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BiTS 37
Eine möglichst wörtlich gehaltene und parallel zum Original präsentierte Übersetzung (samt einer kurzen Einführung) soll es den Benutzenden ermöglichen, die Texte nachzuvollziehen und ein Gefühl für Gemeinsamkeiten und Besonderheiten antiken jüdischen Gebetslebens zu entwickeln. Wenn das Beten für Feinde bis heute als neutestamentliches Spezifikum verstanden wird, dann liegt das auch daran, dass bestimmte Gebetstexte nicht diskutiert werden. Einige Gebete sind hier erstmals ins Deutsche übertragen.
PEETERS
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üdische Gebete aus der Umwelt des Neuen Testaments Ein Studienbuch TEXT – ÜBERSETZUNG – EINLEITUNG
Karl-Heinrich Ostmeyer Karl-Heinrich Ostmeyer
Im Gebet spiegeln sich das Gottesbild wie das Selbstbild der Betenden. Die Gebetssammlung erweist sich als ein Panoptikum antiker jüdischer Theologien und Anthropologien. Christliches Beten und christliche Theologie sind nicht zuletzt vor diesem Hintergrund (besser) zu verstehen.
Jüdische Gebete aus der Umwelt des Neuen Testaments
Das „Studienbuch Gebet“ bietet einen Überblick über das Spektrum jüdischen Betens im Umfeld der Schriften des Alten und Neuen Testaments. Sowohl repräsentative Gebete als auch Unikate werden in den Blick genommen. Als Kompendium antiker jüdischer Gebete versteht sich das Studienbuch als „Auswahl-Bibliothek“ der beiden vor- und nachchristlichen Jahrhunderte.
Biblical Tools and Studies 37
PEETERS
PEETERS
19/02/2019 08:08
JÜDISCHE GEBETE AUS DER UMWELT DES NEUEN TESTAMENTS
BIBLICAL TOOLS AND STUDIES Edited by B. Doyle, G. Van Belle, J. Verheyden KU Leuven
Associate Editors G. Bazzana, Harvard Divinity School – A. Berlejung, Leipzig K.J. Dell, Cambridge – J. Frey, Zürich – C.M. Tuckett, Oxford
Biblical Tools and Studies – Volume 37
JÜDISCHE GEBETE AUS DER UMWELT DES NEUEN TESTAMENTS EIN STUDIENBUCH TEXT – ÜBERSETZUNG – EINLEITUNG
von
KARL-HEINRICH OSTMEYER
PEETERS LEUVEN – PARIS – BRISTOL, CT 2019
Cover: T±v kain±v Diaqßkjv †panta. Eûaggélion Novum Iesu Christi D.N. Testamentum ex bibliotheca regia. Lutetiae: ex officina Roberti Stephani, 1550. in-folio. KU Leuven, Maurits Sabbe Library, P225.042/F° Mt 5,3-12
No part of this book may be reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm or any other means without written permission from the publisher. A catalogue record for this book is available from the Library of Congress ISBN 978-90-429-3853-3 eISBN 978-90-429-3854-0 D/2019/0602/29 © 2019, Peeters, Bondgenotenlaan 153, B-3000 Leuven (Belgium)
Den Dortmunder Studierenden
παρακέκλησθε οὖν μετ᾽ εὐνοίας καὶ προσοχῆς τὴν ἀνάγνωσιν ποιεῖσθαι καὶ συγγνώμην ἔχειν ἐφ᾽ οἷς ἂν δοκῶμεν τῶν κατὰ τὴν ἑρμηνείαν πεφιλοπονημένων τισὶν τῶν λέξεων ἀδυναμεῖν· οὐ γὰρ ἰσοδυναμεῖ αὐτὰ ἐν ἑαυτοῖς Εβραϊστὶ λεγόμενα καὶ ὅταν μεταχθῇ εἰς ἑτέραν γλῶσσαν· Seid nun gebeten mit Wohlwollen und Aufmerksamkeit die Lesung vorzunehmen und Nachsicht zu haben mit Blick auf das, wo wir wohl scheinen – obwohl wir uns um genaue Übersetzung bemühten –, dass wir einigen der Wörter nicht gerecht zu werden vermochten. Nicht nämlich gleich wirkt das mit ihnen auf Hebräisch Gesagte, wenn es übertragen wird in eine andere Sprache. Sirach 1,15–22
Vorwort
Das „Studienbuch Gebet“ ist über mehr als ein Jahrzehnt hinweg entstanden. Zu danken habe ich an erster Stelle Prof. Dr. J. Verheyden, der die Möglichkeit eröffnete, das Buch in der von ihm mitherausgegebenen Reihe „Tools“ zu publizieren. Seiner Geduld und fachkundigen Unterstützung ist das Erscheinen maßgeblich zu verdanken. In einem frühen Stadium hat Frau Dr. S. von Blumenthal an der Bearbeitung der Übersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen mitgewirkt. Einen entscheidenden Impuls erhielten Fortgang und Abschluss der Arbeiten durch meine Dortmunder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Herr Dr. E.L. Rehfeld übernahm die Vereinheitlichung und Formatierung des gesamten Bandes sowie die redaktionelle Überarbeitung der Teile B und C (Einleitungen und Übersetzungen) und des Literaturverzeichnisses. An der Bearbeitung der Kapitel D und E beteiligte sich Frau L.-M. Knöppel, die Übersetzungen von Teil A redigierte Herr M. Hennig. Herr C.R. Baumgart erstellte die Register und half mit bei der Endredaktion des gesamten Bandes. Um Korrekturen und Literaturbeschaffung haben sich in unterschiedlichen Phasen des Projekts Herr A. Block, Herr C. Kenkel, Frau S. Pagendarm, Frau J. Peter und Frau J. Stiegler verdient gemacht. Dortmund, im November 2018
K.-H. Ostmeyer
Hinweise zur Benutzung
Die Vielfalt der Gebete findet im Studienbuch ihr Abbild mitunter schon in der Art der Präsentation: Wo es sinnvoll erschien, wird ein einzelnes Manuskript zugrunde gelegt, andernorts ist ein Mischtext geboten. Meist ist die Typographie des Originals beibehalten (z.B. bei Gebeten aus Qumran), in Einzelfällen aber auch abweichend z.B. eine akrostichische Anordnung gewählt. Die jeweilige Darstellungsweise wird vor Ort begründet. Die Übersetzungen stammen grundsätzlich von den Bearbeiterinnen und Bearbeitern. Eine um Wörtlichkeit bemühte Übersetzung soll es den Benutzenden ermöglichen, den Originaltext nachzuvollziehen. Wo eine wörtliche Wiedergabe unverständlich gewesen wäre oder zu Missverständnissen hätte führen können, wurden Anpassungen vorgenommen oder Ergänzungen in Klammern1 bzw. Anmerkungen beigefügt. Gebetstexte „leben“ und sind damit, sowohl was ihre Übersetzung als auch was ihre Interpretation betrifft, eine „Dauerbaustelle“. Hinweise der Benutzerinnen und Benutzer zur Korrektur, Präzisierung und einem tieferen Verständnis werden dankbar aufgenommen. Die angegebenen Literaturhinweise sind nicht auf Vollständigkeit angelegt. Zum einen werden wichtige Textausgaben in Original und Übersetzung (Deutsch, Englisch, Französisch), zum anderen sowohl „Klassiker“ als auch aktuelle Literatur geboten.
1
Grundsätzlich wird unterschieden zwischen runden (), eckigen [] und geschweiften {} Klammern. Eckige Klammern in der originalsprachlichen Textdarbietung enthalten i.d.R. Ergänzungen des an dieser Stelle verderbten bzw. nicht vorhandenen Textes (v.a. in den Qumran-Dokumenten). Eckige Klammern in den Übersetzungen bieten i.d.R. Ergänzungen, die in der Zielsprache notwendig sind, in der Originalsprache aber grammatikalisch korrekt weggelassen wurden (z.B. Formen von εἶναι). Runde Klammern in den Übersetzungen werden entweder gesetzt, wenn zum besseren Verständnis ein im Text nicht vorhandenes Wort ergänzt wird oder ein im Text vorhandenes Wort in der Zielsprache überflüssig ist oder sogar sinnentstellend wäre (oft bei Artikeln). Im Zweifelsfall gibt jeweils eine Anmerkung Auskunft über den spezifischen Sinn einer Klammer.
Inhaltsverzeichnis
VORWORT .................................................................................................................. I HINWEISE ZUR B ENUTZUNG ................................................................................. III I NHALTSVERZEICHNIS ............................................................................................. V ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ................................................................................. XV EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTWERK ....................................................................... 1 A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE ............... 3 I. HODAYOT ...................................................................................................................... 6 1. Apokalyptischer Hymnus (1QH X[früher II],20–30).................................. 9 1.1. Einführung .............................................................................................. 9 1.2. Hebräischer Text .................................................................................. 12 1.3. Übersetzung .......................................................................................... 13 2. Danksagungshymnus (1QH XIX[früher XI],3–14) .................................. 16 2.1. Einführung ............................................................................................ 16 2.2. Hebräischer Text .................................................................................. 18 2.3. Übersetzung .......................................................................................... 19 II. GENESISAPOKRYPHON ............................................................................................. 22 1. Gebet Abrams nach dem Raub Sarais (1Q20 XX,12–16 [1QGenAp]) .... 25 1.1. Einführung ............................................................................................ 25 1.2. Aramäischer Text ................................................................................. 26 1.3. Übersetzung .......................................................................................... 27 III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)........................... 28 1. Apostrophe für Juda (4Q88 X,5–15 [4Q Psf])............................................ 30 1.1. Einführung ............................................................................................ 30 1.2. Hebräischer Text .................................................................................. 32 1.3. Übersetzung .......................................................................................... 33 2. Doxologie (11Q5 XVI,1–6; 11Q6 Frg. f [11Q6f]) ..................................... 34 2.1. Einführung ............................................................................................ 34 2.2. Hebräischer Text .................................................................................. 36 2.3. Übersetzung .......................................................................................... 37
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INHALTSVERZEICHNIS
3.
Gebet um Befreiung (11Q5 XIX,1–18; 11Q6 Frg. 1.2) ............................. 38 3.1. Einführung ............................................................................................ 38 3.2. Hebräischer Text .................................................................................. 40 3.3. Übersetzung .......................................................................................... 41 4. Apostrophe für Zion (11Q5 XXII,1–15; 4Q88 VII,14–VIII,15).............. 44 4.1. Einführung ............................................................................................ 44 4.2. Hebräischer Text .................................................................................. 46 4.3. Übersetzung .......................................................................................... 47 5. Lobpreis auf den Schöpfer (11Q5 XXVI,9–15) .......................................... 50 5.1. Einführung ............................................................................................ 50 5.2. Hebräischer Text .................................................................................. 52 5.3. Übersetzung .......................................................................................... 53 IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN .......................................................................... 54 1. Gebet des babylonischen Königs Nabonid (4Q242 = 4QA-Nab ar) .......... 55 1.1. Einführung ............................................................................................ 55 1.2. Aramäischer Text ................................................................................. 58 1.3. Übersetzung .......................................................................................... 59 2. Gebet des Manasse (4Q381 Frg. 33) ........................................................... 62 2.1. Einführung ............................................................................................ 62 2.2. Hebräischer Text .................................................................................. 66 2.3. Übersetzung .......................................................................................... 67 V. SCHABBATLIEDER (ENGELLITURGIE) .................................................................... 68 1. Brandopferlied des 7. Sabbats (4Q403 [4Q ShirShabbd] I,1,30–46) ........ 71 1.1. Einführung ............................................................................................ 71 1.2. Hebräischer Text .................................................................................. 72 1.3. Übersetzung .......................................................................................... 73 VI. WORTE DER LICHTER (DIVREI HAME’OROT) .................................................... 76 1. Werktagsgebet (4Q504 Frg. 1–2 Kol. V [4QDibHama]) .......................... 79 1.1. Einführung ............................................................................................ 79 1.2. Hebräischer Text .................................................................................. 80 1.3. Übersetzung .......................................................................................... 81 VII. GEBET DER BAR-KOCHBA-ZEIT .......................................................................... 84 1. Eschatologischer Hymnus der Bar-Kochba-Zeit (XHev/Se 6).................... 86 1.1. Einführung ............................................................................................ 86 1.2. Hebräischer Text .................................................................................. 88 1.3. Übersetzung .......................................................................................... 89
INHALTSVERZEICHNIS
VII
B . GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN .................................................... 93 I. DIE TESTAMENTE DER ZWÖLF PATRIARCHEN ...................................................... 95 1. Gebet Levis (Anhang zu TestXII.Lev II,3; 4Q213a) ................................. 98 1.1. Einführung ............................................................................................ 98 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 100 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 101 1.4. Hebräischer Text (Qumran) ............................................................. 104 1.5. Übersetzung ........................................................................................ 105 II. ORACULA SIBYLLINA (SIBYLLINEN) .................................................................... 106 1. Das Gebet der Sibylle (Sib III,1–7) .......................................................... 109 1.1. Einführung .......................................................................................... 109 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 112 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 113 III. TESTAMENT HIOBS ............................................................................................... 114 1. Dankgebet des Eliphas für Sündentilgung (TestJob 43,1–44,1) .............. 117 1.1. Einführung .......................................................................................... 117 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 118 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 119 IV. JOSEPH UND ASENETH.......................................................................................... 122 1. Ein Gebet der Aseneth (JosAs 11,19–13,15) ............................................ 125 1.1. Einführung .......................................................................................... 125 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 126 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 127 V. APOKALYPSE DES MOSE (LEBEN ADAMS UND EVAS) ........................................ 138 1. Sündenbekenntnis Evas (ApcMos 32,1f.) ................................................. 141 1.1. Einführung .......................................................................................... 141 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 142 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 143 VI. LIBER ANTIQUITATUM BIBLICARUM (PSEUDO-PHILO)................................. 144 1. Der Lobpreis der Debora (LAB XXXII,1–17) ......................................... 147 1.1. Einführung .......................................................................................... 147 1.2. Lateinischer Text ................................................................................ 148 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 149
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INHALTSVERZEICHNIS
VII. TESTAMENT / HIMMELFAHRT (ASSUMPTIO) DES MOSE .............................. 156 1. Fürbittengebet in Israels Exil (AssMos 4,2–4) ......................................... 158 1.1. Einführung .......................................................................................... 158 1.2. Lateinischer Text ................................................................................ 160 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 161 VIII. GRIECHISCHE BARUCH-APOKALYPSE (DRITTER BARUCH) ...................... 162 1. Baruchs Klage über die Zerstörung Jerusalems (ApcBar[gr] 1,2)............. 165 1.1. Einführung .......................................................................................... 165 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 166 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 167 IX. ORATIO JACOBI (GEBET JAKOBS)....................................................................... 168 1. Das Gebet Jakobs ....................................................................................... 171 1.1. Einführung .......................................................................................... 171 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 174 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 175 X. VIERTER ESRA ODER APOKALYPSE ESRAS ........................................................... 176 1. Esras Dialog mit Gott und sein Gebet (4 Esra 8,6–45)............................ 179 1.1. Einführung .......................................................................................... 179 1.2. Lateinischer Text ................................................................................ 182 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 183 XI. GRIECHISCHE ESRA-APOKALYPSE...................................................................... 188 1. Schlussgebet Esras für die Rezipienten des Buches (ApcEsr[gr] 7,5–13) .. 190 1.1. Einführung .......................................................................................... 190 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 192 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 193 XII. PARALIPOMENA JEREMIAE (VIERTER BARUCH) ............................................. 194 1. Das Opfergebet des Jeremia (ParJer 9,3–6) .............................................. 197 1.1. Einführung .......................................................................................... 197 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 198 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 199 XIII. GRABSTELEN AUS RHENEIA.............................................................................. 200 1. Das „Rachegebet für Heraklea“ ................................................................. 203 1.1. Einführung .......................................................................................... 203 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 204 1.3. Transkription und Übersetzung ...................................................... 205
INHALTSVERZEICHNIS
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C . GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS ...............207 I. GRIECHISCHE ZUSÄTZE ZU ESTHER ..................................................................... 208 1. Bittgebete Mardochais und Esthers ........................................................... 212 1.1. Einführung .......................................................................................... 212 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 214 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 215 II. JUDITH ...................................................................................................................... 220 1. Judiths Gebet um Gottes Beistand (Jdt 9,1–14) ....................................... 224 1.1. Einführung .......................................................................................... 224 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 226 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 227 III. TOBIT (TOBIAS) ..................................................................................................... 232 1. Tobits Lobgebet (Tob 13,1–18) ................................................................ 236 1.1. Einführung .......................................................................................... 236 1.2. Griechischer Text nach Vaticanus und Alexandrinus (GI)........... 238 1.3. Übersetzung von Vaticanus und Alexandrinus .............................. 239 1.4. Griechischer Text nach Sinaiticus (GII) .......................................... 244 1.5. Übersetzung des Sinaiticus ................................................................ 245 1.6. Lateinischer Text nach Vulgata (abweichende Verszählung)....... 248 1.7. Übersetzung der Vulgata (abweichende Verszählung) .................. 249 1.8. Hebräischer und aramäischer Text der Qumranfragmente.......... 252 1.9. Übersetzung der Qumranfragmente ................................................ 253 IV. DIE MAKKABÄERBÜCHER .................................................................................... 254 1. Opferbittgebet der Priester und des Volkes (2 Makk 1,24–29) ................ 257 1.1. Einführung .......................................................................................... 257 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 260 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 261 2. Gebet um Rettung und Vergebung (3 Makk 2,1–20)............................... 262 2.1. Einführung .......................................................................................... 262 2.2. Griechischer Text ............................................................................... 266 2.3. Übersetzung ........................................................................................ 267 3. Eleasars Scheiterhaufengebet (4 Makk 6,26–30) ..................................... 270 3.1. Einführung .......................................................................................... 270 3.2. Griechischer Text ............................................................................... 274 3.3. Übersetzung ........................................................................................ 275
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INHALTSVERZEICHNIS
V. APOKRYPHE PSALMEN ........................................................................................... 276 1. Psalm 151 (LXX und 11Q5, XXVIII,3–14) ........................................... 276 1.1. Einführung .......................................................................................... 276 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 280 1.3. Übersetzung des griechischen Textes .............................................. 281 1.4. Hebräischer Text (11Q Psa, Col. XXVIII,3–14)........................... 282 1.5. Übersetzung des hebräischen Textes ............................................... 283 VI. ORATIO MANASSIS (MANASSES BUSSGEBET) ................................................... 284 1. Die 12. Ode ................................................................................................ 288 1.1. Einführung .......................................................................................... 288 1.2. Griechischer Text nach der Septuaginta ......................................... 290 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 291 VII. SAPIENTIA SALOMONIS (WEISHEIT [SALOMOS])........................................... 294 1. Salomos Bittgebet um Weisheit (SapSal 8,21–9,19) ................................ 298 1.1. Einführung .......................................................................................... 298 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 300 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 301 VIII. JESUS SIRACH / ECCLESIASTICUS .................................................................... 304 1. Bitte an Gott um Zügelung der Zunge (Sir 22,27–23,6) ......................... 307 1.1. Einführung .......................................................................................... 307 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 308 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 309 IX. PSALMEN SALOMOS .............................................................................................. 310 1. Salomos Gebet um Bewahrung der Gerechten (PsSal 13,1–12)............... 313 1.1. Einführung .......................................................................................... 313 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 314 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 315 X. ERSTER BARUCH ..................................................................................................... 316 1. Baruchs Bussgebet für Israel (Bar 3,1–8).................................................. 319 1.1. Einführung .......................................................................................... 319 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 322 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 323
INHALTSVERZEICHNIS
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XI. GRIECHISCHE ZUSÄTZE ZU DANIEL .................................................................. 324 1. Susannas Bittgebet ..................................................................................... 327 1.1. Einführung .......................................................................................... 327 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 330 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 331 2. Asarjas (Abdenagos) Bekenntnisgebet im Feuerofen ...................................... 332 2.1. Einführung .......................................................................................... 332 2.2. Griechischer Text ............................................................................... 334 2.3. Übersetzung ........................................................................................ 335 D . GEBETE BEI PHILO VON ALEXANDRIEN ...........................................341 I. GEBETE EINZELNER .................................................................................................. 345 1. Vertrauens- und Demutsgebet Abrams (Her. § 24–29) ........................... 345 1.1. Einführung .......................................................................................... 345 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 348 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 349 2. Gebet des Mose um Offenbarung (Spec.1 § 41–42.45) ............................. 352 2.1. Einführung .......................................................................................... 352 2.2. Griechischer Text ............................................................................... 354 2.3. Übersetzung ........................................................................................ 355 II. DANKGEBETE DER BEVÖLKERUNG ...................................................................... 356 1. (Ernte-)Dankgebet Israels (Spec. 2 § 198–199) ....................................... 356 1.1. Einführung .......................................................................................... 356 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 358 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 359 2. Dankgebet für das Ende der Verfolgung (Flacc. § 121–124).................... 360 2.1. Einführung .......................................................................................... 360 2.2. Griechischer Text ............................................................................... 362 2.3. Übersetzung ........................................................................................ 363
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INHALTSVERZEICHNIS
III. GEBETE VON NICHT-JUDEN ............................................................................... 364 1. Bileams Segen über Israel (Mos. 1 § 289–291)......................................... 365 1.1. Einführung .......................................................................................... 365 1.2. Griechischer Text nach Philo Mos. 1 § 289–291 .......................... 368 1.3. Übersetzung von Philo Mos. 1 § 289–291...................................... 369 1.4. Griechischer Text nach der Septuaginta (Num 24,3–9) .............. 370 1.5. Übersetzung des Septuagintatextes (Num 24,3–9) ....................... 371 1.6. Hebräischer Text (Num 24,3–9) ..................................................... 372 1.7. Übersetzung des hebräischen Textes (Num 24,3–9) .................... 373 2. Schuldbekenntnis des Flaccus (Flacc. § 169–175) .................................... 374 2.1. Einführung .......................................................................................... 374 2.2. Griechischer Text ............................................................................... 376 2.3. Übersetzung ........................................................................................ 377 E . GEBETE BEI FLAVIUS JOSEPHUS ........................................................... 381 I. GEBETE IN BIBLISCHEM KONTEXT ........................................................................ 384 1. Segen Isaaks über Jakob (A.J. 1 § 272–273) ............................................. 384 1.1. Einführung .......................................................................................... 384 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 386 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 387 2. Gebet des Mose vor dem Schilfmeer (A.J. 2 § 335–337) ........................... 388 2.1. Einführung .......................................................................................... 388 2.2. Griechischer Text ............................................................................... 390 2.3. Übersetzung ........................................................................................ 391 3. Moses Rechtfertigungsgebet gegen Datham (A.J. 4 § 40–50) ................... 392 3.1. Einführung .......................................................................................... 392 3.2. Griechischer Text ............................................................................... 394 3.3. Übersetzung ........................................................................................ 395 4. Gebet Josuas nach einer militärischen Niederlage (A.J. 5 § 39–41) ......... 402 4.1. Einführung .......................................................................................... 402 4.2. Griechischer Text nach A.J. 5 § 39–41............................................ 404 4.3. Übersetzung von A.J. 5 § 39–41 ....................................................... 405 4.4. Griechischer Text nach der Septuaginta (Jos 7,7–9) ..................... 406 4.5. Übersetzung von Jos 7,7–9 ............................................................... 407 5. Tempelweihgebet Salomos (A.J. 8 § 107–108.111–117) ......................... 408 5.1. Einführung .......................................................................................... 408 5.2. Griechischer Text ............................................................................... 410 5.3. Übersetzung ........................................................................................ 411
INHALTSVERZEICHNIS
XIII
II. AUSSERBIBLISCHE GEBETE .................................................................................... 416 1. Gebet des Onias um Nichterhörung der Gebete (A.J. 14 § 24) ................. 416 1.1. Einführung .......................................................................................... 416 1.2. Griechischer Text ............................................................................... 418 1.3. Übersetzung ........................................................................................ 419 2. Izates’ Klagegebet angesichts der Partherübermacht (A.J. 20 § 90–91)... 420 2.1. Einführung .......................................................................................... 420 2.2. Griechischer Text ............................................................................... 422 2.3. Übersetzung ........................................................................................ 423 3. Rechtfertigungsgebet des Josephus (B.J. 3 § 354) ....................................... 424 3.1. Einführung .......................................................................................... 424 3.2. Griechischer Text ............................................................................... 426 3.3. Übersetzung ........................................................................................ 427 GESAMTLITERATURVERZEICHNIS .......................................................................429 STELLENREGISTER .................................................................................................461 SACHREGISTER ......................................................................................................475 PERSONENREGISTER ..............................................................................................483
Abkürzungsverzeichnis
Das „Studienbuch Gebet“ orientiert sich grundsätzlich an den Abkürzungen nach S.M. SCHWERTNER, IATG3 – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/Boston 32014. Die biblischen Bücher sind nach den Loccumer Richtlinien abgekürzt. Einige der für das „Studienbuch Gebet“ wichtigsten (häufigsten) Abkürzungen sowie sämtliche über IATG3 hinausgehenden Abkürzungen werden im Folgenden einzeln aufgeführt, soweit sie nicht durch den DUDEN (Die deutsche Rechtschreibung) als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können.
Textausgaben und Übersetzungen [AJSAB] RIESSLER, P. (Hg.), Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, Darmstadt 21966 (= Augsburg 1928). [AOT] SPARKS, H.F.D. (Hg.), The Apocryphal Old Testament, Oxford 1984. [APAT] KAUTZSCH, E. (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, 2 Bde., Darmstadt 1962 (= Tübingen u.a. 1900). [APOT] CHARLES, R.H. (Hg.), The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament in English, With Introductions and Critical and Explanatory Notes to the Several Books, 2 Bde., Oxford 1913. [ATTM/ATTM II] BEYER, K., Die aramäischen Texte vom Toten Meer, samt den Inschriften aus Palästina, dem Testament Levis aus der Kairoer Genisa, der Fastenrolle und den alten talmudischen Zitaten. Aramaistische Einleitung. Text, Übersetzung, Deutung. Grammatik/ Wörterbuch. Deutsch-aramäische Wortliste. Register, 2 Bde., Göttingen 1984/2004. [BSVC(S)] WEBER, R. / GRYSON, R. (Hg.), Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem, Stuttgart 5 2007. [D] DENIS, A.-M., Concordance grecque des pseudépigraphes d’Ancien Testament. Concordance, corpus des textes, indices, avec la collaboration d’Y. Janssens, Louvain-la-Neuve 1987. [DJD] Discoveries in the Judaean Desert (DJD), Oxford 1955ff. [DSPh] DUPONT-SOMMER, A. / PHILONENKO, M. (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987. [DSS] CHARLESWORTH, J.H. (Hg.), The Princeton Theological Seminary Dead Sea Scrolls Project. The Dead Sea Scrolls. Hebrew, Aramaic, and Greek Texts with English Translations, Tübingen – Louisville 1994ff.
XVI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
[DSSR] PARRY, D.W. / TOV, E. (Hg.), The Dead Sea Scrolls Reader, 6 Bde., Leiden/Boston 2004/ 2005. [DSSSE] GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, 2 Bde., Leiden u.a. 1997/1998. [JSHRZ] KÜMMEL, W.G. (Hg.), Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Gütersloh 1974ff. [JWSTP] STONE, M.E. (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus (CRINT II/2), Assen – Philadelphia 1984. [LXX.D] KRAUS, W. / KARRER, M. (Hg.), Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, Stuttgart 2009. [LXX.RH] RAHLFS, A. / HANHART, R. (Hg.), Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes, Neuausgabe, Stuttgart 2006. [NETS] PIETERSMA, A. / WRIGHT, B.G. (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007. [OTP] CHARLESWORTH, J.H. (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, 2 Bde., Garden City 1983/1985. [QE.TTM] MAIER, J., Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, 3 Bde. (UTB 1862/ 1863/1916), München/Basel 1995/1996. [SVOTA] BRENTON, L.C.L., The Septuagint Version of the Old Testament and Apocrypha with an English Translation and with Various Readings and Critical Notes, London – New York 1900. [SVTG] Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum, Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum, Göttingen 1931ff. [TQu] Die Texte aus Qumran. Mit masoretischer Punktation. Übersetzung, Einführung und Anmerkungen, [Bd. 1:] Hebräisch und Deutsch, hg. von E. Lohse, Darmstadt 41986 (= 21971); Bd. 2: Hebräisch/Aramäisch und Deutsch, hg. von A. Steudel, Darmstadt 2001.
Weitere wichtige Abkürzungen [BDR] BLASS, F. / DEBRUNNER, A., Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, bearbeitet von F. Rehkopf, Göttingen 182001. [GEMOLL, SHwb] GEMOLL, W., Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch, Wien 91965. [PAPE, Hwb] PAPE, W., Griechisch-deutsches Handwörterbuch, Nachdruck der dritten Auflage, bearbeitet von M. Sengebusch, 2 Bde., Graz 1954. [PASSOW, Hwb] PASSOW, F., Handwörterbuch der griechischen Sprache, neu bearbeitet und zeitgemäß umgestaltet, 4 Halbbde., Leipzig 51841–57.
Einführung in das Gesamtwerk
Das „Studienbuch Gebet“ bietet einen Überblick über das Spektrum jüdischen Betens im Umfeld der Schriften des Alten und Neuen Testaments.1 Das entstehende Christentum und seine Schriften gründen nicht zuletzt im Gebetsleben ihrer antiken jüdischen Umwelt. Das „Studienbuch Gebet“ richtet sich deshalb an alle, die sich aus erster Hand einen Eindruck verschaffen wollen. Gedacht ist sowohl an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich einen schnellen Überblick verschaffen wollen und das Kompendium als Ausgangspunkt für eine eingehendere Beschäftigung verstehen, als auch an Studierende, Lehrerinnen und Lehrer sowie Pfarrerinnen und Pfarrer, die sich punktuell oder themenspezifisch orientieren möchten. Die Erstgenannten werden die knappen Einführungen überblättern, anderen mögen sie eine Erstbegegnung erleichtern.2 Die jeweils parallel gebotene, möglichst wörtlich gehaltene Übersetzung soll es Benutzenden mit sprachlichen Grundkenntnissen ermöglichen, die Texte im Original nachzuvollziehen und ein Gefühl für die Gemeinsamkeiten wie auch die Unterschiede innerhalb des antiken jüdischen Gebetslebens zu entwickeln. Das Kompendium möge damit dem Titel der Reihe gerecht werden und sich als ein Werkzeug, als ein „Tool“, erweisen. Gebete der als „kanonisch“ geltenden biblischen Texte sind allgemein zugänglich und deshalb hier nicht aufgenommen (z.B. das Vaterunser). Dagegen ist eine solche Verfügbarkeit bei den in diesem Studienbuch gebotenen Gebetstexten in sehr unterschiedlichem Maße gegeben. Gesucht wird aber nur an Orten, von deren Existenz man weiß. Wenn z.B. das Beten für die Feinde bis heute als ein neutestamentliches Spezifikum verstanden wird, dann liegt das daran, dass andere Gebetstexte nicht zur Kenntnis gelangten und diskutiert wurden (z.B. das Genesisapokryphon). Mehrere Gebete erscheinen erstmals in deutscher Übersetzung (z.B. die Apostrophe für Juda oder ein Gebet der BarKochba-Zeit). Im Einzelnen berührt die Auswahl der Gebetstexte bewusst Grenzen: Benutzerinnen und Benutzern wird das Material an die Hand gegeben, selbst zu vergleichen und zu urteilen, ob ein Gebet noch oder nicht mehr als jüdisch zu gelten hat (z.B. die Oratio Jacobi). 1
Dabei werden sowohl repräsentative Texte (z.B. ein Lobgebet aus den Hodayot) als auch Unikate (z.B. das Gebet Levis als einziges explizites Gebet aus den Testamenten der Patriarchen) in den Blick genommen. 2 Insgesamt soll so der Erfahrung Rechnung getragen werden, dass die an der Sache Interessierten in den verschiedenen Teilgebieten unterschiedlich orientiert sind.
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EINFÜHRUNG IN DAS GESAMTWERK
Das Studienbuch soll es ermöglichen, selbst Kriterien zu entwickeln und die Urteilsfähigkeit zu schärfen. Wenn aufgrund dessen Gebete in der Sammlung vermisst werden, ist bereits ein Ziel erreicht. Die Grenzen zwischen den Hauptkapiteln (Qumran, Pseudepigraphen, Apokryphen, Philo, Josephus) sind zuweilen fließend. Das betrifft z.B. den 151. Psalm, das Dritte und Vierte Makkabäerbuch, den Vierten Esra sowie den Liber Antiquitatum Biblicarum. In der Regel sind im Studienbuch die einzelnen antiken Schriften oder Sammlungen durch ein einzelnes Gebet repräsentiert. Den Benutzerinnen und Benutzern wird eine knappe Einführung in die jeweilige Schrift geboten, samt einer kurzen Erläuterung des präsentierten Gebetes. In Summa stellt das Gebetsbuch ein (notwendig lückenhaftes) Kompendium antiker jüdischer Schriften und eine kleine „Auswahl-Bibliothek“ der beiden vor- und nachchristlichen Jahrhunderte dar. Philo und Josephus ist deshalb relativ viel Platz eingeräumt, weil sie neben eigenen Gebeten Gebete der „zweiten“ oder „dritten Generation“ bieten. Sie sind als Zeitgenossen der neutestamentlichen Autoren zugleich Repräsentanten der Wirkungsgeschichte jüdischen Betens. Aus pragmatischen Gründen ist die Sammlung auf vorrabbinische und in den „theologischen Grundsprachen“ (Hebräisch, Aramäisch, Griechisch und Lateinisch) verfasste jüdisch geprägte Texte beschränkt. Gebeten kommt in ihren Kontexten unterschiedliche Funktion zu. Häufig erscheinen sie an Schlüsselstellen, charakterisieren die Betenden, erläutern, füllen Leerstellen, bringen die Handlung voran oder haben retardierende Funktion. Beten ist die innigste Form der Begegnung mit Gott. Im Gebet spiegeln sich das Gottesbild wie das Selbstbild der Betenden. Damit bietet die Gebetssammlung zugleich ein Panoptikum antiker jüdischer Theologien und Anthropologien. Christliches Beten und folglich auch christliche Theologie, Anthropologie und Soteriologie sind nicht zuletzt vor diesem Hintergrund (besser) zu verstehen.
A . Gebete in den Texten aus der judäischen Wüste
Angehörige der Essener waren die wichtigsten1, aber nicht die einzigen Verfasser der erhaltenen antiken jüdischen Originalhandschriften aus der judäischen Wüste. Texte und Textfragmente wurden an mehreren Orten im Umfeld des Toten Meeres entdeckt.2 Da die Beziehung zu Gott ein bestimmendes Moment im Leben der meisten schriftstellerisch tätigen Juden in der Antike war, verwundert es nicht, dass sich unter den bewahrten Schriften eine Reihe von Gebeten findet. In den Gebeten spiegelt sich die Vielfalt der Essenergemeinschaft von Qumran.3 Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Schriften der Essenerbibliothek als gemeindespezifisch anzusehen sind. Vergleichbar einer modernen Bibliothek, waren auch Schriften von Gegnern vorhanden, mit denen man sich auseinanderzusetzen hatte. Zugleich ist damit zu rechnen, dass Gebete, die von Essenern mitgebetet wurden, nicht in jedem Fall typische Essenertheologie transportierten. Die Essenertheologie wird man ohnehin vergeblich suchen. Wie jede lebendige und über einen längeren Zeitraum existierende religiöse Gruppe machten auch die Essener Wandlungen durch. Alle erhaltenen Gebete der Essener aufzunehmen, hätte den Rahmen des Studienbuches bei weitem gesprengt. Es hätte dann unter anderem fast die gesamte Rolle der Hodayot (Loblieder) übernommen werden müssen. Im Zusammenhang mit den Liturgien der Qumrangemeinde4 stellt sich die Frage, inwieweit auch sie in eine Gebetssammlung gehören. Da jedoch eines der Ziele des Studienbuches darin besteht, die verschiedenen Formen der verbalen antiken jüdischen Hinwendung zu Gott zu repräsentieren, hat die Berücksichtigung liturgischer Formulare ihre Berechtigung. Neben der Darbietung eines weiten Spektrums an Texten und typischer Beispiele für verschiedene Gebetsformen kommt als ein profanes Kriterium die Lesbarkeit der Frag1 Der Hauptteil der rekonstruierbaren Gebete oder Gebetsabschnitte entstammt dem Einzugsbereich der Siedlung von Qumran. 2 Das letzte Gebet des Kapitels (XHev/Se 6) stammt nicht aus den Höhlen bei Qumran, sondern aus dem ebenfalls am Westufer des Toten Meeres gelegenen Nahal Hever (südlich der Oase Ein Gedi). 3 Es wird davon ausgegangen, dass die Gemeinde von Qumran im ersten Jahrhundert Teil der umfassenderen essenischen Bewegung war und dass Glieder der Gemeinde wichtige Manuskripte ihrer Bibliothek um das Jahr 70 n.Chr. vor den römischen Truppen in Sicherheit brachten. 4 Pars pro toto behandelt die Sammlung unter 5.1 des Qumran-Kapitels eines der Schabbatlieder aus der „Engelliturgie“ in 4Q403 [ShirShabbd] I,1,30–46. Vgl. dazu STEGEMANN, Essener, 141f.
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
mente hinzu. Die gebotenen Materialien sollen es den Benutzerinnen und Benutzern ermöglichen, unabhängig von Fragen der Textrekonstruktion rasch zu inhaltlichen Fragen vorzudringen. Die Darstellung der Gebetstexte folgt hinsichtlich der Zeilenumbrüche dem hebräischen Original. Es werden lediglich dort Zeilenumbrüche ergänzt, wo die deutsche Übersetzung über eine Druckzeile hinausgeht. Hiervon ausgenommen sind der Apokalyptische Hymnus (1QH X[früher II],20–30), welcher an erster Stelle behandelt wird, und der Zionspsalm (Apostrophe für Zion: 11Q5 XXII,1–15; 4Q88 VII,14–VIII,15) im Kapitel der nicht-masoretischen Psalmtexte. Am Apokalyptischen Hymnus wird anhand der Darstellungsform B. Pedrotti Kittels (s.u. S. 12, Anm. 1) exemplarisch die Möglichkeit gezeigt, den Text hinsichtlich angenommener Verse anzuordnen. Der Zionspsalm wird in akrostichischer Anordnung dargestellt: Die Anfangsbuchstaben der 22 Verse entsprechen der Ordnung des hebräischen Alphabetes (Abecedarius).
Literatur ELLEDGE, C.D., The Bible and the Dead Sea Scrolls (ABSt 14), Leiden/Boston 2005. FALK, D.K., Daily, Sabbath, and Festival Prayers in the Dead Sea Scrolls (STDJ 27), Leiden u.a. 1998. GLICKLER CHAZON, E., Prayers from Qumran and Their Historical Implications, in: DSD 1 (1994), 265–284. JEREMIAS, G., Der Lehrer der Gerechtigkeit (StUNT 2), Göttingen 1963. MAIER, J., Die Texte vom Toten Meer, 2 Bde., München/Basel 1960. –, Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, 3 Bde. (UTB 1862/1863/1916), München/Basel 1995/1996 (= QE.TTM). – / SCHUBERT, K., Die Qumran-Essener. Texte der Schriftrollen und Lebensbild der Gemeinde (UTB 224), München/Basel 1982 (= QE.TS). NEWSOM, C.A., “Sectually Explicit” Literature from Qumran, in: W.H. Propp u.a. (Hg.), The Hebrew Bible and its Interpreters (Biblical and Judaic Studies 1), Winona Lake 1990, 167–187. NITZAN, B., Qumran Prayer and Religious Poetry, transl. from the Hebrew by J. Chipman (StTDJ 12), Leiden u.a. 1994. –, (ʯʶʩʰ ʤʤʬʡ), ʦ''ʰʹʺ ʭʩʬʹʥʸʩ ,14 ʺʩʠʸʷʮʤ ʤʩʣʴʥʬʷʩʶʰʠʤ ʺʩʩʸʴʱ .ʤʺʸʹʥ ʯʠʸʮʥʷ ʺʬʩʴʺ, Jerusalem 1996/97. PUECH, É., La croyance des Esséniens en la vie future. Immortalité, résurrection, vie éternelle? Histoire d’une croyance dans le Judaïsme ancien, 2 Bde. (EtB N.S. 21/22), Paris 1993. SCHULLER, E.M., Petitionary Prayer and the Religion of Qumran, in: J.J. Collins / R.A. Kugler (Hg.), Religion in the Dead Sea Scrolls (Studies in the Dead Sea Scrolls and Related Literature), Grand Rapids/Cambridge 2000, 29–45.
A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
–,
5
Some Reflections on the Function and Use of Poetical Texts Among the Dead Sea Scrolls, in: E.G. Chazon (Hg.), Liturgical Perspectives. Prayer and Poetry in Light of the Dead Sea Scrolls. Proceedings of the Fifth International Symposium of the Orion Center for the Study of the Dead Sea Scrolls and Associated Literature, 19–23 January, 2000 (StTDJ 48), Leiden/ Boston 2003, 173–189. STEGEMANN, H., Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus, Nachwort von G. Jeremias (Herder-Spektrum 5881), Freiburg i.Br. u.a. 102007. –, Methods for the Reconstruction of Scrolls from Scattered Fragments, in: L.H. Schiffman (Hg.), Archaeology and History in the Dead Sea Scrolls. The New York University Conference in Memory of Yigael Yadin, published in cooperation with The Hagop Kevorkian Center for Near Eastern Studies at New York University (JSPE.S 8, JSOT/ASORMS 2), Sheffield 1990, 188–220. SUKENIK, E.L., The Dead Sea Scrolls of the Hebrew University, Jerusalem 1955. VANDERKAM, J.C., Einführung in die Qumranforschung. Geschichte und Bedeutung der Schriften vom Toten Meer, übers. von M. Müller (UTB 1998), Göttingen 1998.
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
I. HODAYOT
Eines der Gebetbücher der Essener, die Hodayot, war in Qumran in mehreren Kopien vorhanden.1 Eines der Exemplare ist in vergleichsweise gutem Zustand erhalten. Entdeckt wurde die Rolle 1947. Im Jahre 1956 edierte sie erstmals E.L. Sukenik. Vor allem die Untersuchungen H. Stegemanns ergaben, dass die in der Erstausgabe angenommene Reihenfolge der Kolumnen nicht die ursprüngliche war. Das führt zu unterschiedlichen Zählungen in älteren (z.B. E. Lohse) und neueren Textsammlungen (z.B. F. García Martínez / E.J.C. Tigchelaar). Um den Vergleich mit allen Versionen zu ermöglichen, wird hier die alte Zählung in Klammern mitangeführt.2 Die Loblieder bilden keine literarische Einheit. Laut H. Stegemann handelt es sich bei der Hodayot-Rolle um eine Zusammenstellung mehrerer Einzelsammlungen.3 Die Hodayot enthalten Psalmen, Hymnen und Danklieder von verschiedenen Personen, gesprochen in unterschiedlichen Situationen. Zur Gattungsbestimmung der einzelnen Gebete existieren diverse Vorschläge: Individuelle Danklieder und hymnische Bekenntnislieder (G. Morawe)4 oder Gemeindelieder und Lehrerlieder (H. Stegemann, G. Jeremias, J. Becker, H.-W. Kuhn).5 Der Titel „Danksagungspsalmen“ beschreibt den Geist der Gebete: Dank für Rettung. Es gibt aber auch Passagen, die eher unter der Rubrik „Klage des Einzelnen“ zu subsumieren sind und in denen vergangene oder zu erwartende Not benannt wird. H. Stegemann schreibt die Mehrzahl der Lieder der Kolumnen X–XIX (darunter auch die hier besprochenen) dem Lehrer der Gerechtigkeit zu6 und plädiert für eine Datierung in die zweite Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts. Zu erwägen ist, ob es sich bei den Hodayot um eine für Ergänzungen und neue Lieder offene Sammlung handelte.7
1
Eine Synopse der verschiedenen Fragmente der Hodayot aus Höhle I und IV bietet QE.TTM I, 46f. Eine Gegenüberstellung von alter und neuer Zählung findet sich bei QE.TTM I, 45f. 3 STEGEMANN, Essener, 151: Die Rolle 1QH enthielt „ursprünglich etwa 35 Hymnen“ und ist „gegen Ende des 1. Jh. v. Chr. angefertigt worden“. 4 Vgl. PEDROTTI KITTEL, Hymns, 3. 5 Vgl. QE.TTM I, 47. 6 Vgl. STEGEMANN, Essener, 152. 7 STEGEMANN, Essener, 152, spricht bezogen auf die Hodayot vom „Hauptdokument der spirituellen Frömmigkeit der Essener, ihres Menschen- und Gottesbildes wie ihres Ringens um tiefere Einsicht in Gottes unergründlichen Heilsplan für die ganze Welt.“ 2
I. HODAYOT
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Gemeinsam ist vielen der Lieder die Einleitung: ʩʰʥʣʠ ʤʫʣʥʠ („ich danke dir/preise dich, Herr“). Die Sprache ist poetisch, die Texte lassen sich in Verse und Strophen unterteilen. Von den acht weitgehend vollständig erhaltenen Hymnen der Hodayot1 zeigen drei ein apokalyptisches Gepräge.2
H ebräischer Text PEDROTTI KITTEL, B., The Hymns of Qumran. Translation and Commentary (SBLDS 50), Chico 1981, 34.110 Deutsche Übersetzung LOHSE, E. (Hg.), Die Texte aus Qumran. Mit masoretischer Punktation. Übersetzung, Einführung und Anmerkungen, [Bd. 1:] Hebräisch und Deutsch, Darmstadt 41986 (= 21971), 116– 119.152–155.292f. (= TQu I). Englische Übersetzung GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 1: 1Q1– 4Q273, Leiden u.a. 1997, 163.189 (= DSSSE). Französische Übersetzung DELCOR, M., Les Hymnes de Qumran (Hodayot). Texte Hébreu, Introduction, Traduction, Commentaire (AuBib), Paris 1962. Literatur CHARLESWORTH, J.H., A Prolegomenon to a New Study of the Jewish Background of the Hymns and Prayers in the New Testament, in: JJS 33 (1982), 265–285. HOLM-NIELSEN, S., Hodayot. Psalms from Qumran (AThD 2), Aarhus 1960.
1
Außer den in der folgenden Anm. genannten Hymnen sind es: 1QH XV[= VII],26–33; XIX[= XI],3– 14. Größere Lücken haben: 1QH VI[= XIV],8–22; XV[= VII],6–25; XVII[= IX],37–XVIII[= X],12. 2 1QH X[= II],20–30; XI[= III],19–36; XIII[= V],5–19. Vgl. PEDROTTI KITTEL, Hymns, 33. Auch ein Teil der fragmentarisch erhaltenen Texte ist apokalyptisch geprägt.
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
KUHN, H.-W., Enderwartung und gegenwärtiges Heil. Untersuchungen zu den Gemeindeliedern von Qumran mit einem Anhang über Eschatologie und Gegenwart in der Verkündigung Jesu (StUNT 4), Göttingen 1966. LOHFINK, N., Lobgesänge der Armen. Studien zum Magnifikat, den Hodajot von Qumran und einigen späten Psalmen. Mit einem Anhang: Hodayot-Bibliographie 1948–1989 von U. Dahmen (SBS 143), Stuttgart 1990. MANSOOR, M., The Thanksgiving Hymns. Translated and Annotated with an Introduction (StTDJ 3), Leiden 1961. MERRILL, E.H., Qumran and Predestination. A Theological Study of the Thanksgiving Hymns (StTDJ 8), Leiden 1975. MORAWE, G., Aufbau und Abgrenzung der Loblieder von Qumrân. Studien zur gattungsgeschichtlichen Einordnung der Hodajôth (ThA 16), Berlin 1961. PUECH, É., Quelques aspects de la restauration du Rouleau des Hymnes (1QH), in: JJS 39 (1988), 38–55. SCHULLER, E.M. / NEWSOM, C.A., The Hodayot (Thanksgiving Psalms). A Study Edition of 1QHa (EJIL 36), Atlanta 2012. STEGEMANN, H., with E. Schuller (Hg.), 1QHodayota. With Incorporation of 1QHodayotb and 4QHodayota–f, Translation of Texts by C. Newsom (DJD XL), Oxford 2009. –, Rekonstruktion der Hodayot, Diss. Heidelberg 1960 (unveröffentlicht).
1. APOKALYPTISCHER HYMNUS (1QH X,20–30)
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1. Apokalyptischer Hymnus (1QH X[früher II],20–30)1 1.1. EINFÜHRUNG Bei dem Gebet in 1QH X[= II],20–30 handelt es sich um einen der am besten erhaltenen Texte der gesamten Rolle. Auch wenn Paralleltexte aus anderen Höhlen zu diesem Abschnitt bisher nicht identifiziert werden konnten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Gebet auch in anderen Schriftrollen vorhanden war, denn Fragmente aus den Höhlen I und IV beinhalten Passagen der unmittelbar vorausgehenden und nachfolgenden Hymnen.2 Wird das individuelle Danklied in 1QH X,20–30 den vom Lehrer der Gerechtigkeit verfassten Lehrerliedern zugerechnet, dann ist es auf die zweite Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts zu datieren.3 J. Maier hält Aussagen über die Verfasserfrage für nicht beweisbar. Er spricht sich dafür aus, das „Ich“ der Hymnen wie das „Ich“ der Psalmen als repräsentatives „Ich“ zu verstehen.4 Das hätte der gesamten Gemeinde ermöglicht, das Gebet mitzusprechen. Der Beter weiß sich „eingebunden in das Bündel des Lebens“ (1QH X,20) und sieht sich selbst in Analogie zu dem Mann aus Ps 1: Er hält am Bund mit Gott fest (Z. 21f.), während ihn eine „lügnerische Versammlung“ und eine „nichtsnutzige Gemeinde“5 bedrängen. Ein Bewusstsein eigener Schuld kommt in seinem Lied nicht zum Ausdruck. Folglich sind auch das Handeln der Frevler und das Leid, das sie über den Betenden bringen, nicht als Strafe Gottes gedeutet. Die Feinde sind Instrument Gottes. Sie handeln mit seiner Erlaubnis (Z. 23) und ihr Tun ist Ausdruck des endzeitlichen Gerichtes (Z. 25–28). Die Feinde sind übermächtig und ihre Waffen sind unbedingt („unheilbar“) zerstörerisch (Z. 26). Ihr Toben wird mit Sintflut- und Chaos-Wassern verglichen (Z. 27f.) und wirkt sich bis an die Sterne aus (Z. 27). Die kosmologisch-endzeitlichen Vorgänge, die durch das Tun der Frevler über den Beter hereinbrechen, dienen als Machterweis Gottes und zu seiner Verherrlichung (Z. 24). Im Unterschied zu Jer 51,55 richtet sich die kosmische Katastrophe nicht primär gegen die Frevler. Aufgrund des beschriebenen Szenarios wird das Lied mit Recht den apokalyptischen Hymnen der Hodayot zugeordnet. Der Betende wird nicht wegen seines Festhaltens am
1
QE.TTM I, 65f.; TQu I, 116–119; DSSSE, 162f.; DSPh, 239f. 1QH X [=II],3–7.33–39; 4Q432, Frg. 3,1–5; 4Q428, Frg. 20,1–9. 3 STEGEMANN, Essener, 152. 4 QE.TTM I, 47f. 5 Mögliche Übersetzungsalternative: „Rat der Leere“ und „Gemeinde Belials“. 2
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A.I. HODAYOT
Bund gerettet, sondern die Bedrängnisse geschehen, weil er sich zu Gott hält und weil so Gottes Macht offenbar wird (Z. 24). Der Beter selbst gerät in Angst (Z. 28), doch anders als in Ps 73,2 ist er nicht angefochten und verunsichert. Er steht fest im Bund mit Gott und die Frevler werden durch ihre eigenen Netze zu Fall kommen (Z. 29). Umgeben von Frevlern, das heißt mitten in apokalyptischen Geschehnissen, will der Beter Gott preisen. Im Unterschied zu Ps 26,12 ist in 1QH X,30 vom Lobpreis aus ihrer Gemeinde (d.h. der Gemeinde der Feinde1) anstatt aus der Gemeinde (des Frommen) die Rede. Ein konkreter Bezug des Liedes auf eine identifizierbare historische Situation ist nicht erkennbar. Vielmehr spiegelt der Hymnus das Selbstverständnis eines Menschen, der sich inmitten endzeitlicher Bedrängnis seines Bundes mit Gott gewiss ist.2
1
Vgl. Ps 23,5b. QE.TTM I, 71: Die „Aussagen sind daher allgemeingültig, was durch eine Veränderung gegenüber ähnlichen alttestamentlichen Dank- oder Klageliedern des Einzelnen deutlich wird: die geschilderte Notlage des Beters ist oft keine zeitliche Bedrängnis mehr, sondern eine Darstellung der endzeitlichen Schrecknisse, die gelegentlich auch in eine Beschreibung der endzeitlichen Weltkatastrophe übergeht.“ 2
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A.I. HODAYOT
1.2. HEBRÄISCHER TEXT1 ʩʰʥʣʠ ʤʫʣʥʠ [20] ʭʩʩʧʤ ʸʥʸʶʡ ʩʹʴʰ ʤʺʮʹ ʩʫ ʺʧʹ ʩʹʷʥʮ ʬʥʫʮ ʩʣʲʡ ʪʥʹʺʥ [21] ʩʹʴʰ ʥʹʷʡ ʭʩʶʩʸʲ [ʩʫ] 2 ʤʪʺʩʸʡʡ [22] ʩʫʮʥʺʡ
1
ʬʲʩʬʡ ʺʣʲʥ ʠʥʹ ʣʥʱ ʩʣʮʲʮ ʤʫʺʠʮ ʠʩʫ ʥʲʣʩ ʠʬ ʩʹʴʰ ʲʩʹʥʺ ʤʫʩʣʱʧʡʥ ʩʣʲʶʮ ʤʫʺʠʮ ʠʩʫ
ʤʮʤʥ
ʩʹʴʰ ʬʲ [24] ʥʸʢ 3{ʤʫʺʠ}ʮ ʭʩʲʹʸ ʨʴʹʮʡ ʤʫʣʡʫʤ ʸʥʡʲʡ ʭʣʠ [25] ʩʰʡ ʣʢʰ ʩʡ ʤʫʸʩʡʢʤʥ ʩʣʮʲ ʤʫʣʱʧʡ ʠʩʫ
ʤʮʤʥ
ʭʩʸʥʡʢ ʩʬʲ ʥʰʧ ʩʺʸʮʠ ʭʺʥʮʧʬʮ ʩʬʫ [26] ʬʫʡ 4ʭʩʡʡʱ ʠʴʸʮ ʯʩʠʬ ʭʩʶʧ ʥʸʴʩʥ ʭʩʶʲ ʺʬʫʥʠ 5ʹʠʡ ʺʩʰʧ ʡʥʤʬʥ
ʩʰʠʥ
[23]
Text und Aufteilung des Hymnus in Verse und Strophen folgen der Ausgabe von PEDROTTI KITTEL, Hymns, 34. Die Ziffern im Psalm bieten die übliche Zeilenzählung des Manuskripts. 2 Z. 22: PEDROTTI KITTEL, Hymns, 34, interpretiert das auch in 1QH XV[= VII],29 innerhalb eines Wortes begegnende Schlusskaph als „a simple slip of the pen“. Mindestens ebenso überflüssig wie das Schlusskaph ist das He im Suffix der 2. Pers. Sg. m. (ʤʪʺʩʸʡʡ). In Z. 28 heißt es in Übereinstimmung mit der üblichen Schreibweise: ʪʺʩʸʡʡ. Bei der Anfügung des Hes an das Schlusskaph dürfte es sich um eine bewusste Absicherung der korrekten Lesung des heiligen (unpunktierten) Textes handeln. 3 Z. 23: In die durch den Schreiber gelassene Lücke wurde von anderer Hand ʤʫʺʠ nachgetragen. 4 Z. 25: Text wie DSSSE, 162. L, 118, bietet als Text ʭʥʡʡʱ und schlägt in einer Anmerkung vor, ʩʰʥʡʡʱ zu lesen. 5 Z. 26: L, 118, und DSSSE, 162, schlagen vor, ʹʠʫ zu lesen.
1. APOKALYPTISCHER HYMNUS (1QH X,20–30)
13
1.3. ÜBERSETZUNG [20] [LÜCKE] Ich danke dir, Herr, denn Denn
Sie aber
du hast gelegt meine Seele in das Bündel des Lebens1 [21] und beschütztest2 mich vor allen Fallen der Grube.3 Gewalttätige trachten nach meiner Seele,4 während ich festhalte [22] an deinem Bund. sind eine lügnerische Versammlung und eine nichtsnutzige5 Gemeinde. Nicht haben sie erkannt, dass durch dich mein Stand ist,6 [23] und durch deine Gnade7 wirst du retten meine Seele. Denn durch dich sind meine Schritte.8
Sie aber – durch {dich} fangen sie Streit an [24] gegen meine Seele, damit du verherrlicht wirst durch das Gericht an den Gottlosen9 und du dich stark machst an mir gegen die [25] Menschen. Denn durch deine Gnade ist mein Stand. Ich aber sagte: Es lagerten sich gegen mich Starke ringsum mit allen [26] ihren Kriegsgeräten, und es schießen Pfeile ohne Rettung, und die Lanzenspitze10 ist wie Feuer, das Bäume frisst.
1
Vgl. 1 Sam 25,29. Vgl. Ijob 1,10. 3 Statt von ʺʧʹ ʩʹʷʥʮ („Fallen der Grube“) spricht Ps 18,6 von ʺʥʮ ʩʹʷʥʮ („Fallen des Todes“). 4 Vgl. Ps 54,5; 86,14. 5 Vgl. Spr 19,28. 6 Vgl. Ps 1,1. 7 Die Pluralform erlaubt die alternative Übersetzung „Gnadentaten“. 8 Vgl. Ps 37,23; Spr 20,24. 9 Vgl. Ps 1,5. 10 ʡʤʬ und ʺʡʤʬ bezeichnen neben der Flamme (Ri 13,20; Ez 21,3) auch die Klinge einer Waffe (Ri 3,22; 1 Sam 17,7). ʡʥʤʬ ist in den Schriften des Alten Testaments nicht belegt (vgl. aber TJon zu Nah 3,3). 2
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ʭʬʥʷ ʯʥʠʹ ʭʩʡʸ ʭʩʮ ʯʥʮʤʫʥ ʭʩʡʸ ʺʩʧʹʤʬ ʭʸʦ1 ʵʴʰ ʭʤʩʬʢ ʭʮʥʸʺʤʡ ʠʥʹʥ ʤʲʴʠ [28] ʥʲʷʡʩ ʺʥʸʥʦʮʬ
[27]
ʭʩʮʫ ʩʡʬ ʱʥʮʡ ʩʰʠʥ ʪʺʩʸʡʡ ʩʹʴʰ ʷʦʧʺʥ ʭʬʢʸ ʣʥʫʬʺ ʩʬ ʥʹʸʴ ʺʹʸ ʭʤʥ [29] 2 [vacat] ʭʡ ʥʬʴʰ ʩʹʴʰʬ ʥʰʮʨ ʭʩʧʴʥ 4
ʸʥʹʩʮʡ ʤʣʮʲ ʩʬʢʸʥ3 [vacat] ʤʫʮʹ ʤʫʸʡʠ ʭʬʤʷʮ [30]
Z. 27: Text wie DSSSE, 162. PEDROTTI KITTEL, Hymns 34, erklärt, auf der Fotografie sei ein ʥ vor ʭʸʦ erkennbar (so auch bei L, 118). Auf der mir vorliegenden Aufnahme lässt sich kein Waw identifizieren. 2 Z. 29: Der Rest der Zeile ist freigelassen; nach einer Lücke folgt der Nachtrag (s. folgende Anm.). Der Schlusssatz setzt in einer neuen Zeile an (Z. 30). 3 Z. 29: ʸʥʹʩʮʡ ʧʣʮʲ ʩʬʢʸʥ ist am linken Rand der Kolumne nachgetragen. 4 Z. 30: Der Rest der Zeile ist freigelassen. Das nächste Loblied beginnt mit der üblichen Einleitungsformel ʩʰʥʣʠ ʤʫʣʥʠ in Z. 31. 1
1. APOKALYPTISCHER HYMNUS (1QH X,20–30)
[27]
15
Und wie das Toben großer Wasser ist das Getöse ihrer Stimme,1 das Herabbrechen eines Regensturms,2 um zu töten viele. Zu den Sternen brechen hinaus [28] Wahn und Trug,3 wenn sich erheben ihre Wellen.
Ich aber, während zerschmilzt mein Herz wie Wasser,4 hält meine Seele fest an deinem Bund. [29] Sie aber ein Netz breiteten sie aus wider mich, das fing ihren Fuß. Und Fallen versteckten sie wider meine Seele, in die sie fielen.5 [LÜCKE] {Und mein Fuß steht auf ebenem Boden.}6 [30] Aus ihrer Versammlung will ich preisen deinen Namen.7 [LÜCKE]
1
Vgl. Jer 51,55. Vgl. Jes 30,30. 3 L, 292, Anm. 8, sieht hier eine Anspielung auf Jes 59,5. Dagegen meint J. Maier, die Wendung sei kaum „von Is 59,5 her zu erklären. Hier ist vielmehr eine kosmologisch-eschatologische Szenerie“ (QE.TTM I, 66, Anm. 195). 4 Vgl. Ps 22,15; 1QH XII [= IV],33. 5 Vgl. Ps 7,16; 9,16; 35,7f.; 57,7; Spr 26,27. 6 Nachtrag des hebräischen Textes am linken Rand. 7 Leicht variiertes Zitat aus Ps 26,12. 2
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2. Danksagungshymnus (1QH XIX[früher XI],3–14)1 2.1. EINFÜHRUNG Bei dem Danklied aus 1QH XIX[= XI] handelt es sich um einen in Wortwahl und Aufbau durchkomponierten eigenständigen Hymnus. Die Zahl der Zitate ist geringer als im zuvor behandelten apokalyptischen Hymnus (1QH X,20–30). Alttestamentliche Wendungen und Fragen, die sich aus der biblischen Tradition ergeben, dienen als Ausgangspunkte für neue Antworten. Gewicht erhalten die Bezüge innerhalb des Hymnus: Zentrale Begriffe werden z.T. mehrfach aufgegriffen.2 Im Anschluss an die Einleitungsformel3 benennt der Beter das den Hymnus prägende Thema: Gott handelt wunderbar am Staub.4 1QH XIX versucht eine Antwort auf die Frage zu geben, wie das unwürdige Geschöpf seinen Schöpfer überhaupt preisen kann. Gott verherrlicht sich selbst (Z. 3), indem er seine Worte in den Mund des Betenden gibt (Z. 4f.), ihn belehrt (Z. 4) und ihn zum Lobpreis befähigt (Z. 5). Gott erweist darin seine Macht (Z. 5.8), dass er sich seiner Geschöpfe erbarmt (Z. 9) und sie als Kinder seines Wohlgefallens (Z. 9)5 heiligt (Z. 10f.), reinigt (Z. 10f.), erhebt (Z. 12) und sie seine Wahrheit wissen lässt (Z. 4.7–11; vgl. Dan 9,13b). Macht (ʸʥʡʢʤ, ʧʥʫ, Z. 8; vgl. Z. 3) und Ehre Gottes (ʣʥʡʫ, Z. 6.8.10; vgl. Ps 115,1) stehen der geschöpflichen Niedrigkeit gegenüber (z.B. Z. 3.12). Der Beter führt unter diesem Leitthema mehrere (alttestamentliche) Traditionen zusammen: Die Frage aus Ps 8,5 („was ist der Mensch, dass…?“)6 bezieht er auf sich selbst (Z. 3f.: „Was bin ich…?“): An die Stelle der Fortsetzung („dass du seiner gedenkst…“)7 tritt in Z. 3f.: „… dass du mich belehrst im Geheimnis deiner Wahrheit.“8 Die Frage aus Ps 30,109 wird in Z. 3 und Z. 9–12 positiv gewendet.10 Der 30. Psalm erwartet als Antwort: Nicht der Staub (d.h. die Toten), sondern nur die Lebenden preisen Gott.11 Indem der Beter vom „Wurm der Toten“ spricht, der aus dem Staub erhoben 1
QE.TTM I, 99f.; TQu I, 152–155; DSSSE, 188f.; DSSR V, 52; DSPh, 276–278. ʸʴʲ (1QH XIX,3.12), ʺʮʠ (Z. 4.7.9.11), ʣʥʡʫ (Z. 6.8.10), ʩʴ (Z. 4.7), ʤʰʸ (Z. 5.14), ʣʥʱ (Z. 4.9.12), ʠʬʴ (Z. 4.10; vgl. Z. 3: ʤʺʬʴʤ), ʤʸʡʢ (Z. 3.5.8), Derivate von ʲʣʩ (Z. 4.7–9.14). 3 XIX,3; ʩʬʠ ʤʫʣʥʠ: „Ich danke dir, mein Gott“. 4 ʸʴʲ; XIX,3.12; vgl. Gen 2,7. 5 ʤʫʰʥʶʸ ʩʰʡ; vgl. Ps 143,10; Lk 2,14. 6 Ps 8,5a: ʚʩʫ ˇʥʰʠʚʤʮ 7 Ps 8,5b: ʥʰʣʷʴʺ ʩʫ ʭʣʠʚʯʡʥ ʥʰʸʫʦʺʚʩʫ 8 ʤʫʺʮʠ ʣʥʱʡ ʩʰʺʲʣ[ʥʤ] ʠʩʫ ʤʮ ʩʰʠʥ. In Z. 9c greift der Beter den Wortlaut aus Z. 4a fast wörtlich auf. 9 ʪʺʮʠ ʣʩʢʩʤ ʸʴʲ (Ps 30,10c): „Wird Staub deine Wahrheit verkünden?“ 10 Dank für die wunderbare Erschaffung aus Staub, wodurch sich Gott verherrlicht. 11 Ähnlich loben laut Jes 38,18f. nicht die Toten, sondern die Lebenden die Wahrheit Gottes. 2
2. DANKSAGUNGSHYMNUS (1QH XIX,3–14)
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wurde (Z. 12; vgl. Ps 22,7), stellt er eine Verbindung her zwischen dem Staub, aus dem er gebildet ist, und dem Staub, zu dem er vergeht (Gen 3,19). Er als ein Gebilde von Staub ist es, durch den Gott seine Wahrheit aufrichtet (Z. 4.7.9.11). Im Unterschied zum apokalyptischen Hymnus in 1QH X,20–30 werden die Feinde des Beters im Loblied 1QH XIX,3–14 keiner Erwähnung für wert erachtet. Im apokalyptischen Psalm stehen auf der einen Seite die Feinde und auf der anderen Seite Gott und der Beter. Im Lobhymnus stehen sich Gott als Schöpfer und der Beter als sein Geschöpf gegenüber. Im apokalyptischen Psalm verherrlicht sich Gott durch das Gericht über die Feinde, im Lobhymnus verherrlicht er sich, indem er sein Geschöpf zum Lob befähigt.
