich hier Darstellungsmuster erkennen und inwiefern werden Raum- und Geschichtsbilder dadurch beeinflusst? In Anlehnung an die triadische Zeichentheorie von Charles Sanders Peirce kann die Kartierung von Entdeckungsfahrten als triadisches Kartenzeichen beschrieben werden. Während das Repräsentamen sowohl als geometrisch-abstrakte als auch in Form von bildhaften Kartenzeichen visuell wahrnehmbar ist, so bleibt das kartierte Objekt (Gegenstand) in diesem Fall die Entdeckungsfahrt als Route bzw. der handelnde Akteur selbst (Personengeschichte). Auch der Interpretant, also die Art und Weise der Interpretation durch den Kartennutzer/ innen, muss an dieser Stelle mitgedacht werden.176 Vom interessierten Laien bis zu Schüler/innen der Oberstufe – unterschiedliche Nutzungskontexte und Zielgruppen müssen berücksichtigt werden, schließlich ist die soziokulturelle Dimension elementarer Bestandteil der Produktion und Rezeption von Kartenzeichen. I. Geometrisch abstrakte Kartenzeichen Alle untersuchten Geschichtsatlanten, die Entdecker-Weltkarten verwenden, nutzen lineare Kartenzeichen in Form von Pfeil- oder Liniensignaturen zur Visualisierung von Entdeckungsfahrten. Gerade für die Verortung im Kartenbild scheinen diese besonders gut geeignet zu sein, da sie als stark generalisierte 176 Vgl. Nöth: Kartosemiotik und das kartographische Zeichen, S. 29.
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Darstellung nicht nur Lagebeziehungen und zurückgelegte Distanzen aufzeigen können, sondern auch den jeweiligen Routenverlauf rekonstruieren. Genau an diesem Punkt bewegt sich die Geschichtskartographie allerdings in einem dichten Nebel aus Fakt und Fiktion. Dem Anspruch einer detaillierten und exakten Routenkartierung kann eine Geschichtskarte aufgrund der vorhandenen Quellenlage in der Regel kaum gerecht werden – im Hinblick auf ihre unterschiedlichen Nutzungskontexte muss bzw. darf eine Geschichtskarte dieses allerdings auch nicht leisten. So können beispielsweise die Expeditionen von James Cook durch detaillierte Dokumentation, nicht zuletzt auch durch den deutschen »Wissenschaftspionier«177 Georg Forster, rekonstruiert werden. Im Kontext einer Entdecker-Weltkarte gilt aber die Prämisse, eine lesbare Karte anzufertigen, sodass hier entsprechende geometrische Operationen Anwendung finden, die den notwendigen Prozess der Generalisierung begleiten (Auswahl, Glättung, Typisierung etc.).178 Einen Eindruck von der Variationsvielfalt geometrisch-abstrakter Kartenzeichen liefert das Beispiel der Kartierung zur Expedition John Cabots durch lineare Kartenzeichen (Vgl. Abbildung 27). Größe, Form, Tonwert (Helligkeit), Füllung, Richtung und Farbe179 – genau diese Variationsbreite ist es, die geometrisch abstrakte Linien- und Pfeilsignaturen für die Kartierung von Entdeckungsfahrten so attraktiv macht. Allerdings werden in Entdecker-Weltkarten keinerlei qualitative Informationen zu den einzelnen Unternehmungen mitgeliefert. Gestrichelt, gepunktet, gekrümmt, geglättet – all diese linearen Kartenzeichen geben indes nur Auskunft über Distanzen und ungefähre Richtungen bzw. Routenverläufe. Ihre Variationen dienen dabei in der Regel lediglich der Unterscheidung bzw. der Gruppierung unterschiedlicher Entdeckungsfahrten in einem Kartenbild. Selten werden Entdeckungsfahrten als eine Art Bestandsaufnahme kartiert. Ohne erkennbare inhaltliche Reduktion stellt so die Entdecker-Weltkarte eines slowakischen Schulgeschichtsatlasses beispielsweise 71 unterschiedliche Entdeckungsfahrten dar und ordnet diese aufgrund ihrer Farbgebung den entsprechenden Ländern zu (Vgl. Abbildung 28). Es sind ambitionierte Beispiele wie diese, die zwar weder in Vermittlungskontexten noch in anderen Anwendungsbereichen wirklich nutzbar sind, doch aber einmal mehr die Notwendigkeit von Auswahlprozessen und die Variationsmöglichkeiten von linearen Kartenzeichen in der Geschichtskartographie aufzeigen. Im Gegensatz zu diesem Versuch einer personengeschichtlichen Bestandsaufnahme frühneuzeitlicher Entdeckungsfahrten kartieren doch die meisten europäischen Geschichtsat-
177 Kulke, Ulli: Die Reise ans Ende der Welt, in: National Geographic, H. 2 (2008), S. 28 – 56. 178 Vgl. Monmonier : Eins zu einer Million, S. 47. 179 »Die sechs wichtigsten graphischen Variablen bei der Kartengestaltung«; Ebenda, S. 38.
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lanten (je nach Zielgruppe und Atlaskonzeption) auf einer Entdeckerweltkarten maximal 10 – 12 Entdeckungsfahrten. Allerdings finden sich in diesem Zusammenhang auch stark elementarisierte Geschichtskarten, die vornehmlich für die Primar- oder Sekundarstufe I konzipiert wurden und eine entsprechende didaktische Reduktion aufweisen. Dabei ist allerdings nicht immer eindeutig auszumachen, ob es sich um gewollte Generalisierungen handelt oder ob das Kartenbild schlicht das Ergebnis von mangelhaften kartographischen Fähigkeiten ist.180 Die Darstellungsweise linearer Signaturen bei der Kartierung von Entdeckungsfahrten ist im Hinblick auf ihren Routenverlauf, Richtungsangaben und genaue Start- bzw. Zielmarken von enormer Bedeutung. Allein die Kartierung der ersten Fahrt des Christoph Kolumbus in die neue Welt wird oftmals so stark geglättet und vereinfacht, dass der Eindruck einer linearen Trasse zwischen der südspanischen Küste und den Bahamas vermittelt wird, bei dem das genaue Ziel offensichtlich vorab bekannt ist – ohne Unterbrechungen oder folgenreiche Kurswechsel. Das hier vermittelte Bild gleicht gar der dem einer modernen Karibikkreuzfahrt. Allerdings werden in einigen Geschichtsatlanten die Rückfahrten nur als grobe Richtungsangabe angedeutet oder gar nicht erst kartiert.181 Wie wichtig es ist, den kompletten Reiseverlauf zu kartieren, zeigt das Beispiel Magellans. Hier wird besonders deutlich, wie mit Hilfe linearer Kartenzeichen nicht nur quantitative, sondern vor allem qualitative Aussagen getroffen werden können. So ist es im Falle der ersten Weltumsegelung besonders der Tod des Portugiesen, der in europäischen Geschichtsatlanten sehr unterschiedlich kartiert wird. Die nicht-vollendete Weltumsegelung im slowenischen Geschichtsatlas (Abbildung 29 – d) ist symptomatisch für den Versuch einer differenzierten Darstellung. Zwar wird hier Entdeckungsgeschichte als zugespitzte Personengeschichte Magellans dargestellt, doch erhält der Kartennutzer aus der gepunktete Pfeilsignatur, deren Spitze inmitten der philippinischen Inseln endet, keinerlei Informationen über das abrupte Ende der Reise und schon gar nicht über den Verbleib der restlichen Expedition. Der Tod als gestrichelte Linie – so oder so ähnlich könnte hingegen der 180 Vgl. hierzu beispielsweise Posavec, Vladimir/Rendulic´, Ivica: Povijesni zemljovidi 5 – 6 (Hratska, Europa, Svijet). Zagreb 2005, S. 57. 181 Das Beispiel Christoph Kolumbus zeigt allerdings, dass auch eine unzureichenden Quellenlage ursächlich dafür sein kann. Für die Reisen des Kolumbus sind schließlich nur zwei wesentliche Quellen bekannt – zum einen das Bordbuch, das den Reiseverlauf detailliert dokumentiert (mit der deutlichen Intention die Reise vor dem spanischen Hof zu rechtfertigen). Allerdings gilt das Original als verschollen, sodass lediglich die selektive Wiedergabe von Bartolom¦ de Las Casas nutzbar ist. Neben dem Bordbuch dient aber auch ein Brief von Kolumbus an den Hofbeamten Luis de Santangel aus dem Jahr 1493 als bedeutende Informationsquelle; Vgl. Bitterli, Urs: Die Entdeckung Amerikas, S. 57.
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Kartenausschnitt (a) titeln. Hinter dieser etwas saloppen Zuspitzung verbirgt sich jedoch eine kartographische Umsetzung des Ablebens Ferdinand Magellans auf der Insel Mactan (Philippinen). Während die Entdeckungsfahrt bis dahin als durchgängige Pfeilsignatur dargestellt wird, wandelt sich diese plötzlich in eine gestrichelte Pfeilsignatur. Ferner finden sich im zugehörigen »Bosatlas van de Geschiedeniscanon« keinerlei kontextualisierende Informationen als Anhaltspunkte. Dass es sich bei dieser Darstellung überhaupt um die Visualisierung eines Todesfalls handelt, kann der Kartennutzer lediglich durch die Zeichenerklärung (Legende) erahnen, in der sowohl Magellan, als auch Elcano mit entsprechenden linearen Kartenzeichen vermerkt sind. Allein die Veränderung einer Pfeilsignatur symbolisiert hier also einen qualitativen Wandel des Dargestellten – über die Art des Wandels wird hingegen keine Auskunft gegeben. Neben dem Verlust des Generalkapitäns und einem Großteil der Besatzungen mussten schließlich auch zwei Schiffe zurückgelassen werden und die Reise wurde unter der Führung Elcanos auf der Victoria fortgesetzt. Eine weitere Möglichkeit den Tod des Portugiesen in spanischen Diensten zu kartieren bietet das polnische Beispiel an (b), indem die Pfeilsignatur zwar nicht verändert wird, doch die Beschriftung der Reiseroute von »F. Magellan (1521)« zu »J. del Cano (F. Magellan 1522)« wechselt. Der wesentliche Unterschied zum vorangegangenen niederländischen Beispiel liegt in der fehlenden Lokalisation des eigentlichen Geschehens. Außerdem geht aus dieser Kartierung nicht eindeutig hervor, dass Magellan überhaupt umgekommen ist – vielmehr trägt die Nennung Magellans auch über dessen Tod hinaus im Kartenbild nicht zum besseren Verständnis bei. Dennoch ist die Umbenennung eine der häufigsten Darstellungsformen zum Tod Magellans im Kartenbild europäischer Geschichtsatlanten.182 Eng verbunden damit ist eine Variation des »Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte« – hier ändert die Pfeilsignatur ebenso weder Form, noch Farbe. Mitten im Indischen Ozean wird nicht mehr »Magellan 1521« ergänzend vermerkt, sondern Magellans letztes Schiff183. Als dieses letzte Schiff allerdings den Indischen Ozean erreichte, waren der Portugiesische Generalkapitän und ein Großteil seiner Besatzung bereits verstorben – doch im Kartenbild finden sich dazu keinerlei Anhaltspunkte. Auch wenn diese Geschichtskarte die Dauer der Expedition durch entsprechende Jahreszahlen markiert, so bleibt der Tod Magellans hier
182 Vgl. hierzu auch Patart: Atlas d’Histoire, S. 65; Adam: bsv Geschichtsatlas, S. 23; Hayt/ Grommen /Janssen /Manet: Atlas van de algemene en Belgische geschiedenis, S. 56 f; Stamsø/Fowelin: Bonniers Historiska Atlas, S. 28 f. 183 Oswalt/Rudolf: Perthes Atlas: Geschichte, S. 138 f.
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ebenso ungenannt wie dessen Nachfolger und späterer Kapitän der Victoria Juan Sebastin Elcano. Ob Veränderungen der linearen Kartenzeichen (Form, Farbe etc.), die Ergänzung textueller Elemente im Kartenbild oder das bloße Nicht-Thematisieren – die Weltumsegelung Magellans und deren Abschluss durch Elcano zeigen eine breite Palette an Kartierungsoptionen geometrisch-abstrakter Kartenzeichen. Allerdings beinhaltet Kartensprache darüber hinaus auch den Einsatz von symbolischen und bildhaften Kartenzeichen, um eben solche komplexen Sachverhalte, Ereignisse oder Prozesse ausdrücken zu können.
II. Symbolische- und bildhafte Kartenzeichen Im polnischen Beispiel (Abbildung 29 – c) wird so nicht nur das Todesjahr Magellans genannt, sondern die traditionell christlichen Symbolik des Kreuzes wird aufgegriffen, um einen deutlichen Bezug zu Tod und Sterben herzustellen.184 Sowohl symbolhafte als auch bildhafte Darstellungen werden im Kontext von Entdeckungsfahrten relativ häufig genutzt. Als »typische und allgemeinverständliche abstrahierende Sinnbilder« oder als »Grundriss- Aufriss- oder Schrägbilder von Objekten in schematischer bis individueller Darstellung«185 haben sie eine deutlich engere Verbindung zum dargestellten Objekt, als sie beispielsweise geometrische abstrakte Pfeilsignaturen jemals herstellen könnten. Abbildung 30 zeigt in diesem Zusammenhang eine Übersicht verwendeter symbolischer und bildhafter Kartenzeichen in europäischen Geschichtsatlanten (Repräsentamen). Das dominierende Motiv ist gerade für frühneuzeitliche Entdeckungsfahrten offensichtlich das Segelschiff, quasi als eine Art Standardmotiv für die Entdecker der Weltmeere. Durch bildhafte und symbolische Kartenzeichen werden Gegebenheiten allerdings nicht nur lokalisiert – vielmehr erfolgt, durch die Orientierung anhand visueller Eigenschaften des zu kartierenden Objektes186, eine visuelle Bedeutungszuschreibung. So werden Entdeckungsfahrten beispielsweise weder durch die symbolhafte Darstellung eines Paddelbootes, noch durch die bildhafte Kartierung eines Dampfschiffes im Kartenbild repräsentiert. Dennoch vermitteln insbesondere bildhafte Karten184 Dagmar Hänel beschreibt das Kreuz zwar als »menschliches Ursymbol«, stellt allerdings auch fest, dass es sich nicht ausschließlich um einen christlichen Bedeutungskontext handeln muss; Näheres hierzu vgl. Hänel, Dagmar : Fundstücke. Zur Zeichenhaftigkeit abgelegter Dinge im Kontext aktueller Bestattungskulturen, in: Hartmann, Andreas/Höher, Peter/Cantauw, Christiane/Meiners, Uwe/Meyer, Silke (Hrsg.): Die Macht der Dinge. Symbolische Kommunikation und kulturelles Handeln. Münster 2011, S. 154. 185 Hake/Grünreich/Meng: Kartographie, S. 123. 186 Vgl. Schmauks: Landkarten als synoptisches Medium, S. 12.
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zeichen einen Eindruck von Unmittelbarkeit, indem sie eine naturalistische Nähe zum Objekt herstellen. Das Segelschiff stellt dabei gewissermaßen eine Art Minimalkonsens an Authentizität dar, doch ist über das tatsächliche Aussehen vieler Schiffe oftmals kaum etwas bekannt. So sind die Informationen beispielsweise über die Gestalt der Santa Maria, der NiÇa und der Pinta kaum gesichert, sodass sämtliche Rekonstruktionen lediglich auf »vagen Überlieferungen«187 basieren. Diese Grauzone macht den Weg frei für eine ganze Palette an unterschiedlichen bildhaften und symbolischen Repräsentationen im Kartenbild, die vor allem Grafiker/ innen viel Freiraum bietet. So verwundert es kaum, dass die Fahrten des Kolumbus oftmals von Schiffen im Kartenbild begleitet werden, die den nachweislich verwendeten Schiffstypen Karavelle und Nao kaum ähneln. Vom Holk über die Galeone bis hin zur Brigg finden sich ganz unterschiedliche Schiffstypen als Stellvertreter für die gleichen frühneuzeitlichen Entdeckungsfahrten. Durchaus kann an dieser Stelle von einer gewissen Beliebigkeit der Kartenzeichenverwendung gesprochen werden – offensichtlich hängt diese vom aktuellen Zeichenrepertoire und von ästhetischen Erwägungen der Kartenproduzenten ab. Die fließende Grenze zwischen symbolischen und bildhaften Kartenzeichen verdeutlichen vor allem die Beispiele a, b, und c (Abbildung 30). Hier handelt es sich per se zwar um bildhaft-konkrete Kartenzeichen, doch verwenden sie auch das Tatzenkreuz auf dem Hauptsegel als Symbol des Wunsches, »die christliche Religion unter den Völkern des Fernen Ostens auszubreiten«188. Die Geschichte der Köpfe – so könnte auch die Überschrift eines griechischen Geschichtsatlasses lauten, der Geschichte ausschließlich als Personengeschichte kartiert und dabei handelnde Akteure mittels Kopfbild in der jeweiligen Geschichtskarte darstellt.189 In diesem Kontext werden u. a. die Entdeckungsfahrten entsprechend kartiert (Vgl. Abbildung 30 – p). Dem Kolumbusportrait von Sebastiano del Piobo aus dem Jahr 1519 nachempfunden, wird so eine Grafik mitten im Kartenbild platziert, wodurch die Geschichte der Entdeckungsfahrt zur alleinigen Geschichte des Kolumbus wird. Durch die Verwendung dieses bildhaften Kartenzeichens ›zitiert‹ die Geschichtskarte das Gemälde aus dem 187 Venzke: Der Entdecker Amerikas, S. 147. Bekannt ist lediglich, dass der Flottille des Kolumbus zwei unterschiedliche Schiffstypen angehörten. Während die Pinta und die NiÇa als Karavellen in der Gegend von Palos gebaut wurden, so war die Santa Maria vom Typ Nao eigentlich als Frachtschiff für Handelsfahrten konzipiert worden. Trotz der geringen Größe (keines der Schiffe war länger als 25 m) waren sie dennoch hochseetüchtig und spiegelten den Stand der Schifffahrtstechnik des ausgehenden 15. Jahrhunderts in Spanien und Portugal, vgl. Venzke: Der Entdecker Amerikas, S. 146 ff. 188 Schieder, Theodor (Hrsg.): Die Entstehung des neuzeitlichen Europas (Handbuch der europäischen Geschichte, Bd. 3). Stuttgart 1994, S. 590. 189 Siolas, Angelos G.: Geo-istorikos scholikos atlas 2 – Apû to Mesaþna ¦o¯s te¯ sy´nkrone¯ epoche¯. Athen 2007.
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16. Jahrhundert und stellt einen entsprechenden intermedialen Bezug her, wodurch das Kolumbus-Portrait zum Stellvertreter einer komplexen Narration erhoben wird. Auch wenn symbolhaft-abstrakte Darstellungen in der Regel eine distanziertere Positionierung anstreben und dabei auf naturalistische Nähe verzichten, so bleibt das Grundmotiv Segelschiff doch ein Schlüsselbild der Entdeckungsfahrten. Die Kombination von Kartenzeichen unterschiedlichen Typs findet auch bei Entdecker-Weltkarten Anwendung. Neben dem textuellen Zeichensystem (Beschriftung »Krysztof Kolumb«) und durchgängigen Pfeilsignaturen bedient sich das Kommunikationsmedium Geschichtskarte im vorliegenden polnischen Beispiel (Abbildung 31) auch aus dem Repertoire symbolischer Kartenzeichen. Unter anderem werden hier Fähnchen unterschiedlicher Gestalt zur qualitativen Unterscheidung zwischen den »wichtigsten geographischen Entdeckungen« (»Najwaz˙niejsze odkrycia geograficzne«) und »anderen geographischen Entdeckungen« (»inne odkrycia geograficzne«) genutzt. Auch der ersten Landung von Christoph Kolumbus auf der von ihm als San Salvador benannten Insel wird so ein konkreter Ort zugewiesen. Allerdings suggeriert dieses Fahnensymbol dem Kartennutzer ein konkretes Ziel der Reise, dass aufgrund von Planung und Berechnung erreicht wurde. Andererseits wird hier die vergleichsweise glückliche Kursänderung nach etwa einem Monat auf hoher See ausgeblendet, die letztlich aber maßgeblich zum Erfolg der Reise beitrug. Dennoch resultieren gerade aus der Kombination von geometrischen und symbolhaften Kartenzeichen ein gesteigerter Komplexitätsgrad und eine hohe inhaltliche Dichte. Nachvollziehbar wird dies im Hinblick auf die konzeptionelle Ausrichtung des Geschichtsatlasses, der als Lehrmittel speziell für den Einsatz am polnischen Liceum konzipiert wurde.190 Den Einfluss didaktischer Reduktion auf die Komplexität, inhaltliche Dichte und die Wahl der Kartenzeichen verdeutlicht das Beispiel der beiden Geschichtsatlanten aus der polnischen Produktion »Nowa Era«. Hier werden Entdecker-Weltkarte sowohl für den Einsatz im Liceum (Vgl. Abbildung 31) als auch für die Szkoła Podstawowa (Grundschule) in separaten Geschichtsatlanten 190 Nach der Bildungsreform Ende der 1990er Jahre (Gesetz vom 25. 07. 1998) beinhaltet das polnische Schulsystem neben dem Vorschulbereich eine sechsjährige Grundschule, ein für alle Schüler/innen verpflichtendes dreijähriges Gymnasium (Sekundarstufe I) und eine sich stark differenzierende Sekundarstufe II. Darunter zählt neben dem allgemeinbildenden Lyzeum (»liceum ogûlnokształca˛ce«) und dem profilierenden Lyzeum (»liceum profilowane«) auch das Technikum (»technikum«) und die Berufsgrundschule (»zasadnicza skoła zawodowa«); Vgl. Hörner, Wolfgang: Polen, in: Döbert, Hans/Hörner, Wolfgang/von Kopp, Botho/Mitter, Wolfgang (Hrsg.): Die Schulsysteme Europas (Grundlagen der Schulpädagogik Bd. 46). Baltmannsweiler 2004, S. 396 ff.
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angeboten (Vgl. Abbildung 32). Neben der inhaltlichen und räumlichen Reduktion (Auswahl und Komplexität, koloniale Besitzansprüchen etc.) fallen im zweiten Beispiel die Verwendung von bildhaften Kartenzeichen und der Verzicht auf dessen umfangreiche Erläuterung in der Zeichenerklärung (Legende) auf. Gerade die bildhaften Kartenzeichen unterstützen die Kartenaussage und kennzeichnen die Überfahrt als Reise auf einem hölzernen Segelschiff. Generell sind sowohl bildhaft-konkrete als auch symbolhaft-abstrakte Kartenzeichen in europäischen Geschichtsatlanten eher die Ausnahme, sodass lineare Kartenzeichen mit entsprechenden Beschriftungen deutlich dominieren. Vor allem Komplexdarstellungen, die in jahrgangs- bzw. schulformübergreifenden Schulgeschichtsatlanten und allgemeinen Geschichtsatlanten eingesetzt werden, verzichten häufig auf den Einsatz von bildhaften- und symbolischen Kartenzeichen.191 Generell finden sich bildhafte- und symbolische Kartenzeichen vornehmlich in Schulgeschichtsatlanten der Primar- und Sekundarstufe I. Über die motivierende und somit den Lernprozess unterstützende Funktion jener Kartenzeichen sind sich Kartenautor/innen bewusst. Doch gilt es auch, die oftmals zu Illustrationen degradierten bildhaften und symbolischen Kartenzeichen hinsichtlich ihres Transports von Geschichtsbildern zu hinterfragen. Denn schließlich sind Symbole »soziale Phänomene, [die] das Individuum mit dem Sozialen [verbinden]«. Darüber hinaus besteht ihre besondere Leistung darin, »das zeitlich und räumlich Abwesende in die Gegenwart zu ziehen und einem Phänomen Kontur und Identität zu geben«.192 Es bleibt allerdings zu hinterfragen, ob scheinbar harmlose Segelschiffe oder Entdecker-Köpfe für die Repräsentation von komplexen Bedeutungsfelder wirklich angemessen sind. Die erste Fahrt des Christoph Kolumbus wird nicht zuletzt auch als »Auftakt zum ersten Völkermord der Neuzeit«193 betrachtet. Die Faszination, die jedoch von Segelschiffen und Entdeckungsreisen ausgeht, verschmilzt in der bild- und symbolhaften Darstellung offenbar häufig mit dem 191 Vgl. u. a. Duby : Atlas historique Mondial, S. 40; Genicot /Georges /Bruneel: Atlas Historique, S. 69; Adam: bsv Geschichtsatlas, S. 23; Delobbe, Georges: Atlas Historique – Trois mill¦naires en Europe et en France. Paris 2001, S. 28 f; Valle/Pederby : Historisk Atlas, S. 36 f; Longman, Addison Wesley : Longman World History Atlas. Harlow 1996, S. 24 f; Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Perthes Atlas: Geschichte. Gotha 2006, S. 138 f; Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger : Historischer Weltatlas. Berlin 2011, S. 104 f; Haywood, John: The Cassell Atlas of World History : The Medieval & Early Modern Worlds. London 2000, S. 93 f; Ýrpd, Papp-Vry : Tört¦nelmi atlasz. Budapest 2005, S. 18; Krycin´ski, Stanisław: Atlas historyczny – Szkoła s´rednia Do 1815 roku. Warschau 2002, S. 36 f; Ajtay, Agnes: Tört¦nelmi atlasz a köz¦piskolak szmra. Budapest 1992, S. 21; Obiol, Joan Roig: Atlas historic. Barcelona 1998, S. 68. 192 Schlögl: Symbole in der Kommunikation, S. 21 und 25. 193 Zimmer, Mirjam: Mythos 1492, in: Die Zeit – Geschichte. Das Zeitalter der Entdeckungen, S. 37.
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Mythos Entdecker zu einer Art ikonischer Heldenerzählung. Zwar sind auch geometrisch-abstrakte Kartenzeichen (z. B. Pfeilsignaturen) mit Bedeutungen aufgeladen, doch wird an dieser Stelle die Funktion des Interpretanten deutlich gestärkt. In dessen Hand liegt schließlich die Dekonstruktion der Darstellung. Wertungen und Bedeutungszuschreibungen, mit denen symbolische und bildhafte Kartenzeichen bereits aufgeladen sind, können so im Kartenbild ein stückweit vermieden und eventuell in den zur Kontextualisierung fähigen Text verlagert werden.
III. Schrift und Beschriftungen im Kartenbild Der Text ist essentieller Bestandteil von Karten – ohne ihn kann es keine aussagefähigen Karten geben. Innerhalb des Kartenbildes sind es ganz unterschiedliche Anwendungsbereiche, die im Gegensatz zum begleitenden Fließtext erschlossen werden müssen. So können einzelne Buchstaben, aber auch Zahlen beispielsweise in Form von »Kennzeichen und Ordnungsmerkmale für Objekte«194 als Kartenzeichen vermerkt werden. Die häufigste Anwendung von Text in Entdecker-Weltkarten ist die scheinbar schlichte Benennung von Endeckern, sodass beispielsweise Vasco da Gama neben der Pfeilsignatur vermerkt wird, die seine Fahrtroute symbolisiert. Ohne diesen textuellen Hinweis wäre es Kartennutzer/innen nur sehr schwer möglich der Route eine entsprechende Person bzw. eine Entdeckungsfahrt zuzuordnen. Durch die Benennung im Kartenbild wird die Geschichte einer komplexen Expedition, an der durchaus eine Vielzahl von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten teilgenommen hat, zur Geschichte nur einer Person destilliert. Auch Ortsbezeichnungen, also die Art und Weise, wie Orte im Kartenbild benannt werden, können Ausdruck einer eurozentrischen oder nationalen Perspektive sein. So wird der Ort der ersten Landung in der sogenannten Neuen Welt in den meisten Entdecker-Weltkarten als San Salvador betitelt und nicht der ursprüngliche Name Guanahani verwendet.195 Namen und Ortsbezeichnungen 194 Hake/Grünreich/Meng: Kartographie, S. 123. 195 Den Name San Salvador erhielt die Insel im Angesicht der ersten geglückten KolumbusReise über den Atlantik, weshalb auch die Bedeutung des Namens nicht verwundert (Heiliger Erretter). Erst seit 1926 geht die Regierung der Bahamas allerdings davon aus, dass die vorher unter dem Namen Waitling Island bekannte Insel der Ort der ersten Landung war (Guanahani), sodass diese schließlich in San Salvador umbenannt wurde. Die Berechnungen der National Geographic Society aus dem Jahr 1986 identifizierten hingegen die Insel Samana Cay als Guanahani – welche Insel Kolumbus nun aber wirklich erreichte, bleibt bis heute unklar ; Vgl. Brinkbäumer, Klaus/Höges, Clemens: The Voyage of the Vizcina. The mystery of Christopher Columbus’s last ship (dt. Originaltitel: Die letzte Reise: Der Fall Christoph Columbus). Hamburg 2006, S. 133.
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werden so zu Platzhaltern komplexer Narrationen, die durch die Angabe von Jahreszahlen noch eine zusätzliche zeitliche Rahmung erfahren. Der Text, der vor allem Historiker/innen als lineares Medium bekannt ist, schildert für gewöhnlich diachrone Verläufe196 und ist fähig zur Kontextualisierung. Innerhalb des zweidimensionalen Mediums Karte nimmt der Text allerdings als textuelles Kartenzeichen vielmehr eine komprimierende Funktion ein, sodass sich hinter nur einem Wort vielfältige Bedeutungsstrukturen und komplexe Ereignisse verbergen können. Der Text wird im Kartenbild von seiner kontextualisierenden Funktion ein stückweit gelöst und selbst zum Bestandteil des Wissensspeichers Karte. Aufgrund der Komplexität (inhaltlich, zeitlich, räumlich), die auf Entdecker-Weltkarten dargestellt werden muss, sind sie vorallem auf ein enges Zusammenspiel zwischen Kartenbild und -legende angewiesen – der Text wird hier zum Mittler zwischen beiden. Demzufolge können zwei wesentliche Modi in Entdecker-Weltkarten beobachtet werden. a. Entdecker-Namen werden im Kartenbild neben der entsprechenden Pfeilsignatur vermerkt (Vgl. Abbildung 33), jedoch ohne Thematisierung in der Zeichenerklärung (Legende). Damit wird auf zusätzliche Informationen über das eigentliche Kartenbild hinaus vollständig verzichtet und die Entdecker-Namen werden umso mehr mit Bedeutungen und Zuschreibungen aufgeladen. Gerade in Schulgeschichtsatlanten kann diese Form der Darstellung zusammen mit der Nennung von Jahreszahlen sogar eine Art Memofunktion haben. EntdeckerName, Jahreszahl, Route – vor allem diese drei wesentlichen Informationen sollen Schüler/innen der Darstellungen offenbar entnehmen und möglichst verinnerlichen. b. Die Entdecker müssen nicht zwangsläufig innerhalb des Kartenbildes benannt werden, sondern können ebenso durch variierende Pfeilsignaturen (in der Regel nach Form und Farbe) repräsentiert werden. Allerdings benötigten Kartennutzer/innen an dieser Stelle die Zeichenerklärung zur Entschlüsseln unterschiedlicher Entdeckungsfahrten. Kennzeichnend für diese Darstellung ist eine entsprechende Variabilität von Pfeilsignaturen (Abbildung 34 – links), aber auch die Zuordnung durch Ziffern (Abbildung 34 – rechts) ist in Entdecker-Weltkarten durchaus üblich. Darüber hinaus erfolgt in europäische Geschichtsatlanten auch eine ergänzende Länderzuordnung in der Zeichenerklärung (Legende). Diese erfolgt meist durch Gruppierungen oder Farbzuordnungen von Pfeilsignaturen. Markant ist hier, dass diese Ländergruppierung in der Regel nicht auf der Herkunft der ›Entdecker‹, sondern vielmehr auf dem jeweiligen Auftraggeber basieren. 196 Vgl. Oswalt: Wie Geschichte zweidimensional wird, S. 38 f.
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So bleibt beispielswiese nicht nur die portugiesische Heimat Magellans (alias Fern¼o de Magalh¼es), sondern auch die venezianische Herkunft John Cabots (alias Giovanni Caboto) ungenannt. Dass gerade diese Internationalisierung ein wesentlicher Pfeiler des frühen Erfolgs war und beispielsweise im 15. Jahrhundert gerne auf das navigatorische Knowhow italienischer Seeleute zurückgegriffen wurde, wird so verschwiegen. Vielmehr werden Entdeckungsfahrten zu nationalen Projekten transformiert, was allerdings den historischen Gegebenheiten nur selten in vollem Umfang entspricht. Schließlich war nicht einmal die Finanzierung dieser Projekte eine eigens nationalstaatliche Aufgabe, wie das Beispiel Kolumbus zeigt: »Das nationale Unterfangen des Kolumbus war damit in einen lokalen Rahmen eingebunden, und durch die geschäftlichen Ambitionen kleinstädtischer Kaufmannsfamilien wurden drei hervorragend ausgerüstete Schiffe zusammengestellt, die von zwar skeptischen, aber erfahrenen und motivierten Seeleuten gesteuert werden sollten«197.
Bereits diese Länderzuordnung ist eng an das Bild von Territorialität gekoppelt und somit Ausdruck einer Vorstellung von der Aufteilung der Welt unter den europäischen Kolonialmächten. IV. Grenzen der Entdecker-Weltkarte und der Einfluss multimodaler Strukturen Die Verwendung von Kartenzeichen stößt auch in Entdecker-Weltkarten auf die Grenzen des Kartierbaren. So können beispielsweise weder abstrakt-lineare, noch symbolische oder bildhafte Kartenzeichen Auskunft über die Internationalität von Entdeckungsfahrten (Finanzierung, Mannschaften etc.) geben. Ferner sind Geschichtskarten kaum in der Lage, einzelne Etappen von Entdeckungsfahrten genau nachzuvollziehen – Proviant bzw. Ausrüstung, Reparaturen, Kurskorrekturen oder gar die Lebensbedingungen an Bord (z. B. Meutereien und Krankheiten) können dem Kartenbild nicht entnommen werden. Auch wenn eine Jahreszahl den Beginn der Reise markiert oder sogar eine Zeitspanne angegeben wird, über die genaue Dauer einzelner Etappen (z. B. Atlantiküberquerung) schweigen Entdecker-Weltkarten. Bedeutende qualitative Veränderungen während der Reisen können durch die kartographischen Möglichkeiten nicht immer ausgedrückt werden. So war beispielsweise der Verlust seines Flaggschiffs Santa Maria für Kolumbus sicher ein herber Verlust und auch die Bedingungen, unter denen die beiden verbliebenen Schiffe NiÇa und Pinta zurück in den Heimathafen Palos zurückkehrten, waren alles andere als geplant. Heftige Stürme oder portugiesische Gefangennahme auf den Azoren – Karten-
197 Venzke: Der Entdecker Amerikas, S. 142.
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leser/innen können diese Informationen einer Geschichtskarte in der Regel nicht entnehmen.198 Da sich Geschichtskartenautor/innen der Grenzen dieses Mediums durchaus bewusst sind, werden u. a. auch Entdecker-Weltkarten europäischer Geschichtsatlanten in einen multimodalen Kontext eingebettet, der neben weiteren Karten, Bildern, Texten (Quell- und Fremdtexte) Statistiken und Zeitleisten enthalten kann. Inwieweit die modale Orchestrierung zu einem besseren Verständnis beitragen kann oder gar einen multiperspektivischen Blick begünstigt, bleibt allerdings zu hinterfragen. Ferner gilt es im Folgenden auch den Einfluss auf die Raumerzählung und das Bild von Entdeckern und Eroberern zu untersuchen. a. Nicht nur die Entdecker-Weltkarten fokussieren eine Geschichte der Entdecker, sondern auch deren multimodale Umgebung in europäischen Geschichtsatlanten unterstützt diese Aussage in den meisten Fällen. Strukturgeschichtliche Prozesse oder gar globale Konsequenzen werden nur selten thematisiert. Neben Fotografien von Bauwerken oder von diversen Sachquellen, die beispielsweise als ›Kulturzeugnisse‹ präkolumbischer Kulturen Lateinamerikas herangezogen werden, sind es im Rahmen von ›Entdeckungsgeschichte‹ vielmehr Portraits großer Entdecker, die neben oder gar in das Kartenbild hineinragend den Stellenwert von Einzelpersonen betonen. Ob jene Bilder dieses tatsächlich bewirken oder ihnen lediglich eine illustrierende Funktion zugeschrieben werden kann, bleibt im Einzelfall allerdings zu prüfen.199 Von allen Entdeckern und Eroberern ist es im europäischen Vergleich insbesondere das Konterfei von Christoph Kolumbus, das am häufigsten neben Entdecker-Weltkarten platziert wird oder gar in sie hineinragt. Von der enormen Bedeutungszuschreibung seiner Fahrten über die lange Tradition geschichtskultureller Manifestationen bis hin zum schlichten Vorhandensein einer Vielzahl von zeitgenössischen Portraits – die Gründe für die bildhafte Repräsentation im Geschichtsatlas sind vielfältig und fallspezifisch zugleich. Einen Einblick in die verwendete Vielfalt von Bildern und Illustrationen in europäischen Geschichtsatlanten bietet zum Fall Christoph Kolumbus Abbildung 35. Werden Bilder von Kolumbus in Geschichtsatlanten verwendet, so sind es meist histo-
198 Vgl. Bitterli: Die Entdeckung Amerikas, S. 57 ff. 199 Neben konkreten historischen Personen wird allerdings auch der Typus des unbekannten Entdeckers bildhaft umgesetzt. Ohne die Nennung von historischen Personen werden so verallgemeinernde Bezeichnungen, wie Spanier, Entdecker, Konquistadoren, Europäer etc. gemeinsam mit entsprechenden grafischen Umsetzungen platziert; Vgl. hierzu Michael: Diercke Drei Universalatlas, S. 20; Farrington, Karen: Atlas der Weltreiche, Tosa Verlag, Wien 2002, S. 127.
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rische Portraits, wie das von Sebastian del Piombo aus dem Jahr 1519 (c) oder jenes von Domenico Ghirlandaio, welches um 1490 entstand (b). Neben jenen Portraits ist aber auch der Kupferstich von Theodor de Bry aus dem Jahr 1492 (f) in das Bildinventar europäischer Geschichtsatlanten eingegangen,200 wobei die Landung des Kolumbus auf der Insel Guanahani durchaus auch grafisch nachempfunden wird (g). Markant ist die Darstellung des Kolumbus, der als Bittsteller am Hofe von Ferdinand II. von Aragûn und Isabella I. von Kastilien versucht das Königspaar von seinen Plänen zu überzeugen (h). Der Gebrauch historischer Portraits oder sonstiger bildhafter Elemente ist in Schulgeschichtsatlanten nicht mehr ungewöhnlich, doch ist die Verwendung aktueller Illustrationen historischer Ereignisse doch immer von einer Aura der Fiktion umgeben, da Geschichte hier lediglich das Produkt einer grafischen Interpretation ist (Perspektive des Grafikers). Umso kritischer muss demnach der Blick auf deren Anwendung, vorzugsweise in Lehrwerken der Primar- und Sekundarstufe I sowie in Kinderatlanten, ausfallen. Der Gebrauch von Bildern bleibt allerdings nicht, wie bei bildhaften Kartenzeichen, auf Schulgeschichtsatlanten oder Kinderatlanten beschränkt, sondern auch allgemeine und insbesondere populärwissenschaftliche Produktionen forcieren häufig die Erzählung einer Geschichte der Entdecker und nicht die der Entdeckung. Zwar ist spätestens nach 1945 und der kritischen Auseinandersetzung mit der Personengeschichte durch Ludwig von Friedeburg, Peter Hübner201 und Klaus Bergmann202 der weitgehende Verzicht auf die Darstellung von Heldentum zugunsten strukturgeschichtlicher Herangehensweise in deutschen Lehrmitteln erklärbar, doch ist diese Tradition bei weitem nicht in allen europäischen Ländern abgerissen. So ist beispielsweise Sir Francis Drake ein gern portraitierter Entdecker in britischen Geschichtsatlanten, zumal hier der Mythos des Entdeckers und Piraten mit dem des Helden aus der Seeschlacht gegen die spanische Armada von 1588 verschmilzt: »Sir Francis Drake is far better known as an Elisabethan ›Sea Dog,‹ or privateer, and for terroizing the Spanish than he is an explorer«203. Selbst das National Curriculum schlägt die Behandlung von »Francis Drake and 200 Bemerkt sei an dieser Stelle, dass der Kupferstich von Theodor de Bry (f) in diesem Geschichtsatlas gespiegelt wurde. Ob allein dies als ein Indiz für einen unreflektierten Bildgebrauch zu werten ist oder ob es sich hier um eine bewusste Bildmanipulation handelt, bleibt jedoch offen. 201 Vgl. von Friedeburg, Ludwig/Hübner, Peter : Das Geschichtsbild der Jugend. München 1964. 202 Vgl. Bergmann, Klaus: Personalisierung im Geschichtsunterricht – Erziehung zur Demokratie? Stuttgart 1972; Ders.: Personalisierung, Personifizierung, in: Ders. (Hrsg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik Seelze-Velber 1997, S. 298 ff. 203 Konstam: Historical Atlas of Exploration, S. 142 f.
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the armada« im Geschichtsunterricht vor, exemplarisch für das Themenfeld »Britain and the wider world in Tudors times«204. Auch Schulgeschichtsatlanten zur Geschichte Russlands thematisieren beispielsweise »Bedeutende russische Welt-Expeditionen im 19. Jahrhundert« (»SQW^VZiYV adbb[YV [adT_bSVc^lV V[b`VUYgYY S IX S.«) und rücken dabei die Akteure durch deren großformatige Portraits deutlich in den Vordergrund, ohne sie jedoch in den historischen Kontext einzuordnen.205 Neben der weit verbreiteten Beschränkung auf Personen und ihre Reiserouten können auch andere narrative Strukturen ausgemacht werden, die sich aus multimodalen Konstellationen ergeben und im Folgenden exemplarisch beleuchtet werden. b. Unter der Überschrift »Die großen Entdeckungsfahrten« wird in einem schwedischen Schulgeschichtsatlas Entdeckungsgeschichte zu einer globalen Fortschrittserzählung (Abbildung 36). Der markanteste Unterschied zu anderen multimodalen Aufbereitungen in europäischen Geschichtsatlanten ist wohl die Gegenüberstellung von ersten Entdeckungsreisen (»De första upptäckarna«) und Raumfahrten (»Rymdfärder«). Es handelt sich hier nicht nur um eine chronologische Darstellung von europäischen Entdeckungsfahrten, die gelegentlich von Bezügen zur europäischen Geschichte durchzogen werden, sondern es wird vielmehr ein thematischer Längsschnitt fokussiert – quasi die Raumerkundung als epochenübergreifendes Menschheitsprojekt. Die Entdeckungsgeschichte vom 15. bis ins frühe 20. Jahrhundert wird sowohl im zentralen Kartenbild als auch in den umgebenden Kurztexten in Form von Personengeschichte dargestellt. Der einführende Text weist auch auf frühere Entdeckungsfahrten von Wikingern (»vikingar«) sowie auf phönizische- (»fenicier«), arabische- (»araber«) und polynesische- (»polynesier«) Expeditionen hin. Auch wenn diese Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erfüllt, so markiert sie doch Entdeckungsgeschichte, entgegen der Darstellung im Kartenbild, nicht als alleiniges Projekt von Europäern.206 Von Christoph Kolumbus (1451 – 1506) über James Cook (1728 – 1779), David Livingston (1813 – 1873) 204 Qualification and Curriculum Development Agency : National Curriculum: Primary Curriculum – History key stage 2, Quelle: http://curriculum.qcda.gov.uk/ (Stand: 17. 11. 2011, 10:20 Uhr). 205 Vgl. Gradskova, Elena P./Samsonova, Aleksandr I.: Sˇkol’nyj atlas po istorii Rossi – s drevnejsˇich vremen do nasˇich dnej – posobie dlja ucˇasˇcˇichsja 10 – 11 klassov obsˇcˇeobrazovatel’nych ucˇrezˇdenij. Moskau 1997, S. 56 f. 206 Markant ist hier, wie in den meisten skandinavischen Darstellungen zur ›Entdeckungsgeschichte‹ auch, dass die Fahrten Erik des Roten nach Grönland und dessen Sohn Leif Eriksson bis zur Küste Neufundlands feste Bestandteile globaler Entdeckungsgeschichte sind.
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und Roald Amundsen (1872 – 1928) – die ›großen Namen‹ werden mittels Kurzportrait unter und über der Hauptkarte gewürdigt. Zusätzlich werden Detailkarten zur Entdeckungsgeschichte der Nord- bzw. Südpolarregion angefügt. Der Schritt von der Entdeckung der Welt zur Entdeckung des Weltraumes erscheint hier als logische Konsequenz. Begünstigt wird dieser Eindruck durch einen Projektionswechsel von einer Zylinderprojektion (Hauptkarte) hin zu einer maßstäblich verkleinerten, schiefachsigen Azimutalprojektion der Welt, die zusätzlich den Mond und dessen Erkundungen auf vergleichbare Weise darstellt.207 Der so erzeugte Perspektivwechsel ermöglicht es dem Betrachter, nicht mehr nur die Erde als alleinigen Aktionsraum menschlichen Handelns wahrzunehmen, sondern die Raumfahrt als fortschreitende Entdeckungsgeschichte zu begreifen. Neben Illustrationen eines Spaceshuttles und des EagleSatelliten unterstützt diese Wahrnehmung vor allem eine NASA-Fotografie, die den Blick von der Mondoberfläche auf die Erde darstellt. c. Ein weiteres Beispiel, das Entdeckungsgeschichte nicht als Entdecker-Geschichte präsentiert, ist die Darstellung des »Age of European Expansion« auf einer Doppelseite im »World History Atlas« von Jeremy Black (Abbildung 37). Zwar werden auch großen Namen wie Kolumbus, Magellan oder da Gama im Text und in der Karte genannt, doch der Darstellungsschwerpunkt liegt hier vielmehr auf Vernetzungen und globalgeschichtlichen Konsequenzen europäischer Entdeckungsfahrten. Neben der Kartierung von Routen in einer Hauptkarte (nach Ländern sortiert) werden vor allem zwei zentrale Folgen frühneuzeitlicher Entdeckungsfahrten thematisiert – einerseits die Etablierung des spanischen Kolonialreiches und andererseits der globale »biological exchange«. Darüber hinaus wird ausdrücklich auf »East meets West« hingewiesen, die Kontaktaufnahme zwischen Europa und Asien (auch zwischen Japan und China). Diese beiden Hauptthemenfelder werden jeweils von einer zusätzlichen Detailkarte getragen, die entsprechend ihrer Darstellungsanforderungen unterschiedliche Projektionsformen nutzen. So verwendet die Geschichtskarte zum »Spanish Empire um 1600« (unten rechts) eine polzentrierte Darstellung, um dessen globales Ausmaß für den Betrachter sichtbar zu machen und entsprechende Handelsströme hervorzuheben. Während allein die europäischen Be207 Zwar ist sowohl das Größenverhältnis, als auch der Abstand zwischen Erde und Mond nicht maßstabsgetreu dargestellt, doch ist diese Verzerrung zugunsten der Aussageabsicht und des vorhandenen Platzangebotes auf der Atlasseite durchaus nachvollziehbar (Generalisierung). Während der Erddurchmesser 12.756 Km umfasst und der des Mondes lediglich 3.476 Km, so beträgt der mittlere Abstand zwischen beiden 384.400 Km – also etwa das 30fache des Erddurchmessers; Vgl. Lindner, Klaus/Schukowski, Manfred (Hrsg.): Astronomie. Berlin 1999, S. 28 ff.
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sitztümer von den Niederlanden bis nach Süditalien reichten, so umfassten die spanischen Kolonien im 16. Jahrhundert einen Großteil Mittel- und Südamerikas, die meisten Karibikinseln, die Philippinen und einen »Brückenkopf in Afrika«208. Als wichtige Güter des spanischen Handels werden in der Karte neben Gold und Silber auch Seide und Gewürze genannt. Markant sind bei dieser Geschichtskarte auch die zusätzlichen Informationen zu den einzelnen spanischen Kolonien oder dem Vertrag von Tordesillas (1494). Der »biological Exchange« wird durch eine in Zonen eingeteilte Mischprojektion dargestellt (oben rechts), die stark an jene von John Paul Goode in den 1920er Jahren entwickelte »unterbrochene homolosine flächentreue Projektion« erinnert.209 Im Gegensatz zur polzentrierten Karte wird so besonderer Wert auf die Darstellung der Erdteile (Europa, Amerika, Asien) gelegt, zwischen denen der Austausch von Pflanzen, Tieren und Krankheiten kartiert wird. Darüber hinaus weist der Begleittext explizit auf die Folgen dieses Austauschs hin: »Many more indigenous Americans were killed by smallpox and measles than were slaughtered by the colonizers. Up to 90 % of the total population may have perished from European diseases«.210 Neben der Hauptkarte, den beiden Detailkarten und historischen Bildern ist der Text mit seiner kontextualisierenden Funktion für diese multimodale Orchestrierung essentiell. Er ist hier ein notwendiges Bindeglied, um das Zeitalter der Entdeckungen als strukturgeschichtliche Darstellung zu präsentieren. Ferner seien zwei Zeitleisten genannt, die einerseits unterschiedliche Entdeckungsfahrten datieren und andererseits die Expansion des spanischen Kolonialreichs nachvollziehen. In dieser multimodalen Darstellung des Zeitalters der Entdeckungen werden also keine Personen in den Fokus gerückt – vielmehr wird eine Narration der beginnenden Globalisierung begünstigt, die sich schwerpunktmäßig an ökonomischen und ökologischen bzw. biologischen Schwerpunkten orientiert. Auch wenn strukturgeschichtliche Aspekte hier deutlich betont werden, so kann Personengeschichte doch aber nicht vollkommen ausgeblendet werden. In diesem Zusammenhang stellt Joachim Rohlfes bereits 1999 fest: »›Persönlichkeiten‹ sind in der Geschichtsdidaktik seit vielen Jahren kein Thema mehr. Man ist sich der Ablehnung der Personalisierung augenscheinlich so einig, daß man darüber nicht mehr viele Worte verliert. Schulbuchautoren halten sich bei der Darstellung der ›Großen‹ der Weltgeschichte äußerst bedeckt. Friedrich der Große heißt
208 Fradera, Josep: Spanien – der Ursprung des modernen Kolonialismus, in: Aldrich, Robert (Hrsg.): Ein Platz an der Sonne. Die Geschichte der Kolonialreiche. Stuttgart 2008 (Originaltitel: The Age of Empires, 2007), S. 47. 209 Monmonier : Eins zu einer Million, S. 28 f. 210 Black: World History Atlas, S. 81.
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heute in aller Regel Friedrich II. und ist nicht mehr derjenige, der Preußen quasi allein zur Großmacht führte.«211
Darüber hinaus bemerkt Rohlfes auch, dass Personengeschichte seit jeher auf ein »spontanes, starkes Interesse [stößt], so daß es viel Expertenhochmut aufbringen müßte, um sich darüber hinwegzusetzen«212. Im Bereich der Kartierung von Entdeckungsgeschichte kann allerdings von einer Art Konservierung von Personengeschichte gesprochen werden, denn bis auf wenige Beispiele (Vgl. Abbildung 14 und 15) standen und stehen hier meist Personen im Vordergrund, ohne dass ein strukturgeschichtliches Vorher oder Nachher als Bedingung oder Konsequenz in den Blick genommen wird. Doch bleibt zu fragen, ob das vernichtende Urteil zu personalisierenden Geschichtsdarstellungen im Geschichtsunterricht von Klaus Bergmann im Angesicht einer zunehmenden Bedeutung geschichtskultureller Auseinandersetzung mit Personen und sogenannter Helden noch immer in vollem Umfang aufrechtzuhalten ist.213 Unabhängig von verklärten, idealisierten und mit Heldentum angereicherten Darstellungen zur Entdeckung der Welt kann das Interesse von Menschen für Menschen (zur Versicherung ihrer eigenen Identität)214 genutzt werden, um ein Interesse an der Geschichte des globalen ›Zeitalters der Entdeckungen‹ zu induzieren und einen reflektierten Umgang mit Quellen und Medien zu fördern. Dabei muss aber auch bedacht werden, dass »Strukturen […] nicht in den Handlungen und Leiden der Menschen auf[gehen], sondern […] eine davon zu trennende Eigendynamik [haben].«215
5.3. Der Kolonialismus als global history in europäischen Geschichtsatlanten Bereits seit Jan Ýmos Komensky´ (Johann Amos Comenius, 1592 – 1670) und seiner Didactica Magna sind die Prinzipien »vom Leichten zum Schweren«, »vom Nahen zum Fernen« oder »vom Allgemeinen zum Besonderen«216 bekannt und finden bis heute Eingang in fachdidaktische Überlegungen.217 Vor allem die
211 212 213 214 215 216 217
Rohlfes: Ein Herz für Personengeschichte, S. 316. Ebenda, S. 317. Bergmann: Personalisierung, Personifizierung, S. 298 ff. Vgl. Rohlfes: Ein Herz für Personengeschichte, S. 317. Ebenda, S. 317. Gudjons, Herbert: Pädagogisches Grundwissen. Regensburg 2008, S. 81. Zur Bedeutung des Nahraumbezuges im Geographieunterricht vgl. Kestler : Einführung in die Didaktik des Geographieunterrichts, S. 154. Das »Prinzip des wechselseitigen Beziehens von Nähe und Ferne« ist beispielsweise auch in den Rahmenrichtlinien des Landes Sachsen-
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Geographiedidaktik nutzt das besonders seit den 1990er Jahren wiederentdeckte Prinzip »Vom Nahen zum Fernen« als »Gliederungsprinzip des Gesamtlehrgangs«218. Im Angesicht sich ändernder räumlicher Bezugsebenen infolge von zunehmenden Globalisierungsprozessen kritisiert Agnes Fischer-Dardai allerdings die hier zugrundeliegenden konzentrische Vorstellung des Raumbegriffs und das damit verbundene lineare Vorgehen.219 Schließlich liegt Globalgeschichte eine veränderte Vorstellung von Raum und Räumlichkeit zugrunde – vorherrschende nationalstaatliche Containervorstellungen und die Bedeutung von Territorialgrenzen werden relativiert. Translokalität, Interaktionsräume und Netzwerke rücken zunehmend in den Fokus (Vgl. Punkt 3.3.1). Nur eine multiperspektivische Betrachtung macht es daher möglich, abweichende und sich widersprechende Konzeptionen gegenüberzustellen und einseitige Raumwahrnehmungen infrage zu stellen. »Aus einem einzigen – ausschließlichen – Raumzentrum (sei es die eigene Heimat oder der Kontinent) auf die Welt zu blicken, ist nicht mehr haltbar.«220 Während die meisten europäischen Geschichtsatlanten noch immer Vertreter einer additive Weltgeschichte sind und dabei Nordamerika und Europa deutlich größere Aufmerksamkeit widmen221 (detailliertere Darstellungen) als beispielsweise Südamerika und Afrika. So zählt Susanne Popp gerade »Geschichtskarten im Weltmaßstab« doch trotzdem »zu den wichtigsten Hilfsmitteln für den Aufbau von globalen Makroperspektiven im Unterricht […], zumal sie in kaum zu überbietender Anschaulichkeit die Effekte von Perspektive und Fokus verdeutlichen können, wenn man unterschiedliche Weltkarten benutzt – nicht nur die vertraute eurozentrische Mercator-Projektion, sondern auch sinooder afrozentrische oder polständig konstruierte Kartenbilder«222. An Beispielen des Themenfeldes Kolonialismus soll daher geprüft werden, inwieweit Geschichtskarten in europäischen Geschichtsatlanten bereits globalgeschichtliche Aspekte aufgreifen und welche Möglichkeiten das Medium Karte zur Unterstützung einer solchen Betrachtung überhaupt bereitstellen kann. Schwerpunkt dieser Untersuchung werden im Folgenden zunächst Fragen der Projektionsformen sein, um anschließend am Beispiel von Migrationsgeschich-
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Anhalts fest verankert; RRL Geographie 5 – 12 des Landes Sachsen-Anhalts. Magdeburg 2003, S. 13. Rinschede, Gisbert: Geographiedidaktik. Paderborn 2007, S. 133. Vgl. Fischer-Dardai, Agnes: Die Raumwahrnehmung in der Zeit der Globalisierung und die Möglichkeiten ihrer Entwicklung im Geschichtsunterricht, in: Pellens, Karl/Behre, Göran/ Erdmann, Elisabeth/Meier, Frank/Popp, Susanne (Hrsg.): Historical Consciousness and History Teaching in an Globalizing Society. Frankfurt am Main 2001, S. 242. Ebenda, S. 242. Vgl. Black: Maps and politics, S. 39. Popp: Antworten auf neue Herausforderungen, S. 504.
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te(n) diesen und andere Aspekte einer globalgeschichtlichen Perspektive zu konkretisieren.
5.3.1. »The multiple truths of the mappable world« – Projektionsformen als Optionen zur Überwindung eines europazentrierten Blickes auf die Welt? »One problem for mapmakers is how to represent the round Earth on flat paper. The technique used to do this is called ›map projection‹, and there are hundreds of ways to do it. Each projection has certain strength. Each has profound weaknesses.«223 Kartennetzentwürfe bzw. Projektionen sind Hilfsmittel, um die dreidimensionale Erdoberfläche auf eine zweidimensionale Ebene abzubilden. Besonders anschaulich wird das Problem durch das Schälen einer Orange – »The peel won’t lie flat. Map projection is the science of wrestling the orange peel into submission«.224 Somit kann lediglich der Globus als verzerrungsfreies Modell der Erde betrachtet werden, »bei dem der Maßstab in allen Punkten und in allen Richtungen konstant ist«225, wohingegen die ebene Karte notgedrungen immer Entfernungen oder Größenverhältnisse dehnt bzw. verringert. Die Vorherrschaft Europas im Kartenbild – die Mercator-Projektion Gerhard Mercator veröffentlichte bereits 1569 eine Weltkarte, die bis heute die Geschichtskartographie maßgeblich prägt. Besonders die sogenannten »Loxodromen«, also »Linien mit konstanter geographischer Richtung, die die Meridiane jeweils unter dem gleichen Winkel schneiden«226, machten seine auf einer winkeltreuen Projektionsform227 basierenden Karten vor allem für die Positionsbestimmung in der Seefahrt so bedeutend. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass Kartenprojektionen in der Regel fünf geographische Beziehungen verzerren: »Fläche, Winkel, Form, Entfernung und Richtung«228 und dabei immer zweckgebundene Kompromisslösungen sind. Auch wenn die Mercator-Karte erst seit dem 18. Jahrhundert, in Verbindung mit einem aufstrebenden Welthandel, verstärkt genutzt wurde und ihre Anwendung nicht unproblematisch war, so kann sie doch als »the map of the seaman, the map of the navigator, the 223 Wood, Denis/Kaiser, Ward L./Abramms Bob: Seeing through Maps. Many ways to see the world. Amherst 2006 (Einführung), S. 5. 224 Nigel Holmes, zitiert bei: Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through maps, S. 19. 225 Monmonier : Eins zu einer Million, S. 23. 226 Monmonier : Eins zu einer Million, S. 31 f. 227 Zum Begriff Projektion bzw. Kartennetzentwurf; Vgl. Hüttermann: Kartenlesen, S. 24. 228 Monmonier : Eins zu einer Million, S. 33.