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2.2. HEBRÄISCHER TEXT1 ʸʴʲ ʭʲ ʤʺʬʴʤ ʩʫ ʩʬʠ ʤʫʣʥʠ [3] ʤʣʥʮ 2 ʤʣʥʮ ʤʺʸʡʢʤ ʸʮʧ ʸʶʩʡʥ ʠʩʫ ʤʮ ʩʰʠʥ ʤʫʺʮʠ ʣʥʱʡ 3ʩʰʺʲʣ[ʥʤ] [4] ʤʫʠʬʴ ʩʹʲʮʡ ʩʰʬʩʫʹʺʥ ʩʰʥʹʬʡʥ ʺʥʣʥʤ ʩʴʡ ʯʺʺʥ ʤʰʸ ʯʥʫʮʡ ʩʺʴʹ 4ʬʦʮʥ ʤʬʤʺ [5] ʤʫʩʣʱʧʡ ʤʸʮʦʠʥ ʬʥʫ ʤʧʧʥʹʠ ʤʫʺʸʥʡʢʡʥ ʤʫʮʹ ʤʫʸʡʠ ʣʩʮʺ ʭʥʩʤ [6] ʭʣʠ ʩʰʡ ʪʥʺʡ ʤʫʣʥʡʫ ʤʸʴʱʠʥ ʤʫʡʥʨ ʡʥʸʡʥ ʩʺʲʣʩ ʩʰʠʥ ʩʹʴʰ ʲʹʲʺʹʺ [7] ʤʷʣʶ ʤʫʣʩʡʥ ʤʫʩʴ ʺʮʠ ʩʫ ʤʫʺʡʹʧʮʡʥ ʤʸʥʡʢ ʬʥʫ ʤʫʧʥʫʡʥ ʤʲʣ ʬʥʫ [8] ʲʢʰ ʩʨʴʹʮ ʬʥʫ ʤʫʴʠʡ ʠʥʤ ʤʫʺʠ ʣʥʡʫ ʬʥʫʥ ʺʥʧʩʬʱ ʡʥʸ ʤʫʡʥʨʡʥ [9] ʤʫʰʥʶʸ ʩʰʡ ʬʥʫʬ ʤʫʩʮʧʸʥ ʤʫʺʮʠ ʣʥʱʡ ʭʺʲʣʥʤ ʩʫ
1 Text nach DSSSE, 188. PEDROTTI KITTEL, Hymns, 110, unterteilt den Text in drei Strophen und einen Refrain in den Zeilen 3f. und 9. 2 TQu I, 152: „= ʤʣʠʮ“. 3 TQu I, 152, und DSSR V, 52, bieten bzw. ergänzen ʩʰʺ[ʥʰʩʡʤ] bzw. ʩʰʺʥ[ʰʩʡʤ]. 4 So die von den meisten Herausgebern favorisierte Lesung anstelle von ʬʥʮ (so PEDROTTI KITTEL, Hymns, 110). Vgl. QE.TTM I, 99.
2. DANKSAGUNGSHYMNUS (1QH XIX,3–14)
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2.3. ÜBERSETZUNG [3] Ich danke dir, mein Gott, dass du hast gehandelt wunderbar mit Staub, und mit dem Gebilde des Lehms1 hast du dich sehr sehr verherrlicht. Und ich, was (bin ich),2 dass [4] du mich belehrt hast im Geheimnis deiner Wahrheit und du mir Einsicht gegeben hast in deine Wundertaten? Und gegeben hast du in meinen Mund Dankesworte und auf meine Zunge3 [5] Lob. Und der Ausfluss4 meiner Lippen ist am Ort des Jubels. Und ich will singen von deiner Gnade, und über deine Stärke will ich nachsinnen den ganzen5 [6] Tag. Immer will ich segnen deinen Namen, und ich will erzählen deine Ehre unter den Söhnen der Menschen. Und an der Fülle deiner Güte [7] soll sich erfreuen meine Seele. Und ich habe erkannt, dass Wahrheit dein Mund ist und in deiner Hand Gerechtigkeit und in deinem Denken [8] alles Wissen und in deiner Kraft alle Stärke und alle Ehre, bei dir ist sie. Durch deinen Zorn sind alle Gerichte der Plage6 [9] und durch deine Güte die Fülle der Verzeihungen, und dein Erbarmen ist für alle Söhne deines Wohlgefallens.7 Denn du hast sie wissen lassen über das Geheimnis deiner Wahrheit.
1
Vgl. 1QH XVIII[= X],5–7; 1QH XI[= III],21. Vgl. 1QH XVIII[= X],3; 1QH XI[= III],23f. 3 Vgl. 1QH XVIII[= X],6f. 4 Sofern ʬʥʮ und nicht ʬʦʮ gelesen wird, steht der Beter im Gegensatz zu Mose, der sich als Mann „mit unbeschnittenen Lippen“ bezeichnete (Ex 6,12.30; vgl. 1QH X[= II],7). Gott als derjenige, der die Loblieder in den Mund des Betenden gibt, wäre dann derjenige, der die Lippen beschnitten hat. 5 Vgl. Ps 143,5. 6 Das Plagegericht wird der Fülle der Verzeihungen gegenübergestellt (Z. 5.9). In 1QH X[= II],24 diente das Gericht der Verherrlichung. In 1QH XIX[= XI],3 verherrlicht sich Gott durch sein Handeln am Staub. 7 Vgl. 1QH XII[= IV],32f.; Lk 2,14; MAIER, Texte II, 105: „Wohlgefallen ist Begriff des Erwählung- [sic!] und Prädestinations-Denkens (vgl. X[= XVIII],5–7; 1QS III,15–17; IV,15–26; VIII,6; XI,7f.).“ 2
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[vacat] ʭʺʬʫʹʤ ʤʫʠʬʴ ʩʦʸʡʥ [10] ʲʹʴʮ ʹʥʰʠ ʤʺʸʤʨ ʤʫʣʥʡʫ ʯʲʮʬʥ ʹʣʷʺʤʬ ʤʣʰ ʺʥʡʲʥʺ ʬʥʫʮ ʤʫʬ [11] ʪʺʮʠ ʩʰʡ [ʭ]ʲ 1ʣʧʩʤʬ ʬʲʮ ʺʮʹʠʥ ʭʲ ʬʸʥʢʡʥ ʭʩʺʮ ʺʲʬʥʺ ʸʴʲʮ ʭʩʸʤʬ ʤʫʩʹʥʣʷ [12] [ʤʫ]ʺʰʩʡʬ ʤʥʲʰ ʧʥʸʮʥ [ʭʬʥ]ʲ ʣʥʱʬ ʣʲ ʠʡʶ ʭʲ ʤʫʩʰʴʬ ʣʮʲʮʡ ʡʶʩʺʤʬʥ [13] ʬʥʫ ʭʲ ʹʣʧʺʤʬ 2[...]ʩʧʥʸʥ [vacat] ʤʰʸ ʣʧʩʡ ʭʩʲʣʩ ʭʲʥ ʤʩʤʰ [14]
1 2
TQu I, 154, PEDROTTI KITTEL, Hymns, 110, und DSSR V, 52, bieten ʣʧʥʤʬ. Ergänzungen: TQu I, 154: ʺʲʣ; PEDROTTI KITTEL, Hymns, 110: ʭʬʥʲ; DSSR V, 52: ʺʮʠ.
2. DANKSAGUNGSHYMNUS (1QH XIX,3–14)
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[10] Und über die Verborgenheiten deines Wunders hast du ihnen Einsicht gegeben [LÜCKE]. Und für deine Ehre hast du gereinigt den Menschen vom Verbrechen, damit er sich heilige [11] für dich von allen Gräueln der Unreinheit und der Schuld der Untreue, (um) vereinigt zu werden mit den Söhnen deiner Wahrheit und im Los mit [12] deinen Heiligen. (Um) zu erheben aus Staub den Wurm der Toten1 zum e[wigen] Rat und vom Geist der Verdrehtheit zu [deiner] Erkenntnis; [13] und sich hinzustellen im Stand vor dir mit dem ewigen Heer und den Geistern2 […3/ der Wahrheit4 / des Wissens5]; (um) sich zu erneuern mit allem, [14] was sein wird, und mit den Wissenden in gemeinsamem Jubel.6 [LÜCKE]
1
Parallel: 1QH XIV (= VI),34; TQu I, 293 Anm. 30: „Bezeichnung für die Niedrigkeit und Hinfälligkeit des Menschen.“ Vgl. 1QM XI,13; Ps 113,7. 1QH XI (= III),19. 2 1QH XI (= III), 21f. 3 DSSSE, 188f. 4 Vgl. DSSR V, 52. 5 TQu I, 155; QE.TTM I, 100. 6 Nach Z. 14 bricht der Text ab. Der weitere Verlauf und die Länge des ausgefallenen Schlusses sind unklar.
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
II. GENESISAPOKRYPHON
Bei dem Genesisapokryphon1 (1Q20 und 1QapGen ar2) handelt es sich um ein aramäisch verfasstes und nicht originär essenisches Werk.3 Der Text ist auf Leder geschrieben, die eisenhaltige Tinte hat das Material stark zerfressen. Vergleichsweise gut erhalten sind die Kolumnen II und XIX–XXII. Die Handschrift ist um die Wende vom ersten vorchristlichen zum ersten nachchristlichen Jahrhundert verfasst. Während A. Lange mit anderen in XXI,23f. eine historische Anspielung erkennt4 und auch die Entstehung des Textes im ersten vor- oder nachchristlichen Jahrhundert ansetzt, hält H. Stegemann das dritte vorchristliche Jahrhundert für wahrscheinlich. Ob in 4Q538 ein weiteres Fragment aus späteren Teilen des Manuskriptes vorliegt,5 ist umstritten.6 Inhaltlich handelt es sich, ähnlich wie beim Jubiläenbuch, um eine ausschmückende Nacherzählung von Teilen der Noah- und der Vätergeschichte. Sie setzt ein mit dem Bericht Lamechs über die Geburt Noahs (II–V). Laut H. Stegemann umfasste das Apokryphon den Textbestand der Genesis bis mindestens Gen 25.7 Nachweisbar sind Bezüge auf Gen 5,28–15,4. Der Beginn und das Ende der Rolle sind nicht erhalten. Das Genesisapokryphon nimmt Anleihen beim Äthiopischen Henoch und beim Jubiläenbuch. A. Lange klassifiziert 1QGenAp XIX,10–XX,32 als „eine Gen 12,10ff. entfaltende weisheitliche Lehrerzählung […], um eben diese Erzählung von der Gefährdung der Ahnfrau auszulegen.“8 Den weiteren Kontext, 1QGenAp XIX,7–10; XX,33–XXI,4, sieht A. Lange als „ein Itinerar, das die Reisen Abrahams im Land und nach Ägypten schildert.“9 K. Berger macht aufmerksam auf Parallelen in der Chronologie zwischen Jub XIII,11 und 1QGenAp XIX,23.10 1
QE.TTM I, 212, kritisiert die Bezeichnung als unzutreffend. QE.TTM I, 211, kürzt ab: 1QGenAp. 3 LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 47; STEGEMANN, Essener, 139f. 4 LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 47, sieht darin einen Hinweis auf die Teilung des Partherreiches im Jahre 91 v.Chr. 5 So BEYER, in: ATTM, 187. 6 DSSSE, 1077, klassifizieren 4Q538 als dem aramäischen Testament Judas zugehörig. 7 STEGEMANN, Essener, 140. 8 LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 47. 9 LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 47. 10 BERGER, JSHRZ II/3, 398, Anm. 11e. 2
II. GENESISAPOKRYPHON
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Die Erweiterungen des Genesisapokryphons gegenüber der biblischen Vorlage füllen häufig „Leerstellen“ des Originals. So geht aus Gen 12,10–20 nicht hervor, wie lange sich Sarai bei Pharao aufhielt. Auch spricht die Genesiserzählung nicht ausdrücklich über das Ergehen Sarais im Hause Pharaos. Das Apokryphon bietet dafür Erklärungen: Laut 1QGenAp XIX,23 hält sich Sarai fünf Jahre lang am Hofe Pharaos auf. Die in Gen 12,17 erwähnten Plagen für Pharao und sein Haus deutet das Apokryphon als Impotenz und Folge des Gebets Abrams (GenAp XX,16f.).1 Im weiteren Verlauf des Apokryphons (1Q20 XX,28f.) betet Abram für die Heilung Pharaos und legt ihm die Hände auf: ʤʹʩʠʸ ʬʲ ʩʣʩ ʺʫʮʱʥ ʩʤʥʠʴʸ [ʬʲ] ʩ[ʤʥ]ʬʲ ʺʩʬʶʥ. Jüdisches Beten zugunsten von Feinden begegnet in unterschiedlichen jüdischen Textgruppen: im Alten Testament (Gen 20,7.17; 2 Kön 6,18–20; vgl. Spr 25,11), in den Apokryphen (2 Makk 3,29), den Pseudepigraphen (TestXII.Jos XVIII,2),2 in Qumran (GenAp XX,21f.28f.), bei Josephus (A.J. 1 § 210; 9 § 56f.),3 im Neuen Testament (Apg 9,17; vgl. Lk 23,34; Q 6,28) und in den Rabbinica (bBer 10a).4 Einige Gebete gegen die Feinde dienen zu deren Rettung und stehen Rachegedanken fern, z.B. Elisas Gebet um Verblendung feindlicher Soldaten (2 Kön 6,18), die Klage des Volkes angesichts der drohenden Tempelschändung durch Heliodor (2 Makk 3,18–22) und das obenstehende Gebet Abrams gegen Pharao (1Q20 XX,12–16). Jeweils im Anschluss an die erwähnten Gebete gegen die Feinde folgt ein rettendes Gebet für sie.
A ramäischer Text BARTHÉLEMY, D. / MILIK, J.T. (Hg.), Qumran Cave 1 (DJD I), Oxford 2003 (= 1955), 97–99. Deutsche Übersetzung BEYER, K., Die aramäischen Texte vom Toten Meer samt den Inschriften aus Palästina, dem Testament Levis aus der Kairoer Genisa, der Fastenrolle und den alten talmudischen Zitaten.
1
Auch PHILO, Abr., 96–98, spricht von der Bewahrung der Keuschheit Sarais, ohne jedoch ein Gebet Abrams zu erwähnen. Vgl. das Gebet Sarais in BerR Par. 41 zu Gen 12,17. 2 In TestXII.Jos XVIII,2 erscheinen Gutestun und Fürbitte synonym: „Und wenn euch jemand Böses zufügen will, so betet ihr durch Gutestun für ihn, und ihr werdet von allem Bösen vom Herrn befreit werden.“ Entstehung nach 198 v.Chr. und vor 200 n.Chr. Vgl. BECKER, JSHRZ II/1, 128. 3 Vgl. das bei Josephus überlieferte Gebet des Onias zu Gott. Er bittet, Gott möge keiner der beiden feindlichen Parteien beistehen und bezahlt das Gebet mit seinem Leben (A.J. 14 § 24). 4 Auf der Basis von Ps 104,35 wird in bBer 10a (ca. 5. Jh.) argumentiert, es sei gefordert, gegen die Sünden, nicht aber gegen die Sünder zu beten. Hört Ersteres auf, dann sind auch die Menschen, die einem begegnen, keine Sünder mehr. Vgl. bAr 10b; bSan 39b.
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
Aramaistische Einleitung, Text, Übersetzung, Deutung. Grammatik/Wörterbuch. Deutscharamäische Wortliste. Register, Göttingen 1984, 175 (= ATTM). Englische Übersetzung GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 1: 1Q1– 4Q273, Leiden u.a. 1997, 41.43 (= DSSSE). Französische Übersetzung DUPONT-SOMMER, A., Apocryphe de la Genèse, in: ders. / M. Philonenko (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 387–399 (= DSPh). Literatur AVIGAD, N. / YADIN, Y. (Hg.), A Genesis Apocryphon. A Scroll from the Wilderness of Judaea. Description and Contents of the Scroll. Facsimilies, Transcription and Translation of Columns II, XIX–XXII, translated from Hebrew by S. Schwartz Nardi, Jerusalem 1956. BERGER, K., Das Buch der Jubiläen (JSHRZ II/3), Gütersloh 1981. BERNSTEIN, M.J., Re-Arrangement, Anticipation and Harmonization as Exegetical Features in the Genesis Apocryphon, in: DSD 3 (1996), 37–57. FITZMYER, J.A., The Genesis Apocryphon of Qumran Cave 1 (1Q20). A Commentary (BibOr 18B), Rom 32004. KUTSCHER, E.Y., Dating the Language of the Genesis Apocryphon, in: JBL 76 (1957), 288–292. –, The Language of the “Genesis Apocryphon”. A preliminary study, in: C. Rabin / Y. Yadin (Hg.), Aspects of the Dead Sea Scrolls (ScrHie 4), Jerusalem 1958, 1–35. LANGE, A., Art. Qumran, in: RGG4 6 (2003), 1873–1896. –, 1QGenAp XIX10–XX32 as Paradigm of the Wisdom Didactive Narrative, in: H.-J. Fabry / ders. / H. Lichtenberger (Hg.), Qumranstudien. Vorträge und Beiträge der Teilnehmer des Qumranseminars auf dem internationalen Treffen der Society of Biblical Literature, Münster, 25.–26. Juli 1993 (SIJD 4), Göttingen 1996, 191–204. – / LICHTENBERGER, H., Art. Qumran, in: TRE 28 (1997), 45–79. STEMBERGER, G., Einleitung in Talmud und Midrasch, München 81992. Midrasch Tanchuma, ʺʥʩʹʲʮʥ ʭʩʬʹʮ ʧʺʴʮ ʭʩʫʸʲ ʧʺʴʮ ʭʩʰʩʰʲʤ ʯʫʥʺ ʺʴʱʥʺʡ ʸʠʥʴʮʤ ʠʮʥʧʰʺ ʹʸʣʮ ʭʩʹʩʠ ʧʺʴʮ , Bd. 1, 1993/94.
1. GEBET ABRAMS NACH DEM RAUB SARAIS (1Q20 XX,12–16)
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1. Gebet Abrams nach dem Raub Sarais (1Q20 XX,12–16 [1QGenAp])1 1.1. EINFÜHRUNG Das Bittgebet Abrams erscheint in der Form eines Gerichtsplädoyers. Gerahmt ist die Klage durch den Hinweis des Klägers auf seine Tränen (Z. 12.16). Es folgt die Anrufung des Richters unter ausführlichem Verweis auf dessen Zuständigkeit. Leitwort der Anrufung ist ʬʥʫ („alles“, Z. 12c.13a.b.c.15a.c): Gott herrscht über alles. Ein zweiter, innerer Rahmen benennt Gott als den Herrn über alle Könige der Erde (ʠʲʸʠ ʩʫʬʮ ʬʥʫ, Z. 13b. 15e–16a). Er hat die Gerichtsgewalt und er allein vermag in dieser Sache gegen einen irdischen Herrscher Recht zu schaffen. Im Mittelteil der Bitte wird die eigentliche Anklage formuliert. Der Beklagte wird namentlich benannt als Pharao Zoan (Z. 14b). Durch die Entführung der Frau Abrams hat Pharao letztlich eingegriffen in den Herrschaftsbereich Gottes. Abram fordert, Gott möge seine Macht erweisen und ihm zu seinem Recht verhelfen. Durch die Ausweitung der Strafbitte auf das ganze Haus Pharaos wird eine biblische Notiz aufgegriffen. Die in Gen 12,17 genannten großen Plagen für Pharao und sein Haus erscheinen als Folge der konkreten Bitten Abrams. Der Bibeltext selbst benennt nicht, worin die Strafen bestanden. Im Genesisapokryphon formuliert Abram eine konkrete Bitte um die Impotenz Pharaos in besagter Nacht und arbeitet dabei mit dem Gegensatz von Preisung der Allmacht Gottes (ʨʩʬʹ, Z. 13a.c) und Bitte um die Ohnmacht Pharaos (ʨʩʬʹ ʠʬ, Z. 15b). Spannungen entstehen dadurch, dass laut GenAp XX,18 zum einen der Aufenthalt Sarais bei Pharao zwei Jahre dauert und dass zum anderen die Plagen, die das ganze Haus Pharaos treffen, am Ende der zwei Jahre schlimmer werden. Allein mit der Unfähigkeit zum Beischlaf ist Letzteres nicht ausreichend erklärbar. Im Anschluss an die konkrete Strafbitte formuliert der Beter ein weiteres Ziel der göttlichen Intervention: Alle sollen Gott als den Herrn Abrams erkennen. An derselben Stelle wie 1QGenAp XX,12–16 setzt das rabbinische Gebet aus Tanchuma an (‘ʤ ʪʬ ʪʬ ʺʹʸʴ).2 Eingeleitet wird es ebenfalls mit dem Weinen des Stammvaters. Duktus und Argumentation beider Gebete sind jedoch unterschiedlich. Während das Apokryphon eine Anklage Pharaos formuliert und dessen Impotenz fordert, ist das rabbinische Gebet als Klage Abrams formuliert: Er sieht sein Vertrauen in Gott enttäuscht, bittet um Erbarmen und dass seine Hoffnung nicht zuschanden wird.3
1
ATTM, 175; QE.TTM I, 219f.; DSSSE, 40–43; DSPh, 390. STEMBERGER, Einleitung, 301, verortet mit anderen die materielle Basis der Schrift im 4. Jh. n.Chr. 3 Lekh 5: „Herr der Welt, ist das mein Vertrauen, mit dem ich vertraut habe auf dich? Und jetzt handle um deines Erbarmens und deiner Gnade willen, und nicht lass mich zuschanden werden in meiner Hoffnung“. 2
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A.II. GENESISAPOKRYPHON
1.2. ARAMÄISCHER TEXT1 ʺʰʰʧʺʠʥ ʺʩʲʡʥ ʺʩʬʶ ʯʣ ʠʩʬʩʬʡ [12] ʯʺʧʰ ʩʲʮʣʥ ʠʡʶʲʺʠʡ ʺʸʮʠʥ ʬʥʫʬ ʩʸʮ ʯʥʩʬʲ ʬʠ ʤʺʰʠ ʪʩʸʡ ʠʬʥʫ ʬʲ ʨʩʬʹʥ ʤʸʮ ʤʺʰʠ ʩʣ ʭʩʮʬʲ [13] ʨʩʬʹ ʤʺʰʠ ʠʲʸʠ ʩʫʬʮ ʬʥʫʡʥ ʯʲʫʥ ʯʩʣ ʯʥʤʬʥʫʡ ʣʡʲʮʬ ʩʸʮ ʪʺʬʡʷ [14] ʯʩʸʶʮ ʪʬʮ ʯʲʶ ʥʲʸʴ ʬʲ ʳʷʥʺʡ ʩʰʮ ʩʺʺʰʠ ʺʸʡʣ ʩʣ ʤʰʮ ʯʩʣ ʩʬ ʣʡʲ ʠʺʡʸ ʪʣʩ ʩʦʧʠʥ ʤʺʩʡ ʬʥʫʡʥ ʤʡ [15] ʠʩʬʩʬʡ ʨʬʹʩ ʬʠʥ 2 ʩʰʮ ʩʺʺʰʠ ʠʩʮʨʬ ʯʣ ʩʸʮ ʪʥʲʣʰʩʥ ʩʫʬʮ ʬʥʫʬ ʤʸʮ ʤʺʰʠ ʩʣ ʺʩʹʧʥ ʺʩʫʡʥ ʠʲʸʠ [16]
1
Text weitgehend nach DSSSE, 40.42. B, 175, Anm. 1, vermutet, ʩʰʮ („weg von mir“) sei aufgrund einer Unaufmerksamkeit des Schreibers „versehentlich aus Zeile 14 eingedrungen“. 2
1. GEBET ABRAMS NACH DEM RAUB SARAIS (1Q20 XX,12–16)
1.3. ÜBERSETZUNG [12] In dieser Nacht betete ich und bat und flehte und sprach in Not und meine Tränen strömten: Gesegnet du, höchster Gott, mein Herr, für alle [13] Zeitalter. Denn du bist der Herr und Herrscher über alles und über alle Könige der Erde herrschst du, um über sie alle zu richten. Und jetzt [14] meine Anklage vor dich, mein Herr, über Pharao Zoan, den König Ägyptens. Denn weggeführt ist meine Frau von mir mit Gewalt. Schaffe mir Recht gegen ihn und lasse erscheinen deine mächtige Hand [15] gegen ihn und gegen sein ganzes Haus. Und nicht vermöge er es in dieser Nacht zu verunreinigen meine Frau (getrennt) von mir. Und sie sollen dich erkennen, mein Herr, denn du bist der Herr für alle Könige [16] der Erde. Und ich weinte und verstummte.
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)1
Das nachstehende Unterkapitel versammelt fünf meist hymnische Texte aus der vierten und elften Qumranhöhle. Eine der dort bewahrten Psalmenrollen (11Q5)2 zählt neben den Hodayot (1QH) zu den umfangreichsten und am besten erhaltenen Psalmensammlungen. Die Texte der Rolle 11Q5 und ihrer Kopie (11Q6)3 divergieren in ihrem Charakter stärker als die vergleichsweise homogenen Danklieder aus 1QH. Die Rolle versammelt sowohl masoretische4 als auch nicht-masoretische Psalmen, verfasst in hebräischer Sprache.5 Die hier gebotenen Texte waren vor der Entdeckung der Qumranrollen nicht bekannt. Ein Kriterium bei der Auswahl der fünf Gebete war die Darbietung eines weiten Spektrums an Themen und Gestaltungsformen. Drei der ausgewählten Texte sind auch auf Fragmenten mehrerer anderer Rollen vorhanden: Das Gebet um Befreiung (11Q5 XIX,1–18) und die Doxologie (11Q5 XVI) haben ihre Parallelen in der zweiten Psalmenschrift aus derselben Höhle (11Q6 Frg. a–b und f). Der Zionspsalm (11Q5 XXII,1–15) findet sich ebenfalls auf einem größeren Fragment aus Höhle 4 (4Q88 VII,14–VIII,18). Auf demselben Fragment ist auch der Text der Apostrophe für Juda verzeichnet (4Q88 X,5–15). Diese enge materiale Verzahnung ließ es gerechtfertigt erscheinen, auch die Juda-Apostrophe aus Höhle 4 innerhalb dieses Abschnitts zu behandeln und die genannten fünf Texte in einer gemeinsamen Rubrik zusammenzufassen. Die Psalmensammlung aus 11Q5 und das Fragment 4Q88 geben Zeugnis von der Vielfalt des poetischen Schaffens in der Qumran-Gemeinde und ihrem Umfeld. Der hohe Anteil an poetischen Texten unter den Schriften aus der judäischen Wüste belegt 1
4Q88; 11Q5 (11Q Psa); 11Q6 (11Q Psb). Die Handschrift auf Ziegenleder wird auf die erste Hälfte des 1. Jh. n.Chr. datiert. Vgl. SANDERS/CHARLESWORTH/RIETZ, in: DSS 4A, 155. 3 SANDERS/CHARLESWORTH/RIETZ, in: DSS 4A, 155: “11Q6 was apparently an exact copy of 11Q5, or was another copy of the same Psalter represented by the latter”. Vgl. a.a.O., 193. 4 Die Reihenfolge und zum Teil auch der Umfang der Psalmen entsprechen nicht der masoretischen Fassung. 5 Vgl. SANDERS/CHARLESWORTH/RIETZ, in: DSS 4A, 155. Ob einzelne Texte in der Qumrangemeinde selbst entstanden sind, lässt sich nicht sicher klären. Vgl. a.a.O., 156. 2
III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
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eindrücklich, dass die überkommenen biblischen Psalmen nur einen, wenn auch zentralen Ausschnitt der (Psalmen-)Dichtung der Zeit bieten. In ihrer Mehrzahl wirken die außerkanonischen Psalmen vertraut. Motive und Wendungen begegnen wortgleich oder leicht variiert in den poetischen Texten der Bibel. Die Verwendung bekannter Elemente erleichtert die Textrekonstruktion unleserlicher oder teilweise zerstörter Passagen der Rollen. Was den Reiz der „neuen“ Psalmen ausmacht, ist die Neukomposition bekannter Elemente und ihre andere Kontextualisierung. Die in den Qumranhöhlen erhaltene Dichtung erlaubt einen Einblick in die poetische Welt des antiken Judentums, aus der sich auch die kanonischen Psalmen herausgebildet haben. Die Erörterung der Frage, ob und inwiefern die Beziehung zwischen Qumrantexten und Psalter wechselseitig war, bleibt weiteren Untersuchungen überlassen.
Texte SANDERS, J.A. (Hg.), The Psalms Scroll of Qumran Cave 11 (11QPsa) (DJD IV), Oxford 1965. ULRICH, E. u.v.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 11: Psalms to Chronicles (DJD XVI), Oxford 2007 (= 2000). Literatur CHARLESWORTH, J.H. / RIETZ, H.W.L. (Hg.), Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997 (= DSS 4A). FLUSSER, D., Qumrân and Jewish ‘Apotropaic’ Prayers, in: IEJ 16 (1966), 194–205. GARCÍA MARTÍNEZ, F., Texts from Qumran Cave 11, in: D. Dimant / U. Rappaport (Hg.), The Dead Sea Scrolls. Forty Years of Research (StTDJ 10), Leiden u.a. 1992, 18–26. PARRY, D.W. (Hg.), The Dead Sea Scrolls Reader, Bd. 5: Poetic and Liturgical Texts, Leiden/Boston 2005 (= DSSR). SANDERS, J.A., The Dead Sea Psalms Scroll, Ithaca 1967. STARCKY, J., Psaumes apocryphes de la grotte 4 de Qumrân (4QPsf VII–X), in: RB 73 (1966), 353–371. VAN DER PLOEG, J.[P.M.], Fragments d’un manuscrit de Psaumes de Qumrân (11QPsb), in: RB 74 (1967), 408–412. –, Les manuscrits de la Grotte XI de Qumrân, in: RdQ 12 (1985), 3–15. YADIN, Y., Another Fragment (E) of the Psalms Scroll from Qumran Cave 11 (11QPsa), in: Textus 5 (1966), 1–10.
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
1. Apostrophe für Juda (4Q88 X,5–15 [4Q Psf])1 1.1. EINFÜHRUNG Bei der Apostrophe für Juda handelt es sich um ein Unikat. In der Handschrift 4Q88 folgt sie auf die Zionsapostrophe,2 von der Fragmente auch in 11Q5 erhalten sind. Unterbrochen werden die beiden Apostrophen in 4Q88 nur durch einen hier nicht behandelten eschatologischen Hymnus (4Q88 IX). Ob in 11Q5 neben dem Zionspsalm3 auch eine Fassung der Juda-Apostrophe vorhanden war, lässt sich nicht mehr nachweisen. Art und Umfang dessen, was zu Beginn der Apostrophe fehlt, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Die engsten Parallelen der Apostrophe finden sich in Ps 92,104 und Nah 2,15. Darüber hinaus sind Anklänge der Z. 5–7 an Ps 69,35f.6 erkennbar. Sowohl in Ps 69,35 als auch in 4Q88 (Z. 5–7) sind Himmel, Erde und Meer bzw. Sterne7 zum Lobpreis aufgefordert. Doch während im Psalm der Lobpreis Gott (ʭʩʤʬʠ) gilt, der die Städte Judas erbaut (Ps 69,36), wird Juda in der Apostrophe zum Jubel über die Vernichtung Belials aufgefordert (Z. 7–10; vgl. Nah 2,1). Bemerkenswert ist aber weniger das Zitieren von Stücken aus den Psalmen als vielmehr die zum Teil wörtliche Anlehnung an Wendungen aus dem Propheten Nahum: Der Dreiklang aus Festfreude für Juda, Überwindung von Belial und Erfüllung der Gelübde findet sich nur in Nah 2,1 und 4Q88 X,9f.8 Die im Kontext der Festfreude in Nah 2,1 und 4Q88 X,9f. erwähnte Entfernung Belials bietet den Anknüpfungspunkt für das Zitat aus Ps 92,10 in Z. 11–13 und die darin genannte Vernichtung der Feinde und Übeltäter. Der abschließende Lobpreis des Herrn9 (Z. 13b– 15) zitiert zwar nicht wörtlich eine biblische Vorlage, ist jedoch der Form nach traditionell. Auch wenn die Mehrzahl der Einzelelemente vertraut ist,10 bietet die Juda-Apostrophe in ihrer Gesamtheit doch eine Neukomposition. 1 DSSSE, 280–283; DSS 4A, 210; DSSR V, 202; in QE.TTM, TQu und DSPh ist die Apostrophe für Juda nicht vorhanden. 2 4Q88 VII,14–VIII,15. 3 11Q5 XXII,1–15. 4 Z. 11–13; vgl. Ps 92,10: ʯʥʠ ʩʬʲʴʚʬʫ ʥʣʸʴʺʩ ʥʣʡʠʩ ʪʩʡʩʠ ʤʰʤʚʩʫ ʤʥʤʩ ʪʩʡʩʠ ʤʰʤ ʩʫ. 5 Z. 9f.; vgl. Nah 2,1b-c: ʺʸʫʰ ʤʬʫ ʬʲʩʬʡ ʪʡʚʸʥʡʲʬ ʣʥʲ ʳʩʱʥʩ ʠʬ ʩʫ ʪʩʸʣʰ ʩʮʬʹ ʪʩʢʧ ʤʣʥʤʩ ʩʢʧ. 6 Z. 5–7; vgl. Ps 69,35–36a: ʤʣʥʤʩ ʩʸʲ ʤʰʡʩʥ ʯʥʩʶ ʲʩʹʥʩ ʭʩʤʬʠ ʩʫ ʟʭʡ ʹʮʸʚʬʫʥ ʭʩʮʩ ʵʸʠʥ ʭʩʮʹ ʥʤʥʬʬʤʩ. 7 Die in Z. 6 erwähnten „Sterne der Dämmerung“ (ʳʹʰ ʩʡʫʥʫ) begegnen in den alttestamentlichen Texten nur in Ijob 3,9 (vgl. 7,4), dort jedoch im gegenteiligen Sinne als sich verfinsternde Sterne. 8 Leider ist im Textbestand des Nahum-Kommentars in 4Q169 (pNah) die Auslegung von Nah 2,1 nicht erhalten. 9 ʤʥʤʩ (Z. 13). 10 SANDERS/CHARLESWORTH/RIETZ, in: DSS 4A, 209: “It is highly anthological”.
1. APOSTROPHE FÜR JUDA (4Q88 X,5–15 [4QPSF])
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H ebräischer Text GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 1: 1Q1– 4Q273, Leiden u.a. 1997, 280.282 (= DSSSE). Englische Übersetzung SANDERS, J.A. / CHARLESWORTH, J.H. / RIETZ, H.W.L., Apostrophe to Judah (4Q88 10.4–15), in: J.H. Charlesworth / H.W.L. Rietz (Hg.), Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997, 209–211, hier: 211 (= DSS 4A). Französische Übersetzung STARCKY, J., Psaumes apocryphes de la grotte 4 de Qumrân (4QPsf VII–X), in: RB 73 (1966), 353–371, 368f. Eine deutsche Übersetzung der Apostrophe für Juda war nicht greifbar.
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
1.2. HEBRÄISCHER TEXT1 ʵʸʠʥ ʭʩʮʹ ʥʬʬʤʩ ʦʠ […] [5] ʳʹʰ ʩʡʫʥʫ ʬʫ ʠʰ ʥʬʬʤʩ ʣʧʩ [6] ʤʫʺʧʮʹ ʤʣʥʤʩ ʤʧʮʹ [7] ʪʬʩʢ ʤʬʩʢʥ ʤʫʺʧʮʹ ʤʧʮʹ [8] ʯʩʠ ʩʫ ʭʬʹ ʪʩ[ʸ]ʣʰ ʪʩʢʧ ʢʧ [9] ʪʣʩ ʭʸʺ ʬʲʩʬʡ ʪʡʸʷʡ [10] ʭʩʡʠʥʠ ʠʰʤ ʪʰʩʮʩ ʸʡʢʺ [11] ʩʬ[ʲʥʴ] ʬʥʫ ʥʣʸʴʺʩʥ 2ʥʣʡʥʩ [12] [ʭʬ]ʥʲʬ ʤʥʤʩ ʤʺʠʥ ʯʥʠ [13] ʣ[ʲʥ ʭ]ʬʥʲʬ ʤʫʣʥʡʫ ʤʩʤʺ [14] [ʤʩʥ]ʬʬ[ʤ] [15]
1
Text weitgehend nach DSS 4A, 210. In dieser Form lässt sich ʥʣʡʥʩ als Hofal von ʤʣʡ verstehen und ist dann wiederzugeben mit: „sie werden entlarvt werden“. Wegen der Nähe des Verses zu Ps 92,10 kann jedoch auch die Wurzel ʣʡʠ in der Qal-Form zugrunde liegen: „sie werden zuschanden werden“. 2
1. APOSTROPHE FÜR JUDA (4Q88 X,5–15)
1.3. ÜBERSETZUNG [5] […] dann sollen preisen Himmel und Erde [6] gemeinsam. Es sollen preisen doch alle Sterne der Dämmerung. [7] Freue dich, Juda, deiner Freude. [8] Freue dich deiner Freude und juble deinen Jubel. [9] Feiere deine Feste. Deine Ge[lüb]de erfülle, denn nicht ist [10] in deiner Mitte Belial. Es soll sich erheben deine Hand1, [11] es soll überwinden deine Rechte.2 Siehe, die Feinde [12] sollen zuschanden werden, und es werden zerstreut werden alle [Arbei]ter [13] des Unrechts. Und du, JHWH, bist für ew[ig]. [14] Es soll sein deine Ehre für imm[er und ewi]g, [15] [Ha]llelu[ja]
1 2
Vgl. Mi 5,8. Der nachfolgende Vers ist fast wörtlich an Ps 92,10 angeglichen.
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
2. Doxologie (11Q5 XVI,1–6; 11Q6 Frg. f [11Q6f])1 2.1. EINFÜHRUNG Bei der Doxologie in 11Q5 XVI,1–6 (vgl. die Kopie in 11Q6 Frg. f) handelt es sich um ein knappes formal und inhaltlich in sich geschlossenes Dank- und Preisgebet. Parallelen zu dieser Doxologie sind bisher nicht nachgewiesen. Auf der Kopie der Rolle (11Q6)2 aus derselben Höhle sind nur noch Teile der beiden ersten Zeilen der Doxologie erhalten. Die Doxologie schließt sich unmittelbar an den zweiten Teil (den Refrain) von Ps 136,16 an. Die Verse 1–16a aus Ps 136 finden sich in der vorangehenden Kolumne (11Q5 XV). Die Psalmverse preisen die Heilsgeschichte bis zum Durchzug Israels durch die Wüste. Der zweite Teil des 136. Psalms (V. 17–26), der die nachfolgende Geschichte Israels dokumentiert, bleibt unerwähnt. Die auf die Doxologie folgenden Zeilen in 11Q5 XVI bieten die ersten sieben Verse des 145. Psalms. Stereotyp enden die Verse des 136. Psalms mit den Worten: „für ewig (währt) seine Güte“ (vgl. auch Ps 118,1–4.29). Der erste Satz der Doxologie ist zugleich wörtliches Zitat von Ps 136,1 und Ps 118,1 („Danket dem Herrn, denn er ist gut, denn für ewig währt seine Güte“). Auf den Einleitungsvers lässt der Kompilator vier leicht variierte (Teil-) Verse aus Ps 118 folgen (siehe nachfolgenden Absatz). Die Komposition schließt in Z. 5c.6 mit dem abermaligen Zitat der Eingangsverse der erwähnten Psalmen (118 und 136)3. Die Verse der Doxologie aus Qumran unterscheiden sich von der masoretischen Fassung der Psalmverse u.a in der Verwendung der althebräischen Schreibweise des Tetragramms (siebenmal)4 – möglicherweise ein Hinweis auf einen essenischen Ursprung. Während die Doxologie in Z. 1c–3a wörtlich Ps 118,15–16a zitiert, stellt sie in Z. 3b an die Stelle des masoretischen Partizips (ʤʹʲ) in Ps 118,16b eine finite Perfektform (ʤʺʹʲ) und gebraucht ein Synonym (ʤʸʥʡʢ) statt der wörtlichen Wiederholung von ʧʩʬ in Ps 118,16b. 1
DSS 4A, 158. Auflistung der Fragmente ohne Text: DSSSE, 1173.1181; QE.TTM I, 333. SANDERS/CHARLESWORTH/RIETZ, in: DSS 4A, 159, zu 11Q6 Frg. f: “Only a few words of it are extant in 11Q6, and they are on an isolated fragment so that it is not certain how the little doxology on that scroll related to either the three Masoretic psalms or to the ‘Plea for Deliverance’; but they clearly indicate that the whole of the doxology was originally also in 11Q6.” QE.TTM I, 335, ordnet das Fragment dem “Plea for deliverance” (Z. 12–15) zu. DSSSE, 1181, verbindet 11Q6f mit der Apostrophe für Zion. 3 QE.TTM I, 333, nennt als Parallele u.a. Ps 136,26. Es fehlt jedoch der spezifische Teil dieses letzten Verses des Psalms (ʭʩʮʹʤ ʬʠʬ ʥʣʥʤ) in der Doxologie. 4 Hinzu kommt eine Verwendung der althebräischen Schreibform für das Tetragramm in dem parallellosen Vers in Z. 5b. 2
2. DOXOLOGIE (11Q5 XVI,1–6; 11Q6 FRG. F)
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Im Anschluss (Z. 3b–5a) übernimmt der Kompilator der Doxologie die Verse Ps 118,8f. Wieder ändert er eine Kleinigkeit: Statt von ʬʧʺʥʱ („Zuflucht nehmen“; Ps 118,8a) spricht er von ʡʬʨʧʥ („sich verlassen auf“, Ende Z. 3). Auf die Übernahme der Verse 118,8b–9 in Z. 4–5a folgt der einzige Satz der Doxologie, der nicht wörtlich im masoretischen Text belegt ist (Z. 5b). Parallel zu den zuvor genannten Edlen, auf die kein Verlass ist (Ps 118,9), spricht er von 1000 Mann: „Besser sich verlassen auf den Herrn, als sich verlassen auf 1000 Männer“ (Z. 5b). Mit seiner Gegenüberstellung von Gott auf der einen und Tausend auf der anderen Seite greift der Autor ein Motiv aus Ps 84,11a auf: „Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.“1 Die Z. 5c–6 schließen den in der ersten Zeile geöffneten Rahmen um die Doxologie und zitieren noch einmal Ps 118,1.29 bzw. 136,1. In Ergänzung der Psalmzitate endet die Doxologie mit Halleluja.
H ebräischer Text SANDERS, J.A. / CHARLESWORTH, J.H. / RIETZ, H.W.L., “A Doxology” (11Q5 Col. 16; 11Q6 Frg. f), in: J.H. Charlesworth / H.W.L. Rietz (Hg.), Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997, 158–161, hier: 158 (= DSS 4A). Englische Übersetzung SANDERS, J.A. / CHARLESWORTH, J.H. / RIETZ, H.W.L., “A Doxology” (11Q5 Col. 16; 11Q6 Frg. f), in: J.H. Charlesworth / H.W.L. Rietz (Hg.), Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997, 158–161, hier: 159 (= DSS 4A). Französische Übersetzung PLOEG, J., Fragments d’un manuscrit de Psaumes de Qumrân (11QPsb), in: RB 74 (1967), 408–412, 412 (= 11Q6 Frg. f, das nur V. 1–3a umfasst).
VAN DER
Eine deutsche Übersetzung der Doxologie war nicht greifbar.
1
ʳʬʠʮ ʪʩʸʶʧʡ ʭʥʩʚʡʥʨ ʩʫ; Ps 84,11a.
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
2.2. HEBRÄISCHER TEXT1 ʥʣʱʧ ʭʬʥʲʬ ʩʫ [1] ʥʣʱʧ ʭʬʥʲʬ ʩʫ ʡʥʨ ʩʫ 3KZK\ʬ ʥʣʥʤ ʬʥʷ ʭʩʷʩʣʶ ʩʬʤʠʡ ʤʲʥʹʩʥ ʤʰʸ [2] ʬʩʧ ʤʹʲ KZK\ ʯʩʮʩ ʯʩʮʩ ʯʩʮʩ ʤʮʮʥʸ KZK\ [3] 2
ʤʸʥʡʢ ʤʺʹʲ KZK\ ʧʥʨʡʬ ʡʥʨ ʭʣʠʡ ʧʥʨʡʮ KZK\ʡ [4] ʡʥʨʡʮ KZK\ʡ ʺʥʱʧʬ ʡʥʨ ʭʩʡʩʣʰʡ [5] ʭʲ ʳʬʠʡ ʧʥʨʡʮ KZK\ʡ 5ʡʥʨʡʬ ʡʥʨ ʥʣʥʤ ʡʥʨ ʩʫ KZK\ʬ [6] ʤʩʥʬʬʤ ʥʣʱʧ ʭʬʥʲʬ ʩʫ 4
1
Text und Verszählung nach DSS 4A, 158. Ende von Ps 136,1–16. 3 Dies ist das Tetragramm ʤʥʤʩ in althebräischer Schrift. 4 Es wird eine Verschreibung von ʧʥʨʡʮ angenommen. 5 Es wird eine Verschreibung von ʧʥʨʡʬ angenommen. 2
2. DOXOLOGIE (11Q5 XVI,1–6; 11Q6 FRG. F)
2.3. ÜBERSETZUNG [1] denn für ewig (währt) seine Güte. Dankt JHWH, denn er ist gut, denn für ewig (währt) seine Güte. Die Stimme [2] des Jubels und die Rettung ist in den Zelten der Gerechten. Die Rechte JHWHs tut Gewaltiges. Die Rechte [3] JHWHs ist erhoben. Die Rechte JHWHs hat mächtig gehandelt. Besser vertrauen [4] auf JHWH, als vertrauen auf einen Menschen. Besser ist Zuflucht zu nehmen bei JHWH, als sich verlassen [5] auf Edle. Besser vertrauen auf JHWH, als vertrauen auf tausend Leute. Dankt [6] dem Herrn, denn er ist gut, denn für ewig (währt) seine Güte, Halleluja.
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
3. Gebet um Befreiung (11Q5 XIX,1–18; 11Q6 Frg. 1.2)1 3.1. EINFÜHRUNG Die einleitenden Zeilen von 11Q5 XIX und der Schlussteil des Gebets sind verloren.2 Auf den vor 1961 unbekannten Text folgt im Manuskript der 139. Psalm. Während die Vorlage in 11Q5 das Tetragramm in althebräischer Schreibweise wiedergibt, nutzt die nur in Fragmenten erhaltene Kopie in 11Q6 die übliche Quadratschrift. J. Maier setzt die Entstehung der Psalmenrolle (11Q5) zu Beginn des ersten Jahrhunderts an.3 Das Flehen um Befreiung, dem die Verse ihren Namen verdanken, macht nur einen kleinen Teil aus (Z. 10f.20f.). Dominierendes Merkmal des gesamten Textes ist das Lob der Gnade Gottes (ʣʱʧ) und seiner Gerechtigkeit (ʤʷʣʶ). Die erhaltenen Verse gliedern sich in zwei Abschnitte: Z. 1–9a und Z. 9b–18. Zu Beginn beider Einheiten stehen Hinweise auf Tod (Z. 1) und Unterwelt (Z. 9f.). Der erste Teil des Gebets betont Gott und seine Gnadentaten, der zweite Abschnitt ist geprägt durch die Gewissheit des Beters, bei Gott aufgehoben zu sein. Es fällt auf, dass in den ersten neun Zeilen keine Verbform in der 1. Pers. Sg. erscheint,4 wohingegen die Zeilen 10–18 bestimmt sind durch die Ich-Rede des Beters. Im Eingangsteil wirkt das Vermeiden des „Ichs“ zuweilen angestrengt. Jedoch kommt gerade durch die sprachliche Trennung das „Umschlagen zum Ich“ in Z. 10 deutlich zum Tragen: Was der Beter bisher beschreibend und lobend allgemein über Gott ausgesagt hat, verknüpft er nun mit seiner Person. So argumentiert er zu Beginn (Z. 1f.) in biblischer Tradition: Nicht Tote, sondern nur Lebende werden den lebendigen Gott loben.5 In der 9. und 10. Zeile bezeichnet er sich dann selbst als jemanden, der durch seine Sünde an den Scheol verkauft ist (Z. 10)6 und gibt unmittelbar im Anschluss seiner Gewissheit Ausdruck, durch Gottes Erbarmen gerettet zu werden (Z. 12f.). Er bezieht die in Z. 6 noch allgemein benannte Gnadenzugehörigkeit derer, die den Namen Gottes lieben, in Z. 12 auf sich selbst: „Deinen Namen habe ich geliebt“. Er bittet darum, dass die Kräfte
1 DSSSE, 1174f.1180f.; DSS 4A, 192–195; DSSR V, 192f.198f.; QE.TTM I, 335f.342f.; DSPh, 323–325. Die Fragmente aus 11Q6 zählt DSSSE als „4–5“, DSS 4A und DSPh als „a, b“, DSSR V als „4–5“, QE.TTM I als „A–B“. 2 SANDERS/CHARLESWORTH/RIETZ, in: DSS 4A, 193, vermuten den Ausfall von fünf bis sechs Textzeilen in der vorangehenden Kolumne und einer Zeile am Ende des Gebets. 3 QE.TTM I, 332. 4 In Z. 8 begegnet das Suffix des Personalpronomens der 1. Pers. Sg. 5 Jes 38,18; Ps 6,6; 30,10; 88,11–13; 115,17; vgl. Jes 38,19a: ʪʣʥʩ ʠʥʤ ʩʧ ʩʧ. 6 Zum Verkauftsein unter die Sünde vgl. Röm 7,14b.
3. GEBET UM BEFREIUNG (11Q5 XIX,1–18; 11Q6 FRG. 1.2)
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der Sünde nicht übermächtig werden (Z. 15f.)1 und erwähnt in dem Zusammenhang Satan neben einem Geist der Unreinheit und dem bösen Trieb (ʲʸ ʸʶʩ). Dieser böse Trieb spielt in der Anthropologie des rabbinischen Schrifttums eine bedeutende Rolle. Bemerkenswert ist, dass er als Wirkmacht bereits zu Beginn des ersten Jahrhunderts in Qumran bekannt ist.
H ebräischer Text GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 2: 4Q274–11Q31, Leiden u.a. 1998, 1174.1180 (= DSSSE). Deutsche Übersetzung MAIER, J., Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, Bd. 1: Die Texte der Höhlen 1–3 und 5–11 (UTB 1862), München/Basel 1995, 335f. (= QE.TTM I). Englische Übersetzung SANDERS, J.A. / CHARLESWORTH, J.H. / RIETZ, H.W.L., Plea for Deliverance (11Q5 19.1–18; 11Q6 Frgs. a, b), in: J.H. Charlesworth / H.W.L. Rietz (Hg.), Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997, 192–197, hier: 193.195. 197 (= DSS 4A). Französische Übersetzung DUPONT-SOMMER, A., 11QPsa, XIX. Imploration du pécheur et sa prière d’action de grâces, in: ders. / M. Philonenko (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 323–325 (= DSPh).
1 Insgesamt erinnert der Passus (Z. 15f.) an die Vaterunserbitte: „und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“ (Mt 6,13).
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
3.2. HEBRÄISCHER TEXT1 ʤʫʬ 2ʤʣʥʺ ʤʮʸ ʠʥʬ ʩʫ [1] ʤʲʬʥʺ ʤʫʣʱʧ ʸʴʱʺ ʠʥʬʥ ʤʫʬ 4ʤʣʥʩ 3(ʠʥʤ) ʩʧ ʩʧ [2] ʬʢʸ ʩʨʨʥʮ ʬʥʫ ʤʫʬ ʥʣʥʩ ʤʫʲʩʣʥʤʡ ʤʮʤʬ ʤʫʣʱʧ [3] ʭʬʩʫʹʺ ʤʫʺʷʣʶʥ ʬʥʫ ʹʴʰ ʤʫʣʩʡ ʩʫ 5 ʸʹʡ ʬʥʫ ʺʮʹʰ 6ʩʧ [4] 7 KZK\ ʥʰʮʲ ʤʹʲ ʤʺʺʰ ʤʺʠ ʤʫʡʥʨʫ [5] ʤʫʩʮʧʸ ʡʥʸʫ ʤʫʩʺʥʷʣʶ ʡʥʸʫʥ ʲʮʹ 9 ʥʮʹ ʩʡʤʥʠ ʬʥʷʡ 8KZK\ [6] 10 ʤʭʤʮ ʥʣʱʧ ʡʦʲ ʠʥʬʥ ʺʥʷʣʶ ʤʹʥʲ KZK\ ʪʥʸʡ [7] ʥʩʣʩʱʧ ʸʨʲʮ 11 ʭʩʮʧʸʥ ʣʱʧ [8] ʤʫʮʹ 12ʺʠ ʬʬʤʬ ʩʹʴʰ ʤʢʠʹ ʤʰʸʡ ʺʥʣʥʤʬ ʤʫʺʰʥʮʠ ʣʩʢʤʬ ʤʫʩʣʱʧ [9] ʺʥʮʬ ʸʷʧ ʯʩʠ ʤʫʺʬʤʺʬ ʩʠʨʧʡ ʩʺʩʩʤ [10] ʩʰʥʸʫʮ ʬʥʠʹʬ ʩʺʥʰʥʥʲʥ ʩʰʬʩʶʺʥ
1
Hebräischer Text nach DSS 4A, 192.194. Wörtliche Anklänge an Jes 38,18a: ʪʣʥʺ ʬʥʠʹ ʠʬ ʩʫ, vgl. Ps 6,6. 3 ʠʥʤ wurde ergänzt und wieder ausradiert. 4 Wörtliches Zitat aus Jes 38,19a: ʪʣʥʩ ʠʥʤ ʩʧ ʩʧ. 5 Ein Abstand zwischen den Wörtern (ca. 0,5 cm) ist an dieser Stelle bedingt durch die Beschaffenheit des Schreibmaterials. 6 Wörtliche Anklänge an Hiob 12,10: ʹʩʠʚʸʹʡʚʬʫ ʧʥʸʥ ʩʧʚʬʫ ʹʴʰ ʥʣʩʡ ʸʹʠ. 7 Dies ist das Tetragramm ʤʥʤʩ in althebräischer Schrift. 8 Bei DSSSE, 1174, erscheint das Tetragramm in Z. 6 in Quadratschrift. 9 Vgl. Ps 69,37b: ʥʮʹ ʩʡʤʠʥ; s. auch Ps 5,12; 119,132. 10 Das Schluss-Mem im Wortinnern bieten auch DSS 4A, 192; DSSSE, 1174; DSSR V, 192. 11 Vgl. Ps 103,4b: ʭʩʮʧʸʥ ʣʱʧ. 12 Die Nota accusativi ist oberhalb der Linie nachgetragen. 2
3. GEBET UM BEFREIUNG (11Q5 XIX,1–18; 11Q6 FRG. 1.2)
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3.3. ÜBERSETZUNG1 [1] Denn nicht erhebt Gewürm zu dir Dank, und nicht wird erzählen deine Gnade ein Wurm. [2] Ein Lebender, Lebendiger, (er) wird dir danken. Dir danken werden alle, die wankenden Fußes sind, wenn du bekanntmachst [3] deine Gnade für sie.2 Und deine Gerechtigkeit wirst du sie lehren. Denn in deiner Hand (ist) die Seele jedes [4] Lebendigen. Den Lebensodem allen Fleisches, du hast ihn gegeben. Tue mit uns, JHWH, [5] entsprechend deiner Güte, entsprechend der Fülle deines Erbarmens und entsprechend der Fülle deiner Gerechtigkeiten. Gehört hat [6] JHWH auf die Stimme der Liebenden seines Namens und nicht hat er abgelassen seine Gnade von ihnen. [7] Gesegnet JHWH, er tut Gerechtigkeiten, er krönt seine Gerechten [8] (mit) Gnade und Erbarmen. Es schrie meine Seele, zu preisen deinen Namen, zu danken mit Jubel [9] (für) deine Gnadenerweise (und) zu verkünden deine Treue. Für dein Lob gibt es kein Ausforschen. Zu sterben [10] hatte ich in meiner Sünde, und meine Untaten – zur Unterwelt verkauften sie mich. Aber du hast mich gerettet,
1 2
sie.“
11Q5 XIX,1–18; 11Q6 Frg. 1.2. Wörtlich: „Dir danken werden alle Wankenden des Fußes in deinem Bekanntmachen deine Gnade für
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ʤʫʩʮʧʸ ʡʥʸʫ KZK\ [11] ʤʫʩʺʥʷʣʶ ʡʥʸʫʥ ʺʠ ʩʰʠ ʭʢ ʩʺʡʤʠ ʤʫʮʹ [12] ʩʺʩʱʧ ʤʫʬʶʡʥ ʳʷʺʩ ʤʫʦʥʲ ʩʸʫʥʦʡ ʩʡʬ [13] ʩʺʫʮʱʰ ʩʰʠ ʤʫʩʣʱʧ ʬʲʥ ʩʺʠʨʧʬ KZK\ ʤʧʬʱ 1 ʩʰʥʥʲʮ ʩʰʸʤʨʥ [14] ʩʰʰʥʧ ʺʲʣʥ ʤʰʥʮʠ ʧʥʸ ʤʬʷʺʠ ʬʠ 2 ʤʥʥʲʡ [15] ʯʨʹ ʩʡ ʨʬʹʺ ʬʠ ʤʠʮʨ ʧʥʸʥ ʸʶʩʥ ʡʥʠʫʮ ʩʮʶʲʡ ʥʹʸʩ ʬʠ ʲʸ [16] ʩʺʩʥʷ ʤʫʬʥ ʩʧʡʹ KZK\ ʤʺʠ ʩʫ ʭʥʩʤ ʬʥʫ [17] ʩʮʲ ʩʧʠ ʥʧʮʹʩ ʩʡʠ ʺʩʡʥ ʤʫʰʥʧʡ ʭʩʮʮʥʹʤ ] [18] ʤʫʡ ʤʧʮʹʠ 3ʭʬ[ʥʲ
Vgl. Ps 51,4: ʩʰʸʤʨ ʩʺʠʨʧʮʥ ʩʰʥʲʮ ʩʰʱʡʫ; vgl. Jer 33,8. Vgl. Ez 21,32. DSSSE, 1174, bietet: ʤʩʥʲʡ („Missetat“; vgl. DSS 4A, 195, Anm. 13). Vgl. Dan 4,24. 3 DSSSE, 1174, bietet: ʭʬʥ[ʲʬ…]; DSSR V, 192: ʭʬ°[ ]. 1 2
3. GEBET UM BEFREIUNG (11Q5 XIX,1–18; 11Q6 FRG. 1.2)
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[11] JHWH, entsprechend der Fülle deines Erbarmens und entsprechend der Fülle deiner Gerechtigkeiten. Auch ich, [12] deinen Namen habe ich geliebt und in deinem Schatten habe ich mich geborgen. In meinem Erinnern deiner Stärke wird stark werden [13] mein Herz, und auf deine Gnadenerweise habe ich mich gestützt. Verzeih, JHWH, (für) meine Sünde, [14] und reinige mich von meiner Untat. Mit dem Geist der Treue und Erkenntnis begnade mich. Nicht werde ich entehrt [15] durch Zerstörung.1 Nicht lass herrschen über mich einen Satan und einen Geist der Unreinheit. Schmerz und böser Trieb [16] nicht sollen erben mein Wesen. Denn du, JHWH, bist mein Lob und auf dich habe ich gehofft [17] den ganzen Tag. Es sollen sich freuen meine Brüder mit mir und das Haus meines Vaters, die staunen über dein Erbarmen. [18] [Ew]ig werde ich mich freuen in dir.