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map of the professional world traveler«229 bezeichnet werden. Allerdings nimmt der Maßstab in Nord-Süd-Richtung zu, sodass die Pole selbst »im Unendlichen liegen und auf einer Mercatorkarte mit dem Äquator als Projektionszentrum nicht dargestellt werden können«230. Diese Darstellungsform war für die Positionsbestimmungen auf See revolutionär. Dennoch wirft ihre maßstäbliche Verzerrung aus aktueller Perspektive eine Reihe von Fragen auf. Jeremy Black kommt sogar zum Schluss: »Mercator is not a world projection: in its equatorial (as opposed to transverse or oblique) case, the poles are unshowable, because they would be infinitely large«231. Darüber hinaus erscheint beispielsweise Alaska im Kartenbild dreimal so groß wie Mexiko, Europa wirkt größer als Südamerika. In Bezug auf die Darstellung des Kolonialismus sind die Folgen dieser Projektionsform und ihrer maßstäblichen Verzerrungen umso gravierender, denn sie hebt nicht nur die Kolonialreiche Spaniens und Portugals hervor, sondern betont sogar die erfolgreiche Errichtung eines »first global Empire: the first empire on which the sun literally never set«232. Denis Wood beschreibt die Mercator-Karte sogar als »an important icon of Western superiority«233 und als »the embodiment of Europe’s geographical conception of the world in an age of colonialism«234. Zwar war die einstige Navigationskarte nicht zum Vergleich von Landmassen konzipiert worden235, doch scheint sie gerade im Zeitalter des Imperialismus aufgrund ihrer maßstäblichen Verzerrungen geradezu prädestiniert, die Inbesitznahme der Welt durch europäische Mächte darzustellen und somit auch zu legitimieren. Europa und vor allem Großbritannien wurden so zum visuellen Zentrum der Welt erklärt, dessen Glanz die ganze Welt erstrahlen lässt. Nicht mehr Jerusalem, sondern London (genauer gesagt Greenwich als Ausgangspunkt des Nullmeridians) war nun das neue Zentrum der Welt, welches am oberen Ende der Kartenmitte seinen Platz fand. Somit wurde der Primat der nördlichen Hemisphäre vor der südlichen durch das Kartenbild visuell manifestiert. Während die Mercator-Projektion durchaus als eine Art Archetypus der Kolonialkarte bezeichnet werden kann und wesentlich zur Schärfung des eurozentrischen Blickes beigetragen hat, so sind noch eine ganze Reihe von weiteren mehr oder weniger erfolgreichen Projektionsformen zu nennen.
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Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through Maps, S. 5. Monmonier : Eins zu einer Million, S. 32. Black: Maps and politics, S. 30. Ebenda, S. 30. Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through Maps, S. 7. Wood: Rethinking the power of maps, S. 127. »Mercator‹s purpose was to help sailors plot their courses across the ocean, and for that purpose his map worked. It still does.«; Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through maps, S. 8.
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Alternativen zur Mercator-Projektion Während flächentreue Projektionen bereits von Johann Heinrich Lambert (1772), James Gall (1855) und Max Eckert (1906) genutzt wurden, entwickelte Paul Goode in den 1920er Jahren eine auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich wirkende »unterbrochene homolosine flächentreue Projektion«.236 Diese Darstellung verzichtet auf eine zusammenhängende Darstellung der Ozeane und fokussiert die Kontinente. Die geopolitische Bedeutung unterschiedlicher Projektionsformen macht auch der langjährige Gebrauch der Van der GrintenProjektion in den USA seit 1922 deutlich. Schließlich wird hier die Fläche der Sowjetunion unverhältnismäßig groß dargestellt (über 200 %), sodass in Zeiten des Kalten Krieges ein Bedrohungsszenario aus Perspektive der USA begünstigt wurde. Erst 1988 nutzte die American National Geographic Society die Robinson-Projektion, wodurch das überdimensionierte Flächenverhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion der Van Grinten-Projektion deutlich verringert wurde. Die Fläche der UDSSR wurde nur noch 18 % größer dargestellt als jene der USA.237 In Bezug auf die Darstellung des Kolonialismus hatte vor allem die Entwicklung der Peters-Projektion maßgeblichen Einfluss.238 So kritisierte Arno Peters bereits seit den 1970er Jahren die Europa-Zentrierung von Atlanten: Sie seien schlicht dafür »geeignet, die Selbstüberschätzung des weißen Mannes, besonders des Europäers, zu verewigen und die farbigen Völker im Bewusstsein ihrer Ohnmacht zu halten«239. Im Gegensatz zur winkeltreuen Mercator-Projektion stellt die flächentreue Peters-Projektion die Proportionen der Kontinente korrekt dar, wobei jedoch eine Formverzerrung der Äquatorregion beobachtbar ist. Das wohl bekannteste Merkmal der Peters-Projektion ist der verhältnismäßig langgezogene afrikanische Kontinent. »Africa is actually about the same size as the former Soviet Union and the United States combined. Africa is substantially larger than the United States and the current Russia. If size were what mattered, Africa would rank second in importance only to Asia. Europe
236 Monmonier : Eins zu einer Million, S. 28 f. 237 Vgl. Black: Maps and politics, S. 31. 238 Dabei sei allerdings auch auf dessen Vorläufer (»Gall-Projektion« 1885) hingewiesen, weshalb oftmals auch von der Gall-Peters-Projektion gesprochen wird. Aber auch J. H. Lambert versuchte sich bereits 1772 an der Entwicklung einer flächentreuen Zylinderprojektion. Neben Gall und Lambert sind aber auch Walter Behrmann (1910) und Trystan Edwards (1953) als Wegbereiter Arno Peters zu nennen; Vgl. Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through maps, S. 22. 239 Peters, Arno: Der europa-zentrische Charakter unseres geographischen Weltbildes und seine Überwindung. Dortmund 1976, S. 2.
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would compete with Australia for last place. There is no question that the Peters makes this much more evident than the Mercator.«240
Wenn die kartierte Größe eines Gebietes auch eine entsprechend hohe Bedeutung impliziert, so leistet die Peters-Projektion im Gegensatz zur MercatorProjektion einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Vorstellung einer übermächtigen sowjetischen Bedrohung in Zeiten des Kalten Krieges. Die Arbeiten Arno Peters waren allerdings nicht nur Ausgangspunkt zahlreicher Publikationen und Diskussionen241, sondern gipfelten in einem eigenen Atlas.242 Dieser holte die Kartierung der sogenannten Dritten Welt aus ihrem kolonialgefärbten Schattendasein hervor und betonte vielmehr den Nord-SüdKonflikt. Der Erfolg der Peters-Projektion bzw. die Debatte, die sie auslöste, waren schließlich auch ein Produkt der postkolonialen Welt und dem damit verbundenen gesteigerten Interesse an der Sichtbarmachung von kolonialen Denkmustern. Zwar wird seiner innovativen Projektionsform in aktuellen europäischen Geschichtsatlanten kaum Beachtung geschenkt, doch stößt die Peters-Projektion bis heute bei internationalen Organisationen wie UNICEF (United Nation Childrens’s Fund) oder der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) auf große Resonanz.243 Für die europäische Geschichtsatlantenproduktion, sowohl für den Lehrmittelbereich (Schulgeschichtsatlanten) als auch für den allgemeinen Markt, konnte sich die Peters-Projektion kaum durchsetzen. Nicht zuletzt, da sie den europäischen Seegewohnheiten244 widersprach: »[…] one mapmaker has said it makes the continents look like ›wet, ragged long winter underwear hung out to dry on the Arctic Circle,‹ and that it makes the world appear as ›in a fun-house mirror‹«.245 Dennoch ist die von Arno Peters geforderte Flächentreue mittlerweile fester Bestandteil einer Vielzahl von Projektionsformen, die zum Teil als Weiterentwicklungen oder schlicht als vermittelnde Projektionen zu verstehen sind.
240 Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through maps, S. 11. 241 Vgl. hierzu u. a. Loxton, John: The Peters’ Phenomenon, in: Cartographic Journal 22, Heft 2 (1985), S. 106ff; Robinson, Arthur A.: Arno Peters and His New Cartography, in: American Cartographer 12 (1985), S. 103ff; Crampton, Jeremy W.: Cartography’s defining moment. The Peters Projection Controversy, 1974 – 1990, in: Cartographica 31 (1994), S. 16 – 32. 242 Peters, Arno: Peter’s atlas of the world. Harlow 1989; Ders.: Peters-Atlas: alle Länder und Kontinente in ihrer wirklichen Größe. Frankfurt am Main 2002. 243 Vgl. Black: Maps and politics, S. 35. 244 »Some who have looked at it for the first time, or even after many times, talk of feeling angry, puzzled, inquisitive, surprised – even amused«; Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through maps, S. 30. 245 Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through maps, S. 20.
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Polständige Projektionen Mit einer sich abzeichnenden Blockbildung und der damit verbundenen »Teilung der Welt«246 im 20. Jahrhundert nahm die Bedeutung eines geopolitischen und vor allem eines geostrategischen Blicks auf die sich globalisierende Welt immer mehr zu. In diesem Zusammenhang betont Agnes Fischer-Dardai die Notwendigkeit von polständigen Kartenprojektionen als Bestandteile einer globalen Perspektive auf die Welt. Die rasante Entwicklung von Kriegstechnik im nuklearen Raumzeitalter (Langstreckenbomber und Interkontinentalraketen) hatte demnach eine »Abwertung der herkömmlichen Karten der MercatorProjektion zur Folge und lenkte die Aufmerksamkeit auf deren Entstellung bzw. Verzerrung«247. Eine auf Europa ausgerichtete Darstellung wird den politischmilitärischen Verhältnissen des Kalten Krieges kaum gerecht. Unter der Prämisse »the world is a sphere and not a plane surface« entwarf der deutschamerikanische Geopolitiker Nicolas John Spykman bereits während des Zweiten Weltkrieges zusammen mit dem Geographen Alexander de Seversky die »equidistant projection (centered on St. Louis)«248. Die Betonung der nördlichen Hemisphäre war allerdings kein Zufallsprodukt, sondern unter gegebenen geopolitischen Rahmenbedingungen eine durchaus bewusste Entscheidung, wie die Ausführungen Spykmans zeigen: »This type of map [polar projection] clearly indicates that the Northern continents, in terms of ocean distance, are much closer together than the Southern continents. It exaggerates the actual geographic separation of the latter but it gives symbolic expression to their political isolation from each other. The relation between North America and the two sides of the Eurasian continent are the base lines of world politics while the relations between South America, Australia and Africa are unimportant«249.
Der Nordatlantische Raum rückt durch diese Projektion deutlich zusammen, sodass eine scheinbar natürliche (vor allem politische) Verbindung zwischen der alten und neuen Welt nördlich des Äquators suggeriert wird. Zwar betont auch Kurt Stüwe die Bedeutung der Azimutalprojektion250 für die Darstellung polnaher Gebiete, doch widerspricht die bewusste Marginalisierung der südlichen Hemisphäre der Betonung von Vernetzung und Transfer in globalge246 Loth, Winfried: Die Teilung der Welt. Geschichte des Kalten Krieges 1941 – 1955. München 2002. 247 Fischer-Dardai: Die Raumwahrnehmung in der Zeit der Globalisierung, S. 244 f; Vgl. hierzu auch der ungarische Geschichtsatlas von Fischer, Ferenc: A Megosztott Vilg: Tört¦nelmi-Politikai Atlasza 1941 – 1991. Budapest 1996. 248 Spykman: America’s strategy in the world politics, S. 178. 249 Spykman, Nicholas J.: America’s strategy in the world politics. The United States and the balance of power. New York 2008 (Originalausgabe 1942), S. 178. 250 Vgl. Stüwe, Kurt: Einführung in die Geodynamik der Lithosphäre. Quantitative Behandlung geowissenschaftlicher Probleme. Berlin 2000, S. 26.
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schichtlichen Kontexten. Somit bleibt zu fragen, ob diese Projektionsform über die geopolitischen und -strategischen Konstellationen des Kalten Krieges hinaus für Geschichtskarten nutzbar ist, zumal auch jene Kartennetzentwürfe offenbar nicht das Problem der Perspektivität von Geschichtskarten lösen können. Außerdem ist die mit der Projektionsform eng verwobene Kartenzentrierung als eine entscheidende Größe zu nennen. Gerade in einer postkolonialen Wahrnehmung spielt es eine erhebliche Rolle, wer oder was im Kartenzentrum platziert wird und somit als ›Nabel der Welt‹ angesehen wird. Umso bedeutender wird diese Frage beim Gebrauch von Azimutalprojektionen (polständig, transversal und schiefachsig), da sich Kartenautor/innen bzw. die Kartenredaktionen hier für die Darstellung eines bestimmten Teils der Erde (oftmals nur eine Erdhalbkugel) entscheiden müssen. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass gerade die Identifikation von Kartennetzentwürfen in Geschichtsatlanten kein einfaches Unterfangen ist. Wirklich zuverlässige Informationen darüber sind schließlich nur den oftmals unzugänglichen Verlagsunterlagen zum Redaktionsprozess zu entnehmen. Ohne diese Informationen können eindeutige Aussagen lediglich durch Verfahren der Kartometrie ermittelt werden. Eine systematische Untersuchung europäischer Geschichtsatlanten hinsichtlich ihrer verwendeten Projektionsformen kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Im Folgenden werden jedoch exemplarisch die Projektionsmöglichkeiten und deren Konsequenzen für vermittelte Raum- und Geschichtsbilder im Hinblick auf die Darstellung des Kolonialismus thematisiert. Projektionsformen in aktuellen europäischen Geschichtsatlanten Auch wenn sie im europäischen Vergleich aktueller Geschichtsatlanten nur noch selten Anwendung findet, ist die klassische Mercator-Projektion keineswegs aus der europäischen Geschichtsatlantenlandschaft verschwunden.251 So zeigt das spanische Beispiel in Abbildung 38 links entsprechend das Britische Empire im Jahr 1914 mittels Mercator-Projektion, wohingegen die Geschichtskarte rechts aus dem deutschen Putzger eher einer Winkel-Tripel-Projektion252 entspricht. 251 Vgl. hierzu beispielsweise Pro Ruiz, Juan: Atlas Histûrico. Madrid 2005, S. 84; OrdûÇez, Juan: Cûrdoba y Atlas de historia universal y de EspaÇa. Madrid 1993, S. 112; Hayt, Franz: Atlas d’histoire. Brüssel 2003, S. 110; Gawrysiak, Jacek: Atlas Historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Liceum. Warschau 2008, S. 100; Henningsen, Karsten: Historisk Atlas. Brenderup 2000, S. 51. Darüber bemerkt Agnes Fischer-Dardai, dass in ungarischen Lehrmitteln »größtenteils noch immer die herkömmlichen Mercator-Darstellungen dominieren«; Fischer-Dardai: Die Raumwahrnehmung in der Zeit der Globalisierung, S. 246. 252 Oswald Winkel (1874 – 1953) veröffentlichte bereits 1921 diesen vermittelnden Karten-
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Somit bleibt die spanische Geschichtskarte dem kolonialen Kartennetzentwurf treu, den bereits die »Imperial Federation Map of the World« (Punkt 5.1.2.) nutzt. Aufgrund der maßstäblichen Verzerrung wirkt vor allem das Dominion Kanada fast erdrückend groß im Gegensatz zu den territorialen Ansprüchen in Afrika und dem britischen Kronjuwel Indien. Über die Anwendungsgründe kann in diesem Fall nur spekuliert werden. Oftmals hat die Verwendung bestimmter Karten recht pragmatische Gründe. So wird allein aus Kostengründen gerne auf bereits vorhandenes Kartenmaterial zurückgegriffen. Geschichtskarten in europäischen Geschichtsatlanten werden zwar durchaus den aktuellen Erkenntnissen historischer Forschung angepasst (z. B. Opferzahlen etc.), doch für die Verwendung anderer Kartenprojektionen müssten komplett neue Karten konzipiert werden. Die Putzger-Karte (Abbildung 38 rechts) nutzt hingegen den bereits 1921 von Oskar Winkel entwickelten Kartennetzentwurf, der durchaus als vermittelnd beschrieben werden kann (zwischen Flächen- und Winkeltreue). Er verzichtet einerseits auf die unverhältnismäßigen Vergrößerungen auf der Nordhalbkugel (vgl. Mercator-Projektion), ohne jedoch andererseits den afrikanischen Kontinent übermäßig zu dehnen (vgl. Peters-Projektion). Vielmehr ist die WinkelTripel-Projektion eine besonders seit Ende der 1990er Jahre häufig gebrauchte Kompromisslösung, die allerdings »nirgends verzerrungsfrei [ist]«253. Unabhängig von den inhaltlichen Schwerpunktsetzungen der beiden Geschichtskarten und dem verwendeten Kartennetzentwurf begünstigen doch aber beide Karten eine europazentrierte Wahrnehmung des Kolonialismus, allein aufgrund ihrer Ausrichtung bzw. Zentrierung entlang des Nullmeridians. Die Wahl des Kartennetzentwurfes ist allerdings nicht nur Ausdruck der Persistenz eines kolonialen Blicks auf die Welt, sondern durchaus auch ein Produkt bewusster Visualisierungsabsichten. So zeigt das Beispiel aus dem »World History Atlas« von Jeremy Black, dass unterschiedliche Darstellungsabsichten auch unterschiedliche Projektionsformen zutage fördern können. Die europäischen Entdeckungsreisen bis ins 16. Jahrhundert (»Voyages of European expansion 1492 – 1597«) werden hier mittels Mercator-Projektion dargestellt (Abbildung 39 links), sodass Europa und seine Entdecker durch die maßstäblichen Verzerrungen besonders hervorgehoben werden (vergrößerte Darstellung der Nordhalbkugel). Allerdings erfolgt hier keine Zentrierung entlang des Nullmeridians, sodass die Neue Welt im Mittelpunkt der Darstellung steht und auch die zunehmende Bedeutung des atlantischen- und pazifischen Raumes als globale »Kontaktarene«254 gespiegelt wird. netzentwurf (zwischen Flächen- und Winkeltreue); Vgl. hierzu auch Snyder, John P.: Flattering the Earth. Two thousand years of map projection. Chicago 1993, S. 232 ff. 253 Stüwe: Einführung in die Geodynamik der Lithosphäre, S. 28. 254 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 157.
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Im gleichen Geschichtsatlas werden auch andere Projektionsformen eingesetzt, wie beispielsweise eine Karte zu »The European empires and the first world war« (Abbildung 39 rechts). An dieser Stelle wird eine polständige Karte genutzt, um die besondere Verbindung zwischen der Alten und Neuen Welt hervorzuheben. Während andere Kartenprojektionen den auch als Ersten Weltkrieg255 bezeichneten Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) getrennt nach Kontinenten thematisieren, so wirkt diese polständige Kartendarstellung auf den ersten Blick verbindend (trotz Zentrierung auf Westeuropa). Allerdings ist diese Geschichtskarte schwerpunktmäßig auf die Kolonialreiche und den Konflikt zwischen Großbritannien und Frankreich ausgerichtet, sodass der europäische Kriegsschauplatz beispielsweise des Dritten Schlesischen Krieges und die Mächte Preußen und Russland gänzlich ausgeblendet werden. So kann leicht der Eindruck erweckt werden, dass die europäischen Mächte ihre Konflikte nur in den Kolonien austrugen und die europäischen Zentren fast unberührt davon blieben. Auch wenn diese Darstellung nur einen sehr eingeschränkten Blick auf die Welt des 18. Jahrhunderts zulässt, so kann durch die hier verwendete polständige Projektion gezeigt werden, dass die Großräume Nordamerika und Europa nicht durch eine unüberwindbare Barriere getrennt waren, sondern der Atlantik vielmehr als ein verbindendes Element auszumachen ist. Die dritte thematisierte Geschichtskarte aus dem »World History Atlas« von Jeremy Black (Abbildung 40) ist zwar auch auf Westeuropa zentriert (zumindest orientiert am Nullmeridian), doch wird dieser Kartennetzentwurf, der stark an eine Robinson-Projektion erinnert, zur Darstellung der gesamten imperialen Welt um 1900 genutzt. Da sowohl Nord- als auch Südhalbkugel von imperialen Bestrebungen europäischer Mächte betroffen sind, eignet sich hier keine polständige Projektion, die nur eine Hemisphäre zeigt. Diese pseudozylindrische Projektion betont, nicht zuletzt durch die Zentrierung entlang des Nullmeridians, auch den afrikanischen Kontinent, sodass die Landmassen Europas und Afrikas den tatsächlichen Proportionen entsprechen (maßstäbliche Verzerrung). »In Wahrheit ist diese Projektion aber weder flächen- noch winkeltreu, so 255 Vgl. Externbrink, Sven: Einleitung: Der Siebenjährige Krieg – ein europäischer Weltkrieg im Zeitalter der Aufklärung, in: Ders. (Hrsg.): Der Siebenjährige Krieg (1756 – 1763). Ein europäischer Weltkrieg im Zeitalter der Aufklärung. Berlin 2011. S. 14; Vgl. hierzu auch Osterhammel: Kolonialismus, S. 37. Stig Förster beschreibt den Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) und den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) zwar als »dramatische Höhepunkte«, doch als »Auseinandersetzung zwischen Europäern […], die allerdings nunmehr weltweit ausgetragen wurden« handelt es sich demnach »nicht um Weltkriege im modernen Sinne«; Förster, Stig: Vom europäischen Krieg zum Weltkrieg, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn 2009, S. 243.
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daß kein Kartenausschnitt völlig verzerrungsfrei ist.«256 Da gerade Afrika als Schwerpunkt der kolonialen Durchdringung ausgemacht werden kann, erscheint diese Projektionsform für diese Darstellungsabsicht geradezu prädestiniert. Auch wenn unterschiedliche Kartennetzentwürfe Anwendung finden und Räume außerhalb Europas zentriert werden, so kann von einer »Provinzialisierung«257 Europas in europäischen Geschichtsatlanten keine Rede sein. Schließlich sind es die agierenden Kolonialmächte Europas, die fokussiert werden und scheinbar allein die Weltgeschichte bestimmen. Die Verwendung von Weltkarten ist somit kein alleiniger Garant für die Darstellung von Welt- und Globalgeschichte. Zwar leisten vermittelnde Projektionsformen (z. B. WinkelTripel-Projektion oder polständige Projektionen) einen wichtigen Beitrag, damit der Betrachter die tatsächlichen räumlichen Ausmaße in ihrer globalen Dimension erfassen kann, doch die Probleme der inhaltlichen Reduktion und den damit verbundenen europäischen Blick auf die Welt kann keine Projektionsform überwinden. Gerade Weltkarten jenseits der Mercatorprojektion sind in der Lage, die Geschichte des 19. Jahrhunderts nicht als zwei voneinander getrennte Großgeschichten (master narratives) darzustellen. So werden die Verbindungen zwischen der »Geschichte der Großmächtediplomatie in Europa« und die »Geschichte der imperialen Expansion«258 doch nur auf Weltkarten nachvollziehbar. Eine isolierte Betrachtung nach Kontinenten, wie es beispielsweise in einer Reihe von britische- und französische Geschichtsatlanten zu finden ist, forciert hingegen den Verzicht auf globale Verflechtungen. Während einzelne Kontinente zu alleinigen Aktionsräumen erhoben werden, so sind transkontinentale Verbindungen an den Kartenrand gerückt und verschwinden damit in der Bedeutungslosigkeit. Unter globalgeschichtlicher Perspektive werden keine Karten von Territorien, sondern von Transaktionen benötigt, um eine sich globalisierende Welt zu begreifen. »Doch damit ist zwar globale Realität erfasst, aber noch keine Geschichte gemacht. Die besondere Problematik einer Globalgeschichte des 20. Jahrhunderts besteht darin, die Anstrengungen zu verstehen, die aus den Versuchen entstehen, Ordnungsmuster für eine Welt zu etablieren, die zwar eins geworden ist, aber ein widersprüchliches Ganzes bleibt – technisch und materiell integriert, aber sozial und kulturell tief gespalten.«259
256 Stüwe: Einführung in die Geodynamik der Lithosphäre, S. 28. 257 Chakrabarty, Dipesh: Europa provinzialisieren, in: Conrad/Randeria: Jenseits des Eurozentrismus, S. 283 – 312. 258 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 570. 259 Bright, Charles/Geyer, Michael: Globalgeschichte und die Einheit der Welt im 20. Jahrhundert, in: Conrad/Eckert/Freitag: Globalgeschichte, S. 54.
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Allein die Betrachtung von Mercator-, Peters-, Winkel- und Polarprojektion zeigt deutlich, dass Flächentreue, Winkeltreue und Längentreue nie gleichzeitig hergestellt werden können, und dabei gilt offenbar immer : »Every map takes a point of view«260. John Brian Harley geht noch einen Schritt weiter, indem er davon ausgeht, dass »every map represents a world-view in miniature and its design is fraught with potential ethical consequences. Aesthetics is not a valuefree science and it is as much a prisoner of ideology as the empirical content of the map«261. Das Ringen um die ideale Projektion hat bis heute gezeigt, dass es keine ideale Projektion gibt, sondern immer nur unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse für die Wahl von Projektionsformen verantwortlich sind. Dieses veranschaulicht auch die Begründung der National Geographic Society für die Wahl der Winkel-Tripel-Projektion 1998 als neuen Standard: »We chose the Winkel Tripel because it is a good representation of the world – not a perfect representation – but a good representation. The only perfect representation of the world is a globe«262. Weder Schulgeschichtsatlanten, noch einschlägige geschichtsdidaktische Literatur betonen den Aspekt der Kartenprojektion und -zentrierung hinreichend, sodass gerade die damit verbundenen Mechanismen der Perspektivierung oftmals unberücksichtigt bleiben und Raum- und Geschichtsbilder nicht immer ergründet werden können.
5.3.2. Globalgeschichtliche Perspektiven in europäischen Geschichtsatlanten am Beispiel von Migrationsgeschichte(n) »War die alte Weltgeschichte der 1960er Jahre eher großflächig deskriptiv, ging allzu oft über das einzelne Detail hinweg und hielt Distanz zu den aktuellen Problemstellungen der Geschichtswissenschaft ihrer Zeit, so ist es heute ein Ziel vieler Praktiker der neuen Ansätze, Zusammenhänge im Fernkontakt und über Zivilisationsgrenzen hinweg präzise nachzuweisen. Die Migrationsgeschichte bietet dafür ein gutes Beispiel.«263
Neben dem Transport von Waren und Ideen sowie der damit eng verbundenen Herausbildung eines modernen Wirtschafts- und Handelssystems264 sind Fragen 260 Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through maps, S. 12. 261 Harley : The new nature of maps, S. 201. 262 The National Geographic Society (1998), zitiert bei: Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through maps, S. 61 f. 263 Osterhammel: Weltgeschichte: Von der Universität in den Unterricht, in: Geschichte für heute, H. 3 (2009), S. 7. 264 Globalgeschichtliche Themenfelder sind neben Migrationsgeschichte auch Diversität (z. B. Krankheiten, Verbreitung von Flora und Fauna), Ökonomie (z. B. Entwicklung des Welthandels), Transport- und Kommunikationssysteme bzw. Industrialisierung, sowie die Geschichte internationaler Bewegungen (z. B. Sozialismus, Pazifismus) und sonstige For-
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der Migrationsgeschichte besonders durch ihre Reichweite über Nationalgeschichten hinaus und die besondere Verbindung von globalen und lokalen Manifestationen für globalgeschichtliche Betrachtungen von Interesse. Schließlich bemerkt Susanne Popp, dass »[f]ür das Verständnis ›lokaler‹ Probleme […] oft genug globale Zusammenhänge herangezogen werden [müssen]«265. Es wurde bereits festgestellt, dass gerade Migrationsgeschichte in europäischen Geschichtsatlanten eine nicht zu verachtende Rolle spielt (vgl. Punkt 4.5.1.). Ob diese Darstellungen auch globalgeschichtliche Perspektiven widerspiegeln oder ob es sich hierbei um europa- oder gar nationalzentrierte Darstellungen handelt, gilt es im Folgenden zu untersuchen. Während Albert Kraler für eine globale Migrationsgeschichte seit 1800 die »Zunahme von Wanderungen über lange Distanzen und den Übergang von unfreier zu freier Lohnarbeit«266 betont, so markiert Jürgen Osterhammel gerade das 19. Jahrhundert sogar als das »Zeitalter massenhafter Fernmigration«267. In europäischen Geschichtsatlanten sind zwei Aspekte globaler Migration im Rahmen des Kolonialismus besonders markant – die europäische Fernmigration des 19. Jahrhundert und der transatlantische Sklavenhandel.
I. Die europäische Fernmigration des 19. Jahrhunderts im Kartenbild Mit der zweiten Welle kolonialer Expansion im 19. Jahrhundert erhielten auch globale Migrationsbewegungen eine neue Dynamik und führten letztlich sogar zu einer Art Massenmigration. Als Gründe dafür nennt Albert Kraler die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten und die »Kräfteverschiebung zwischen den europäischen Großmächten im Zuge der Napoleonischen Kriege« sowie die daraus resultierende »Vormachtstellung Großbritanniens als Weltmacht«268. Vor allem die europäische Emigrationsbewegung im 19. Jahrhundert mit dem Hauptziel Vereinigte Staaten wird in unterschiedlicher Weise in europäischen Geschichtsatlanten aufgegriffen. Die Darstellung von Fernmigrationen für den Zeitraum von 1400 – 1914, beispielsweise mittels Weltkarten, wird im europäischen Vergleich sehr unterschiedlich realisiert. Die europäische Fernmigration im 19. Jahrhundert ist keine gleichförmige und konstante Bewegung, sondern
265 266 267
268
men von Kulturtransfer ; Vgl. hierzu auch Popp: Antworten auf neue Herausforderungen, S. 497. Ebenda, S. 492 Kraler, Albert: Globale Migrationen, in: Sieder/Langthaler : Globalgeschichte, S. 100. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 235; Vgl. hierzu u. a. auch Rogers, John: The Tip of an Iceberg. Migration in Sweden during the 19th Century, in: Isaacs, Ann Katherine (Hrsg.): Immigration and Emigration in Historical Perspective. Pisa 2007, S. 109 – 118; Bade, Klaus J.: Sozialhistorische Migrationsforschung (Studien zur Historischen Migrationsforschung Bd. 13). Göttingen 2004, S. 303 ff. Kraler : Globale Migrationen, S. 104.
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eher wellenförmig. Somit ist gerade die Auswahl des dargestellten Zeitraumes in Geschichtskarten von enormer Bedeutung, denn je nachdem wie dieser eingegrenzt wird, können sich Migrationsbewegungen in ihrer quantitativen Wahrnehmung deutlich verschieben. So stellt Stefan Rinke beispielsweise fest, »dass ein Teil der deutschen Auswanderer sein Glück in Lateinamerika suchte und dass sich diese Bevölkerungsbewegung zumindest phasenweise durchaus mit der nach den USA messen konnte«269. Werden hingegen die absoluten Zahlen verglichen, so liegt der Schwerpunkt deutscher Emigrationen im 18. bzw. im 19. Jahrhundert eindeutig in Nordamerika. Während Geschichtsatlanten aus Belgien, Großbritannien, Deutschland und Frankreich globale Migrationsbewegungen mit einem signifikanten Anteil kartieren, so nutzen spanische, polnische und ungarische Geschichtsatlanten nur selten entsprechende Darstellungen. Darüber hinaus verzichten Atlanten aus Kroatien, Litauen, Lettland und Russland oft sogar gänzlich auf die Kartierung von globalen Migrationsbewegungen vor dem Ersten Weltkrieg.270 Von einer monolithischen Darstellung in europäischen Geschichtsatlanten kann keine Rede sein, sodass sich hier vor allem drei Raumbezüge herauskristallisiert haben. I.I. Die nationalzentrierte Migrationsgeschichte stellt im Vergleich europäischer Geschichtsatlanten zwar die Ausnahme dar, doch markiert diese Darstellung eine deutliche nationale Perspektive globaler Migrationsbewegungen. Das polnische Beispiel in Abbildung 41 präsentiert so neben »Emigracja ›za chlebem‹« (»Auswanderung für Brot«) auch saisonale Arbeitsmigration (»Sezonowe migracje zarobkowe«) und stellt dabei sowohl Fernmigrationen als auch innereuropäische Migrationsbewegungen bis 1914 dar. Dabei werden ausschließlich polnische Emigranten im Kartenbild fokussiert sowie wichtige Zielgebiete benannt und mit entsprechenden quantitativen Angaben versehen (»Głûwne skupiska emigracji polskiej«). Diese Geschichtskarte ist allerdings nicht speziell für den Einsatz im Geschichtsunterricht konzipiert, sondern stammt aus einem polnischen Geschichtsatlas, der primär die polnische Geschichte in den Blick nimmt und dabei an eine allgemeine Leserschaft adressiert ist. So verwundert es auch kaum, dass diese Karte auf einer Atlasdoppelseite von zahlreichen histo-
269 Rinke, Stefan: Nach Norden oder Süden? Deutsche Auswanderer in den Amerikas im langen 19. Jahrhundert, in: Raab, Josef/Wirrer, Jan (Hrsg.): Die deutsche Präsenz in den USA. Berlin 2008, S. 26. 270 Der Anteil von Migrationskarten (Weltkarten) von Geschichtsatlanten mit Darstellungen zum Kolonialismus: Belgien (4 von 8), Großbritannien (8 von 28), Deutschland (6 von 27), Frankreich (4 von 12) – Spanien (2 von 9), Polen (2 von 20), Ungarn (2 von 9) – Kroatien (0 von 11), Litauen (0 von 4), Lettland (0 von 2), Russland (1 von 25).
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rischen Fotos umgeben ist, die polnische Emigranten und ihre Errungenschaften in der Neuen Welt zeigen. Die nationalzentrierte Fokussierung der Geschichtskarte aus dem deutschen Perthes Atlas (Abbildung 42) wird bereits aus dem Kartentitel ersichtlich: »Weltpolitik ohne Weltreich? – Deutsche Kolonialpolitik seit 1884 – Deutsche Auswanderung Ende 18. und 19. Jh.«271. Globale Migrationsprozesse im 18. bzw. im 19. Jahrhundert spielen keine Rolle, sondern lediglich deutsche Fernmigrationen und »deutsche Siedlungsgebiete« werden hier mit dem Schwerpunkt Auswanderung in die USA thematisiert. Während das polnische Beispiel konkrete Orte als Emigrationsziele benennt, so werden hier »deutsche Siedlungsgebiete außerhalb Mitteleuropas um 1900« mittels gepunkteter Flächensignaturen kartiert, die zwar stark an Ortssignaturen erinnern, doch aber unkonkret bleiben. Auch wenn der Vergleich mit geopolitischen Karten der 1920er und 1930er Jahre deutlich zu weit greifen würde, so wird durch die Kartierung von »deutsche[n] Siedlungsgebiete[n]« in den USA, Kanada und Argentinien der Eindruck einer flächenhaften deutschen Besiedelung suggeriert. Erklärbar wird die Verwendung dieser Karte allerdings durch die einfache Tatsache, dass die gleiche Darstellung bereits im »Taschenatlas Deutsche Geschichte« genutzt wird und so offensichtlich auf bereits vorhandenes Kartenmaterial zurückgegriffen wurde.272 Eine separate Karte mit globalen Migrationsbewegungen bleibt dieser Geschichtsatlas aufgrund seines weltgeschichtlichen Anspruches dem Betrachter/der Betrachterin allerdings schuldig. I.II. Vor allem französische Geschichtsatlanten betonen eine gesamteuropäische Perspektive, die Europa als Ganzes zum Ausgangspunkt globaler Migrationsbewegungen macht und dabei oftmals sogar auf eine genaue Differenzierung der Herkunfts- oder Zielländern im Kartenbild verzeichnet (vgl. Abbildung 43)273. Zwar werden Emigrationen in der Karte »L’Europe ¦migre« im »Atlas Historique« von FranÅois Lebrun (links) in ihrer Quantität erfasst, doch ist eine Aufschlüsselung für Großbritannien, Italien, Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn lediglich dem Begleittext zu entnehmen. Die Gesamtzahl der Emigranten wird sowohl numerisch als auch durch die Breite der jeweiligen Pfeilsignatur dargestellt, wobei jeweils nur eine sehr grobe Zielregion angegeben
271 Oswalt/Rudolf: Klett-Perthes zur Weltgeschichte, S. 334. 272 Oswalt/Rudolf: Taschen-Atlas – Deutsche Geschichte, S. 164 f. In der aktuellen Auflage des »Taschen-Atlas – Weltgeschichte« wird diese Karte allerdings nicht verwendet; Vgl. Oswalt/ Rudolf: Taschen-Atlas – Weltgeschichte. 273 Detaillierte quantitative Angaben zu einzelnen europäischen Ländern liefern hingegen u. a. Vallaud: Atlas Historique, S. 65; Noja, Tea/Tavasani, Patrizia: Atlante di storia. Mailand 2000, S. 56.
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wird. Die thematische Begrenzung der Karte auf Europa resultiert vor allem aus der konzeptionellen Gliederung des Atlasses nach Kontinenten. Auch wenn diese französische Karte zur europäischen Emigration im Gegensatz zur rechten Darstellung eine polständige Projektion verwendet, so liegt doch in beiden Karten die Zentrierung auf Europa. In der linken polständigen Projektion erwecken die Inseldarstellung und die Pfeilsignaturen ferner den Eindruck, als würde Europa hinaus in die bis dato unbesiedelte Welt strahlen – eine deutlichere Europazentrierung erscheint kaum kartierbar. Das zweite französische Beispiel mit dem Titel »Les Europ¦ens dans le monde au XIXe s.« aus dem »Atlas des colleges« von Jean-Michel Lambin verzichtet hingegen auf die konkrete Nennung von Zahlen, sondern nimmt offensichtlich nur eine grobe Gewichtung durch die breite der Pfeilsignaturen vor (Abbildung 43 rechts). Während das linke Beispiel ausschließlich Europa farbig hervorhebt und den Rest der Welt unkoloriert lässt, so betont die rechte Karte hingegen die Zielregionen europäischer Fernmigration im 19. Jahrhundert. Zwar akzentuieren beide besonders die transatlantische Migrationsbewegung, doch der Stellenwert von europäischen Emigrationen nach Australien/Neuseeland und nach Afrika wird offensichtlich unterschiedlich gewichtet. Ferner wird hier die Mercator-Projektion angewendet, wodurch den Fernmigrationen nach Nordamerika ein zusätzliches Gewicht verliehen wird und Südamerika bzw. Afrika und Australien an Bedeutung einbüßen müssen. Es ist zu bezweifeln, ob die Karte rechts den Anforderungen einer maßstäblichen Darstellung gemäß ihrer quantitativen Angaben überhaupt gerecht wird, da das Verhältnis der Pfeilsignaturen zueinander nicht unbedingt den Verhältnissen der nachweisbaren Fernmigrationen in die einzelnen Zielregionen entspricht.274 Diese Karte markiert jedoch, im Gegensatz zu einigen vergleichbaren Darstellungen275, auch Emigrationen nach Nordafrika. Gerade die für Frankreich so bedeutende Migrationsbewegung nach Algerien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wird hier im Kartenbild angedeutet.276 Während bereits in der Eroberungsphase zu Beginn des 19. Jahrhunderts französische (aber auch spa274 Vgl. hierzu Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 200 ff. 275 Vgl. hierzu u. a. Fernndez, Esther : Carriûn Atlas Histûrico Ediciones. Madrid 2002, S. 111; Genicot, L¦opold/Georges, Jean/ Bruneel, Alfred: Atlas Historique – Les grandes ¦tapes de l’Histoire du Monde et de la Belgique. Namur 2002, S. 74; Vidal-Naquet, Pierre/ Bertin, Jacques: Atlas över Mänsklighetens Historia: Frn Urtid Till Nutid. Stockholm 1991 (Originaltitel: Atlas historique. Histoire de l’humanit¦, de la pr¦histoire nos jours. 1987), S. 215; Geivers, Rik: Nieuwe Historische Atlas. Antwerpen 2005, S. 89. 276 Vgl. hierzu auch Haywood: The Cassell Atlas of the 19th Century World 1783 – 1914, S. 5; Barraclough/Stone: The Times Atlas of World History, S. 209; Middleton, Haydn/Heater, Derek: Atlas of modern world history. Oxford 1991, S. 8; Krasimir, Andreev : Atlas istoria 9 Klas. Sofia 2007, S. 48.
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nische und italienische) Einwanderer sich vor allem in den Städten Algeriens ansiedelten, so lag die Hochphase französischer Einwanderungen allerdings in den 1870er und 1880er Jahren277. Insbesondere nach der Niederlage im DeutschFranzösischen Krieg 1870/71 wurde Algerien quasi zu einer »Arena nationaler Regeneration durch Kolonisierung«, die zu einer »Kopie des ländlichen Frankreich« am anderen Ufer des Mittelmeeres werden sollte278. Die besondere Brisanz der Kartierung oder eben Nicht-Kartierung jener Migrationsbewegungen nach Algerien liegt in französischen Geschichtsatlanten in der Erinnerung an die Dekolonisationsprozesse in Nordafrika und den damit eng verbundenen Algerienkrieg (1954 – 1962). Durch die Brille des Kolonialismus erschien Algerien in der französischen Öffentlichkeit schließlich noch sehr lange als »integraler Bestandteil des französischen Staatsgebietes«279. Gerade weil das öffentliche Gedenken an den Algerienkrieg und die französische Präsenz in Nordafrika in ihrer Bewertung nicht ganz unumstritten sind, kann allein die Kartierung jener Migrationsbewegungen mit unterschiedlichen Geschichtsbildern aufgeladen sein. Die beiden gezeigten Karten gehen mit diesem für die französische Erinnerungskultur noch immer heiklen Thema sehr unterschiedlich um. Während das Beispiel aus dem »Atlas Historique« (Abbildung 43 links) lediglich Migrationsbewegungen ab einer Million Menschen kartiert und somit gar nicht erst in die Verlegenheit kommt, die französische Emigrationen nach Algerien zu kartieren, so nutzt die Karte aus dem »Atlas des colleges« (rechts) die Bezeichnung »Afrique du Nord«, ohne gesondert auf Algerien einzugehen. Dabei wird nicht ersichtlich, aus welchem Land die Einwanderer nach Nordafrika kommen. Zwar waren darunter auch Spanier/innen und Italiener/innen, den größten Anteil stellte aber Frankreich. Ob diese beiden Kartierungen allerdings wirklich Produkt eines reflektierten Umgangs mit französischer Kolonialgeschichte und ihrer erinnerungskulturellen Manifestationen sind oder ob an dieser Stelle schlicht kartographischer Pragmatismus Einzug gehalten hat (Platzmangel etc.), bleibt zu hinterfragen. Unabhängig von den Gründen jener Kartierungen können sie gerade in Vermittlungskontexten Raum- und Geschichtsbilder beeinflussen. Jene nationalund europazentrierten Migrationsgeschichten sollten nur innerhalb einer sehr weiten Begriffsvorstellung als globalgeschichtliche Darstellungen betrachtet werden. Weder die Verwendung polständiger Projektionen noch der Verzicht auf eine Totalgeschichte oder die Betonung von außereuropäischen Zielregionen kann darüber hinwegtäuschen, dass der Eurozentrismus durch diese Ge277 Während 1841 noch 37.000 Einwanderer nach Algerien vermerkt wurden, so waren es im Jahr 1851 bereits 131.000. Besonders in den Jahren von 1872 stieg die Zahl der Einwanderer von 280.000 auf 531.000 im Jahr 1892; Vgl. Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 630. 278 Ebenda, S. 630 f. 279 Petter : Bilder imperialen Abschieds, S. 721.
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schichtskarten nicht überwunden wird. Schließlich ist es lediglich ein Stück europäische Geschichte, das außerhalb Europas verortet wird. I.III. Fernmigrationen im 19. Jahrhundert werden in europäischen Geschichtsatlanten allerdings auch gemäß einem engeren Begriffsverständnis von Globalgeschichte als Querverbindungen und Verflechtungen präsentiert. Zumindest stehen hier nicht nur europäische Emigranten im Zentrum der Betrachtung, sondern auch außereuropäische Migrationsbewegungen werden als Teil eines globalen Prozesses thematisiert und entsprechend kartographisch umgesetzt. Die russische Geschichtskarte in Abbildung 44 fällt besonders durch ihre für westeuropäische Sehgewohnheiten ungewöhnliche Kartenzentrierung auf. Mit Moskau im Kartenmittelpunkt wird sogar die einzige ehemalige russische Übersee-Kolonie am rechten Kartenrand abgebildet. Zwar ist Alaska eindeutig als Teil der Vereinigten Staaten auszumachen, doch erinnert diese Anordnung doch stark an eine Verbindung des US-amerikanischen Bundesstaates zur russischen Einflusssphäre. Ob an dieser Stelle eine Art natürliche Zugehörigkeit suggeriert wird, hängt stark vom Betrachter/von der Betrachterin und seinen/ ihren Kenntnissen zur Geschichte Alaskas ab. Schließlich fällt der durchaus folgenreiche Verkauf der Übersee-Kolonie an die Vereinigten Staaten im Jahr 1867 nicht zwingend in die dargestellte Zeit der Geschichtskarte (Ende 19. bis Anfang 20. Jahrhundert), sodass dieses Ereignis auch nicht genannt werden muss. Viel entscheidender als die Kartenzentrierung und die Konsequenzen, die sich daraus für die Raumpräsentation ergeben, ist in dieser Geschichtskarte allerdings die Darstellung globaler Migrationsbewegungen. Die globalen Migrationen am Ende des 19. Jahrhunderts werden hier nach vier Zielregionen unterteilt: Nordamerika, Zentral- und Südamerika, Australien und Ozeanien und andere Regionen (»S UadUYV aVTY_^l«). Diese nicht genauer spezifizierte letzte Gruppe umfasst ein vielfältiges Spektrum an Migrationsformen, wie die transatlantische Zwangsmigration von Angola nach Brasilien. Erst nach dem offiziellen Verbot des Sklavenhandels in Frankreich (1818) und Dänemark (1803), sowie in Großbritannien und den Vereinigten Staaten (1807) wurde »[d]er quantitative Höhepunkt des Handels […] überhaupt erst in den 1820er Jahren erreicht, als jährlich etwa 40.000 Afrikaner in Brasilien eintrafen.«280 Die russische Geschichtskarte thematisiert den bis 1851 andauernden transatlantischen Sklavenhandel nach Brasilien. Allerdings wird dieser lediglich 280 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 203; Vgl. hierzu auch Kraler : Globale Migrationen, S. 101; Beck, Rudolf/Schröder, Konrad: Handbuch der britischen Kulturgeschichte. Paderborn 2006, S. 244. Die Sklaverei selbst wurde in Brasilien sogar erst 1888 abgeschafft; Vgl. Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 502.
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als eine Fernmigration unter vielen dargestellt, mit dem gleichen Status wie europäische Immigrationen nach Lateinamerika. Es kann von einer inkongruenten Darstellung ausgegangen werden, denn während der späte transatlantische Sklavenhandel (bis 1851) thematisiert wird, bleibt der Verkauf Alaskas 1867 ungenannt. Somit müssen sich Kartenbetrachter/innen schon fragen, wann das Ende des 19. Jahrhunderts in dieser Geschichtskarte beginnt und ob die unrühmliche Besitzabtretung Russlands bewusst verschwiegen wird. Wie sich nur wenige Jahre nach dem Verkauf zeigte, hatte Russland schließlich für nur 7,2 Millionen US-Dollar kein unwegsames Ödland, sondern im wahrsten Sinne eine Goldgrube verkauft.281 Hinter den Pfeilsignaturen, die Migrationsbewegungen repräsentieren, verbergen sich auch die für das 19. Jahrhundert besonders bedeutenden Arbeitsmigrationen – sowohl unfreie (Sträflingsarbeiter und Kontraktarbeiter282) als auch freie Formen.283 Der afrikanische Kontinent wird in dieser Darstellung nicht nur als Exporteur von Arbeitskräften (Sklavenhandel nach Brasilien) dargestellt, sondern auch als Arbeitskräfteimporteur von chinesischen aber vor allem indischen Kontraktarbeitern.284 Während die indischen Einwanderer in Ostafrika vor allem mit dem Bau der Uganda-Bahn von Mombasa zum Viktoriasee beauftragt wurden285, so wurden sie in Südafrika und Nordrhodesien (Zambia) hauptsächlich in den Minen als Arbeitskräfte eingesetzt. Auch wenn diese russische Geschichtskarte nicht alle Aspekte eines sich globalisierenden Arbeitsmarktes im 19. Jahrhundert aufzeigen kann (z. B. indische Kontraktarbeiter auf Zuckerrohrplantagen in der Karibik oder auf Kautschukplantagen im kolonialen Malaya286), so macht sie doch globale Migrationsverflechtungen deutlich, die bis heute nachwirken. So blieben beispielsweise etwa 20 % der indischen Kontraktarbeiter nach Ablauf ihrer Verträge in Kenia bzw. Uganda und siedelten sich mit ihren Familien als Handwerker und Kleinunternehmer in den Städten der neu entstandenen Bahntrasse an (Kettenmigration durch Familiennachzug). Inder traten hier u. a. als informelle Finanziers europäischer Pflanzer und als Importeure von Waren 281 Vgl. Kappeler, Andreas: Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung-Geschichte-Zerfall. München 2008, S. 170 f. 282 Vgl. hierzu auch Kraler: Globale Migrationen, S. 102ff; Rössler, H.: Unnütze Subjekte, Vagabunden und Verbrecher – zur Emigration von Sträflingen in die Neue Welt (1830 – 1871), in: Ders. (Hrsg.): Hollandgänger, Sträflinge und Migranten. Bremen-Bremerhaven als Wanderungsraum, Bremen 2000, S. 193 – 260. 283 Vgl. hierzu auch Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 293. 284 Vgl. Kraler : Globale Migration, S. 103. 285 Für diesen Zweck wurden etwa 37.000 Inder (meist Sikhs aus dem Panjab) angeworben; Vgl. Mann, Michael: Geschichte Indiens. Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. Paderborn 2005, S. 255. 286 Vgl. hierzu auch Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 507.
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auf. Michael Mann beschreibt in diesem Zusammenhang eine sehr heterogene Zusammensetzung indischer Immigranten in Ostafrika.287 Neben den unterschiedlichen Migrationsformen, die zwar nicht näher differenziert werden, dafür aber nach groben Zielregionen eingeteilt sind, thematisiert die Karte auch globale Veränderungen im Transport- und Kommunikationsbereich. Durch die Verortung von Eisenbahntrassen, Seewegen und Kommunikationsstrukturen (Transatlantikkabel)288 zusammen mit Migrationsgeschichte(n) wird die imperiale Welt des 19. Jahrhundert als überaus vernetzt dargestellt. Während die Fernmigrationen eindeutig durch eine Richtungsangabe gekennzeichnet sind, so bleiben die Seewege in ihrer Richtung unbestimmt, sodass keine einseitigen Beziehungen zwischen kolonialen Peripherien und europäischen Zentren suggeriert werden. Neben diesem russischen Beispiel gibt es eine ganze Reihe weiterer Darstellungen zur globalen Fernmigration im 19. Jahrhundert, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen und mehr oder weniger auf einen eurozentrischen Blick verzichten und Verflechtungen betonten. Das Beispiel des ungarischen »Tört¦nelmi Atlasz«289 kartiert indische Emigrationen nach Ost- und Südafrika, die russische Migration nach Sibirien bzw. Zentralasien sowie chinesische und japanische Migrationsbewegungen nach Australien, Südamerika oder in die USA, doch der Darstellungsschwerpunkt liegt hier eindeutig auf den Fernmigrationen im atlantischen Raum. Der »World Atlas of the Past – Modern Times« von John Haywood hebt hingegen besonders die Zielregionen globaler Fernmigrationen hervor und liefert mittels einer Kombination aus Zeitleiste und Ziffernlegende detaillierte Informationen zu einzelnen Migrationsformen und sonstigen bedeutenden Ereignissen und Prozessen um 1850.290 Bereits der »Times Atlas of World History«291 kann als einer der ersten systematischen Versuche angesehen werden, aus der eurozentrischen Perspektive auszubrechen.292 Darauf aufbauend ist vor allem der »World History Atlas« von Jeremy Black293 einer der Geschichtsatlanten im europäischen Vergleich, in dem eine intensive Auseinandersetzung mit globalgeschichtlichen Fragestellungen und deren Darstellung erkennbar ist. Die Geschichtskarte zur »World migration c. 1860 – 1920« (Abbildung 45) ist offenbar Produkt einer intensiven Ausein-
287 Vgl. Mann: Geschichte Indiens, S. 256. 288 Vgl. hierzu Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 1012 ff. 289 Horvth, Andrea/Horvth, Levente Attila/Bencsik, P¦ter : Tört¦nelmi Atlasz. 5.–8. osztlyosok szmra. Szeged 2009, S. 36 f. 290 Vgl. Haywood: World Atlas of the Past – Modern Times – 1815 to the present, S. 8 f. 291 Vgl. hierzu beispielsweise Barraclough/Stone: The Times Atlas of World History. 292 Vgl. Black: Historical Atlases, S. 656. 293 Black: World History Atlas.
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andersetzung mit globalgeschichtlichen Problemstellungen und kartographischen Innovationen. Neben der Dreiteilung der Migrationsströme in »Transatlantic migration«, »Other European migration« und »Asian migration« bzw. den maßgeblichen Emigrations- und Immigrationsgebieten (»major exporters of people« und »major importers of people«), werden in dieser Geschichtskarte ebenso transkontinentale Eisenbahnverbindungen dargestellt. Auch wenn Jürgen Osterhammel den Globalisierungseffekt der Eisenbahn geringer einschätzt als den des Dampfschiffes, so ist diese »Netzwerktechnologie«294 und ihr Bau gerade für Europa und Nordamerika ein entscheidender Faktor für Wirtschaft, Militär und die Besiedelung – Raumdistanzen wurden so massiv verkürzt und Transportkosten entsprechend gesenkt. Die gemeinsame Darstellung von Eisenbahntrassen als transkontinentale Lebensadern und globalen Migrationsbewegungen suggeriert eine Welt im Aufbruch, sodass auf den ersten Blick kein eindeutiges Zentrum und keine Peripherie mehr auszumachen sind. Doch bei genauerer Betrachtung rückt allein durch die polzentrierte Darstellung die Südhalbkugel an den Rand der Bedeutungslosigkeit, da hier die maßstäblichen Verzerrungen am größten sind. Gerade Nordamerika als Hauptziel europäischer Fernmigration avanciert sogar zum Zentrum einer globalen Bewegung. Auffallend ist außerdem, dass europäische Emigrant/innen nach Herkunftsländern differenziert und quantitativ erfasst werden, wohingegen lediglich zwischen ost- und südasiatischen Fernmigrationen unterschieden wird. Zwar ist auch das Migrationsvolumen für eine solche Differenzierung entscheidend, doch eine Erfassung von chinesischenund japanischen Emigrant/innen wird so nicht möglich. Auch die Zahl indischer Emigrant/innen nach Südostasien, Ost- und Südafrika oder gar nach Lateinamerika kann diesem Kartenbild nicht entnommen werden, obwohl ausreichend Darstellungsraum für entsprechende Beschriftungen vorhanden wäre. Ferner findet sich im Kartenbild kein Hinweis auf transatlantische Zwangsmigrationen (Sklavenhandel), die aber bis Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem nach Kuba und Brasilien nachweisbar sind und einen nicht unerheblichen Anteil an globalen Migrationsprozessen ausmachen.295 Christopher A. Bayly spricht sogar von einem »zweite[n] Frühling der Sklaverei« im 19. Jahrhundert.296 Besonders markant ist die Einbettung der Geschichtskarte in ihre mediale Umgebung, denn neben weiteren Karten zur »great Jewish migration, 1880 – 1914« und zum »movement of indentured labor« finden sich historische Foto294 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 1019. 295 Vgl. Meissner, Jochen/Mücke, Ulrich/Weber, Klaus (Hrsg.): Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. München 2008, S. 208. 296 Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 499 ff.
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Die Darstellung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten
grafien, die beispielsweise die Zustände bei der Atlantiküberfahrt andeuten. Die Zeitleisten zur »Migration to the New World« und »The great Jewish migration« weisen wiederum auf eine europazentrierte Perspektive in der Darstellung globaler Migrationsbewegungen hin. Der Text ist das verbindende Element und integriert den technischen Fortschritt bzw. die industrielle Revolution und die damit verbundene Entwicklung moderner Verkehrsmittel sowie unterschiedliche Formen von Migration mit ihren sich wandelnden Voraussetzungen und Zielstellungen. Im Großen und Ganzen kann diese Atlasdoppelseite als nicht frei von eurozentrischen Perspektiven bezeichnet werden, zumal fraglich ist, ob so etwas überhaupt realisierbar ist. Doch allein der Versuch, nicht selbstverständlich Europa in den Mittelpunkt zu rücken und beispielsweise auch den pazifischen Raum als eigene Handlungsarena aufzugreifen (Abbildung 45 – Detailkarte unten rechts), macht diese Atlasdoppelseite so besonders.
II. Der transatlantische Sklavenhandel Die afroamerikanische Sklaverei unterschied sich von früheren Formen der Leibeigenschaft oder von frühneuzeitlicher Kontraktarbeit – nicht zuletzt durch die besondere Rechtfertigung dieses »Big Business«297, an dem seit dem 16. Jahrhundert viele europäische Staaten partizipierten.298 Sonderegger nennt in diesem Zusammenhang zwei grundlegende Rechtfertigungen der Sklaverei und des Sklavenhandels – einerseits »das Postulat eines ›angeborenen Sklaventums‹, das eine Gruppe von Menschen mit dem Stigma gleichsam natürlicher Unfreiheit belegte«, und andererseits die schlichte »Übermacht physischer Stärke als ausreichende Begründung für die Legitimität von Versklavung«299. Sklaverei wurde in vielen Gesellschaften weit vor 1492 als »geregelte, naturgegebene Institution« angesehen, die »bewusst in Kauf genommen [wurde], ohne dass die jeweilige dominante kulturelle Tradition darüber kritisch reflektiert hätte«300. Herbert S. Klein stellt sogar fest: »Like almost all complex societies in world history until that time, the states of Europe had known slaves from their earliest foundations, and slavery in earlier centuries had been a fundamental labor institution«301. Winfried Speitkamp beschreibt allein für den afrikanischen 297 Sonderegger: Sklaverei und Sklavenhandel, S. 35. 298 Vgl. hierzu u. a. Fage, John D./Tordoff, William: A history of Africa. London 2006, S. 244ff; Wolf, Eric R.: Europe and the People without History. Berkeley 2010, S. 195 ff. 299 Sonderegger: Sklaverei und Sklavenhandel, S. 30. 300 Sonderegger, Arno: Sklaverei und Sklavenhandel. Zum Beziehungswandel zwischen Europa und Afrika im 18. und 19. Jahrhundert, in: Englert/Grau/Komlosy (Hrsg.): Nord-SüdBeziehungen, S. 29; Vgl. hierzu auch Meissner, Jochen/Mücke, Ulrich/Weber, Klaus: Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. München 2008, S. 17 ff. 301 Klein, Herbert S.: The Atlantic Slave Trade. New York 2010, S. 1.