Zwei Lesungen sind möglich: Die Lesung ʤʥʥʲʡ („in Zerstörung/Ruine“) hat eine Parallele in Ez 21,32, während ʤʩʥʲʡ („in Verkehrtheit/Sünde“) sich in Dan 4,24 findet. 1
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4. Apostrophe für Zion (11Q5 XXII,1–15; 4Q88 VII,14–VIII,15)1 4.1. EINFÜHRUNG Bei der Apostrophe für Zion handelt es sich um eine Hymne und eine Liebeserklärung an Jerusalem. Der Beter preist die personifizierte Zion und fordert sie abschließend dazu auf, selbst den Höchsten als ihren Erlöser zu preisen (Z. 15). In die Ehre, die Jerusalem zuteil wird, weiß sich der Beter hineingenommen; darin sieht er seine Freude. Mit einem Abstand von vier Zentimetern innerhalb der ersten Zeile gehen der Apostrophe die beiden letzten Worte von Sir 51,13–19 voran. An das hier besprochene Zionslob schließen sich die drei ersten Verse aus Ps 93 an. Die auf Leder geschriebene Zionsapostrophe ist bemerkenswert gut und vollständig überliefert. Etwa ein Drittel des Textes ist – anders kontextualisiert – auch in 4Q88 VII–VIII erhalten. Die Textvarianten der Manuskripte sind nicht sinnprägend. Wesentliches inhaltliches Vorbild für die 22 Verse sind die Zionsgedichte aus Tritojesaja.2 Die Besonderheit des Zionslobpreises in 11Q5 ist seine konsequent und vollständig durchgehaltene akrostichische Gestaltung: Die Anfangsbuchstaben der 22 Verse entsprechen der Ordnung des hebräischen Alphabetes (Abecedarius).3 Das gewährleistet neben der besseren Merkbarkeit des Textes dessen Beständigkeit: Es lassen sich Verse weder hinzufügen noch streichen. Zugleich wird formal verdeutlicht, dass die Liebe zu Zion allumfassend, gleichsam von A bis Z (ʺ–ʠ) gültig ist – durch alle Lebenslagen hindurch (Freud und Leid). Das Einhalten der Buchstabenfolge spiegelt darüber hinaus das sichere und zuverlässige Halten der Treue zu Zion. Alles, was geschieht, geschieht in der richtigen Ordnung, so wie es (vor-)geschrieben steht. Die unmittelbar vorangehenden Verse aus Sir 51,13–194 sind ebenfalls akrostichisch angeordnet. Hierin mag ein Grund für die Zusammenstellung von Sirachabschnitt und
1
DSSSE, 1176f.; DSS 4A, 200–203; DSSR V, 194f.200f.; QE.TTM I, 337f.; DSPh, 325–328. Jes 60,1–22; 62,1–12 (vgl. auch Jes 54,1–8; Ps 46.48.76.84.87); unmittelbare Anleihen nimmt die Apostrophe (Z. 2.4f.8) bei Jes 66,10f.: „Seid fröhlich mit Jerusalem und jubelt über sie, alle, die ihr sie liebt! Freut euch mit ihr in Freude, alle, die ihr über sie getrauert habt! Damit ihr saugt und euch sättigt von der Brust ihrer Tröstungen, damit ihr schlürft und euch erfreut an der Zitze ihrer Ehre.“ ʤʡ ʥʬʩʢʥ ʭʬʹʥʸʩʚʺʠ ʥʧʮʹ [10] ʟʤʣʥʡʫ ʦʩʦʮ ʭʺʢʰʲʺʤʥ ʥʶʮʺ ʯʲʮʬ ʤʩʮʧʰʺ ʣʹʮ ʭʺʲʡʹʥ ʥʷʰʩʺ ʯʲʮʬ [11] ʟʤʩʬʲ ʭʩʬʡʠʺʮʤʚʬʫ ʹʥʹʮ ʤʺʠ ʥʹʩʹ ʤʩʡʤʠʚʬʫ 3 Vgl. Ps 9f.25.34.37.111f.119; Klgl 1–4; Spr 31,10–31. Einen biblischen Lobpreis Gottes bietet Ps 145, allerdings fehlt dort die ʰ-Zeile. 4 11Q5 XXI,11–18; XXII,1. 2
4. APOSTROPHE FÜR ZION (11Q5 XXII,1–15; 4Q88 VII,14–VIII,15)
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Zionsapostrophe zu sehen sein. In den Parallelfragmenten aus 4Q88 ist diese formale Zusammengehörigkeit nicht erkennbar.1 Um die besondere Gestaltung auch in der Wiedergabe zu verdeutlichen, wird hier der hebräische Text nicht entsprechend den Zeilen, sondern gemäß der alphabetischen Reihenfolge der 22 Anfangsbuchstaben geboten.
H ebräischer Text GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 1: 1Q1– 4Q273, Leiden u.a. 1997, 280; Bd. 2: 4Q274–11Q31, Leiden u.a. 1998, 1176 (= DSSSE). Deutsche Übersetzung MAIER, J., Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, Bd. 1: Die Texte der Höhlen 1–3 und 5–11 (UTB 1862), München/Basel 1995, 337f. (= QE.TTM I). Englische Übersetzung SANDERS, J.A. / CHARLESWORTH, J.H. / RIETZ, H.W.L., Apostrophe to Zion (11Q5 22.1–15; 4Q88 7.14–8.15), in: J.H. Charlesworth / H.W.L. Rietz (Hg.), Pseudepigraphic and NonMasoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997, 200–205, hier: 201. 203.205 (= DSS 4A). Französische Übersetzung DUPONT-SOMMER, A., 11QPsa, XXII, 1–15. Célébration de Sion, espérance des parfaits, in: ders. / M. Philonenko (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 325–328 (= DSPh).
1 SANDERS/CHARLESWORTH/RIETZ, in: DSS 4A, 201, gliedern die Zionsapostrophe in drei Strophen: Eingangsstrophe (Z. 1–6), mittlere Strophe (Z. 7–13), Schlussstrophe (Z. 14f.).
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
4.2. HEBRÄISCHER TEXT1 [vacat] … [1] ʪʩʺʡʤʠ ʩʰʠ [2] ʩʣʥʮ ʬʥʫʡ2 ʯʥʩʶ ʤʫʸʡʬ ʪʸʥʫʦʠ ʪʸʫʦ ʭʩʮʬʥʲʬ ʪʥʸʡ ʠʥʡʬ ʪʺʲʥʹʩ ʺʬʧʥʺʥ [3] ʭʥʬʹʥ ʯʥʩʶ ʪʺʥʷʺ ʤʬʥʣʢ ʪʺʸʠʴʺ [4] ʭʩʣʩʱʧ ʺʥʸʥʣʥ ʪʡ ʥʸʥʣʩ ʸʥʣʥ ʸʥʣ ʪʲʹʩ ʭʥʩʬ ʭʩʥʠʺʮʤ [vacat] ʪʣʥʡʫ ʡʥʸʡ ʥʹʩʹʩʥ ʥʱʫʲʩ ʪʺʸʠʴʺ ʺʥʡʥʧʸʡʥ ʥʷʰʩʩ ʪʣʥʡʫ [5] 3ʦʩʦ ʩʸʠʴʺʺ ʪʩʣʩʱʧ ʩʹʲʮʡʥ ʩʸʥʫʦʺ [6] ʪʩʠʩʡʰ ʩʣʱʧ ʪʮʮ ʥʺʸʫʰ ʬʥʲʥ [7] ʸʷʹ ʪʥʢʮ ʱʮʧ ʸʤʨ ʥʥʬʰ ʪʩʬʠ ʪʩʣʩʣʩʥ ʪʡʸʷʡ ʪʩʰʡ [vacat] ʥʬʩʢʩ ʪʩʮʺ ʪʩʬʲ ʥʬʡʠʺʩʥ [vacat] ʪʺʲʥʹʩʬ ʥʥʷ ʤʮʫ [8] ʪʺʬʧʥʺ ʧʫʹʺ ʠʥʬʥ ʯʥʩʶ [9] ʪʺʥʷʺ ʣʡʥʺ ʠʥʬ ʥʬʥʲʡ [10] ʨʬʮ ʤʦ ʩʮ ʥʠ ʷʣʶ ʣʡʠ ʤʦ ʩʮ [vacat] 5ʭʬʺʹʩ ʥʩʹʲʮʫ 4ʹʥ[ʰ]ʠ ʥʫʸʣʫ ʭʣʠ ʯʧʡʰ
1
Text nach DSSSE, 1176. Es wäre möglich gewesen, die ʡ-Zeile bereits hier mit der Präposition beginnen zu lassen. Der Einschnitt bei „gesegnet“ erschien jedoch angemessener. 3 QE.TTM I, 338, schlägt vor, anstelle von ʦʩʦ das aramäische ʥʩʦ zu lesen, und übersetzt mit „Glanz“. 4 Ergänzung des Nun wie bei DSSSE, 1176, nach der Parallele in 4Q88 VIII,5. SANDERS/CHARLESWORTH/RIETZ, in: DSS 4A, 202, Anm. 13, vermuten, die Lücke in ʹʩ ʠ sei der Textur geschuldet, halten aber ʹʥʰʠ wie in 4Q88 für ursprünglich. DSSR V, 194, bietet ʹʩ{ʰ}ʠ. 5 Der letzte Buchstabe nach ʭʬʺʹʩ (ʤ ODER ʥ) ist in 4Q88 VIII,5 laut DSS 4A, 202, Anm. 14, ausradiert. 2
4. APOSTROPHE FÜR ZION (11Q5 XXII,1–15; 4Q88 VII,14–VIII,15)
4.3. ÜBERSETZUNG [1] … 1
[LÜCKE]
ʠ Ich werde deiner gedenken2 zum Segen, Zion. Mit all meinem Vermögen3 [2] habe ich dich geliebt.4 ʡ Gesegnet sei für die Ewigkeiten dein Gedenken. ʢ Groß ist deine Hoffnung, Zion, und Friede [3] und Erwartung sind dein kommendes Heil. ʣ Geschlecht um Geschlecht werden wohnen in dir, und die Geschlechter der Frommen [4] sind dein Schmuck;5 ʤ die sich sehnen nach dem Tag deiner Rettung ʥ und sich freuen werden in der Fülle deiner Ehre.6 [LÜCKE] ʦ Die Zitze7 [5] deiner Ehre werden sie saugen und auf den Plätzen deines Schmuckes werden sie mit Fußspangen klirren.8 ʧ Die Gnaden(taten)9 deiner Propheten [6] wirst du erinnern und mit den Taten deiner Frommen wirst du dich schmücken. ʨ Reinige Gewalttat aus deiner Gemeinde. Lüge [7] und Unrecht seien ausgerottet aus dir. ʩ Es werden sich freuen [LÜCKE] deine Söhne in deiner Mitte und deine Freunde, mit dir haben sie sich verbunden. ʫ [8] Wieviel haben sie gehofft auf deine Rettung [LÜCKE] und trauerten über dich deine Rechtschaffenen?10 ʬ Nicht wird verloren sein deine Hoffnung, [9] Zion, und nicht wird vergessen deine Erwartung. ʮ Wer ist es, der verloren gegangen ist als Gerechter, oder wer ist es, der sich gerettet hat [10] in seiner Sünde? ʰ Ausgewählt worden ist ein Mann entsprechend seinem Wege. Ein Mensch, gemäß seinen Taten wird er sich vervollkommnen. [LÜCKE] 1
Der Apostrophe für Zion gehen vor einer Lücke die Schlussworte aus Sir 51,30 voran. Vgl. Ps 137,5f.; Jes 62,6f. 3 Vgl. Dtn 6,5; 2 Kön 23,25. 4 Vgl. Jes 66,10; Ps 122,6. 5 Vgl. Jes 62,3. 6 Vgl. Jes 65,18f.; 66,10. 7 Vgl. Jes 66,11. 8 Vgl. Jes 3,16. 9 Vgl. 2 Chr 6,42; Jes 55,3. 10 Vgl. Jes 66,10. 2
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ʪʩʠʰʹʮ ʬʥʫ ʥʸʦʴʺʩʥ ʯʥʩʶ ʪʩʸʶ [11] ʥʺʸʫʰ ʡʩʡʱ ʬʡʺ ʬʥʫʬ ʤʬʲʮ [12] ʯʥʩʶ ʪʺʧʡʹʺ ʳʠʡ ʤʡʸʲ ʪʫʸʡʠ ʩʡʡʬ ʬʥʫʡ ʤʫʸʡʬ ʪʸʥʫʦʠ ʺʥʡʸ ʭʩʮʲʴ ʩʬʡʷʺ ʭʩʣʡʫʰ ʺʥʫʸʡʥ ʩʢʩʹʺ ʭʩʮʬʥʲ ʷʣʶ [13] ʪʲʡʺʺ ʭʩʠʩʡʰ ʺʥʮʬʧʥ ʪʩʬʲ ʸʡʥʣ [14] ʯʥʦʧ ʩʧʷ ʯʥʩʶ ʩʡʧʸʥ ʩʮʥʸ ʪʣʥʴ ʯʥʩʬʲ ʩʧʡʹ [15] [vacat] ʪʣʥʡʫʡ ʩʹʴʰ ʧʮʹʺ
4. APOSTROPHE FÜR ZION (11Q5 XXII,1–15; 4Q88 VII,14–VIII,15)
ʱ Ringsum wurden sie ausgerottet, [11] deine Bedränger, Zion. Es wurden zerstreut alle deine Hasser. ʲ Süß in der Nase ist dein Lob, Zion, [12] über dem ganzen Erdkreis. ʴ Viele Male werde ich an dich erinnern zum Segen. Mit meinem ganzen Herzen werde ich dich segnen. ʶ [13] Gerechtigkeit der Ewigkeiten wirst du erhalten und Segnungen der Geehrten wirst du bekommen. ʷ Nimm eine Vision, [14] gesprochen ist sie über dich, und die Träume der Propheten, du wirst sie dir fordern. ʸ Erhebe dich und mache dich weit, Zion.1 ʹ [15] Lobe den Höchsten, deinen Erlöser. ʺ Es freue sich meine Seele in deiner Ehre [LÜCKE].2
1 2
Vgl. Jes 51,17; 52,2; 54,2; 60,1. Die sich anschließenden Zeilen 16–17 enthalten die Verse 1–3 aus Ps 93.
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
5. Lobpreis auf den Schöpfer (11Q5 XXVI,9–15)1 5.1. EINFÜHRUNG Das Weisheitsgedicht in 11Q5 XXVI leitet seinen Namen ab von der Preisung/Segnung des Schöpfers am Übergang von der 13. zur 14. Zeile: ʵʸʠ ʤʹʥʲ ʪʥʸʡ. Dem Lobpreis in der 26. Kolumne gehen die letzten drei Verse des 149. Psalms (Z. 1– 3) sowie der komplette 150. Psalm (Z. 4–8) voran. Die sich anschließende 27. Kolumne bietet eine Statistik der Lieder und Psalmen Davids sowie die Anfangsverse des 140. und 143. Psalms. In der 28. und letzten erhaltenen Kolumne der Rolle findet sich eine gegenüber der Septuagintafassung variierte Version des 151. Psalms (s.u. S. 282f.). Ausdrücklich genannt wird Gott nur einmal zu Beginn des Hymnus. Sein Name ist, wie in 11Q5 üblich, in althebräischen Buchstaben geschrieben (Z. 9). Während im letzten der masoretischen Psalmen dazu aufgefordert wird, Gott zu loben, erklärt der auf den Psalm folgende und hier gebotene Hymnus, warum der Schöpfer zu loben ist: In der zeitlichen Dimension ist Gott heilig von Geschlecht zu Geschlecht (Z. 9). In der räumlichen Dimension geht ihm Herrlichkeit voraus (Z. 9) und es folgen ihm große Wasser (Z. 10). Umgeben ist sein Antlitz von Gnade und Wahrheit (Z. 10). Unter ihm als sein Thron stehen Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit (Z. 10f.). Es entspricht der inneren Logik der Unüberbietbarkeit Gottes, wenn nichts genannt wird, was sich über dem Schöpfer befindet. Auf die Beschreibung des Schöpfers folgt die Nennung seiner Schöpfungstaten: Als erstes Schöpfungswerk wird die Scheidung von Licht und Finsternis genannt (Z. 11). Gott erschafft das Licht durch das Wissen seines Herzens, was wiederum alle Engel erfreut, die Gott etwas sehen lässt, was sie zuvor nicht kannten. Gott sorgt damit selbst für das Lob seiner Schöpfung (Z. 12). Weiter wird Gott dargestellt als der, der sowohl seine Schöpfung ausschmückt als auch seine Geschöpfe erhält, indem er allem Lebendigen Nahrung bereitet (Z. 13). Auf die Lobpreisung des Schöpfers in Z. 13f. (ʵʸʠ ʤʹʥʲ ʪʥʸʡ) folgt in der Abschlusszeile (Z. 15) ein stark variiertes Zitat aus Jer 10,12f.2 Bereits in Z. 10 erscheinen die vielen Wasser (ʭʩʮ ʯʥʮʤ) aus Jer 10,13a und 51,16a, so dass der Hymnus als ganzer von Anspielungen auf Verse aus dem Propheten Jeremia gerahmt wird.
1 2
DSSSE, 1178f.; DSS 4A, 198f.; DSSR V, 196f.; QE.TTM I, 340; DSPh, 328f. Vgl. Jer 51,16; Ps 135,7.
5. LOBPREIS AUF DEN SCHÖPFER (11Q5 XXVI,9–15)
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H ebräischer Text GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 2: 4Q274–11Q31, Leiden u.a. 1998, 1178 (= DSSSE). Deutsche Übersetzung MAIER, J., Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, Bd. 1: Die Texte der Höhlen 1–3 und 5–11 (UTB 1862), München/Basel 1995, 340 (= QE.TTM I). Englische Übersetzung SANDERS, J.A. / CHARLESWORTH, J.H. / RIETZ, H.W.L., Hymn to the Creator (11Q5 26.9–15), in: J.H. Charlesworth / H.W.L. Rietz (Hg.), Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997, 198f., hier: 199 (= DSS 4A). Französische Übersetzung DUPONT-SOMMER, A., 11QPsa, XXVI, 9–15. Hymne au Créateur, in: ders. / M. Philonenko (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 328f. (= DSPh).
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A.III. NICHT-MASORETISCHE PSALMENTEXTE (HÖHLEN 4 & 11)
5.2. HEBRÄISCHER TEXT1 KZK\ ʹʥʣʷʥ ʬʥʣʢ [9] ʸʥʣʥ ʸʥʣʬ 3ʭʩʹʥʣʷ ʹʥʣʷ ʸʣʤ ʥʩʰʴʬ 4 ʭʩʡʸ ʭʩʮ ʯʥʮʤ ʥʩʸʧʠʥ ʪʬʩ [10] ʺʮʠ ʥʩʰʴ ʡʩʡʱ ʺʮʠʥ ʣʱʧ 5 ʥʠʱʫ ʯʥʫʮ ʷʣʶʥ ʨʴʹʮʥ [11] ʤʬʴʠʮ ʸʥʠ ʬʩʣʡʮ ʺʲʣʡ ʯʩʫʤ 6ʸʧʹ ʥʩʫʠʬʮ ʬʥʫ ʥʠʸ8ʦʠ 7ʥʡʬ [12] ʥʲʣʩ ʠʥʬ ʸʹʠ ʺʠ ʭʠʸʤ9{ʥ} ʩʫ ʥʰʰʸʩʥ [vacat] ʺʥʡʥʰʺ ʭʩʸʤ ʸʨʲʮ [13] ʤʹʥʲ ʪʥʸʡ ʩʧ ʬʥʫʬ ʡʥʨ ʬʫʥʠ10 ʥʧʥʫʡ ʵʸʠ [14] ʥʺʮʫʥʧʡ ʬʡʺ ʯʩʫʮ ʠʶʥʩʥ ʭʩʮʹ ʤʨʰ ʥʺʰʥʡʺʡ ʥʩʺʥʸʶ]ʥʠʮ [ʧʥʸ] [15] ʤʹʲ ʸ[ʨʮʬ ʭʩʷʸʡ 11 ʵʸʠʤ] ʤʶʷ[ʮ ʭʩ]ʠʩʹʰ ʬʲʩʥ 2
1
Text nach DSS 4A, 198. Dies ist das Tetragramm ʤʥʤʩ in althebräischer Schrift. 3 Vgl. Ps 89,6–8; 4Q400 Frg. 1,I,1f. (= 4Q401 15). 4 Vgl. Jer 10,13a (51,16a); 1QH X,16 (= II). 5 Vgl. Ps 85,11; 89,15; 97,2. 6 Vgl. Hos 6,3; 1QH XII,6 (= IV). 7 Vgl. 1QH XII,18.21.24 (= IV). 8 Zwischen den Wörtern ʦʠ und ʥʠʸ fehlt ein Zwischenraum. 9 Das ʥ an dieser Stelle ist ausradiert; DSSR V, 196, hat {ʧ}. 10 DSSR V, 196, hat {ʥ} vor ʬʫʥʠ. 11 Die fehlenden oder unleserlichen Wörter der Zeile sind rekonstruiert nach Jer 10,13 (51,16); vgl. Ps 135,7a; s. DSS 4A, 198. 2
5. LOBPREIS AUF DEN SCHÖPFER (11Q5 XXVI,9–15)
5.3. ÜBERSETZUNG [9] Groß und heilig ist JHWH, am allerheiligsten für Geschlecht um Geschlecht. Vor ihm Herrlichkeit [10] wird gehen und nach ihm das Tosen der vielen Wasser. Gnade und Wahrheit rings um sein Antlitz – Wahrheit [11] und Recht und Gerechtigkeit sind die Grundfeste seines Thrones. Er scheidet Licht von Finsternis, Morgenröte hat er bereitet in der Erkenntnis [12] seines Herzens. Als (es) sahen alle seine Engel, jubelten sie, dass er ihnen gezeigt hatte das, was nicht sie kannten. [13] Er bekränzt Berge mit Früchten [LÜCKE] gutes Essen für alles Lebende. Gesegnet, der macht [14] Land in seiner Kraft. Er hat bereitet den Erdkreis mit seiner Weisheit, mit seinem Verständnis hat er ausgespannt Himmel und ließ ausgehen [15] [Wind] von seinen Sch[atzkammern. Blitze für den Reg]en machte er und führte hinauf Wolk[en vom] Ende [der Erde.
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN
In der Rubrik „Bußgebete von Herrschern“ sind zwei Gebete vereint, in denen die Reue von Despoten thematisiert wird. Beide Gebete gehen auf biblische Motive zurück. Sie spiegeln das weite Spektrum antiker jüdischer Religiosität. Das dem babylonischen König Nabonid (vgl. Dan 4,25–34) in den Mund gelegte Gebet berichtet von einem jüdischen Weisen, der ihm, Nabonid, einem Nichtjuden, den Weg zur Heilung gewiesen hat. Das Gebet des Manasse (vgl. 2 Chr 33,18; Od 12,1–5) thematisiert die Umkehr des in den alttestamentlichen Geschichtsbüchern negativ bewerteten jüdischen Königs Manasse (vgl. 2 Kön 21,1–18; 23,26; 2 Chr 33,1–20) und bietet der Leserschaft damit eine Erklärung für das lange Leben des Königs (vgl. 2 Kön 21,1.18; 2 Chr 33,1.20) trotz seines sündigen Lebenswandels und seiner verbrecherischen Taten (vgl. 2 Kön 21,2; 2 Chr 33,2). Im Unterschied zu den in Abschnitt 3 besprochenen nicht-masoretischen Psalmen stellen die beiden Bußgebete nicht den Adressaten, sondern den Beter selbst in den Vordergrund. Die beiden Königsgebete verdeutlichen in je eigener Weise, dass Gott der wahre Herrscher über die Welt ist. Dieser Gott erweist seine Macht darin, dass er Tyrannen sowohl straft und verwirft als auch zur Buße führt und sie wieder annimmt.
IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN
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1. Gebet des babylonischen Königs Nabonid (4Q242 = 4QA-Nab ar)1 1.1. EINFÜHRUNG Inhaltlich berührt sich das Nabonid-Gebet mit dem Bericht in Dan 3,31–4,34, in dem von einer über „sieben Zeiten“ andauernden mentalen Störung des babylonischen Königs Nebukadnezar II. (ca. 640–562 v.Chr.) die Rede ist. Das Gebet des Nabonid (Regierungszeit 556–539 v.Chr.) spricht von einem Geschwür, das den König sieben Jahre lang quälte. In beiden Texten spielt ein jüdischer Weiser eine zentrale Rolle. Die Zuschreibung des Gebets an den bekannteren König Nebukadnezar in Daniel 4,31–34 ist sekundär.2 Die Bezeichnung der Krankheit als „Ausschlag“ oder „Entzündung“ in 4Q242 (ʠʰʧʹ; Z. 2.6; vgl. Lev 13,18) erscheint einerseits weniger plausibel als die in Dan 4,3f. genannte Geisteserkrankung.3 Auf der anderen Seite ist es textlogisch für die Nabonidworte notwendig, dass der umkehrende Sünder seines Geistes mächtig ist. Statt einer Bitte um Heilung oder einem Schuldbekenntnis wiederholt der Qumrantext fugenartig, was dem König widerfahren ist. Dabei bringt jeder der vier erhaltenen Einsätze neue Elemente, andere werden weggelassen.4 Nabonid charakterisiert die in Z. 3 bezeichneten sieben Jahre als Zeit, in der er wie ein Tier wurde. Abweichend werden in Z. 7 die sieben Jahre als eine Zeit des Götzendienstes bezeichnet. Durch diese Parallelisierung werden Götzenanbeter den wilden Tieren gleichgestellt, wohingegen ein geheilter Mensch sich durch die Hinwendung zum Gott Israels auszeichnet. Der Text hat erzieherische Funktion und ist ein Missions- und Verkündigungstext.5 Die unter 4Q242 als „Gebet des Nabonid“ versammelten aramäischen Textstücke verteilen sich auf vier Fragmente.6 Sie repräsentieren eine einzige erhaltene Handschrift. 1
COLLINS, 88f.; DSSSE, 486–489; DSSR VI, 6f.; ATTM, 223f.; QE.TTM II, 186; TQu II, 162–165. OELSNER, Nabonid, 661: „Das unkonventionelle Verhalten N.s hat zu einer lit. gestalteten Legendenbildung geführt, in der seine Person auch mit der des Nebukadnezar vermischt wurde.“ Vgl. WEISSBACH, Ναβονάδιος, 1486f. 3 Vgl. OELSNER, 661. Jos, A.J. 10 § 216f. spricht von einer siebenjährigen Wüstenzeit Nebukadnezars, während der niemand wagte, sich seiner Herrschaft zu bemächtigen. 4 1. „Überschrift“ mit Themenangabe (Z. 1–2a), 2. Selbstbericht (Z. 2b–5b), 3. schriftlicher Bericht auf Weisung des jüdischen Wahrsagers (Z. 5c–9), 4. abermaliges Referat (Frg. 4). Das vierte Fragment nennt neben der Heilung auch „Freunde“. Hinzukommende Freunde sind aus der Tradition des ebenfalls unter Geschwüren leidenden Hiob vertraut (Ijob 2,7). Im Unterschied zu Nabonid wird Hiob jedoch als frommer Mann gezeichnet, der sich keiner Schuld bewusst war. 5 Der verbannte König Nabonid verkündet auf Weisung eines verbannten Juden die Machttaten des einzigen Gottes. 6 Der Anfang des Gebets wie auch sein rechter Rand sind auf dem ersten und größten Fragment erhalten (ca. 8x8cm). Die Zeilen eins bis neun des Gebets verteilen sich auf die Textfragmente 1–3 bzw. 1, 2a und 2b. 2
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A.IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN
Die vertikal verlaufende Bruchstelle zwischen den Fragmenten 1 und 2a1 wird unterschiedlich gefüllt.2 Die hier gebotene Textfassung samt Übersetzung legt die kürzere Variante der Ausgabe von A. Steudel zugrunde.3 J. Maier datiert die Pergament-Handschrift auf die späthasmonäische bis herodianische Zeit.4
A ramäischer Text COLLINS, J.J. (Hg.), 4QPrayer of Nabonidus ar, in: G. Brooke u.v.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 17: Parabiblical Texts, Part 3 (DJD XXII), Oxford 1996, 83–93. Deutsche Übersetzung STEUDEL, A. (Hg.), Die Texte aus Qumran. Mit masoretischer Punktation. Übersetzung, Einführung und Anmerkungen, Bd. 2: Hebräisch/Aramäisch und Deutsch, Darmstadt 2001, 163. 165.265f. (= TQu II). Englische Übersetzung GARCÍA MARTÍNEZ, F., The Prayer of Nabonidus. A New Synthesis [1980], in: ders., Qumran and Apocalyptic. Studies on the Aramaic Texts from Qumran (StTDJ 9), Leiden u.a. 1992, 116– 136. Französische Übersetzung MILIK, J.T., « Prière de Nabonide » et autres écrits d’un cycle de Daniel. Fragments araméens de Qumrân 4 (Pl. I), in: RB 63 (1956), 407–415.
Die rechte obere Ecke von Fragment 2b schließt an die linke untere Ecke von Fragment 2a an. QE.TTM II, 186, fasst die Fragmente 2a + b zusammen und zählt das von DSSSE, 488f., als viertes Textstück klassifizierte Fragment als „Fragment 3“. Dieses Fragment scheint Textelemente aus einer anderen Kolumne zu beinhalten. Die Zuordnung ist aber unsicher. 1 Sowohl das Pergament des Fragmentes 1 als auch das von Fragment 2a ist mehrfach gebrochen/zerrissen, der ursprüngliche Zusammenhang der jeweiligen Fragment-Bruchstücke steht jedoch außer Zweifel. 2 Während DJD XXII, 88f., DSSR VI, 6f., und TQu II, 162–165, von einem schmalen Spalt mit geringen Buchstabenverlusten ausgehen und eine Berührung der Fragmente auf der Höhe der vierten Zeile annehmen, rechnet DSSSE, 486, mit einem größeren Abstand. Ihre Rekonstruktion wird zum Vergleich in der ersten Anmerkung zu den hebräischen Fragmenten geboten. 3 TQu II, 162–165. 4 Ca. Mitte des 1. Jh. v.Chr. Vgl. QE.TTM II, 185.
1. GEBET DES BABYLONISCHEN KÖNIGS NABONID (4Q242)
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Literatur COLLINS, J.J., New Light on the Book of Daniel from the Dead Sea Scrolls, in: F. García Martínez / E. Noort (Hg.), Perspectives in the Study of the Old Testament and Early Judaism. A Symposium in Honour of Adam S. van de Woude on the Occasion of His 70th Birthday (VT.S 73), Leiden 1998, 180–196. CROSS, F.M., Fragments of the Prayer of Nabonidus, in: IEJ 34 (1984), 260–264. LANGE, A. / SIEKER, M., Gattung und Quellenwert des Gebets des Nabonid, in: H.-J. Fabry / ders. / H. Lichtenberger (Hg.), Qumranstudien. Vorträge und Beiträge der Teilnehmer des Qumranseminars auf dem internationalen Treffen der Society of Biblical Literature, Münster, 25.– 26. Juli 1993 (SIJD 4), Göttingen 1996, 3–34. MEYER, R., Das Gebet des Nabonid. Eine in den Qumran-Handschriften wiederentdeckte Weisheitserzählung. Mit 1 Tafel (SSAW.PH 107/3), Berlin 1962. OELSNER, J., Art. Nabonid, in: DNP IIX (2000), 660f. PUECH, É., La Prière de Nabonide (4Q242), in: K.J. Cathcart / M. Maher (Hg.), Targumic and Cognate Studies, FS M. McNamara (JSOTS 230), Sheffield 1996, 208–227. STEINMANN, A., The Chicken and the Egg. A New Proposal for the Relationship between the Prayer of Nabonidus and the Book of Daniel, in: RdQ 20 (2001/02), 557–570. VAN DER WOUDE, A.S., Bemerkungen zum Gebet des Nabonid, in: M. Delcor (Hg.), Qumrân. Sa piété, sa théologie et son milieu (BETL 46), Paris – Leuven 1978, 120–129. WEISSBACH, F.H., Art. Ναβονάδιος, in: PRE XVI,2 (1935), 1483–1489.
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A.IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN
1.2. ARAMÄISCHER TEXT1 Fragmente 1, 2a, 2b, 3 2 ʬʡ[ʡ ʩ]ʣ 3[ʠ]ʫʬʮ ʩʰʡʰ ʩʬʶ ʩʣ ʠʺ[ʬ]ʶ ʩʬʮ [1] [ʤʥʤ ʹʩʺʫ ʠʥʤ ʩʣʫ ʠʡʸ] ʠʫʬʮ ]ʯʮʩʺʡ ʠ[ʤʬ]ʠ 4ʭʢʺʴʡ ʠʹʩʠʡ ʠʰʧʹʡ [2] [ʠʹʩʠʡ ʠʰʧʹʡ ʩʰʡʰ ʤʰʠ ʩʣ]ʯʮʥ ʲʡʹ ʯʩʰʹ ʺʩʥʤ ʹʩʺʫ [3] ʠʥʩʧʬ ʤʰ]ʠ ʩʥʹ[ 5 [(?) ʩʬʷʡ ʠʤʬʠ ʲʮʹ ʤʬ ʷʡʹ ʩʠʨʧʥ [4] ʠʺʥʬʢ ʩʰʡ ʯ]ʮ ʩʣʥʤʩ ʠʥʤʥ ʸʦʢ [ʸʮʠʥ ʩʮʣʷ 6ʬʲ ʠʤʬ]ʠ ʭʹʬ ʥ[ʡ]ʸʥ ʸʷʩ ʣʡʲʮʬ ʡʺʫʥ ʩʥʧʤ [5] [ʤʰʠ ʺʡʺʫ 7ʤʰʣʫ(ʥ) ʠʩʮʹ/ʠʩʬʲ ]ʯʮʩʺʡ[ ʠʹʩʠ]ʡ ʠʰʧʹʡ ʺʩʥʤ ʹʩʺʫ [6] 8 [ʠʰʠʥ ʠʩʬʲ ʠʤʬʠ ʭʢʺʴʡ 9 [ʠʬʦʸʴ ʠʹʧʰ ]ʠʡʤʣʥ ʠʴʱʫ ʩʤʬʠ [ ʭʣʷ ʺ]ʩʥʧ ʠʬʶʮ ʲʡʹ ʯʩʰʹ [7] ʸ[ʡʱ ʺʩʥʤ ]ʩʣ ʯʮ ʠʴʱʧ ʠʰʡʠ ʠʲʠ [8] 10 [ʥʥʤ ʩʬʷʡ ʩʣ ʯʥʮ]ʤ ʯʩʤʬʠ ʩʣ
1
Text nach TQu II, 162. Text-Rekonstruktion der Fragmente 1–3 nach DSSSE, 486: [ʠʥʤ ʹʩʺʫ ʩʣʫ ʠʡʸ ]ʠʫʬʮ ʬ[ʡʡ ʩʣ ʠʲʸ]ʠ ʪʬʮ ʩʰʡʰ ʩʬʶ ʩʣ ʠʺ[ʬ]ʶ ʩʬʮ [1] [ʠʹʩʠʡ ʠʰʧʹʡ ʩʰʡʰ ʤʰʠ ]ʯʮʩʺʡ ʠ[ʩʬʲ ʠʤʬ]ʠ ʭʢʺʴʡ ʠʹʩʠʡ ʠʰʧʹʡ [2] [ʠʩʬʲ ʠʤʬʠ ʭʣʷ ʺʩʬʶʥ ʤʰ]ʠ ʩʥʹ [ʠʩʹʰʠ ]ʯʮʥ ʲʡʹ ʯʩʰʹ ʺʩʥʤ ʹʩʺʫ [3] [ʩʬ ʸʮʠ ʠʥʤʥ ʠʺʥʬʢ ʩʰʡ ʯ]ʮ ʩʣʥʤʩ[ ʸʡʢ ]ʠʥʤʥ ʸʦʢ ʤʬ ʷʡʹ ʩʠʨʧʥ [4] [ʩʣʫ ʺʡʺʫ ʯʫʥ ʠʩʬʲ ʠʤʬ]ʠ ʭʹʬ ʸ[ʣʤʥ ʥʡ]ʸʥ ʸʷʩ ʣʡʲʮʬ ʡʺʫʥ ʩʥʧʤ [5] [ʠʩʬʲ ʠʤʬʠ ʭʢʺʴʡ ]ʯʮʩʺʡ[ ... ʠʹʩʠ]ʡ ʠʰʧʹʡ ʺʩʥʤ ʹʩʺʫ [6] [ʠʬʦʸʴ ʠʹʧʰ] ʠʡʤʣʥ ʠʴʱʫ ʩʤʬʠ[ ʬʫ ʭʣʷ ʺ]ʩʥʤ ʠʬʶʮ ʲʡʹ ʯʩʰʹ [7] [... ʯʥʮ]ʤ ʯʩʤʬʠ ʩʣ ʸ[ʩʡʱ ʺʩʥʤ ]ʩʣ ʯʮ ʠʴʱʤ ʠʰʡʠ ʠʲʠ [8] [...]...[...][9] 3 TQu II, 162: Korrektur von ʪʬʮ zu ʠʫʬʮ. 4 TQu II, 162, hat hier statt des Schluss-Mem ein einfaches Mem. 5 COLLINS, 88: [ʩʬ ʠʱʠʥ ʩʤʥʴʰʠ ʩʬʲ ʠʤʬ]ʠ. 6 COLLINS, 88: [ʸʮʠʥ ʩʬ ʬʲ. 7 COLLINS, 88, und DSSSE, 486: ʯʫʥ ʠʩʬʲ. 8 COLLINS, 88, und DSSSE, 486: [ʠʩʬʲ ʠʤʬʠ. 9 COLLINS, 88, und DSSSE, 486: ʺ]ʩʥʤ. 10 COLLINS, 88, und DSSSE, 486: [... ʯʥʮ]ʤ. 2
1. GEBET DES BABYLONISCHEN KÖNIGS NABONID (4Q242)
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1.3. ÜBERSETZUNG Fragmente 1, 2a, 2b, 3 1 [1] Die Worte des Ge[be]ts, das gebetet hat Nabonid, [der] König v[on Ba]bylon, der [große] König[, als er geschlagen war] [2] mit einem schlimmen Ausschlag auf Beschluss des G[ott]es in Teman: [Ich Nabonid mit einem schlimmen Ausschlag] [3] war geschlagen sieben Jahre und nach[dem] gleich i[ch geworden war einem Tier, hörte der Gott meine Stimme,] [4] und meine Sünde hat er mir verziehen. Ein Wahrsager2 – und er ein Jude v[on den Söhnen der Verbannung – zu mir war er gekommen und er sprach:] [5] verkündige und schreibe zu geben Ehre und Gr[öß]e dem Namen G[ottes, des Höchsten, und so schrieb ich: Ich] [6] war geschlagen mit einem schl[immen] Ausschlag in Teman [, auf Beschluss des höchsten Gottes und ich,] [7] sieben Jahre betete ich [früher zu] Göttern aus Silber und Gold [Bronze, Eisen] [8] Holz, Stein, Ton, denn [ich war überze]ugt, dass s[ie] Götter [waren, die meine Stimme]
1
Übersetzung der rekonstruierten Fragmente 1–3 nach DSSSE, 486. So auch QE.TTM II, 186. DSSSE, 487, übersetzt ʸʦʢ mit „exorcist“, DSSR VI, 7, hat „diviner“. Vgl. Dan 2,27; 4,4; 5,7.11. 2
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A.IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN 1
[ʯʥʤʩʮ]ʣʷ ʭʬʹ ʧʡʣ[ʬ ʯʩʸʥʺ ʥʬ]ʡʥʠ [9a] Nachtrag oberhalb der neunten Zeile 2 ʯʥʤʩʮʣʷ ʯʮ ]ʯʥʤʩʮ[ʧʸ ]ʺʩ[ʲʡ ʯʩʲʮʹ [9]
Fragment 4 3 ʺʮʬʧʠ ʯʥʮʤ 4ʣʡʲʮ[ʬ ... ] [1] ʤʰʺʮ[ʫ/ʡʥ (?) ʠʺʥʬʢ ʩʰʡ ʯʮ ʩʣʥʤʩ ʣʧ ʸʦʢ] [2] 5 [ ʩʺʥ]ʬʹ ʭʬʹ ʪ[ʬ]ʤʠ [ ] ʺʬʫʩ ʠʬ ʩʮʧʸ 6ʥʶʸʲʥ[ ... ] [3] [ ] 8(?)ʤʬ ʤʺʰʠ ʠʮʣ 7ʠʮʫ[...] [4]
COLLINS, 88: ]°[ °ʬʹ ʣ ʥʠ; DSSSE, 486: keine Angabe. COLLINS, 88: ]ʯʥʤʩʮ[ ] ʺ. 3 Text nach TQu II, 164. Textrekonstruktion des Fragments 4 nach DSSSE, 488: 1 2
ʺʮʬʧʠ ʯʥʮʤ ʸʡʬ[ʮ ...] [1] [...]ʬʹ ʭʬʹ ʳ[ʬ]ʧʠ ʤʰʮ[...] [2] [... ]ʺʬʫʩ ʠʬ ʩʮʧʸ ʥʰ[...].[...] [3] [...].ʬ ʤʺʰʠ ʠʮʣ ʤʮʫ[...] [4] […]…[…] [5] COLLINS, 91: ʸʡʬ[; B, 224: ʸʡʢ[.....]. COLLINS, 91: [ʩʬʲ ʡʥʺʩ ʩʺʥ]ʬʹ ʭʬʹ ʳ[ʬ]ʧʠ ʤʰʮ[. 6 COLLINS, 91, und DSSSE, 488: ʥʰ[...].[...]. 7 TQu II, 164, nennt ʤʮʫ und ʠʮʫ als Alternativen. 8 COLLINS, 88, und DSSSE, 488: [...].ʬ. 4 5
1. GEBET DES BABYLONISCHEN KÖNIGS NABONID (4Q242)
[9a] [es] wurden gebra[cht Stiere als] Ganzopfer vo[r sie] Nachtrag oberhalb der neunten Zeile [9] erhören würden. Ich erb]at ihre [Barm]herzigkeit[ vor ihnen]
Fragment 4 1 [1] […um zu] dienen ihnen. Ich war geheilt [2] […ein Wahrsager, ein Jude von den Söhnen der Verbannung und als] Geschenk br[ach]te er Frieden [meiner] Ru[he] [3] […] und es kamen meine Freunde, nicht konnte ich [… [4] […] wie ähnlich bist du ihm/ihnen […
1
Übersetzung der Textrekonstruktion des Fragments nach DSSSE, 488.
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A.IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN
2. Gebet des Manasse (4Q381 Frg. 33)1 2.1. EINFÜHRUNG Das Gebet2 des Manasse aus Qumran steht in keiner Verbindung zur Oratio Manassis in den Oden der Septuaginta oder in den Apostolischen Konstitutionen.3 2 Kön 21,1– 18 zeichnet Manasse (696–642 v.Chr.) als bemerkenswert schlechten König, dem nach einem frevelhaften, langen Leben ohne erkennbare Bestrafung ein friedliches Ende beschieden war. 2 Chr 33,1–20 versucht die „Unstimmigkeiten“ auszugleichen: Der König von Assur nahm Manasse gefangen (V. 11), in der Gefangenschaft betete er zu Gott (V. 12), wurde erhört (V. 13) und starb als ein König, der tatkräftig Umkehr vollzogen hatte (V. 15f.). Das wirkmächtige Gebet selbst wird nicht überliefert. Benannt werden stattdessen als Quelle die „Seherworte“ in den „Geschichten der Könige Israels“ (V. 18). Das Qumranfragment des Manassegebets war Teil einer der Schriftrollen aus Höhle 4 mit nicht-kanonischen Psalm- bzw. Gebetstexten.4 W.M. Schniedewind hält wegen des Fehlens von Zitaten und Bezugnahmen in 4Q381 Frg. 33 die Entstehung des Qumrangebets vor der Abfassung der Chronikversion für wahrscheinlich.5 Demnach handelt es sich um unabhängige Versuche,6 die aus 2 Kön 21,1–18 resultierenden Spannungen zu lösen. Fragment 33 enthält in Z. 8 vollständig den Einleitungssatz des Gebets des Königs Manasse. In bemerkenswerter Kürze sind Beter sowie Zeit, Ort und Umstände des Gebets benannt. Ob Manasse Gott um seine Nähe und Hilfe bittet (Imperativ)7 oder diese Nähe konstatiert (Indikativ)8, ist auf der Basis des erhaltenen Textes nicht sicher zu bestimmen. In beiden Fällen drückt sich die Hoffnung des Beters aus, dass Gott auch dem größten Sünder beisteht, der aufrichtig seine Taten bereut. 1
SCHULLER, in: DJD XI, 122–124; DSS 4A, 22f.; DSSR V, 164f.; DSSSE, 358f.; QE.TTM II, 338. Die in 4Q381 Frg. 33,8 verwandte Wendung -ʬ ʤʬʴʺ („Gebet des…“) ist als Gebetseinleitung in den alttestamentlichen Schriften nur vereinzelt belegt, insbesondere bei individuellen Klagegebeten (Ps 17,1; 86,1; 90,1; 102,1; Hab 3,1). 3 Daraus ergibt sich, dass auch das hebräische Fragment der Oratio Manassis aus der Kairoer Geniza, bei dem es sich um eine Übersetzung der syrischen Didaskalia und der griechischen Oratio Manassis handelt, textlich nicht mit der Qumran-Version verwandt ist; Text und Einordnung: LEICHT, Hebrew Version, 360.368; vgl. OSTMEYER, Gebete (im Erscheinen). 4 QE.TTM II, 332–334, datiert 4Q381 auf die hasmonäische Zeit und ordnet der Rolle 111 Fragmente mit zum Teil minimalen Buchstabenresten zu. DSSSE, 754–763, gibt den Text von 79 Fragmenten wieder. 5 SCHNIEDEWIND, Qumran, 105. 6 SCHNIEDEWIND, Qumran, 107. 7 So QE.TTM II, 338. 8 So DSSSE, 759; DSS 4A, 23; DSSR V, 165. 2
2. GEBET DES MANASSE (4Q381 FRG. 33)
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Prägende Elemente des Gebets sind Gegenüberstellungen: Der Beter bezeichnet sich selbst als gering und angewiesen auf die Hilfe Gottes (Z. 9a). Während Gott sein Erbarmen vermehrt (Z. 9b), hat der Beter Schuld aufgehäuft (Z. 9c). Das Volk musste in die Verbannung ziehen, den Beter aber, der selbst den Herrn vergessen hatte, hat Gott erhoben. Die Figur des Manasse sieht sich selbst als aus den Heiden herausgehoben an (Z. 10c), während die Verbannten des Volkes Israel ihnen untergeordnet, zumindest aber eingeordnet sind (Z. 10b).1 In Spannung stehen der einleitende Satz, der die Nähe der Rettung thematisiert (Z. 8b.9a), und die wenig später zum Ausdruck gebrachte Resignation: Der Beter wähnt sich von zukünftiger Freude und allem Guten abgeschnitten (Z. 9d.10a).
H ebräischer Text SCHULLER, E., 4QNon-Canonical Psalms B, in: E. Eshel u.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 6: Poetical and Liturgical Texts, Part 1 (DJD XI), Oxford 1998, 87–172. Deutsche Übersetzung MAIER, J., Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, Bd. 2: Die Texte der Höhle 4 (UTB 1893), München/Basel 1995, 232–246 (=QE.TTM II). Englische Übersetzung SCHULLER, E.M., Qumran Pseudepigraphic Psalms (4Q380 and aQ381), in: J.H. Charlesworth / H.W.L. Rietz (Hg.), Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997, 1–39, hier: 23 (= DSS 4A). Französische Übersetzung HIMBAZA, I., Le roi Manassé. Héritage et conflit du pardon (EssBib 40), Genève 2006, 74f. Literatur LEICHT, R., A Newly Discovered Hebrew Version of the Apocryphal ‘Prayer of Manasseh’, in: JSQ 3 (1996), 359–373. 1 Der gebrauchte Terminus ʩʥʢ (Z. 10c) steht häufig für Nichtjuden. Das in dem Qumranfragment auf ʩʥʢ folgende Wort ist nicht lesbar. Für einen deutlichen Israel-Bezug wäre der Terminus ʭʲ anstelle von ʩʥʢ zu erwarten.
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A.IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN
OSTMEYER, K.-H., Die Gebete des Manasse (aus Qumran, der Septuaginta und der Kairoer Geniza), in: J. Frey u.a. (Hg.), Between Canonical and Apocryphal Texts. Processes of Reception, Rewriting and Interpretation in Early Judaism and Early Christianity (im Erscheinen). SCHNIEDEWIND, W.M., A Qumran Fragment of the Ancient „Prayer of Manasseh“?, in: ZAW 108 (1996), 105–107. SCHULLER, E.M., 4Q380 and 4Q381: Non-Canonical Psalms from Qumran, in: D. Dimant / U. Rappaport (Hg.), The Dead Sea Scrolls. Forty Years of Research (StTDJ 10), Leiden u.a. 1992, 90–99. –, Non-Canonical Psalms from Qumran. A Pseudepigraphic Collection (HSS 28), Atlanta 1986, 267–283, pl. i–vii.ix, 61–240.
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A.IV. BUSSGEBETE VON HERRSCHERN
2.2. HEBRÄISCHER TEXT1 [vacat] ʤʣʥʤʩ ʪʬʮ ʤʹʰʮʬ ʤʬʴʺ [8] ʸʥʹʠ ʪʬʮ ʥʺʠ ʥʬʫʡ [...]ʬ[...]ʤʮ ʪʩʰʩʲ ʣʢʰʬ ʩʲʹʩ 2ʡʥʸʷ[... ʩ]ʤʬ[ʠ] ʤʥʷʠ ʪʩʰʴ ʲʹʩʬ [9] ʩ[4ʨ]ʧ ʬʲ ʪʩʰʴʬ 3ʹʧʫʠ ʩʰʠʥ [ ʪʩʮʧʸ ʺ]ʬʣʢʤ ʩʫ 5 ʺʸʫ]ʠ ʯʫʥ ʤʮʹʠ ʩʺʩʡʸʤ ʩʰʠʥ ʩʹʴʰ ʡʥʨʡ ʤʠʸʺ ʠʬʥ ʣʥʲ ʺʧʮʹʮ [10] ʥʬʢ ʩ[...] ʩʫ ] ʩʥʢ ʬʲ ʤʬʲʮʬ ʩʰʮʩʸʤ ʠʥ[ʤ ...]ʠʥ [ʪʹʣ]ʷ ʭ[ʥʷʮʡ] 6ʪʩʺʸʫʦʠʬ ʩʰʠʥ[11] ] ʩʬ[... ʪʩ]ʺʣʡʲ ʠʬ
1
Text nach SCHULLER, in: DJD XI, 122. Der fragmentarische Zustand des Gebets erlaubt verschiedene syntaktische Zuordnungen und Ergänzungen. Die hier gebotene Version repräsentiert nur eine der Möglichkeiten. 3 Vgl. ʹʧʫ in der der Bedeutung „abnehmen“: Ps 109,24. Gebräuchlicher ist ein Verständnis als „leugnen“, „täuschen“. Nach SCHNIEDEWIND, Qumran, 106f., handelt es sich um ein Wort, das nicht zum Standardvokabular im Kontext eines bußfertigen Sünders gehört. In den Chronikbüchern begegnet das Verb nicht. 4 DSSSE, 758, ergänzt ʠʨ. 5 DSSSE, 758, ohne Ergänzungsvorschlag. 6 Eine Wortabtrennung fehlt nach der Verneinung ʠʬ. 2
2. GEBET DES MANASSE (4Q381 FRG. 33)
2.3. ÜBERSETZUNG [LÜCKE] [8] Gebet Manasses, des Königs von Juda, als ihn einsperrte der König Assurs: [Mein G]ot[t], nahe ist meine Rettung gegenüber deinen Augen, was [ ]l[ [9] auf die Rettung vor dir (vor deinem Angesicht) werde ich hoffen, und ich werde mager vor dir wegen meiner Sü[nde], denn groß gemacht ha[st du dein Erbarmen], aber ich habe vermehrt Schuld und so werde ich mich abs[chneiden [10] von weiterer Freude und nicht wird sehen auf das Gute meine Seele, denn […] sie sind in die Verbannung gegangen und [… e]r hat mich erhoben über eine Nation [ [11] Und ich, nicht habe ich mich deiner erinnert [am Or]t [deiner Heili]gkeit, nicht habe [ich g]edient [dir] für [
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
V. SCHABBATLIEDER (ENGELLITURGIE)
Die Mehrzahl der Manuskripte mit Texten der Schabbatopfer-Gesänge („Engelliturgie“) fand sich in Höhle 4 (4Q400–407). Hinzu kommen Fragmente aus Höhle 11 (11Q17) und von Masada (0QShirShab Masada).1 Ihren Ursprung haben die Lieder im Umfeld des Jerusalemer Tempelkultes des 4. und 3. Jh. v. Chr.2 Die erhaltenen Handschriften wurden zwischen 75 v.Chr. und 50 n.Chr. abgeschrieben.3 Der Sprachgebrauch erweist die Texte als voressenisch.4 Die Schabbatopfer-Gesänge setzen den Sonnenkalender mit seinen genau 52 Wochen und 364 Tagen voraus,5 wobei die beiden ersten Monate eines jeden der 13-wöchigen Quartale 30 und der dritte Monat 31 Tage zählen. Jahresdaten und Feiertage liegen so stets auf demselben Wochentag. In Anlehnung an Gen 1,14–19 beginnt die Zeitrechnung mit der Erschaffung der Gestirne zur Zeiteinteilung. Das bedeutet, der vierte Schöpfungstag ist der erste Tag des ersten Monats. Damit fällt der erste Schabbat auf den vierten Tag des ersten Monats (4Q400 Frg. 1,I,1).6 Die Gesänge beschreiben unter anderem, welche Dienste durch welche Engelklassen zu verrichten sind.7 Es handelt sich mehr um eine Liturgie oder Agende8 als um eine Liedsammlung.9 Laut 11Q5 XVIII,7 hat König David 52 Schabbatopfer-Lieder gedichtet, d.h. für jeden Schabbat eines.10
1
Vgl. QE.TTM I, 39; STEGEMANN, Essener, 141. Vgl. STEGEMANN, Essener, 142. 3 Vgl. LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65; STEGEMANN, Essener, 141. Die Masada-Fragmente lassen vermuten, dass entweder Essener nach Masada geflohen sind oder dass sich diese Lieder allgemein großer Beliebtheit erfreuten. Vgl. VANDERKAM, Einführung, 117.131. 4 Vgl. STEGEMANN, Essener, 142; LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65. So findet sich z.B. ʭʩʤʥʬʠ (Elohim), das in den Schabbatliedern häufig für Engel gebraucht wird, nicht in genuin essenischen Texten. 5 Vgl. LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65. 6 Vgl. VANDERKAM, Einführung, 82f. 7 Vgl. STEGEMANN, Essener, 141f. 8 Ob die überkommenen Texte nur für ein Quartal Gültigkeit hatten oder jeweils nach 13 Schabbaten wiederholt wurden, ist umstritten. Vgl. QE.TTM II, 377, Anm. 447; LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65. 9 VANDERKAM, Einführung, 82f. J. Maier nennt die Texte „eine ausgesprochen priesterliche Spezialliturgie“ (QE.TTM I, 39). 10 Vgl. VANDERKAM, Einführung, 82. 2
V. SCHABBATLIEDER (ENGELLITURGIE)
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Die Texte thematisieren den Gottesdienst der Engel: Himmlische und irdische Liturgie sollen einander entsprechen.1 In der Gemeinschaft von Qumran war man überzeugt, dass in den Gottesdiensten der gereinigten Gemeinde die Engel selbst anwesend sind.2 In den ersten fünf Liedern geht es um Organisatorisches zur himmlischen Priesterschaft und deren Lobpreisungen.3 Akzentuiert wird die Zahl Sieben,4 entsprechend bilden die Anweisungen im sechsten bis achten Lied und vor allem das Lied zum siebten Schabbat das Zentrum der Gesänge. In ihm spielt der Lobpreis des himmlischen Tempels eine herausragende Rolle,5 der auch im Mittelpunkt der abschließenden Lieder steht.6 Ob in der tempelkritischen Essener-Gemeinde die Schabbatopfer-Liturgie als Ersatz für die im Jerusalemer Tempel dargebrachten Opfer fungierte, wird diskutiert.7
H ebräischer Text GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 2: 4Q274–11Q31, Leiden u.a. 1998, 818.820 (= DSSSE). Deutsche Übersetzung MAIER, J., Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, Bd. 2: Die Texte der Höhle 4 (UTB 1863), München/Basel 1995, 391–393 (= QE.TTM II). Englische Übersetzung CHARLESWORTH, J.H. / NEWSOM, C.A. (Hg.), Angelic Liturgy. Songs of the Sabbath Sacrifice (DSS 4B), Tübingen – Louisville 1999, 51.53.55 (= DSS 4B). Französische Übersetzung CAQUOT, A., Les Cantiques qoumrâniens de l’holocauste du sabbat, in: RHPR 77 (1977), 1–29, hier: 13–15. 1
Vgl. STEGEMANN, Essener, 142; LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65. STEGEMANN, Essener, 142; NEWSOM, Sabbatlieder, 720. 3 LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65. 4 STEGEMANN, Essener, 141; NEWSOM, Sabbatlieder, 720. 5 VANDERKAM, Einführung, 83. Vgl. STEGEMANN, Essener, 142. 6 Sie nehmen Anleihen bei dem Propheten Hesekiel (Ez 1; 10; 40–48). Vgl. LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65; STEGEMANN, Essener, 141; NEWSOM, Sabbatlieder, 720. 7 Die Tempelopfer galten als illegitim, u.a. weil sie nicht zu den laut Sonnenkalender allein gültigen Terminen dargebracht wurden. Vgl. NEWSOM, Sabbatlieder, 720; LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 64. 2
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A.V. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
Literatur LANGE, A., Art. Qumran, in: RGG4 6 (2003), 1873–1896. – / Lichtenberger, H., Art. Qumran, in: TRE 28 (1997), 45–79. MAIER, J., Shîrê ‘Ôlat hash-Shabbat. Some Observations on their Calendric Implications and on their Style, in: J. Trebolle Barrera / L. Vegas Montaner (Hg.), The Madrid Qumran Congress. Proceedings of the International Congress on the Dead Sea Scrolls. Madrid 18–21 March, 1991, Bd. 2 (StTDJ 11/2), Leiden u.a. 1992, 543–560. NEWSOM, C.A., Art. Sabbatlieder, in: RGG4 7 (2004), 720. –, Shirot ‘Olat HaShabbat, in: E. Eshel u.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 6: Poetical and Liturgical Texts, Part 1 (DJD XI), Oxford 1998, 173–401. –, Songs of the Sabbath Sacrifice. A Critical Edition (HSS 27), Atlanta 1985. – / YADIN, Y., The Masada Fragment of the Qumran Songs of the Sabbath Sacrifice, in: IEJ 34 (1984), 77–88. SCHWEMER, A.M., Gott als König und seine Königsherrschaft in den Sabbatliedern aus Qumran, in: M. Hengel / dies. (Hg.), Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt (WUNT 55), Tübingen 1991, 45–118. STEGEMANN, H., Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus, Nachwort von G. Jeremias (Herder-Spektrum 5881), Freiburg i.Br. u.a. 102007. STRUGNELL, J., The angelic liturgy at Qumrân. 4Q Serek Šîrôt ‘Ôlat Haššabbāt, in: Congress Volume, Oxford 1959 (VT.S 7), Leiden 1960, 318–345. VANDERKAM, J.C., Einführung in die Qumranforschung. Geschichte und Bedeutung der Schriften vom Toten Meer, übers. von M. Müller (UTB 1998), Göttingen 1998.
1. BRANDOPFERLIED DES 7. SABBATS (4Q403 I,1,30–46)
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1. Brandopferlied des 7. Sabbats (4Q403 [4Q ShirShabbd] I,1,30–46)1 1.1. EINFÜHRUNG Der siebte Schabbat am 46. Tag bildet exakt die Mitte eines 13-wöchigen, d.h. jeweils 91-tägigen Quartals.2 Dieser Schabbat fällt im Solarkalender immer auf den 16. Tag des zweiten Quartalsmonats. Vorbereitet wird das Lied zum siebten Schabbat in 4Q403 durch verschiedene thematische Variationen zur Siebenzahl. So ist in den vorangehenden Zeilen u.a. von „sieben Hauptfürsten“, „sieben Lobliedern“ und „sieben mal sieben Worten wunderbarer Art“ die Rede.3 Der siebte Gesang wirkt zunächst wie eine litaneiartige Auflistung von Lobpreisungen Gottes.4 Als Gliederungsmerkmale lassen sich Zusammenstellungen von Formen (vermeintlich) gleicher hebräischer Wurzeln ausmachen, die deren jeweiliges Leitthema bezeichnen. Bereits in der Einleitung des Gesangs (Z. 30) wird Gott als Gott der Erhabenheiten charakterisiert, den die Erhabenen rühmen sollen (ʭʩʮʸʤ ʭʩʮʥʸʮ ʩʤʥʬʠ). Die angeredeten Engel werden selbst als ʭʩʬʠ oder ʭʩʤʥʬʠ bezeichnet,5 über denen der Gott aller Göttlichen steht.6 Auch die zweite Strophe (Z. 33b–36a) steht im Zeichen der Erhabenheit Gottes und beginnt mit einer figura etymologica.7 Die figura etymologica am Anfang der dritten Strophe (Z. 36b–37) akzentuiert den Jubel über die Ehre Gottes und seine Wunder (ʯʰʥʸ[ʡ ] ʩʰʰʸʮ ʥʰʰʸ). Bei der vierten Strophe (Z. 38–39b) scheint der Verfasser fälschlich eine etymologische Verbindung zwischen ʥʣʥʤ (von ʤʣʩ, „danken“) und ʣʥʤ („Herrlichkeit“) vorauszusetzen. Das Leitthema der fünften Strophe (Z. 39c–41) lautet: „einen Psalm (ʸʥʮʦʮ) spielen (ʸʮʦ)“. Die vorletzte Strophe (Z. 41b–44a) knüpft an den Lobpreis Gottes an und leitet mit drei Polyptota8 über zum Bau seines Heiligtums. Die siebte Strophe (Z. 44b–46) umspielt das Thema „Wunder“ und „wunderbar“ (Z. 45a: ʠʬʴʰ ʠʬʴ) und rühmt Gott und die Stätte seiner Gegenwart.