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Kontinent drei zentrale Formen von Sklaverei und Sklavenhandel mit zum Teil fließenden Grenzen zwischen Freiheit und Unfreiheit. Neben innerafrikanischen Varianten, die beispielswiese durch Schuldknechtschaft oder durch Kriegszüge realisiert wurden (Sklaven auch als symbolisches Kapital), markiert er vor allem den orientalischen und den transatlantischen Sklavenhandel.302 Aus postkolonialer Perspektive ist vor allem der transatlantische Sklavenhandel als eine der größten Zwangsmigrationen der Weltgeschichte von zentraler Bedeutung. Zwar existieren sehr unterschiedliche Schätzungen bezüglich des Gesamtumfangs transatlantischer Zwangsmigrationen, doch die Angaben von Paul E. Lovejoy geben bereits einen Eindruck vom Ausmaß und der Hochphase des Sklavenhandels im atlantischen Raum.303 Schließlich sind in den US-amerikanischen Südstaaten, der Karibik oder weiten Teilen Südamerikas die Nachwehen des jahrhundertelangen Sklavenhandels und der Sklaverei als Institution in unterschiedlichen Bereichen im atlantischen Raum noch immer spürbar. Dennoch stellt Winfried Speitkamp fest, dass »sich die wirtschaftlichen Strukturen in Westafrika kaum [änderten]. Abgesehen vom Sklavenhandel wurde die Region nicht in den Welthandel eingebunden«304. Basil Davidson weist darüber hinaus auch auf konservierte Machtverhältnisse und fehlende Arbeitskräfte als potentielle Träger von Veränderung und Fortschritt hin und resümiert den afrikanischen Sklavenexport wie folgt: »Über die ganze Spanne dieser vier Jahrhunderte hin lag der Gewinn ausschließlich auf einer Seite. Es gab effektiv keine schöpferische Verschmelzung von Kulturen, keinen Austausch von Ideen, keinen gemeinsam erarbeiteten Wohlstand und keine gemeinsam Leistung«305. Demographische, gesellschaftliche und politische bzw. soziale Folgen von Sklaverei und Sklavenhandel waren also um einiges bedeutender als ökonomische Aspekte. Allerdings waren Afrikaner nicht bloß Agenten der Europäer, sondern einige profitierten sogar nicht unerheblich vom Sklavenhandel, sodass sogar »[d]ie Sklavenhaltung […] auch in afrikanischen Reichen mehr und mehr zur üblichen
302 Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 104 ff. 303 Paul E. Lovejoy macht zum Umfang transatlantischer Sklavenexporte aus Afrika folgende Angaben: 1450 – 1600: 367.000; 1601 – 1700: 1.868.000; 1701 – 1800: 6.133.000; 1801 – 1900: 3.330.000; Lovejoy, Paul E.: Transformations in slavery. Cambridge 1983, S. 19; Jürgen Osterhammel geht seit 1500 etwa von 9,6 – 15,4 Millionen »abreisenden Sklaven« aus, von denen allerdings 10 – 20 % nicht den amerikanischen Kontinent erreichten; Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 230. 304 Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 113. 305 Davidson, Basil: Vom Sklavenhandel zur Kolonisierung: afrikanisch-europäische Beziehungen 1500 – 1900. Reinbek 1966 (Originaltitel: Black Mother, 1961), S. 241; zitiert bei: Tetzlaff, Rainer/Jakobeit, Cord (Hrsg.): Das nachkoloniale Afrika. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Wiesbaden 2005, S. 44.
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Form der Herrschaftsausübung [wurde]«306. Rainer Tetzlaff und Cord Jakobeit sprechen in diesem Zusammenhang sogar von einem »kollektive[n] Verbrechen […], an dem auch arabische Sklavenjäger und -händler neben und oftmals in Zusammenarbeit mit Kolonialeuropäern und afrikanischen Herrschern aus unterschiedlichen Gründen mitbeteiligt waren«307. Wie behandeln Geschichtskarten in europäischen Geschichtsatlanten dieses vielschichtige Themenfeld globaler Zwangsmigration, in welchen Darstellungskontext wird es gerückt und welche Raum- und Geschichtsbilder werden dabei wie transportiert bzw. vermittelt?
II.I. Raumausschnitte und Darstellungskontexte Etwa 35 % der europäischen Geschichtsatlanten stellen den transatlantischen Sklavenhandel im Kartenbild überhaupt dar, wobei der Anteil von Schulgeschichtsatlanten und allgemeinen Geschichtsatlanten ähnlich gelagert ist.308 In der Darstellung des transatlantischen Sklavenhandels unterscheiden sich die gewählten Raumausschnitte deutlich voneinander. Während der Anteil von Weltkarten im europäischen Vergleich signifikant hoch ist, so werden AfrikaKarten in diesem Kontext vor allem in Deutschland, Großbritannien und Italien genutzt. Darstellungen, die nur den transatlantischen Raum fokussieren, sind hingegen deutlich seltener und finden vor allem in Geschichtsatlanten aus Italien, Großbritannien, Spanien, Frankreich und Deutschland Anwendung. Ungarische, belgische und russische Geschichtsatlanten stellen den transatlantischen Sklavenhandel meistens durch Weltkarten dar.309 Zu bemerken ist darüber hinaus, dass deutsche, britische und italienische Geschichtsatlanten zur Darstellung des transatlantischen Sklavenhandels durchaus auch unterschiedliche Raumbezüge in einem Atlas nutzen. Unabhängig von der Wahl des Raumausschnittes konnten neben der gesonderten Thematisierung von Sklaverei und Sklavenhandel mittels separater Detailkarte (a) vor allem zwei zentrale Zusammenhänge in Geschichtsatlanten mit 306 Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 114 f. 307 Tetzlaff/Jakobeit: Das nachkoloniale Afrika, S. 44; Vgl. hierzu auch Illife, John: Geschichte Afrikas. München 1997, S. 172 – 213. 308 80 von 231 Geschichtsatlanten mit Darstellungen zum Kolonialismus verorten den transatlantischen Sklavenhandel im Kartenbild. Dabei liegt der Anteil von Schulgeschichtsatlanten bei 33,5 % und der von allgemeinen Geschichtsatlanten bei 37,3 %. 309 Das Verhältnis von Afrika-Karten (AK), Darstellungen des transatlantischen Raumes (TAR) und Weltkarten (WK) in Bezug auf die Kartierung des transatlantischen Sklavenhandels (Anzahl der Geschichtsatlanten): Belgien (AK: 1, TAR: 0, WK: 7); Deutschland (AK: 9, TAR: 4; WK: 6); Frankreich (AK: 0; TAR: 2; WK: 3); Großbritannien (AK: 6, TAR: 4; WK: 6); Italien (AK: 3, TAR: 3, WK: 2); Russland (AK: 0, TAR: 0, WK: 5); Spanien (AK: 0, TAR: 2, WK: 4); Ungarn (AK: 1, TAR: 1, WK: 7); Gesamtübersicht vgl. Anlage 18.
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Darstellungen zum transatlantischen Sklavenhandeln ausgemacht werden (Abbildung 46). Zunächst wird Sklavenhandel vor allem in britischen Geschichtsatlanten als Fernmigration kartiert (b) und somit in den globalen Migrationsprozess bis Ende des 19. Jahrhunderts integriert. Diese Besonderheit britischer Atlanten resultiert aus der umfangreichen Auseinandersetzung mit dem Sklavenhandel in der britischen bzw. angloamerikanischen Forschung und dem von Andreas Eckert im Zuge einer Reihe von Ausstellungsprojekten sogar als »Erinnerungshype« beschriebenen Entwicklung in den britischen Erinnerungskulturen310. Dabei wird allerdings im Kartenbild zwischen »unfreier und freiwilliger Migration, Arbeits- und Fluchtmigration oder Wanderungsprozessen«311 nur sehr selten unterschieden. Sklavenhandel wird alternativ als Teil einer sich etablierenden Weltwirtschaft begriffen (c), wodurch Sklaven zu einer Ressource bzw. zu einem Handelsgut unter vielen degradiert werden. Im Fokus stehen hier vor allem der transatlantische Raum und der in ihm zu verortende Dreieckshandel (»transatlantisches System«312). Bis auf britische Atlanten kartieren europäische Geschichtsatlanten mit Abstand Sklavenhandel am häufigsten als Warenaustausch und Sklaven somit als Ressource. Die Definition von »Sklaven« bei Winfried Speitkamp scheint auf den ersten Blick diese Position zu untermauern: »Sklaven sind unfreie Menschen, ob Kinder oder Erwachsene, ob Männer oder Frauen, die im Eigentum einer anderen Person stehen und wie Güter behandelt, gekauft und verkauft werden können«. Doch relativiert er diese im Folgend und stellt fest: »Die Definition ist freilich einfacher als die Realität. Sie gibt Unterschiede, Wandlungen und Schwankungsbreiten nicht angemessen wieder und konzentriert sich ausschließlich auf die formale Beschreibung eines personalen Herrschaftsverhältnisses, ohne die Subjektqualität des Sklaven hinreichend zu berücksichtigen«313.
Die Darstellung des transatlantischen Sklavenhandels als Teil globaler Migrationsprozesse impliziert zumindest, dass es sich hier um das Schicksal von Menschen handelt und nicht um den Transport von Gütern wie Elfenbein oder Gold. Die Kartierung des sogenannten Dreieckshandels in seiner verknappten Form wird den atlantischen Handelsstrukturen kaum gerecht, denn hier handelte es sich vielmehr um ein System »bilateraler europäisch-amerikanischer 310 Eckert: Der Kolonialismus im europäischen Gedächtnis, S. 35; Vgl. hierzu außerdem Farrell, Stephen/Unwin, Melanie/Walvin, James (Hrsg.): The British Slave Trade: Abolition, Parliament and People. Edinburg 2007. 311 Kraler : Globale Migrationen, S. 99. 312 Wendt: Vom Kolonialismus zur Globalisierung, S. 164. 313 Speitkamp: Kleine Geschichte Afrikas, S. 103 f.
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Kontakte verschiedener Konstellationen von Dreieckshandel«314. Reinhardt Wendt beschreibt nicht den direkten Austausch von ›Gütern‹, sondern er markiert eher interkontinentale Etappen (»Kettentransfer«) und beschreibt dabei mehrere Dreiecke, die mit bipolaren Kontakten erweitert sind, »sodass sich das Bild eines vielfältig verknüpften globalen Handelssystems ergibt«315. Während die Darstellung von Sklaven als Ressource koloniale Stereotype durchscheinen lässt, so zeigen doch die zahlreichen Beiträge der letzten Jahre zum »Black Atlantic«316 ein deutlich differenzierteres Bild und liefern Anknüpfungspunkte für aktuelle Debatten beispielsweise um Verantwortung und Entschädigungen. II.II. Die Darstellung des Sklavenhandels im Kartenbild Allein der Dreieckshandel und die dabei oftmals integrierte Darstellung des transatlantischen Sklavenhandels finden im Kartenbild europäischer Geschichtsatlanten recht unterschiedliche Ausprägungen. Innerhalb der Binnenstruktur der Geschichtskarte werden vor allem Pfeil- bzw. Liniensignaturen genutzt und wahlweise mit Beschriftungen (meist die Nennung von unterschiedlichen Gütern) und/oder Kartenzeichen kombiniert. Die beiden Beispiele aus dem italienischen »Atlante storico del mondo« und einem finnischen Schulgeschichtsgeschichtsatlas präsentieren den transatlantischen Sklavenhandel zwar beide als Teil des Dreieckshandels im atlantischen Raum, doch auf eine unterschiedliche Art und Weise (Abbildung 47).
Der Sklavenhandel als Teil des Dreieckshandels Auch wenn der Darstellungsschwerpunkt der italienischen Geschichtskarte auf dem allgemeinen transatlantischen Handel liegt (»Rotte commerciali«), so werden hier auch die Transsahararouten (»Direttrici dei mercanti di schiavi verso l’Europa e i porti della Guinea«) und die Sklavenfanggebiete kartiert (»Zone di cattura degli schiavi«). Allerdings geht der eigentliche Sklavenhandel in der Masse an benannten Gütern innerhalb der Pfeilsignaturen (Beschriftungen) fast unter. Zudem ist der Dreieckshandel sehr generalisiert dargestellt, 314 Wendt: Vom Kolonialismus zur Globalisierung, S. 164. 315 Ebenda. 316 Vgl. Gilroy : The Black Atlantic; Vgl. hierzu auch beispielsweise: Dorsch, Hauke: Afrikanische Diaspora und Black Atlantic. Einführung in Geschichte und aktuelle Diskussion. Münster 2000; Mamigonian Beatriz G./Racine, Karen (Hrsg.): The Black Atlantic 1500 – 2000. Plymouth 2010; Meissner, Jochen/Mücke, Ulrich/Weber, Klaus (Hrsg.): Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. Bonn 2008; Postma, Johannes: The Atlantic Slave Trade. Gainesville 2005; Thornton, John: Africa and Africans in the Making of the Atlantic World, 1400 – 1800. Cambridge 2006.
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sodass Handelsbeziehungen nur zwischen dem Doppelkontinent Amerika, Afrika und Europa ersichtlich werden. Wann und vor allem wohin afrikanische Sklaven schwerpunkmäßig transportiert wurden, wird aus dieser Karte nicht ersichtlich. Ferner wird die Darstellung der menschlichen Ware, gleichberechtigt neben Gewürzen, Gold, Elfenbein und anderen afrikanischen Exportgütern, ihrer globalen Bedeutung in keinster Weise gerecht. Schließlich war der transatlantische Sklavenhandel nicht nur ein Big Deal für die am Handel beteiligten Europäer, sondern bedeutete vor allem einen tiefen demographischen, gesellschaftlichen, politischen und sozialen Einschnitt für die gesamte atlantische Welt. Während das italienische Beispiel zumindest den Eindruck vielfältiger und vernetzter Handelsstrukturen erahnen lässt, so stellt das finnische Beispiel den Dreieckshandel in einer deutlich reduzierteren Form dar. Hier wird keine Vielfalt an Handelsgütern im Kartenbild präsentiert, sondern neben »Sklaven« (»Orjia«) lediglich komprimiert von »Kolonialwaren« (»Siirtomaatavaroita«) und »Veredelungserzeugnisse« (»Jalostettuja tuotteita«) gesprochen. Im Gegensatz zur vorigen Geschichtskarte werden nicht die Kolonialmächte eingefärbt, sondern nur die »wichtigsten Herkunfts- und Zielgebiete« von Sklaventransporten (»orjien tärkeimmät hankinta-alueet«; »orjien tärkeimmät maahanuontialueet«). Neben Opferzahlen des transatlantischen Sklavenhandels (»Lähes 10 milj. orjaa«)317 werden auch Sklaventransporte nach Europa, in den Mittleren Osten und nach Asien durch kleinere Pfeilsignaturen und deren Beschriftungen benannt. Beide Geschichtskarten haben den transatlantischen Raum als Raumausschnitt gewählt. Von einer globalgeschichtlichen Darstellung kann in beiden Fällen nur sehr begrenzt gesprochen werden, denn es handelt sich sowohl bei der komplexeren italienischen als auch bei der didaktisch reduzierteren finnischen Geschichtskarte jeweils um den Blick von Europa aus auf den sich zunehmend verflechtenden atlantischen Raum. Während das finnische Beispiel schwerpunktmäßig den transatlantischen Sklavenhandel in den Blick nimmt, so wird die europäische Perspektive des italienischen Beispiels besonders durch die Färbung der großen Kolonialmächte in Europa deutlich, die so als zentrale Akteure und Bedeutungsträger markiert werden. In beiden Beispielen werden afrikanische Reiche und lokale Herrschafts- und Machtstrukturen nur als passive Opfer betrachtet, die letztlich ungenannt bleiben.
317 In der älteren dänischen Ausgabe dieses Geschichtsatlasses wird noch auf die Nennung von Opferzahlen verzichtet; Vgl. Henningsen, Karsten: Historisk Atlas. Brenderup 2000, S. 57.
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Der Sklavenhandel als globale und transatlantische Migration Das belgische Beispiel in Abbildung 48 (links) stellt hingegen den transatlantischen Sklavenhandel als Teil einer globalen Migrationsbewegung des 19. Jahrhunderts dar. Zwar liegt der Darstellungsschwerpunkt hier deutlich auf den europäischen Emigrationen nach Nord- und Südamerika bzw. nach Südafrika und Australien (»Migrations europ¦ennes«), doch der Sklavenhandel wird hier als ein separates Phänomen kartiert (»Traite n¦griÀre«). Auffallend ist, dass zwar für die europäischen Emigrationen zumindest teilweise eine quantitative Abstufung erfolgt, der transatlantische Sklavenhandel hingegen als eine gleichmäßige Streuung aus dem Herzen Afrikas heraus dargestellt wird. Diese stark generalisierte Darstellung wird dem Sklavenhandel, der bis weit in das 19. Jahrhundert hineinragte, in keinster Weise gerecht. Weder stammen die meisten afrikanischen Sklaven aus Zentralafrika, so wie es die Karte suggeriert, noch sind die Transporte in den Mittleren Osten, nach Brasilien und in den Süden der Vereinigten Staaten quantitativ miteinander vergleichbar. Die meisten afrikanischen Sklaven stammten vielmehr aus Westafrika, vor allem aus dem heutigen Angola. Auch Ostafrika war beispielsweise eine Region, »die sowohl amerikanische als auch afro-asiatische Märkte bediente«318. Die Hauptquellen des Sklavenhandels waren einem deutlichen Wandel unterlegen, sodass im Laufe der Zeit eine Verlagerung nach Süden beobachtbar ist. Während die ersten Sklaven des transatlantischen Sklavenhandels vor allem von der Küste Oberguineas, dem Kongo und Angola stammten, so kamen seit dem 17. Jahrhundert die Goldküste und die Bucht von Benin hinzu. Im 18. Jahrhundert konnten in Mosambik und der Bucht von Biafra enorme Zuwachsraten verzeichnet werden. »1807 kamen aus der Bucht von Biafra, aus Angola und Mosambik mehr als 80 % der Sklaven der britischen und französischen Sklavenexporte und nahezu 100 % der portugiesischen«319. Zwar wirkt die leicht geschwungene Pfeilsignatur in Richtung Nordamerika fast schon harmonisch, doch entspricht sie schlichtweg nicht den historischen Gegebenheiten, denn obwohl die USA die Sklaverei erst 1865 für illegal erklärten, so wurde der Sklavenimport doch bereits 1808 beendet, nicht zuletzt, da bereits im 19. Jahrhundert hier von einer »sich selbst tragende[n] Sklavenpopulation« auszugehen ist, in der »gebürtige Afrikaner bald eine Minderheit ausmachten«320. Die lockere Linienführung der Kartograph/innen hätte demnach wohl eher in der Karibik enden müssen. Doch für Kartenbetrachter/innen wird so das Bild der US-amerikanischen Südstaaten als Hauptimporteur afrikanischer Sklaven weiterhin verstärkt, obwohl die Karibik und Brasilien weitaus 318 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 231. 319 Iliffe: Geschichte Afrikas, S. 178. 320 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 203.
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früher, deutlich länger und in einem größeren Umfang am Sklavenhandel beteiligt waren. Die Geschichtskarte aus dem britischen »Longman World History Atlas« (Abbildung 48 – rechts) widmet sich hingegen alleine dem »African Slave Trade« und blendet dabei andere Migrationsprozesse und sonstige Handelsbeziehungen im atlantischen Raum vollkommen aus. Vergleichbare Geschichtskarten nutzen oftmals nur eine Darstellung des afrikanischen Kontinents und lassen die Pfeilsignaturen am Kartenrand lediglich mit der Angabe ungefährer Zielregionen enden.321 Auch wenn hier wieder die Karibik ausgeblendet wird, so benennt dieses Beispiel doch konkrete Zielregionen und scheut sich auch nicht davor Europa einzubinden. Der »African Slave Trade« wird somit durch die Lokalisierung der Herkunftsregion (»Main Sources of Slaves«) und einem differenzierten Verweis auf die Zielregionen durchaus als eigenständiges, komplexes und weitreichendes Phänomen beschrieben. Allerdings werden keinerlei Informationen zur Datierung oder zu Quantitäten bereitgestellt, sodass der Betrachter/ die Betrachterin allein durch das Kartenbild den Sklavenhandel nicht als eine jahrhundertelange massenhafte Zwangsmigration wahrnehmen kann. Trotz der Kartierung weitreichender Zielregionen wird der atlantische Raum nicht als eine verflochtene Kontaktzone dargestellt, die für die Entwicklung eines globalen Handels- und Wirtschaftssystems von enormer Bedeutung war und ist. Die Geschichte des Sklavenhandels wird hier vielmehr als Einbahnstraße nachgezeichnet, ohne auf Bedingungen, Akteure, Rückwirkungen und Konsequenzen einzugehen. Selbst anhand des prädestinierten Themenfeldes Sklavenhandel und Sklaverei können Geschichtskarten europäischer Geschichtsatlanten alleine eine globalgeschichtliche Perspektive, gemäß dem engeren Begriffsverständnis, offensichtlich nicht leisten. Wie es sich allerdings unter Berücksichtigung des unmittelbaren medialen Kontextes der Geschichtskarte verhält und inwieweit hier Chancen und Möglichkeiten zur Kartierung von Globalgeschichte bestehen, gilt es im Folgenden zu überprüfen.
Der afrikanische Sklavenhandel im medialen Kontext Sklavenhandel und Sklaverei werde im dritten Teil der britischen Reihe »World Atlas of the Past – The Age of Discovery« von John Haywood eng mit der Geschichte des afrikanischen Kontinents verbunden und umfangreich auf vier großformatigen Seiten thematisiert (Abbildung 49). Ob allerdings der Titel »The 321 Vgl. hierzu Haywood: The Cassell Atlas of World History : The Medieval & Early Modern Worlds, S. 127 f; Edmonds /King /Lintott: Philip’s history atlas, S. 32; Adams: Historische Atlas, S. 33.
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Emergence of Africa« hier glücklich gewählt wurde, bleibt zu hinterfragen, sodass die deutsche Ausgabe sich lediglich auf »Der afrikanische Kontinent«322 beschränkt und das Motiv des erst entstehenden Kontinents somit bewusst ausklammert. Der Darstellungsschwerpunkt der Afrika-Karte auf der einführenden Doppelseite ist neben den afrikanischen Staaten bzw. Reichen323 und den niederländischen, osmanischen und portugiesischen Besitzungen im 18. Jahrhundert vor allem der Sklavenhandel. Dabei werden nicht nur die Herkunftsgebiete und die Zielregionen (Brasilien, Mittlerer Osten, Westindische Inseln, Nord- und Mittelamerika) markiert, sondern auch die am Handel beteiligten Nationen benannt. Vor allem portugiesische, niederländische und britische Händler werden als Beteiligte des transatlantischen Sklavenhandels ausgemacht. Auch wenn die Nennung im Kartenbild nicht vollständig ist und u. a. französische Händler324 vermissen lässt, so ist dies doch eine der wenigen kartographischen Darstellungen, die den Sklavenhandel nicht nur als anonymisierten Handelsprozess (Dreieckshandel) zeigt, sondern sogar Täter benennt (zumindest beteiligte europäische Nationen). Allerdings bleiben arabische Sklavenhändler und -jäger bzw. andere Beteiligte ungenannt, sodass der Sklavenhandel an sich vornehmlich als alleiniges europäisches Projekt erscheint. Der begleitende Text gibt indes deutliche Hinweise auf eine afrikanische Beteiligung: »Europeans did not take part in slave raids themselves but bought them from African traders. A kingdom could become wealthy through slavery but could only meet the demand for ever more slaves by constant attacks on its neighbors. Sometimes rulers even sold some of their own people, such as criminals, into slavery«325.
Somit erscheint der Sklavenhandel nicht allein durch das Kartenbild, aber im Zusammenspiel mit dem kontextualisierenden Text im Sinne Rainer Tetzlaffs und Cord Jakobeits als »kollektives Verbrechen«326. Neben der großformatigen Afrika-Karte findet sich auch eine kleine Detailkarte, die den Dreieckshandel thematisiert. Auch wenn Sklaven hier wie schon in den Beispielen zuvor zur Waren neben anderen degradiert werden, so wird deren besondere Bedeutung doch im Kartenkontext thematisiert. Sowohl die Karte zuvor als auch der umfangreiche Begleittext markieren den Sklavenhandel als ein besonderes Phänomen, sodass diese Detailkarte lediglich der Einordnung in die atlantischen Handelsstrukturen dient, die wiederum im Text konkretisiert 322 Haywood: Weltgeschichtsatlas, S. 162. Aber auch die dänische Ausgabe greift das Motiv des entstehenden Afrikas mit »Afrika bliver til« auf; Haywood: Historisk Verdensatlas, S. 162. 323 Zur Darstellung afrikanischer Staaten und Reiche vgl. Kapitel 5.1.1. 324 Im Begleittext wird allerdings auch die Beteiligung von Franzosen am Menschenhandel und deren Handelsniederlassungen erwähnt. 325 Haywood: World Atlas of the Past. The age of discovery – 1492 to 1815, S. 54. 326 Tetzlaff/Jakobeit: Das nachkoloniale Afrika, S. 44.