1
DSSSE, 818–821; DSS 4B, 50–55; DSSR V, 378–381; QE.TTM II, 391–393. Dem ersten Schabbat gehen drei Tage voran, auf den letzten folgen drei Tage. 3 Vgl. LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65. 4 Die Einbettung des siebten Liedes in einen Siebener-Kontext legt nahe, nach Siebener-Elementen in dem Gesang selbst zu suchen. QE.TTM II, 391–393, gliedert das Lied in sieben etwa gleich lange Strophen. 5 Z. 31ff. Vgl. QE.TTM II, 377, Anm. 450; LANGE/LICHTENBERGER, Qumran, 65. 6 Z. 33: Neben dem Gottesattribut der Erhabenheit akzentuiert die erste Strophe (Z. 30–33a) die Heiligkeit Gottes, mit der er seine Heiligen heiligt (ʥʹʥʣʷ ʬʥʫʬ ʥʲʣʥʷʡ ʹʩʣʷʮʤ; DSSSE, 818; DSS 4B, 50, u.a. nehmen bei ʥʹʣʥʷʡ eine Verschreibung an). 7 ʭʥʸʮʬ ʥʮʮʥʸ ʥʮʮʥʸ[ʥ. Zugleich sprechen die ersten beiden Strophen vom Königtum Gottes (ʥʺʥʫʬʮ). 8 Z. 42c: [ʥ]ʹʣʥʷ ʹʣʷʮʬ ʭʩʸʥʤʨ ʸʤʥʨ; Z. 44a: ʥʺʩ]ʰʡʺ ʩʹʲʮ ʥʺʩ[ʰʡʮ]. 2
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A.V. SCHABBATLIEDER (ENGELLITURGIE)
1.2. HEBRÄISCHER TEXT1 ʬʩʫʹʮʬ [30] ʹʣʥʧʬ ʸʹʲ ʹʹʡ ʺʩʲʩʡʹʤ ʺʡʹʤ ʺʬʥʲ ʸʩʹ ʬʥʫʡ ʭʩʮʸʤ ʭʩʮʥʸʮ ʩʤʥʬʠ ʥʬʬʤ ʣʥʡʫʤ ʪʬʮʬ ʭʩʤʥʬʠ ʩʹʥʣʷ 2ʥʬʩʣʷʩ ʺʲʣ ʩʬʠ [31] ʥʹʥʣʷ ʬʥʫʬ 3ʥʲʣʥʷʡ ʹʩʣʷʮʤ ʺʥʧʡʹʥʺ ʩʹʠʸ ʣʥʤ ʺʥʧʡʹ[ʤ ʩ]ʤʥʬʠʬ ʥʧʡʹ ʭʩʤʥʬʠ ʬʥʫ [32] ʥʺʥʫʬʮ ʣʥʡʫ ʺʥʧʡʹʺ ʸʣʤʡ ʩʫ ʬʥʫ ʺʥʧʡʹʺ ʤʡ ʥʺʥ]ʫʬʮ ʬʥʫ ʸʣʤ ʭʲ ʭʩʤʥʬʠ [33] ʭʥʸʮʬ {ʥ}ʮʮʥʸ ʥʮʮʸ[ʥ ʭʥʸ ʩʬʠʮ ʭʩʤʥʬʠ ʬʲʮ ʥʣʥʡʫ ʺʥʤʥʬʠʥ ʭʥʸ ʩʮʥʸʮ ʬʥʫʬ [34] ʭʩʮʥʸʮ ʩʹʠʸ ʬʥʫʬ [ʭʩʬʠ ʬʠ ʠ]ʥʤ ʠʩʫ ʭʩʮʬʥʲ ʩʣʥʱ ʬʥʫʬ[ ʭʩ]ʫʬʮ ʪʬʮʥ {ʯʥʶʸʡ} ʥʤʩʴ ʩʸʮʠʬ {ʥʺʲʣ} [35] [ʭʥʸ ʩʬʠ ʬʥ]ʫ ʥʩʤʩ ʭʩʮʬʥʲ ʩʧʥʸ ʬʥʫ ʥʩʺʴʹ ʠʶʥʮʬ ʥʩʹʲʮ ʬʥʫ ʥʺʲʣ ʯʥʶ[ʸʡ] ʭʧʬʹʮʡ [36] ʩʰʰʸʮ ʥʰʰʸ ʠʬʴ ʩʤʥʬʠʡ ʯʰʥʸ[ʡ ʥʺʲʣ] ʺʲʣ ʩʢʥʤ ʬʥʫ ʯʥʹʬʡ ʥʣʥʡʫ ʥʢʤʥ ʥʠʬʴ ʺʥʰʸ ʥʡ] ʩʢʥʤ ʬʥʫ ʩʴʡ [37] {ʺʲʣ} ʩʰʰʸʮ ʬʥʫʬ ʭʩʤʥʬʠ [ʠʥʤ ʠʩʫ ʯʩʡ ʩʧʥʸ ʬʥʫʬ ʥʺʸʥʡʢʡ ʨʴʥʹʥ ʣʲ ʣʥʤʤ ʪ[ʬ]ʮʬ ʣʥʤ ʩʬʠ ʬʫ ʥʣʥʤ [38] ʺʲʣ ʩʬʩʠ ʬʥʫ ʥʣʥʩ ʥʣʥʡʫʬ ʠʩʫ ʥʺʮʠʡ ʥʣʥʩ ʷʣʶ ʺʥʧʥʸ ʬʥʫʥ ʭʺʲʣ ʥʶʸʩʥ [39] ʭʺʥʣʥʤʥ ʥʤʩʴ ʩʨʴʹʮʡ ʭʩʮʥʬʹ {ʩ}ʨʴʹʮʬ ʥʺʸʥʡʢ ʣʩ ʡʥʹʮʡ 1
Text nach DSSSE, 818–821. Strophenabgrenzung wie QE.TTM II, 391–393. DSSSE, 818; DSS 4B, 50, u.a. nehmen eine Verschreibung von ʥʬʩʣʢʩ an. 3 DSS 4B, 50, nimmt eine Verschreibung von ʥʹʣʥʷʡ an. DSSSE, 818, hat ʹʣʥʷʡ. 2
1. BRANDOPFERLIED DES 7. SABBATS (4Q403 I,1,30–46)
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1.3. ÜBERSETZUNG [30] Für den Lehrer: das Lied des Brandopfers des siebten Sabbats am 16. des Monats. Preist den Gott der Erhabenheiten, Erhabene unter allen [31] Göttlichen der Erkenntnis. Macht groß, Heilige Gottes, den König der Ehre, der heiligt mit Heiligkeit jeden seiner Heiligen. Anführer der Lobpreisungen [32] aller Göttlichen lobt den Gott der Lobpreisungen der Herrlichkeit. Denn im Glanze der Lobpreisungen ist die Ehre seines Königtums. In ihm sind die Lobpreisungen aller [33] Göttlichen mit dem Glanz seines ganzen König[tums. Und] erhebt seine Erhabenheit zur Höhe. Göttlichste unter den Göttlichen der Erhöhung und die Göttlichkeit seiner Ehre über [34] alle Höhen der Höhe. Denn e[r ist Gott der Göttlichen] für alle Anführer der Höhen und der König der Köni[ge ]für alle Geheimnisse der Ewigkeiten. {Nach dem Willen} [35] {seiner Erkenntnis}1 gemäß den Aussprüchen seines Mundes werden sein al[le Göttlichen der Höhe], gemäß der Äußerung seiner Lippen alle Geister der Ewigkeiten, [nach dem W]illen seiner Erkenntnis alle seine Taten [36] in ihren Sendungen. Jubelt unter den Bejublern [seiner Erkenntnis mit] Jubel unter den Göttlichen des Wunders. Und sprecht aus seine Ehre mit der Zunge aller Aussprechenden der Erkenntnis, die Bejubelungen seines Wunders [37] mit dem Mund aller, die sprechen [von ihm. Denn er ist] Gott für alle Bejubelnden der {Erkenntnis}, Zeuge und Richter in seiner Macht für alle Geister der Einsicht. [38] Dankt alle Göttlichen der Herrlichkeit dem K[ön]ig der Herrlichkeit, denn für seine Ehre werden danken alle Göttlichen der Erkenntnis, und alle Geister der Gerechtigkeit werden danken in seiner Wahrheit. [39] Und sie machen wohlgefällig ihre Erkenntnis durch die Urteile seines Mundes und ihre Danksagungen beim Rückzug der Hand seiner Stärke bei den Urteilen der Wiederherstellung (Vergeltung). 1
Im Manuskript kennzeichnet eine Punktierung die Löschung der hier {eingeklammerten} Wörter.
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A.V. SCHABBATLIEDER (ENGELLITURGIE)
ʦʲ ʩʤʥʬʠʬ ʥʸʮʦ ʸ[ʥʮʦʮ]ʬ ʹʥʸ ʧʥʸ ʺʰʮʡ [40] ʭʩʹʥʣʷ ʬʥʫʡ ʬʩʢʥ ʭʩʤʥʬʠ ʺʧʮʹʡ [ʭʩʮ]ʬʥʲ ʺʧʮʹʡ ʠʬʴ ʺʥʸʮʦʬ ʭʩʹʣʥʷ ʹ[ʣʥʷ ʩʣʥʱ]ʩ ʬʥʫ ʥʬʬʤʩ ʤʬʠʡ [41] ʬʥʡʦʬ ʠʹʮ ʩʣʥʮʲ ʥʺʩʰʡʮ ʺʥʰʴ ʬʥʫʥ ʭʩʮʥʸ ʭʥʸ [ʥʸ]ʮʦ ʧʥʫ ʠʸʥ[ʰ ʭʩʤ]ʥʬʠ [42] ʲʩʷʸ ʣʧʩ ʠ[ʹʮ]ʬ [ʸʥʠʥ ʺʲʣ ʩʧʥʸ ʬʥʫ] [ʥ]ʹʣʥʷ ʹʣʷʮʬ ʭʩʸʥʤʨ ʸʤʥʨ {ʥʦ} ʭʩʮʬʥ[ʲ ʩʮʬʥʲ 1ʺʥʣ]ʥʤʬ [ʭʩ]ʤʥʬʠ ʩʧʥʸ ʥ[ʤʥʧʡʹʥ] [43] ʬ[ʥ]ʫ ʥʺʥʸʩʷʥ [ʥʺʥʸʥ]ʷ ʬʥʫ ʭʩ[ʮ]ʥʸʮ ʹʥʸ ʲʩʷʸ ʥʺʩ]ʰʡʺ ʩʹʲʮ ʥʺʩ[ʰʡʮ] [44] ]ʭʩʩʧ ʭʩʤʥʬʠ ʭʩʹʣʥʷ [ʹ]ʣʥʷ ʩʧ[ʥʸ ʬʲʮʮ ʭʩʮʬ[ʥʲ ʹ]ʣʥʷ ʩʧ[ʥʸ ʠʬʴʰ ʠʬʴ 2ʩʲʩʷʸʡ ʭʩʹ]ʥʣʷ ʬʥʫ[ʮ] [45] [ʺʲ]ʣ ʭʺʸʥʠ ʸʥʠʡ ʣʥʡ[ʫʤ ʠʬʴʥ ʸʣʤʥ ʣʥʤ ʠʬʴ ʩʹʣʷʮ ʬʥʫʡ ...] [46] ʷʣʶʥ ʺʮʠ ʪʬʮ ʯʥʲʮʬ ʤʡʩʡʱ ʭʩʤʥʬʠ ʺʥʧʥʸ [ʥʺʥʸʩʷ ]ʬ[ʥʫ
1 2
DSS 4B, 52, ʭʩʮʬʥ[ʲ ʺʥ]ʣʥʤʬ; DSSR V, 380, ʭʩʮʬʥ[ʲ ʩʮʬʥʲ ʺʥ]ʣʥʤʬ. DSS 4B, 54, und DSSR V, 380, machen keinen Ergänzungsvorschlag anstelle von ʩʲʩʷʸʡ.
1. BRANDOPFERLIED DES 7. SABBATS (4Q403 I,1,30–46)
Spielt dem Gott der Stärke [40] mit dem wichtigsten Teil des Geistes zum Psalm, mit der Freude der Göttlichen und Jubel bei allen Heiligen für die Gesänge des Wunders in der Freude der Ewi[gkeiten]. [41] Mit diesen werden preisen alle F[undamente des Heili]gen der Heiligen, die Trage-Pfeiler für die Wohnung Gottes, die Höhe der Höhen, und alle Ecken seines Gebäudes. Spi[elt] [42] Got[t, fu]rchtbar an Kraft [alle Geister der Erkenntnis und des Lichts] für das gemeinsame T[rag]en des Himmels, {dieses} Reinsten der Reinen, für das Heiligtum [seiner] Heiligkeit. [43] [Und preiset] ihn, Geister Got[tes], damit dank[en die Ewigkeiten der E]wigkeiten, das Firmament der höchsten Höh[e]n, alle seine B[alken] und seine Wände, sein ga[n]zes [44] [Geb]äude und die Ausführungen seines Mod[ells. Die Gei]ster des Heili[gen] der Heiligen, der lebendigen Göttlichen, die [Gei]ster der Heili[gkeit der Ew]igkeiten, oberhalb [45] [von] allen Heil[igen der Himmelswölbungen des wunderbaren Wunders, Herrlichkeit und Glanz und Wunder der Eh]re im Licht ihres Lichts und der Er[kenntnis] [46] [... in allen Heiligtümern des Wunders. Die Geister der Göttlichen ringsum die Stätte des Königs der Wahrheit und Gerechtigkeit. A]l[l seine Wände]
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
VI. WORTE DER LICHTER (DIVREI HAME’OROT)
Die fragmentarisch in drei Fassungen erhaltene Sammlung von sieben Liedern für jeden Tag der Woche (4Q504–506) verdankt ihren Namen („Worte der Lichter“) einer Wendung auf der Rückseite von 4Q504 Frg. 8 (Divrei hame’orot). Die Textfunde aus Qumran weisen insgesamt einen hohen Anteil an Gebetstexten für unterschiedliche Gelegenheiten auf. Der Zyklus mit Texten für die Sabbate eines Quartals wurde im vorangegangenen Kapitel behandelt. Die in diesem Abschnitt thematisierten „Worte der Lichter“ repräsentieren eine Sammlung mit Gebeten für die einzelnen Tage einer Woche. Dabei nimmt das Sabbatgebet eine Sonderrolle ein. Es enhält keine Bitten1 und ist als hymnisches Danklied gestaltet.2 Strukturell ähneln die „Worte der Lichter“ den Festtagsgebeten (4Q507–509).3 J. Maier datiert die „Worte der Lichter“ auf die vorqumranische Zeit.4 Laut E.G. Chazon weisen sie keine typisch qumranische Terminologie auf.5 E.M. Schuller geht von einem liturgischen Gebrauch der Texte aus und erwägt die Abfassung der 13cm langen Rollen für den persönlichen Gebrauch. Die Rollen der Hodayot (4Q429) und der Schabbatopfer-Gesänge (4Q400) sind in der Größe ähnlich.6 H. Stegemann rechnet mit 21 Kolumnen zu je mindestens 22 Zeilen.7 Die Reihenfolge der Kolumnen variiert in den unterschiedlichen Ausgaben.8 Das Vorhandensein von zwei bis drei Exemplaren der Lichtergebete lässt auf einen regelmäßigen Gebrauch der Texte schließen.9
1
SCHULLER, Petitionary, 43. ELLEDGE, Bible, 85: “Songs of joy and thanksgiving provide a fitting end to this week-long series of prayers that explore the entire history of Israel.” 3 FALK, Daily, 59–61. 4 QE.TTM II, 606: „Kopiert ca. 150 v. Chr.!“ Vgl. ELLEDGE, Bible, 85. 5 CHAZON, Prayers, 272. 6 SCHULLER, Reflections, 174. 7 STEGEMANN, Methods, 203f. 8 Die Anordnung in DJD VII entspricht nicht mehr dem neuesten Stand der Forschung. Vgl. QE.TTM II 606. 9 SCHULLER, Petitionary, 44. 2
VI. WORTE DER LICHTER (DIVREI HAME’OROT)
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H ebräischer Text BAILLET, M. (Hg.), Qumrân Grotte 4, Bd. 3: 4Q482–4Q520 (DJD VII), Oxford 2003 (= 1982), 137–168, pls. XLIX–LIII. Deutsche Übersetzung MAIER, J., Die Qumran-Essener. Die Texte vom Toten Meer, Bd. 2: Die Texte der Höhle 4 (UTB 1863), München/Basel 1995, 608f. (= QE.TTM II). Englische Übersetzung OLSON, D.T., Words of the Lights (4Q504–506 = 4QDibHama–c), in: J.H. Charlesworth / H.W.L. Rietz (Hg.), Pseudepigraphic and Non-Masoretic Psalms and Prayers (DSS 4A), Tübingen – Louisville 1997, 107–153 (= DSS 4A). Französische Übersetzung BAILLET, M., Un recueil liturgique de Qumrân, grotte 4: „Les paroles des luminaires“, in: RB 68 (1961), 195–250. pl. XXIV–XVIII, hier: 207.209. Literatur BAILLET, M., Un recueil liturgique de Qumrân, grotte 4: „Les paroles des luminaires“, in: RB 68 (1961), 195–250. pl. XXIV–XVIII. –, Remarques sur l’édition des „Paroles des Luminaires“, in: RdQ 5 (1964), 23–42. ELLEDGE, C.D., The Bible and the Dead Sea Scrolls (ABSt 14), Leiden/Boston 2005. FALK, D.K., Daily, Sabbath, and Festival Prayers in the Dead Sea Scrolls (STDJ 27), Leiden u.a. 1998, 59–94. GLICKLER CHAZON, E., Prayers from Qumran and Their Historical Implications, in: DSD 1 (1994), 265–284. –, Is Divrei ha-me’orot a Sectarian Prayer?, in: D. Dimant / U. Rappaport (Hg.), The Dead Sea Scrolls. Forty Years of Research (StTDJ 10), Leiden u.a. 1992, 3–17. NITZAN, B., Qumran Prayer and Religious Poetry, translated from the Hebrew by J. Chipman (StTDJ 12), Leiden u.a. 1994. PUECH, É., La croyance des Esséniens en la vie future. Immortalité, résurrection, vie éternelle? Histoire d’une croyance dans le Judaïsme ancien, 2 Bde. (EtB N.S. 21/22), Paris 1993, 563– 568.
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A.VI. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
SCHULLER, E.M., Petitionary Prayer and the Religion of Qumran; in: J.J. Collins / R.A. Kugler (Hg.), Religion in the Dead Sea Scrolls (Studies in the Dead Sea Scrolls and Related Literature), Grand Rapids/Cambridge 2000, 29–45. –, Some Reflections on the Function and Use of Poetical Texts Among the Dead Sea Scrolls, in: E.G. Chazon (Hg.), Liturgical Perspectives. Prayer and Poetry in Light of the Dead Sea Scrolls. Proceedings of the Fifth International Symposium of the Orion Center for the Study of the Dead Sea Scrolls and Associated Literature, 19–23 January, 2000 (StTDJ 48), Leiden/ Boston 2003, 173–189. STEGEMANN, H., Methods for the Reconstruction of Scrolls from Scattered Fragments, in: L.H. Schiffman (Hg.), Archaeology and History in the Dead Sea Scrolls. The New York University Conference in Memory of Yigael Yadin, published in cooperation with The Hagop Kevorkian Center for Near Eastern Studies at New York University (JSPE.S 8, JSOT/ ASORMS 2), Sheffield 1990, 188–220.
1. WERKTAGSGEBET (4Q504 FRG. 1–2 KOL. V)
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1. Werktagsgebet (4Q504 Frg. 1–2 Kol. V [4QDibHama])1 1.1. EINFÜHRUNG Das hier präsentierte Gebet für einen der Werktage der Woche bietet eine Antwort auf die Theodizeefrage. Israel erlebt Bedrückung und Zerstreuung unter die Völker (Z. 12). Das Leid der Gegenwart wird gedeutet als Strafe Gottes (Z. 5.12.19f.). Das Volk hat das lebendige Wasser verlassen (Z. 1f.), nun ist es von Gott verlassen und erleidet seinen Zorn (Z. 4f.). Der Beter weiß, dass Gott auch im Gericht sein Volk nicht verstoßen hat (Z. 6–11). Er ist der lebendige Gott und bleibt seinem Volk treu (Z. 9f.). Sichtbar begnadet er selbst unter den Heiden die Kinder Israels (Z. 10f.). Gott selbst ergreift die Initiative und pflanzt den Willen zur Umkehr in das Herz der Menschen (Z. 13f.). Die Bedrängnis der Gegenwart (Z. 16f.) wird verstanden als Mittel zur Erziehung (Z. 20f.). Biblisch-historisch steht das Exil im Hintergrund des Gebets (Z. 4–6.12). Dabei ist neben der Wegführung des Volkes in die Verbannung zugleich die Knechtschaft in Ägypten im Blick (Z. 10). Bevor die Tora Moses als Gnadengabe benannt wird, ist von der Herausführung vor den Heiden die Rede (Z. 10f.14). So wird die aktuelle Situation hineingestellt in den Kontext von Gnade Gottes (Z. 9.11.16), Abfall des Volkes von den Gnadengaben (Z. 3.19.21), Bundestreue Gottes (Z. 8f.) und Züchtigung zum Wohle Israels (Z. 20). Die einzelnen Motive begegnen wiederholt in den biblischen Schriften, jedoch kaum in dieser Kombination und Dichte. Das Gebet bietet fast in jedem Vers Anklänge an bekannte Formulierungen. Dabei wird der Rückgriff auf die Vorlagen – besonders in der Wortstellung – recht frei gehandhabt. Bemerkenswert ist, dass der Rückgriff auf die tradierten Texte blockweise geschieht: Im ersten Teil finden sich Anklänge an den Propheten Jeremia und das Zwölfprophetenbuch. In der Textmitte des Gebets steht der Pentateuch im Vordergrund, vor allem die Bücher Levitikus und Deuteronomium. Im Schlussdrittel dominiert Deuterojesaja (Jes 40–55).2 Ein Rückgriff auf den Psalter, wie er sich für ein Gebet nahelegt, lässt sich dagegen nur an einer Stelle erkennen (Ps 79,5f. in Z. 4f.).
1 2
DJD VII, 145f.; DSSSE, 1015f.; DSS 4A, 130–133; DSSR V, 252–255; QE.TTM II, 608f. Eine Ausnahme bildet der Rückgriff auf Jes 26,16 in Z. 16f.
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A.VI. WORTE DER LICHTER (DIVREI HAME’OROT)
1.2. HEBRÄISCHER TEXT1 [...]ʩʸʩ ʩ.[...] [1] ...ʭʹ[...]ʠ ʭʩʩʧ ʭʩʮ ʸʥʷʮ [2] ʭʶʸʠʡ ʸʫʰ ʬʠ ʥʣʥʡʲʩʥ [3] ʭʶʸʠ ʭʢʥ ʤʮʤʩʡʩʥʠ ʬʲ ʤʮʮʹ [4] ʪʺʮʧ 2ʤʫʴ[ʹʰ ]ʠʩʫ ʤʡʩʸʧʤʬ ʤʫʺʠʰʷ ʹʠʡ 3ʤʫʴʠ ʩʰʥʸʧʥ [5] ʡʹʮʥ ʸʡʥʲʮ [6] ʤʺʱʠʮ ʠʥʬ ʺʠʥʦ ʬʥʫʡ ʡʥʷʲʩ ʲʸʦʡ [7] ʬʠʸʹʩ ʺʠ ʤʺʬʲʢ 4ʥʬʥ ʭʺʠ ʤʫʺʩʸʡ ʸʴʤʬ ʭʺʥʬʫʬ [8] ʤʺʠ ʠʩʫ ʩʧ ʬʠ [9] ʤʫʺʬʥʦ ʯʩʠʥ ʤʫʣʡʬ ʤʫ ʺʩʸʡ ʸʥʫʦʺʥ ʭʩʥʢʤ ʩʰʩʲʬ ʥʰʺʠʶʥʤ ʸʹʠ [10] ʥʰʺʡʦʲ ʠʥʬʥ ʭʩʥʢʡ [11] ʬʥʫʡ ʬʠʸʹʩ ʤʫʮʲ ʺʠ ʯʥʧʺʥ ʡʩʹʤʬ ʤʮʹ ʭʺʧʣʤ ʸʹʠ ʺʥʶʸʠ[ʤ] [12] ʭʡʡʬ ʬʠ [13] ʤʫʬʥʷʡ ʲʥʮʹʬʥ ʪʣʥʲ ʡʥʹʬ ʬʥʫ[ʫ] [14] ʤʫʣʡʲ ʤʹʥʮ ʣʩʡ ʤʺʩʥʶ ʸʹʠ
1 Text nach DSSSE, 1014–1017. Vgl. BAILLET, DJD VII, 145f., pl. li. DSSR V, 253–255, zählt die erste Zeile als „2“ usw. 2 DSS 4A, 130, ergänzt: ʤʫʴ[ʹ]. 3 ʥʴʠ („sein Mund“) wurde zu ʤʫʴʠ („dein Mund“) korrigiert. 4 Der Kontext erfordert es, auch hier die Verneinung ʠʥʬ statt des Personalpronomens ʥʬ („ihm“) anzunehmen.
1. WERKTAGSGEBET (4Q504 FRG. 1–2 KOL. V)
1.3. ÜBERSETZUNG [1] […]î jrj[sie verließen] [2] die Quelle lebendigen Wassers1 […] dort… [3] und sie dienten einem fremden Gott in ihrem Land.2 Und auch ihr Land [4] (ist) verwüstet wegen ihrer Feinde. Denn es wurde ausgeschüttet deine Erhitzung [5] und die Gluten deines Zorns mit Feuer deines Eifers3 zu verheeren [6] ohne Hindurchgehen und ohne Rückkehr.4 In all dem nicht hast du verabscheut [7] den Samen Jakobs,5 und nicht hast du verstoßen Israel [8] zu ihrer Vernichtung6 zu brechen deinen Bund mit ihnen,7 denn du bist [9] ein lebendiger Gott, du allein und keiner außer dir. Und du gedachtest deines Bundes, [10] der du uns herausgeführt hast vor den Augen der Heiden8 und nicht uns verlassen hast [11] unter den Heiden und hast begnadet Dein Volk Israel in allen [12] [den] Ländern, wohin du sie vertrieben hast,9 einzugeben [13] in ihr Herz,10 zurückzukehren noch zu dir und zu hören auf deine Stimme11 [14] [entsprechend] allem, was du geboten hast durch die Hand Moses, deines Knechts.
1
Jer 2,13; 17,13. Vgl. Jer 5,19. 3 Vgl. Zef 3,8; Ps 79,5f. 4 Sach 7,14. 5 Vgl. Jer 33,26. 6 Vgl. Ez 20,13. 7 Vgl. Lev 26,44. 8 Vgl. Lev 26,45. 9 Vgl. Dan 9,7. 10 Vgl. 2 Chr 6,37. 11 Vgl. Dtn 30,1–3. 2
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A.VI. WORTE DER LICHTER (DIVREI HAME’OROT)
ʥʰʩʬʲ ʤʫʹʣʥʷ ʧʥʸ ʺʠ ʤʺʷʶʩ ʠ[ʩʫ] [15] ʥʰʬ ʤʫʩʺʥʫʸʡ ʠʩʡ[ʤʬ] [16] ʥʰʬ ʸʶʡ 1ʤʫʣʥʷʴ{ʮ}ʬ {...} ʤʫʸʱʥʮ ʯʥʷʶʡ ʹʧ[ʬʬʥ] [17] ʺʥʸʶʡ ʤʠʥʡʰʥ ʷʩʶʮʤ ʺʮʧʡ ʭʩʩʥʱʰʥ ʭʩʲ[ʩʢʰʥ] [18] ʭʢ ʠʩʫ ʥʰʰʥʥʲʡ ʬʠ ʥʰʲʢ[ʥʤ] [19] [ʥʰʺ]ʨʧʡ ʸʥʶ ʥʰʣʡʲʤ ʥʰʺʣʡʲʤ 2[ʤʺʠ] [20] 3 [ʪʸ]ʣʡ[ ʥʰ]ʩʫʸʣʮ ʬʩʲʥʤʬ ʤʡ [ ʪʬʰ ʸʹʠ] [21] 4 [ʤʫʩʺʥʥʶʮ ʬ]ʠ ʥʰʡʹʷʤ ʠʥʬ[ʥ]
ʤʫʣʥʷʮʬ wurde korrigiert zu ʤʫʣʥʷʴʬ. DSSR V, 254, bietet: ʠʥʬʥ. 3 Die Rekonstruktion geschieht in Anlehnung an Jes 48,17. 4 DSS 4A, 132, verzichtet am Ende von Z. 21 weitgehend auf Rekonstruktionen. 1 2
1. WERKTAGSGEBET (4Q504 FRG. 1–2 KOL. V)
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[15] [Den]n du hast gegossen den Geist deiner Heiligkeit über uns,1 [16] [zu ]bringen deine Segnungen2 zu uns, dich aufzusuchen in unserer Bedrängnis [17] [und zu fl]üstern in der Bedrückung deiner Züchtigung3 {..} Und wir sind gekommen in Nöte [18] [und Pl]agen und Versuchungen durch den Zorn des Bedrängers,4 denn auch [19] [waren wir] Gott beschwerlich durch unsere Übertretungen, wir haben müde gemacht einen Felsen mit unseren Sün[den].5 [20] [Du] hast uns versklavt (müde gemacht),6 (um uns) zu helfen von unseren Wegen auf den W[eg], [21] auf dem [wir gehen sollen7 und] nicht haben wir geachtet au[f deine Gebote].8
1
Vgl. Joël 3,1 (mit anderer Wortwahl). Vgl. Jes 44,3. 3 Vgl. Jes 26,16. 4 Vgl. Jes 51,13. 5 Vgl Jes 43,23f. 6 In Z. 19f. wird für das Handeln der Menschen und für Gottes Reaktion dieselbe Wurzel im Hifil gebraucht (ʣʡʲ). 7 Jes 48,17. 8 Vgl. Jes 48,18. 2
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A. GEBETE IN DEN TEXTEN AUS DER JUDÄISCHEN WÜSTE
VII. GEBET DER BAR-KOCHBA-ZEIT1
Die drei Fragmente des hier behandelten eschatologischen Hymnus stammen aus einer Höhle des Nahal Hever am Westufer des Toten Meeres.2 Die korrekte Fundortbestimmung wurde durch die inhaltliche Analyse der Texte möglich. Anhänger des Messias-Prätendenten Bar Kochba hatten im Nahal Hever ihre letzte Zuflucht genommen. Zu den wichtigsten Funden dieser Höhlen zählt ein Konvolut von Briefen (6Hev 49–63). „Ein großer Teil dieser Briefe wurde von Bar Kokhba selbst vf.“3 Das eröffnet die Möglichkeit, dass der Anführer des Aufstands (132–135 n.Chr.) das hier behandelte Gebet gekannt, vielleicht sogar gebetet hat. Die Fragmente von XHev/Se 6 enthalten Passagen aus je einer der drei Spalten des Gebets.4 Frg. 1 reicht an den rechten Rand der Rolle (d.h. an deren Anfang). Das erhaltene Material berührt z.T. den unteren Rand der Rolle. Ob die Rolle über das Gebet hinaus weitere Texte umfasste, ist ungeklärt. Die Fragmente bieten etwas mehr als die Hälfte des Gebetstextes. Die erste Spalte hat acht Zeilen, die zweite zählt ebenso wie die dritte Spalte neun Zeilen. Die drei Fragmente schließen aneinander an. Damit ist das Gebet in relativer Geschlossenheit und ohne den Verlust ganzer Zeilen erhalten. In dem auf Hebräisch verfassten Gebet lässt sich eine Reihe biblischer Anklänge identifizieren, es verzichtet aber auf ausdrückliche Zitate. Da, wo sich wörtliche Zitate angeboten hätten, finden sich Variationen in der Wortstellung. Durch seine enge Anlehnung an den biblischen Sprachduktus erweckt der Autor den Eindruck, dass er sich seines Hebräischen nicht ganz sicher ist und freie Formulierungen scheut, dass er aber zugleich durch den Verzicht auf wörtliche biblische Zitate seine Eigenständigkeit demonstrieren möchte. Die hier weitgehend übernommenen Ergänzungen fehlender Teile durch E. Qimron orientieren sich am kanonischen Bibeltext. Wegen der Thematisierung des Tempels im 1 Angaben zur Fundsituation stützen sich auf LANGE, Qumran, 1892f., und die Beschreibung der Fragmente bei QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 195–200. Vgl. MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 193–200. 2 Wenige Kilometer südwestlich von Ein Gedi. Vgl. KEEL/KÜCHLER, Orte, 405 (Skizze). Beduinen gaben, so LANGE, Qumran, 1892, das Wadi Seiyal als Fundort an, wenige Kilometer nördlich von Masada (Nahal Se’elim; deshalb die Ergänzung „/Se“); vgl. KEEL/KÜCHLER, ebd. (Skizze). 3 LANGE, Qumran, 1893. Er fährt fort (ebd.): „Daß nur zwei Briefe aus dieser Korrespondenz griech. und die anderen hebr. oder aram. geschrieben sind, zeigt ebenso wie die hebr. Urkunden aus der Zeit des zweiten Jüd. Kriegs ein bewußtes Bemühen um die hebr. Sprache.“ 4 QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 195.
VII. GEBET DER BAR-KOCHBA-ZEIT
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Schlussteil ist umstritten, ob das Gebet der Tempelzeit entstammt.1 Ein Aufruf zur Wiedererrichtung des Heiligtums begegnet nicht.2
H ebräischer Text QIMRON, E., Megillot 4, Jerusalem 2006, 191–200 = ʸʡʣʮ ʺʥʬʩʢʮ ʬʹ ʺʥʸʥʣʤʮʤ ʺʰʷʺʬ ,ʯʥʸʮʩʷ ʲʹʩʬʠ .ʺʥʫʸʡ :(ʣ) ʤʣʥʤʩ Englische Übersetzung MORGENSTERN, M. (Hg.), Xণev/SeEschatological Hymn (Plate XXXI), in: J. Charlesworth u.v.a. (Hg.), Miscellaneous Texts from the Judaean Desert (DJD XXXVIII), Oxford 2000, 193– 200. Deutsche oder französische Übersetzungen des Gebets aus der Bar-Kochba-Zeit waren nicht greifbar. Literatur KEEL, O. / KÜCHLER, M., Orte und Landschaften der Bibel. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land, Bd 2: Der Süden, Zürich u.a. – Göttingen 1982. LANGE, A., Art. Qumran, in: RGG4 6 (2003), 1873–1896. MORGENSTERN, M. (Hg.), Xণev/SeEschatological Hymn (Plate XXXI), in: J. Charlesworth u.v.a. (Hg.), Miscellaneous Texts from the Judaean Desert (DJD XXXVIII), Oxford 2000, 193– 200.
QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 195. MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 193, Anm. 1, schlägt vor, den Hymnus als „Petition for Reconstruction of the Temple“ zu titulieren. 1 2
86
A.VII. GEBET DER BAR-KOCHBA-ZEIT
1. Eschatologischer Hymnus der Bar-Kochba-Zeit (XHev/Se 6)1 1.1. EINFÜHRUNG Bemerkenswert ist die wiederholte Umformung singularischer Rede der biblischen Vorlage in die 1. Pers. Plural (vgl. Frg. 1,22.33.64). Diese Änderung des zugrunde gelegten Wortbestands betont den Gemeinschaftscharakter der Bewegung: Nicht der einzelne steht Gott gegenüber, sondern das Volk in seiner Gesamtheit befindet sich bereits im Reiche des Messias und harrt des Abschlusses der Erlösung. Trotz vieler Anleihen am biblischen Sprachgebrauch handelt es sich um ein eigenständiges Gebet. Der Beter fragt nicht, wie er des göttlichen Reiches teilhaftig werden kann, sondern weiß sich eingebettet in die Heilsgeschichte, die mit Abraham begann (Frg. 2,3), in Aaron sich fortsetzte (Frg. 2,8) und in der Wohnungsnahme Gottes unter Israel seine Vollendung findet (Frg. 3,2.8f.). Explizite Klagen oder Bitten treten in den Hintergrund, politische Ereignisse der Gegenwart sind angesichts dieser Heilsgewissheit ohne Belang. Das erste Drittel des Gebets preist Gott als sichere Zuflucht der Gemeinde (Frg. 1,2f.). Er ist der Retter, dessen Gnade den Ersten wie den Letzten gilt. Der Mittelteil thematisiert tragende Pfeiler der Heilsgeschichte: Abraham, die Väter und Aaron. Mit Aaron wird übergeleitet zum Tempel als Wohnung des Herrn unter Israel (Frg. 3,2.8f.). Das davidische Königshaus findet keine Erwähnung und eine irdische Rettergestalt wird nicht erwartet. Gott selbst ist der Retter und ewige König (Frg. 1,5; 3,6). Die Vollendung findet Israel in einem Friedensreich (Frg. 3,5), in dem Gott, der das Volk am Sinai seine Gebote gelehrt hat (Frg. 3,7), unter ihm wohnt (Frg. 3,2.8f.). Die Anhänger des Bar Kochba erwarteten den Abschluss dessen, was sichtbar begonnen hatte. Ihre Gewissheit der Ankunft des Messias motivierte sie zum Kampf in seiner Gefolgschaft, auch wenn sich eine unmittelbare Aufforderung zum militärischen Aktivwerden aus dem hier besprochenen Gebet nicht ableiten lässt.5
Text nach QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 195–198. Ps 144,2; Jes 33,16. 3 Ps 18,3; 2 Sam 22,3. 4 Dtn 33,29. 5 Die sich zeitgleich etablierende christliche Bewegung, die sich ebenfalls des gekommenen Messias gewiss war, erwartete die baldige Vollendung seines Reiches unabhängig von der militärischen Beteiligung seiner Anhänger. 1 2
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A.VII. GEBET DER BAR-KOCHBA-ZEIT
1.2. HEBRÄISCHER TEXT1 Fragment 1 [ʥʰʣʱʧ ''']' ʪʬ ʥʰʧʰ[ʠ ʭʩʣʥʮ] [1] [ʥʰʨʬʴʮʥ 3ʥ]ʰʩʡʢʱʮ[ ʥʰʺʣʥʶʮ] [2] [ ʪ]ʡ ʤʱʧʰ[ʥ ʥʰʰʢʮ] [3] [ʠʬ ]°ʰ ʥʬʥ 4ʥʰʺʥʬ° [ ]° [4] [ʤʺʠ ʪʮʹ ʭʬʥ]ʲʮ ʥʰʬʠʥʢ ʬʥʴʰ [5] [ʬʲ ʤʣʥʰ ]ʥ ʥʰʺʥʠʢ ʡʸʧ [6] [ʪʣʱʧ ʬʲʥ] 5ʭʩʰʥʹʩʸʤʬ ʪʡʥʨ [7] 6 [ʸʹʠ ʪʩʺʥʠʬʴʰ] ʬʲʥ ʭʩʰʸʧʠʤ ʭʲ [8] 2
Fragment 2 ʸʥ]ʣ ʬʫʡ ʥʰʮʲ ʺʩʹʲ [1] ]°°°°°° 7ʭʩʮʣʷʮʤ [2] 8 ]ʹ ʥʰʩʡʠ ʭʤʸʡʠʡ [3] [ ]ʭʩʬʣʢʤ 9ʥʰʩʶʷʡʥ [4] 11 [ʩʣʱʧ ʸʥʡʲʡ ʪʴ]ʠʡ 10ʥʰʬʫ ʠʬ ʸʹʠ [5] [ʥʰʩʺʥʹʴʰʥ ʲʡ]ʹ ʥʰʬ ʯʺʺʥ ʺʥʡʠ [6] [ʡʥʨ ʪʮʹʬʥ ʥʰʷ]ʣʶ '''' ʩʫ 12ʠʥʸʺ [7] [ʸʴʫʬ ]ʺʸʧʡ ʯʸʤʠʡ ʺ[ʥ]ʣʤʬ [8] 13 [ ]°[ ]°[ ʣ]ʲʡ [9] [ [ [
Text nach QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 195–198; vgl. MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 193–200. MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 196, hat als Abschluss der ersten Zeile: ʬ]ʲ ʪʬ. 3 Von QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 196, in Anlehnung an Ps 144,2 ergänzt. Dort findet sich ʩʡʢʹʮ anstelle von ]ʰʩʡʢʱʮ. 4 Anstelle der von MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 196, gebotenen Fassung ʥʰʺʩ liest QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 195f., die Buchstaben als ʥʰʺʥʬ und plädiert abweichend von Morgenstern für die 1. statt die 3. Pers. Die Ableitung von ʯʺʰ wird damit hinfällig. Die Wortendung ʺʥʬ- in Kombination mit der Verb- oder Possessivendung der 1. Pers. Pl. (ʥʰ-) eröffnet verschiedene Deutungmöglichkeiten; vgl. u.a. Ez 33,21; 40,1. 5 Zum seltenen Gebrauch des bestimmten Artikels nach der Präposition ʬ vgl. QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 196. 6 Vervollständigung durch QIMRON ʺʰʷʺʬ, 197, in Anlehnung an Neh 9,17. 7 QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 197, hält auch die Deutung als Partizip Passiv (Hofal) für möglich. MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 197, hat zusätzlich als Abschluss der Zeile: ʡ ʥʰ]°[ ]°°. 8 MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 197, hat anstelle des ʹ ein ʲ. 9 QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 197, hält auch die Lesung ʥʰʩʮʷʡʥ („und in unserem Aufrichten“) für möglich. 10 Lies: ʥʰʩʬʫ („wir vergehen“). 11 MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 197, schließt mit ʥʴ]ʠʡ. 12 QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 197, deutet ʠʥʸʺ (von ʤʥʸ, im Qal: „reichlich trinken“; Hifil: „tränken, laben“) als Entsprechung zu ʲʡʹ („Sättigung“). 13 MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 197, hat in der letzten Zeile des Fragments: ] ° [ ]ʣ[ ]ʧ[ ]ʲʡ. 1 2
1. ESCHATOLOGISCHER HYMNUS DER BAR-KOCHBA-ZEIT (XHEV/SE 6)
1.3. ÜBERSETZUNG Fragment 1 [1] Wi[r danken] dir, ’[’’’1, unsere Gnade] [2] [unser Schutz, u]nsere Zuflucht2[ und unsere Bergungsstätte] [3] [unser Schild] und wir werden uns bergen bei [dir]3 [4] wir/unsere … und ihm n°[ nicht] [5] werden wir fallen. Unser Retter seit e[wig4 (das ist) dein Name. Du bist] [6] das Schwert unseres Stolzes und ° [ wir werden preisen für]5 [7] deine Güte zu den Ersten [und für deine Gnade] [8] mit den Letzten und für [deine wunderbaren Dinge, die] Fragment 2 [1] du hast getan mit uns6 in jedem Ges[chlecht ] [2] die Früheren °°°°°°[ ] [3] mit Abraham, unserem Vater, der[ ] ] [4] und an unseren großen Enden7 [ [5] dass nicht vergehen wir8 durch [deinen] Zo[rn um der Gnaden] [6] der Väter [willen] und du wirst uns geben Sä[ttigung9 und unsere Seelen] [7] wirst du laben, denn ’’’’ ist unsere Gerec[htigkeit und für deinen Namen ist es gut] [8] zu dan[ke]n. Aaron hast du ausgewählt [ zu sühnen]10 [9] dur[ch]
1
’’’’ im hebräischen Text steht für das Tetragramm (ʤʥʤʩ). Vgl. Ps 144,2; Jes 33,16. 3 2 Sam 22,3; Ps 18,3. 4 Vgl. Jes 63,16. 5 Dtn 33,29. 6 Vgl. Neh 9,17. 7 QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 197, fragt nach dem Sinn des Wortes an dieser Stelle. 8 Lev 26,44; Ps 90,7. 9 QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 197, nennt als Parallele Klgl 3,15. 10 QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 197, verweist auf Lev 9,7f.; 16,6 u.ö. 2
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A.VII. GEBET DER BAR-KOCHBA-ZEIT
Fragment 3 [ ʺʥ]ʫʸʡ ʥʤ[ʨ]ʲʺʥ [1] [ʯʥʩʶ ʡʨʩʺʥ ʯʥʫʹ]ʬ ʪʩʺʡ ʬʡʥʦʡ [2] [ʧʨʡʬ ʯʥʫʹʩ ʬʠʸ]ʹʩʥ ʪʰʥʶʸʡ [3] [ ʯʺʺʥ ʭʩʩʥʢʤ ʠ]ʬʮ ʥʲʸʦʥ [4] ['''' ʤʺʠ ʪʥʸʡ] ʵʸʠʤʚʬʲ ʭʥʬʹ [5] 2 [ʥʣʥʡʫ ʺʠ ]ʤ[ʠʸʤ ]ʸʹʠ ʭʬʲʤ ʪʬ[ʮ] [6] [ʥʩʷʥʧ ʺ]ʠ 3ʥ[ʤ]ʣʮʬʩʥ ʩʰʩʱʡ ʥ[ʮʲʬ] [7] [ʺʩʡʥ ʥʰʥʫʮ ]ʬʲ ʯʥʲʮ 4ʣʩʮʲʤʬ [ʥʶʩʥ] [8] [ʭʹ ʥʮʹ ʯʩʫ]ʹʤʬ ʥʩʰʥʷʺʚʬʲ ʣʥ[ʱʩʬ] [9] 1
QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 199, schlägt die Ergänzung auf der Basis von Ps 51,20 vor. QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 200, vervollständigt auf der Basis von Dtn 5,24 (dort irrtümlich 5,21 genannt). 3 MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 199, schlägt ʥ[ʰ]ʣʮʬʩʥ („und lehrte uns“) als Lesung vor. Vgl. QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 200. 4 MORGENSTERN, in: DJD XXXVIII, 199, hat ʣʲʤʬ anstelle von ʣʩʮʲʤʬ. 1 2
1. ESCHATOLOGISCHER HYMNUS DER BAR-KOCHBA-ZEIT (XHEV/SE 6)
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Fragment 3 [1] Du wirst ihn ein[hü]llen1 in Segnun[gen] [2] in der Wohnstätte2 deines Hauses sich n[iederzulassen, und wirst Gutes tun Zion] [3] nach deinem Willen und Is[rael wird sich niederlassen in Sicherheit] [4] und sein Same (wird sein eine) Fül[le von Nationen,3 und du wirst geben] [5] Frieden über das Land [gesegnet du, ’’’’] [6] [Kö]nig der Ewigkeit,4 der [zeig]te[ seine Ehre] [7] [für] sein [Volk] am Sinai und er lehrte [e]s se[ine Gesetze] [8] [und er gebot ihm] aufzustellen eine Wohnung an [seiner Stätte und ein Haus] [9] [zu grü]nden auf seiner Basis, woh[nen zu lassen seinen Namen dort].
QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 198, verweist auf Ps 84,7. Vgl. 1 Kön 8,13; 2 Chr 6,2. 3 Vgl. Gen 48,19. 4 QIMRON, ʺʰʷʺʬ, 199, plädiert unter Verweis auf Jer 10,10 gegen ein Verständnis von ʭʬʥʲ als „Welt“ an dieser Stelle. Vgl. Ps 10,16. 1 2
B . Gebete in den Pseudepigraphen
Bei dem Begriff „Pseudepigraphen“ („fälschlich zugeschriebene Schriften“) handelt es sich um eine moderne Ordnungskategorie, in der eine Gruppe antiker jüdischer Texte zusammengefasst wird. Als Pseudepigraphen gelten frühjüdische Texte, die weder in den hebräischen Kanon noch als „Apokryphen“1 in die Septuaginta oder die Vulgata aufgenommen wurden.2 Die pseudepigraphischen Texte werden grob in hebräisch-aramäische und in griechische („alexandrinische“) Schriften unterteilt.3 Die Bezeichnung „pseudepigraphisch“ ist allerdings nicht unproblematisch: So existieren einerseits „Pseudepigraphen“ ohne (falsche) Verfasserangabe, auf der anderen Seite werden biblische und apokryphe Texte mit fingierter Verfasserangabe nicht den Pseudepigraphen zugerechnet. Das Tradieren eines Textes unter einem anderen Verfassernamen bot eine Möglichkeit, für wichtig erachtete Inhalte weiterzugeben. Eine Schrift wurde durch die Persönlichkeit, der sie zugeschrieben wurde, legitimiert und autorisiert. Täuschungsabsichten waren allenfalls sekundär.4 Die pseudepigraphischen Texte erlauben einen Blick in die Denk- und Geisteswelt des antiken Judentums. Ihr Spektrum reicht von der Apokalyptik und dem legendarischen Fortspinnen alttestamentlicher Erzählungen bis hin zu poetischen, weisheitlichen oder juristischen Texten. Einige Motive des Neuen Testaments (zum Beispiel die Bedeutung von Engeln) werden erst durch Rückgriff auf die Pseudepigraphen verständlich. Die nach der Tempelzerstörung im Judentum dominante rabbinische Richtung hat die pseudepigraphischen Texte nur begrenzt tradiert und für sich fruchtbar gemacht. Wie auch Philo und Josephus sind die Schriften dieser Epoche bevorzugt durch christliche Kopisten überliefert worden. Eine Reihe der Texte ist nicht in ihrer ursprünglichen Fassung, sondern nur in Übersetzungen auf uns gekommen. Dabei ist das Maß der (christlichen) Überarbeitung Gegenstand einer intensiven Diskussion. 1
Bei einigen Texten ist die Abgrenzung zu den Apokryphen umstritten (z.B. 3. Makkabäer, 4. Esra). Seit dem Auffinden antiker hebräischer Entsprechungen zu vormals nur auf Griechisch bekannten Septuaginta-Texten (Tobit, Sirach usw.) lässt sich die „Ursprache“ nicht mehr als Abgrenzungskriterium in Anschlag bringen. 3 Die Qumran-Texte laufen – auch wenn sie die genannten Kriterien erfüllen – in einer eigenen Kategorie. Sie werden herangezogen, sofern es zu Überschneidungen mit den in diesem Abschnitt behandelten Gebeten kommt, so z.B. die aramäischen Qumran-Fragmente der Zusätze zu TestXII.Lev. 4 Zur umfangreichen Diskussion vgl. BAUM, Pseudepigraphie; BROX, Pseudepigraphie; HENGEL, Anonymität; MEADE, Pseudonymity. 2
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
In den Pseudepigraphen stehen Gebete häufig an Schlüsselstellen der Texte. Sie treiben die Handlung voran oder dienen als retardierende Elemente; mithilfe von Gebeten werden Texte zusammengefasst und interpretiert. In ihnen konzentrieren sich Theologie und Weltbild ihrer Verfasser. Die Betenden bieten Beispiel und Orientierung: Leserinnen und Leser werden hineingenommen in deren Gespräch mit und deren Beziehung zu Gott.
Literatur BAUM, A.D., Pseudepigraphie und literarische Fälschung im frühen Christentum. Mit ausgewählten Quellentexten samt deutscher Übersetzung (WUNT II/138), Tübingen 2001. BROX, N. (Hg.), Pseudepigraphie in der heidnischen und jüdisch-christlichen Antike (WdF 484), Darmstadt 1977. CHARLESWORTH, J.H., The Pseudepigrapha and Modern Research. With a Supplement (SCSt 7), Chico 1981. EISSFELDT, O., Einleitung in das Alte Testament unter Einschluß der Apokryphen und Pseudepigraphen sowie der apokryphen- und pseudepigraphenartigen Qumrān-Schriften. Entstehungsgeschichte des Alten Testaments (NTG), Tübingen 41976 (= 31964). HENGEL, M., Anonymität, Pseudepigraphie und „literarische Fälschung“ in der jüdisch-hellenistischen Literatur [1972], in: ders., Judaica et Hellenistica. Kleine Schriften I (WUNT 90), Tübingen 1996, 196–251. KRAFT, R.A., The Pseudepigrapha in Christianity, in: J.C. Reeves (Hg.), Tracing the Threads. Studies in the Vitality of Jewish Pseudepigrapha (EJIL 6), Atlanta 1994, 55–86. MEADE, D.G., Pseudonymity and Canon. An Investigation into the Relationship of Authorship and Authority in Jewish and Earliest Christian Tradition (WUNT 39), Tübingen 1986. NICKELSBURG, G.W.E., Jewish Literature Between the Bible and the Mishnah. A Historical and Literary Introduction, Philadelphia 1981. ROST, L., Einleitung in die alttestamentlichen Apokryphen und Pseudepigraphen einschließlich der großen Qumran-Handschriften, Heidelberg 1971. SIEGERT, FOLKER, Einleitung in die hellenistisch-jüdische Literatur. Apokrypha, Pseudepigrapha und Fragmente verlorener Autorenwerke, Berlin/Boston 2016. SPARKS, H.F.D. (Hg.), The Apocryphal Old Testament, Oxford 1984 (= AOT). ZIMMERMANN, R., Art. Pseudepigraphie/Pseudonymität, in: RGG4 6 (2003), 1786–1788.
I. DIE TESTAMENTE DER ZWÖLF PATRIARCHEN
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I. DIE TESTAMENTE DER ZWÖLF PATRIARCHEN
Die Testamente der zwölf Patriarchen gelten als Paradigma der antiken jüdischen Testamentenliteratur. Ihre biblische Grundlage ist Jakobs Segen für seine Söhne auf seinem Sterbebett (Gen 49). In ihrem Aufbau folgen die Testamente einem einheitlichen Schema. Auf einen ersten Teil mit charakteristischen Zügen aus dem Leben des Protagonisten und Namensgebers der Schrift folgt eine paränetische Anwendung: Vor seinen Lastern wird gewarnt, Tugenden werden zur Nachahmung empfohlen. Der abschließende Teil bietet einen prophetischen Ausblick auf das Ergehen der Nachkommen. Drei der Testamente sind besonders akzentuiert: Joseph wird als Ideal eines tugendhaften Menschen gezeichnet.1 Juda gebührt ein Vorrang, da ihm der (judäische) König entstammt. Demgegenüber korrespondiert die positive Zeichnung Levis nur zum Teil den Worten Jakobs in Gen 49,5–7. Zwar verurteilt TestXII.Lev VI,7 analog zur Genesis die Vergeltungstat der Brüder Simeon und Levi als Sünde (vgl. Gen 34). Zugleich aber wird die Schuld Levis relativiert, indem seine Tat als Gottesurteil gerechtfertigt wird (TestXII.Lev VI,8). Die wesentlichen Manuskripte der TestXII liegen auf Griechisch, Armenisch und Slawisch vor. Hinzu kommen hebräische und aramäische Fragmente (besonders zu TestXII.Naph und TestXII.Lev) aus den Höhlen von Qumran und der Kairoer Geniza. Als Terminus post quem nimmt J. Becker das Jahr 198 v.Chr. an.2 Als spätester Zeitpunkt gilt das Jahr 200 n.Chr.3 Eine frühe Datierung der Schrift zieht die Annahme eines jüdischen Ursprungs nach sich.4 Diejenigen, die sich für eine christliche Herkunft entscheiden,5 erklären Parallelen aus der Qumranliteratur als nicht genuin und erkennen in der vorliegenden Fassung der Testamente eine Überarbeitung unter Verwendung von 1
Vgl. HOLLANDER, Testamente, 176. Nach BECKER, JSHRZ III/1, 25f., ist das der Beginn des Aufstiegs Syriens zur „Weltmacht“ (TestXII.Naph V,8). 3 Vgl. die Erwähnung bei ORIGENES (185–254 n.Chr.) in hom. in Jos. 15,26. 4 PHILONENKO, Testamente, 1955, geht von einem zwischen dem ersten vorchristlichen und dem ersten nachchristlichen Jahrhundert entstandenen, verloren gegangenen hebräischen Original aus. BECKER, JSHRZ III/1, 23, vertritt die Auffassung, „daß die Test XII eine jüdische Schrift sind, die christlich überarbeitet wurde.“ Vgl. SCHNAPP, in: APAT II, 460. 5 DE JONGE, Testamente, 109, hält eine christliche „Komposition, die sich in breitem Maße jüdischen Materials bediente“, für wahrscheinlich. Vgl. HOLLANDER, Testamente, 175f. 2
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
jüdischem Material.1 J. Becker ordnet die Texte der hellenistischen Synagogengemeinde zu2 und vermutet eine griechische Grundfassung, entstanden in Alexandrien „in den ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts v. Chr.“3 Die unterschiedlich umfangreichen Versionen und Rezensionen in den genannten Sprachen und auch innerhalb der Sprachfamilien sowie unklare Abhängigkeiten der einzelnen Manuskripte erlauben kein abschließendes Urteil über die Originale und deren Werdegang.
A ramäischer Text MILIK, J.T., Le Testament de Lévi en Araméen. Fragment de la Grotte 4 de Qumran (Pl. IV.), in: RB 62 (1955), 398–406. STONE, M.E. / GREENFIELD, J.C. (Hg.), 4QLevib ar (Plate II), in: G. Brooke u.v.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 17: Parabiblical Texts, Part 3 (DJD XXII), Oxford 1996, 25–36. Griechischer Text DE JONGE,
M., The Testaments of the Twelve Patriarchs. A Critical Edition of the Greek Text (PVTG 1/2), Leiden 1978.
Deutsche Übersetzung BECKER, J., Die Testamente der zwölf Patriarchen (JSHRZ III/1), Gütersloh 1974. Englische Übersetzungen HOLLANDER, H.W. / DE JONGE, M., The Testaments of the Twelve Patriarchs. A Commentary, (SVTP 8), Leiden 1985. KEE, H.C., Testaments of the Twelve Patriarchs (Second Century B.C.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City 1983, 775–828 (= OTP I).
1
Nach DE JONGE, Testamente, 109, lässt es sich „in keinem Fall […] nachweisen, daß eines dieser Fragmente zu einem Testament gehörte.“ 2 Vgl. BECKER, JSHRZ III/1, 27. 3 Nach BECKER, JSHRZ III/1, 16.25, entstammt die christliche Überarbeitung dem 2. Jh. n.Chr.
I. DIE TESTAMENTE DER ZWÖLF PATRIARCHEN
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Französische Übersetzung PHILONENKO, M., Testaments des douze Patriarches, in: A. Dupont-Sommer / ders. (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 811–944 (= DSPh). Literatur CHARLES, R.H., The Greek Versions of the Testaments of the Twelve Patriarchs. Edited from nine MSS together with the Variants of the Armenian and Slavonic Versions and some Hebrew Fragments, Darmstadt 21960 (= Oxford 1908). DE JONGE, M., Art. Testamente der XII Patriarchen, in: TRE 33 (2002), 107–110. –, Levi in Aramaic Levi and in the Testament of Levi, in: E.G. Chazon / M. Stone (Hg.), Pseudepigraphic Perspectives. The Apocrypha and Pseudepigrapha in Light of the Dead Sea Scrolls. Proceedings of the International Symposium of the Orion Center for the Study of the Dead Sea Scrolls and Associated Literature, 12–14 January, 1997 (StTDJ 31), Leiden u.a. 1999, 71–89. HOLLANDER, H.W., Art. Testamente der XII Patriarchen, in: RGG4 8 (2005), 175f. KUGLER, R.A., From Patriarch to Priest. The Levi-Priestly Tradition from Aramaic Levi to Testament of Levi (EJIL 9), Atlanta 1996. PHILONENKO, M., Les interpolations chrétiennes des Testaments des Douze Patriarches et les manuscrits de Qoumrân (CRHPR 35), Paris 1960. –, Art. Testamente der zwölf Patriarchen, in: BHH 3 (1966), 1955. REEG, G., Art. Teufel IV. Antikes Judentum, in: TRE 33 (2002), 121–124. STONE, M.E. / GREENFIELD, J.C., The Prayer of Levi, in: JBL 112 (1993), 247–266. ULRICHSEN, J.H., Die Grundschrift der Testamente der Zwölf Patriarchen. Eine Untersuchung zu Umfang, Inhalt und Eigenart der ursprünglichen Schrift (AUU = HR[U] 10), Uppsala 1991.
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B.I. DIE TESTAMENTE DER ZWÖLF PATRIARCHEN
1. Gebet Levis (Anhang zu TestXII.Lev II,3; 4Q213a)1 1.1. EINFÜHRUNG Das hier gebotene Gebet aus dem Testament Levis stellt in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit dar. Zum einen nimmt das Testament des Patriarchen des Priesterstammes neben den Testamenten Judas und Josephs eine exponierte Rolle ein.2 Des Weiteren handelt es sich bei dem Levi-Gebet um das einzige ausformulierte Gebet in den Testamenten der zwölf Patriarchen (eine Aufforderung zum Beten findet sich aber z.B. in TestXII.Jos XVIII,27), und drittens ist dieses Gebet in griechischer Sprache nur in einem einzigen Manuskript, der Handschrift e, als Einfügung nach TestXII.Lev II,3 überliefert. Motiviert ist seine Einfügung durch die Erwähnung des Betens in TestXII.Lev II,4 und die Zusage der Erhörung eines Gebets Levis in TestXII.Lev VI,2. Der Stammvater Levi spricht das Gebet im Anschluss an den Bericht über das Massaker an den Einwohnern der Heimatstadt Hamors und seines Sohnes Sichem, der Jakobs Tochter Dina geraubt hatte (Gen 34). Das Gebet projiziert Reinigungsriten der Tempelzeit in die Epoche der Erzväter zurück: Dem Gebet, das dem Priesterstammvater Levi in den Mund gelegt wird, geht ein Reinigungsakt mit lebendigem Wasser voran. Im Gebet selbst wird um eine bleibende Nähe zu Gott, um Reinheit und einen Lebenswandel in Wahrheit und Gerechtigkeit gebeten. Es handelt sich um ein allgemeines und zeitunabhängiges Gebet. Inhaltlich ist das Gebet nicht notwendig an die Lebensgeschichte Levis gebunden, konkrete Ereignisse werden nicht genannt und die Erhörung klar bestimmter Anliegen ist nicht Gegenstand der Bitten. Das Urteil darüber, ob die Fragmente aus Qumran (4Q213a Frg. 1, Kol. I.II) eine Urfassung der griechischen Version bieten oder nur einem gemeinsamen traditionsgeschichtlichen Milieu entstammen, sei den Benutzerinnen und Benutzern des Studienbuches überlassen.
1
DSPh, 834–836; QE.TTM II, 167f.; CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23; BECKER, JSHRZ III/1,
139f. 2 Vgl. DE JONGE, Testamente, 109: „Deutlich ist, daß das Testament Levi, das sich in vielerlei Hinsicht von den übrigen Testamenten unterscheidet, einer Vorlage folgt, die dem hypothetischen Vorfahr des erhaltenen Levi-Materials sehr ähnlich ist.“
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B.I. DIE TESTAMENTE DER ZWÖLF PATRIARCHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] τότε ἐγὼ ἔπλυνα τὰ ἱμάτιά μου, καὶ καθαρίσας αὐτὰ ἐν ὕδατι καθαρῷ [2] καὶ ὅλος ἐλουσάμην ἐν ὕδατι ζῶντι· καὶ πάσας τὰς ὁδούς μου ἐποίησα εὐθείας. [3] τότε τοὺς ὀφθαλμούς μου καὶ τὸ πρόσωπόν μου ἦρα πρὸς τὸν οὐρανόν, καὶ τὸ στόμα μου ἤνοιξα καὶ ἐλάλησα, [4] καὶ τοὺς δακτύλους τῶν χειρῶν μου καὶ τὰς χεῖράς μου ἀνεπέτασα [εἰς ἀλήθειαν κατέναντι τῶν ἁγίων. καὶ ηὐξάμην καὶ εἶπα· [5] Κύριε, γινώσκεις πάσας τὰς καρδίας, καὶ πάντας τοὺς διαλογισμοὺς ἐννοιῶν2 σὺ μόνος ἐπίστασαι. [6] καὶ νῦν τέκνα μου μετ’ ἐμοῦ. καὶ δός μοι πάσας ὁδοὺς ἀληθείας· [7] μάκρυνον ἀπ’ ἐμοῦ, κύριε, τὸ πνεῦμα τὸ ἄδικον καὶ διαλογισμὸν τὸν πονηρὸν3 καὶ πορνείαν,4 καὶ ὕβριν ἀπόστρεψον ἀπ’ ἐμοῦ. [8] δειχθήτω μοι, δέσποτα, τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον, καὶ βουλὴν καὶ σοφίαν καὶ γνῶσιν καὶ ἰσχὺν δός μοι [9] ποιῆσαι τὰ5 ἀρέσκοντά σοι καὶ εὑρεῖν χάριν ἐνώπιόν σου [καὶ αἰνεῖν τοὺς λόγους σου μετ’ ἐμοῦ, κύριε· [10] καὶ μὴ κατισχυσάτω με πᾶς σατανᾶς πλανῆσαί με ἀπὸ τῆς ὁδοῦ σου. [11] καὶ ἐλέησόν με καὶ προσάγαγέ με εἶναί σου δοῦλος καὶ λατρεῦσαί σοι καλῶς.
1
Text und Verszählung nach DE JONGE, Testaments, 25. CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23, kennzeichnet die von ihm gebotene Lesart ἐννυῶν mit „(sic)“. Vgl. BECKER, JSHRZ III/1, 139. 3 CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23: διαλογισμῶν τῶν πονηρῶν. Auch DE JONGE, Testaments, 25, verweist in Klammern auf diese textkritische Variante. 4 CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23, setzt hier einen Punkt. 5 CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23, kennzeichnet die bei ihm gebotene Lesart τό mit „(sic)“. Auch DE JONGE, Testaments, 25, verweist in Klammern auf diese textkritische Variante. 2
1. GEBET LEVIS (ANHANG ZU TESTXII.LEV II,3; 4Q213A)
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1.3. ÜBERSETZUNG [1] Daraufhin wusch ich (meinerseits)1 meine Kleider, und nachdem ich sie mit reinem Wasser gewaschen hatte, [2] (da) wusch ich mich auch ganz mit fließendem Wasser;2 und alle meine Wege machte ich gerade. [3] Danach erhob ich meine Augen und mein Antlitz zum Himmel, und meinen Mund öffnete ich und begann zu reden, [4] und die Finger meiner Hände und meine Hände breitete ich aus [in wahrhaftiger Absicht3 gegenüber dem Heiligtum4. Und ich begann zu beten und sprach: [5] Herr, du kennst alle Herzen, und alle Überlegungen (der) Gesinnungen – du allein kennst (sie). [6] Und jetzt [lass] meine Kinder mit mir [sein].5 Und gib mir lauter wahrhaftige Wege;6 [7] entferne von mir, Herr, den ungerechten Geist und (die) böse Überlegung7 und Unzucht, und Unbotmäßigkeit wende ab von mir. [8] Es soll mir gezeigt werden, Gebieter, der heilige Geist, und Rat und Weisheit und Erkenntnis und Stärke gib mir, [9] um zu tun das dir (Wohl)gefällige und um zu finden Gnade vor dir [und um zu lobpreisen deine Worte mit mir, Herr; [10] und nicht soll mich überwältigen irgendein Satan8, um mich abirren zu lassen von deinem Weg. [11] Und erbarme dich meiner, und lass mich herzutreten9, um dein Knecht zu sein und dir in guter Weise10 zu dienen. 1 Mit betontem „Ich“ (ἐγώ) setzt Levi sein im Folgenden beschriebenes Handeln vom bösen Tun seiner Mitmenschen ab, die auf „verdunkelten Wegen“ gehen und voller „Unrecht“ sind (vgl. TestXII.Lev II,3). 2 Wörtlich: „(da) wusch ich mich auch als Ganzer in lebendigem Wasser“. 3 Wörtlich: „zu Wahrheit“, „auf Wahrheit hin“. 4 Wörtlich: „gegenüber dem Heiligen“ (τὰ ἅγια, im Unterschied zum „Allerheiligsten“/τὰ ἅγια τῶν ἁγίων). Der Begriff steht hier im Sinne des Pars pro Toto (und anachronistisch, s.o. S. 98) für den Tempel. 5 Übersetzung im Anschluss an BECKER, JSHRZ III/1, 139, der seinerseits anmerkt: „Der Satz ist offenbar erheblich gestört“ (ebd., Anm. 6a). 6 Wörtlich: „lauter Wege von Wahrheit“. 7 Andere Lesart: „(die) Überlegungen der Bösen“. 8 Vgl. BECKER, JSHRZ III/1, 139: „kein Satan“. Jedenfalls scheint Satan hier (noch) nicht als Eigenname, sondern als Funktionsbezeichnung („Widersacher“) verwendet zu sein. 9 Wörtlich: „führe mich heran“. Das Verb προσάγειν ist hier – wie nachfolgend λατρεύειν – kultisch konnotiert. Es wird im profanen Zusammenhang auch von der Zulassung zu einer Königsaudienz gebraucht. 10 Wörtlich: „schön“ (Adv.). Im Griechischen impliziert das „Schöne“ regelmäßig das „Gute“ (und umgekehrt).
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B.I. DIE TESTAMENTE DER ZWÖLF PATRIARCHEN
[12] τεῖχος εἰρήνης σου γενέσθαι κύκλῳ μου, καὶ σκέπη σου τῆς δυναστείας σκεπασάτω με1 ἀπὸ παντὸς κακοῦ. [13] παραδοὺς2 διὸ δὴ καὶ τὴν ἀνομίαν ἐξάλειψον ὑποκάτωθεν τοῦ οὐρανοῦ, καὶ συντελέσαι τὴν ἀνομίαν ἀπὸ προσώπου τῆς γῆς [14] καθάρισον τὴν καρδίαν μου, δέσποτα, ἀπὸ πάσης ἀκαθαρσίας,3 καὶ προσάρωμαι πρός σε αὐτός·4 [15] καὶ μὴ ἀποστρέψῃς τὸ πρόσωπόν σου ἀπὸ τοῦ υἱοῦ παιδός σου Ἰακώβ. σύ, κύριε, εὐλόγησας τὸν Ἀβραὰμ πατέρα μου καὶ Σάρραν μητέρα μου, [16] καὶ εἶπας δοῦναι αὐτοῖς σπέρμα δίκαιον εὐλογημένον εἰς τοὺς αἰῶνας. [17] εἰσάκουσον δὲ καὶ τῆς φωνῆς τοῦ παιδός σου Λευὶ γενέσθαι σοι ἐγγύς, [18] καὶ μέτοχον ποίησον τοῖς λόγοις σου ποιεῖν κρίσιν ἀληθινὴν εἰς πάντα τὸν αἰῶνα, ἐμὲ καὶ τοὺς υἱούς μου εἰς πάσας τὰς γενεὰς τῶν αἰώνων· [19] καὶ μὴ ἀποστήσῃς τὸν υἱὸν τοῦ παιδός σου ἀπὸ τοῦ προσώπου σου [πάσας τὰς ἡμέρας τοῦ αἰῶνος. καὶ ἐσιώπησα ἔτι δεόμενος.
1
με fehlt bei CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23. CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23: παραδως (ohne Akzent). 3 CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23: καρθαρσίας. 4 CHARLES, Greek Versions, 29, Anm. 23: καὶ πρὸς ἀροῦμαι πρός σε αὐτός. BECKER, JSHRZ III/1, 139, Anm. 14b, schreibt: καὶ πρὸς ἀρῦμαι πρὸς σε αὐτός. 2
1. GEBET LEVIS (ANHANG ZU TESTXII.LEV II,3; 4Q213A)
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[12] (Die) Mauer deines Friedens sei1 um mich herum, und dein mächtiges Schutzdach2 soll mich schützen vor jeglichem Schlechten. [13] Der (du) preisgegeben (hast),3 so lösche doch auch das Unrecht aus von unterhalb des Himmels, und verbanne das Unrecht vom Antlitz der Erde; [14] reinige mein Herz, Gebieter, von jeglicher Verunreinigung, und zu dir erheben will ich mich selbst.4 [15] Und nicht wende ab dein Antlitz von dem Sohn deines Knechtes Jakob. Du, Herr, du hast gesegnet den Abraham, meinen Vater, und Sara, meine Mutter, [16] und hast (zu)gesagt, ihnen eine gerechte, in die Ewigkeiten gesegnete Nachkommenschaft zu geben. [17] Erhöre aber auch die Stimme deines Knechtes Levi, dir nahe zu sein5, [18] und zu einem Teilhaber mache [mich] für deine Worte, um wahrhaftiges Gericht zu üben in die ganze Ewigkeit – mich und meine Söhne in alle Geschlechter der Ewigkeiten –, [19] und nicht verstoße den Sohn deines Knechtes von deinem Antlitz [alle Tage der Ewigkeit. – Und ich verstummte, während ich noch bat.6
1
Wörtlich: „werde“. Der Infinitiv im Griechischen zeigt oratio obliqua an. Wörtlich: „dein Schutzdach der Macht“ (Semitismus). 3 BECKER, JSHRZ III/1, 139, verzichtet hier auf eine Übersetzung. 4 BECKER, JSHRZ III/1, 139, verzichtet hier auf eine Übersetzung. 5 Wörtlich: „dir nahe zu werden“. Damit wird die Bitte aus V. 11 aufgegriffen. 6 Zum Verstummen am Ende des Gebets vgl. im Kapitel zu den Schriften aus der judäischen Wüste den Abschluss des Gebets Abrahams im Genesisapokryphon (1Q20 XX,16, s.o. S. 26f.). 2
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B.I. DIE TESTAMENTE DER ZWÖLF PATRIARCHEN
1.4. HEBRÄISCHER TEXT (QUMRAN)1 4Q213a (4QLevi b ar) Frg. 1, Kol. I […] [Z. 1–4] ʯʣ[…] [Z. 5] ʤʰʠ[ …] [Z. 6] ʬʫʥ ʺ[ʲʧʸʺʠ …] [Z. 7] ʠʩʮʹʬ ʺʬʨʰ[ …] [Z. 8] ʩʣʩʥ ʩʴʫ ʺʲʡʶʠʥ[ …] [Z. 9] ʤʺʰʠ ʩʸʮ ʺʸʮʠ[ʥ …] [Z. 10] ʲʣʩ ʪʩʣʥʧʬʡ ʤʺʰ[ʠ …] [Z. 11] ʷʧʸʠ ʨʹʷ ʺʧʸʠ[ …] [Z. 12] ʠʧʣ ʠʺʥʰʦʥ ʠʹʩʠʡ[ …] [Z. 13] ʤʸʥʡʢʥ ʲʣʰʮʥ ʤʮʫ[ʧ …] [Z. 14] ʪʩʮʣʷ ʪʩʮʧʸ ʤʧʫʹ[ʠʬ …] [Z. 15] ʪʩʮʣʷ ʡʨʣʥ ʸʩʴʹʣ[ …] [Z. 16] ʯʨʹ ʬʫ ʩʡ ʨʬʹʺ ʬʠ[ʥ …] [Z. 17] ʤʫʬ ʠʥʤʮʬ ʩʰʡʸʷʥ ʩʸʮ ʩʬ[ʲ …] [Z. 18] 4Q213a Frg. 1, Kol. II […] [Z. 1–4] […]ʲʬ [Z. 5] [… ʺʫʸ]ʡ ʩʸʮ [Z. 6] [… ʨʹ]ʷʣ ʲʸʦ [Z. 7] [… ʪʣ]ʡʲ ʺʥʬʶ [Z. 8] [… ʬ]ʫʬ ʨʹʷ ʯʩʣ [Z. 9] [… ʪʩʮʣ]ʷ ʯʮ ʪʣʡʲ ʸʡʬ [Z. 10] Gebetsabschluss auf dem Fragment
1
Text und Zeilenzählung nach DSSSE, 448.450.
1. GEBET LEVIS (ANHANG ZU TESTXII.LEV II,3; 4Q213A)
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1.5. ÜBERSETZUNG 4Q213a (4QLevi b ar) [Z. 1–4] […] [Z. 5] dn […] [Z. 6] ich […] [Z. 7] [… ich wu]sch und alles [Z. 8] […] ich erhob gen Himmel [Z. 9] […] und die Finger meiner Handflächen und meine Hände [Z. 10] [… und] ich sagte: Mein Herr, du [Z. 11] [… d]u allein weißt [Z. 12] […] Wege der Wahrheit. Entferne [Z. 13] […] Bosheit und Unzucht stoße weg [Z. 14] [… W]eisheit und Kenntnis und Stärke [Z. 15] [… zu] finden dein Erbarmen vor dir [Z. 16] […] was schön und was gut ist vor dir [Z. 17] [… und] nicht soll herrschen über mich irgendein Satan1 [Z. 18] [… üb]er mich, mein Herr, und lass mich nahe kommen, um zu sein für dich 4Q213 Frg. 1, Kol. II [Z. 1–4] […] [Z. 5] al[… du,] [Z. 6] mein Herr, ges[egnet hast du …] [Z. 7] Nachkommenschaft der Wa[hrheit …] [Z. 8] das Gebet deines Kne[chtes …] [Z. 9] Recht der Wahrheit für al[le …] [Z. 10] für den Sohn deines Knechtes von vo[r dir …] – GEBETSABSCHLUSS AUF DEM FRAGMENT –
1 Ob hier der Satan in jedweder Gestalt gemeint ist oder ob es schon in Qumran „eine Kategorie von Dämonen gibt‚ die als ‚Satane‘ bezeichnet werden“ (REEG, Teufel IV, 123), lässt sich auf der Basis des bisher bekannten Materials nicht entscheiden.
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
II. ORACULA SIBYLLINA (SIBYLLINEN)
Der literarische Terminus „Sibylle“ entwickelte sich ursprünglich aus einem konkreten Personenbegriff. Bei der Gattung der Sibyllinen handelt es sich um in griechischer Sprache verfasste Orakelsprüche. Entstanden seit dem fünften vorchristlichen Jahrhundert bis ins Mittelalter hinein, entstammen sie unterschiedlichsten religiösen und soziokulturellen Strömungen. So hatten Bücher sibyllinischen Inhalts einen festen Platz im römischen Staatskult und dienten als Medium der Götterbefragung. Davon zu unterscheiden sind die hier interessierenden zwölf bis vierzehn Bücher der Oracula Sibyllina aus dem 2. Jh. v.Chr. bis zum 7. Jh. n.Chr., die in unterschiedlichem Maße jüdisch und christlich geprägt sind. Als jüdische Sibylle galt eine der Töchter Noahs. Thematisch befassen sich die häufig dunklen Verse mit der gesamten Weltgeschichte von der Schöpfung bis zum Endgericht. Die übliche Nummerierung und Verszählung der Oracula Sibyllina orientiert sich an der Ausgabe von A. Kurfeß, dem allerdings nur ein Teil der heute bekannten und stark differierenden Manuskripte zur Verfügung stand. Mit R. Buitenwerf ist grundlegend zwischen „Buch“ (λόγος) und „Band“ (τόμος) zu unterscheiden.1 Laut den Überschriften bzw. Zwischenbemerkungen2 zu Sib III,1.92 handelt es sich bei diesen Versen nämlich um den Schluss eines ansonsten nicht mehr erhaltenen zweiten Buches, hinter dem innerhalb desselben Bandes das dritte Buch notiert war. Die Verse wurden sekundär zum Beginn des heutigen Sib III.3 L. Rosso Ubigli beurteilt Sib III,1–92 insgesamt als literarisch uneinheitlich,4 J.J. Collins differenziert zwischen Sib III,1–45 und den späteren Versen.5 Die hier interessieren1
Vgl. BUITENWERF, Book III, 67. Nach BUITENWERF, Book III, 67, handelt es sich um “a remark by a scribe who wished to make clear that the second book of the Sibyl (λόγος δεύτερος) continued in the third roll or codex (τόμος τρίτος).” 3 Vgl. COLLINS, in: JWSTP, 370, Anm. 71: “Before vs. 93 three MSS. in the class ψ insert the note ‘seek here the remnants of the second book and the beginning of the third.’ Vss. 93–96 form a distinct but fragmentary oracle.” 4 Vgl. ROSSO UBIGLI, Sibyllinen, 241. 5 Vgl. COLLINS, in: JWSTP, 370: “It is not clear what relationship there is between vss. 1–45 and these eschatological oracles. Kurfess has suggested that they belong together and constitute the original second book of the collection, and this theory is supported by some evidence from the manuscripts. If he is correct these oracles present the usual combination of eschatology and ethics, although the relation between the two is not made explicit.” 2
II. ORACULA SIBYLLINA (SIBYLLINEN)
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den ersten Verse des dritten Bandes (Sib III,1–7) verortet er in späthellenistischer oder frührömischer Zeit,1 d.h. etwa im ersten vorchristlichen Jahrhundert. Das dritte Buch der Oracula Sibyllina gilt als das älteste und wird im zweiten vorchristlichen Jahrhundert verortet.2 Diese Datierung bezieht sich jedoch – wie bereits bemerkt – nicht auf die ersten Verse des dritten Bandes. Abhängig von den jeweiligen Handschriftenfamilien wurden Sib III jüngere Orakelsammlungen vorangestellt („Sib I“ und „Sib II“).3
G riechischer Text GEFFCKEN, J., Komposition und Entstehungszeit der Oracula Sibyllina (TU N.F. 8/1 = 23/1), Leipzig 1902. NIKIPROWETZKY, V., La Troisième Sibylle (EtJ 9), Paris/La Haye 1970. Deutsche Übersetzungen GAUGER, J.-D., Sibyllinische Weissagungen. Griechisch-deutsch, auf der Grundlage der Ausgabe von A. Kurfeß neu übersetzt und hg. von J.-D. Gauger (Sammlung Tusculum), Düsseldorf/ Zürich 1998. MERKEL, H., Sibyllinen (JSHRZ V/8), Gütersloh 1998. Englische Übersetzung COLLINS, J.J., Sibylline Oracles (Second Century B.C. – Seventh Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City 1983, 317–472 (= OTP I). Französische Übersetzung NIKIPROWETZKY, V., Oracles sibyllins, in: A. Dupont-Sommer / M. Philonenko (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 1035–1140 (= DSPh).
1
Vgl. COLLINS, in: JWSTP, 370. Vgl. COLLINS, in: JWSTP, 365.367. 3 Zur Entstehung und Komposition vgl. BUITENWERF, Book III, 69–71. 2
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B.II. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
Literatur BUITENWERF, R., Book III of the Sibylline Oracles and its Social Setting. With an Introduction, Translation, and Commentary (SVTP 17), Leiden/Boston 2003. COLLINS, J.J., Seers, Sybils and Sages in Hellenistic-Roman Judaism (JSJ.S 54), Leiden u.a. 1997. –, The Sibylline Oracles, in: M.E. Stone (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus (CRINT II/2), Assen – Philadelphia 1984, 357–381 (= JWSTP). GEFFCKEN, J., Die Oracula Sibyllina (GCS 6), Leipzig 1902. KURFESS, A., Sibyllinische Weissagungen. Urtext und Übersetzung (TuscBü), München 1951. MCDOWELL, M., Prayers of Jewish Women. Studies of Patterns of Prayer in the Second Temple Period (WUNT II/211), Tübingen 2006, 169–176. PARKE, H.W., Sibyls and Sibylline Prophecy in Classical Antiquity, hg. von B.C. McGing, London/New York 1988. ROSSO UBIGLI, L., Art. Sibyllinen, in: TRE 31 (2000), 240–245.
1. DAS GEBET DER SIBYLLE (SIB III,1–7)
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1. Das Gebet der Sibylle (Sib III,1–7)1 1.1. EINFÜHRUNG Das Gebet in Sib III,1–7 (ca. 1. Jh. v.Chr.) bildet den Auftakt zu vier Orakeln2 im erhaltenen Schlussteil des ursprünglich zweiten Buches.3 Gattungsgemäß bittet die Sibylle Gott, sie vom Zwang des Prophezeiens zu befreien, und bekennt gleichzeitig, sie sei von Gott genötigt, abermals zu reden. Vergleichbare Bitten begegnen u.a. in Sib II,339–347 und XI,322.4 Die Anrede Gottes als „Hochdonnernder“ und „Seliggepriesener“ (Z. 1) hat Parallelen in der klassischen griechischen Literatur. Mit der anschließenden Prädikation wird Gott in alttestamentlicher Tradition als der angesprochen, „der den Cheruben-Sitz hat“ (Z. 1f.).5 So erscheinen von Beginn an pagane und traditionell jüdische Elemente gemischt. Auch wenn das Gebet ursprünglich in die zweite Hälfte eines sonst verlorenen Buches der Sibyllinen integriert war,6 bildet es doch so deutlich den Auftakt zu einem neuen Abschnitt, dass es sich geradezu als Beginn einer neuen Schriftrolle anbot. Das Gebet hat in erster Linie eine rhetorisch-literarische Funktion: Die Betonung, nicht freiwillig zu reden und lieber schweigen zu wollen, erhöht die Glaubwürdigkeit der Sibylle. Die Niederschrift der folgenden Orakel erfolgt auf göttlichen Befehl. Die sieben Zeilen des Gebets sind chiastisch um die Erwähnung des „bebenden Herzens“ der Seherin (Z. 4) angeordnet. Unmittelbar zuvor bittet sie darum, es möge ihrem ermüdeten Herzen Ruhe vergönnt sein (Z. 3). Nach diesem Wunsch beschreibt sie ihr Gemüt als mit einer Geißel geschlagen (Z. 5). Gerahmt wird diese Herzensangelegenheit der Sibylle von einer Verallgemeinerung und Weitung in die Welt: Stets habe sie Wahres verkündigt (Z. 2) und sie werde auch fernerhin allen alles verkündigen, was ihr aufgetragen ist (Z. 6). Die Rahmenverse richten sich an Gott. Die Sibylle ruft ihn an (Z. 6) und ordnet sich am Ende seinem Befehl unter. Zugleich leitet sie mit den letzten Worten des Gebets über zu den Adressaten ihrer Weissagungen (Z. 7). 1
OTP I, 362; D, 893; KURFESS, Weissagungen, 72f.; MERKEL, JSHRZ V/8, 1081; DSPh, 1047. Vgl. MCDOWELL, Prayers, 173. MERKEL, JSHRZ V/8, 1061, nennt Sib III,93–96 ein „Fragment unbestimmbarer Herkunft.“ 3 Zur Entstehungsgeschichte, Komposition und Differenzierung zwischen „Band“ und „Buch“ vgl. die Einführung in die Sibyllinen (s.o. S. 106f.). 4 Vgl. MERKEL, JSHRZ V/8, 1081, Anm. 5a. 5 Die Gottesprädikation ὁ καθήμενος ἐπὶ τῶν χερουβιν („der über den Cherubim Thronende“) erscheint mehrfach im Kanon des Alten Testaments: 2 Sam 6,2; 2 Kön 19,15; Ps 80,2; 99,1; Jes 37,16; Dan 3,55 (Theod.); Od 8,54. χερουβιμ anstelle von χερουβιν haben 1 Sam 4,4; Dan 3,55. 6 Vgl. BUITENWERF, Book III, 69. 2
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B.II. ORACULA SIBYLLINA (SIBYLLINEN)
Das Gebet ist Ausdruck einer inneren Dramatik: Es startet bei Gott, bittet ihn um Verschonung vom Redezwang und schließt nach erneut empfundener innerer Nötigung zu weiterer Verkündigung an die Menschen mit der Unterwerfung unter Gottes Befehl. Das Gebet endet also an einem seiner ursprünglichen Intention entgegengesetzten Punkt. Damit ist das Feld für die folgenden Orakelsprüche bereitet.
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B.II. ORACULA SIBYLLINA (SIBYLLINEN)
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 Ἐκ τοῦ δευτέρου λόγου περὶ θεοῦ. [1] Ὑψιβρεμέτα,2 μάκαρ οὐράνιε,3 ὃς ἔχεις τὸ4 Χερουβὶμ [2] ἱδρυμένον,5 λίτομαι, παναληθέα φημίξασαν [3] παῦσον βαιόν με· κέκμηκε γὰρ ἔνδοθεν6 ἦτορ. [4] Ἀλλὰ τί μοι κραδίη7 πάλι πάλλεται ἠδέ γε θυμὸς [5] τυπτόμενος μάστιγι βιάζεται ἔνδοθεν αὐδὴν [6] ἀγγέλλειν πᾶσιν; Aὐτὰρ8 πάλι πάντ’ ἀγορεύσω [7] ὅσσα θεὸς κέλεται9 μ’ ἀγορευέμεν10 ἀνθρώποισιν.
1
Text und Zeilenzählung nach NIKIPROWETZKY, La Troisième Sibylle, 292. KURFESS, Weissagungen, 72, stellt Ὦ voran. 3 KURFESS, Weissagungen, 72f., bietet μακάρισθ’ und übersetzt: „Mächtiger Donn’rer im Himmel“. GEFFCKEN, Oracula, 46: μάκαρ, οὐράνιε. 4 GEFFCKEN, Oracula, 46: τὰ. 5 KURFESS, Weissagungen, 72: ἱδρυμένος. 6 KURFESS, Weissagungen, 72, akzentuiert hier wie auch in der übernächsten Zeile ἐνδόθεν. 7 In der Epik gebräuchliche Form für καρδίη (Metathesis: ρ wechselt seine Stelle mit dem Stammvokal). 8 GEFFCKEN, Oracula, 46: αὐτὰρ. 9 GEFFCKEN, Oracula, 46: Akut auf der letzten Silbe. 10 Die Endung -μεν ist in der Epik für den Infinitiv gebräuchlich. 2
1. DAS GEBET DER SIBYLLE (SIB III,1–7)
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1.3. ÜBERSETZUNG Aus dem zweiten Buch1: Über Gott [1] Hochdonnernder, seliggepriesener Himmlischer, der du hast den Cheruben[2] Sitz, ich flehe, lass mich, die (ich) ganz Wahres verbreitet habe, [3] ein wenig in Ruhe;2 denn ermattet ist von innen her (mein) Herz3. [4] Aber warum bebt mir (mein) Herz wiederum, und [warum] denn wird (mein) [5] mit einer Geißel geschlagenes Gemüt von innen her gezwungen, (die) Kunde [6] allen zu verkündigen? Doch wiederum werde ich alles sagen, [7] was Gott mich zu sagen heißt (den) Menschen.4
1 Wörtlich: „Wort“, „Rede“. Gemeint ist hier das ursprünglich zweite „Buch“ der Oracula Sibyllina. S. dazu die Einführung in die Sibyllinen (s.o. S. 106). 2 Vgl. Ex 6,29–7,2; Jer 1,6f.; Ez 3,17f.; Jona 1,2f. 3 Das Substantiv ἦτορ bezeichnet das „Innere des Brustkastens“, im übertragenen Sinne „Herz“, „Seele“, „Mut“, „Geist“ usw. Es steht hier deutlich in Parallele zu κραδίη bzw. καρδίη (attisch: καρδία) in V. 4. 4 Vgl. Apg 26,17–23.
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
III. TESTAMENT HIOBS
Dem Testament Hiobs liegt die Septuagintafassung des Hiobbuches zugrunde.1 Der biblische Stoff wird angereichert durch eine Reihe eigenständig formulierter Passagen, die der zeitgenössischen haggadischen Tradition entlehnt sein dürften. Auch wenn das Werk sich als geschlossen präsentiert, weist es in seiner Gedankenführung und Stilistik Brüche auf. Jedoch ist die These einer komplexen Entstehungsgeschichte mit Einfügungen und Überarbeitungen2 weder beweisbar noch notwendig.3 Laut B. Schaller ist das Testament Hiobs trotz diverser Semitismen4 ursprünglich auf Griechisch verfasst worden.5 Nicht zuletzt wegen der Bezeichnung Hiobs als König von Ägypten6 und weil das älteste erhaltene Manuskript auf Koptisch überliefert ist, wird das Werk in Alexandrien verortet. Die Zuschreibung an die bei Philo erwähnten ägyptischen Therapeuten (Prob. § 75–91) und überhaupt die Annahme therapeutischer Einflüsse ist umstritten.7 Weitgehend Einigkeit herrscht über den jüdischen Ursprung8 und über ein jüdisches Zielpublikum der Schrift. Erhalten und tradiert wurden die verschiedenen Textfassungen durch die christlichen Kirchen. Nach einer längeren Phase des Vergessens wurden seit dem 19. Jh. diverse Manuskripte unterschiedlicher Textfamilien wiederentdeckt. Als Entstehungszeitraum gelten das erste vorchristliche und die ersten anderthalb nachchristlichen Jahrhunderte.9 1
Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 306. Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 305f.: „In der Tat dürften manche textlichen Unebenheiten nachträglich zustande gekommen und einige Auffüllungen späteren Händen zuzuschreiben sein. Die meisten kompositorischen und sprachlichen Mängel lassen sich jedoch kaum literar- oder textgeschichtlich erklären.“ 3 Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 306: „Das Testament Hiobs ist, so wie es heute vorliegt, zwar nicht aus einem Guß, aber doch offensichtlich als Ganzes konzipiert und aller Wahrscheinlichkeit nach von einer Hand geschrieben.“ 4 SCHALLER, JSHRZ III/3, 307, Anm. 34, findet „semitisierende Wendungen“ u.a. in 43,6b.7d.17a. 5 Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 307. 6 TestJob 28,8. Auch die vier ihn beklagenden Freunde werden als Könige gezeichnet (TestJob 28,2.5f.). 7 CHARLESWORTH, Pseudepigraphen, 642, sieht das Hiobtestament als „erkennbar von den Therapeuten“ in Ägypten verfasst an. SCHALLER, JSHRZ III/3, 309, bezeichnet die Herleitung von Therapeuten als „unzulänglich“. 8 Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 309. 9 Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 311f. LEHNARDT, Hiobtestament, 1782, sieht „eine Entstehung in der griech.-sprachigen Diaspora zu Beginn des 2.Jh. n.Chr.“ als naheliegend an. CHARLESWORTH, Pseudepigraphen, 642, spricht von einer Entstehung im „1. Jh. v. Chr. oder n. Chr.“, und zwar „auf Griechisch“. 2
III. TESTAMENT HIOBS
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Gattungsmäßig lässt sich das Werk der Testamentenliteratur zurechnen1: Der sterbende Hiob versammelt seine Nachkommen. Seine mahnenden letzten Anweisungen fallen im Vergleich zu denen in den Testamenten der zwölf Patriarchen aber recht knapp aus.
G riechischer Text BROCK, S.P., Testamentum Iobi (PVTG 2), Leiden 1967, 1–59. KRAFT, R.A. u.a. (Hg.), The Testament of Job according to the SV text. Greek text and English translation (SBLTT 5 / PsES 4), Missoula 1974. Deutsche Übersetzung SCHALLER, B., Das Testament Hiobs (JSHRZ III/3), Gütersloh 1979. Englische Übersetzung SPITTLER, R.P., Testament of Job (First Century B.C. – First Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City 1983, 829–868 (= OTP I). Französische Übersetzungen PHILONENKO, M., Le Testament de Job. Introduction, traduction et notes, in: Sem. 18 (1968), 1– 77. –, Testament de Job, in: A. Dupont-Sommer / ders. (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 1603–1645 (= DSPh). Literatur CHARLESWORTH, J.H., Art. Pseudepigraphen des Alten Testaments, in: TRE 27 (1997), 639– 645. COLLINS, J.J., Structure and Meaning in the Testament of Job, in: SBLSP [8/1] (1974,1), 35–52. JACOBS, I., Literary Motifs in The Testament of Job, in: JJS 21 (1970), 1–10. KNIBB, M.A. / VAN DER HORST, P.W. (Hg.), Studies on the Testament of Job (MSSNTS 66), Cambridge u.a. 1989. LEHNARDT, A., Art. Hiobtestament, in: RGG4 3 (2000), 1782. 1
LEHNARDT, Hiobtestament, 1782, fühlt sich freilich „auch an Formen der griech. Tragödie“ erinnert.
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B.III. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
PHILONENKO, M., Le Testament de Job et les Thérapeutes, in: Sem. 8 (1958), 41–53. –, Le Testament de Job. Introduction, traduction et notes, in: Sem. 18 (1968), 1–77. RAHNENFÜHRER, D., Das Testament des Hiob und das Neue Testament, in: ZNW 62 (1971), 68–93. SPITTA, F., Das Testament Hiobs und das Neue Testament, in: ders., Zur Geschichte und Litteratur des Urchristentums, Bd. 3/2, Göttingen 1907, 139–206.
1. DANKGEBET DES ELIPHAS FÜR SÜNDENTILGUNG (TESTJOB 43,1–44,1)
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1. Dankgebet des Eliphas für Sündentilgung (TestJob 43,1–44,1)1 1.1. EINFÜHRUNG Werden mit Blick auf das Testament Hiobs Überarbeitungen und Ergänzungen benannt, dann steht das hier gebotene Gebet des Eliphas an erster Stelle. Laut B. Schaller lässt sich, wenn überhaupt, dann am ehesten bei diesem Gebet „an eine nichtgriechische Vorlage denken“.2 Da das Gebet vergleichsweise leicht vom Gesamtduktus abzuheben ist, erscheint hier eine sekundäre Einfügung als möglich. Dem eigentlichen Gebet geht voran, dass vier der drei Mitkönige Hiobs die Vergebung ihrer Sünden von Gott zugesagt wird, vermittelt durch ein von Hiob für sie dargebrachtes Opfer. Nur Elihu, dessen Worte an Hiob als vom Satan veranlasst beschrieben werden (TestJob 41,5), erfährt keine Vergebung. Eliphas empfängt den Geist, und in sein Lied stimmen alle Anwesenden mit ein. Es handelt sich einerseits um ein Dank- und Lobgebet für die Wegnahme der eigenen Sünde, Hauptthema aber ist eine Art von in Verse gebrachter Abrechnung mit Elihu und die Beschreibung seiner von den übrigen als gerecht empfundenen Bestrafung und Heillosigkeit.
1 2
D, 878f.; SCHALLER, JSHRZ III/3, 362–365; DSPh, 1638–1640; OTP I, 861–863. SCHALLER, JSHRZ III/3, 307.
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B.III. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [43,1] Τότε Ἐλιφᾶς καὶ Βαλδὰδ καὶ Σοφὰρ γνόντες ὅτι ἐχαρίσατο αὐτοῖς ὁ Κύριος τὴν ἁμαρτίαν αὐτῶν, τὸν δὲ Ἐλιοῦς οὐ κατηξίωσεν, [2] ἀναλαβὼν Ἐλιφᾶς πνεῦμα εἶπεν ὕμνον, [3] ἐπιφωνούντων αὐτῷ τῶν ἄλλων φίλων καὶ τῶν στρατευμάτων πλησίον τοῦ θυσιαστηρίου· [4] ἔλεγεν οὕτως Ἐλιφᾶς· Περιῄρηνται ἡμῶν αἱ ἁμαρτίαι, καὶ τέθαπται ἡμῶν ἡ ἀνομία· [5] Ἐλιοῦς, Ἐλιοῦς ὁ μόνος πονηρὸς μνημόσυνον οὐχ ἕξει ἐν τοῖς ζῶσιν. καὶ ὁ λύχνος αὐτοῦ σβεσθεὶς ἠφάνισεν τὸ φέγγος αὐτοῦ, [6] ἡ δὲ τῆς λαμπάδος αὐτοῦ δόξα ἀποβήσεται αὐτῷ εἰς κρίμα· ὅτι οὗτός ἐστιν ὁ τοῦ σκότους καὶ οὐχὶ τοῦ φωτός· οἱ δὲ θυρωροὶ τῆς σκοτίας κληρονομήσουσιν αὐτοῦ τὴν δόξαν καὶ τὴν εὐπρέπειαν· [7] ἡ βασιλεία αὐτοῦ παρῆλθεν, σέσηπται αὐτοῦ ὁ θρόνος· καὶ ἡ τιμὴ τοῦ σκηνώματος αὐτοῦ ἐν τῷ ᾅδῃ τυγχάνει· [8] ἠγάπησεν τὸ τοῦ ὄφεως κάλλος, καὶ τὰς λεπίδας τοῦ δράκοντος, ἡ δὲ χολὴ αὐτοῦ καὶ ὁ ἰὸς αὐτοῦ ἔσται εἰς βοράν2· [9] οὐκ ἐκτήσατο ἑαυτῷ τὸν Κύριον οὐδὲ ἐφοβήθη αὐτόν, ἀλλὰ καὶ τοὺς ἐντίμους αὐτοῦ παρώργισεν· [10] ἐπελάθετο αὐτοῦ ὁ Κύριος, καὶ οἱ ἅγιοι ἐγκατέλειψαν αὐτόν· [11] ἡ δὲ ὀργὴ καὶ ὁ θυμὸς ἔσται αὐτῷ εἰς σκήνωμα· οὐκ ἔχει ἔλεος ἐν καρδίᾳ αὐτοῦ οὐδὲ εἰρήνην ἐν τῷ σώματι αὐτοῦ·3 [12] ἰὸν ἀσπίδων ἔσχεν ἐν τῇ γλώσσῃ αὐτοῦ. [13] δίκαιός ἐστιν Κύριος, ἀληθινὰ αὐτοῦ τὰ κρίματα· παρ᾽ ᾧ οὐκ ἔστιν προσωποληψία· κρινεῖ ἡμᾶς ὁμοθυμαδόν.
1
Text und Verszählung nach BROCK, Testamentum, 52f.; Eigennamen sind bei Brock nicht akzentuiert. Konjektur für εις βορραν („zum Nordwind“). Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 364, Anm. 8b. 3 SCHALLER, JSHRZ III/3, 364, Anm. 11c, übernimmt James᾽ Konjektur: εν τω στοματι αυτου („in seinem Mund“). 2
1. DANKGEBET DES ELIPHAS FÜR SÜNDENTILGUNG (TESTJOB 43,1–44,1)
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1.3. ÜBERSETZUNG [43,1] Da, als Eliphas und Baldad und Sophar erkannten, dass ihnen der Herr ihre Sünde erlassen hatte, dagegen den Elihu [dessen] nicht gewürdigt hatte, [2] erhob Eliphas (seinen) Geist1 und2 sprach einen Lobgesang, [3] wobei die anderen Freunde und die Heere nahe dem Altar in ihn einstimmten. [4] Es redete Eliphas so: Rundum aufgehoben sind unsere Sünden, und begraben ist unser Unrecht. [5] Elihu, Elihu, der einzig Böse, wird kein Gedächtnis haben unter den Lebenden. Und seine Leuchte verlor, als sie erloschen war, ihre Leuchtkraft3, [6] der Schein seiner Lampe aber wird ihm gereichen zum Gericht, denn dieser ist der [Sohn]4 der Finsternis und nicht des Lichtes. Die Türhüter der Finsternis aber werden sein Ansehen und (seine) Würde erben. [7] Seine Königsherrschaft ist vergangen, verfault ist sein Thron; und der Wert seiner Wohnung erreicht ihn im Hades. [8] Geliebt hat er der Schlange Schönheit und die Schuppen des Drachen, aber deren Galle und dessen Gift werden [ihm] zur Speise gereichen. [9] Nicht gewann er für sich selbst den Herrn noch fürchtete er ihn, sondern selbst die bei ihm in Ansehen Stehenden5 erzürnte er. [10] Es vergaß seiner der Herr, und die Heiligen verließen ihn. [11] Der Zorn aber und der Ingrimm werden ihm zur Wohnung gereichen. Nicht hat er Erbarmen in seinem Herzen noch Frieden in seinem Leib. [12] Gift von Pfeilen hatte er auf seiner Zunge. [13] Gerecht ist (der) Herr, wahrhaftig [sind] seine Gerichte; bei ihm gibt es kein Ansehen der Person; beurteilen wird er uns einheitlich6. 1 SCHALLER, JSHRZ III/3, 362, übersetzt: „Eliphas empfing den Geist“, und kommentiert (ebd., Anm. 2a): „Von der Geistbegabung der Freunde Jobs weiß auch Midrasch Qoh 7,2 zu berichten.“ Die von SCHALLER, ebd., genannten Belegstellen (Joh 7,39; Apg 2,38; 1 Kor 2,12; 2 Kor 11,4) bieten alle aber nur das Simplex λαμβάνειν. Außerdem ist zu beachten, dass der „absolute Gebrauch von πνεῦμα […] in jüdischen Quellen äußerst selten belegt“ ist (ebd.). 2 Das Part. Aor. ἀναλαβών wird hier parataktisch – im Sinne einer logischen Abfolge – wiedergegeben. 3 Das Substantiv φέγγος steht poetisch für ϕάος und bezeichnet im übertragenen Sinne auch das „Lebenslicht“. Ebenso kann der „Leuchter“ für (das Leben von) Personen stehen (vgl. Offb 1,20; 2,5, dort λυχνία), die δόξα dementsprechend nicht nur optisch für den „Schein“, sondern im übertragenen Sinne auch für den „Ruf“, in dem diese Personen stehen. 4 Mit SCHALLER, JSHRZ III/3, 363 m. Anm. 6b, der hier einen Semitismus erkennt. 5 Gemeint sind vermutlich die Freunde Hiobs. Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 364, Anm. 9b. 6 SCHALLER, JSHRZ III/3, 364, Anm. 13d, merkt an, dass ὁμοθυμαδόν „hier auch einfach ‚zusammen‘ bedeuten“ kann.
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B.III. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[14] ἰδοὺ ὁ Κύριος παρεγένετο, ἰδοὺ οἱ ἅγιοι ἡτοιμάσθησαν, προηγουμένων τῶν στεφάνων μετ᾽ ἐγκωμίων. [15] χαιρέτωσαν οἱ ἅγιοι, ἀγαλλιάσθωσαν ἐν καρδίᾳ, [16] ὅτι ἀπείληφαν τὴν δόξαν ἣν προσεδόκησαν. [17] ἦρται ἡ ἁμαρτία ἡμῶν, κεκαθάρισται ἡμῶν ἡ ἀνομία· ὁ δὲ πονηρὸς Ἐλιοῦς μνημόσυνον ἐν τοῖς ζῶσιν οὐκ ἔσχεν. [44:1] Μετὰ δὲ τὸ παύσασθαι Ἐλιφᾶν τοῦ ὕμνου, ὑποφωνούντων αὐτῷ πάντων καὶ κυκλούντων τὸ θυσιαστήριον, ἀναστάντες εἰσήλθομεν εἰς τὴν πόλιν εἰς ἣν νῦν οἰκοῦμεν οἰκίαν.
1. DANKGEBET DES ELIPHAS FÜR SÜNDENTILGUNG (TESTJOB 43,1–44,1)
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[14] Siehe, der Herr hat sich eingestellt, siehe, die Heiligen stehen bereit,1 nachdem die (Opfer)kränze samt Lobliedern vorangezogen sind.2 [15] Freuen sollen sich die Heiligen, jubeln sollen sie in (ihrem) Herzen, [16] denn empfangen haben sie die Herrlichkeit, die sie erwarteten. [17] Aufgehoben ist unsere Sünde, entfernt3 ist unser Unrecht; aber der böse Elihu hatte kein Gedächtnis unter den Lebenden. [44,1] Nachdem aber Eliphas seinen Lobgesang beendet hatte – wobei alle darin einstimmten und den Altar umrundeten –, standen wir auf und4 gingen hinein in die Stadt in das Haus, das wir jetzt bewohnen.
1
Wörtlich: „die Heiligen wurden bereitet“. Die Wendung ist Gegenstand zahlreicher Glättungen. Vgl. SCHALLER, JSHRZ III/3, 365, Anm. 14d. 3 Wörtlich: „gereinigt“. 4 Das Partizip Aorist wird hier beiordnend übersetzt. Es drückt eine Handlungsabfolge aus. 2
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
IV. JOSEPH UND ASENETH
Ausgangspunkt des Aseneth-Romans1 sind die kurzen Notizen in Gen 41,45.50; 46,20, denen zufolge Joseph eine Tochter des ägyptischen Priesters Potiphera heiratet. Ihre Söhne, Ephraim und Manasse, werden zu Stammvätern zweier Stämme. Ein Ziel des Romans ist die Legitimation der Verbindung des Jakobssohnes Joseph mit einer Heidin. Die Priestertochter verliebt sich in Joseph und bricht mit ihrer Vergangenheit. Sie zerschlägt die alten Götter, fastet, bekennt ihre Sünden und betet zum Gott Josephs. Ihr Gebet wird erhört, und ihre Konversion wird als Gott wohlgefällig angenommen. Die Erzählung wird zu einem Muster für die Konversion zum Judentum.2 Der Roman gliedert sich in zwei Hauptteile. Der erste handelt von der Begegnung Josephs und Aseneths (JosAs 1–9) und von Aseneths Buße und Konversion (JosAs 10– 18). Im zweiten Hauptteil geht es um die Bedrohung des Erreichten: Aseneth entrinnt einem Komplott des Sohnes Pharaos und einiger Brüder Josephs. Dieser Teil des Romans gab Anlass zu der Verortung der Erzählung im Alexandrien des Jahres 38 n.Chr. Wegen der Benutzung der Septuaginta wird als terminus post quem das Jahr 100 v.Chr. angenommen. Als spätestes Entstehungsdatum gilt die Niederschlagung des jüdischen Aufstandes in Ägypten im Jahr 117 n.Chr.3 Als Entstehungsort ist Ägypten weitgehend unumstritten. Als Zweck des Werkes werden vorgeschlagen: Theologie in erzählender Form,4 Missionspropaganda5 oder an Juden gerichtete Legitimation des Proselytentums. Mehrheitlich wird von einem jüdischen Verfasser ausgegangen,6 jedoch dürfte das Werk christlich redigiert worden sein.7 1
Zur Gattungsdiskussion vgl. BURCHARD, JSHRZ II/4, 591f. Vgl. BURCHARD, JSHRZ II/4, 600: „Sie, die vor Jahrhunderten als erste Ägypterin […] Jüdin wurde, ist auch eine bleibende Zufluchtsstadt für alle, die so handeln wie sie (15,7; 16,16; 19,5.8).“ Aber „Zufluchtsstadt bezeichnet Aseneth nicht allegorisch. Der Name besagt ja nicht, daß Gott alle Menschen annimmt und bewahrt wie Aseneth, sondern in ihr, das heißt, wenn sie sich ihr und ihrer Nachkommenschaft anschließen und so das Leben erben, das auch Aseneth zuteil wurde […]. Was sie und die Proselyten verbindet, ist nicht Analogie, sondern Genealogie“ (ebd.). 3 Vgl. NICKELSBURG, in: JWSTP, 71: “The time of its composition is perhaps around the turn of the era.” 4 Vgl. BURCHARD, Joseph und Aseneth, 247. 5 Vgl. NICKELSBURG, in: JWSTP, 70: “Judaism is made attractive and understandable through the use of motifs and elements to which gentiles are accustomed.” 6 Vgl. BURCHARD, JSHRZ II/4, 587: „JosAs ist ein Autorenwerk, nicht eine Volkserzählung“. 7 Vgl. BURCHARD, JSHRZ II/4, 591. MCDOWELL, Prayers, 125, erkennt als christliche Wendungen: “‘Son of God’, ‘bread of life’, and the ‘cup of blessing’”. 2
IV. JOSEPH UND ASENETH
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Es sind eine Kurzform und eine Langform erhalten. In der Regel wird letztere zugrunde gelegt.1 Nach C. Burchard lassen sich die Manuskripte auf einen einzigen Archetypus aus dem 4. Jh. zurückführen, der nicht deckungsgleich ist mit der vermuteten griechischsprachigen Originalschrift.2 Neben 16 vorhandenen griechischen Handschriften aus dem 10.–19. Jh. existiert das Werk in sieben Übersetzungen, deren Entstehung zwischen dem sechsten und 17./18. Jh. angesetzt wird.3
G riechischer Text BURCHARD, C., Gesammelte Studien zu Joseph und Aseneth, berichtigt und ergänzt hg. mit Unterstützung von C. Burfeind (SVTP 13), Leiden u.a. 1996. FINK, U.B., Joseph und Aseneth. Revision des griechischen Textes und Edition der zweiten lateinischen Übersetzung (FoSub 5), Berlin/New York 2008. Deutsche Übersetzung BURCHARD, C., Joseph und Aseneth (JSHRZ II/4), Gütersloh 1983. Englische Übersetzung COOK, D., Joseph and Aseneth, in: H.F.D. Sparks (Hg.), The Apocryphal Old Testament, Oxford 1984, 465–503 (= AOT). Französische Übersetzung PHILONENKO, M., Joseph et Aséneth. Introduction. Texte critique. Traduction et notes (StPB 13), Leiden 1968. Literatur BURCHARD, C., Untersuchungen zu Joseph und Aseneth. Überlieferung – Ortsbestimmung (WUNT 8), Tübingen 1965. –, Der jüdische Asenethroman und seine Nachwirkung. Von Egeria zu Anna Katharina Emmerick oder von Moses aus Aggel zu Karl Kerényi, in: ANRW II 20.1 (1987), 543–667.
1
Vgl. NICKELSBURG, in: JWSTP, 71. Vgl. BURCHARD, JSHRZ II/4, 588f.595; DERS., Joseph und Aseneth, 247. 3 Vgl. BURCHARD, Joseph und Aseneth, 246. 2
124 –,
B.IV. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
The Importance of Joseph and Aseneth for the Study of the New Testament. A General Survey and a Fresh Look at the Lord’s Supper, in: NTS 33 (1987), 102–134. –, Art. Joseph und Aseneth, in: TRE 17 (1988), 246–249. – (Hg.), Joseph und Aseneth, mit Unterstützung von C. Burfeind und U.B. Fink (PVTG 5), Leiden/Boston 2003. CHESNUTT, R.D., From Death to Life. Conversion in Joseph and Aseneth (JSPES 16), Sheffield 1995. DELLING, G., Die Kunst des Gestaltens in „Joseph und Aseneth“, in: NT 26 (1984), 1–42. MCDOWELL, M., Prayers of Jewish Women. Studies of Patterns of Prayer in the Second Temple Period (WUNT II/211), Tübingen 2006, 123–136. HOLTZ, T., Christliche Interpolationen in „Joseph und Aseneth“, in: NTS 14 (1967/68), 482– 497. HUMPHREY, E.M., Joseph and Aseneth (Guides to Apocrypha and Pseudepigrapha), Sheffield 2000. KEE, H.C., The Socio-Religious Setting and Aims of “Joseph and Asenath”, in: SBLSP 10 (1976), 183–192. –, The socio-cultural setting of Joseph and Aseneth, in: NTS 29 (1983), 394–413. NICKELSBURG, G.W.E., Stories of Biblical and Early Post-Biblical Times, in: M.E. Stone (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus (CRINT II/2), Assen – Philadelphia 1984, 33–87 (= JWSTP). SÄNGER, D., Antikes Judentum und die Mysterien. Religionsgeschichtliche Untersuchungen zu Joseph und Aseneth (WUNT II/5), Tübingen 1980. –, Erwägungen zur historischen Einordnung und zur Datierung von „Joseph und Aseneth“, in: ZNW 76 (1985), 86–106. SCHWARTZ, J., Recherches sur l’évolution du roman de Joseph et Aséneth, in: REJ 143 (1984), 273–285. STANDHARTINGER, A., Das Frauenbild im Judentum der hellenistischen Zeit. Ein Beitrag anhand von ‘Joseph und Aseneth’ (AGJU 26), Leiden u.a. 1995. WEST, S., Joseph and Asenath. A Neglected Greek Romance, in: CQ 24 (1974), 70–81.
1. EIN GEBET DER ASENETH (JOSAS 11,19–13,15)
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1. Ein Gebet der Aseneth (JosAs 11,19–13,15)1 1.1. EINFÜHRUNG Das hier vorgestellte Gebet der Aseneth ist das längste der ihr in den Mund gelegten Gebete.2 Ihm geht die Zerschlagung der alten Götzen voran (JosAs 10,12). Jetzt betet sie zu dem ihr zuvor fremden Gott.3 Bemerkenswert ist, dass die Heidin und Priestertochter Gott als ihren Vater anredet (12,8.14f.). Sie bedient sich sprachgewaltiger Bilder. Neben dem Bild vom Vater, der sich seines verängstigten Kindes liebevoll annimmt, beschreibt sie die Auswirkungen des Fastens auf ihr Äußeres (13,9: „mein Mund ist trocken geworden wie eine Fellmembran und meine Zunge wie Hornsubstanz und meine Lippen [sind spröde geworden] wie Terrakotta[scherben]“) und schildert, dass ihre Tränen sich mit der Asche zu Lehm verbunden und das vormalige Öl als Bodenpolitur ersetzt haben (13,5–7). Zentrales Motiv des Gebets ist das Spiel mit Zuschreibungen von Vaterschaft und Verwaistheit. Aseneth hat sich von den Götzen losgesagt, sie verworfen und zerschlagen (12,9.12; 13,11). Der Löwe (12,9–11) als oberster Götze und Vater verfolgt sie mit seinen Kindern, die sie wiederum als „Götzen der Götzenbildwahnsinnigen“ (12,9) verächtlich macht. Aufgrund ihrer Wandlung wird Aseneth von ihrem Vater Potiphera verstoßen (12,12f.). Sie fühlt sich als Waise und von allen verlassen (12,5.13f.; 13,1f.) und nimmt ihre Zuflucht zu Gott als ihrem wahren Vater (12,8.13–15). In Joseph, den sie liebt, erkennt sie den Sohn Gottes (13,13). M. McDowell geht auf die Form der Aseneth-Gebete ein und erklärt, “the structure of the prayers is based on Jewish psalms of praise and synagogue prayers”4, spezifisch und exklusiv christliche Elemente ließen sich nicht bestimmen.5 Der vorgeschaltete Gebetsteil in JosAs 11,16–18 beschreibt Gott in der dritten Person und kommt ohne direkte Anrede aus. Aseneth bekennt darin ihre Verfehlungen und bezeichnet sich als unrein. Zugleich vertraut sie in ihrem inneren Monolog darauf, dass Gott sich ihrer selbst in Zeiten der Züchtigung erbarmen wird.
1
D, 853f.; OTP II, 219–224; DSPh, 1579–1583; BURCHARD, JSHRZ II/4, 662–671. Vgl. noch JosAs 17,10; 21,11–21; 27,10 (s. auch Aseneths Gebetsmeditationen in 11,3–14.16–18 und den Segen Josephs über Aseneth in 8,9). Vgl. MCDOWELL, Prayers, 135: “These prayers fulfill one of the major purposes of Joseph and Aseneth: to answer whether a Gentile can convert to Judaism, and, if so, how and in what manner?” 3 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 132: “This is a private prayer and concerns personal matters, but its primary function is to emphasize the author’s view of how a Gentile might become a convert to Judaism.” 4 MCDOWELL, Prayers, 126. 5 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 125: “None of the prayers contain anything that is particularly Christian.” 2
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B.IV. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [11,19] καὶ ἀνέστη Ἀσενὲθ πάλιν ἀπὸ τοῦ τοίχου οὗ ἐκάθητο καὶ ἀνορθώθη ἐπὶ τὰ γόνατα αὐτῆς καὶ ἐξεπέτασε τὰς χεῖρας αὐτῆς εἰς ἀνατολὰς καὶ ἀνέβλεψε τοῖς ὀφθαλμοῖς2 αὐτῆς εἰς τὸν οὐρανὸν καὶ ἤνοιξε3 τὸ στόμα αὐτῆς πρὸς τὸν θεὸν καὶ εἶπεν· [12,1] »κύριε ὁ θεὸς τῶν αἰώνων4 ὁ κτίσας τὰ πάντα καὶ ζωοποιήσας ὁ δοὺς πνοὴν ζωῆς πάσῃ τῇ κτίσει σου ὁ ἐξενέγκας5 τὰ ἀόρατα εἰς τὸ φῶς [2] ὁ ποιήσας τὰ ὄντα καὶ τὰ φαινόμενα [ἐκ τῶν ἀφανῶν καὶ μὴ ὄντων ὁ ὑψώσας τὸν οὐρανὸν καὶ θεμελιώσας αὐτὸν ἐν στερεώματι [ἐπὶ τὸν νῶτον τῶν ἀνέμων ὁ θεμελιώσας τὴν γῆν ἐπὶ τῶν ὑδάτων ὁ θεὶς λίθους μεγάλους ἐπὶ τῆς ἀβύσσου τοῦ ὕδατος καὶ οἱ λίθοι οὐ βυθισθήσονται6 ἀλλ’ εἰσὶν ὡς φύλλα δρυὸς ἐπάνω τῶν ὑδάτων καὶ εἰσὶ λίθοι ζῶντες καὶ τῆς φωνῆς σου ἀκούουσι κύριε καὶ φυλάσσουσι τὰς ἐντολάς σου ἃς ἐνετείλω αὐτοῖς καὶ τὰ προστάγματά σου οὐ μὴ παραβαίνουσιν7 ἀλλ’ εἰσὶν ἕως τέλους ποιοῦντες τὸ θέλημά σου.8 ὅτι σὺ κύριε ἐλάλησας καὶ9 ἐζωογονήθησαν ὅτι10 ὁ λόγος σου κύριε ζωή ἐστι πάντων τῶν κτισμάτων σου.
1
Text und Verseinteilung nach BURCHARD, Studien, 177–182. FINK, Joseph, 179: τοὺς ὀφθαλμούς. 3 FINK, Joseph, 179: ἀνέῳξε. 4 Als Alternativen bieten die Manuskripte δικαίων („der Gerechten“), δυνάμεων („der Mächte“) oder celorum („der Himmel“). Vgl. BURCHARD, JSHRZ II/4, 663, Anm. b zu 12,1. Als Parallelen bietet BURCHARD, ebd., u.a. Sir 36,17; 1 Clem 35,3; 55,6. 5 Alternativlesart: ὁ ἐξαγαγών. Vgl. BURCHARD, JSHRZ II,4, 663 Anm. e zu 12,1. 6 Das Verb begegnet in 2 Makk 12,4; Lk 5,7; 1 Tim 6,9. 7 FINK, Joseph, 179: παραβαίνσιν. 8 Bei FINK, Joseph, 179, fehlt die gesamte Zeile. 9 BURCHARD, Studien, 178, Anm. 8a, schlägt vor, πάντα einzufügen. Text bei FINK, Joseph, 179, ohne Einfügung. 10 FINK, Joseph, 179: καί anstelle von ὅτι. 2
1. EIN GEBET DER ASENETH (JOSAS 11,19–13,15)
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1.3. ÜBERSETZUNG [11,19] Und Aseneth stand wieder auf von der Wand, an der sie gesessen hatte, und richtete sich auf auf ihre Knie1 und breitete ihre Hände aus gen Osten und blickte mit ihren Augen empor gen Himmel und öffnete ihren Mund zu Gott und sprach: [12,1] Herr, (du) Gott der Ewigkeiten, der (du) das All geschaffen2 und lebendig gemacht hast, der (du) Lebensodem3 gegeben hast deiner ganzen Schöpfung, der (du) hervorgebracht hast das Unsichtbare ans Licht, [2] der (du) geschaffen hast4 das Seiende und das Sichtbare [aus dem Unsichtbaren und Nicht-Seienden, der (du) den Himmel hoch gemacht und ihn gegründet hast in Gestalt5 eines Gewölbes6 [auf den Rücken der Winde,7 der (du) gegründet hast die Erde auf den Wassern, der (du) gelegt hast große Steine auf den Abgrund des Wassers – und die Steine werden nicht versinken, sondern sie sind wie Eichenblätter oben auf den Wassern, und sie sind lebendige Steine und auf deine Stimme hören sie, Herr, und sie bewahren deine Gebote, die du ihnen geboten hast, und deine Anordnungen übertreten sie ganz gewiss nicht,8 sondern sie sind (solche, die) bis zuletzt deinen Willen tun.9 Denn du, Herr, du hast geredet, so dass10 lebendige Wesen entstanden, denn dein Wort, Herr, ist (das) Leben aller deiner Geschöpfe. 1
Als Beispiele für ausdrücklich benannte jüdische Gebetshaltungen nennt BURCHARD, JSHRZ II/4, 662f., Anm. 19, das Beten im Stehen als Regelfall (TestJob 40,1f.; Mk 11,25; Lk 18,11.13) sowie das Beten im Knien oder Liegen als Zeichen der Nachdrücklichkeit (Dan 6,11; TestJob 40,4; Mk 14,35 par.; Apg 9,40). 2 Hier und im Folgenden ist zu beachten: Die Formulierungen der Gebetsanrede in der 3. Pers. Sg. erklären sich grammatikalisch allesamt als Apposition zu ὁ θεὸς τῶν αἰώνων. Sie sind im Deutschen in der 2. Pers. Sg. wiederzugeben, da es sich in der Sache um eine direkte Anrede Gottes handelt (vgl. auch das σου in 12,1c). 3 Vgl. GenLXX 2,7: καὶ ἔπλασεν ὁ θεὸς τὸν ἄνθρωπον χοῦν ἀπὸ τῆς γῆς καὶ ἐνεφύσησεν εἰς τὸ πρόσωπον αὐτοῦ πνοὴν ζωῆς καὶ ἐγένετο ὁ ἄνθρωπος εἰς ψυχὴν ζῶσαν. 4 Schon GenLXX 1,1 gibt ʠʸʡ mit ποιεῖν wieder. 5 So erwogen von BURCHARD, JSHRZ II/4, 664, Anm. c zu 12,2 (neben „in“, „auf“ und „mittels“). Für diese Übersetzung spricht die Identifizierung von στερέωμα und οὐρανός in GenLXX 1,8. 6 Zur Vorstellung des στερέωμα („Feste“, „Wölbung“) vgl. v.a. GenLXX 1,6–8. Vom στερέωμα τοῦ οὐρανοῦ (= „Firmament“) sprechen z.B. GenLXX 1,14–18; ExLXX 24,10. 7 BURCHARD, JSHRZ II/4, 664, Anm. e zu 12,2, nennt Ijob 37,18 als mögliche Parallele. 8 BURCHARD, JSHRZ II/4, 664, Anm. i zu 12,2, verweist u.a. auf Jdt 16,14 und Sir 16,27f. 9 Die conjugatio periphrastica εἰσὶν … ποιοῦντες („sie sind … Tuende“) betont den durativen Aspekt. 10 Καί consecutivum.
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B.IV. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[3] πρὸς σὲ καταφεύγω κύριε καὶ πρὸς σὲ κεκράξομαι κύριε σοὶ προσχέω1 τὴν δέησίν μου2 σοὶ ἐξομολογήσομαι τὰς ἁμαρτίας μου2 καὶ πρὸς σὲ ἀποκαλύψω τὰς ἀνομίας μου. [4] φεῖσαί μου κύριε ὅτι ἥμαρτον ἐνώπιόν σου πολλὰ ἠνόμησα καὶ ἠσέβησα [καὶ λελάληκα πονηρὰ καὶ ἄρρητα ἐνώπιόν σου.3 [5] μεμίαται τὸ στόμα μου ἀπὸ τῶν θυσιῶν τῶν εἰδώλων [καὶ ἀπὸ τῆς τραπέζης τῶν θεῶν τῶν Αἰγυπτίων. ἥμαρτον κύριε ἐνώπιόν σου πολλὰ ἥμαρτον ἐν ἀγνοίᾳ καὶ ἐσεβάσθην εἴδωλα νεκρὰ καὶ κωφά. καὶ νῦν οὐκ εἰμὶ ἀξία ἀνοῖξαι τὸ στόμα μου πρὸς σὲ κύριε. κἀγὼ Ἀσενὲθ θυγάτηρ Πεντεφρῆ τοῦ ἱερέως ἡ παρθένος καὶ βασίλισσα [ἥ ποτε σοβαρὰ καὶ ὑπερήφανος καὶ εὐθηνοῦσα ἐν τῷ πλούτῳ μου [ὑπὲρ πάντας ἀνθρώπους [νυνὶ4 δὲ ὑπάρχω ὀρφανὴ καὶ ἔρημος καὶ ἐγκαταλελειμμένη ἀπὸ πάντων ἀνθρώπων. [6] σοὶ προσφεύγω κύριε καὶ σοὶ προσφέρω τὴν δέησίν μου5 καὶ πρὸς σὲ κεκράξομαι. [7] ῥῦσαί με6 πρὶν καταληφθῆναι με ὑπὸ τῶν καταδιωκόντων με. [8] ὡς γὰρ παιδίον νήπιον φοβούμενον φεύγει πρὸς τὸν πατέρα αὐτοῦ καὶ ὁ πατὴρ ἐκτείνας τὰς χεῖρας αὐτοῦ ἁρπάζει αὐτὸ ἐκ τῆς γῆς [καὶ ἐναγκαλίζεται7 αὐτὸ πρὸς τὸ στῆθος αὐτοῦ καὶ τὸ παιδίον σφίγγει τὰς χεῖρας αὐτοῦ ἐπὶ τὸν αὐχένα τοῦ πατρὸς αὐτοῦ [καὶ [ἀναπνεῖ]8 ἀπὸ τοῦ φόβου αὐτοῦ καὶ ἀναπαύεται πρὸς τὸ στῆθος τοῦ πατρὸς αὐτοῦ ὁ δὲ πατὴρ [μειδιᾷ]9 ἐπὶ τῇ ταραχῇ τῆς νηπιότητος αὐτοῦ οὕτως καὶ σὺ κύριε ἔκτεινον τὰς χεῖράς σου ἐπ’ ἐμὲ ὡς πατὴρ φιλότεκνος10 καὶ ἅρπασόν με ἐκ τῆς γῆς.
1 BURCHARD, JSHRZ II/4, 664, Anm. b zu 12,3, erwägt, ob nicht besser πρός σε ἐκχέω zu lesen sei. FINK, Joseph, 179: πρὸς σὲ ἐκχεῶ. 2 FINK, Joseph, 179, hat zusätzlich κύριε. 3 FINK, Joseph, 179, lässt die letzten beiden Wörter aus. 4 FINK, Joseph, 179: νῦν. 5 Zeile fehlt bei FINK, Joseph, 179. 6 FINK, Joseph, 179: σὺ ῥῦσαί με. 7 Korrigiert für ἐναγκαλίζει. 8 In griechischen Manuskripten ασθενη. Vgl. BURCHARD, Studien, 179, Anm. 9. FINK, Joseph, 179: ἀσθ. 9 In griechischen Manuskripten: ακηδια. Vgl. BURCHARD, Studien, 179, Anm. 10. 10 Bei FINK, Joseph, 179, fehlt ὡς πατὴρ φιλότεκνος.