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werden. Neben dem kontextualisierenden bzw. präzisierenden Begleittext und einer Zeitleiste am Ende der gesamten Sequenz finden sich Fotos und ein historisches Bild im medialen Kontext der beiden Karten. Das erste Foto mit dem Hinweis »A camel caravan crosses the western Sahara from Marocco. By the 16th century this route was declining in importance« stellt dabei einen deutlichen medialen Bruch dar, denn es handelt sich hier lediglich um eine aktuelle Aufnahme einer Dromedar-Herde, die mit der Darstellung des Transsaharahandels im 18. Jahrhunderts nichts zu tun hat. Als Kulturzeugnis fungiert hingegen die zweite Fotografie einer bronzenen Schmuckplatte aus dem afrikanischen Königreich Benin, während ein Bild aus dem Jahr 1840 einen Eindruck von den Bedingungen auf einem Sklavenschiff vermitteln kann. Mit Ausnahme der aktuellen Fotografie zu Beginn der Sequenz kann der Betrachter durch den medialen Kontext der beiden Geschichtskarten (Text, Foto, Zeitleiste, Bild) durchaus den afrikanischen Sklavenhandel als einen vielschichtigen Prozess wahrnehmen, der nicht nur Teil des globalen Welthandels (Vernetzung), sondern vor allem Teil der afrikanischen Geschichte ist. Auch wenn der Sklavenhandel in diesem Atlas aus europäischer Perspektive beschrieben wird, so ist die Geschichte der europäischen Beteiligung in dieser medialen Gesamtkomposition doch aber nur eine unter vielen. Auch wenn die Geschichtskarte allein nicht den Spagat zwischen Vernetzungsgeschichte und Überwindung des Eurozentrismus im Sinne eines engen Globalgeschichtsbegriffes realisieren kann, so liefert aber die mediale Gesamtkomposition ein Angebot, das im Rahmen von Sinnbildungsprozessen eine globalgeschichtliche Perspektive ermöglichen kann. II.III. Das Bild des Schwarzen im Kartenbild europäischer Geschichtsatlanten Der Sklavenhandel hatte nicht nur gravierende ökonomische, soziale, gesellschaftliche, demographische und politische Folgen, deren Nachwehen bis heute deutlich spürbar sind, sondern beeinflusste wie kaum ein anderer Faktor das Bild der Schwarzen in Europa. So stellt Christopher A. Bayly fest, dass vor allem die Wandlung der Sklaverei im 19. Jahrhundert massiven Einfluss wissenschaftliche und populäre Diskurse hatte. »Diese Darstellungen wiederum verstärkten die Vorstellung von der rassischen Minderwertigkeit der afrikanischen oder sogar der chinesischen Völker und der Verfügbarkeit solcher Menschen als Arbeitskraftreserve. Die Vorstellung, dass schwarze Menschen niedere Wesen in der menschlichen Familie seien, war in der frühneuzeitlichen Welt Asiens und des Atlantiks weit verbreitet. Gott (und Aristoteles) hatten sie
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Die Darstellung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten
für die Sklaverei ausgewählt, und ihre Hautfarbe erschien beinahe als Sinnbild ihrer Erbsünde«327
Wie Peter Martin in seinem Beitrag zur deutschen Perspektive zeigt, entwickelte sich das menschenverachtende Bild des unzivilisierten Negers erst im Kontext von Versklavung und Menschenhandel. Schließlich waren Kulturkontakte zwischen Europa und Zentral- bzw. Westafrika nicht immer von Feinseligkeit bestimmt. Bereits im 13. Jahrhundert wurde der schwarze Mohr, meist aus Nordafrika oder Äthiopien stammend, als »kühner, welterfahrener Held, als Idealbild des christlichen Ritters besungen«328. Als »Sinnbild kaiserlichen Vasallentums« oder als »Zeichen weitreichender diplomatischer und kommerziellen Beziehungen […] wurde der Schwarze zum – unterschiedlich bewerteten – Ausweis für neue Macht und privilegierten Genuß«329. Doch mit der Erschließung »neue[r] Bezugsquellen für schwarze Sklaven« an der afrikanischen Westküste stießen Europäer auch auf »eine Vielzahl von schwarzen Gesellschaften, denen sie sich bald in jeder Hinsicht überlegen fühlten«330. Die bis dato gebräuchliche Bezeichnung Mohr wurde so zunehmend durch den Begriff Neger zurückgedrängt, »das einen durch seine ›schwarze‹ Farbe ausgewiesenen barbarischen Primitiven suggeriert«331. Während vor dem 17. Jahrhundert besonders der Unterschied zwischen »Christ« und »Heide« betont wurde, so verlagerte sich das zentrale Unterscheidungsmerkmal von der Religion zunehmend hin zur Hautfarbe, sodass der Heide zum Schwarzen und der Christ zum Weißen wurde.332 Hier zeigt sich also ein »rasante[r] Statusverfall« in der europäischen Wahrnehmung – »aus dem hohen Bild der Königin von Saba und des heiligen Mauritius« wird so letztlich das »Zerrbild eines halbvertierten ›Niggers‹«333. Der koloniale Blick von Europa aus auf die Welt hatte doch recht unterschiedliche Bewertungen zur Folge, die im Laufe der Zeit, wie das Beispiel des Schwarzen zeigt, einem enormen Wandlungsprozess unterlegen waren. Während zwischen »kultivierten Exoten«334 (meist mit Menschen in Süd327 Bayly : Die Geburt der modernen Welt, S. 508. 328 Martin, Peter : Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrika in Geschichte und Bewusstsein der Deutschen. Hamburg 2001, S. 592. 329 Martin: Schwarze Teufel, S. 41. 330 Ebenda, S. 83. 331 Ebenda. 332 Vgl. Martin: Schwarze Teufel, S. 101. 333 Ebenda, S. 85. 334 Oliver Näpel nennt nicht nur »Bedingungen und Formen der Fremdkonstuktion«, sondern weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die Bezeichnung »Exoten« eher »(pseudo-) positiv konnotiert [ist]«, denn »ihre äußere Schönheit spiegelt ihr unschuldigverlockendes-, angenehmes und friedfertiges Inneres, sie sind willfähriges (und williges) Verfügungsobjekt des Eigenen«; Näpel, Oliver : ›Fremdheit‹ und ›Geschichte‹. Identität und Alterität durch visuelle Stereotypisierung des ›Anderen‹ und der ›Geschichte‹ von der
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oder Ostasien in Verbindung gebracht) und den mit der Natur im Einklang lebenden und moralisch überlegenen edlen Wilden (oft mit den nordamerikanischen Indianer assoziiert) unterschieden wurde, so war das Bild des unzivilisierten Barbaren vor allem ein tragendes Moment kolonialer Herrschaft in Afrika.335 Gerade im Kontext des »Scramble for Africa«336 und dem Übergang von der informellen Kontrolle zum formellen Kolonialismus beschreibt Christian Koller den hier entstehenden Kolonial-Rassismus als maßgeblich gespeist von zwei theoretischen Zugängen – dem »rassistisch aufgeladene[n] Sozialdarwinismus« und der »Ideologie der Zivilisierungsmission«337. Die Vorstellung, dass der vermeintlich Schwächere entweder unterworfen bzw. niedere Aufgaben zu verrichten hätte oder andernfalls physisch vernichtet werden müsse, prägte den europäischen Blick auf das koloniale Afrika Ende des 19. Jahrhunderts ebenso wie die »verweltlichte Variante der christlichen Missionsdoktrin«. Die Ideologie der Zivilisierungsmission implizierte nicht nur das Recht sondern auch die »Pflicht […], außereuropäische Gebiete zu beherrschen und ihre Bevölkerung an die europäische Zivilisation heranzuführen, auch wenn das sehr lange dauern und mit der Anwendung von Gewalt verbunden sein mochte«338. Eben jene Zivilisierungsmission, gepaart mit einer Portion Exotismus, fand nicht nur Eingang in die heutige Debatten um Entwicklungshilfe, sondern Christian Koller geht auch davon aus, dass »[d]er alte Kolonialrassismus […] in den ehemaligen Kolonialmächten ziemlich nahtlos in fremdenfeindliche Vorurteile gegen Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien über[ging]«339. Wenn Geschichtskarten als Transporteure von Raum- und Geschichtsbildern gelten, so ergibt sich damit unweigerlich die Frage, inwieweit sie heute noch von rassistischen Stereotypen und Vorurteilen beeinflusst oder gar durchzogen werden. Im Folgenden werden europäische Geschichtsatlanten am Beispiel des transatlantischen Sklavenhandels dahingehend untersucht. Sklaven als Kartenzeichen In europäischen Geschichtsatlanten sind es vor allem Autorentexte und Beschriftungen, in denen Fragmente kolonialer Vorstellungen oder gar rassistischer Stereotype nachgewiesen werden können. So impliziert beispielsweise der
335 336 337 338 339
antiken Vasenmalerei bis zum gegenwärtigen Comic und Film. Ein Abriss, in: Handro/ Schönemann (Hrsg.): Visualität und Geschichte, S. 113. Vgl. Kraft/Lüdtke/Martschukat: Einleitung: Kolonialgeschichten – Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen, S. 10. Pakenham: The Scramble for Africa 1876 – 1912. Koller, Christian: Rassismus. Paderborn 2009, S. 60. Ebenda, S. 60. Koller : Rassismus, S. 64.
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Begriff »Negerhandel«340 oder die Kartenüberschrift »Bevölkerungsdichte, Völker und Rassen« in Verbindung mit den Bezeichnungen »Sudan- bzw. Bantuneger«341 aus der erweiterten Neuauflage des 1956 erstmals erschienenen »Große[n] Atlas zur Weltgeschichte« aus dem Hause Westermann einen unreflektierten Umgang mit kolonialen Mustern. Die Darstellung der Schwarzen oder der Afrikaner beschränkt sich allerdings nicht nur auf Beschriftungen im Kartenbild, ergänzende Fließtexte oder die Auswahl von Fotos oder Grafiken, sondern vor allem Kartenzeichen werden in einigen Schulgeschichtsatlanten gerne zur Repräsentation von Sklavenhandel und Sklaverei genutzt. Im europäischen Kontext können drei zentrale Darstellungsstrategien unterschieden werden – erstens der Gebrauch geometrisch abstrakter Kartenzeichen für die Visualisierung von »Sklavenhandelsstützpunkten«342 bzw. von »Sklavenmärkten«343, zweitens die Nutzung von Pfeilsignaturen mit entsprechenden Beschriftungen bzw. quantitativen Angaben und drittens die Verwendung von bildhaft-symbolischen Kartenzeichen, die der Repräsentation der Ressource Sklave dienen.344 Während die küstennahen Handelsplätze lediglich durch Ortssignaturen repräsentiert werden, so ist die Darstellungsvielfalt im Bereich der bildhaft-symbolischen Kartenzeichen um einiges größer. Hier fallen vor allem vier verschiedene Motive auf, die jeweils unterschiedliche Konnotationen mit sich bringen. Die Zusammenstellung in Abbildung 50 zeigt sehr deutlich, dass vor allem die Kette in ihren unterschiedlichen Ausprägungen als zentrales Motiv bildhafter Sklavensignaturen in europäischen Geschichtsatlanten auszumachen ist (a-f). Dabei wird die vielfältige Art, Menschen in Ketten zu legen, an dieser Stelle zum Ausdruck eines gewaltsamen Prozesses, der massenhafte Unfreiheit und Verschleppung symbolisiert, denn schließlich »kamen Ketten [im Sklavenhandel] millionenfach zum Einsatz, und auch auf Plantagen trugen häufig jene Sklaven Ketten, von denen man annahm, sie könnten entlaufen«345. Ketten und Fesseln bezeichnet Emily Brownell sogar als »the most vivid material culture imagery from the Middle Passage« und geht somit davon aus: »Chains are significant to the history of the Middel Passage because they became a widely familiar symbol of the abolition movement in the eighteenth cen340 Aner, Ekkehard: Westermann – Großer Atlas zur Weltgeschichte. Braunschweig 2001, S. 118 (Erweiterte Ausgabe des Standardwerks von 1956). 341 Aner : Westermann – Großer Atlas zur Weltgeschichte, S. 132. 342 Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Perthes Atlas: Geschichte. Gotha 2011, S. 181. 343 Bruckmüller/Hartmann: Putzger : Historischer Weltatlas. 344 Eine Übersicht über die verwendeten bildhaften Kartenzeichen (›Sklavensignatur‹) bietet Abbildung 50. 345 Meissner/Mücke/Weber : Schwarzes Amerika, S. 139.
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tury«346. Allerdings sei hier auf die intermedialen Bezüge der Generierung von Kartenzeichen hingewiesen. Auch Kartenautor/innen können durch historische Bilder bzw. deren grafische Umsetzung, Fotografien und »Illusionsbilder«347 in der Gestaltung von Kartenzeichen beeinflusst werden – wirklich nachvollziehbar werden solche Prozesse, wenn überhaupt, nur durch die Aufzeichnungen zum Redaktionsprozess. Neben der intermedialen Funktion für die Kartierung des Sklavenhandels bzw. der Sklaverei in Form von Kartenzeichen werden Bildquellen und jene fiktiven Grafiken auch selbst in europäischen Geschichtsatlanten platziert.348 Das zweite Motiv bildhaft-symbolischer Kartenzeichen in europäischen Geschichtsatlanten kann als die Darstellung des »edlen Wilden« (g-h) bezeichnet werden349. Bewaffnet nur mit einem Speer steht der Wilde den militärisch überlegenen europäischen Eindringlingen so offenbar schutzlos gegenüber. Während das Kartenzeichen »g« sogar an Malereien aus dem Jungpaläolithikum350 erinnert, so wirkt die Darstellung in »h« dagegen fast schon heroisch. Auch wenn an dieser Stelle der Grad zur Überinterpretation von Kartenzeichen recht schmal erscheint, so sind intermediale Bezüge zwischen historischen Bildern und sonstigen Grafiken essentiell. Es verwundert daher kaum, dass auch die beiden Illusionsbilder aus dem tschechischen bzw. slowakischen Geschichtsatlas (Abbildung 51) eben jenes Bild des edlen Wilden aufgreifen und sich dabei von zeitgenössischen Darstellungen wie dem der »Zulu Soldiers of King Panda’s Army« (George French Angas, 1849) inspirieren ließen.351 Das dritte Motiv in Kartenzeichen europäischer Geschichtsatlanten ist hingegen von einer klaren Funktionszuschreibung gekennzeichnet – der schwarze Sklave als Träger und Arbeiter. Gerade das Kartenzeichen »j« aus einem fran346 Brownell, Emily : Chains, in: Falola, Toyin/Warnock, Amanda (Hrsg.): Encyclopedia of the middle passage. Westport 2007, S. 101 f. 347 Pandel: Was macht ein Schulbuch zum Geschichtsbuch, S. 25. 348 Vgl. hierzu beispielswiese Sikorski, Jarosław/Zaremba, Krzysztof: Atlas historyczny ; gimnazjum. Breslau 2002, S. 57; Dellamonica, Umberto/Enrici, Nicolý Rosa: Atlante storico. Florenz 1993, S. 52; Mandelov, Helena: Novoveˇk II; Deˇjepisn¦ Atlasy pro zkladn sˇkoly a vcelet Gymnzia. Prag 1998, S. 19; Adams, Simon: Coppenraths Atlas der Weltgeschichte; Weltreiche und Entdeckungen. Eine Zeitreise in Bildern von 1450 n. Chr. bis 1800 n. Chr. Münster 2008, S. 32; Latisˇenka, Aru¯nas: Naujuju laiku istorijos atlasas 9 klasei. Wilna 2004, S. 16 f. 349 Zum Konzept des edlen Wilden; Vgl. auch Rousseau, Jean-Jacques: Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (hrsg. von Rippel, Philips) Stuttgart 2008 (Erstausgabe 1770); Fiedler, Matthias: Zwischen Abenteuer, Wissenschaft und Kolonialismus. Der deutsche Afrikadiskurs im 18. und 19. Jahrhundert. Köln 2005, S. 60ff; Bitterli: Die ›Wilden‹ und die ›Zivilisierten‹, S. 367 ff. 350 Vgl. hierzu auch Schuh, Ulrike: Farben in der Steinzeit, in: Wolfschmidt, Gudrun (Hrsg.): Farben in Kulturgeschichte und Naturwissenschaft (Nuncius Hamburgensis – Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften Bd. 18). Hamburg 2011, S. 19 ff. 351 Vgl. Abbildung 51 – rechts.
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zösischen Schulgeschichtsatlas erinnert vielmehr an die Abenteuer von Asterix und Obelix bei Kleopatra la Ren¦ Goscinny und Albert Uderzo, in dem tonnenschwere Steinblöcke mittels Zaubertrank locker umher gereicht werden. Mit jahrhundertelanger Flucht und Vertreibung, menschenverachtenden Zuständen auf den Sklavenschiffen und sonstigen Grausamkeiten hat diese Darstellung nichts gemein – im Gegenteil sie verharmlost das blutige Geschäft der massenhaften Zwangsmigration und verschweigt letztlich sogar eine europäische Beteiligung. Auch wenn viertens vermeintlich neutrale Männchen (k-s) als Platzhalter fungieren, so erscheinen doch auch diese Darstellungen des schwarzen Sklaven, gerade im Hinblick auf die Frage nach der Erinnerung an den Kolonialismus und die europäische Beteiligung am transatlantischen Sklavenhandel, letztlich als nicht angemessen. Die Geschichte Afrikas wird durch jene Darstellungen zu einer bloßen Opfergeschichte des schwarzen Mannes, ohne auf die eigentliche Geschichte afrikanischer Staaten und Reiche näher zu verweisen. Afrika wird so weiterhin nur als bloßer Lieferant von unfreien Arbeitskräften betrachtet, die durch Glasperlen, Alkohol und Feuerwaffen günstig erworben werden und dann in der Neuen Welt ausschließlich Güter für die europäischen Metropolen produzieren. Globalgeschichtliche Ansätze, die eine Geschichte des Sklavenhandels vor allem als eine verwobene Struktur mit vielschichtigen und engmaschigen Querverbindungen nicht ausschließlich aus europäischer Perspektive betrachten, können durch Kartenzeichen dieser Art nicht repräsentiert werden.
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6. Zwischen Kolonialromantik und globalhistorischer Perspektive – Europäische Geschichtskarten zur Darstellung des Kolonialismus
»Gerade Karten sind wirkungsvolle Träger geographischer Terminologien und Instrumente räumlicher Bewusstseinsbildung. Hinter dem Bedürfnis nach genauer Kartierung konnten die unterschiedlichsten Absichten stehen. Zu den langen vorherrschenden praktischen Zwecken des Transports, der Kriegsführung oder der kolonialen Kontrolle trat im 19. Jahrhundert der Wunsch hinzu, die eigene Nation sichtbar zu machen.«1
Diesen engen Zusammenhang zwischen kartographischer Repräsentation und nationalen bzw. europäischen Raum- und Geschichtsbildern bestätigt die Analyse aktueller europäischer Geschichtsatlanten hinsichtlich der Darstellung des Kolonialismus. Geschichtskarten sind dabei nicht nur Elemente visueller Vergegenwärtigung, sondern vor allem massiv am Transport, der Transformation und der Konservierung von Raum- und Geschichtsbildern beteiligt, sodass sie »imaginäre räumliche Denkmuster«2 und individuelle mental maps von Kartennutzer/innen nachhaltig beeinflussen. Gerade die Analyse von Geschichtskarten, die speziell für den Einsatz in Vermittlungskontexten konzipiert wurden, bietet die Gelegenheit tradierte Raumkonzepte zu hinterfragen. Über die Betrachtung der »visuelle[n] (Überzeugungs-)Kraft«3 von Karten hinaus erfolgt dieses unter der Berücksichtigung einer erinnerungs- bzw. geschichtskulturellen Perspektive. Auch wenn sie noch immer als vernachlässigte Medien beschreibbar sind, die vielfach unterschätzt werden, so bieten nicht nur historische, sondern vor allem aktuelle Geschichtsatlanten vielfältige Analysemöglichkeiten jener verborgenen Sinnstrukturen.
1 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 129. 2 Struck, Bernhard: Farben, Sprachen, Territorien. Die deutsch-polnische Grenzregion auf Karten des 19. Jahrhunderts, in: Dipper/Schneider : Kartenwelten, S. 178. 3 Grindel: Deutscher Sonderweg oder europäischer Erinnerungsort, S. 699.
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Zwischen Kolonialromantik und globalhistorischer Perspektive
6.1. Die Vielfalt europäischer Geschichtsatlanten Die Notwendigkeit, die Mehrschichtigkeit des Mediums Geschichtskarte in den Blick zu nehmen, hat sich in der vorliegenden Untersuchung bestätigt, die neben inhaltlichen Auswahlkriterien die Bedeutung von Auswahlprozessen, die innere Grammatik der Geschichtskarte als komplexe Visualisierungsform als auch multimodale Ansätze zur Analyse in medialen Kontexten einbezieht. Diese Aspekte machen es möglich, den Geschichtsatlas als Gesamtkompositionen bzw. als Medienträger in den Fokus zu nehmen. Der Vergleich von Entstehungskontexten und didaktischen bzw. allgemein bildenden Anwendungsfeldern europäischer Geschichtsatlanten belegt eine enorme Vielfalt innerhalb Europas. Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion, wie u. a. staatliche Zulassungsverfahren, curriculare Vorgaben, Verlagsinteressen oder methodische Ansätze zur Kartenarbeit konnten anhand von Länderbeispielen näher beleuchtet werden. Der europäische Vergleich zeigt eine ganze Reihe von länderspezifischen Besonderheiten, die von der Entwicklung nationaler Curricula über langjährige Verlagstraditionen und europaweite Vernetzungen bis hin zu vielfältigen Aspekten der Vergangenheitsvergegenwärtigungskultur reichen. Die Analysen und zielgruppenspezifischen bzw. raumdimensionalen Klassifikationen europäischer Geschichtsatlanten zeigen eine deutliche Unterteilung in Schulgeschichtsatlanten und allgemeine Geschichtsatlanten. Schulgeschichtsatlanten unterscheiden sich innerhalb Europas konzeptionell voneinander, sodass jahrgangs- bzw. schulformübergreifend Produktionen vor allem in Westeuropa und jahrgangs- bzw. schulformspezifische Atlantenwerke häufiger in Ländern Ost- und Ostmitteleuropas Anwendung finden. Ferner kann eine »Bedeutungskluft«4 zwischen der Verwendung von Schulgeschichtsatlanten in West- und Ost- bzw. Ostmitteleuropa, sowie ein allgemeiner Bedeutungsverlust von Schulgeschichtsatlanten (vor allem in Westeuropa) im Vergleich zu Geschichtslehrbüchern und geographischen Atlanten bestätigt werden. Neben Schulgeschichtsatlanten werden vor allem für Westeuropa viele Geschichtsatlanten produziert, die nicht ausschließlich für den Einsatz in Vermittlungskontexten konzipiert sind. Dabei sind populärwissenschaftliche Kartenwerke deutlich von Produktionen mit hohem wissenschaftlichen Standards abzugrenzen. Auch die Untersuchung multimodaler Strukturen europäischer Geschichtsatlanten fördert markante Unterscheidungsmerkmale von Schulgeschichtsatlanten und Produktionen für allgemein bildende Anwendungsfelder zutage. So grenzen sich Schulgeschichtsatlanten neben einem deutlich höheren Anteil von
4 Kamusella: School History Atlases, S. 123 f.
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Die Vielfalt europäischer Geschichtsatlanten
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reinen Kartendarstellungen durch einen geringeren Anteil an Fließtexten und Bildern bzw. bildhaften Elementen von allgemeinen Produktionen ab. Dennoch sind Bildquellen vor allem in britischen, polnischen und russischen Geschichtsatlanten zu finden, während sogenannte »Illusionsbilder« bzw. sonstige Grafiken auch in deutschen, kroatischen, tschechischen und ungarischen Kartenwerken in signifikantem Umfang verwendet werden. Zwar sind hier keine eindeutigen Verwendungsmuster oder -traditionen nachweisbar, doch kann, abgesehen von Deutschland und Großbritannien, von einer größeren Affinität ost- und ostmitteleuropäischer Geschichtsatlanten zur Verwendung bildhafter Darstellungen ausgegangen werden. Insbesondere für jahrgangsspezifische Schulgeschichtsatlanten werden grafische Umsetzungen von historischen Bildern und die aus geschichtsdidaktischer Perspektive kritisch zu hinterfragenden »Illusionsbilder« verhältnismäßig häufig zur Visualisierung historischer Ereignisse und Prozesse genutzt. Über die Ursachen dieser Gestaltungspraxis kann nur spekuliert werden, sodass neben pragmatischen Erwägungen, wie beispielsweise der Vermeidung hoher Kosten bei bildrechtlichen Fragen, auch Aspekte der didaktischen Reduktion mitgedacht werden müssen. Neben der Vielfalt bildhafter Elemente und der Feststellung, dass Kartensequenzen als bedeutende Gliederungsprinzipien in europäischen Geschichtsatlanten genutzt werden (diachrone-, synchrone- und thematisch-räumliche Kartensequenzen), ist auch das Verhältnis von Text und Karte zwischen Komplementarität und Inkongruenz zu verorten. Während der Text sowohl als allgemeine Epochen- bzw. Personencharakteristik oder wahlweise auch als Erläuterung zum Kartenbild Anwendung findet, kann die Geschichtskarte, vor allem in populärwissenschaftlichen Produktionen, auch zu einem bloßen Lokalisationsmedium für die im Text genannten Orte und Räume degradiert werden. Ferner ergibt die raumdimensionale Klassifikation europäischer Geschichtsatlanten eine deutliche Zweiteilung in die Geschichte der eigenen Nation und jene der übrigen Welt. Während für einen Großteil westeuropäischer Geschichtsatlanten ein vergleichbarer Raumbezug erkennbar ist, wodurch die eigene Geschichte verstärkt als Teil einer europäischen wahrgenommen wird, so ist für die Staaten Ostmittel- bzw. Osteuropas kein solch monolithisches Bild erkennbar. Neben nationalen Schwerpunksetzungen, die wie in Polen, Kroatien oder Ungarn durch einen signifikant hohen Anteil von Karten zur Geschichte der eigenen Nation geprägt sind, dominiert beispielsweise in Ländern wie der Tschechischen Republik oder Bulgarien vielmehr ein mit westeuropäischen Geschichtsatlanten vergleichbarer europäischer Raumbezug. Auch wenn in den meisten Geschichtsatlanten Europas Weltkarten verwendet werden, so zeigen entsprechende Frequenzanalysen im europäischen Vergleich doch aber einen
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Zwischen Kolonialromantik und globalhistorischer Perspektive
deutlichen Vorrang europäischer- und nationaler Perspektiven gegenüber weltgeschichtlichen Bezügen.
6.2. Konventionalisierte Themen in europäischen Geschichtsatlanten Die Thematisierung des Kolonialismus in europäischen Geschichtsatlanten folgt im Kern den raumgreifenden Mustern der europäischen Expansion entlang des Dreischritts Entdecken, Erobern und Aufteilen. Folgende zentrale Darstellungstypen haben sich als konventionalsierte Muster fast durchgängig im Weltkartenformat herauskristallisiert und sind aus europäischen Geschichtsaltanten kaum mehr wegzudenken. Geschichtskarten zur Darstellung von Entdeckungsfahrten wählen beispielsweise ein personalisierendes Darstellungsmuster, sodass die Geschichte individueller Leistungen im Vordergrund steht und eine entsprechend positive Bewertung erfährt. Gerade die Kartierung frühneuzeitlicher geographischer Entdeckungen kontrastiert in ihrem positiv vermittelten Raum- und Geschichtsbild aktuelle Forschungsbeiträge. Durch die Präsentation heldenhafter Entdecker, die den Gefahren der Weltmeere trotzen, oder durch eine gemeinsame Darstellung von Entdeckungsfahrten mit großen Erfindungen der Menschheit wird ein positiv verklärtes Bild des beginnenden kolonialen Zeitalters transportiert, das im Kern als eines von Individuen getragenen europäischen Fortschrittsgeistes interpretiert werden kann. Besonders Geschichtskarten, die eine Etablierung kolonialer Strukturen vom 17. bis 19. Jahrhundert thematisieren und die Inbesitznahme der Welt unter nordwesteuropäischer Dominanz darstellen, sind von kolonialen Darstellungstraditionen beeinflusst. Neben einer teils konventionalisierten Farbgebung und der Darstellung vermeintlich leerer Räume sind beispielsweise auch einige Projektionsformen als Relikte kolonialer Denkmuster anzusehen, die in Geschichtskarten bis heute überdauern. Das Bild von leeren und unberührten Räumen, die gerade dazu einladen, von Europäern besiedelt und urbar gemacht zu werden, bleibt weitgehend Bestandteil des Repertoires europäischer Geschichtsatlanten. Gerade Geschichtskarten zur Darstellung des imperialen Zeitalters und der damit verbundenen Aufteilung der Welt unter den europäischen Kolonialmächten machen die Brisanz kartierter Grenzen deutlich und lassen Kolonialstaaten mit einer einheitlichen Flächenfärbung als monolithische Gebilde erscheinen. Die Suggestion einer vollständigen Kontrolle außereuropäischer Staaten, die um ein Vielfaches größer sind als die europäischen Machtzentren, wird so noch immer durch das Kartenbild vermittelt. Lediglich eine multimo-
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Thematische und kartenmethodische Schnittflächen
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dale Umgebung kartierter Geschichte, die auf eine Kontextualisierung und Relativierung des Dargestellten abzielt, kann zur Überwindung dieses kartenmethodischen Problems beitragen. Den drei zentralen Darstellungsschwerpunkten kann allerdings auch eine Vielzahl von ergänzenden Detailkarten zugeordnet werden, sodass beispielweise die Aufteilung der Welt auch anhand von Afrika-Karten fokussiert wird. Ferner finden sich neben weiteren zentralen Darstellungstypen, die sich vor allem an inhaltlichen Schwerpunktsetzungen orientieren (Darstellung einzelner Kolonialreiche, Geschichte der europäischen Fernmigration, Etablierung des Welthandels, Geschichte des Sklavenhandels), auch Themen jenseits konventionalisierter Darstellungsmuster, wie beispielsweise Aspekte virtueller Geschichte (z. B. napoleonischen Pläne für ein karibisches Reich5) oder nationale Besonderheiten bzw. Darstellungstraditionen (z. B. Bedeutende russische Expeditionen des 19. Jahrhunderts6).
6.3. Thematische und kartenmethodische Schnittflächen Die Geschichtskartographie liefert den formalen Aspekt fixierter Kommunikation des Mediums Geschichtskarte, wodurch Kartenzeichen, Kartenschrift, Farben etc. als formale Gestaltungsaspekte unweigerlich zu zentralen Untersuchungsschwerpunkten avancieren. Entlang thematischer Schwerpunktsetzungen wird deutlich, dass die kartographischen »Urbestandteile«7 Punkt, Signatur, Linie und Fläche in ihrer Variabilität enormen Einfluss auf vermittelte Raumund Geschichtsbilder haben. Die Betrachtung von Schnittflächen der thematischen und kartenmethodischen Aussageweisen erweist sich als äußerst ergiebig. Schließlich ist das »Medium die Botschaft« und folglich sind die formalen Möglichkeiten der Darstellung leitend für die Gestaltung spezifischer Aussageweisen bzw. das Entstehen konventionalisierter Muster. Am Beispiel der Kartierung frühneuzeitlicher Entdecker und Eroberer wird deutlich, welche Variationsbreite allein in einer Linie stecken kann und wie leicht Kartennarrationen dadurch beeinflusst werden können. Durch Kartenzeichen, die mit einer Vielzahl von Informationen aufgeladen sind, werden nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aussagen zur Geschichte darstellbar. So können Entdeckungsfahrten wahlweise als romantische Karibikkreuzfahrten oder als heldenhafte Abenteuer auf hoher See 5 Kinder/Hilgemann: dtv-Atlas Weltgeschichte 2010, S. 308. 6 Kolpakov, Sergej V./Ponomarev, Michail V.: Atlas Istorija Rossii XIX veka – 8 klass. Moskau 2007, S. 28 f. 7 Ogrissek: Die Karte als Hilfsmittel, S. 46.