1. EIN GEBET DER ASENETH (JOSAS 11,19–13,15)
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[3] Zu dir fliehe ich, Herr, und zu dir werde ich schreien, Herr; dir schütte ich meine Bitte hin1, dir werde ich bekennen meine Sünden, und zu dir werde ich offenbaren meine Unrechtstaten. [4] Schone mich, Herr, denn gesündigt habe ich vor dir vielfach; Unrecht getan habe ich und gottlos war ich [und geredet habe ich Böses und Unaussprechliches vor dir. [5] Befleckt ist mein Mund von den Götzenopfern [und vom Tisch der Götter der Ägypter. Gesündigt habe ich, Herr, vor dir vielfach; gesündigt habe ich in Unwissenheit und verehrt habe ich tote und stumme Götzen. Und jetzt bin ich nicht würdig zu öffnen meinen Mund zu dir, Herr. Doch ich, Aseneth, (die) Tochter des Priesters Pentephres, die junge Frau und Königin, [die (ich) einst hoffärtig und eitel und überbordend [war] in meinem Reichtum [mehr als alle Menschen, [jetzt aber eine Waise und Vereinsamte und von allen Menschen Verlassene bin, [6] fliehe zu dir, Herr, und bringe dir dar meine Bitte und werde zu dir rufen. [7] Rette mich, bevor ich gefangen genommen werde von meinen Verfolgern.2 [8] Denn wie ein Kleinkind3 zu seinem Vater flieht, wenn es sich fürchtet, und der Vater seine Hände ausbreitet und es schnell vom Boden aufhebt [und es auf den Arm nimmt [und] an seine Brust [drückt], und das Kind seine Hände um den Hals seines Vaters schlingt [und [aufatmet] von seiner Furcht und an der Brust seines Vaters ruht, der Vater aber über seine kindliche Verwirrung4 [lächelt] – so breite auch du, Herr, deine Hände über mich aus wie ein kinderliebender Vater und hebe mich schnell auf vom Boden.
1 Oder προσχεῶ („ich werde hinschütten“) statt προσχέω. Für das Präsens spricht allerdings der Vergleich mit der Doppelzeile davor: Auch dort folgt auf ein Präsens ein Futur. 2 Wörtlich: „von den mich Verfolgenden“. BURCHARD, JSHRZ II/4, 665, Anm. 7a, nennt als Parallelen Ps 7,2f.; 31,15f.; 142,6f. 3 Wörtlich: „ein unmündiges Kind“ bzw. „ein Kind, das noch gestillt wird“. 4 Wörtlich: „über die Verwirrung seines Kleinkindalters“.
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B.IV. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[9] ἰδοὺ γὰρ ὁ λέων ὁ ἄγριος ὁ παλαιὸς καταδιώκει με διότι αὐτός ἐστι πατὴρ τῶν θεῶν τῶν Αἰγυπτίων καὶ τὰ τέκνα αὐτοῦ εἰσιν οἱ θεοὶ τῶν εἰδωλομανῶν.1 κἀγὼ μεμίσηκα αὐτοὺς ὅτι2 τέκνα τοῦ λέοντός εἰσι καὶ ἔρριψα πάντας3 ἀπ’ ἐμοῦ καὶ ἀπώλεσα αὐτούς. [10] καὶ ὁ λέων ὁ πατὴρ αὐτῶν θυμωθεὶς καταδιώκει με [11] ἀλλὰ σὺ κύριε ῥῦσαί με ἐκ τῶν χειρῶν αὐτοῦ καὶ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ ἐξελοῦ με μήποτε ἁρπάσῃ με ὡς λέων [καὶ διασπαράξῃ με καὶ βάλῃ με εἰς τὴν φλόγα τοῦ πυρὸς καὶ τὸ πῦρ ἐμβαλεῖ με εἰς τὴν καταιγίδα καὶ ἡ καταιγὶς περιειλίσσεταί με ἐν σκότει καὶ ἐκβαλεῖ4 με εἰς τὸν βυθὸν τῆς θαλάσσης καὶ καταπίεταί με τὸ κῆτος τὸ μέγα τὸ ἀπ’ αἰῶνος καὶ ἀπολοῦμαι εἰς τὸν αἰῶνα χρόνον. [12] ῥῦσαί με κύριε πρὶν ἔλθῃ ἐπ’ ἐμὲ ταῦτα πάντα. ῥῦσαί με κύριε τὴν ἔρημον καὶ ἀπερίστατον5 διότι ὁ πατήρ μου καὶ ἡ μήτηρ μου ἠρνήσαντό με καὶ εἶπον· ›οὐκ ἔστιν ἡμῶν θυγάθερ Ἀσενὲθ‹6 διότι ἀπώλεσα καὶ συνέτριψα7 τοὺς θεοὺς αὐτῶν καὶ μεμίσηκα αὐτούς. [13] καὶ εἰμὶ νῦν ὀρφανὴ καὶ ἔρημος καὶ ἄλλη ἐλπὶς οὐκ ἔστι μοι εἰ μὴ ἐπὶ σοὶ8 κύριε οὐδὲ ἑτέρα καταφυγὴ πλὴν τοῦ ἐλέους σου κύριε διότι σὺ εἶ ὁ πατὴρ τῶν ὀρφανῶν καὶ τῶν δεδιωγμένων ὑπερασπιστὴς καὶ τῶν τεθλιμμένων βοηθός. [14] ἐλέησόν με κύριε καὶ φύλαξόν με [τὴν]9 παρθένον ἁγνὴν10 τὴν ἐγκαταλελειμμένην καὶ ὀρφανὴν διότι σὺ εἶ κύριε πατὴρ γλυκὺς καὶ ἀγαθὸς καὶ ἐπιεικής.
1
Zeile fehlt bei FINK, Joseph, 180. FINK, Joseph, 180: διότι. 3 Bei FINK, Joseph, 180, zusätzlich: τοὺς θεοὺς τῶν Αἰγυπτίων. 4 FINK, Joseph, 180: ἐμβαλεῖ. 5 Bei FINK, Joseph, 180, fehlt καὶ ἀπερίστατον. 6 Zur Typographie vgl. BURCHARD, Studien, 179. Das Zeichen ›‹ symbolisiert wörtliche Rede. 7 Bei FINK, Joseph, 180, fehlt καὶ συνέτριψα. 8 FINK, Joseph, 180, hat πλὴν σοῦ anstelle von εἰ μὴ ἐπὶ σοί. 9 Nicht in griechischen Manuskripten. Vgl. BURCHARD, Studien, 180, Anm. 11. 10 Fehlt bei FINK, Joseph, 180. 2
1. EIN GEBET DER ASENETH (JOSAS 11,19–13,15)
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[9] Denn siehe, der wilde, alte Löwe verfolgt mich, denn er ist der Vater der Götter der Ägypter und seine Kinder sind die Götter der Götzenbildwahnsinnigen.1 Aber ich, ich hasse sie2, weil sie Kinder des Löwen sind, und ich habe alle weggeworfen von mir und habe sie zerstört. [10] Doch der Löwe, ihr Vater, ist ergrimmt und3 verfolgt mich. [11] Aber du, Herr, rette mich aus seinen Klauen und aus seinem Mund reiß mich heraus,4 damit er mich nicht raubt wie ein Löwe [und mich zerreißt und mich in die lodernde Feuerflamme wirft und das Feuer mich hineinwerfen wird in den Sturm und der Sturm mich erfassen wird in Dunkelheit und mich hinauswirft in die Tiefe des Meeres und mich verschlingt das riesige Untier, das von Ewigkeit [ist], und ich zugrunde gehen werde in die ewige Zeit. [12] Rette mich, Herr, bevor dieses alles auf mich kommt. Rette, Herr, mich, die Einsame und Hilflose, denn mein Vater und meine Mutter haben mich verleugnet und gesagt: „Aseneth ist nicht unsere Tochter!“, denn ich habe vernichtet und weggeworfen ihre Götter, und ich hasse sie2. [13] Und ich bin nun eine Waise und einsam, und eine andere Hoffnung gibt es für mich nicht, außer [die] auf dich, Herr, und keine andere Zuflucht außer deinem Erbarmen, Herr. Denn du, du bist der Vater der Waisen und der Verfolgten Beschützer und der Bedrängten Helfer. [14] Erbarme dich (über) mich, Herr, und beschütze mich, [die] reine Jungfrau5, die Verlassene und Waise, denn du, du bist, Herr, ein süßer und guter und milder Vater.
1
So mit BURCHARD, JSHRZ II/4, 666, Anm. 9e. Um das Perfekt besser zur Geltung zu bringen, wäre als Übersetzung zu erwägen: „sie sind mir verhasst“. 3 Das Part. Aor. θυμωθείς wird hier parataktisch – im Sinne einer logischen Abfolge – wiedergegeben. 4 BURCHARD, JSHRZ II/4, 667, Anm. 11a, nennt Ps 22,22 und 2 Tim 4,17 als Parallelstellen. 5 Während sonst das jugendliche Alter der (noch unwissenden) „jungen Frau“ (παρθένος) im Vordergrund steht (bes. 13,13), ist hier von einer veritablen „reinen Jungfrau“ (παρθένος ἁγνή) die Rede. 2
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B.IV. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[15] τίς πατὴρ οὕτω γλυκύς ἐστιν ὡς σὺ κύριε καὶ τίς οὕτω ταχὺς ἐν ἐλέει ὡς σὺ κύριε καὶ τίς μακρόθυμος ἐπὶ ταῖς ἁμαρτίαις ἡμῶν ὡς σὺ κύριε; ἰδοὺ γὰρ πάντα τὰ [δόματα]1 τοῦ πατρός μου Πεντεφρῆ ἃ δέδωκέ μοι εἰς κληρονομίαν2 [πρόσκαιρά εἰσι καὶ ἄφαντα3 τὰ δὲ [δόματα]4 τῆς κληρονομίας σου κύριε ἄφθαρτά εἰσι καὶ αἰώνια. [13,1] ἐπίσκεψαι κύριε τὴν ταπείνωσίν μου καὶ ἐλέησόν με. ἐπίβλεψον ἐπὶ τὴν ὀρφανίαν μου καὶ οἴκτειρόν με τὴν τεθλιμμένην.5 ἰδοὺ γὰρ ἐγὼ ἀπέφυγον ἐκ πάντων καὶ πρὸς σὲ κατέφυγον κύριε τὸν μόνον φιλάνθρωπον.6 [2] ἰδοὺ πάντα τὰ ἀγαθὰ τῆς γῆς κατέλιπον καὶ πρὸς σὲ κατέφυγον κύριε7 [ἐν τῷ σάκκῳ τούτῳ καὶ τῷ σποδῷ γυμνὴ καὶ ὀρφανὴ καὶ μεμονωμένη. [3] ἰδοὺ ἀπεθέμην μου τὴν βασιλικὴν8 στολὴν τὴν βυσσίνην [ἐξ ὑακίνθου χρυσοϋφῆ καὶ ἐνεδυσάμην χιτῶνα μελανὸν καὶ πενθήρη. [4] ἰδοὺ λέλυκα τὴν ζώνην μου τὴν χρυσῆν καὶ ἔρριψα αὐτὴν ἀπ’ ἐμοῦ καὶ περιεζωσάμην σχοινίον καὶ9 σάκκον. [5] ἰδοὺ τὴν τιάραν μου καὶ τὸ διάδημά μου ἔρριψα ἀπὸ τῆς κεφαλῆς μου καὶ καταπέπασμαι τέφραν. [6] ἰδοὺ τὸ ἔδαφος τοῦ θαλάμου μου τὸ κατεστρωμένον λίθοις ποικίλοις καὶ πορφυροῖς ὃ ἦν τὸ πρότερον καταρραινόμενον μύροις καὶ ἐξεμάσσετο ὀθονίοις λαμπροῖς νυνὶ καταρραίνεται10 τοῖς δάκρυσί μου καὶ ἠτιμάσθη11 κατεσποδωμένον ὄν12.
1 Zu den Lesarten (δορηματα, χρηματα, δωματα, δε[σ]ματα) verschiedener Manuskripte und Übersetzungen vgl. BURCHARD, Studien, 180, Anm. 12. 2 FINK, Joseph, 180: ἐν κληρονομίᾳ. 3 FINK, Joseph, 180: ἀφανῆ. 4 Zu den Lesarten verschiedener Manuskripte und Übersetzungen vgl. BURCHARD, Studien, 180, Anm. 13. 5 Bei FINK, Joseph, 180, fehlt τὴν τεθλιμμένην. 6 Bei FINK, Joseph, 180, fehlt τὸν μόνον φιλάνθρωπον. 7 Fehlt in FINK, Joseph, 180. 8 FINK, Joseph, 180: μου τὴν βασιλικήν. 9 Bei FINK, Joseph, 180, fehlt σχοινίον καί. 10 FINK, Joseph, 180: νῦν κατέρρασται. 11 FINK, Joseph, 180: ᾐσχύνθη. 12 Fehlt in FINK, Joseph, 180.
1. EIN GEBET DER ASENETH (JOSAS 11,19–13,15)
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[15] Welcher Vater ist so süß wie du, Herr, und wer [ist] so schnell im Erbarmen wie du, Herr, und wer [ist] langmütig über unsere Sünden wie du, Herr? Denn siehe, alle [Geschenke] meines Vaters Pentephres, die er mir zum Erbe gegeben hat, [sind vergänglich und verschwindend; die [Geschenke] aber deines Erbes, Herr, sind unvergänglich und ewig. [13,1] Schaue, Herr, auf meine Niedrigkeit und erbarme dich (über) mich. Blicke auf mein Verwaistsein und erweise Mitleid mir, der Bedrängten. Denn siehe, ich, ich bin entflohen aus allem, und zu dir habe ich Zuflucht genommen, Herr, dem einzig Menschenliebenden. [2] Siehe, alle Güter der Erde habe ich verlassen, und zu dir habe ich Zuflucht genommen, Herr, [in diesem Sack und der Asche, nackt und als Waise und vereinsamt. [3] Siehe, abgelegt habe ich meinen muschelseidenen1 königlichen Ornat [aus golddurchwirktem Hyazinth und habe angezogen einen schwarzen und zur Trauer gehörigen Leibrock. [4] Siehe, gelöst habe ich meinen goldenen Gürtel und habe ihn von mir weggeworfen und habe mich umgürtet (mit) Strick und Sack. [5] Siehe, meine Krone und mein Diadem habe ich von meinem Kopf geschleudert und habe mich bestreut mit Asche. [6] Siehe, der Boden meines Gemachs, der belegt war mit bunten und roten Steinen, der zuerst benetzt war mit Ölen und poliert wurde mit glänzenden Tüchern, wird jetzt benetzt mit meinen Tränen und wurde entehrt als ein mit Asche bedeckter.
1 Mit „Byssus“ dürfte hier die aus den Fasern der im Mittelmeer beheimateten Edlen Steckmuschel gewonnene, überaus kostbare „Muschelseide“ gemeint sein.
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B.IV. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[7] ἰδοὺ κύριέ μου1 ἐκ τῶν δακρύων μου καὶ τῆς τέφρας πηλὸς γέγονε πολὺς [ἐν τῷ θαλάμῳ μου2 ὡς ἐν ὁδῷ πλατείᾳ. [8] ἰδοὺ κύριε3 τὸ δεῖπνόν μου τὸ βασιλικὸν καὶ τὰ σιτία4 δέδωκα τοῖς κυσὶ τοῖς ἀλλοτρίοις. [9] καὶ ἰδοὺ ἐγὼ ἑπτὰ ἡμέρας καὶ ἑπτὰ νύκτας ἤμην νήστης καὶ ἄρτον οὐκ ἔφαγον καὶ ὕδωρ οὐκ ἔπιον καὶ τὸ στόμα μου γέγονε ξηρὸν ὡς τύμπανον καὶ ἡ γλῶσσά μου ὡς κέρας καὶ τὰ χείλη μου ὡς ὄστρακον καὶ τὸ πρόσωπόν μου συμπέπτωκε καὶ οἱ ὀφθαλμοί μου ἐν αἰσχύνῃ φλεγμονῆς ἐγένοντο ἐκ τῶν δακρύων μου τῶν πολλῶν καὶ ἡ ἰσχύς μου πᾶσα ἐκλέλοιπεν. [10] [entfällt aus textkritischen Gründen5] [11] ἰδοὺ οὖν τοὺς θεοὺς πάντας6 οὓς ἐσεβόμην τὸ πρότερον ἀγνοοῦσα νῦν ἔγνων ὅτι ἦσαν εἴδωλα κωφὰ καὶ νεκρὰ καὶ δέδωκα αὐτοὺς καταπατεῖσθαι ὑπὸ τῶν ἀνθρώπων καὶ οἱ κλέπται διήρπασαν αὐτοὺς οἵτινες ἦσαν ἀργυροῖ καὶ χρυσοῖ7. [12] καὶ πρὸς σὲ κατέφυγον κύριε ὁ θεός μου. ἀλλὰ σὺ8 ῥῦσαί με ἀπὸ τῶν πολλῶν μου ἀγνοημάτων9 [13] καὶ σύγγνωθί μοι διότι ἥμαρτόν σοι ἐν ἀγνοίᾳ παρθένος οὖσα καὶ ἀδαὴς πεπλάνημαι καὶ λελάληκα βλάσφημα εἰς τὸν κύριόν μου Ἰωσὴφ διότι οὐκ ᾔδειν ἐγὼ ἡ ἀθλία10 ὅτι υἱός σού ἐστιν ἐπειδὴ11 εἶπόν μοι οἱ ἄνθρωποι ὅτι ›Ἰωσὴφ υἱὸς τοῦ ποιμένος ἐστὶν ἐκ γῆς Χαναάν‹. κἀγὼ ἡ ἀθλία πεπίστευκα αὐτοῖς καὶ πεπλάνημαι. καὶ ἐξουδένωσα αὐτὸν καὶ λελάληκα περὶ αὐτοῦ πονηρὰ καὶ οὐκ ᾔδειν ὅτι υἱός σού ἐστιν.
1
Bei FINK, Joseph, 180, fehlt κύριέ μου. Bei FINK, Joseph, 180, fehlt ἐν τῷ θαλάμῳ μου. 3 Fehlt in FINK, Joseph, 180. 4 Alternativ in den Handschriften: σιτεία, σιτιστά. 5 Vgl. BURCHARD, Studien, 181, Anm. 14. 6 Fehlt in FINK, Joseph, 180. 7 Zusätzlich bei FINK, Joseph, 180: ‹καὶ ἀπώλεσα αὐτοὺς πάντας ἀπὸ τοῦ προσώπου μου›. 8 Zusätzlich bei FINK, Joseph, 181: κύριε. 9 Bei FINK, Joseph, 181, fehlt ἀπὸ τῶν πολλῶν μου ἀγνοημάτων. 10 Bei FINK, Joseph, 181, fehlt ἐγὼ ἡ ἀθλία. 11 FINK, Joseph, 181: διότι anstelle von ἐπειδή. 2
1. EIN GEBET DER ASENETH (JOSAS 11,19–13,15)
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[7] Siehe, mein Herr, aus meinen Tränen und (aus) der Asche ist viel Lehm geworden [in meinem Gemach, wie auf einem breiten Weg. [8] Siehe, Herr, mein königliches Mahl und die Speisen habe ich den fremden Hunden gegeben. [9] Und siehe, ich meinerseits fastete sieben Tage und sieben Nächte lang,1 und Brot habe ich nicht gegessen und Wasser nicht getrunken, und mein Mund ist trocken geworden wie Fell2, und meine Zunge [ist geworden] wie Horn(substanz), und meine Lippen [sind spröde geworden] wie Terrakotta(scherben),3 und mein Antlitz ist eingefallen, und meine Augen gerieten in Schande von Entzündung aufgrund meiner vielen Tränen, und meine Stärke ist ganz entwichen. [10] – ENTFÄLLT AUS TEXTKRITISCHEN GRÜNDEN – [11] Siehe nun, (was) all die Götter (anlangt)4, die ich früher als Unwissende verehrt habe – jetzt habe ich erkannt, dass sie stumme und tote Götzenbilder waren! Und dahingegeben habe ich sie, um von den Menschen zertreten zu werden, und die Diebe haben die geraubt, welche silbern und golden waren. [12] Und zu dir habe ich meine Zuflucht genommen, Herr, (du) mein Gott. Aber du, reiß du mich weg von meinen vielen unwissentlich begangenen Sünden, [13] und verzeih mir, denn gesündigt habe ich gegen5 dich in Unwissenheit, als ich eine junge Frau war, und als Unkundige bin ich in die Irre gegangen, und ausgesprochen habe ich Lästerung gegen meinen Herrn, Joseph, denn ich wusste nicht – ich, die Unglückliche! –, dass er dein Sohn ist, da ja die Menschen mir sagten: Joseph ist [nur] ein Hirtenjunge aus (dem) Land Kanaan. Und ich, die Unglückliche, ich habe ihnen geglaubt und bin in die Irre gegangen. Und verachtet habe ich ihn, und gesprochen habe ich Böses über ihn, doch ich wusste nicht, dass er dein Sohn ist.
1
Die conjugatio periphrastica betont den durativen Aspekt. Gemeint ist das Material, aus dem die Membran einer Handtrommel (τύμπανον) hergestellt wurde. 3 Gemeint ist das Material, aus dem Tongeschirr hergestellt wurde. Zugleich wird auf die Brüchigkeit der ausgetrockneten Lippen angespielt. Vgl. Ps 22,16. 4 Mit der Prolepse werden die Götter gleich zu Beginn des Satzes betont hervorgehoben. 5 Der Dativ ist hier offensichtlich ein Dativus incommodi. 2
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B.IV. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[14] τίς γὰρ ἀνθρώπων τέξεται1 τοιοῦτον κάλλος [καὶ τοσαύτην σοφίαν καὶ ἀρετὴν καὶ δύναμιν ὡς ὁ πάγκαλος Ἰωσήφ2; [15] κύριε παρατίθημί σοι αὐτὸν ὅτι ἐγὼ ἀγαπῶ αὐτὸν ὑπὲρ τὴν ψυχήν μου. διατήρησον αὐτὸν ἐν τῇ σοφίᾳ τῆς χάριτός σου. καὶ σὺ κύριε παράθου με αὐτῷ εἰς παιδίσκην καὶ δούλην. κἀγὼ στρώσω τὴν κλίνην αὐτοῦ καὶ νίψω τοὺς πόδας αὐτοῦ καὶ διακονήσω αὐτῷ [καὶ ἔσομαι αὐτῷ δούλη καὶ δουλεύσω αὐτῷ εἰς τὸν αἰῶνα χρόνον.«
1 2
Alternativlesarten: ἔτεκεν und ἔτεκεν ἢ τέξεται. Vgl. BURCHARD, JSHRZ II/4, 670, Anm. 14a. Bei FINK, Joseph, 181, fehlt ὡς ὁ πάγκαλος Ἰωσήφ.
1. EIN GEBET DER ASENETH (JOSAS 11,19–13,15)
[14] Denn welcher von (den) Menschen wird gebären eine solche Schönheit [und so große Weisheit und Tugend und Macht wie der wunderschöne Joseph? [15] Herr, dir vertraue ich ihn an, weil ich ihn liebe – mehr als meine Seele! Bewahre ihn in deiner gnädigen Weisheit1. Und du, Herr, vertraue du mich ihm an zur Magd und Sklavin. Und ich, ich werde ausbreiten sein Bett und werde waschen seine Füße und werde ihm dienen [und werde ihm Sklavin sein und werde ihm dienen in die ewige Zeit.
1
Wörtlich: „in der Weisheit deiner Gnade“ (Semitismus).
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
V. APOKALYPSE DES MOSE (LEBEN ADAMS UND EVAS)
Mit der griechischen „Apokalypse des Mose“ (ApcMos)1 ist zugleich das lateinische „Leben Adams und Evas“ (Vita Adae et Evae, LAE) in den Blick zu nehmen. Beide Schriften laufen über weite Strecken parallel. ApcMos bietet jedoch über LAE hinaus die Abschnitte ApcMos 15–30, während die Paragraphen LAE 1–21 nur in LAE vorhanden sind. Stärker noch als bei zahlreichen anderen pseudepigraphischen Texten sind Herkunft und Verhältnis der beiden Schriften zueinander Gegenstand der Diskussion. Beide Fassungen gelten als Variationen einer gemeinsamen Grundschrift.2 Die größere Nähe zu der postulierten Grundlage wird heute in der Regel der „Apokalypse des Mose“ zugeschrieben. LAE gilt demgegenüber als Langrezension. J.H. Charlesworth geht von einer ursprünglichen Abfassung der Grundschrift in hebräischer Sprache aus.3 Erhalten sind beide Versionen in einer Reihe von Übersetzungen, wobei der armenischen (und georgischen) Fassung ein besonderer Wert beigemessen wird.4 Der Mangel an genuin und exklusiv jüdischen oder christlichen Passagen erschwert ein Urteil über die Verfasserschaft. Das Fehlen des jeweils einen wird e silentio als Indiz für das jeweils andere gewertet.5 Derzeit neigt eine Mehrheit in der Forschung zu einer Verortung im palästinischen Raum im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert6 und schreibt die Texte jüdischen Autoren zu.7 Als ein wesentlicher Gesichtspunkt gilt, dass eine christliche Prägung gerade an solchen Stellen fehlt, an denen eine am paulinischen Adamsbild geschulte Leserschaft sie erwarten würde (vgl. Röm 5f.). 1
Der von K. von Tischendorf der Schrift gegebene Titel „Apokalypsis Mosis“ wird heute allgemein als Fehlbenennung gewertet, da Mose in der Schrift keine eigenständige Rolle spielt. Vgl. DE JONGE/TROMP, Life, 12. 2 Vgl. MERK/MEISER, JSHRZ II/5, 757. 3 Vgl. CHARLESWORTH, Pseudepigraphen, 640. 4 Vgl. MERK/MEISER, JSHRZ II/5, 757–763. 5 Vgl. MERK/MEISER, JSHRZ II/5, 764–767. 6 Vgl. DOCHHORN, Vita Adae et Evae, 1138; MERK/MEISER, JSHRZ II/5, 769: „Eine Datierung der Apokalypse Mosis etwa z. Zt. der Abfassung der paulinischen Briefe oder relativ kurz davor kann heute begründet favorisiert werden“. 7 Anders MCDOWELL, Prayers, 217.
V. APOKALYPSE DES MOSE (LEBEN ADAMS UND EVAS)
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Überliefert sind die Texte ausschließlich durch christliche Hände. ApcMos und LAE differieren über ihren Umfang hinaus vor allem in ihrer Bewertung Adams: Während ApcMos den Stammvater der Menschheit als angstvollen und bedrohten Sünder zeichnet, der bis zum Ende um sein Seelenheil fürchten muss, erscheint der Adam des LAE „auf Kosten Evas“1 als das Ideal eines bußfertigen Sünders, der schon zu Lebzeiten seiner Annahme durch Gott gewiss sein kann.
G riechischer Text DOCHHORN, J., Die Apokalypse des Mose. Text, Übersetzung, Kommentar (TSAJ 106), Tübingen 2005. KNITTEL, T., Das griechische ‚Leben Adams und Evas‘. Studien zu einer narrativen Anthropologie im frühen Judentum (TSAJ 88), Tübingen 2002. Deutsche Übersetzung MERK, O. / MEISER, M., Das Leben Adams und Evas (JSHRZ II/5), Gütersloh 1998. Englische Übersetzung JOHNSON, M.D., Life of Adam and Eve (First Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the “Old Testament” and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works, Garden City 1985, 249–295 (= OTP II). Französische Übersetzung BERTRAND, D.A., La Vie grecque d’Adam et Ève. Introduction, Texte, Traduction et Commentaire (recherches intertestamentaires 1), Paris 1987. Literatur ANDERSON, G.A. / STONE, M.E. (Hg.), A Synopsis of the Books of Adam and Eve (EJIL 17), Atlanta 21999. – / – / TROMP, J. (Hg.), Literature on Adam and Eve. Collected Essays (SVTP 15), Leiden u.a. 2000. 1
MERK/MEISER, JSHRZ II/5, 770.
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B.V. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
CHARLESWORTH, J.H., Art. Pseudepigraphen des Alten Testaments, in: TRE 27 (1997), 639– 645. DE JONGE, M., Pseudepigrapha of the Old Testament as Part of Christian Literature. The Case of the Testaments of the Twelve Patriarchs and the Greek Life of Adam and Eve (SVTP 18), Leiden u.a. 2003. – / TROMP, J., The Life of Adam and Eve and Related Literature (Guides to Apocrypha and Pseudepigrapha), Sheffield 1997. DOCHHORN, J., Art. Vita Adae et Evae, in: RGG4 8 (2005), 1138f. ELDRIDGE, M.D., Dying Adam with his Multiethnic Family. Understanding the Greek Life of Adam and Eve (SVTP 16), Leiden u.a. 2001. LEVISON, J.R., Texts in Transition. The Greek Life of Adam and Eve (EJIL 16), Atlanta 2000. MCDOWELL, M., Prayers of Jewish Women. Studies of Patterns of Prayer in the Second Temple Period (WUNT II/211), Tübingen 2006, 217–219. NAGEL, M., La Vie grecque d’Adam et d’Eve. Apocalypse de Moïse, 3 Bde., Lille 1974. NICKELSBURG, G.W.E., Stories of Biblical and Early Post-Biblical Times, in: M.E. Stone (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus (CRINT II/2), Assen – Philadelphia 1984, 33–87 (= JWSTP). STONE, M.E., A History of the Literature of Adam and Eve (EJIL 3), Atlanta 1992.
1. SÜNDENBEKENNTNIS EVAS (APCMOS 32,1F.)
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1. Sündenbekenntnis Evas (ApcMos 32,1f.)1 1.1. EINFÜHRUNG Das hier gebotene Sündenbekenntnis Evas aus ApcMos 32,1f. fehlt in LAE. J. Dochhorn rechnet das Gebet der Endredaktion der ApcMos zu.2 M. McDowell wertet Evas Gebet basierend auf den Untersuchungen M. de Jonges als Text eines christlichen Autors und verzeichnet das Sündenbekenntnis in seiner Untersuchung von Gebeten jüdischer Frauen in einem Appendix.3 Adam liegt im Sterben und fürchtet um sein Seelenheil. Für ihn beten Engel und sogar Sonne und Mond. Auch Eva wird aufgefordert, Fürbitte für ihren Mann zu halten. Der Text des Gebets nimmt indes mit keinem Wort Adam, seine Verfehlung und seine Annahme durch Gott in den Blick. Stattdessen spricht Eva von ihrem eigenen Sündigen. Über den Inhalt ihrer Sünde und die Art ihres Vergehens lässt Eva in ihrem Gebet nichts verlauten. Die Einfügung des Sündenbekenntnisses der Stammmutter an dieser Stelle in ApcMos erhält ihre Berechtigung dadurch, dass Eva alle Schuld auf sich nimmt: Sie erklärt, jede Sünde sei durch sie in der Welt, und erscheint damit als Urmutter der Sünde.4 Damit steht das Evabild der ApcMos im Kontrast zum Gebet der als „Urproselytin“5 gezeichneten Aseneth im etwa zeitgleich entstandenen Joseph-und-Aseneth-Roman (JosAs 12,1–13,15; s.o. S. 122–137). Im Anschluss an ihr Gebet schaut Eva die Aufnahme des verstorbenen Adams in den Himmel. Diese Vision und ihr Begräbnis durch Engel an der Seite Adams und Abels (ApcMos 43,1) weisen auf ihre eigene Erlösung hin. Das Gebet Evas ist knapp gehalten. Gott wird in unterschiedlicher Weise angeredet. Stereotyp beginnen neun der zehn kurzen Zeilen mit: „Gesündigt habe ich…“ Eva zählt auf, gegen wen und vor wem sie gesündigt hat, und schließt im letzten Satz in der zehnten Zeile mit dem Bekenntnis, alle Sünde sei durch sie in die Schöpfung gekommen (anders Röm 5,12a). Die zehnmalige Nennung von „Sündigen“ und „Sünde“ in ApcMos 32,2 impliziert mit dem pointierten Abschluss das Sündenbekenntnis schlechthin:6 Das Bußgebet Evas, die sich an der Entstehung aller Sünde für schuldig erklärt, kann als – letztlich von Gott akzeptiertes – Schuldbekenntnis für alle Sünden der Welt verstanden werden. 1
D, 817; MERK/MEISER, JSHRZ II/5, 846; OTP II, 287; DSPh, 1788. Vgl. DOCHHORN, Apokalypse, 451. 3 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 217–219. 4 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 217: “Eve is shown to be a primary cause of the sin in the Garden”. 5 BURCHARD, JSHRZ II/4, 608. NICKELSBURG, in: JWSTP, 65, spricht vom “status of prototypical proselyte”. Vgl. a.a.O., 69: “The first proselyte [sc. Aseneth] is the prototype of future proselytes. […] Her immortality is promised to all who follow her example and thereby become citizens of her city.” 6 PHILO behandelt in De decalogo (§ 20–30) die Zehnzahl als Vollzahl, die alles andere umfasst. 2
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B.V. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] Τότε ἀνέστη ἡ Εὔα2 καὶ ἐξῆλθεν ἔξω καὶ πεσοῦσα ἐπὶ τὴν γῆν ἔλεγεν· [2] Ἥμαρτον, ὁ θεός, ἥμαρτον, ὁ πατὴρ τῶν ἁπάντων, ἥμαρτόν σοι· ἥμαρτον εἰς τοὺς ἐκλεκτούς σου ἀγγέλους, ἥμαρτον εἰς τὰ Χερουβίμ, ἥμαρτον εἰς τὸν ἀσάλευτόν σου θρόνον· ἥμαρτον, κύριε, ἥμαρτον πολλά, ἥμαρτον ἐναντίον σοῦ· καὶ πᾶσα ἁμαρτία δι’ ἐμοῦ γέγονεν ἐν τῇ κτίσει.3
1
Text und Verszählung nach DOCHHORN, Apokalypse, 448. KNITTEL, Leben, 192, hält den mit Artikel gebrauchten Namen (ἡ Εὔα) für nicht ursprünglich. 3 KNITTEL, Leben, 193: γέγονε δι’ ἐμὲ ἐν τῇ κτίσει. 2
1. SÜNDENBEKENNTNIS EVAS (APCMOS 32,1F.)
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1.3. ÜBERSETZUNG [1] Da stand Eva auf und ging hinaus1, und nachdem sie auf die Erde gefallen war, sprach sie: [2] Gesündigt habe ich, (o) Gott, gesündigt habe ich, (du) Vater des Alls, gesündigt habe ich gegen dich2, gesündigt habe ich gegen deine auserwählten Engel, gesündigt habe ich gegen die Cherubim, gesündigt habe ich gegen deinen unerschütterlichen Thron, gesündigt habe ich, Herr, gesündigt habe ich vielfach, gesündigt habe ich dir gegenüber, und jedwede Sünde ist durch mich aufgetreten3 in der Schöpfung.
1
Wörtlich: „ging hinaus nach draußen“. Die mit dem Adverb ἔξω ausgedrückte Richtung (bei Verben der Bewegung) wird bereits durch das Kompositum ἐξέρχεσθαι ausgedrückt. 2 Hier Dativus incommodi. Dagegen wird in den folgenden drei Zeilen der oder das vom Sündigen Betroffene stets mit εἰς + Akk. ausgedrückt. 3 Wörtlich: „geworden“, „entstanden“.
144
B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
VI. LIBER ANTIQUITATUM BIBLICARUM (PSEUDO-PHILO)
Obgleich nur in lateinischer Sprache erhalten, sind der Liber Antiquitatum Biblicarum (LAB), seine Herkunft und seine Ausrichtung weit weniger umstritten, als das bei zahlreichen anderen pseudepigraphischen Schriften der Fall ist. Einigkeit besteht über den jüdischen Charakter der Schrift. Anspielungen auf Christentum und christliche Inhalte fehlen. Verortet wird das in 18 lateinischen Manuskripten erhaltene Werk (hinzu kommen drei Fragmente)1 im Palästina des ersten und beginnenden zweiten nachchristlichen Jahrhunderts.2 C. Dietzfelbinger grenzt die Entstehung der Schrift weiter auf die Zeit zwischen der Tempelzerstörung (70 n.Chr.) und dem jüdischen Aufstand von 132 n.Chr. ein.3 Semitismen und sprachtypische Eigenheiten legen ein ursprünglich auf Hebräisch verfasstes, ins Griechische und schließlich ins Lateinische übertragenes Werk nahe.4 Übersetzt und tradiert wurden die Antiquitates Biblicae von Christen. Der gemeinsamen Überlieferung mit den Werken Philos von Alexandrien verdankt das titellose und ohne Verfassernamen überkommene Werk seine Zuschreibung an Philo. Heute wird LAB gemeinsam mit antiken hellenistischen Synagogenpredigten als pseudophilonisch geführt.5 Die Schrift folgt der biblischen Geschichte bis zum Ende Sauls. Die Darstellung einzelner Episoden variiert stark in ihrer Ausführlichkeit. Nebenfiguren erhalten überproportional viel Raum,6 während ganze Bücher (etwa Leviticus und das Deuteronomium) in aller Kürze abgehandelt werden. Die Zerstörung des ersten (587 v.Chr.) und des zweiten Tempels (70 n.Chr.) werden vom Verfasser in eins gesehen. C. Dietzfelbinger schließt daraus, dass das Buch ursprünglich bis zur ersten Tempelzerstörung gereicht hat bzw. bis dahin konzipiert war.7 1
DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 94, vermutet hinter allen Abschriften einen einzigen lateinischen Arche-
typ. 2
Vgl. MURPHY, Antiquitates Biblicae, 556. Vgl. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 91. 4 Vgl. WANDREY, Pseudo-Philo, 1791. 5 Vgl. VAN DER HORST, Pseudo-Philo, 670f. 6 VAN DER HORST, Pseudo-Philo, 671, sieht in LAB mitunter „das früheste Zeugnis für bestimmte haggadische Motive“. Vgl. MCDOWELL, Prayers, 92. 7 Vgl. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 95–97. 3
VI. LIBER ANTIQUITATUM BIBLICARUM (LAB)
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LAB steht als „Rewritten Bible“ neben dem Jubiläenbuch, dem Genesisapokryphon aus Qumran und den Antiquitates des Josephus.1 Kultische und an den Tempel gebundene Vorschriften treten stark zurück, ebenso spielen nach den noch frischen Erfahrungen im Kontext des jüdischen Krieges apokalyptische oder messianische Tendenzen keine Rolle mehr. Stattdessen wird das Festhalten am Gesetz als Basis des Heils propagiert.2 Untreue gegenüber Gesetz und Bund zieht Bestrafung nach sich. Gott bleibt jedoch auch im gegenwärtigen Strafgericht treu und erbarmend zugewandt. LAB fungiert damit als Aufruf und Ermahnung zur Umkehr.3
Lateinischer Text HARRINGTON, D.J. / CAZEAUX, J., Pseudo-Philon. Les Antiquités Bibliques, Bd. 1: Introduction et texte critiques. Traduction (SC 229), Paris 1976. KISCH, G., Pseudo-Philo’s Liber Antiquitatum Biblicarum (PMS 10), Notre Dame 1949. Deutsche Übersetzung DIETZFELBINGER, C., Pseudo-Philo. Antiquitates Biblicae (Liber Antiquitatum Biblicarum) (JSHRZ II/2), Gütersloh 1975. Englische Übersetzung JACOBSON, H., A Commentary on Pseudo-Philo’s Liber Antiquitatum Biblicarum. With Latin Text and English Translation, 2 Bde. (AGJU 31), Leiden u.a. 1996. Französische Übersetzung HADOT, J., Livre des Antiquités bibliques, in: A. Dupont-Sommer / M. Philonenko (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 1225–1392 (= DSPh).
1
Vgl. MCDOWELL, Prayers, 91. Vgl. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 97. 3 Vgl. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 98. 2
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B.VI. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
Literatur BROWN, C.A., No Longer Be Silent. First Century Jewish Portraits of Biblical Women. Studies in Pseudo-Philo’s Biblical Antiquities and Josephus’s Jewish Antiquities (Gender and the Biblical Tradition), Louisville 1992. FISK, B.N., Do You Not Remember? Scripture, Story and Exegesis in the Rewritten Bible of Pseudo-Philo (JSPE.S 37), Sheffield 2001. MCDOWELL, M., Prayers of Jewish Women. Studies of Patterns of Prayer in the Second Temple Period (WUNT II/211), Tübingen 2006, 90–111. MURPHY, F.J., Pseudo-Philo. Rewriting the Bible, New York 1993. –, Art. Antiquitates Biblicae, in: RGG4 1 (1998), 556. NICKELSBURG, G.W.E., Good and Bad Leaders in Pseudo-Philo’s Liber Antiquitatum Biblicarum, in: J.J. Collins / ders. (Hg.), Ideal Figures in Ancient Judaism. Profiles and Paradigms (SCSt 12), Chico 1980, 49–65. PERROT, C. / BOGAERT, P.-M., Les antiquités bibliques. Pseudo-Philon 2. Introduction littéraire, commentaire et index, avec la collaboration de D. Harrington (SC 230), Paris 1976. VAN DER HORST, P.W., Art. Pseudo-Philo, in: TRE 27 (1997), 670–672. –, Portraits of Biblical Women in Pseudo-Philo’s Liber Antiquitatum Biblicarum, in: ders., Essays on the Jewish World of Early Christianity (NTOA 14), Freiburg Schweiz – Göttingen 1990, 111–122. WANDREY, I., Art. Pseudo-Philo, in: RGG4 6 (2003), 1791.
1. DER LOBPREIS DER DEBORA (LAB XXXII,1–17)
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1. Der Lobpreis der Debora (LAB XXXII,1–17)1 1.1. EINFÜHRUNG Der Lobpreis der Debora im 32. Abschnitt des Liber Antiquitatum Biblicarum knüpft an das Deboralied im fünften Kapitel des Richterbuches an. Eine unmittelbare Verbindung zwischen beiden Texten besteht jedoch nicht.2 Debora zählt zu den stark aufgewerteten Figuren im LAB.3 Sie rückt in ihrer Bedeutung in die Nähe Moses.4 Dem von Debora besungenen Sieg5 wird heilsgeschichtliche Bedeutung beigemessen. Er erscheint beispielhaft in der Reihe der großen Rettungstaten für Israel.6 An bemerkenswerten Details ist hervorzuheben, dass Adam, nicht Abraham, als Stammvater gilt und dass Israel aus seiner Rippe geboren wird (LAB XXXII,15). Eva, mit der Israel in eins gesetzt ist, wird nicht namentlich genannt, auch der Sündenfall des ersten Menschenpaares findet keine Erwähnung. Der Hymnus selbst setzt ein mit der Sprachverwirrung im Zuge des Turmbaus zu Babel (XXXII,1) und erwähnt die bereits in VI,14–18 sowie in der Haggada (bPes 118a) dargestellte versuchte Verbrennung Abrahams im Feuerofen (vgl. Koran, 21:68–71). Im Folgenden behandelt LAB XXXII,2 die geplante Opferung Isaaks. Aus den Worten des opferbereiten Isaak an seinen Vater (erit autem mea beatitudo super omnes homines) wird bisweilen auf eine heilsgeschichtliche Sühnewirkung des Isaakopfers geschlossen.7 Die Zuschreibung des Hymnus ist nicht eindeutig. Anfangs werden als Sprecher neben der an erster Stelle genannten Debora auch Barak und das ganze Volk erwähnt (V. 1). Im Schlussvers (V. 17) redet Debora in der Ich-Form, und im Anschluss an den Hymnus (V. 18) heißt es allein von ihr, dass sie „mit ihren Worten endete“.8 1
OTP II, 345–347; DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 193–198; DSPh, 1326–1329. Vgl. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 193, Anm. zu XXXII,1a: „Der folgende heilsgeschichtliche Hymnus hat mit dem Deboralied von Ri 5 inhaltlich nichts zu tun.“ 3 MCDOWELL, Prayers, 90: “Pseudo-Philo […] focuses on and expands the stories of women such as Deborah, Hannah, Seila, and Jael.” 4 Vgl. VAN DER HORST, Pseudo-Philo, 671: „Deborah wird Mose nachdrücklich gleichgestellt (ihre Geschichte im Liber Antiquitatum Biblicarum ist auch mehr als dreimal so lang wie in der Bibel!)“. 5 VAN DER HORST, Pseudo-Philo, 671, wertet die Hervorhebung der Debora (und mit ihr anderer Frauen) als ein besonderes Merkmal des LAB: „Die Schrift wird […] von einer im Rahmen ihrer Zeit auffällig frauenfreundlichen Haltung charakterisiert.“ 6 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 94: “Pseudo-Philo […] seems to portray Deborah’s victory as paradigmatic for all of Israel. The passage is more like a speech than a hymn, even though the text explicitly calls it a hymn.” 7 Vgl. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 194, Anm. 3d: „Dann wäre auch hier die Vorstellung wirksam, daß die Opferung Isaaks Sühnewirkung für die späteren Generationen Israels hatte“. 8 Vgl. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 193, Anm. 1a. 2
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B.VI. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. LATEINISCHER TEXT1 [1] Tunc Debbora et Barach filius Abino2 et omnis populus [unanimiter hymnum dixerunt Domino in illa die dicentes: Ecce de alto ostendit nobis Dominus gloriam suam, sicut fecit superioribus locis, emittens vocem suam ut confunderet linguas hominum. Et elegit gentem nostram, et eiecit de igne Abraham patrem nostrum, et elegit eum pre omnibus fratribus suis, et custodivit eum de igne et liberavit eum de lateribus turrificationis. Et dedit ei filium in novissimo senectutis eius, et eiecit eum de metra sterili. Et zelati sunt eum omnes angeli, et invisi sunt ei cultores3 militiarum. [2] Et factum est cum zelarent eum, dixit ad eum Deus: Occide fructum ventris tui pro me, et offer pro me sacrificium quod donatum est tibi a me. Et Abraham non contradixit, sed profectus est statim. Et cum proficisceretur, dixit ad filium suum: Ecce nunc fili offero te holocaustomata, et in manus te trado qui donavit te mihi. [3] Filius autem dixit ad patrem: Audi me pater. Si agnus ex pecoribus acceptatur in oblationes Domini [in odorem suavitatis, et pro iniquitatibus hominum pecora constituta sunt in occisionem, homo autem positus est in hereditatem seculi, et quomodo nunc dicis mihi: Veni et hereditare securam vitam et inmensurabile tempus? Quid si non essem natus in seculo, ut offerer sacrificium ei qui me fecit? Erit autem mea beatitudo super omnes homines quia non erit aliud, et in me annunciabuntur4 generationes et per me intelligent populi, quoniam dignificavit Dominus animam hominis in sacrificium. 1
Text und Verszählung nach HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 244–252. Ri 5,1 bietet Abinoam (ʭʲʰʩʡʠ). Der Übersetzer hat anscheinend die letzte Silbe als eigenständiges Wort für ʭʲ (Volk, lat. populus) verstanden. Vgl. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 193f., Anm. 1a. 3 DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 194, Anm. 1g, schlägt vor, custodes militiarum zu lesen und diese als Wächterengel zu verstehen. 4 Alternativlesart: annunciabunt. Vgl. HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 246. 2
1. DER LOBPREIS DER DEBORA (LAB XXXII,1–17)
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1.3. ÜBERSETZUNG [1] Damals sprachen Debora und Barach, der Sohn des Abino, und das ganze Volk [einmütig einen Lobgesang für den Herrn, indem sie an jenem Tag sprachen: Siehe, von der Höhe hat uns der Herr seine Herrlichkeit gezeigt, wie er (es) zuvor1 getan hat, als er seine Stimme aussandte, um die Sprachen der Menschen zu verwirren. Und er hat unsere Sippe erwählt, und er hat Abraham, unseren Vater, aus dem Feuer gerissen, und er hat ihn erwählt vor allen seinen Brüdern, und er hat ihn vor dem Feuer bewahrt und ihn befreit von den Ziegeln des Turmbaus. Und er hat ihm einen Sohn in seinem höchsten Greisenalter gegeben, und er hat ihn herausgerissen aus dem unfruchtbaren Mutterleib. Und es haben gestritten wider ihn alle Engel, und es sind neidisch geworden auf ihn die Wächter2 der Heere. [2] Und es ist geschehen, als sie wider ihn stritten, (da) hat Gott zu ihm gesagt: Töte die Frucht deines Leibes für mich, und bringe für mich als Opfer dar, was dir von mir gegeben worden ist. Und Abraham hat nicht widersprochen, sondern ist sogleich losgezogen. Und als er loszog, da hat er zu seinem Sohn gesagt: Siehe nun, mein Sohn, ich bringe dich dar als Brandopfer, und in die Hände (dessen) übergebe ich dich, der dich mir gegeben hat. [3] Der Sohn aber sagte zum Vater: Höre mich, Vater. Wenn ein Lamm aus dem Vieh angenommen wird zur Darbringung3 für den Herrn, [zu einem lieblichen Duft4, und für die Ungerechtigkeiten der Menschen das Vieh gesetzt ist zur Tötung, der Mensch aber bestimmt ist zum Erbe der Welt, wie sagst du mir denn jetzt: Komm, um sowohl zu erben sicheres Leben als auch unmessbare Zeit? Was, wenn ich nicht geboren wäre in der Welt, auf dass ich dargebracht würde als Opfer dem, der mich gemacht hat? Es wird aber meine Seligkeit über alle Menschen kommen, weil es nicht anders sein wird, und in mir werden Generationen verkündigt werden,5 und durch mich werden die Völker begreifen, da ja der Herr die Seele eines Menschen als Opfer gewürdigt hat. 1 Wörtlich: „an höheren (d.h. weiter oben befindlichen) Orten (sc. der Heiligen Schrift bzw. der Heilsgeschichte)“. 2 Die Übersetzung folgt dem Vorschlag von DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 194, Anm. 1g, hier custodes anstelle von cultores zu lesen. 3 Eigentlich Plural. 4 Wörtlich: „zu einem Duft der Lieblichkeit“ (Semitismus). 5 D.h.: Generationen werden Verkündigung empfangen.
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B.VI. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[4] Et cum obtulisset pater filium in aram, et ligasset ei pedes, [ut eum occideret, festinavit Fortissimus et misit de alto vocem suam dicens: Non interficias filium tuum, neque disperdas fructum ventris tui.1 Nunc enim manifestavi ut appareres ignorantibus te, et clausi ora maledicentium semper adversus te. Erit autem memoria tua in conspectu meo in sempiternum, et erit nomen tuum et huius in generationem et generationem. [5] Et dedit Isaac duos filios, etiam ipsos de metra conclusa. Et tunc mater eorum erat in tertio anno nuptiarum suarum, et non erit sic omni mulieri nec gloriabitur sic quecumque femina, in tertio autem anno appropinquans, nati sunt ei duo filii Iacob et Esau. Et dilexit Deus Jacob, Esau autem odio habuit propter opera eius. [6] Et factum est in senectute patris eorum benedixit Isaac Iacob et misit eum in Mesopotamiam, et generavit ibi duodecim filios. Et descenderunt in Egiptum et habitaverunt ibi. [7] Et cum malignati fuissent adversus eos inimici eorum, exclamavit populus ad Dominum et exaudita est oratio illorum, et eduxit eos inde et duxit in montem Syna et protulit eis fundamentum intellectus quod preparavit ex nativitate seculi. Et tunc commoto fundamento, militie festinaverunt fulgura in cursus suos, et venti sonum reddiderunt de promptuariis suis, et terra mota est de firmamento suo, et tremuerunt montes et rupes in compaginibus suis, et nubes elevaverunt fluctus suos contra flammam ignis, ut non exurerent seculum.2 [8] Tunc expergefactus est abyssus de venis suis, et omnes fluctus maris convenerunt in unum. Tunc paradisus reddita inspiratione fructus sui, et cedri Libani moti sunt de radicibus suis, et bestie campi commote sunt in habitationibus silvarum, et omnia opera eius convenerunt simul, ut viderent testamentum disponentem Dominum ad filios Israel. Et omnia que dixit Fortissimus hec custodivit, habens testem Moysen dilectum suum.
1
Oder: fructum ventris tuum. Vgl. HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 246. Eine Lesart exureret wird dem Singular von flamma gerecht. Vgl. HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 248. 2
1. DER LOBPREIS DER DEBORA (LAB XXXII,1–17)
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[4] Und als der Vater den Sohn auf den Altar gelegt und ihm die Füße gebunden hatte, [um ihn zu töten, (da) ist der Stärkste (herbei)geeilt und hat aus der Höhe seine Stimme gesandt, indem er sprach: Nicht mögest du umbringen deinen Sohn und nicht verderben die Frucht deines Leibes. Denn jetzt habe ich deutlich gezeigt, dass du offenbar werdest denen, die dich nicht kennen, und ich habe die Münder derer verschlossen, die immerzu Böses reden gegen dich. Es wird aber dein Gedächtnis vor meinem Angesicht bestehen in Ewigkeit, und es wird dein und sein1 Name bestehen von Generation zu Generation. [5] Und er hat Isaak zwei Söhne gegeben, auch sie aus einem verschlossenen Mutterleib. Und damals war ihre Mutter [schon] im dritten Jahr ihrer Ehe – und nicht wird es so sein für jede Ehefrau noch wird sich so rühmen irgendeine Frau –, als aber im dritten Jahr sie sich näherte2, (da) wurden ihr zwei Söhne geboren, Jakob und Esau. Und es hat Gott den Jakob geliebt, den Esau aber hat er gehasst wegen seiner Werke. [6] Und es ist geschehen im Greisenalter ihres Vaters, (da) hat Isaak den Jakob gesegnet und ihn nach Mesopotamien geschickt, und er hat dort zwölf Söhne gezeugt. Und sie sind hinabgegangen nach Ägypten und haben dort gewohnt. [7] Und als ihre Feinde missgünstig geworden waren gegen sie, (da) hat das Volk zum Herrn geschrien und ihr Gebet ist erhört worden, und er hat sie herausgeführt von dort und hat sie zum Berg Sinai geführt, und er hat ihnen vorgelegt die Basis der Erkenntnis, die er bereitet hatte seit Geburt der Welt. Und damals, unter Beben des Fundaments, (da) haben die Heere die Blitze in ihre Bahnen gejagt, und die Winde haben einen Ton von sich gegeben von ihren Speicherstätten herab. Und die Erde ist von ihrer Feste (weg)bewegt worden, und es haben die Berge gezittert und die Felswände in ihren Gebälken, und die Wolken haben ihre Fluten erhoben gegen die Feuerflamme, damit sie die Welt nicht verbrannten. [8] Dann ist erwacht der Abgrund von seinen Quelladern her, und alle Fluten des Meeres sind in eins zusammengekommen. Dann [ist erwacht] das Paradies unter Wiedergewinnung der Einflößung seiner Frucht, und die Zedern des Libanon sind bewegt worden von ihren Wurzeln her, und die wilden Tiere des Feldes sind bewegt worden in den Behausungen der Wälder, und alle seine Werke sind zugleich zusammengekommen, um zu sehen, wie der Herr den Söhnen Israels den Bund verfügte. Und alles, was der Stärkste gesagt hat, das hat er bewahrt, indem er Mose, seinen Geliebten, zum Zeugen hatte.
1 2
Gemeint ist Isaak. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 195, ergänzt: „(ihrem) Mann“.
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B.VI. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[9] Et cum moreretur, disposuit ei firmamentum, et ostendit ei tunc quos nunc habemus testes dicens: Sit testis inter me et te et populum meum celum in quo ingressus es, [et terra in qua ambulasti usque nunc. Ministri enim erant vobis sol et luna et astra. [10] Et cum exsurgeret Ihesus regere populum, factum est ut die in qua expugnabat inimicos appropinquaret vespera, pugna adhuc superante. Dixit Ihesus soli et lune: Vos ministri qui facti estis inter Fortissimum et filios eius, ecce nunc pugna adhuc superest, et vos derelinquitis officia vestra? State ergo hodie et lucete filiis eius et intenebrificate inimicos eius. Et fecerunt ita. [11] Et nunc in diebus his insurrexerat Sisara servificare nos. Et exclamavimus ad Dominum nostrum, et precepit astris, et dixit: Discedite de dispositionibus vestris et incendite inimicos meos, ut sciant virtutem meam. Et descenderunt astra et expugnaverunt castra eorum, et sine labore custodierunt nos. [12] Propterea non cessamus hymnizare, nec tacebit os nostrum in narrando mirabilia eius, quoniam memoratus est et iuvenum et antiquarum sponsionum, [et liberationem suam ostendit nobis. Et ideo in mulieribus gloriatur Iahel, quoniam sola direxit bonam viam, per manus suas occidens Sisaram. [13] Vade terra, ite celi et fulgura, ite angeli militie, ite et nunciate patribus in promptuariis animarum eorum, et dicite: Non est oblitus Fortissimus sponsionum minima quas disposuit vobis dicens: Multa faciam miracula cum filiis vestris. Et nunc ex hodierna die scietur quia que dixit Deus hominibus ut faceret hec et faciet, etiamsi moratur homo hymnizare Deo.1
1
Eine wichtige Handschrift bietet moriatur („er stirbt“, Konj. Präs.) und lässt folgerichtig hymnizare deo aus. Vgl. HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 250.
1. DER LOBPREIS DER DEBORA (LAB XXXII,1–17)
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[9] Und als er starb, hat er ihm die Feste verfügt, und er hat ihm damals (die) gezeigt, die wir nun als Zeugen haben, indem er sagte: Es sei[en] Zeuge zwischen mir und dir und meinem Volk der Himmel, in den du eingegangen bist, [und die Erde, auf der du bis jetzt gewandelt bist. Denn Diener waren für euch die Sonne und der Mond und die Sterne. [10] Und als Josua sich erhob, um das Volk zu führen, (da) ist es geschehen, dass an dem Tag, an dem er die Feinde bekämpfte, der Abend nahte, während die Schlacht noch tobte1. (Da) hat Josua der Sonne und dem Mond gesagt: Ihr Diener, die ihr getan worden seid zwischen den Stärksten und seine Söhne, siehe, nun tobt die Schlacht noch, doch ihr, ihr lasst eure Pflichten im Stich? Bleibt also heute stehen und leuchtet seinen Söhnen und umhüllt seine Feinde mit Finsternis. Und sie taten also. [11] Und nun, in diesen Tagen, hatte sich Sisera erhoben, um uns zu versklaven. Und wir haben zu unserem Herrn geschrien, und er hat den Sternen vorgeschrieben und gesagt: Entfernt euch von euren Bestimmungen und versengt meine Feinde, damit sie meine Kampfkraft erkennen. Und es sind herabgestiegen die Sterne und haben deren Heerlager bekämpft, und ohne Mühe haben sie uns bewahrt. [12] Deswegen lassen wir nicht ab zu lobsingen, und nicht wird schweigen unser Mund beim Erzählen seiner Wunder, da er ja gedacht hat sowohl der jungen als auch der alten Versprechen [und uns seine Befreiung gezeigt hat. Und deshalb wird Jael unter den Frauen gerühmt, da ja sie allein gelenkt hat (auf) den guten Weg, als sie durch ihre Hände Sisera tötete. [13] Schreite los, Erde, geht, Himmel und Blitze, geht, Engel der Heerschar, geht und meldet den Vätern in den Speicherstätten ihrer Seelen und sagt: Nicht hat vergessen der Stärkste seine Versprechen, am wenigsten die, die er euch verfügt hat, als er sagte: Viele Wunder werde ich tun mit euren Söhnen. Und nun, vom heutigen Tag an wird (es) erkannt werden, weil das, was Gott den Menschen (zu)gesagt hat, es zu tun, er auch tun wird, selbst wenn der Mensch zögert, Gott zu lobsingen.
1
Wörtlich: „übrig blieb“.
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B.VI. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[14] Hymniza vel tu Debbora, et evigilet sancti spiritus gratia in te et incipe laudare opera Domini quoniam non resurget talis dies per quem astra annuncient et expugnent inimicos Israel, sicut preceptum est eis. Ex hac hora si incidat Israel in pressuram, invocet1 testes istos una cum ministris, et legatione fungentur ad Altissimum, et memor erit istius diei et mittet liberationem testamenti sui. [15] Et tu Debbora, incipe loqui que vidisti in campo, quoniam populi securi ambulantes profecti sunt [et astra pugnabant pro eis. Gratulare, terra, super habitantes in te, quoniam adest conscientia Domini2 que turrificat3 in te. Non enim iniuste accepit Deus de te costam protoplasti, sciens quoniam de costa eius nasceretur Israel. Erit enim in testimonium plasmatio tua, quid fecerit Dominus populo suo. [16] Sustinete, hore diei, et nolite festinare, ut exponamus que potest sensus noster proferre, quia nox futura est nobis. Erit similis nocti cum Deus percussit primogenita Egiptiorum [propter primogenitum suum. [17] Et tunc pausabo de hymno meo, quia tempus preparabitur iustificationibus4 suis. Hymnizabo enim ei in innovatione creature, et populus memor erit salvationis huius, et erit ei in testimonium. Et mare testis5 sit cum abysso suo, quoniam non solum siccavit eum Deus ante conspectum patrum nostrorum, sed et astra6 de dispositionibus suis evertit [et expugnavit7 inimicos nostros. 1
Alternativvorschläge: invocabit, invocabis. Vgl. HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 251. DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 197, Anm. 15a, legt seiner Übersetzung die Lesart concio Domini („Gemeinde des Herrn“) zugrunde. 3 DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 197, Anm. 15b, nimmt quae thurificat („die Weihrauch opfert“) als Übersetzungsgrundlage. 4 DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 198, übersetzt die Lesart iustificatis (= „den Gerechtfertigten“). 5 Alternativlesart: teste. Vgl. HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 252. 6 Alternativlesart: castra. Vgl. HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 252. 7 Lesart anstelle von evertit et expugnavit: ei expugnaverunt. Vgl. HARRINGTON/CAZEAUX, Antiquités bibliques, 252f. 2
1. DER LOBPREIS DER DEBORA (LAB XXXII,1–17)
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[14] Lobsinge doch wenigstens du, Debora, und es möge erwachen des heiligen Geistes Gnade in dir, und beginne die Werke des Herrn zu loben, da ja nicht wieder erstehen wird ein solcher Tag, durch den die Sterne verkündigen und die Feinde Israels bekämpfen, wie es ihnen vorgeschrieben war. Seit dieser Stunde, wenn Israel in Drangsal gerät, soll es jene (als) Zeugen anrufen allzumal zusammen mit den Dienern, und mit einer Gesandtschaft soll man zum Höchsten gelangen, und es wird Erinnerung sein an jenen Tag, und er wird senden die Befreiung seines Bundes(volkes)1. [15] Und du, Debora, beginne zu sagen, was du gesehen hast auf dem (Schlacht)feld, da ja die Völker, als sie sicher wandelten, sich aufgemacht haben [und die Sterne für sie kämpften. Freue dich herzlich, Erde, über die, die auf dir wohnen, da ja da ist die Kenntnis des Herrn, die einen Turm auf dir baut. Nicht nämlich ungerechterweise hat Gott von dir angenommen die Rippe des Erstgebildeten, im Wissen darum, dass ja von seiner Rippe geboren werden würde Israel. Es wird nämlich deine Bildung zum Zeugnis sein [für das], was der Herr für sein Volk getan hat. [16] Haltet inne, Stunden des Tages, und eilt nicht, damit wir darlegen, was unser Sinn vorbringen kann, weil uns eine Nacht bevorsteht. Sie wird ähnlich sein der Nacht, als Gott die Erstgeburten der Ägypter schlug [um seines Erstgeborenen willen. [17] Und dann werde ich ruhen von meinem Lobgesang, weil die Zeit bereitet sein wird für seine Rechtfertigungen. Denn lobsingen werde ich ihm in der Erneuerung der Schöpfung, und das Volk wird eingedenk sein dieser Rettung, und es wird ihm zum Zeugnis sein. Und das Meer möge Zeuge sein zusammen mit seinem Abgrund, da ja Gott nicht bloß ihn ausgetrocknet hat vor dem Angesicht unserer Väter, sondern auch die Sterne von ihren Anordnungen herausgetrieben [und unsere Feinde bekämpft hat.
1
Metonymie. Mit DIETZFELBINGER, JSHRZ II/2, 197, Anm. 14g.