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kartiert werden. Es verwundert auch nicht, dass die Darstellung des Nichtdarstellbaren, wie etwa der Tod des Magellans im Jahre 1521, kartographisch sehr unterschiedlich umgesetzt wird. Hier zeigt sich, dass nicht nur der Eindruck von Unmittelbarkeit durch bildhafte Kartenzeichen, sondern auch eine neutralere Positionierung durch symbolhaft-abstrakte Kartenzeichen vermittelt werden kann. Ferner wird am Beispiel von Darstellungen zu den Entdeckungsfahrten des Kolumbus deutlich, inwieweit die Kombination und Auswahl von Kartenzeichen unterschiedlichen Typs entsprechend einem bestimmten Komplexitätsgrad und einer angestrebten inhaltlichen Dichte erfolgen. Bildhaft-konkrete Kartenzeichen werden daher im Rahmen didaktischer Reduktionsprozesse vergleichsweise häufig in Geschichtsatlanten verwendet, die für den Einsatz in der Primarstufe vorgesehen sind. Wesentlich seltener finden sich Darstellungen in Schulgeschichtsatlanten, die für die Sekundarstufe konzipiert wurden. Zwar erscheinen in nur wenigen europäischen Ländern überhaupt Schulgeschichtsatlanten speziell für die Primarstufe, doch kann für jene polnischen und russischen Produktionen eine gewisse Affinität zur Verwendung von bildhaftensymbolischen Kartenzeichen festgestellt werden. Obwohl Kartenzeichen gerade in Schulgeschichtsatlanten als Ausdruck didaktischer Reduktionsprozesse zu bewerten sind, können bei deren Analyse intermediale Bezüge nicht unbeachtet bleiben. Schließlich zeigt das Beispiel der Sklavensignaturen deutlich, inwieweit sich Kartenautor/innen in der Gestaltung von Kartenzeichen durchaus an ihnen bekannten visuellen Mustern und Stereotypen bewusst oder unbewusst orientieren und somit koloniale Darstellungstraditionen, z. B. jene Vorstellung vom edlen Wilden oder vom unzivilisierten schwarzen Sklaven als Träger und Arbeiter, auch weiterhin transportieren. Einer solchen kolonialen Erfolgs- bzw. Opfergeschichte oder gar dem Transport rassistischer Stereotypen kann allerdings durch den Verzicht auf bildhafte Kartenzeichen und die zunehmende Verwendung von geometrisch-abstrakten Variationen entgegengewirkt werden. Nicht nur die semiotische Binnenstruktur von Geschichtskarten, sondern auch die Untersuchung multimodaler Elemente, in die sie eingebettet sind, zeigt die Wirkmächtigkeit von Bildern und bildhaften Elementen. Auch wenn beispielsweise im Kartenbild bewusst auf bildhafte Kartenzeichen verzichtet wird, so kann doch allein durch die Darstellung eines mit Schild und Speer bewaffneten fiktiven afrikanischen Kriegers das Bild des edlen Wilden weiterhin vermittelt werden. Eben jene modale Orchestrierung in Geschichtsatlanten, also die Auswahl, Anordnung und Präsentation von Karten, Bildern, bildhaften Elementen, Statistiken etc., kann die historische Aussage somit nachhaltig beeinflussen. Auch die Darstellung afrikanischer Staaten und Reiche zeigt deutlich, dass allein die Entscheidung, eine Linie im Kartenbild gestrichelt oder nicht-gestri-
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Postkoloniale Weiterungen und globalgeschichtliche Aspekte
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chelt einzuzeichnen, die Qualität einer Grenzdarstellung massiv verändert. Schließlich wird dem Betrachter mit wenigen Pinselstrichen bzw. Mausklicks eine durchlässige oder eine hermetische, eine unscheinbare oder gar eine bedrohliche Grenze suggeriert. Vor diesem Hintergrund sind kartierte Räume vor allem als soziale bzw. kulturelle Konstrukte zu betrachten, deren Verbindung zu naturräumlichen Gegebenheiten hinterfragt werden muss. Trotz der Verwendung von Schraffuren, der Variation von Flächen- und Randfärbungen, transparenten Flächenfarben, Beschriftungen etc. hat die Geschichtskartographie doch kein Patentrezept für die Darstellung von Grenzen und deren Wandlungsprozesse gefunden. Insbesondere die Kartierung von Überlappungs- bzw. Einflusszonen und sozio-kulturelle Vermischungen8 und deren Veränderungen im Wandel der Zeit sind noch immer besondere geschichts-kartographische Herausforderungen. Neben kartenmethodischen Fragen, wie der Verwendung von Kartenzeichen, Farben etc., konnte aber auch auf die bisher nur sehr selten gestellte Frage nach der Verwendung und Wirkung von Projektionsformen Bezug genommen werden. So wird am Beispiel des Kolonialismus deutlich, dass durch die Verwendung von Mercator-Projektionen koloniale Darstellungsmuster noch immer in aktuellen Geschichtsatlanten transportiert werden. Auch wenn die Frage nach der Wahl des Kartennetzentwurfes gerade in der Geschichtskartographie bisher deutlich unterschätzt wurde, so kann eben jene Entscheidung Ausdruck der Persistenz eines kolonialen Blicks auf die Welt oder gar Produkt bewusster Visualisierungsabsichten sein.
6.4. Postkoloniale Weiterungen und globalgeschichtliche Aspekte Die Darstellung des Kolonialismus in Geschichtskarten europäischer Geschichtsatlanten kann nicht als monolithisch bezeichnet werden, sodass markante Unterscheidungen zwischen ehemaligen Kolonialmächten und Staaten ohne koloniales Engagement nicht eindeutig fassbar sind. Wie das Beispiel der Farbverwendung zeigt, werden koloniale Darstellungsmuster über die Grenzen ehemaliger Kolonialmächte hinaus transportiert, sodass aktuelle europäische Geschichtskarten nicht nur als Informationsspeicher oder zur Veranschaulichung, sondern auch als Transportmedien kolonialer Raum- und Geschichtsbilder mit entsprechender ideologischer Färbung hinterfragt werden müssen. Dennoch differiert der europäische Blick auf die Welt entsprechend der eigenen nationalen Beteiligung an der globalen Geschichte des Kolonialismus. Zwar kann hier nicht von einem gemeinsamen europäischen Raum- und Ge8 Speitkamp: Geschichte im Raum, S. 189.
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Zwischen Kolonialromantik und globalhistorischer Perspektive
schichtsbild gesprochen werden, doch finden sich beispielsweise hinsichtlich der nordamerikanischen Frontier und der damit verbundenen Westexpansion doch deutlich mehr gemeinsame Darstellungsmuster in europäischen Geschichtsatlanten als bei der Darstellung des »Scramble for Africa«, an dem eine Vielzahl europäischer Kolonialmächte mit unterschiedlichen Interessen beteiligt waren. Während belgische Geschichtsatlanten beispielsweise die Geschichte des Kongo deutlich umfangreicher thematisieren als Geschichtsatlanten aus Ostmitteleuropa, so würdigen russische Geschichtsatlanten eher die eigens russische Entdeckung der Welt im 19. Jahrhundert intensiver als Geschichtsatlanten westeuropäischer Couleur. Es sind aber nicht nur die unterschiedlichen Erinnerungen an die eigene und fremde koloniale Vergangenheit zu berücksichtigen, sondern auch die mehr oder weniger intensive aktuelle Auseinandersetzung mit ihr, in Form von postkolonialen und globalgeschichtlichen Betrachtungen, als bedeutende Einflussfaktoren der Geschichtsatlantenproduktion zu fokussieren. Der eurozentrische Blick auf die Welt unterstellt eine »Ausbreitung europäischer und ›westlicher‹ Errungenschaften – des Kapitalismus, politisch-militärischer Macht, von Kultur und Institutionen […] so daß die einzig denkbare Zukunft der Welt in ihrer fortschreitenden Verwestlichung zu bestehen scheint«9. Modernisierung und Fortschritt werden demnach nur als Transferprozesse aus den europäischen Metropolen in die koloniale Peripherie denkbar. »Auf diese Weise wird die Komplexität der Moderne am Rand der kapitalistischen Welt (und auch ihre Verflechtungen mit der europäischen Moderne) ignoriert und statt dessen eine universale Transformation traditionaler Kulturen durch den ,westlichen’ Fortschritt konstatiert.«10 Dass auch Geschichtskarten einen Beitrag zur Überwindung dieser eurozentrischen Vorstellungen leisten können, belegen u. a. Beispiele aus aktuellen britischen und französischen Geschichtsatlanten. Im Angesicht postkolonialer Theorien11 und einer zunehmend globalisierten Welt wirkt die bereits von Dipesh Chakrabarty geforderte »Provinzialisierung Europas«12 auch auf die Darstellung von Geschichte im Kartenbild. Bestehende konventionalisierte Raumperspektiven werden hier durch neue thematische Aspekte, ein verändertes Farb- und Zeichenrepertoire sowie durch die Verwendung von modernen Projektionsformen beeinflusst.
9 10 11 12
Conrad/Randeria: Einleitung – Geteilte Geschichte, S. 12. Ebenda, S.13. Vgl. Kapitel 2.2. Chakrabarty : Europa provinzialisieren, S. 283 ff.
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Postkoloniale Weiterungen und globalgeschichtliche Aspekte
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Postkolonialer Einfluss auf die Auswahl von Themen und Inhalten Vor allem in Frankreich und mehr noch in Großbritannien gelingt die Verquickung eines intensiven postkolonialen Diskurses und einer kritischen Auseinandersetzung mit kartographischen Darstellungen, sodass kartenmethodische Beiträge und Geschichtsatlanten durchaus aus einer Feder kommen können. Dekonstruktivistische Positionierungen und entsprechend veränderte Darstellungsformen finden so deutlichen Eingang in die aktuelle Geschichtsatlantenproduktion, während die Vermittlung von kolonialromantischen Stereotypen vielmehr einigen wenigen populärwissenschaftlichen Atlaswerken überlassen bleibt und weder für einzelne Länder noch für einen gesamteuropäischen Blick auf die Welt repräsentativ ist. Der World History Atlas von Jeremy Black13 kann auf dem Weg zur Überwindung eurozentrischer Perspektiven im Kartenbild als innovativ beschrieben werden, denn er betont bewusst globalgeschichtliche Aspekte. Neben einer polzentrierten Geschichtskarte zum spanischen Kolonialreich erscheint hier beispielsweise auf der gleichen Doppelseite auch eine Karte zum biological Exchange, sodass der Kolonialismus als ein globaler Interaktionsprozess betrachtet werden kann und nicht ausschließlich das Agieren von Opfern und Tätern im Vordergrund steht. Neben der Kartierung vorkolonialer Strukturen und kolonialer Konflikte bzw. Aufstände gegen die koloniale Herrschaft, sind beispielsweise in Richard Overys »The Times complete history of the world«14 sogar konkrete Vorschläge zur Generierung eines multiperspektivischen Blicks auf Geschichte auszumachen. Aus der vermeintlichen Perspektive »of Polynesian navigators before c. 1550« oder aus dem angenommenen »Islamic knowledge of the world by c. 1500«15 werden hier Geschichtskarten präsentiert. Doch auch wenn es sich hier um einen bemerkenswerten Versuch handelt, kartierte Geschichte multiperspektivisch aufzubereiten, so handelt es sich dabei doch vornehmlich um eine von europäischen Vorstellungen geprägte, zeitgenössische Rekonstruktion von Raumperspektiven.
Ein verändertes Farb- und Zeichenrepertoire Die Farbgebung in europäischen Geschichtsatlanten folgt Konventionen und weist dabei Kontinuitäten auf, doch kann von einem gemeinsamen europäischen 13 Black: World History Atlas. 14 Overy, Richard: The Times complete history of the world. London 2010, S. 170 f. 15 Ebenda, S. 170 f.
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Muster der Farbverwendung keineswegs gesprochen werden. Dass die Farbgebung ein wirkmächtiger und nachhaltiger Einflussfaktor im Hinblick auf den Transport von Raum- und Geschichtsbildern sein kann, wird nicht zuletzt am Beispiel der Kartierung des Britischen Empires und dem oft zitierten Ausspruch Cecile Rhodes »to paint the whole Map of Africa red«16 deutlich. Im Rahmen kolonialer Darstellungsmuster ist die Farbe Rot nicht nur zu einem Symbol des Britischen Empires geworden, sondern auch aktuelle Geschichtskarten europäischer Geschichtsatlanten greifen noch immer diese Farbgebung auf und präsentieren sowohl Großbritannien als auch das Britische Empire in einem leuchtenden Rot. Die Vermeidung dieses Empire-Rot oder zumindest die Beschränkung auf Darstellungen zur Geschichte des Empires in britischen Geschichtsatlanten resultiert dagegen aus einer bewussten Vermeidung negativer Konnotationen und einem entsprechend reflektierten Verständniss in Bezug auf die erinnerungskulturelle Auseinandersetzung im Rahmen eines postkolonialen Diskurses. Ferner wirken aber auch die Veränderungen im Kartenzeichenrepertoire gegen die Vorstellung von der »Entstehung der modernen Welt als Ausbreitung und Diffusion europäischer Errungenschaften«17 und können dem weiteren Transport kolonialer Stereotypen entgegenwirken.
Projektionsformen und globalhistorische Perspektiven Die Untersuchung von Projektionsformen hat in der Geschichtskartographie bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Durch die Betrachtung von Geschichte als ein »Ensemble von Verflechtungen«18 im Zuge einer globalhistorischen Perspektive rückt die Frage nach der Wahl von Projektionsformen, Zentrierungen und Raumausschnitten immer mehr in den Fokus. So kann beispielsweise die Mercatorprojektion in aktuellen europäischen Geschichtsatlanten als »an important icon of Western superiority«19 beschrieben werden, denn gerade die nördliche Hemisphäre wird hier zuungunsten der südlichen deutlich vergrößert dargestellt, sodass die Bedeutung des Südens auch in aktuellen Geschichtskarten durchaus marginalisiert wird. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnte dem Kartenbetrachter so die Dominanz europäischer Mächte allein durch deren maßstäblich verzerrte und somit vergrößerte Darstellung im Kartenbild deutlich gemacht werden. Doch wird jene Projektionsform in aktuellen Geschichtskarten als Relikt kolonialer Imaginationen, viel16 Zitiert bei Mylam, Paul: The cult of Rhodes – remembering an imperialist in Africa. Claremont 2005, S. 95. 17 Conrad/Randeria: Einleitung – Geteilte Geschichte, S. 15. 18 Ebenda, S. 17. 19 Wood/Kaiser/Abramms: Seeing through Maps, S. 7.
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Postkoloniale Weiterungen und globalgeschichtliche Aspekte
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mehr zu einem Erinnerungsort des Kolonialismus. Während einige europäische Geschichtsatlanten jene Mercatorprojektion als generellen Kartennetzentwurf für Weltkarten bis heute schlicht übernehmen, so ist doch vor allem das bewusste Überwinden dieser kolonialen Darstellungstradition europaweit zu beobachten. Die flächentreue Peters-Projektion kann gerade in Bezug auf die Kartierung des Nord-Süd-Konfliktes durchaus als revolutionäre Alternative zur Mercator-Projektion betrachtet werden, doch wird auch hier eine Positionierung vorgenommen, die den Blick auf die Geschichte des Kolonialismus nachhaltig beeinflusst. Projektionsformen können je nach Darstellungsabsicht variieren, sodass die Entdeckungsfahrten beispielsweise auf der nördlichen Hemisphäre mittels Mercatorprojektion dargestellt werden, das Kolonialreich der Spanier mittels polständiger Projektion und die Aufteilung der Welt im Zeitalter des Imperialismus mittels Robinson-Projektion Realisierung findet. In Anbetracht der Konstruktivität historischer Darstellungen und der Verschmelzung unterschiedlicher Zeitebenen im Kartenbild zeigt sich, dass allein die Entscheidung für einen bestimmten Kartennetzentwurf, zusammen mit Fragen der Zentrierung und der Wahl des Kartenausschnittes, Ausdruck eines kritischen Verständnisses von Raum und Räumlichkeit sein kann. Aktuelle europäische Geschichtskarten nutzen seit einigen Jahren vermehrt vermittelnde Kartennetzentwürfe zur raumbezogenen Darstellung von Geschichte, wie beispielsweise die Winkel-Tripel-Projektion. Doch auch moderne Projektionsformen sowie aktuelle Entwicklungen und Tendenzen im Bereich von Layout, Design und Ästhetik können nicht darüber hinwegtäuschen, dass jede Karte Ergebnis eines standtortbezogenen Raum- und Geschichtsbildes ist.
Weltkarten und global history Auch wenn Weltkarten mit vermittelnden Projektionsformen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass tatsächliche räumliche Ausmaße in ihrer globalen Dimension durch Betrachter/innen erfasst werden können und maßstäbliche Verzerrungen nur noch begrenzt Einfluss auf Raumbilder nehmen können, so wird der europazentrierte Blick auf die Welt dadurch aber nicht zwangsläufig überwunden und kartierte Geschichte im Weltkartenformat wird nicht automatisch zu einem Beitrag zur global history. Erst wenn »Interaktionsgeschichte innerhalb weltumspannender Systeme«20 in den Mittelpunkt kartographischer Darstellungen gerückt wird, kann von einem globalgeschichtlichen Darstellungsinteresse gesprochen werden. So zeigt beispielsweise die Untersuchung zur 20 Osterhammel: Weltgeschichte, S. 460.
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Darstellung globaler Migrationsbewegungen (Weltkarten), dass die Mehrheit aktueller Geschichtsatlanten die europäische Fernmigration im 19. Jahrhundert isoliert betrachtet und weniger in einen globalen Migrationsprozess einbettet. Gerade Weltkarten jenseits der Mercatorprojektion können allerdings dazu beitragen, die oftmals in eine »Geschichte der Großmächtediplomatie in Europa« und eine »Geschichte der imperialen Expansion«21 getrennte Betrachtung des 19. Jahrhunderts in ihrer Komplexität und Verwobenheit zusammen zu führen. So spricht sich Susanne Popp deutlich für den Einsatz von Geschichtskarten im Weltmaßstab aus und betont deren Bedeutung für den »Aufbau von globalen Makroperspektiven im Unterricht«22. Dennoch bleibt zu hinterfragen, inwieweit bei der Kartierung von einzelnen Kontinenten Teilräume zu Aktionsräumen erhoben werden und transnationale oder gar transkontinentale Verbindungen an den Kartenrand gedrängt werden bzw. sogar gänzlich in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Die Kartierung von globalgeschichtlichen Perspektiven kollidiert gerade in Schulgeschichtsatlanten mit dem allgemeinen didaktischen Gliederungsprinzip »vom Nahen zum Fernen«23, sodass erst jene dahinter verborgenen Containervorstellungen des Räumlichen überwunden werden müssen, um die Bedeutung von Territorialgrenzen zu relativieren und Translokalität, Interaktionsräume und Netzwerke in den Fokus nehmen zu können.
Modale Orchestrierung von Geschichtsatlanten Eine Verbindung unterschiedlicher Raumebenen, also von lokalen, regionalen, nationalen und globalen Fragestellungen, ist lediglich durch ein mediales Zusammenspiel von unterschiedlichen Geschichtskarten mit differierenden Raumbezügen und anderen Medien herzustellen. Moderne Geschichtsatlanten bieten diese Möglichkeiten durch ihre modale Orchestrierung, doch sinnstiftende Bezüge sind im Spannungsfeld von globaler und lokaler Ebene bzw. zwischen Mikro- und Makrogeschichte letztlich nur durch Kartennutzer/innen selbst herstellbar. Der Text wirkt hier kontextualisierend und präzisierend, als Bindeglied zwischen vermeintlich isolierten Geschichtskarten unterschiedlichen Maßstabs, Bildern, bildhaften Elementen, Statistiken, Zeitleisten und sonstigen grafischen Bestandteilen.
21 Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S. 570. 22 Popp: Antworten auf die neue Herausforderung, S. 504. 23 Vgl. Kapitel 5.3.
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Ausblick und zukünftige Herausforderungen
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6.5. Ausblick und zukünftige Herausforderungen Neben der Objektivierung des Nichtobjektivierbaren und der damit einhergehenden allgemeinen »visuelle[n] (Überzeugungs-)Kraft«24 von Karten ist davon auszugehen, dass sie im Angesicht dekonstruktivistischer Positionierungen über ihren Status als neutrale Repräsentationen räumlicher Verhältnisse hinaus betrachtet werden müssen. Geschichtskarten sind vielmehr massiv an der Vermittlung von Raum- und Geschichtsbildern beteiligt, sodass sie »imaginäre räumliche Denkmuster«25 und individuelle mental maps von Kartennutzer/ innen nachhaltig beeinflussen. Kartenautor/innen bzw. Kartenredaktionen wird in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung beizumessen sein, denn schließlich sind sie es, die über Fragen der inhaltlichen, räumlichen und zeitlichen Auswahl des Darzustellenden entscheiden und beispielsweise Kartennetzentwürfe, Farbgebung und die Verwendung von Kartenzeichen bestimmen. Auch wenn der Blick in aktuelle Redaktionsprozesse nur selten gelingt und »zeitliche, soziale, politische und kulturelle Kontexte«26 oft nur schwer fassbar sind, greift eine Medienanalyse im Sinne eines synchronen produktorientierten Vorgehens bereits jene Auswahlprozesse auf und bietet so Anknüpfungspunkte an postkoloniale und globalhistorische Theorien. Die Darstellung des Kolonialismus folgt in europäischen Geschichtskarten nicht einem einheitlichen Muster, ist aber von einem Grundrepertoire an gemeinsamen Schwerpunktsetzungen durchzogen. Geschichtskarten sind vielschichtige Medien der Darstellung zur Geschichte, die nicht zuletzt durch ihre modale Orchestrierung Raum- und Geschichtsbilder transportieren und nachhaltig beeinflussen. Dadurch bietet die Geschichtskartographie eine ganze Reihe an Möglichkeiten zur Verortung paralleler Kolonialgeschichten im globalen Maßstab. Doch bedarf es in Zukunft einer weitergehenden Nutzung dieses kartographischen Potentials, damit globale Strukturen und Verflechtungen als weltumspannende Systeme zu Schwerpunkten erhoben werden können, ohne dabei auf die Wechselwirkungen zwischen Lokalität und Globalität verzichten zu müssen. Kartierte Kolonialgeschichten, die globalgeschichtliche Aspekte fokussieren, können einen wichtigen Beitrag zur Überwindung eines europazentrierten Blicks auf die Welt leisten. Ferner sind Geschichtskarten nicht nur bedeutende Hilfsmittel zur Etablierung historischer Makrostrukturen, sondern sie dienen 24 Grindel: Deutscher Sonderweg oder europäischer Erinnerungsort, S. 699. 25 Struck, Bernhard: Farben, Sprachen, Territorien. Die deutsch-polnische Grenzregion auf Karten des 19. Jahrhunderts, in: Dipper/Schneider : Kartenwelten, S. 178. 26 Struck: Farben, Sprachen, Territorien, S. 178.
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auch der Herausbildung eines global orientierten Geschichtsbewusstseins.27 Doch diese Funktion können sie nur erfüllen, wenn curriculare Vorgaben angepasst werden und ein nationalhistorisches Kerncurriculum für globalgeschichtliche Themenfelder weitgehend geöffnet wird. Eine Medienanalyse im Sinne eines hier angelegten synchronen produktorientierten Vorgehens kann allerdings, wenn auch einen zentralen, doch aber nur einen Teil der komplexen Medienanalyse ausmachen, sodass vor allem die konkrete Anwendungsebene von Geschichtskarten und Geschichtsatlanten im Geschichtsunterricht europäischer Länder als Forschungsdesiderat zurückbleiben muss. Dennoch sei die Bedeutung transnationaler Analysen hervorgehoben, da nur so der Stand einer vielfältigen Bildungslandschaft in Europa überhaupt erhoben und konkretisiert werden kann. Für die Produktion zukünftiger Geschichtsatlanten und Schulgeschichtsbücher kann aufgrund der hier vorgelegten Ergebnisse festgestellt werden, dass das mediale Zusammenspiel von Geschichtskarten und anderen Medien innerhalb eines Medienverbundes von enormer Relevanz für die Vermittlung von Raumund Geschichtsbildern ist. Somit muss die Bedeutung von Geschichtskarten als Analysemedien für den Geschichtsunterricht betont werden, sodass auch curriculare Verbindlichkeiten hinsichtlich der Herausbildung und Schulung von Kartenkompetenz überdacht werden sollten.28 Schließlich betont diese Arbeit, auch über ihren medienanalytischen Schwerpunkt hinaus, die exponierte Position von Kartennutzer/innen hinsichtlich der Dekodierung multimodaler Zeichensysteme und mehrschichtiger Sinnebenen. Im Angesicht eines veränderten Verständnisses von Zeit und Raum, »als grundkategoriale Dimensionen historischen Denkens«29, ist auch die bisherige Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht bzgl. der Arbeit mit Geschichtskarten neu zu überdenken. Vadim Oswalt beschreibt beispielsweise, dass in Lehr- und Bildungsplänen bzw. Bildungsstandards »Raum […] als basales Prinzip der Ein- und Zuordnung verstanden [wird]«30. Die Arbeit mit Karten wird so zu einem bloßen Dienstleister für Lokalisationsprozesse degradiert. Aber auch wenn das Interpretieren und Beurteilen von »thematischen Darstellungen auf Karten«31 in Niedersachsen beispielsweise bis zum Ende von Schuljahrgang 10 beherrscht werden soll, so greift selbst diese Vorstellung von 27 Vgl. Popp: Antworten auf die neue Herausforderung, S. 504; Vgl. Popp: Ein ›global orientiertes Geschichtsbewusstsein‹ als zukünftige Herausforderung der Geschichtsdidaktik, S. 3. 28 Vgl. Sauer, Michael: Kompetenzen konkret. Kartenarbeit als Beispiel für einen Kompetenzbaustein, in: Geschichte, Politik und Didaktik 34 (2006), S. 36 ff. 29 Oswalt: Raum und historisches Lernen, S. 199. 30 Ebenda, S. 204. 31 Niedersächsisches Kultusministerium: Geschichte – Kerncurriculum für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5 – 10. Hannover 2008, S. 25.
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Ausblick und zukünftige Herausforderungen
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Kartenkompetenz deutlich zu kurz. Gerade durch die prinzipielle Abwesenheit des historischen Raumes muss darüber hinaus nach der narrativen Kompetenz von Kartennutzer/innen gefragt werden. Historische Sinnbildung erfolgt schließlich nur dann, wenn Zeit und Raum miteinander in Beziehung gesetzt werden. »Erzählungen bilden Verläufe an Schauplätzen in Mikro- wie Makrobezügen«.32 In Anbetracht der seit Jahrzehnten zurückgehenden Absatzzahlen von Schulgeschichtsatlanten in Deutschland gilt es nach neuen Wegen zu suchen, wie das Potential von Geschichtskarten in Vermittlungsprozessen optimaler und flexibler genutzt werden kann. So bietet beispielsweise das Konzept jahrgangsbegleitender Themen- oder Begleithefte, die neben dem Schulgeschichtsbuch bisher beispielsweise in Polen und Russland genutzt werden, vielversprechende Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung für deutsche Geschichtsatlanten. Aber auch die bereits in Deutschland und Frankreich erschienenen Kombiatlanten können als fächerübergreifende und schulformspezifische Varianten weitergedacht werden. Im Hinblick auf die Produktion zukünftiger Schulgeschichtsatlanten und Geschichtslehrbücher sei darauf hingewiesen, dass Geschichtskarten nicht als bloße Designobjekte betrachtet werden können, sondern kartographische Gestaltungsaspekte mehr denn je einer umfangreichen didaktischen Reflektion bedürfen. Ferner sind es aber auch Tendenzen der digitalen Kartographie, die bereits Einzug in den deutschen Lehrmittelmarkt halten und schon heute vielfältige Angebote unterschiedlicher Verlage zutage gefördert haben. Gerade im Angesicht einer zunehmenden Medialisierung von Unterricht, der nicht zuletzt durch digitale Verlagsprodukte und die zunehmende Ausstattung von Klassenräumen mit interaktiven Whiteboards vorangetrieben wird, avanciert die digitale Geschichtskartographie zu einem nicht zu unterschätzenden didaktischen Forschungsfeld. Schließlich besteht hier sogar die Möglichkeit, dass der Geschichtsatlas, der in seiner analogen Form kaum mehr in deutschen Klassenzimmern Verwendung findet, als weiterentwickelte digitale Version eine Renaissance erlebt. Die Geschichtskarte könnte so im Geschichtsunterricht einen omnipräsenten Status erlangen oder zumindest als Medium des Geschichtsunterrichts einen deutlich höheren Stellenwert erhalten.
32 Oswalt: Raum und historisches Lernen, S. 216.
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Anhang
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Abb. 1: Schulgeschichtsatlanten in West- und Ost- bzw. Ostmitteleuropa (Länderauswahl).
Abb. 2: Raumdimensionale Klassifikation europäischer Geschichtsatlanten (N=364). Für eine länderspezifische Verteilung vgl. Anlage 2 – 3.
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Abb. 3: Mediengebrauch in europäischen Schulgeschichtsatlanten (N=278) und allgemeinen Geschichtsatlanten (N=86). Für eine länderspezifische Verteilung vgl. Anlage 4 – 5.
Abb. 4: Die Kartierung afrikanischer Staaten und Reiche in allgemeinen Geschichtsatlanten (N=86) und Schulgeschichtsatlanten (N=278).
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Abb. 5: Darstellungskontexte bei der Kartierung afrikanischer Staaten und Reiche in europäischen Geschichtsatlanten (N=79).
Abb. 6: »Afrika 1500 bis 1800«. Quelle: Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger: Historischer Weltatlas. Berlin 2001, S. 150.
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Abb. 7: »Die Entdeckung des ›Schwarzen Kontinents‹ – Afrika vom 15. bis 17. Jahrhundert« (Ausschnitt : oben) und »Erforschung eines unbekannten Kontinents – Afrika und die europäischen Kolonien vor 1884« (Ausschnitt unten). Quelle: Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte. Stuttgart 2011, S. 181 und 317.