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
VII. TESTAMENT / HIMMELFAHRT (ASSUMPTIO) DES MOSE
Die unterschiedlichen Benennungen der Schrift, der das hier gebotene Gebet entnommen ist, weisen auf ein grundsätzliches Problem hin: Handelt es sich bei dem „Testament des Mose“ zugleich um die „Assumptio (Himmelfahrt) Mosis“?1 Wird eine Identität der Schriften angenommen,2 dann muss postuliert werden, dass der weggefallene Schlussteil der Schrift die eigentliche Himmelfahrt umfasst hat. Der verbliebene Textbestand geht zurück auf eine einzige lateinische Handschrift aus dem 6. Jh. Es wird angenommen, dass der überkommene Text seinerseits auf einer Handschrift aus dem 5. Jh. basiert, die wiederum eine griechische Fassung übersetzt haben dürfte. Während J. Tromp für einen genuin griechischen Text plädiert,3 vertritt eine Mehrheit der Exegetinnen und Exegeten die Auffassung, Hebräisch oder Aramäisch sei die Ursprache.4 Bezüglich der Autorschaft und dem Milieu, dem der Verfasser entstammte, ist kein Konsens in Sicht. Bei dem überlieferten Text handelt es sich um die letzten Worte Moses an seinen Nachfolger Josua. Mose schildert in groben Zügen den weiteren Geschichtsverlauf. Bis zum Übergang der Herrschaft Herodes’ des Großen an seine Söhne deckt sich die Prophetie Moses mit dem tatsächlichen Fortgang der Ereignisse. Die für die Herodes-Söhne Antipas und Philippus nicht zutreffende Ankündigung, ihre Herrschaft werde kürzer sein als die ihres Vaters (AssMos 6,7), veranlasst zu der Annahme, die Schrift sei zwischen der Absetzung des Archelaos (6 n.Chr.) und dem Jahr 30 n.Chr.5 entstanden. Theologisch spielt der Bund Gottes mit Israel eine zentrale Rolle. Das gilt für die Schrift als ganze und für das hier besprochene Bittgebet samt dessen „Erhörung“ im Besonderen.
1
DE JONGE, Testamentenliteratur, 112, und TROMP, Assumption, 115f., gehen von unterschiedlichen Texten aus. Vgl. TROMP, Assumption, 115: “Thus the attempt to identify our Latin text with the Testamentum Mosis must be dismissed”. 2 CHARLESWORTH, Pseudepigraphen, 642, setzt die Identität von „Himmelfahrt“ und „Testament“ des Mose voraus. Vgl. zur Diskussion BRANDENBURGER, JSHRZ V/2, 60–62. 3 Vgl. TROMP, Assumption, 85. 4 Vgl. WANDREY, Himmelfahrt, 1753; CHARLESWORTH, Pseudepigraphen, 642. 5 Das ist der Zeitpunkt, an dem Antipas und Philippus länger amtierten als ihr Vater.
VII. TESTAMENT / HIMMELFAHRT (ASSUMPTIO) DES MOSE
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Lateinischer Text TROMP, J., The Assumption of Moses. A Critical Edition with Commentary (SVTP 10), Leiden u.a. 1993. Deutsche Übersetzung BRANDENBURGER, E., Himmelfahrt Moses (JSHRZ V/2), Gütersloh 1976, 57–84. Englische Übersetzung PRIEST, J., Testament of Moses (First Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City 1983, 919–934 (= OTP I). Französische Übersetzung LAPERROUSAZ, E.-M., Le Testament de Moïse (généralement appelé « Assomption de Moïse »), Traduction avec introduction et notes, in: Sem. 19 (1970), I–XI.1–140. Literatur CHARLESWORTH, J.H., Art. Pseudepigraphen des Alten Testaments, in: TRE 27 (1997), 639– 645. CLEMEN, C., Die Himmelfahrt Moses, in: E. Kautzsch (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 2: Die Pseudepigraphen des Alten Testaments, Darmstadt 1962 (= Tübingen u.a. 1900), 311–331 (= APAT II). COLLINS, J.J., The Testament (Assumption) of Moses, in: M. de Jonge (Hg.), Outside the Old Testament (CCWJCW 4), Cambridge u.a. 1985, 145–158. DE JONGE, M., Art. Testamentenliteratur, in: TRE 33 (2002), 110–113. LAPERROUSAZ, E.-M., Testament de Moïse, in: A. Dupont-Sommer / M. Philonenko (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1987, 993–1016 (= DSPh). LATTEY, C., The Messianic Expectation in “The Assumption of Moses”, in: CBQ 4 (1942), 9–21. MEYER, R., Art. Himmelfahrt Moses, in: RGG3 3 (1959), 337. NICKELSBURG, G.W.E. (Hg.), Studies on the Testament of Moses. Seminar Papers (SCSt 4), Cambridge 1973. SCHALIT, A., Untersuchungen zur Assumptio Mosis (ALGHJ 17), Leiden u.a. 1989. WANDREY, I., Art. Himmelfahrt des Mose, in: RGG4 3 (2000), 1753.
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B.VII. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1. Fürbittengebet in Israels Exil (AssMos 4,2–4)1 1.1. EINFÜHRUNG Das der Mose-Prophetie zuzurechnende Gebet ist im babylonischen Exil nach der Zerstörung des ersten Tempels verortet. Der Beter bittet Gott um das Ende des Exils. Bemerkenswert dabei ist, dass in dem recht kurzen Gebet das Formulieren des eigentlichen Anliegens nur wenig Raum einnimmt.2 Nach einer vergleichsweise ausführlichen Anrufung Gottes erinnert der Beter an den Bund Gottes mit den Vätern und an die Aufforderung Gottes, ihn anzurufen. Dann erst wird die Exilsnot thematisiert und Gott um Erbarmen gebeten. Auffällig sind die distanzierten Formulierungen des Beters: Er bezieht sich selbst nie mit ein, sondern spricht von „diesem Volk“, „ihrem Gott“ und „ihren Vätern“. Es entsteht der Eindruck, als gehöre er selbst nicht dazu und halte für ein anderes Volk Fürbitte. Darin unterscheidet sich das hier gesprochene Gebet maßgeblich von dem Fürbittgebet Daniels in Dan 9,15–19. Daniel spricht dezidiert von „unserem Gott“ (V. 15) und „unseren Vätern“ (V. 16). Er schließt sich selbst mit ein und bekennt „meine und meines Volkes Israel Sünde“ (vgl. V. 20).3 So wirkt das Gebet in AssMos 4,2–4 wie ein Kontrapunkt zu Dan 9. Unklar bleiben sowohl die Identität des Beters als auch der Ort des Gebets. Es ist von einem Fürbitte haltenden Menschen die Rede, „der über ihnen ist“.4 Daniel5 und Esra6 werden vor allem vorgeschlagen. Auf keinen der beiden jedoch passt die Rolle ideal. J. Tromp bringt mit Blick auf AssMos 12,6 den in den Himmel aufgenommenen Mose ins Spiel.7 Die Formulierung des Fürbittgebets Moses in Ex 32,11–14 gibt Tromp Recht. Mose spricht in Ex 32 wie der Fürbitter in AssMos 4,2–4 in distanzierter Haltung und schließt sich nicht mit ein. Er nennt Israel „dein Volk“ (Ex 32,11f.) und argumentiert mit Gottes Zusage an „deine Knechte Abraham, Isaak und Israel“ (Ex 32,13). In beiden Gebeten wird abschließend unmittelbar die positive Reaktion Gottes konstatiert (Ex 32,14; AssMos 4,5f.). In Ex 32 betet Mose für Israel, weil Gott nach der Anbetung des Goldenen Kalbes beabsichtigt, das Volk zu vernichten. Mose wendet durch seine 1
OTP I, 929; BRANDENBURGER, JSHRZ V/2, 72; DSPh, 1003. Vgl. TROMP, Assumption, 174: “The intercessor’s prayer consists of a doxology (4:2a), a short anamnetical section, contrasting the covenant and the exile (4:2b–3), and a plea for forgiveness (4:4)”. 3 In vergleichbarer Weise bezieht sich auch Esra in seinen Bußgebeten in Esra 9,6–15 selbst mit ein. Vgl. 4 Esra 8,47b–49. 4 Vgl. TROMP, Assumption, 175. 5 Vgl. BRANDENBURGER, JSHRZ I/1, 72, Anm 1a. 6 Vgl. CLEMEN, in: APAT II, 322, Anm. i. 7 Vgl. TROMP, Assumption, 176, Anm. 3. 2
1. FÜRBITTENGEBET IN ISRAELS EXIL (ASSMOS 4,2–4)
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Fürbitte die verdiente Strafe ab. Wird eine beabsichtigte Parallelität der Gebete angenommen, dann erscheint das Exil als ebenfalls verdiente Bestrafung durch Gott. Wiederum gelingt es dem Fürbittenden, das Schicksal des Volkes zum Guten zu wenden. Mose wäre damit als „der, der über ihnen steht“, der Fürbitter schlechthin für Israel – sowohl am Sinai als auch im babylonischen Exil.
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B.VII. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. LATEINISCHER TEXT1 [1] Tunc intravit unus qui supra eos est et expandit manus et ponit genua sua et oravit pro eis dicens: [2] Domine, omnis rex in alta sede, qui dominaris saeculo, qui voluisti plebem hanc esse tibi plebem [hanc] exceptam. Tunc voluisti invocari eorum Deus [secus testamentum quod fecisti cum patribus eorum. [3] Et ierunt captivi in terram alienam cum uxoribus et natis suis [et circa ostium allofilorum et ubi est ma[j]estitia2 magna. [4] Respice, et miserere eorum, Domine caelestis! [5] Tunc reminiscitur3 Deus eorum, propter testamentum quod fecit cum patribus illorum, et palam faciet misericordiam suam et temporibus illis. [6] Et mittit in animam regis ut misereator4 eorum, et dimittit illos in terram eorum et regionem.
1
Text und Verszählung nach TROMP, Assumption, 10–12. Konjektur. Das Manuskript bietet majestas. 3 Vielfach wird vorgeschlagen reminiscetur zu lesen. Die Übersetzung folgt diesem Vorschlag. 4 Es wird vorgeschlagen, misereatur zu lesen. Die Übersetzung folgt diesem Vorschlag. 2
1. FÜRBITTENGEBET IN ISRAELS EXIL (ASSMOS 4,2–4)
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1.3. ÜBERSETZUNG [1] Dann tritt1 einer ein, der über ihnen ist,2 und er breitet die Hände aus und beugt seine Knie und betet für sie, indem er spricht: [2] Herr, des Alls König auf dem hohen Thron, der du herrschst über das Zeitalter, der du wolltest, dass dieses Volk dir ein Volk ist, das herausgenommen worden ist – damals hast du gewollt, dass du angerufen wirst als ihr Gott [gemäß dem Bund, den du gemacht hast mit ihren Vätern. [3] Und sie sind als Gefangene in ein fremdes Land gegangen samt ihren Frauen und Kindern [und um das Tor3 der Fremdstämmigen und [dorthin], wo große Traurigkeit ist. [4] Nimm Rücksicht und erbarme dich ihrer, himmlischer Herr! [5] Dann wird Gott ihrer gedenken um des Bundes willen, den er mit ihren Vätern gemacht hatte, und öffentlich wird er tun seine Barmherzigkeit auch zu jenen Zeiten. [6] Und er schickt in die Seele des Königs, dass er sich ihrer erbarme, und er lässt sie in ihr Land und ihre Gegend gehen.
1
Der Kontext erfordert es, die Perfekta des Satzes – aus der Sicht Moses – futurisch zu verstehen. Als auftretende Fürbitter werden i.d.R. Daniel (Dan 9,4–19; so BRANDENBURGER, JSHRZ I/1, 72, Anm. 1a) und Esra (Esra 9,6–15; so CLEMEN, in: APAT II, 322, Anm. l) vorgeschlagen. Mit TROMP, Assumption, 176, Anm. 3, ist es aber am wahrscheinlichsten, bei „dem, der über ihnen ist“, an Mose zu denken (s.o. S. 158f.). 3 Das von os („Mund“) abgeleitete Substantiv ostium kann auch die „Mündung“ eines Flusses bezeichnen. Zu erwägen wäre, ob im Hintergrund dieser Formulierung (in Verbindung mit der Erwähnung von „Traurigkeit“) eine Stelle wie Ps 137,1 stehen könnte: „An den Strömen Babels, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.“ 2
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
VIII. GRIECHISCHE BARUCH-APOKALYPSE (DRITTER BARUCH)
Die griechische Baruch-Apokalypse wurde erst gegen Ende des 19. Jh. in einer Handschrift des Britischen Museums entdeckt.1 Die griechische Baruch-Apokalypse reiht sich ein in eine Gruppe von Schriften, die mit Baruch, dem Schreiber des Propheten Jeremia, in Verbindung gebracht werden (Jer 32,12). Werden das zu den Apokryphen der Septuaginta gehörende Baruchbuch als „Erster Baruch“ und die syrische Baruch-Apokalypse als „Zweiter Baruch“ gezählt, dann bezeichnet „Dritter Baruch“2 die hier besprochene griechische Baruch-Apokalypse.3 Als „Vierter Baruch“ gelten die Paraleipomena Jeremiou. Deutlich erkennbar ist eine christliche Redaktion der ursprünglich jüdischen Schrift. Während W. Hage „einen jüdischen Verfasser der hellenistischen Diaspora außerhalb Palästinas“ und damit auch ein griechisches Original annimmt,4 geht H.H. Mallau von einer hebräischen oder aber aramäischen Grundschrift aus.5 Vor der Entdeckung der griechischen Version der Baruch-Apokalypse waren bereits slawische Fassungen bekannt.6 W. Hage präsentiert seine Übersetzung der slawischen Version separat im Anschluss an die Übersetzung des griechischen Textes.7 Die griechische Baruch-Apokalypse spielt vor dem Hintergrund der Klage über die Zerstörung des Tempels in Jerusalem und der Wegführung des Volkes ins Exil nach Babylon durch Nebukadnezar (587 v.Chr.). Parallelen zu anderen pseudepigraphischen Schriften und ein Zitat bei Origenes (220/230 n.Chr.) machen eine Entstehung im zweiten nachchristlichen Jahrhundert wahrscheinlich.8 1
Mitte des 20. Jh. entdeckte J.-C. Picard eine zweite griechische Handschrift. Bei der hierfür ebenfalls begegnenden Zählung als „4. Baruch“ dürfte es sich um ein Versehen handeln. Vgl. HAGE, JSHRZ V/1, 17. 3 Die syrische und die griechische Baruch-Apokalypse sind eigenständige Schriften. Der slawische Text ist eine eigenständige Version der griechischen Baruch-Apokalypse. Beide gehen auf eine gemeinsame, nicht mehr erhaltene Grundform zurück. Vgl. HAGE, JSHRZ V/1, 18: „Weder der vorliegende griechische Text noch die slavische Version bietet die Apokalypse in ihrer ursprünglichen Gestalt.“ 4 HAGE, JSHRZ V/1, 19. 5 Vgl. MALLAU, Baruch/Baruchschriften, 274. 6 Südslavisch aus dem 13./14. Jh., russisch aus dem 15. Jh. Vgl. HAGE, JSHRZ V/1, 20. 7 Vgl. HAGE, JSHRZ V/1, 35–41. 8 Die Vorschläge variieren zwischen dem Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts (HIMMELFARB, Baruchschriften III, 1145) und dem Zitat bei Origenes (220/230 n.Chr.) als terminus ad quem. 2
VIII. GRIECHISCHE BARUCH-APOKALYPSE (DRITTER BARUCH)
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Kern der Apokalypse ist die Himmelsreise Baruchs. Die Schrift schließt mit dem Besuch des fünften Himmels. Ob ursprünglich sieben Himmel beschrieben wurden und die Darstellung der letzten beiden Himmel der christlichen Redaktion zum Opfer gefallen ist, ist umstritten. Baruch erfährt auf seinem Weg, dass unabhängig vom Fortbestand des Tempels sowohl Strafen auf die Sünder als auch Belohnungen auf die Gerechten warten. Darüber hinaus finden „wissenschaftliche“ Fragen eine Antwort. Eschatologische oder messianische Ideen spielen hingegen keine Rolle.
G riechischer Text PICARD, J.-C., Apocalypsis Baruchi Graece (PVTG 2), Leiden 1967, 61–96. Deutsche Übersetzung HAGE, W., Die griechische Baruch-Apokalypse (JSHRZ V/1), Gütersloh 1974, 15–44. Englische Übersetzung GAYLORD JR., H.E., 3 (Greek Apocalypse of) Baruch (First to Third Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City 1983, 653–679 (= OTP I). Französische Übersetzung RIAUD, J., Apocalypse grecque de Baruch, in: A. Dupont-Sommer / M. Philonenko (Hg.), La Bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 1141–1164 (= DSPh). Literatur BAUCKHAM, R., Early Jewish Visions of Hell, in: JThS N.S. 41 (1990), 355–385. BOHAK, G., Greek-Hebrew Gematrias in 3 Baruch and in Revelation, in: JSPE 7 (1990), 119–121. DENIS, A.-M. (Hg.), Concordance de l’Apocalypse grecque de Baruch. Avec la collaboration de Y. Janssens (PIOL 1), Louvain 1970. FISCHER, U., Eschatologie und Jenseitserwartung im hellenistischen Diasporajudentum (BZNW 44), Berlin/New York 1978. GINZBERG, L., Art. Baruch, Apocalypse of (Greek), in: JE 2 (1902), 549–551.
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B.VIII. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
HAHN, F., Frühjüdische und urchristliche Apokalyptik. Eine Einführung (BThSt 36), Neukirchen-Vluyn 1998, 76–85. HARLOW, D.C., The Greek Apocalypse of Baruch (3 Baruch) in Hellenistic Judaism and Early Christianity (SVTP 12), Leiden u.a. 1996. HIMMELFARB, M., Art. Baruchschriften III. Griechische Baruchapokalypse, in: RGG4 1 (1998), 1145f. HUGHES, H.M., The Greek Apocalypse of Baruch or III Baruch, in: R.H. Charles (Hg.), The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament in English, Bd. 2: Pseudepigrapha, Oxford 1913, 527–541 (= APOT II). LODS, A., Histoire de la littérature hébraïque et juive depuis les origines jusqu’à la ruine de l’état juif (135 après J.-C.). Préface d’André Parrot (BH), Paris 1950. MALLAU, H.H., Art. Baruch/Baruchschriften, in: TRE 5 (1980), 269–276. NICKELSBURG, G.W.E., Jewish Literature Between the Bible and the Mishnah. A Historical and Literary Introduction, Philadelphia 1981, 299–303. RYSSEL, V., Die griechische Baruchapokalypse, in: E. Kautzsch (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 2: Die Pseudepigraphen des Alten Testaments, Darmstadt 1962 (= Tübingen u.a. 1900), 446–457 (= APAT II).
1. BARUCHS KLAGE ÜBER DIE ZERSTÖRUNG JERUSALEMS (APCBAR[GR] 1,2)
165
1. Baruchs Klage über die Zerstörung Jerusalems (ApcBar[gr] 1,2)1 1.1. EINFÜHRUNG Das Gebet erscheint zu Beginn der Schrift. In zwei Versen werden in der dritten Person Baruch als Verfasser und der Fluss Kidron bei Jerusalem als Ort benannt. Der nachfolgende und das Gebet einleitende Satz blickt auf die Wegführung des Volkes durch Nebukadnezar und die Zerstörung der Stadt. Es handelt sich mehr um ein Anklagegebet als um ein einfaches Klagegebet. Adressat der Anklagen Baruchs ist nicht etwa Nebukadnezar, sondern Gott, der sein Volk in dessen Hand gegeben hat. So richtet Baruch innerhalb seines vergleichsweise kurzen Gebets insgesamt vier vorwurfsvolle Fragen an Gott. Außergewöhnlich ist das Gebet hinsichtlich seiner Knappheit. Die Anrede beschränkt sich auf ein schlichtes „Herr“ (Κύριε). Der Angesprochene wird weder als „Gott Israels“ oder „Gott der Väter“ noch als barmherzig oder allmächtig näher charakterisiert. Nach der knappen, funktionalen Anrede wird Gott zur Rede gestellt und nach dem Grund für die Verheerung seines eigenen Weinbergs2 gefragt. Mit der sich anschließenden Frage akzeptiert Baruch die Machttat Gottes als berechtigte Strafe, indem er sich nach einer alternativen Züchtigung erkundigt. Der Grund für diese Bitte ist nicht etwa das Streben nach Erleichterung, sondern die Sorge um die Wahrung der Ehre Gottes. Die kurze Rede Baruchs erweckt den Eindruck, als solle Gott mit seinem Handeln konfrontiert werden, mit dem er vor allem sich selbst schade, denn die gegenwärtige Situation mache letztlich Gott selbst zum Gespött der Heiden. Wie im Buch Hiob bietet auch in der griechischen Baruch-Apokalypse die Reaktion Gottes keine konkrete Antwort auf die gestellten Fragen, sie macht aber das Machtgefälle und die Größe Gottes deutlich. Im Ergebnis verstehen Hiob wie auch Baruch, dass der allmächtige und allwissende Gott den Menschen keine Rechenschaft schuldig ist und letztlich gerecht und zum Besten der Menschen handelt, die auf ihn trauen. Das Anklagegebet dient der Vorbereitung des Auftritts des Engels, der Baruch auf seiner Himmelsreise begleitet. Voraussetzung für die Himmelsreise und die Offenbarung himmlischer Geheimnisse ist, dass Baruch mit seinen Anklagen aufhört, die vor Gott gekommen sind.
1
D, 866; OTP I, 663; HAGE, JSHRZ V/1, 22; DSPh, 1148. Vgl. Jes 5,1–7. Dieser Text beschreibt die Preisgabe des unfruchtbaren Weinbergs (d.h. des Hauses Israel) durch JHWH Zebaoth. 2
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B.VIII. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [2] Κύριε, ἵνα τί ἐξέκαυσας τὸν ἀμπελῶνά σου καὶ ἠρήμωσας αὐτόν; τί ἐποιήσας τοῦτο; καὶ ἵνα τί, Κύριε, οὐκ ἀπέδωκας ἡμᾶς ἐν ἄλλῃ παιδείᾳ, ἀλλὰ παρέδωκας ἡμᾶς εἰς ἔθνη τοιαῦτα, ὅπως ὀνειδίζοντες λέγουσιν· Ποῦ ἐστιν ὁ θεὸς αὐτῶν;
1
Text nach PICARD, Apocalypsis Baruchi Graece, 6.
1. BARUCHS KLAGE ÜBER DIE ZERSTÖRUNG JERUSALEMS (APCBAR[GR] 1,2)
1.3. ÜBERSETZUNG [2] Herr, weshalb hast du deinen Weinberg angezündet und ihn verödet? Warum hast du dies getan? Und weshalb, Herr, hast du uns nicht einer anderen Züchtigung übergeben, sondern hast uns derartigen Heidenvölkern ausgeliefert, so dass man schmähend sagt: Wo ist ihr Gott?
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
IX. ORATIO JACOBI (GEBET JAKOBS)
Das „Gebet Jakobs“ ist auf einem einzigen, von K. Preisendanz herausgegebenen und auf das 4. Jh. datierten Papyrusblatt erhalten.1 Das 1926 in Kairo von W. Schubart erworbene Blatt misst 27x38 cm und befindet sich im Besitz der Staatlichen Museen Berlin. Das Manuskript enthält im Anschluss an das Gebet2 zwei magische Rezepte zum Erhalt bestimmter Träume (Z. 27–35). K. Preisendanz edierte den Text nach „Schubarts erster Lesung“.3 Auf Preisendanz’ Edition, nicht aber auf einer Autopsie des in Berlin zugänglichen Papyrus basiert auch die folgende Textdarbietung.4 Der Text weist eine Reihe von Lücken und unleserlichen Stellen auf, die nicht oder nur zum Teil rekonstruierbar sind. Bei der Oratio Jacobi handelt es sich um einen auf Griechisch verfassten magischen Text. Zu seinen Charakteristika zählt die Aneinanderreihung semitisch klingender Bezeichnungen. Ihre etwaige Bedeutung wurde vom Schreiber offenbar nicht verstanden. Er setzt eine dem hebräischen Text immanente Wirkmacht voraus. Angesichts des sonst verbreiteten Engelglaubens untypisch für einen jüdisch-magischen Text ist, dass in der Oratio Jacobi Gott selbst als Adressat fungiert und Engel nur in untergeordneter Funktion benannt werden.5 In der hier gebotenen Textpräsentation sind die bei K. Preisendanz in kleinerer Drucktype gesetzten unverständlichen Passagen durch Leerzeichen ersetzt. Textlücken sind durch eckige Klammern und Punkte angedeutet. Der Umfang des jeweils ausgefallenen Textes lässt sich auf der Basis der Gesamtlänge der Zeilen grob abschätzen. Die dem alttestamentlichen Kontext entstammenden Namen und Motive und die Anrufung des „Gottes der Hebräer“ (Z. 18) erweisen das „Gebet des Jakob“ als jüdisch beeinflusst. J.H. Charlesworth datiert die Entstehung des Gebets auf das 1. Jh. und hält eine ägyptische Herkunft für wahrscheinlich.6 Eine Rezeption des möglicherweise als
1
Staatliche Museen Berlin, P.gr. 13895. Z. 1–26. Alle Zeilenangaben beziehen sich auf die mit | oder || abgegrenzten Zeilen in der Ausgabe von PREISENDANZ, PGrM II, 148f. 3 PREISENDANZ, PGrM II, 148. 4 Das gilt auch für die Mehrzahl der anderen Editionen und Kommentare. Vgl. OSTMEYER, Betet, 614. 5 Vgl. CHARLESWORTH, in: OTP II, 716; VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 220f. 6 Vgl. CHARLESWORTH, in: OTP II, 715. 2
IX. ORATIO JACOBI (GEBET JAKOBS)
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Amuletttext verwendeten Gebets ist nicht eindeutig nachweisbar, wenngleich andere „Gebete Jakobs“ kursierten.1 J.H. Charlesworth benennt – mit anderen – als wesentlichen Unterschied zwischen Gebet und Magie, dass ein magischer Akt die Gottheit zu zwingen beabsichtige, während ein Betender sich dem Willen Gottes unterstelle.2 Die Oratio Jacobi versteht er als Gebet. Mit Recht stellen P.W. van der Horst und J.H. Newman diese Differenzierung zwischen Magie und Gebet in Frage.3
G riechischer Text PREISENDANZ, K., Papyri Graecae Magicae. Die griechischen Zauberpapyri, Bd. 2 (Sammlung wissenschaftlicher Commentare), Stuttgart 21974. Deutsche Übersetzung MERKELBACH, R. (Hg.), Abrasax. Ausgewählte Papyri religiösen und magischen Inhalts, Bd. 4: Exorzismen und jüdisch/christlich beeinflußte Texte (PapyCol 17/4), Opladen 1996, 105–110. NEWMAN, J.H., Gebet Jakobs (JSHRZ N.F. II/3), Gütersloh 2015. Englische Übersetzung AUNE, D.E., PGM XXIIb. 1–26, Prayer of Jacob, in: H.D. Betz (Hg.), The Greek Magical Papyri in Translation. Including the Demotic Spells, Chicago/London 1986, 261. Französische Übersetzung LIFCHITZ, D., Textes éthiopiens magico-religieux (TMIE 38), Paris 1940. Literatur AUNE, D.E., Art. Iao, in: RAC 17 (1996), 1–12. BETZ, H.D., Secrecy in the Greek Magical Papyri [1995], in: ders., Antike und Christentum. Gesammelte Aufsätze IV, Tübingen 1998, 152–174.
1
Vgl. VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 218f. Vgl. CHARLESWORTH, in: OTP II, 716. 3 Vgl. VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 222f.: “Indeed, magic may best be understood as an ‘outsider’ word for practises and beliefs deemed unacceptable to the one who uses the term.” 2
170 –,
B.IX. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
Jewish Magic in the Greek Magical Papyri (PGM VII.260–71) [1997], in: ders., Antike und Christentum. Gesammelte Aufsätze IV, Tübingen 1998, 187–205. –, The Changing Self of the Magician according to the Greek Magical Papyri, in: ders., Antike und Christentum. Gesammelte Aufsätze IV, Tübingen 1998, 175–186. BLAU, L., Das altjüdische Zauberwesen, Farnborough 1970 (= Budapest 1898). CHARLESWORTH, J.H., Prayer of Jacob (First to Fourth Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: ders. (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the “Old Testament” and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works, Garden City 1985, 715–723 (= OTP II). GOODENOUGH, E.R., Jewish Symbols in the Greco-Roman Period, Bd. 2: The Archeological Evidence from the Diaspora (BollS 37,2), New York 1953. GRAF, F., Prayer in Magic and Religious Ritual, in: C.A. Faraone / D. Obbink (Hg.), Magika Hiera. Ancient Greek Magic and Religion, New York/Oxford 1991, 188–213. MACH, M., Entwicklungsstadien des jüdischen Engelglaubens in vorrabbinischer Zeit (TSAJ 34), Tübingen 1992. OSTMEYER, K.-H., Betet wirklich Jakob? Die sogenannte Oratio Jacobi neu gelesen, in: Early Christianity 1 (2010), 614–619. SIMON, M., Verus Israel. Étude sur les relations entre Chrétiens et Juifs dans l’empire romain (135–425), Paris 21964. –, = Verus Israel. A study of the relations between Christians and Jews in the Roman Empire (135–425), übersetzt von H. McKeating (The Littman Library of Jewish Civilization), Oxford 1986. SMITH, M., Studies in the Cult of Yahweh, Bd. 2: New Testament, Early Christianity and Magic, hg. von S.J.D. Cohen (RGRW 130/2), Leiden u.a. 1996. SULLIVAN, K.P., Wrestling with Angels. A Study of the Relationship between Angels and Humans in Ancient Jewish Literature and the New Testament (AGJU 55), Leiden/Boston 2004. URBACH, E.E., The Sages – Their Concepts and Beliefs, aus dem Hebräischen übersetzt von I. Abrahams (Publications of the Perry Foundation in the Hebrew University of Jerusalem), Jerusalem 1975, 97–134. VAN DER HORST, P.W. / NEWMAN, J.H., Early Jewish Prayers in Greek. A Commentary (CEJL), Berlin/New York 2008, 215–246.
1. ORATIO JACOBI (GEBET JAKOBS)
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1. Das Gebet Jakobs1 1.1. EINFÜHRUNG Ein Charakteristikum der Oratio Jacobi sind Reihungen von Titeln2, Namen3 und Wohnorten Gottes (Z. 10–13). Auf diese Passagen entfällt die Mehrzahl der nicht rekonstruierbaren Textlücken. Der Text der Oratio Jacobi ist durch Aufforderungen strukturiert,4 Z. 23–25 enthalten die konkrete Bitte, Gott möge denjenigen, der das Gebet besitzt, mit Weisheit, Stärke und Gutem erfüllen und ihn auf Erden einem unsterblichen Engel gleichmachen.5 Der Betende sieht sich als Besitzer dieses Gebets und damit in einer privilegierten Rolle (Z. 17f.20). Nicht der Akt des Betens und ein In-Beziehung-Treten zu Gott stehen im Vordergrund, wesentlich ist vielmehr das Verfügen über ein Schlüsselwissen. Dieses Wissen eröffnet den Zugang zu Gott, begabt mit göttlichen Gütern und ermöglicht schließlich die eigene Vergöttlichung. Wesen und Handeln des Betenden, Glauben oder Reue spielen keine Rolle. Die Rede von der Engelähnlichkeit und Unsterblichkeit des Betenden (Z. 24f.) ist ein Spezifikum der Oratio Jacobi. An dieser Stelle vereinigen sich verschiedene Motive. Schon in Gen 32,25–31, bei der Darstellung von Jakobs Kampf am Jabbok, wird Jakob in enge Verbindung mit einer als Engel verstandenen Person gebracht.6 Im Kampf wird Jakob verwundet, aber nicht überwunden, und erhält den Namen „Israel“ (V. 29). JakobIsrael wird zum Repräsentanten des ganzen Volkes.7 Die Fülle der nicht verständlichen Bezeichnungen und die Betonung des Besitzes dieses Gebets lässt beim Leser oder Hörer den Eindruck entstehen, für diejenigen, die nicht über den Wortlaut des Gebets verfügten, sei der Zugang zu Gott und damit zur Erfül1 PREISENDANZ, PGrM II, 148f.; OTP II, 715–723; NEWMAN, JSHRZ N.F. II/3, 17–46; LIFCHITZ, Textes, 239–243. 2 Z.B.: „Vater der Erzväter“ (Z. 2), „Schöpfer der Engel und Erzengel“ (Z. 3) und „Vater der ganzen Schöpfung“ (Z. 4b–5a). Diese Gottesbezeichnungen werden z.T. in chiastischer Form spezifiziert: Unter „Schöpfung“ wird sowohl die bewohnte wie auch die unbewohnte Welt gefasst (Z. 5), die Cherubim sind Gott untergeordnet (Z. 5c) und er hat namentlich Abraham begnadet (Z. 6) und ihm Herrschaft verliehen. 3 Es fällt auf, dass bei den ausführlichen Anrufungen des Gottes Abrahams und der Erzväter der Name „Isaak“ nicht genannt wird. 4 „Erhöre mich“ (Z. 7), „erhöre den, der das Gebet besitzt“ (Z. 17f.), „richte den auf, der das Gebet besitzt“ (Z. 19), „erfülle mich…“ (Z. 23), „sag“ (Z. 26, Schlussanweisung). 5 Zur Diskussion um die Unsterblichkeit als Voraussetzung oder als Folge des Gebets vgl. CHARLESWORTH, in: OTP II, 716; VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 244f. 6 Vgl. auch die auf- und absteigenden Engel im Traum Jakobs von der Himmelsleiter (Gen 28,10–22). 7 Zum Engelstatus des Beters der Oratio Jacobi sowie von Jakob/Israel (als Person und Volk) vgl. VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 223f.
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B.IX. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
lung des Erbetenen sowie zur Vergöttlichung verschlossen. In diesem Sinne ist das Gebet – gegen J.H. Charlesworth1 – durchaus als magisches, aus sich selbst wirksames Zaubermittel verstehbar. Als Repräsentantin eines der Aspekte jüdischer Frömmigkeit hat die Oratio Jacobi in einer Sammlung antiker jüdischer Gebete ihren Platz.
1
Vgl. CHARLESWORTH, in: OTP II, 717f.
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B.IX. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] Προσευχὴ Ἰακώβ.2 [2] πάτερ πατριά[ρχ]ων, πατὴρ ὅλω[ν, πατὴ]ρ δυνάμε[ων τοῦ κό]σμ[ου], κτ[ί]στ[α παν]τὸ[ς…,] [3] κτίστα τῶν ἀγγέλων καὶ ἀρχαγγ[έ]λ[ων], ὁ κ[τ]ίστης ὀνομ[άτων] σω[τηρικῶν,] [4] καλῶ σε, πατέρα τῶν ὅλων δυνάμε[ω]ν, πατέρα τοῦ [ἅπα]ντος [κό]σ[μ]ου [καὶ τῆς] [5] ὅλης γενέσεως καὶ οἰκουμένης καὶ ἀοικήτο[υ, ᾧ ὑπ]εστ[α]λ[μέν]ο[ι οἱ] χ[ερουβίν, ὃς] [6] ἐχαρίσατο [Ἀβρ]αὰμ ἐν τῷ [δοῦναι τὴν] βασιλ[είαν αὐτῷ·] [7] ἐπάκου[σό]ν μοι, ὁ θεὸς τ[ῶν δ]υνάμεων, ὁ θ[εὸς ἀγγ]έλων κ[αὶ ἀ]ρ[χα]γγέλων, βα[σιλεύς…] [8–9] unverständliche Buchstabenkombinationen (so tlw. auch im Folgenden) [10] ὁ κ[α]θ[ήμενος] ἐπὶ ὄρους ἱ[εροῦ Σ]ιναΐου [11] [ὁ] καθήμενος ἐπὶ τῆς θα[λάσσ]ης [12] ὁ καθήμενο[ς ἐπὶ] τῶν δ[ρα]κοντ[είων] θεῶν, ὁ [θεὸς ὁ καθήμε]ν[ο]ς [ἐπὶ τοῦ] [13] [Ἡ]λίου Ἰάω,3 ὁ καθήμε[νος ἐπὶ…..] ὁ [καθήμ]εν[ος ἐ]πὶ το[ῦ..]θε[….] [14] Ἀβριήλ· Λουήλ· […..]μ[..τ]ὸν [κ]οιτῶνα χε[ρο]υ[β]ὶ[ν….] [] [15] ε[ἰ]ς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώ[νω]ν θεὸς Ἀβαώθ, Ἀβραθιαώθ, [Σα]βα[ώθ, Ἀ]δωνάι, ἀστρα…..ε [16] [κ]αὶ ὁ κ[ύρ]ιος τῶν ὅλων· ἐπικαλοῦμαί σε, ἐ[πὶ χ]άσ[ματος δόντα] [17] δύναμιν ἄνω καὶ τοῖς κάτω καὶ τοῖς ὑποκάτω τῆς γῆς· ἐπάκουσον τῷ [ἔχο]ντι [τὴν] [18] εὐχήν, ὁ κύριος θεὸς τῶν Ἑβραίων, Ἐπα[γ]αήλ , οὗ [ἡ] ἀέναος δύναμις, [Ἐλω]ήλ, [19] Σουήλ4· διόρθωσον τὸν ἔχοντα [τὴ]ν εὐχὴν [ἐ]κ τοῦ γένου[ς] Ἰσραὴλ [κ]αὶ τῶν [20] χαριζομένων ὑπό σου, θεὲ θεῶν, ὁ ἔχων τὸ κρυπτὸν ὄνομα Σαβαώθ, [21] [] θεὸς θεῶν, ἀμήν, ἀμήν, [ὁ] χιόνα γεννῶν, ἐπὶ ἀστέρων ὑπ[ὲ]ρ αἰώνων κ(αὶ) ἀεὶ διοδεύ[ω]ν [κ(αὶ) ποιῶν] τοὺς [22] ἀπλανεῖς καὶ πλανωμένους ἀ[στ]έρας διώκειν τὰ πάντα τῇ σῇ δημι[23] οὐργίᾳ· πλήρωσόν με σοφίας, δυνάμωσ[ό]ν με, δέσποτα, μέστωσόν μου [24] [τὴν] καρδίαν ἀγαθῶν, δέσποτα, ὡς ἄγγελον ἐπ[ίγ]ειον, ὡς ἀθάνατον [25] [γε]νάμενον5, ὡς τὸ δῶρον τὸ ἀπὸ [σο]ῦ δεξάμε[νον, ἀ]μήν, ἀμήν. [26] [λ]έγε ἑπτάκις πρὸς ἄρκ[τον] καὶ ἀ[πη]λιώτην [τὴν προ]σε[υ]χ[ὴ]ν τ[οῦ] Ἰακώβ. 1
Der Text folgt weitgehend PREISENDANZ, PGrM II, 148f. Zur Textdarbietung im Einzelnen s.o. S. 168. Der Papyrus bietet die ersten drei Buchstaben des Namens. Rekonstruktion des Namens „Jakob“ entsprechend dem letzten Wort des Gebets. Vgl. OSTMEYER, Betet, 617. 3 Vermutlich Kurzform für JHWH. 4 Vielleicht von hebr. ʬʥʠʹ = „Unterwelt“. 5 So statt γενόμενον oder γεννώμενον. 2
1. ORATIO JACOBI (GEBET JAKOBS)
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1.3. ÜBERSETZUNG1 [1] Gebet Jakobs. [2] Vater (der) Erz[vät]er – ein Vater von alle[m, ein Vate]r der Mäch[te der W]el[t] –, Sch[ö]pfe[r jed]e[s…,] [3] Schöpfer der Engel und Erzeng[e]l, (du) S[ch]öpfer der re[ttenden] Nam[en,] [4] ich rufe dich, den Vater der gesamten Mäc[ht]e, den Vater der [ga]nzen Welt [und der] [5] ganzen Schöpfung, sowohl der bewohnten als auch der unbewohnt[en, dem unter]st[e]llt (sind) [die] Ch[erubim, der] [6] begnadet hat [Abr]aham, indem [er ihm die] Königsherr[schaft gab,] [7] erhö[r]e mich, (du) Gott d[er M]ächte, (du) G[ott (der) Eng]el u[nd E]r[ze]ngel, ein Kö[nig…] [8–9] UNVERSTÄNDLICHE BUCHSTABENKOMBINATIONEN [10] der (du) s[i]t[zt] auf (dem) h[eiligen] Berg [S]inai , [11] [der (du)] sitzt auf dem Me[e]r , [12] der (du) sitz[t auf] den d[ra]chenar[tigen] Göttern, (du) [Gott, der (du) si]t[z]t [auf der] [13] [S]onne Iao, der (du) sitz[t auf…..], der (du) [sit]z[t a]uf de[m..] […..] [14] Abriel, Luel, […] [ d]as [Sch]lafgemach (der) Che[r]u[b]i[m….] [] [15] i[n] die Ewigkeiten der Ewigk[eit]en, Gott Abaoth, Abrathiaoth, [Sa]ba[oth, A]donai, Stern…..e [16] [u]nd (du) H[er]r des Alls: ich rufe dich an, der (du) ü[ber dem E]rdsch[lund gabst] [17] Macht oben und denen unten und denen unter der Erde; erhöre den, der hat [das] [18] Gebet, (du) Herr, Gott der Hebräer, Epa[g]ael , dem [die] immerwährende Macht (gehört), [Elo]el, [19] Souel; richte den auf, der da[s] Gebet hat [a]us dem Geschlech[t] Israel [u]nd der [20] von dir Begnadeten, Gott (der) Götter, der (du) hast den verborgenen Namen Sabaoth, [21] [] Gott (der) Götter, Amen, Amen, [der (du)] Schnee erschaffst, (der du) auf Sternen üb[e]r (den) Ewigkeiten (bist) u[nd] (sie) immerzu durchwa[nd]erst [u(nd) veranlasst] die [22] nicht-wandelnden und (die) wandelnden S[te]rne zu trachten nach dem All mittels deiner Schöpfer[23] macht; erfülle mich mit Weisheit, ermächt[ig]e mich, Gebieter, fülle mein [24] Herz mit Gutem, Gebieter, wie einen ird[isch]en Engel, wie einen unsterblich [25] [Gew]ordenen, wie einen, der das Geschenk von [di]r empfang[en hat, A]men, Amen. [26] [S]ag siebenmal nach Nor[den] und von d[er S]onne her [das G]e[be]t d[es] Jakob.
1
Zur Textdarbietung im Einzelnen s.o. S. 168.
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
X. VIERTER ESRA ODER APOKALYPSE ESRAS
Die Bezeichnung „Viertes Esrabuch“ basiert auf der Zählung der Vulgata (1. Esra = Esra; 2. Esra = Neh; 3. Esra = Auswahl aus 2 Chr, Esra und Neh, erweitert durch drei weitere Texte). Das Vierte Esrabuch enthält in der Vulgata 16 Kapitel, wovon nur die Kapitel 3–14 zum eigentlichen Vierten Esrabuch gehören. Die übrigen Kapitel sind spätere Zusätze (5. Esra = 4 Esra 1–2; 6. Esra = 4 Esra 15–16). Andere Bezeichnungen für 4 Esra sind „Zweites Esrabuch“ (in der englischsprachigen Literatur) und „Esra-Apokalypse“.1 Das Vierte Esrabuch ist vermutlich zu Beginn des 2. Jh. n.Chr. entstanden. Die Angabe „im 30. Jahr nach der Zerstörung der Stadt“ (4 Esra 3,1; vgl. auch 3,29) bezieht sich binnentextlich auf die Zerstörung Jerusalems im Jahr 587 v.Chr., im Hintergrund steht jedoch die Zerstörung der Stadt durch die Römer im Jahr 70 n.Chr. Leitthema von 4 Esra ist das angefochtene Vertrauen in die weltordnende Macht Gottes. Der Seher Esra klagt über Gottes unbegreifliche Wege. Im Laufe des Buches begreift Esra, dass die göttliche Ordnung erst in einem größeren Zusammenhang, nämlich der Lehre von den beiden Äonen, erkennbar ist. Das Buch besteht aus sieben Visionen mit stark divergierenden Inhalten. 4 Esra ist überliefert in Griechisch (nur wenige Fragmente), Lateinisch, Syrisch, Georgisch (ebenfalls fragmentarisch, aber umfangreicher als die griechischen Fragmente), Äthiopisch und Armenisch, Arabisch sowie Sahidisch (ein Fragment). Die überlieferten Textversionen gehen auf griechische Versionen der hebräischen oder aramäischen, vermutlich in Palästina entstandenen Urfassung zurück. Nach A.F.J. Klijn liegt jeder der vier an erster Stelle genannten Hauptübersetzungen eine andere Fassung derselben griechischen Textfamilie zugrunde.2 Der Text der übrigen basiert auf einer anderen Textfamilie. Die griechischen Vorlagen stammen von christlichen Bearbeitern und waren selbst eigenen Entwicklungen unterworfen. Eine Rekonstruktion des Originals ist nicht möglich. Die stark divergierenden Hauptübersetzungen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Grundlage der hier vorliegenden Gebetspräsentation ist die gebräuchliche lateinische Fassung der Vulgata. 1 Nicht zu verwechseln mit der griechischen Esra-Apokalypse, einer christlich redigierten jüdischen Schrift aus dem 2.–9. Jh. 2 Vgl. KLIJN, Esra-Apokalypse, XIV.
X. VIERTER ESRA ODER APOKALYPSE ESRAS
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Lateinischer Text WEBER, R. / GRYSON, R. (Hg.), Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem, Stuttgart 52007, 1950– 1952 (= BSVC[S]). Deutsche Übersetzung KLIJN, A.F.J. (Hg.), Die Esra-Apokalypse (IV. Esra). Nach dem lateinischen Text unter Benutzung der anderen Versionen (GCS), Berlin 1992. Englische Übersetzung METZGER, B.M., The Fourth Book of Ezra (Late First Century A.D.). With the Four Additional Chapters. A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City 1983, 517–559 (= OTP I). Französische Übersetzung GEOLTRAIN, P., Quatrième Livre d’Esdras, in: A. Dupont-Sommer / M. Philonenko (Hg.), La bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 1393–1470 (= DSPh). Literatur BENSLY, R.L., The Fourth Book of Ezra. The Latin Version Edited from the Mss, with an Introduction by M.R. James (TaS III/2), Cambridge 1895. BERGER, K., Synopse des Vierten Buches Esra und der Syrischen Baruch-Apokalypse, unter Mitarbeit von G. Faßbeck und H. Reinhard (TANZ 8), Tübingen/Basel 1992. BRANDENBURGER, E., Die Verborgenheit Gottes im Weltgeschehen. Das literarische und theologische Problem des 4. Esrabuches (AThANT 68), Zürich 1981. GRY, L., Les Dires prophétiques d’Esdras (IV. Esdras), 2 Bde., Paris 1938. GUNKEL, H., Das vierte Buch Esra, in: E. Kautzsch (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 2: Die Pseudepigraphen des Alten Testaments, Darmstadt 1962 (= Tübingen u.a. 1900), 331–401 (= APAT II). HARNISCH, W., Verhängnis und Verheißung der Geschichte. Untersuchungen zum Zeit- und Geschichtsverständnis im 4. Buch Esra und in der syr. Baruchapokalypse (FRLANT 97), Göttingen 1969. KLIJN, A.F.J. (Hg.), Der lateinische Text der Apokalypse des Esra. Mit einem Index grammaticus von G. Mussies (TU 131), Berlin 1983.
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B.X. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
LEHNARDT, A., Art. Esra/Esrabücher IV. Viertes Esrabuch, in: RGG4 2 (1999), 1586–1588. SÆBØ, M., Art. Esra/Esraschriften, in: TRE 10 (1982), 374–386. SCHREINER, J., Das 4. Buch Esra (JSHRZ V/4), Gütersloh 1981. STONE, M.E., Fourth Ezra. A Commentary on the Book of Fourth Ezra (Hermeneia), Minneapolis 1990. VIOLET, B., Die Esra-Apokalypse (IV. Esra), Erster Teil: Die Überlieferung (GCS 18), Leipzig, 1910.
1. ESRAS DIALOG MIT GOTT UND SEIN GEBET (4 ESRA 8,6–45)
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1. Esras Dialog mit Gott und sein Gebet (4 Esra 8,6–45) 1.1. EINFÜHRUNG Das „Gebet Esras“ findet sich im zweiten Teil der dritten von insgesamt sieben Visionen. Als „Gebet Esras“ im engeren Sinne gilt 4 Esra 8,20–36.1 Es ist eingebettet in einen Dialog Esras mit Gott (V. 6–45).2 Um die schwierige Abgrenzung zwischen Gebet und Noch-nicht-Gebet oder Nicht-mehr-Gebet deutlich zu machen, wurde 4 Esra 8,6–45 als Ganzes zugrunde gelegt. Der erste Abschnitt endet in V. 19 mit einer imperativisch formulierten Bitte Esras um Anhörung und seiner Ankündigung in der ersten Person, er wolle sprechen. In V. 20 wird mit einem deutlichen Bruch in der dritten Person der „Anfang der Worte Esras“ angekündigt. Viel spricht dafür, dass V. 20–36 als in sich geschlossene Einheit nachträglich in den Dialog eingefügt wurden.3 In V. 37–41 antwortet Gott dem Beter in direkter Rede. Das dabei von Gott gebrauchte Bild vom Landmann greift Esra unmittelbar auf (V. 42–45). Strukturell ähnelt Esras Argumentation dem Dialog Abrahams mit Gott in Gen 18,20–33. Sowohl Esra als auch Abraham stellen in Rede und Widerrede die Pläne Gottes in Frage und argumentieren zugunsten der Menschen. Bemerkenswert ist, dass Esra in 4 Esra 8,45 dem Herrn ein deutliches „Nein“ (non) entgegenstellt. Esra erinnert Gott an die Erschaffung eines jeden Menschen im Mutterleib und an seine Bewahrung und Erziehung (V. 6–13). Er fragt, wozu Gottes Wirken dient, wenn am Ende die Vernichtung steht (V. 14).4 Daran anknüpfend leitet Esra über zur Situation des Volkes Israel, der Nachkommenschaft Jakobs (V. 16). Das Kerngebet (V. 20–36) lobt die Macht und Barmherzigkeit Gottes. Der Beter argumentiert, die Güte Gottes drücke sich gerade in seinem Erbarmen über die Ungerechten aus (V. 34–36). Gott gibt Esra Recht (V. 37–41), geht aber nicht auf die Barmherzigkeit den Sündern gegenüber ein. Diese fehlende Anknüpfung stärkt die Vermutung, bei V. 20–36 handle es sich um einen Einschub.
1 SCHREINER, JSHRZ V/4, 293: „Die oratio Esdrae (VIII 20–36), die auch als Canticum im Brevier verwendet wurde, ist in zahlreichen weiteren Hss überliefert.“ LEHNARDT, Esra/Esrabücher IV, 1588: „Der Reichtum an Übersetzungen […] sowie die Rezeption des Gebetes 8,20–36 (‚Oratio Esrae‘) in der mozarabischen Liturgie bezeugen die hohe Wertschätzung des 4Esr in christl. Kreisen.“ 2 Bei den Versen 6–19 und 42–45 handelt es sich um Reden an Gott in der zweiten Person. 3 SCHREINER, JSHRZ V/4, 362, gliedert in Anlehnung an Harnisch wie folgt: „Der Prophet: VIII 4–41: (VIII 4–36), Feststellung und Vergleich (37–41). In den ‚Einwand‘ ist das Gebet Esras (20–36) eingebaut. Offensichtlich antworten 37–41 auf Esras Rede (4–19).“ 4 Vgl. BRANDENBURGER, Verborgenheit, 169–186.
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B.X. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
Die Antwort Gottes greift das Bild vom Samen aus V. 6 (vgl. V. 16) auf und begründet damit die Rettung einiger und das Verderben der Ungerechten (V. 41). Esra knüpft in seiner Entgegnung (V. 42–45) daran an und erklärt, das Gedeihen des Samens liege bei Gott. Gerahmt ist der Dialog durch eine Hinwendung zu Gott als dem Herrn „über uns“ (V. 6.46). Esra erscheint in seinem Gespräch mit Gott als der argumentativ Überlegene.1
1 Das gilt unabhängig davon, ob der Lobpreis Esras (4 Esra 8,20–36) als in sich abgeschlossene nachträgliche Einfügung betrachtet wird.
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B.X. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. LATEINISCHER TEXT1 [6] O Domine super nos, si permittes servo tuo, ut oremus coram te et des nobis semen cordis et sensui culturam unde fructum fiat, unde vivere possit omnis corruptus qui portabit2 locum hominis. [7] Solus enim es, et una plasmatio nos sumus manuum tuarum, sicut locutus es. [8] Et quoniam vivificas nunc in matrice plasmatum corpus [et praestas membra, conservatur in igne et aqua tua creatio et novem mensibus patitur tua plasmatio tuae creaturae quae in eo creata est. [9] Ipsum autem quod servat et quod servatur utraque servabuntur servatione tua. Et quando iterum reddit matrix quae in ea creverint, [10] imperasti ut ex ipsis membris, hoc est mamillis, [praebere lac, fructum mamillarum, [11] ut nutriatur id quod plasmatum est usque in tempus aliquem. Et postea dispones eum tuae misericordiae, [12] enutristi eum tuae iustitiae, et erudisti eum in lege tua et corripuisti eum tuo intellectu, [13] et mortificabis eum ut tuam creaturam et vivificabis eum ut tuum opus. [14] Si ergo perdideris qui tantis laboribus plasmatus est tuo iussu, facili ordine, et ut quid fiebat? [15] Et nunc dicens dicam: De omni homine tu magis scis, de populo autem tuo quod mihi dolet, [16] et de hereditate tua propter quam lugeo, et de Israhel propter quem tristis sum, et de semine Iacob propter quod conturbor. [17] Ideo incipiam orare coram te pro me et pro eis, quoniam video lapsos3 nostros qui inhabitamus terram, [18] sed audivi celeritatem iudicii quod futurum est. [19] Ideo audi meam vocem et intellege sermonum meorum, et loquar coram te. 1
Text und Verszählung nach WEBER/GRYSON, BSVC(S), 1950–1952. Etliche Codices bezeugen portavit. So auch bei VIOLET, Esra-Apokalypse, 220. 3 Fünf Zeugen bieten sed lapsus. 2
1. ESRAS DIALOG MIT GOTT UND SEIN GEBET (4 ESRA 8,6–45)
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1.3. ÜBERSETZUNG [6] O Herr über uns, wenn du doch erlaubtest deinem Knecht, dass wir beten vor dir, und du uns gäbest Herzenssamen und Bildung für den Verstand, von wo aus Frucht werde, von wo aus jeder Verdorbene leben kann, der einnehmen1 wird den Platz2 eines Menschen! [7] Denn der Alleinige bist du, und eine einzige Formung deiner Hände sind wir, wie du gesagt hast. [8] Und da du ja nun im Mutterleib den geformten Körper lebendig machst [und [ihm] Glieder verschaffst, wird in Feuer und Wasser deine Schöpfung bewahrt, und neun Monate lässt sich deine Formung deines Geschöpfes gefallen, was darin geschaffen ist. [9] Es selbst aber, welches bewahrt und welches bewahrt wird, – (sie) beide werden bewahrt durch deine Bewahrung. Und wenn wiederum hergibt der Mutterleib, was in ihm herangewachsen ist, [10] (dann) hast du befohlen, dass aus denselben Gliedern, das heißt den Brüsten, [Milch gewährt werde, die Frucht der Brüste, [11] damit das genährt werde, was geformt worden ist, bis zu einer bestimmten Zeit. Und danach wirst du ihn deiner Barmherzigkeit verfügen, [12] du hast ihn großgezogen für deine Gerechtigkeit, sowohl erzogen hast du ihn in deinem Gesetz als auch ihn ergriffen durch deine Erkenntnis, [13] sowohl töten wirst du ihn als dein Geschöpf als auch ihn lebendig machen als dein Werk. [14] Wenn du also zugrunde gerichtet haben wirst (den), der mit so großen Mühen geformt worden ist durch deinen Befehl, durch einfache Order – wozu wurde er dann? [15] Und nun werde ich (es) deutlich aussprechen3: Über jeden Menschen weißt du mehr [als ich], über dein Volk aber, das mir leid tut, [16] und über dein Erbe, dessentwegen ich klage, und über Israel, dessentwegen ich traurig bin, und über die Nachkommenschaft Jakobs, derentwegen ich mich sorge[, weißt du nichts]. [17] Deswegen werde ich beginnen, vor dir zu beten für mich und für sie, da ich ja sehe unsere Fehltritte, die wir die Erde bewohnen, [18] aber gehört habe ich die Schnelligkeit deines Gerichts, das bevorsteht. [19] Deswegen höre meine Stimme und nimm wahr meine Reden, und ich will reden vor dir.
1
Wörtlich: „tragen wird“. Der syrische Text bezeugt „Gestalt“. 3 Figura etymologica (dicens dicam). 2
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B.X. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[20] Initium verborum Ezrae priusquam adsumeretur, et dixit: Domine qui habitas in saeculum, cuius oculi elati et superna in aerem, [21] et cuius thronus inaestimabilis et gloria inconprehensibilis, cui adstat exercitus angelorum cum tremore, [22] quorum servatio in vento et igni convertitur, cuius verbum verum1 et dicta perseverantia, [23] cuius iussio fortis et dispositio terribilis, cuius aspectus arefecit2 abyssos et indignatio tabescere facit montes [et veritas testificatur. [24] Exaudi, Domine, orationem servi tui et auribus percipe precationem figmenti tui, intende verba mea. [25] Dum enim vivo loquar et dum sapio respondeam. [26] Ne aspicias populi tui delicta, sed qui tibi in veritate serviunt. [27] Nec adtendas impie agentium studia, sed qui tua testimonia3 cum doloribus custodierunt. [28] Neque cogites qui in conspectu tuo false conversati sunt, sed memorare qui ex voluntate tuum timorem cognoverunt. [29] Neque volueris perdere qui pecorum mores habuerunt, sed respicias eos qui legem tuam splendide docuerunt. [30] Neque indigneris eis qui bestiis peius sunt iudicati, sed diligas eos qui semper in tua gloria confiderunt. [31] Quoniam nos et patres nostri mortalibus4 moribus egimus, tu autem propter nos peccatores misericors vocaberis. [32] Si enim desideraveris ut nostri miserearis, tunc misericors vocaberis, nobis enim non habentibus opera iustitiae. [33] Iusti enim, quibus sunt operae multae repositae apud te, [ex propriis operibus recipient mercedem. [34] Quid est enim homo, ut ei indigneris, aut genus corruptibile, ut ita amariceris de ipso? 1
Viele Zeugen bieten firmum. Viele Zeugen bieten artefacit. 3 Viele Zeugen bieten testamenta. 4 Viele Zeugen bieten talibus. 2
1. ESRAS DIALOG MIT GOTT UND SEIN GEBET (4 ESRA 8,6–45)
[20] [Das ist] der Anfang der Worte Esras, bevor er entrückt wurde, und er hat gesagt: Herr, der du wohnst in Ewigkeit, dessen Augen erhoben [sind] und (dessen) Obergemach in der Luft [ist], [21] und dessen Thron unschätzbar und (dessen) Herrlichkeit unfasslich [ist], dem mit Zittern beisteht das Heer der Engel, [22] deren Dienst in Wind und Feuer bewegt wird, dessen Wort wahr [ist] und (dessen) Aussprüche Beständigkeit [sind], [23] dessen Befehl stark und (dessen) Anordnung schrecklich [ist], dessen Anblick die Urfluten austrocknet und (dessen) Unmut die Berge schmelzen lässt [und (dessen) Wahrheit bestätigt wird, [24] erhöre, Herr, das Gebet deines Knechtes, und mit (deinen) Ohren nimm auf das Flehen deiner Kreatur, merke auf meine Worte! [25] Denn solange ich lebe, werde ich sprechen, und solange ich verständig bin, werde ich antworten. [26] Sieh nicht an deines Volkes Vergehen, sondern (die), die dir in Wahrheit dienen, [27] und achte nicht auf die Bemühungen der unfromm Handelnden, sondern (auf die), die deine Zeugnisse mit Schmerzen bewachten, [28] und denke nicht (über die) nach, die vor dir1 falsch gewandelt sind, sondern gedenke (derer), die willentlich deine Furcht erkannt haben, [29] und nicht wollest du (die) verderben, die viehische Sitten2 gehabt haben, sondern mögest achthaben (auf die), die dein Gesetz glänzend gelehrt haben, [30] und nicht wollest du zürnen denen, die für schlimmer als wilde Tiere befunden sind, sondern du mögest lieben die, die immerzu auf deine Herrlichkeit vertraut haben. [31] Denn freilich sind wir und unsere Väter in tödlichen Sitten gewandelt, du aber wirst um uns Sündern willen „barmherzig“ genannt werden. [32] Denn wenn du gewünscht hättest, dass du dich unserer erbarmst, dann wirst du „barmherzig“ genannt werden – gegen uns nämlich, die wir keine Werke der Gerechtigkeit haben. [33] Denn die Gerechten, für die viele [gute] Werke bei dir hinterlegt sind, [werden entsprechend ihren eigenen Werken Lohn empfangen. [34] Denn was ist der Mensch, dass du ihm zürnst, oder das verderbliche Geschlecht, dass du darüber so verbittert bist?
1 2
Wörtlich: „in deinem Anblick“. Wörtlich: „Sitten von Vieh“.
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B.X. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
[35] In veritate enim nemo de genitis est qui non impie gessit, et de confitentibus qui non deliquit. [36] In hoc enim adnuntiabitur iustitia tua et bonitas tua, Domine, cum misertus fueris eis qui non habent substantiam operum bonorum. [37] Et respondit ad me et dixit: Recte locutus es aliqua, et iuxta sermones tuos sic et fiet, [38] quoniam vere non cogitabo super plasma eorum qui peccaverunt aut mortem aut iudicium aut perditionem, [39] sed iucundabor super iustorum figmentum, peregrinationes quoque et salvationes et mercedis receptiones. [40] Quomodo ergo locutus sum, sic et est. [41] Sicut enim agricola serit super terram semina multa et plantationis multitudinem plantat, sed non in tempore non omnia quae seminata sunt salvabuntur, sed nec omnia quae plantata sunt radicabunt, sic et qui in saeculo seminati sunt non omnes salvabuntur. [42] Et respondi et dixi: Si inveni gratiam loquar, [43] quoniam semen agricolae, si non ascenderit – non enim accepit pluviam tuam in tempore – et si corruptum fuerit multitudine pluviae, [44] hoc perit; sed homo qui manibus tuis plasmatus est et tuae imagini1 nominatus, quoniam similatus est per quem omnia plasmasti, et similasti eum semini agricolae. [45] Non2 super nos, sed parce populo tuo et miserere hereditati tuae, tuae enim creaturae misereris.
1
Die Manuskripte bieten eine Reihe von Varianten: tuae imagini (CME und VIOLET, Esra-Apokalypse, 244), tu ei imagine (A), tu ei imago (Sc), tua imago (b). 2 Die Handschrift c ergänzt irascaris.
1. ESRAS DIALOG MIT GOTT UND SEIN GEBET (4 ESRA 8,6–45)
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[35] Denn in Wahrheit gibt es keinen unter den Geborenen, der nicht unfromm gehandelt hat, und (keinen) unter den Bekennenden, der nicht gefehlt hat. [36] Denn darin wird verkündet werden deine Gerechtigkeit und deine Güte, Herr, wenn du dich erbarmt haben wirst derer, die keinen Vorrat guter Werke haben. [37] Und er hat mir geantwortet und gesagt: Recht gesprochen hast du irgendwie, und gemäß deinen Reden, so wird auch es geschehen; [38] denn freilich werde ich wahrhaftig nicht nachdenken über die Form derer, die gesündigt haben, weder (über) den Tod noch (über) das Gericht noch (über) das Verderben, [39] sondern freuen werde ich mich über der Gerechten Erschaffung, auch (über ihre) Heimkehr1 und (über ihr) Heil1 und (über ihren) Lohnempfang1. [40] Wie ich also gesprochen habe, so ist es auch. [41] Denn so, wie ein Landmann viele Samen auf die Erde sät und eine Menge Pflanzen pflanzt, aber weder rechtzeitig alles, was gesät worden ist, gerettet werden wird (d.h. aufgeht), noch auch alles, was gepflanzt worden ist, Wurzeln schlagen wird, so werden auch (die), die in der Welt gesät worden sind, nicht alle gerettet werden. [42] Und ich habe geantwortet und gesagt: Wenn ich Gnade gefunden habe, will ich sprechen. [43] Ja freilich, der Same des Landmannes, wenn er nicht aufgegangen ist – denn er hat deinen Regen nicht rechtzeitig empfangen – beziehungsweise wenn er verdorben worden ist durch die [übermäßige] Menge des Regens, [44] (dann) geht dieser zugrunde; aber der Mensch, der durch deine Händen geformt und für dein Bild2 benannt worden ist, da er ja ähnlich ist durch den, der du alles geformt hast, – hast du ihn auch ähnlich gemacht dem Samen des Landmannes? [45] Nein, (der du) über uns [bist]! Vielmehr schone dein Volk und erbarme dich deines Erbes. Ja, deines Geschöpfes erbarmst du dich.