Abb. 8: »African Kingdoms« (Ausschnitt). Quelle: DeMarco, Neil: The children’s atlas of world history. London 1997, S. 47.
Abb. 9: »L’ Africa nel XVII e nel XVIII sec.« (Ausschnitt). Quelle: Duby, Georges: Atlante storico – la storia del mondo in 335 carte. Turin 2000, S. 254.
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Abb. 10: »Afryka w XIX w. (do ok. 1870 r.)« (Ausschnitt). Quelle: Krycin´ski, Stanisław/Tazbir, Julia: Atlas historyczny – 1815 – 1939. Warschau 2000, S. 22.
Abb. 11: Die Verwendung von Detailkarten und Kartenfolgen bei der Kartierung von afrikanischen Staaten und Reichen (Anteil der Geschichtsatlanten in %, N=79).
Abb. 12: »Imperial Federation Map of the World: showing the extent of the British Empire in 1886« (Bodleian Library, Oxford). Quelle: The Norman B. Leventhal Map Center at the Boston Public Library – http://maps.bpl.org (Zugriff: 09. 12. 2011, 09:20 Uhr).
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Abb. 13: Farbgebung in europäischen Geschichtsatlanten mit Darstellungen zum Kolonialismus (Afrika- und Weltkarten) in Schulgeschichtsatlanten (N=182) und allgemeinen Atlanten (N=51).
Abb. 14: Die Farbgebung des Britischen Empires und der »Deutschen Schutzgebiete« in europäischen Geschichtsatlanten (Länderauswahl, Geschichtsatlanten mit Darstellungen zum Kolonialismus).
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Abb. 15: Das Britische Empire und der Rest der Welt. Neben dem Britischen Empire finden sich auch vergleichbare Darstellungen u. a. für das spanische, portugiesische oder das französische Kolonialreich; Vgl. Stamsø, May – Britt/Fowelin, Peter : Bonniers Historiska Atlas. Stockholm 2000, S. 54; Adam, Ingrid: bsv Geschichtsatlas. München 1992, S. 27; Bruckmüller, Ernst/ Hartmann, Peter Claus: Putzger: Historischer Weltatlas. Berlin 2011, S. 149; Fernndez, Esther – Carriûn Atlas Histûrico Ediciones. Madrid 2002, S. 86; Kanisˇki, Tomislav/Velagic´, Zoran/Samarzˇija, Zdenko: Povijesni atlas za 6. razred osnovne sˇkole. Zagreb 2006, S. 59; Duby : Atlas historique Mondial, S. 45. Quelle: Kinder, Hermann/Hilgemann, Werner : dtv-Atlas: Weltgeschichte, Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart (2. Bd.). München 2003, S. 380.
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Abb. 16: Rand- und Flächenfarben zur Darstellung des »Scramble for Africa«. Quelle: Aner, Ekkehard: Westermann – Großer Atlas zur Weltgeschichte. Braunschweig 2001, S. 173 (links); Pro Ruiz, Juan: Atlas Histûrico. Madrid 2005, S. 113 (rechts).
Abb. 17: Kartenfolgen zur »Aufteilung Afrikas«. Quelle: Middleton, Haydn/Heater, Derek: Atlas of modern world history. Oxford 1991, S. 10.
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Abb. 18: Europäische Geschichtsatlanten mit nordamerikanischer Kolonialgeschichte (N=152).
Abb. 19: »Noord-Amerika 17e eeuw«. Quelle: Adams, Xavier : Historische Atlas, Wommelgem 2005, S. 37.
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Abb. 20: »La Colonisation de 1697 1713« und »Kolonisieringen af Nordamerika 1497 – 1763«. Quelle: Duby, Georges: Grand Atlas historique. Paris 2008, S. 295 (links); Haywood, John: Historisk Verdensatlas. Köln 2000 (Originaltitel: World Atlas of the Past, vol. 1 – 4), S. 127 (rechts).
Abb. 21: »La Guerra d’ Indipendenza Americana 1755 – 1783« (Kartenfolge). Quelle: Baselli, Giovanni: Atlante Storico. Novara 2004, S. 90.
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Abb. 22: Westexpansion der USA bis zum Ende des 19. Jahrhunderts »_RaQX_SQ^YV ^_Slf icQc_S S biQ« (RUS) und »Entr¦e des Êtats dans l’Union« (F) und »Förenta staterna 1783 – 1912« (S). Quelle: Martynova, T. I.: Atlas sˇkol’nika – zarubezˇnaja istorija s drevniejsˇich vremen do nacˇala XXI v, Moskau 2008, S. 80 – 81 (oben links); Duby, Georges: Atlas historique Mondial, Paris 2006, S. 248 – 249 (oben rechts); Valle, Kre/Pederby, Bo: Historisk Atlas, Stockholm 2001, S. 68 – 69 (unten links).
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Abb. 23: Die fünfzehn meistkartierten Entdecker und Eroberer in europäischen Geschichtsatlanten (Geschichtsatlanten mit Entdecker-Weltkarte 1400 – 1700, N=141). Es wurden nur Bezeichnungen im Kartenbild bzw. in der Legende erfasst, sodass bloße Nennungen im Begleittext, Bilder von Entdeckern, Kartierungen ohne Benennung oder gar nur die Zuordnung von Nationalitäten (z. B. Spanische Entdeckungsfahrten) unberücksichtigt blieben. Darüber hinaus erfolgte keine Unterscheidung von Atlastypen.
Abb. 24: John Cabot und Jacques Cartier im europäischen Vergleich (Darstellung auf ›Entdecker-Weltkarten‹ 1400 – 1700).
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Abb. 25: Semjon Iwanowitsch Deschnjow und Juan Sebastin Elcano im europäischen Vergleich (Darstellung auf Entdecker-Weltkarten 1400 – 1700).
Abb. 26: Juan Sebastin Elcano im europäischen Vergleich (Darstellung auf Entdecker-Weltkarten 1400 – 1700).
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Abb. 27: Variationen linearer Kartenzeichen am Beispiel der Entdeckungsfahrt John Cabots 1497 in europäischen Geschichtsatlanten (Ausschnitte aus ›Entdecker-Weltkarten‹).
Abb. 28: Die Entdecker-Weltkarte als Bestandsaufnahme (71 Entdeckungsreisen). Kartentitel: »Geographische Entdeckungen vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des 17. Jahrhunderts« (»ZEMEPISNÊ OBJAVY OD KONCA XV. DO KONCA XVII. STOR.«). Quelle: Vasˇek, Jaroslav : Atlas Sveˇtovy´ch Deˇjin 1. Dl – Praveˇk-Strˇedoveˇk. Harmanec 1996, S. 34.
Abb. 29: Der Tod Magellans (1521) im Kartenbild europäischer Geschichtsatlanten (Kartenausschnitte). Quelle: Nordhoff Atlasproducties: De Bosatlas van de Geschiedeniscanon – eerste editie. Groningen 2008, S. 15 (a); (b) Krycin´ski, Stanisław: Atlas historyczny – Szkoła s´rednia Do 1815 roku. Warschau 2002, S. 36; Trzcionkowski, Lech/Piłat, Zbigniew: Atlas historyczny – Dla klasy 5 – 6. Warschau 1998, S. 42 (c); Weber, Tomazˇ : Mali Zgodovonski Atlas. Ljubljana 2005, S. 36 – 37 (d).
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Abb. 30: Symbolische- und bildhafte Kartenzeichen in ›Entdecker-Weltkarten‹ europäischer Geschichtsatlanten. Quelle: Gawrysiak: Atlas Historyczny, S. 31 (a); Horvth, Andrea/Horvth, Levente Attila/Bencsik, P¦ter : Tört¦nelmi Atlasz- 5.–8. osztlyosok szmra. Szeged 2009, S. 20 (b); Adams, Simon: Coppenraths Atlas der Weltgeschichte – Weltreiche und Entdeckungen – Eine Zeitreise in Bildern von 1450 n. Chr. bis 1800 n. Chr. Münster 2008, S. 8 (c); Konstam, Angus: Historical Atlas of Exploration. New York 2000, S. 44 f. (d); Birkenfeld, Wolfgang/Bode, Dieter/Zahn, Ulf: Westermann Geschichtsatlas. Braunschweig 2000, S. 24 (e); Martynova, T. I.: Atlas sˇkol’nika – zarubezˇnaja istorija s drevniejsˇich vremen do nacˇala XXI v. Moskau 2008, S. 42 (f); Przybytek, Dariusz/Konopska, Beata: Atlas historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Szkoła podstawowa. Warschau 1999, S. 15 (g); Piłat, Zbigniew: Atlas historyczny – szkoła podstawowa. Warschau 2004, S. 32 (h); Müller, Vera/Haiman, Snjezˇana: Povijesni Atlas za osnovnu sˇkolu Hrvatska. Zagreb 2007, S. 27 (i); Birkenfeld, Wolfgang/Bode, Dieter/Zahn, Ulf: Westermann Geschichtsatlas. Braunschweig 2000, S. 24 (j); Kurzbauer-Zaniewska, Maria/Horubała, Leokadia: Atlas historyczny – Dla klasy 5 – 6. Warschau 1998, S. 14 (k); Piłat, Zbigniew/ Trzcionkowski, Lech: Atlas historyczny – gimnazjum. Warschau 2004, S. 42 (l); Polunkina, N. N./ Regentova, E. M.: Atlas Istorija srednich vekov. Moskau 2008, S. 12 (m); Polunkina, N. N./ Regentova, E. M.: Atlas Istorija srednich vekov. Moskau 2008, S. 12 (o); Siolas, Angelos G.: Geoistorikos scholikos atlas 2 – Apû to Mesaþna ¦o¯s te¯ sy´nkrone¯ epoche¯. Athen 2007. S. 11 (p).
Abb. 31: Die Kombination von geometrisch-abstrakten- und symbolhaften Kartenzeichen (Kartenausschnitt). Quelle: Gawrysiak, Jacek: Atlas Historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Liceum. Warschau 2008, S. 46.
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Abb. 32: Die Kombination von geometrisch-abstrakten- und bildhaft-konkreten Kartenzeichen (Kartenausschnitt). Quelle: Gawrysiak, Jacek: Atlas Historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Szkoła Podstawowa. Warschau 2009, S. 31.
Abb. 33: Entdecker-Namen und Pfeilsignaturen im Kartenbild. Quelle: Von links nach rechts: Patart: Atlas d’Histoire, S. 65; Jung/Meinel: Trio – Atlas, S. 134; Ýrpd, Papp-Vry : Tört¦nelmi atlasz. Budapest 2005, S. 16 f; S¸I˙rI˙n, VelI˙ AÅiklamali: Tarih Atlasi. Istanbul 1999, S. 43; Edmonds, Jane/King, Jannet/Lintott, Hazel: Philip’s history atlas – 2000 years of world and british history. London 1998, S. 19; Blagojevic´, Milosˇ : Istorijski atlas. Belgrad 2005, S. 63.
Abb. 34: Entdecker-Namen als Elemente der Zeichenerklärung. Quelle: Pederby, Bo/Sandberg, Robert: Historien I Kartor. Stockholm 2005 (links); Fernndez, Esther – Carriûn Atlas Histûrico Ediciones. Madrid 2002, S. 70 (rechts).
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Abb. 35: Die Gesichter des Kolumbus in europäischen Geschichtsatlanten. Quelle: Pro Ruiz, Juan: Atlas Histûrico. Madrid 2005, S. 69 (a); Valle, Kre; Pederby, Bo: Historisk Atlas. Stockholm 2001, S. 37 (b); DeMarco, Neil: The children’s atlas of world history. London 1997, S. 52 (c); Konstam, Angus: Historical Atlas of Exploration. New York 2000, S. 46 (d); Polunkina, N. N.; Regentova, E. M.: Atlas Istorija srednich vekov. Moskau 2008, S. 12 (e); Konstam, Angus: Historical Atlas of Exploration. New York 2000, S. 53 (f); Ýrpd, Papp-Vry : K¦pes tört¦nelmi atlasz. Budapest 2006, S. 17 (g); Worsnop, I. R.: A first history atlas – the past maps, stories and pictures. Huddersfield 1996, S. 14 (h); Przybytek, Dariusz/Konopska, Beata: Atlas historyczny – Od staroz˙ytnos´ci do wspûłczesnos´ci – Szkoła podstawowa. Warschau 1999, S. 15 (i).
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312
Abbildungen
Abb. 36: Von den Wikingern ins Weltall – Die Entdeckungsgeschichte als Fortschrittserzählung. Quelle: Pederby, Bo: Libers Historiska Atlas. Stockholm 2005, S. 68 f.
Abb. 37: »Entdeckungsgeschichte« als »Vernetzungsgeschichte«. Quelle: Black, Jeremy : World History Atlas – Mapping the Human Journey. London 2005, S. 80 f.
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Abbildungen
Abb. 38: Der Einfluss des verwendeten Kartennetzentwurfes auf die Kartierung des Britischen Empires. Quelle: OrdûÇez, Juan: Cûrdoba y Atlas de historia universal y de EspaÇa. Madrid 1993, S. 126 (links); Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger : Historischer Weltatlas. Berlin 2001, S. 149 (rechts).
Abb. 39: Unterschiedliche Projektionsformen für unterschiedliche Darstellungsabsichten im »World History Atlas«. Quelle: Black, Jeremy : World History Atlas – Mapping the Human Journey. London 2005, S. 80 (links), S. 88 (rechts).
Abb. 40: Die Darstellung der imperialen Welt durch eine »vermittelnde« Projektionsform. Quelle: Black, Jeremy : World History Atlas – Mapping the Human Journey. London 2005, S. 94 f.
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Abbildungen
Abb. 41: Die Emigration aus Polen im 19. Jahrhundert (bis 1914). Quelle: Sienkiewicz, Witold; Olczak, Elz˙bieta: Ilustrowany Atlas – Historii Polski Tom 3 – Pod zaborami. Warschau 2007, S. 38.
Abb. 42: Deutsche Auswanderung Ende 18. bis 19. Jahrhundert. Quelle: Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte. Stuttgart 2011, S. 334 – 335 (Ausschnitt).
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Abbildungen
Abb. 43: Europäische Emigrationen im 19. Jahrhundert. Quelle: Lebrun, FranÅois: Atlas Historique. Paris 2000, S. 39 (links); Lambin, Jean-Michel/Villette, Jean Luc: Atlas des colleges. Paris 1994, S. 69 (rechts).
Abb. 44: Die Welt vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Quelle: Volubuev, Oleg Vladimirovicˇ : Atlas klassy 10 – 11 – Rossija i mir. Moskau 2005, S. 30 f.
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Abbildungen
Abb. 45: Globale Migrationen im 19. Jahrhundert. Quelle: Black, Jeremy : World History Atlas – Mapping the Human Journey, Dorling Kindersley, London 2005, S. 100 f.
Abb. 46: Der Darstellungskontext des »transatlantischen Sklavenhandels« in europäischen Geschichtsatlanten. Die Kategorie »Sonstige« umfasst in der Regel die gemeinsame Kartierung mit Entdeckungsfahrten.
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Abbildungen
Abb. 47: Transatlantischer Sklavenhandel als Teil des Dreieckshandels (»Il commercio coloniale atlantico a met del XVII secolo« – links; »Trekantshandelen« – rechts). Quelle: Vaighi, Maria: Atlante storico del mondo. Novara 2005, S. 120 (links); Pederby, Bo/Sandberg, Robert: Historian kartasto. Helsingissä 2004, S. 61 (rechts).
Abb. 48: Sklavenhandel als globale- und transatlantische Migration (»Monde au XIXe S.: Migrations intercontinentales« – links; »African Slave Trade« – rechts). Quelle: Patart, Christian: Atlas d’Histoire, Hayt de boeck, Brüssel 2006, S. 102 (links); Longman, Addison W.: Longman World History Atlas. Harlow 1996, S. 26 (rechts).
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Abbildungen
Abb. 49: »The Emergence of Africa«. Quelle: Haywood, John: World Atlas of the Past. The age of discovery – 1492 to 1815 – Volume 3. London 2004, S. 52 – 55.
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Abbildungen
Abb. 50: Sklaven als Ressource – bildhaft-symbolische Kartenzeichen im Kartenbild europäischer Geschichtsatlanten. Quelle: Patart: Atlas d’Histoire, S. 80 (a); Black: World History Atlas, S. 85 (b); Baselli: Atlante Storico, S. 72 (c); Atlas histûrico integral SPES. Barcelona 1998, S. 41 (d); Hayt/Grommen/Janssen/Manet: Atlas van de algemene en Belgische geschiedenis, S. 56 f. (e); Müller/Haiman: Povijesni Atlas za osnovnu sˇkolu Hrvatska, S. 25 (f); Geivers/Devos: Atlas Historique Erasme, S. 44 (g); Oswalt/Rudolf: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte, S. 176 (h); Ýrpd, Papp-Vry : K¦pes tört¦nelmi atlasz. Budapest 2006, S. 22 (i); Lambin, Jean-Michel/ Carton, Jean-Luc: Atlas des colleges – toutes les cartes des programmes d’histoire-g¦ographie. Paris 2000, S. 33 (j); Geivers, Rik: Nieuwe Historische Atlas. Antwerpen 2005, S. 61 (k); Geivers, R./Devos,W., Atlas Historique Erasme. Namur 1990, S. 45 (l); Haywood: Historisk Verdensatlas, S. 163 (m); Mc Evedy, Colin: The Penguin Atlas of African History. London 1995, S. 220 – 221 (n); Adams, Xavier : Historische Atlas. Wommelgem 2005, S. 32 (o); Vasˇek, Jaroslav : Atlas Svetovy´ch Dejn 2. Diel – Stredovek-Novovek. Harmanec 1997, S. 10 (p); Krycin´ski, Stanisław: Atlas historyczny – Szkoła s´rednia Do 1815 roku. Warschau 2002, S. 52 (q); Reis, Antûnio do Carmo: Atlas de histûria de Portugal. Porto 1997, S. 73 (r); Hotz, Jürgen: Der Brockhaus – Atlas zur Geschichte – Epochen, Territorien, Ereignisse. Mannheim 2007, S. 150 (s).
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Abbildungen
Abb. 51: Der »edle Wilde« in europäischen Geschichtsatlanten. Quelle: Mandelov, Helena: Novovek I; Dejepisn¦ Atlasy pre zkladn¦ sˇkoly a osemrocˇn¦ Gymnzi. Harmanec 1997, S. 16 (links); Mandelov, Helena: Novoveˇk II; Deˇjepisn¦ Atlasy pro zkladn ˇskoly a vcelet Gymnzia. Prag 1998, S. 19 (Mitte); Black, Jeremy : World History Atlas: Mapping the Human Journey. London 2005, S. 91 (rechts).
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Anlagen
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Taschenatlas Deutsche Geschichte (Klett)
Atlas Weltgeschichte (Klett-Perthes)
Geschichtsatlas Geschichte und Geschehen Atlas (Klett)
Bundesland
Oswalt, Vadim/ Rudolf, Hans-Ulrich: Geschichte und Geschehen Atlas mit CDROM, Klett, Stuttgart 2009.
Baden-Württemberg (Stand 2011) Oswalt, Vadim/ Rudolf, Hans-Ulrich: Geschichte und Geschehen Atlas mit CDROM, Klett, Stuttgart 2009. Oswalt, Vadim/ Rudolf, Hans Ulrich: Atlas Weltgeschichte, Klett, Stuttgart 2009.
Hessen (Stand 2010/ 2011) Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans-Ulrich: Geschichte und Geschehen Atlas mit CDROM, Klett, Stuttgart 2009.
Niedersachsen (Stand 2011)
Oswalt, Vadim/ Rudolf, Hans-Ulrich: Geschichte und Geschehen Atlas mit CDROM, Klett, Stuttgart 2009. Oswalt, Vadim/ Rudolf, Hans Ulrich: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte, Klett, Stuttgart 2011.
Sachsen-Anhalt (Stand 2011/ 2012) Oswalt, Vadim/ Rudolf, Hans-Ulrich: Geschichte und Geschehen Atlas mit CDROM, Klett, Stuttgart 2009. Oswalt, Vadim/ Rudolf, Hans Ulrich: Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte, Klett, Stuttgart 2011. Oswalt, Vadim/ Rudolf, Hans Ulrich: Taschenatlas Deutsche Geschichte, Klett, Stuttgart 2004.
Sachsen (Stand 2011/ 2012)
Bayern (2011)
Anlage 1: Übersicht der zugelassenen Geschichtsatlanten in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Bayern (Geschichte-Gymnasium, Stand 2010/2012). Bei den mit (*) gekennzeichneten Atlanten handelt es sich um Kombi-Atlanten, die nicht ausschließlich Geschichtskarten enthalten, sondern auch z. B. für den Einsatz im Erdkunde/Geographie-Unterricht vorgesehen sind.
322 Anlagen
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bsv-Geschichtsatlas (bayrischer Schulbuchverlag)
Bundesland
Böhm, Wilhelmine u. a.: bsv-Geschichtsatlas, bayrischer Schulbuchverlag, München 1992.
Hessen (Stand 2010/ 2011) Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger – Historischer Weltatlas, Cornelsen, Berlin 2002. Putzger – histori- Bruckmüller, Bruckmüller, scher Weltatlas – Ernst/Hartmann, Ernst/Hartmann, Kartenausgabe Peter Claus: Putz- Peter Claus: (Cornelsen) ger – Historischer Putzger – HistoWeltatlas-Karten- rischer Weltatlasausgabe, Cornel- Kartenausgabe, sen, Berlin 2006. Cornelsen, Berlin 2006.
Baden-Württemberg (Stand 2011) Putzger – histori- Bruckmüller, scher Weltatlas Ernst/Hartmann, (Cornelsen) Peter Claus: Putzger – Historischer Weltatlas, Cornelsen, Berlin 2006.
(Fortsetzung)
Bruckmüller, Ernst/ Hartmann, Peter Claus: Putzger – Historischer WeltatlasKartenausgabe, Cornelsen, Berlin 2006.
Bruckmüller, Ernst/ Hartmann, Peter Claus: Putzger – Historischer Weltatlas, Cornelsen, Berlin 2008.
Niedersachsen (Stand 2011)
Sachsen-Anhalt (Stand 2011/ 2012) Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger – Historischer Weltatlas, Cornelsen, Berlin 2008.
Sachsen (Stand 2011/ 2012) Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger – Historischer Weltatlas, Cornelsen, Berlin 2011. Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger – Historischer WeltatlasKartenausgabe, Cornelsen, Berlin 2011.
Bruckmüller, Ernst/Hartmann, Peter Claus: Putzger – Historischer WeltatlasKartenausgabe für Bayern, Cornelsen, Berlin 2011.
Bayern (2011)
Anlagen
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Alexander-Kombiatlas: Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde (Klett-Perthes)*
Diercke Drei: Universalatlas Erdkunde, Geschichte, Wirtschaft, Politik (Westermann)*
Westermann-Geschichtsatlas (Westermann)
Bundesland
(Fortsetzung)
Knippert, Ulrich: Alexander-Kombiatlas: Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde, Wirtschaft, KlettPerthes, Gotha 2003.
Hessen (Stand 2010/ 2011) Birkenfeld, Wolfgang: Westermann-Geschichtsatlas, Westermann, Braunschweig 2000. Michael, Thomas: Michael, Thomas: Diercke Diercke Drei: Drei: UniversalUniversalatlas atlas Erdkunde, Erdkunde, GeGeschichte, Wirtschichte, Wirtschaft, Politik, schaft, Politik, Westermann, Westermann, Braunschweig Braunschweig 2009. 2009.
Baden-Württemberg (Stand 2011)
Knippert, Ulrich: Alexander-Kombiatlas: Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde, Wirtschaft, Klett-Perthes, Gotha 2008.
Sachsen-Anhalt (Stand 2011/ 2012) Birkenfeld, Wolfgang: Birkenfeld, Wolfgang: WesterWestermann-Geschichtsatlas, Wester- mann-Gemann, Braunschweig schichtsatlas, Westermann, 2008. Braunschweig 2008. Michael, ThoMichael, Thomas: Diercke Drei: Univer- mas: Diercke Drei: Universalsalatlas Erdkunde, atlas Erdkunde, Geschichte, SozialGeschichte, Wirtkunde, Religionen, Sprachen, Naturwis- schaft, Politik, senschaften, Wester- Westermann, mann, Braunschweig Braunschweig 2009. 2006.
Niedersachsen (Stand 2011)
Bayern Sachsen (2011) (Stand 2011/ 2012) Birkenfeld, Wolfgang: Westermann-Geschichtsatlas, Westermann, Braunschweig 2005. Michael, Thomas: Diercke Drei: Universalatlas Erdkunde, Geschichte, Wirtschaft, Politik, Westermann, Braunschweig 2009.
324 Anlagen
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Trio-Atlas: Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde (Schroedel)*
Bundesland
(Fortsetzung)
Baden-Württemberg (Stand 2011) Hessen (Stand 2010/ 2011) Forster, Christa: Trio-Atlas: Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde (Ausgabe für Hessen), Schroedel, Braunschweig 2006. Forster, Christa: TrioAtlas: Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde (Ausgabe für Niedersachsen), Schroedel, Braunschweig 2008.
Niedersachsen (Stand 2011)
Sachsen-Anhalt (Stand 2011/ 2012)
Sachsen (Stand 2011/ 2012)
Bayern (2011)
Anlagen
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Anlagen
Anlage 2: Die Verwendung von Welt-, Europa- und Nationalkarten in Schulgeschichtsatlanten aus Ost/Ostmitteleuropa (jahrgangsspezifisch, jahrgangsunspezifisch; weltgeschichtliche Orientierung) im Verhältnis zur Seitenzahl.
Anlage 3: Die Verwendung von Welt-, Europa- und Nationalkarten in Schulgeschichtsatlanten aus Nord-, Süd- und Westeuropa (jahrgangsübergreifend; weltgeschichtliche Orientierung) im Verhältnis zur Seitenzahl.
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Anlagen
Anlage 4: Anzahl der Geschichtsatlanten, die reine Kartendarstellungen, Bildquellen bzw. sonstigen Grafiken nutzen.
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Anlagen
Anlage 5: Anzahl der Geschichtsatlanten, die Fließtexte, Statistiken bzw. Zeitleisten nutzen.
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Anlagen
Anlage 6: Europäischer Geschichtskarten-Kanon zum Kolonialismus (Übersicht-Kartentypen). Kartentypen Inhalt
Kartenausschnitt
I
Weltkarte
IV.I IV.II
Die iberische Phase (erste europäische Entdeckungsfahrten und Inbesitznahme iberischer Überseeterritorien vom 15. bis 17. Jahrhundert) Eroberungszüge Francisco Pizarros und Hernn Cort¦s, Reichen der Azteken und Inka bzw. Maya-Staaten Erste portugiesische Entdeckungen, vorkoloniale afrikanische Staaten Asiatische Großreiche; erste europäische Expeditionen und Besitzungen (Stützpunktkolonisation) Die nordwesteuropäische Phase (Etablierung kolonialer Strukturen vom 17. bis 19. Jahrhundert) Entdeckungsreisen in Afrika im 18. und 19. Jahrhundert Britische Besitzergreifung Südafrikas Etablierung des britischen Kaiserreichs in Indien (Beherrschungskolonie) Aufstand gegen die Kolonialmächte Spanien und Portugal Besiedelung, Erschließung und territoriale Entwicklung der USA Darstellung einzelner Kolonialreiche Das Imperiale Zeitalter (Die Aufteilung der Welt 1875 – 1914) Die koloniale Aufteilung Afrikas Nationalstaatenbildung in Lateinamerika
V VI VII
Globale Migrationsgeschichte(n) Etablierung des Welthandels Geschichte des Sklavenhandel
I.I I.II I.III II II.I II.II II.III II.IV II.V III IV
Detailkarte Lateinamerika Detailkarte Afrika Detailkarte Asien (Süd- und Südostasien) Weltkarte Detailkarte Afrika Detailkarte Südafrika Detailkarte indischer Subkontinent Detailkarte Lateinamerika Detailkarte Nordamerika Weltkarte Weltkarte Detailkarte Afrika Detailkarte Lateinamerika Weltkarte Weltkarte Weltkarte, Detailkarte transatlantischer Raum bzw. Afrika
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Anlage 7: Geschichtsatlanten, die das Themenfeld Kolonialismus kartieren.
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Anlagen
Anlage 8: Geschichtsatlanten, die den Kartentyp I (Iberische Phase) verwenden.
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Anlagen
Anlage 9: Geschichtsatlanten, die den Kartentyp II (Nordwesteuropäische Phase) verwenden.
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Anlagen
Anlage 10: Geschichtsatlanten, die den Kartentyp III (Kolonialreiche) verwenden.
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Anlage 11: Geschichtsatlanten, die den Kartentyp IV (Imperiales Zeitalter) verwenden.
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Anlage 12: Geschichtsatlanten, die den Kartentyp V (Migration) verwenden.
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Anlage 13: Geschichtsatlanten, die den Kartentyp VI (Wirtschaft/Handel) verwenden.
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Anlage 14: Geschichtsatlanten, die Sklaverei und Sklavenhandel kartieren (Kartentyp VII).
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Anlage 15: Darstellung afrikanischer Staaten und Reiche (Detailkarte-Afrika).
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Anlage 16: Darstellung nordamerikanischer Kolonialgeschichte (Detailkarte-Nordamerika/USA).
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Anlage 17: Darstellung der US-amerikanischen »Westexpansion“ bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (Territoriale Erweiterung als Detailkarte).
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Anlage 18: Der Raumbezug bei der Darstellung des »transatlantischen Sklavenhandels“.
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