1
Eigentlich Plural. Neben dem schwer verständlichen Dativ sind in einer Reihe von Manuskripten Varianten verzeichnet (s. lateinischer Text). 2
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
XI. GRIECHISCHE ESRA-APOKALYPSE
Die griechische Esra-Apokalypse (ApcEsr[gr]) steht im Schatten des Vierten Esrabuches. Zur Verwechslung trägt bei, dass der lateinisch überlieferte Vierte Esra ebenfalls als „Esra-Apokalypse“ bezeichnet wird. Thematisch und inhaltlich sind beide Schriften eng verwandt. Eine Abhängigkeit der griechischen Esra-Apokalypse vom Vierten Esrabuch oder zumindest die Verarbeitung gemeinsamer Quellen und Traditionen gilt als wahrscheinlich. Nahe steht der griechischen Esra-Apokalypse die Sedrach-Apokalypse, die entweder aus der griechischen EsraApokalypse schöpft oder mit ihr gemeinsame Quellen teilt.1 Zeitlich ist die Entstehung der griechischen Esra-Apokalypse frühestens am Beginn des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts zu verorten.2 In der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurde neben der von K. von Tischendorf herausgegebenen Pariser Handschrift aus dem 15. Jh. (gr. 929) ein zweites Manuskript bekannt.3 Die pseudepigraphische griechische Esra-Apokalypse ist intensiv christlich überarbeitet und ergänzt worden.4 Zu den Charakteristika der Schrift zählen Gebete, Fasten und insbesondere Esras Fürbitte für die Sünder. Laut U.B. Müller haben wir es bei der griechischen Esra-Apokalypse mit einer „ursprünglich wohl jüdischen Schrift“ zu tun, „die auf dem Boden alttestamentlich-jüdischer Tradition das Theodizeeproblem in der Form eines Rechtsstreits des Propheten Esra mit Gott behandelt.“5 Damit berührt die Schrift ein Zentralmotiv des Hiobbuches. Esra wird durch Himmel und Unterwelt geführt und erfährt vom Lohn für die Gerechten und von den Strafen für die Sünder. Esra „rechtet“ darüber mit Gott und stellt wie in 4 Esra 8,14 die Frage, ob es nicht besser wäre, der Mensch würde gar nicht erst geboren (ApcEsr[gr] 1,6). Auf Esras Fürbitten reagiert Gott wie im Hiobbuch mit Hinweisen auf seine Allmacht. Am Ende der Apokalypse fügt sich Esra in den Willen Gottes, und Gott sagt dem sterbenden Esra die Erfüllung des Erbetenen zu (ApcEsr[gr] 8,13; vgl. 4 Esra 8,37). 1
Vgl. MÜLLER, JSHRZ V/2, 87. Vgl. MÜLLER, JSHRZ V/2, 90. 3 Vgl. WAHL, Apocalypsis, 11. 4 Vgl. z.B. ApcEsr(gr) 7,1: „Höre, Esra, mein Geliebter! Ich war unsterblich, und doch hatte ich das Kreuz auf mich genommen, Essig und Galle habe ich geschmeckt, ins Grab wurde ich gelegt.“ Vgl. Mt 27,31–60 mit Anspielung auf Ps 69,22. 5 MÜLLER, JSHRZ V/2, 88. 2
XI. GRIECHISCHE ESRA-APOKALYPSE
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G riechischer Text DENIS, A.-M., Concordance grecque des pseudépigraphes d’Ancien Testament. Concordance, corpus des textes, indices, avec la collaboration d’Y. Janssens, Louvain-la-Neuve 1987, 871– 873. WAHL, O. (Hg), Apocalypsis Esdrae. Apocalypsis Sedrach. Visio Beati Esdrae (PVTG 4), Leiden 1977. Deutsche Übersetzung MÜLLER, U.B., Die griechische Esra-Apokalypse (JSHRZ V/2), Gütersloh 1976, 85–102. Englische Übersetzung STONE, M.E., Greek Apocalypse of Ezra (Second to Ninth Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City 1983, 561–579 (= OTP I). Französische Übersetzung ELLUL, D., Apocalypse d’Esdras, in: F. Bovon / P. Geoltrain (Hg.), Écrits apocryphes chrétiens, Bd. 1 (Bibliothèque de la Pléiade 442), Paris 1997, 547–571. Literatur DIETRICH, E.L., Die rabbinische Kritik an Gott, in: ZRGG 7 (1955), 193–224. DENIS, A.-M., Introduction aux pseudépigraphes grecs d’Ancien Testament (SVTP 1), Leiden 1970, 91–96. FIENSY, D.A., Revelation of Ezra (prior to Ninth Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 1: Apocalyptic Literature and Testaments, Garden City 1983, 601–604 (= OTP I). SHUTT, R.J.H., The Apocalypse of Esdras, in: H.F.D. Sparks (Hg.), The Apocryphal Old Testament, Oxford 1984, 927–941 (= AOT). VOLZ, P., Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter. Nach den Quellen der rabbinischen, apokalyptischen und apokryphen Literatur, Hildesheim 1996 (= Tübingen 21934; 1. Aufl. u.d.T.: Jüdische Eschatologie von Daniel bis Akiba, Tübingen 1903).
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B.XI. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1. Schlussgebet Esras für die Rezipienten des Buches (ApcEsr[gr] 7,5–13)1 1.1. EINFÜHRUNG Das hier gebotene Gebet aus der griechischen Esra-Apokalypse weist eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit dem Gebet in 4 Esra 8,20–36 auf. In beiden Texten spielt Esras fürbittendes und rechtendes Eintreten vor Gott für die Sünder eine zentrale Rolle. Beide Gebete beginnen mit einem Lobpreis Gottes: Er ist der machtvolle Herr über seine Schöpfung und Anführer der Cherubinen (ApcEsr[gr] 7,5f.) bzw. der Engelheere (4 Esra 8,21f.). In der griechischen Esra-Apokalypse erscheint im Schlussgebet – im Unterschied zu den vorangegangenen Abschnitten – nur noch eine einzige Fürbitte. Konkret wird um Segen gebeten für den Abschreiber und Tradenten des Buches und darum, dass seiner Unrechtstaten nicht gedacht werden möge. In dieser Fürbitte wird zunächst um Segen gebeten (ApcEsr[gr] 7,9f.), dann folgt ein Fluch über diejenigen, die dem Buch keinen Glauben schenken: Ihnen möge es ergehen wie Sodom und Gomorrha (V. 12). Im Unterschied dazu beginnen die Wünsche im vierten Esrabuch mit der Bitte, der Sünden nicht zu gedenken (4 Esra 8,26–30a), gefolgt von der Nennung der positiven Alternative, die Gott stattdessen berücksichtigen möge. Der Fluch aus ApcEsr(gr) 7,12 hat im Gebet in 4 Esra keine Entsprechung. Das Schlussgebet der griechischen Esra-Apokalypse (ApcEsr[gr] 7,5–13) dient primär der Sicherung der Tradierung der Schrift mittels Segen und Fluch. Die im Gebet gebrauchten Motive erweisen seinen Autor als einen im Umgang mit der jüdischen Überlieferung versierten Schriftsteller. So erwähnt er nach seinem Rekurs auf den allmächtigen Schöpfer den Propheten Elia und seine Entrückung in den Himmel (ApcEsr[gr] 7,6), womit der Autor bereits auf Esras Ende hindeutet. Seinen Segen über die Gläubigen und den Kopisten des Buches stellt er in die Tradition des Segens Jakobs über seinen Sohn Joseph. Unmittelbar im Anschluss an das Gebet in ApcEsr(gr) 7,5–12 bestätigt eine Himmelsstimme, Esra sei der Geliebte Gottes, und es heißt parallel zu 4 Esra 8,37, alles werde geschehen, wie von Esra erbeten (ApcEsr[gr] 7,13). Das Gebet in der griechischen Esra-Apokalypse ist ein Anknüpfungspunkt für christliche Überarbeitungen oder Ergänzungen. So schließt die überlieferte Fassung mit einem Lobpreis auf den dreieinigen Gott.2 1
D, 873; WAHL, Apocalypsis, 33f.; MÜLLER, JSHRZ V/2, 99f.; OTP I, 578f. Vgl. ApcEsr(gr) 7,16: „Ihm ziemt Herrlichkeit, Kraft, Ehre und Anbetung, dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, jetzt und immer und in alle Ewigkeiten. Amen.“ Dazu bemerkt MÜLLER, JSHRZ V/2, 100: „Dieser christliche Schluß ist wohl nachträglich angefügt.“ 2
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B.XI. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [5] Καὶ τότε ἤρξατο λέγειν ὁ μακάριος Ἐσδράμ· Ὁ θεὸς ὁ αἰώνιος, ὁ πάσης τῆς κτίσεως δημιουργός, ὁ τὸν οὐρανὸν μετρήσας σπιθαμὴν [καὶ τὴν γῆν κατέχων δρακί, [6] ὁ ἡνιοχῶν τὰ Χερουβίμ, ὁ ἅρματι πυρίνῳ εἰς τοὺς οὐρανοὺς ἄρας τὸν προφήτην Ἠλίαν, [7] ὁ διδοὺς τροφὴν πάσῃ σαρκί, ὃν πάντα φρίσσει καὶ τρέμει ἀπὸ προσώπου δυνάμεώς σου, [8] ἐπάκουσόν μου τὸν πολλὰ σοι δικασάμενον, [9] καὶ δὸς πᾶσι τοῖς μεταγράφουσιν τὸ βιβλίον τοῦτο καὶ ἔχουσιν αὐτὸ [καὶ μνημονεύουσιν τοῦ ὀνόματός μου καὶ ἐπιτελοῦσιν τὴν μνήμην μου, δὸς αὐτοῖς εὐλογίαν οὐρανόθεν· [10] καὶ εὐλόγησον αὐτοῦ πάντα ὥσπερ καὶ τὰ ἔσχατα τοῦ Ἰωσήφ, [11] καὶ μὴ μνησθῇς ἀνομιῶν ἀρχαίων αὐτοῦ ἐν ἡμέρᾳ κρίσεως αὐτοῦ. [12] Ὅσοι δὲ μὴ πιστεύσαντες τὸ βιβλίον τοῦτο, κατακαυθήσονται ὡς τὰ Σόδομα καὶ Γόμορρα. [13] καὶ ἦλθεν αὐτῷ φωνὴ λέγουσα· Ἐσδράμ, ἀγαπητέ μου, πάντα ὅσα ᾐτήσω ἀποδώσω ἑνὶ ἑκάστῳ.
1
Text und Verszählung nach WAHL, PVTG 4, 33f.
1. SCHLUSSGEBET ESRAS FÜR DIE REZIPIENTEN DES BUCHES (APCESR[GR] 7,5–13)
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1.3. ÜBERSETZUNG [5] Und dann begann zu sprechen der glückselige Esra: (Du) ewiger Gott, (du) Schöpfer der gesamten Schöpfung, der (du) den Himmel ausgemessen hast eine Handspanne (lang) [und die Erde festhältst mit (der) hohlen Hand;1 [6] der (du) lenkst die Cherubinen,2 der (du) mit einem feurigen Wagen den Propheten Elia gen Himmel3 erhoben hast,4 [7] der (du) gibst Speise allem Fleisch, vor dem alles erschaudert und zittert vor dem Antlitz deiner Macht, [8] erhöre mich, der vieles (mit) dir gerechtet hat, [9] und gib allen, die dieses Buch abschreiben und es behalten [und meines Namens gedenken und mein Gedächtnis vollenden – gib ihnen Segen vom Himmel her; [10] und segne seinen ganzen Besitz5, genauso wie [es] das Vermächtnis6 des Joseph [sagt], [11] und gedenke nicht seiner uralten Unrechtstaten am Tage des Gerichts über ihn7. [12] Alle aber, die dieses Buch nicht treu bewahren, sollen verbrannt werden wie Sodom und Gomorrha. [13] Und es kam eine Stimme zu ihm, die sprach: Esra, mein Geliebter, alles, was du erbeten hast, werde ich einem jeden geben.
1
Vgl. Jes 40,12; Barn 16,2. Vgl. LXX Ps 79,2; 98,1; Dan (Sus) 3,55. 3 Wörtlich: „in die Himmel“. 4 Vgl. 2 Kön 2,11. 5 Wörtlich: „sein Alles“. 6 Wörtlich: „das Letzte“, d.h. die letzten Worte, die Mose über dem Stamm Joseph (Genitivus obiectivus) aussprach (vgl. Dtn 33,13–17). 7 Wörtlich: „am Tage seines Gerichts“ (Genitivus obiectivus, wie in V. 10). 2
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B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
XII. PARALIPOMENA JEREMIAE (VIERTER BARUCH)
Die Paralipomena Jeremiae („Hinterlassenschaften Jeremias“) deuten die Zerstörung des zweiten jüdischen Tempels (70 n.Chr.) mithilfe von Erzählungen um die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar (587 v.Chr.) und die Rückkehr von Teilen des Volkes aus dem babylonischen Exil nach 66 Jahren.1 Die Entstehung der Schrift wird in zeitlicher Nähe zur Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstands vermutet (135/136 n.Chr.).2 Die in verschiedenen Sprachen3 und in einer Lang- und einer Kurzfassung überlieferte, ursprünglich griechische Schrift steht der syrischen Baruch-Apokalypse nahe (2 Bar).4 Zum Inhalt: Auf Gottes Weisung hin verbirgt der Prophet Jeremia die Tempelgeräte und schickt Abimelech (vgl. Ebed-Melech in Jer 38,7–12) in Agrippas Weingarten, um Feigen zu holen. Abimelech schläft ein und erwacht nach 66 Jahren. Er findet Baruch, den Sekretär des Jeremia, der die frisch gebliebenen Feigen und die Worte Abimelechs als Zeichen für die bevorstehende Rückkehr der Exulanten nach Jerusalem deutet. Die Erzählung überbrückt die Zeitspanne zwischen Wegführung und Rückkehr.5 Ein Adler befördert einen Brief Baruchs nach Babylon. Darin wird Jeremia zur Rückführung der Verbannten aufgefordert. Zutritt zur Heiligen Stadt sollen jedoch nur diejenigen erhalten, die sich von ihren nicht-jüdischen Ehepartnern trennen und allem „Unjüdischen“ entsagen.6 Der Auszug aus Babylon ist der Exodus-Darstellung angeglichen, Jeremia erscheint in Analogie zu Mose und Josua.7 Denen, die nicht zur Trennung von ihren Ehepartnern bereit sind, bleibt die Rückkehr nach Jerusalem verwehrt. Sie gründen als neue Heimstatt die Stadt Samaria. Im letzten Kapitel bringt Jeremia ein Opfer dar und betet; währenddessen gibt er seine Seele auf und wird beklagt. 1 Vgl. NICKELSBURG, in: JWSTP, 74: “The apocalypses of 4 Ezra and 2 Baruch testify to the fact that Nebuchadnezzar’s destruction of Jerusalem was viewed as a prototype of the destruction of 70 C.E. A similar typology seems to be operative here.” 2 Vgl. NICKELSBURG, in: JWSTP, 74f.; MEYER, Paralipomena, 103. 3 Nämlich auf Griechisch, Äthiopisch, Armenisch, Slavisch und Rumänisch. 4 Vgl. RYSSEL, in: APAT II, 403; NICKELSBURG, in: JWSTP, 75. 5 Vgl. NICKELSBURG, in: JWSTP, 74. 6 SCHALLER, Jeremiaschriften, 425, vermutet als Entstehungsumfeld der Paralipomena Jeremiae ein „rel. unspezifisches Milieu griechischsprachigen Judentums im jüd. Mutterland“. 7 Vgl. NICKELSBURG, in: JWSTP, 73.
XII. PARALIPOMENA JEREMIAE (VIERTER BARUCH)
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Im Anschluss an ParJer 9,91 folgt ein christlich geprägter Schlussteil (ParJer 9,10– 32).2 Bis dahin allerdings finden sich keine genuin christlichen Anspielungen; erwartet wird ansonsten zwar die Rückkehr aus dem Exil, nicht aber der Messias (Jesus).3
G riechischer Text KRAFT, R.A. / PURINTUN, A.-E., Paraleipomena Jeremiou (SBLTT 1 / PsES 1), Missoula 1972. Deutsche Übersetzung SCHALLER, B., Paralipomena Jeremiou (JSHRZ I/8), Gütersloh 1998. Englische Übersetzung ROBINSON, S.E., 4 Baruch (First to Second Centuries A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the “Old Testament” and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works, Garden City 1985, 413–425 (= OTP II). Französische Übersetzung RIAUD, J., Paralipomènes de Jérémie, in: A. Dupont-Sommer / M. Philonenko (Hg.), La bible. Écrits intertestamentaires (Bibliothèque de la Pléiade 337), Paris 1987, 1731–1763 (= DSPh). Literatur BOGAERT, P.-M., Apocalypse de Baruch. Introduction, traduction du syriaque et commentaire, 2 Bde. (SC 144/145), Paris 1969. DELLING, G., Jüdische Lehre und Frömmigkeit in den Paralipomena Jeremiae (BZAW 100), Berlin 1967. DENIS, A.-M., Introduction aux pseudépigraphes grecs d’Ancien Testament (SVTP 1), Leiden 1970, 70–78.
1
Vgl. RYSSEL, in: APAT II, 403: „Auch hier ist es geraten, den sehr unvermittelt auftretenden Schluß nicht für ursprünglich zu halten und deshalb jüd. Ursprung für den Kern anzunehmen.“ 2 Abweichende Verszählung bei SCHALLER, JSHRZ I/8, 751–756: ParJer 9,11–32. 3 Vgl. NICKELSBURG, in: JWSTP, 74.
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B.XII. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
HARRIS, J.R., The Rest of the Words of Baruch. A Christian Apocalypse of the Year 136 A. D. The Text Revised with an Introduction, London 1889. HERZER, J., Alttestamentliche Traditionen in den Paralipomena Jeremiae als Beispiel für den Umgang frühjüdischer Schriftsteller mit ‚Heiliger Schrift‘, in: M. Hengel / H. Löhr (Hg.), Schriftauslegung im antiken Judentum und im Urchristentum (WUNT 73), Tübingen 1994, 114–132. –, Die Paralipomena Jeremiae. Studien zu Tradition und Redaktion einer Haggada des frühen Judentums (TSAJ 43), Tübingen 1994. MEYER, R., Art. Paralipomena Jeremiae, in: RGG3 5 (1961), 102f. NICKELSBURG, G.W.E., Narrative Traditions in the Paralipomena of Jeremiah and 2 Baruch, in: CBQ 35 (1973), 60–68. –, Stories of Biblical and Early Post-Biblical Times, in: M.E. Stone (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus (CRINT II/2), Assen – Philadelphia 1984, 33–87 (= JWSTP). PRIJS, L., Die Jeremia-Homilie Pesikta Rabbati Kapitel 26. Eine synagogale Homilie aus nachtalmudischer Zeit über den Propheten Jeremia und die Zerstörung des Tempels. Kritische Edition nebst Übersetzung und Kommentar, Stuttgart u.a. 1966. RIAUD, J., Abimélech, personnage-clé des Paralipomena Jeremiae?, in: DHA 7 (= CRHA 44) (1981), 163–178. –, La figure de Jérémie dans les Paralipomena Jeremiae, in: A. Caquot / M. Delcor (Hg.), Mélanges bibliques et orientaux, FS H. Cazelles (AOAT 212), Kevelaer – Neukirchen-Vluyn 1981, 373–385. –, Les Paralipomena Jeremiae dependent-ils de II Baruch?, in: Sileno 9 (1983), 105–128. SCHALLER, B., Is the Greek Version of the Paralipomena Jeremiou Original or a Translation?, in: JSPE 22 (2000), 51–89. STONE, M.E., Art. Baruch, Rest of the Words of, in: EJ 4 (1971), 276f. THORNHILL, R., The Paraleipomena of Jeremiah, in: H.F.D. Sparks (Hg.), The Apocryphal Old Testament, Oxford 1984, 813–833 (= AOT). WOLFF, C., Irdisches und himmlisches Jerusalem – Die Heilshoffnung in den Paralipomena Jeremiae, in: ZNW 82 (1991), 147–158.
1. DAS OPFERGEBET DES JEREMIA (PARJER 9,3–6)
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1. Das Opfergebet des Jeremia (ParJer 9,3–6)1 1.1. EINFÜHRUNG Mit dem dreifachen ἅγιος („heilig, heilig, heilig“) eröffnet der Autor der Paralipomena Jeremiae am Ende der Schrift (ParJer 9,3) einen konkreten Assoziationsrahmen. Es ist im antiken jüdischen Kontext nur schwer vorstellbar, bei der pointierten Einleitung eines Gebets mit dem Trishagion nicht an Jesaja und seine Vision zu denken: Der betende Jeremia steht damit gleichsam neben dem Propheten Jesaja (Jes 6,3)2 vor dem Thron Gottes. Eine Parallele bietet die Darstellung des Sehers im himmlischen Thronsaal in der Johannesoffenbarung (Offb 4,8). Eine zusätzliche Übereinstimmung zwischen Jes 6 und dem Gebet in den Paralipomena Jeremiae ist die Rede von den Seraphim. Die hier genannte Festlegung auf zwei Seraphim ergibt sich aus dem Text der Septuaginta (JesLXX 6,2) und findet sich mehrfach in der Auslegungsliteratur zu Jes 6.3 Wird durch solche Anspielungen eine Beziehung zwischen zwei Texten hergestellt, ist nach weiteren Berührungspunkten zu fragen. Die das Gebet abschließende Anrufung Gottes als des „Herrn der Schöpfung“ (ParJer 9,6), in dem alle Dinge noch vor ihrem Werden vorhanden waren, stellt eine Kontinuität der Weltgeschichte her: Alles, was geschehen und verheißen ist, bildet eine Einheit. Jesajas Wort vom verheerten und entvölkerten Land (Jes 6,11f.) musste sich notwendig ebenso erfüllen wie die Verheißung des Stumpfes, der als heiliger Same übrig bleibt (V. 13). Diese Visionen Jesajas werden Wirklichkeit im Propheten Jeremia: Der Autor der Paralipomena Jeremiae lässt die Verbannten heimkehren. Im Gebet erwähnt er das „Hineinführen der Gerechten“ (ParJer 9,5). Ist ein solcher Erfüllungsrahmen eröffnet, dann legt es sich nahe, in den erwähnten „lebendigen Bäumen“ (ParJer 9,3) die Ableger des in Jes 6,13 genannten Stumpfes zu sehen. Das Gebet des Propheten Jeremia in ParJer 9,3–6 schließt damit den Kreis, der mit der Berufung und Vision des Propheten Jesaja in Jes 6 eröffnet worden war. Der Autor der Paralipomena Jeremiae stellt nicht nur Jeremia, sondern mit den „heiligen Bäumen“, für die um Räucherwerk gebeten wird, auch die treu gebliebenen Heimkehrer vor den Thron Gottes.4
1 KRAFT/PURINTUN, Paraleipomena, 44; D, 865; OTP II, 424; SCHALLER, JSHRZ I/8, 747–750; DSPh, 1759f. 2 Vgl. SCHALLER, JSHRZ I/8, 748. 3 Nachweise bei SCHALLER, JSHRZ I/8, 749. 4 Zu Deutungsvorschlägen für die ungewöhnliche Metapher vgl. SCHALLER, JSHRZ I/8, 748f.
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B.XII. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] ἔμειναν δὲ οἱ τοῦ Ἰερεμίου [χαίροντες καὶ ἀναφέροντες θυσίας ὑπὲρ τοῦ λαοῦ ἐννέα ἡμέρας. [2] τῇ δὲ δεκάτῃ ἀνήνεγκεν Ἰερεμίας μόνος θυσίαν. [3] καὶ ηὔξατο εὐχὴν λέγων ἅγιος ἅγιος ἅγιος2 τὸ θυμίαμα τῶν δένδρων τῶν ζώντων τὸ φῶς τὸ ἀληθινὸν τὸ φωτίζον με ἕως οὗ ἀναληφθῶ 3πρός σέ3 περὶ τοῦ ἐλέους4 σου παρακαλῶ περὶ τῆς φωνῆς τῆς γλυκείας τῶν δύο Σεραφὶμ [4] παρακαλῶ περὶ ἄλλης εὐωδίας θυμιάματος. [5] καὶ ἡ μελέτη μου Μιχαὴλ5 ὁ ἀρχάγγελος τῆς δικαιοσύνης ὁ ἀνοίγων τὰς πύλας τοῖς δικαίοις ἕως ἂν εἰσενέγκῃ τοὺς δικαίους. [6] παρακαλῶ σε κύριε παντοκράτωρ πάσης κτίσεως ὁ ἀγέννητος6 καὶ ἀπερινόητος ᾧ7 πᾶσα κρίσις8 κέκρυπται ἐν αὐτῷ πρὸ τοῦ ταῦτα γενέσθαι. [7] ταῦτα λέγοντος τοῦ Ἰερεμίου [καὶ ἱσταμένου ἐν τῷ θυσιαστηρίῳ μετὰ Βαροὺχ καὶ Ἀβιμέλεχ ἐγένετο ὡς εἷς τῶν παραδιδόντων τὴν ψυχὴν αὐτοῦ.9
1 Text und Verszählung nach D, 865. KRAFT/PURINTUN, Paraleipomena, 44, haben eine abweichende Verszählung und abweichende Interpunktion. 2 Vgl. Jes 6,3. 3 Richtige Akzentuierung: πρὸς σὲ. Vgl. KRAFT/PURINTUN, Paraleipomena, 44. 4 KRAFT/PURINTUN, Paraleipomena, 44, lesen: περὶ τοῦ ἔλεώς σου. 5 SCHALLER, JSHRZ I/8, 749, Anm. 5, bietet ᾖ ἡ μελέτη μου Μιχαήλ als Konjekturvorschlag. 6 SCHALLER, JSHRZ I/8, 750, Anm. 6b, vermutet ἀγένητος („ungeworden“) als ursprüngliche Lesart, die von christlichen Abschreibern zu ἀγέννητος („ungezeugt“) verändert worden sei. 7 Semitismus, entsprechend dem hebräischen Relativum. 8 SCHALLER, JSHRZ I/8, 751, Anm. 6e, vermutet ein ursprüngliches κτίσις und wird dabei gestützt von einem (kleineren) Teil der Überlieferung. 9 Hebraismus. Vgl. SCHALLER, JSHRZ I/8, 751, Anm. 7. SCHALLER zählt die Zeile als Vers 8.
1. DAS OPFERGEBET DES JEREMIA (PARJER 9,3–6)
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1.3. ÜBERSETZUNG [1] Es verweilten aber die [Gefährten] des Jeremia [sich freuend und Opfer für das Volk darbringend neun Tage lang. [2] Am zehnten [Tag] aber brachte Jeremia allein ein Opfer dar.1 [3] Und er begann ein Gebet zu beten2, indem er sprach: [Du] Heiliger, Heiliger, Heiliger, (du) Räucherwerk der lebendigen Bäume,3 (du) wahres Licht, das mich erleuchtet, bis dass ich aufgenommen werde zu dir um deines Erbarmens willen, [dich] rufe ich an um der süßen Stimme der beiden Seraphim willen, [4] [dich] rufe ich an um eines anderen Räucherwerks Wohlgeruchs willen. [5] Und mein Fürsprecher4 [ist] Michael, der Erzengel der Gerechtigkeit, der die Pforten öffnet für die Gerechten, bis dass er hineinbringt die Gerechten. [6] Ich rufe dich an, Herr, Allmächtiger (über) die ganze Schöpfung, (du) Ungezeugter und Unbegreiflicher, in welchem die ganze Schöpfung5 verborgen war, bevor dieses entstanden ist. [7] Während Jeremia das sagte [und zusammen mit Baruch und Abimelech an dem Brandopferaltar stand, (da) wurde er wie einer derer, die ihre6 Seele aufgeben.
1
Zwischen dem jüdischen Neujahr und dem Versöhnungstag liegen zehn Tage. Das allein von Jeremia durchgeführte Opfer dürfte deshalb als Opfer am Jom Kippur verstanden worden sein. Vgl. dazu auch SCHALLER, JSHRZ I/8, 747f., Anm. 2a. 2 Figura etymologica. 3 Der Beter nimmt offenbar Bezug auf das Motiv vom Lebensbaum und bezeichnet Gott als den, der selbst ein wohlriechendes Räucherwerk aus lauter Lebensbäumen ist. Davon unterscheidet der Beter das von ihm dargebrachte, „andere“ Räucherwerk (V. 4). 4 Wörtlich: „meine Fürsorge“ (Metonymie). 5 So im Anschluss an die textkritische Entscheidung bei SCHALLER, JSHRZ I/8, 751, Anm. 6e. 6 Wörtlich: „seine“ (constructio ad sensum, Bezugspunkt: εἷς).
200
B. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
XIII. GRABSTELEN AUS RHENEIA
Der Text dieses Rachegebets ist dreifach belegt. Die hier präsentierte Fassung eines Gebets für Heraklea findet sich sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite eines Grabsteins, der heute in Bukarest aufbewahrt wird.1 Ein zweiter Grabstein mit einem weitgehend gleichlautenden Gebet für Martine steht in Athen.2 Entdeckt wurden beide Grabsteine 1834 auf Rheneia, einer zehn Quadratkilometer großen Kykladen-Insel, etwa neun Kilometer südwestlich von Mykonos. Rheneia diente als Begräbnisplatz für die verstorbenen Bewohner der westlich gelegenen und nur durch einen schmalen Meeresarm (400–1100 Meter breit) getrennten Insel Delos. Diese wiederum nur ca. fünf Quadratkilometer große Ägäis-Insel spielte in der antiken Mythologie eine nicht unbedeutende Rolle.3 Als Geburtsort von Apollon und Artemis beherbergte Delos bedeutende Tempel und Kultstätten, darunter das nach Delphi bedeutendste Apollonheiligtum.4 Auf Delos durften Menschen weder geboren noch begraben werden. Die Insel beherbergte die athenische Bundeskasse (seit 454 v.Chr.) und wurde 426 v.Chr. durch die Athener von allen Gräbern gereinigt.5 Die Zerstörungen durch Mithridates VI. im Jahre 88 v.Chr. und durch die Seeräuber 69 v.Chr. führten zur bleibenden Entvölkerung und Verödung der Insel. Diese Fixdaten und die Art der Buchstaben auf den beiden Grabsteinen erlauben eine vergleichsweise genaue Datierung auf die Wende vom zweiten zum ersten Jahrhundert.6 Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Insel kam die jüdische Gemeinde auf Delos stärker als andere Gemeinden in ihrem Alltag mit paganen Kulten in Berührung und konnte sich den auf der Insel üblichen „heiligen“ Bräuchen nicht entziehen. Die beiden Verstorbenen (Heraklea und Martine) tragen die Namen griechischer Götter (Herakles und Mars). Der auf den Grabsteinen abgebildete Gebetsgestus ist sowohl im paganen Kontext als auch im jüdisch-christlichen Umfeld mehrfach belegt (vgl. 1
Vgl. DEISSMANN, Licht, 351–362. Nach der Nummerierung bei NOY/PANAYOTOV/BLOEDHORN, IJO I, 235–242, trägt der Stein der Martine in Athen die Nr. 71 und der von Heraklea in Bukarest die Nr. 70. 3 Vgl. auch zu den folgenden Angaben MEYER, Delos, 699f. 4 Vor der Geburt der beiden Kinder der Leto war der Sage nach Delos eine „schwimmende Insel“. Möglicherweise hat die Erzählung ihren Ursprung in dem durch wechselnde Strömungen kalter und warmer Luft hervorgerufenen Eindruck, die Inseln des umgebenden Meeres entfernten oder näherten sich. 5 Für die Archäologie ist die „Rheneia-Grenze“ als Datierungsfixpunkt von großer Bedeutung. 6 Vgl. VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 137. 2
XIII. GRABSTELEN AUS RHENEIA
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1 Tim 2,8).1 Bemerkenswert an den drei Inschriften ist ihre sorgfältige Gestaltung; die sonst häufig begegnenden Versehen fehlen weitgehend.2
Text DEISSMANN, A., Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, Tübingen 41923, 351–362. Deutsche Übersetzung BERGMANN, J., Die Rachegebete von Rheneia, in: Phil 70 (1911), 503–510. Englische Übersetzung VAN DER HORST, P.W., Ancient Jewish Epitaphs. An introductory survey of a millennium of Jew-
ish funerary epigraphy (300 BCE – 700 CE) (CBET 2), Kampen 1991, 148f. Französische Übersetzung COUILLOUD, M.-T., Les monuments funéraires de Rhénée (Exploration archéologique de Délos XXX), Paris 1974, 214f., Nr. 485. Literatur CUMONT, F., Il Sole vindice dei delitti ed il simbolo delle mani alzate, in: MPARA 1/1 (1923), 65–80. GAGER, J. G. (Hg.), Curse Tablets and Binding Spells from the Ancient World, New York/Oxford 1992. MEYER, E., Art. Delos, in: LAW 1 (1991 [= 1965]), 699f. NOY, D. / PANAYOTOV, A. / BLOEDHORN, H., Inscriptiones Judaicae Orientis, Bd. 1: Eastern Europe (TSAJ 101), Tübingen 2004. STÖKL BEN EZRA, D., The Impact of Yom Kippur on Early Christianity. The Day of Atonement from Second Temple Judaism to the Fifth Century (WUNT 163), Tübingen 2003. 1
Vgl. VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 137f. Als orthographische Unregelmäßigkeiten sind ἐχχέαντας anstelle von ἐκχέαντας (von ἐκχεῖν, vgl. DtnLXX 19,10) und ἄνγελοι statt ἄγγελοι zu nennen. Dagegen ist die Verbindung von „Seele“ im Singular mit einem Prädikat im Plural in der dritt- und viertletzten Zeile mit VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 142, als constructio ad sensum zu werten. Um einen Fehler handelt es sich bei ζητήσεις καί statt καὶ ζητήσεις. 2
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B.XIII. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
STUCKENBRUCK, L.T., Angel Veneration and Christology. A Study in Early Judaism and in the Christology of the Apocalypse of John (WUNT II/70), Tübingen 1995. VAN DER HORST, P.W. / NEWMAN, J.H., Early Jewish Prayers in Greek. A Commentary (CEJL), Berlin/New York 2008, 136–143.
1. DAS „RACHEGEBET FÜR HERAKLEA“
203
1. Das „Rachegebet für Heraklea“1 1.1. EINFÜHRUNG Die Klassifizierung als „jüdisch“ ist weniger eindeutig, als die Titulatur („Ein Gebet um Rache für die Jüdin Heraklea“) vermuten lässt. Bei den Namen der beiden unverheirateten Mädchen oder Frauen handelt es sich um weibliche Formen griechischer Götternamen (Herakles und Mars). „Heraklea“ ist für Jüdinnen sonst nicht belegt. Die Anrufung Gottes als des Höchsten ist sowohl im jüdischen als auch im paganen Kontext geläufig,2 und die Bezeichnung Gottes als des alles Überblickenden ist im Zusammenhang mit den erhobenen Händen auch als Hinwendung zur Sonne oder zum Gott der Sonne denkbar.3 Einzelne Elemente wie etwa die Aufforderung zur Schnelligkeit der Rache (unter Einbezug von Engeln) erinnern an magische Papyri. In eine ähnliche Richtung weist die Umschreibung der Todesursache: φαρμακεύειν deutet nicht notwendig auf Vergiftung hin. Das Gebet spricht alternativ von Ermordung oder Vergiftung, wobei letztere nicht zwingend an eine Substanz gebunden ist. Gift wird häufiger mit ἰός bezeichnet. In der Septuaginta begegnen φαρμακεύειν oder dessen Derivate mehrfach im Kontext magischer Praktiken (vgl. 2 Chr 33,6; PsLXX 57,6.). Im Sinne einer (Selbst-)Vergiftung erscheint das Verbum in 2 Makk 10,13.4 Angesichts des unerklärlichen Todes zweier junger Mädchen/Frauen scheint dem Rachegebet Ventilfunktion zuzukommen: Trauer und Wut bekommen einen Zielpunkt und werden auf den unbekannten Verursacher und seine Nachkommenschaft gelenkt. Wird der Tod auf Zauberei zurückgeführt, dann handelt es sich bei dem Text um einen Rachezauber, der Gleiches den Verursachern „anwünscht“. Den Grabsteinen samt ihren Inschriften kommt dann magische Funktion zu. Magie und Judentum schließen sich nicht aus, und für einen jüdischen Hintergrund spricht jedenfalls die Wortwahl, die sich an den Sprachgebrauch der Septuaginta anlehnt.5 Ob das Gebet Eingang in die Liturgie des jüdischen Gottesdienstes an Jom Kippur auf der Insel Delos gefunden hat, lässt sich dagegen nicht mit hinlänglicher Gewissheit feststellen.6 1
DEISSMANN, Licht, 352f.; VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 149; COUILLOUD, Monuments, 214f. Den Titel „höchster Gott“ gebraucht das Alte Testament häufig im Zusammenhang mit Nichtjuden: Gen 14,18 (Melchizedek); Num 24,16 (Bileam); Mi 6,6 (vgl. die Nennung Bileams in V. 5); PsLXX 81,6. 3 Vgl. VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 139.141. 4 Vgl. VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 140: “Thus we must consider the possibility that the ‘cause of death’ here was not poison but a binding spell.” Vgl. auch NOY/PANAYOTOV/BLOEDHORN, IJO I, 238: “φαρμακεύω most probably does not indicate that the deceased woman was really poisoned, but is part of a standard expression adopted by the Jewish community on Delos”. 5 VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 137.139. 6 Das vermuten aber VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 142. 2
204
B.XIII. GEBETE IN DEN PSEUDEPIGRAPHEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT1
1 Marmorstele aus Rheneia mit Rachegebet für die Jüdin Heraklea von Delos, ca. 100 v.Chr. (Vorder- und Rückseite, Bukarest). Abbildung und Transkription bei DEISSMANN, Licht, 352f. (im Anschluss an A. Wilhelm).
1. DAS „RACHEGEBET FÜR HERAKLEA“
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1.3. TRANSKRIPTION UND ÜBERSETZUNG Ἐπικαλοῦμαι καὶ ἀξιῶ τὸν θεὸν τὸν ὕψιστον τὸν κύριον τῶν πνευμάτων καὶ πάσης σαρκός, ἐπὶ τοὺς δόλωι1 φονεύσαντας ἢ φαρμακεύσαντας τὴν ταλαίπωρον ἄωρον Ἡράκλεαν ἐχχέαντας αὐτῆς τὸ ἀναίτιον αἷμα ἀδίκως. ἵνα οὕτως γένηται τοῖς φονεύσασιν αὐτὴν ἢ φαρμακεύσασιν καὶ τοῖς τέκνοις αὐτῶν, κύριε ὁ πάντα ἐφορῶν καὶ οἱ ἄνγελοι θεοῦ, ὧ πᾶσα ψυχὴ ἐν τῆ σήμερον ἡμέραι1 ταπεινοῦται μεθ’ ἱκετείας, ἵνα ἐγδικήσης τὸ αἷμα τὸ ἀναίτιον ζητήσεις καὶ τὴν ταχίστην.
1
Iota adscriptum statt subscriptum.
Ich rufe an und bitte Gott, den Höchsten, den Herrn der Geister und allen Fleisches, gegen die, die mit Tücke ermordet oder vergiftet haben die bedauernswerte, zu früh verstorbene Heraklea, indem sie vergossen ihr unschuldiges Blut in ungerechter Weise: dass es ebenso ergehe denen, die sie ermordeten oder vergifteten, und ihren Kindern! – Herr, der (du) alles überblickst, und (ihr) Engel Gottes, vor dem jede Seele an dem heutigen Tag sich demütigt mit Bitten: dass du rächest das unschuldige Blut und2 nachforschest möglichst schnell!
2
Zu lesen ist καὶ ζητήσεις statt ζητήσεις καί.
C . Gebete der Apokryphen des Alten Testaments
In den Apokryphen des Alten Testaments, d.h. in jenen Schriften der Septuaginta (LXX), die keinen Eingang in die biblischen Schriften des Judentums und in den Kanon der protestantischen Kirchen gefunden haben, sind Gebete überdurchschnittlich häufig vertreten. Außerdem fügen die LXX-Versionen kanonisierter Bücher häufig an Schlüsselstellen zusätzlich Gebete ein (z.B. in DanLXX 3,24 und EstLXX 4,17). Für die Menschen im Zeitalter des Hellenismus war es selbstverständlich, dass Esther oder die drei Männer im Feuerofen auf dem Höhepunkt ihrer Not und Bedrohung intensiv gebetet haben. Die Gebete haben einerseits literarische Funktion (z.B. als retardierendes Element), andererseits kann mithilfe der Gebete ein besonderer theologischer Akzent gesetzt und dem Handlungsablauf eine neue Richtung gegeben werden. Es ist ein Unterschied, ob eine Wende mit oder ohne Gebet eintritt: Durch die Einfügung von Gebeten werden etwa aus Wundergeschichten „Erziehungsromane“ (vgl. das Tobit-Buch). Der Prozess der Anreicherung biblischer Geschichten mit Gebeten war allerdings nicht auf die Septuaginta beschränkt. Vor allem die Targumim, aber auch die Pseudepigraphen und die Midraschim produzierten eine Fülle von Gebeten, die die alttestamentlichen Traditionen aufnahmen und weiterführten. Gebete sind ein Spiegel der jeweiligen Gottesbeziehung. W. Groß nennt Gebete einen „Ernstfall der Gottesbeziehung“.1 Jede Beziehung zu Gott setzt ein spezifisches Gottesund Menschenbild voraus. Der Wandel dieser Bilder ist an den Veränderungen der Gebete und der Art zu beten ablesbar. Gebete sind ein Fenster zur Theologie und zur Anthropologie der religiösen und gesellschaftlichen Gruppen, die diese Gebete formulierten.
1 W. GROSS, Bedrohliche Gottesnähe als Gebetsmotiv, in: G. Eberhardt / K. Liess (Hg.), Gottes Nähe im Alten Testament (SBS 202), Stuttgart 2004, 65–83, hier: 65.
208
C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
I. GRIECHISCHE ZUSÄTZE ZU ESTHER
Über den hebräischen Text des Estherbuches hinaus bietet die Septuaginta diverse Änderungen1 und Ergänzungen mit unterschiedlicher Funktion. Hieronymus übersetzte zunächst die hebräische Fassung der Schrift und fügte dieser Übersetzung dann die Übersetzung der griechischen Ergänzungen der Septuaginta an (Kap. 11–16 in der Vulgata). Diese Zusätze2 werden – orientiert an der auch bei R. Hanhart (SVTG) gebotenen Einteilung – mit den Buchstaben A–F versehen,3 wobei der Traum Mardochais (A 1– 11),4 die Aufdeckung einer ersten Verschwörung (A 12–17)5 und die Traumdeutung (F 1–10)6 samt Datierung (F 11)7 einen inhaltlichen Rahmen um die griechische Fassung der Schrift bilden. Weil bei Hieronymus die Traumdeutung aufgrund der Differenzierung zwischen hebräischer und griechischer Fassung als Schlussstück an ihrem Platz verblieb und die anderen griechischen Zusätze ihr nachgestellt wurden, steht in etlichen Versionen die Traumdeutung vor der Darstellung des Traums selbst. Durch die angefügten Rahmenstücke gewinnt die Person des Mardochai zusätzlich Kontur und seine Funktion am Hof des Königs wird plausibler. Die Einfügung der kaiserlichen Edikte (B 1–7 und E 1–24)8 vermittelt der Leserschaft den Eindruck von Objektivität, ebenso die Datierung und Überbringung des Estherbuches nach Ägypten. Mit der Erklärung der Herkunft des Purimfestes (F) kommt den Zusätzen ätiologische Funktion zu. Bei der Beschreibung der Begegnung Esthers mit dem König (D 1–16)9 handelt es sich um Ausschmückungen, die an einem Höhepunkt der Erzählung die Spannung steigern sollen. Schließlich wird dem vermeintlichen Defizit an Theologie in der EstherRolle abgeholfen: Das hebräische Estherbuch kommt ohne die Erwähnung Gottes aus 1 So wird z.B. der Name ˇʥʸʥˈʧʠ („Achasverosch“) des hebräischen Textes in der LXX zu „Asoueros“ (Ασουηρος) bzw. „Artaxerxes“ (Ἀρταξέρξης). 2 ZSENGELLÉR, Addition or Edition?, bes. 7–12, problematisiert die gängige Bezeichnung „Zusätze“. 3 RAHLFS/HANHART kennzeichnen die Verse der Zusätze mit den Buchstaben des lateinischen Alphabets. So umfasst das Gebet des Mardochai (C 1–11) bei RAHLFS/HANHART die Verse 4,17 a–i, das Gebet Esthers (C 12–30) die Verse 4,17 k–z. 4 RAHLFS/HANHART: 1,1 a–l. 5 RAHLFS/HANHART: 1,1 m–r. 6 RAHLFS/HANHART: 10,3 a–k. 7 RAHLFS/HANHART: 10,3 l. 8 RAHLFS/HANHART: 3,13 a–g; 8,12 a–x. 9 RAHLFS/HANHART: 5,1 a–f; 5,2 a–b.
I. GRIECHISCHE ZUSÄTZE ZU ESTHER
209
und war hinsichtlich seiner Kanonizität lange umstritten. Die beiden hier aufgenommenen Gebete des Mardochai (C 1–11)1 und der Esther (C 12–30)2 füllen diese Lücke und stellen eine innige Beziehung der Zentralfiguren zu Gott dar.3 Die beiden Gebete geben der ganzen Schrift einen neuen Charakter. Das Estherbuch wird zu einem Manifest der Treue zu Gott und des Festhaltens an seinen Geboten in Zeiten der Bedrängnis.4 Die Datierung am Ende der Zusätze (F 11) verweist auf eine Entstehung vor der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts.5 R. Leicht nimmt für die Gebete eine semitische (aramäische) Vorlage und eine Entstehung in Palästina an.6 Josephus bietet in seinen Antiquitates die erste Bezeugung der Zusätze zu Esther (A.J. 11 § 184–296). Außer im masoretisch-hebräischen Text ist das Estherbuch in zwei griechischen Fassungen erhalten, zum einen in der Septuagintafassung und zum anderen als sogenannter A-Text, der von wenigen mittelalterlichen Handschriften bezeugt ist und wohl auch der Paraphrasierung bei Josephus zugrunde lag. Da die beiden griechischen Fassungen im Blick auf die hier interessierenden Gebete nur unwesentlich voneinander abweichen, bietet das Studienbuch nur den Septuagintatext. Die Präsentation des königlichen Edikts (B) im dritten Kapitel des Estherbuches führt in Form eines scheinbar offiziellen Dokuments die Bedrohlichkeit der Lage für die Juden und den unmittelbaren Handlungsbedarf vor Augen. Der ausschmückende Bericht (D) über die verbotene und trotzdem gewagte Annäherung Esthers an den König bildet einen dramatischen Höhepunkt der Septuagintafassung des Estherbuches. Dazwischen stehen die beiden ausführlichen Gebete Mardochais und Esthers (C). Erzähltechnisch haben sie vor allem retardierende Funktion.
1
RAHLFS/HANHART: 4,17 a–i. RAHLFS/HANHART: 4,17 k–z. 3 MCDOWELL, Prayers, 36: “While there are no prayers in MT Esther, and no mention of God at all, the Additions include a number of prayers by both Mordecai and Esther, and over fifty references to God. This appears to be a ‘correction’ by later scribes.” 4 BARDTKE, JSHRZ I/1, 18: Die Zusätze zu Esther „gestalten das Buch zu einer Urkunde jüdischen Glaubens um.“ 5 Vgl. LEICHT, Esther-Zusätze, 1597; MCDOWELL, Prayers, 35f.: “[I]t is reasonable to place the Additions sometime between the second century BCE and the first century BCE. Most agree today that Additions A and C were originally written in Palestine, whereas Additions B and E were probably written in Egypt.” 6 Vgl. LEICHT, Esther-Zusätze, 1597. 2
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
G riechischer Text HANHART, R. (Hg.), Esther (SVTG VIII,3), Göttingen 21983. Deutsche Übersetzungen BARDTKE, H., Zusätze zu Esther (JSHRZ I/1), Gütersloh 1973, 15–62. EGO, B., Ester (BKAT 21), Göttingen/Bristol 2017, 259.261. Englische Übersetzungen COOK, H.J., The A Text of the Greek Versions of the Book of Esther, in: ZAW 81 (1969), 369– 376. JOBES, K.H., Esther, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/ New York 2007, 424–440 (= NETS). MOORE, C.A., Daniel, Esther, and Jeremiah. The Additions. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 44), Garden City 1977. Französische Übersetzung BARUCQ, A., Esther, in: SB(J), Nouvelle édition revue et corrigée, Paris 2000, 701–715. Literatur BICKERMAN, E.J., Notes on the Greek Book of Esther [1951], in: ders., Studies in Jewish and Christian History. A New Edition in English including The God of the Maccabees, hg. von A. Tropper, Bd. 1 (AGJU 68/1), Leiden/Boston 2007, 238–265. BROWNLEE, W.H., Le livre grec d’Esther et la royauté divine. Corrections orthodoxes au livre d’Esther, in: RB 73 (1966), 161–185. CLINES, D.J.A., The Esther Scroll. The Story of the Story (JSOTS 30), Sheffield 1984. EGO, B., Die Theologie der Estererzählung in der Septuaginta. Eine narratologische Annäherung, in: T. Wagner u.a. (Hg.), Text – Textgeschichte – Textwirkung, FS S. Kreuzer (AOAT 419), Münster 2014, 225–243. –, Ester (BKAT 21), Göttingen/Bristol 2017. FOX, M.V., The Redaction of the Books of Esther. On Reading Composite Texts (SBLMS 40), Atlanta 1991. KOTTSIEPER, I., Zusätze zu Ester, in: O.H. Steck / R.G. Kratz / ders., Das Buch Baruch. Der Brief des Jeremia. Zusätze zu Ester und Daniel (ATD.A 5), Göttingen 1998, 109–207. LEICHT, R., Art. Esther-Zusätze, in: RGG4 2 (1999), 1597f.
I. GRIECHISCHE ZUSÄTZE ZU ESTHER
211
MARBÖCK, J., Das Gebet der Ester. Zur Bedeutung des Gebetes im griechischen Esterbuch, in: R. Egger-Wenzel / J. Corley (Hg.), Prayer from Tobit to Qumran. Inaugural Conference of the ISDCL at Salzburg, Austria, 5–9 July 2003 (DCL.Y), Berlin/New York 2004, 73–94. MARTIN, R.A., Syntax Criticism of the LXX Additions to the Book of Esther, in: JBL 94 (1975), 65–72. MCDOWELL, M., Prayers of Jewish Women. Studies of Patterns of Prayer in the Second Temple Period (WUNT II/211), Tübingen 2006, 34–41. MOORE, C.A., Esther. Introduction, Translation, and Notes (AncB 7B), Garden City 1971. – (Hg.), Studies in the Book of Esther (LBS), New York 1982. ZSENGELLÉR, J., Addition or Edition? Deconstructing the Concept of Additions, in: G.G. Xeravits / ders. (Hg.), Deuterocanonical Additions of the Old Testament Books. Selected Studies (DCL.St 5), Berlin/New York 2010, 1–15.
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C.I. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1. Bittgebete Mardochais1 und Esthers2 1.1. EINFÜHRUNG Durch Mardochais Rückblick auf Ursprung und Anlass der geplanten Judenverfolgung und Esthers Bitte an Gott um Erbarmen werden der Vernichtungsplan und Esthers geplante Gegenmaßnahme miteinander verklammert. Mardochai erklärt in seinem Gebet, wie es zur Zuspitzung der Lage gekommen ist: Er hat Haman, dem Stellvertreter des Königs, die Proskynese verweigert. Um die Handlungsweise Mardochais zu verstehen, ist das Verständnis von „Proskynese“ entscheidend. Handelte es sich um ein bloßes Niederfallen vor dem Würdenträger, dann bliebe unverständlich, warum Mardochai diese Geste verweigert und gleichzeitig argumentiert, er sehe keinerlei Schwierigkeit darin, Haman sogar die Füße zu küssen. Auch der Fußfall Esthers vor dem König in Est 8,3 schiene nicht zur Rigorosität ihres Onkels zu passen.3 Ausgehend von der Annahme, es handle sich bei der Proskynese nur um eine Körperhaltung, spricht H. Bardtke denn auch von der „Irrationalität des Verhaltens Mardochais“.4 Zwar werden in der Esthernovelle tatsächlich auch anderweitig Fußfälle genannt (Est 8,3), doch ist zu beachten, dass nur bei der von Mardochai abgelehnten Handlung der Terminus προσκυνέω verwendet wird. Sowohl im Hebräischen (hebr. Wurzel ʬʴʰ) als auch im Griechischen (προσκυνέω) bezieht sich der Begriff häufig auf den Erweis göttlicher Verehrung.5 So hält im Neuen Testament Jesus dem Versucher entgegen, niemandem als Gott gebühre die Proskynese (Mt 4,10/Lk 4,8).6 Mardochai stellt in seinem Gebet klar, dass ihn nicht persönliche Eitelkeit antreibt und dass er bereit gewesen wäre, sich vor Haman bis aufs Äußerste zu demütigen. Hingegen ist er nicht bereit, gegen Gottes Gebot zu verstoßen und Haman mit einem Verehrungsgestus zu huldigen, der allein Gott gebührt. Ein Niederfallen zu Füßen eines Mächtigen (Est 8,3: προσέπεσεν πρὸς τοὺς πόδας αὐτοῦ) wird von dem Erweis göttlicher Verehrung (προσκυνέω) sprachlich unterschieden. Damit stellt Mardochai das sich anbahnende Verhängnis als Folge seines Gehorsams gegenüber Gott dar. 1
C 1–11; RAHLFS/HANHART: 4,17 a–i. C 12–30; RAHLFS/HANHART: 4,17 k–z. 3 So z.B. BARDTKE, JSHRZ I/1, 40: „Diese Gesichtspunkte hat der Verfasser der Zusätze nicht berücksichtigt.“ 4 BARDTKE, JSHRZ I/1, 40. 5 Vgl. z.B. Ex 20,5; 34,14; Dtn 5,9; 11,16. 6 Wenn es ganz am Ende sowohl im Matthäusevangelium (28,17) als auch im Lukasevangelium (24,52) heißt, die elf Jünger seien dem auferstandenen Jesus „zu Füßen gefallen“ (προσκυνέω), dann hat diese Schilderung angesichts der vorausgegangenen Betonung, die Proskynese gebühre allein Gott (Mt 4,10/Lk 4,8), offenbar einen besonderen theologisch-christologischen Stellenwert. 2
1. BITTGEBETE MARDOCHAIS (C 1–11) UND ESTHERS (C 12–30)
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Mardochai argumentiert „logisch“ mit Gott. Neben der Verdeutlichung des oben benannten Dilemmas verweist er auf die Allmacht Gottes. Rettung wie Vernichtung sind abhängig vom Willen Gottes. Mardochai malt die Folgen aus: Nach der Vernichtung Israels werde niemand mehr Gott loben, der zuvor bei der Rettung aus Ägypten schon viel in sein Volk investiert hat. Mardochai erinnert an Gottes Zusagen gegenüber Abraham und behaftet ihn damit bei seinem Wort. Die Gebete Mardochais und Esthers sind komplementär aufeinander bezogen und ergänzen sich.1 Spricht Mardochai von den bewunderungswürdigen Dingen der göttlichen Schöpfung, so erwähnt Esther die Mächtigen, die Bewunderung für sich selbst erstreben. Während Mardochai den impliziten Vorwurf des Handelns aus persönlicher Eitelkeit von sich weist (V. 5f.), hat Esther zu begründen, wie eine fromme Jüdin überhaupt mit einem unbeschnittenen Heiden eine Ehe führen kann (V. 26f.). Wie Mardochai betont Esther ihre Demut.2 Beide erwähnen den „Gott Abrahams“ (V. 8.29). Esther bezeichnet ihn als ihre einzige Freude, während sie die Insignien ihrer königlichen Würde für gering achtet (V. 27; vgl. JosAs 13,5) und den Verkehr mit Unbeschnittenen verabscheut (V. 26).3 Im Unterschied zu ihrem Onkel spricht Esther von der Sünde des Volkes Israel, das fremden Göttern gehuldigt hat,4 und von der verdienten Folge (V. 17f.). Während Mardochai auf seine Verweigerung der Proskynese als Auslöser der Krise zurückblickt, richtet sich Esthers Blick nach vorn auf die alles entscheidende Begegnung mit dem König.5 Im Gebet der Esther ist in der Regel im Plural von der Gruppe der Verfolgenden die Rede (z.B. V. 24), Mardochais Gebet dagegen ist stärker auf Haman fokussiert und geht erst im zweiten Teil über zu denen, die nach Israels Verderben trachten (V. 8).
1 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 39: “The prayer [sc. Esther’s prayer] functions as a counterpart to Mordecai’s prayer, and portrays Esther in a positive light as a faithful Jew, despite the fact that she has married a Gentile.” Vgl. a.a.O., 38: “Esthers’s prayer in the Septuagint is twice as long as Mordecai’s, and Esther first prays for her people (vv. 16–22), then more briefly for herself (vv. 26–29), emphasizing her own faith and practice.” 2 Mardochai zerreißt seine Kleider (Est 4,1), Esther legt zu Beginn ihres Gebets ihre königliche Kleidung ab (C 13). Vgl. zur Sache auch Jdt 9,1; JosAs 13,3f. 3 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 39: “Here the author clearly portrays Esther as a pious Jew by showing her at prayer, on behalf of Israel, and underscores her uniqueness and holiness by declaring her distaste of her relations with a Gentile.” 4 Hier kann an den Abfall vieler Juden in der Makkabäerzeit gedacht sein. Vgl. MCDOWELL, Prayers, 35: “[…] Additions C and D fit well within the context of the Hasmonean period.“ 5 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 40: “The prayer of Esther is a private prayer about community issues.”
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C.I. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 4:17 καὶ βαδίσας Μαρδοχαῖος ἐποίησεν ὅσα ἐνετείλατο αὐτῷ Εσθηρ. [C 1] Kαὶ ἐδεήθη κυρίου μνημονεύων πάντα τὰ ἔργα κυρίου [2] καὶ εἶπεν Kύριε, κύριε, βασιλεῦ πάντων κρατῶν, ὅτι ἐν ἐξουσίᾳ σου τὸ πᾶν ἐστιν, καὶ οὐκ ἔστιν ὁ ἀντιδοξῶν σοι ἐν τῷ θέλειν σε σῶσαι τὸν Iσραηλ· [3] ὅτι σὺ ἐποίησας τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν [καὶ πᾶν θαυμαζόμενον ἐν τῇ ὑπ᾿ οὐρανὸν [4] καὶ κύριος εἶ πάντων, καὶ οὐκ ἔστιν ὃς ἀντιτάξεταί σοι τῷ κυρίῳ. [5] σὺ πάντα γινώσκεις· σὺ οἶδας, κύριε, ὅτι οὐκ ἐν ὕβρει οὐδὲ ἐν ὑπερηφανίᾳ οὐδὲ ἐν φιλοδοξίᾳ ἐποίησα τοῦτο, [τὸ μὴ προσκυνεῖν τὸν ὑπερήφανον Αμαν, [6] ὅτι ηὐδόκουν φιλεῖν πέλματα ποδῶν αὐτοῦ πρὸς σωτηρίαν Ισραηλ· [7] ἀλλὰ ἐποίησα τοῦτο ἵνα μὴ θῶ δόξαν ἀνθρώπου ὑπεράνω δόξης θεοῦ, καὶ οὐ προσκυνήσω οὐδένα πλὴν σοῦ τοῦ κυρίου μου καὶ οὐ ποιήσω αὐτὰ ἐν ὑπερηφανίᾳ. [8] καὶ νῦν, κύριε ὁ θεὸς, ὁ βασιλεύς, ὁ θεὸς Αβρααμ, φεῖσαι τοῦ λαοῦ σου, ὅτι ἐπιβλέπουσιν ἡμῖν εἰς καταφθορὰν καὶ ἐπεθύμησαν ἀπολέσαι τὴν ἐξ ἀρχῆς κληρονομίαν σου· [9] μὴ ὑπερίδῃς τὴν μερίδα σου, ἣν σεαυτῷ ἐλυτρώσω ἐκ γῆς Αἰγύπτου· [10] ἐπάκουσον τῆς δεήσεώς μου καὶ ἱλάσθητι τῷ κλήρῳ σου καὶ στρέψον τὸ πένθος ἡμῶν εἰς εὐωχίαν, ἵνα ζῶντες ὑμνῶμέν σου τὸ ὄνομα, κύριε, καὶ μὴ ἀφανίσῃς στόμα αἰνούντων σοι. [11] καὶ πᾶς Ισραηλ ἐκέκραξαν ἐξ ἰσχύος αὐτῶν, ὅτι θάνατος αὐτῶν ἐν ὀφθαλμοῖς αὐτῶν.
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Text und Verszählung nach HANHART, SVTG VIII,3, 161–168.
1. BITTGEBETE MARDOCHAIS (C 1–11) UND ESTHERS (C 12–30)
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1.3. ÜBERSETZUNG 4,17 Und nachdem Mardochai gegangen war, tat er alles, was ihm Esther aufgetragen hatte. [C 1] Und er flehte (den) Herrn an, wobei er alle Werke (des) Herrn in Erinnerung rief, [2] und sprach: Herr, Herr, über alles1 mächtiger König – denn in deiner Macht ist das All, und keinen gibt es, der dir widersteht in deinem Willen, Israel zu retten;2 [3] denn du, du hast geschaffen3 den Himmel und die Erde [und jedes Wunderbare auf ihr unter (dem) Himmel, [4] und Herr bist du (über) alle4, und keinen gibt es, der sich dir, dem Herrn, entgegenstellen wird –, [5] du, du erkennst alles; du, du weißt, Herr, dass weder aus Unbotmäßigkeit noch aus Eitelkeit noch aus Ruhmsucht ich dies getan habe, [nicht die Proskynese zu erweisen dem eitlen Haman, [6] denn ich hätte gerne geküsst5 seine Fußsohlen zum Zweck (der) Rettung Israels; [7] sondern ich habe dies getan, damit ich nicht stelle Menschenehre über Gottesehre, und nicht werde ich die Proskynese erweisen jemandem außer dir, meinem Herrn, doch nicht werde ich es tun aus Eitelkeit. [8] Und jetzt, Herr, (du) Gott, (du) König, (du) Gott Abrahams, schone dein Volk, denn man blickt auf uns zum Verderben, und man hat begehrt zu verderben dein seit Anbeginn (bestehendes) Erbe; [9] nicht übersieh deinen Erbanteil, den du dir erlöst hast aus Ägyptenland. [10] Erhöre mein Flehen, und sei freundlich gesinnt deinem Erbteil, und wende unsere Trauer in Ergötzen, damit als Lebende wir lobsingen deinem Namen, Herr, und nicht lasse verschwinden (den) Mund (der) dich Lobpreisenden. [11] Und ganz Israel – sie schrien heraus mit ihrer (ganzen) Kraft, denn ihr Tod [war] in ihren Augen (= stand ihnen vor Augen).
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Möglich ist auch die Übersetzung: „über alle mächtiger König“, doch spricht der Parallelismus („das All“) für die o.g. Übersetzung. 2 Wörtlich: „… in dem Wollen, dass du Israel rettest“. 3 Wörtlich: „gemacht“. Das griechische Verbum ποιεῖν gibt im schöpfungstheologischen Zusammenhang das hebräische Verbum ʠʸʡ wieder. Vgl. GenLXX/MT 1,1. 4 Möglich ist auch die Übersetzung: „Herr bist du über alles“. 5 Wörtlich: „ich hätte Wohlgefallen gehabt zu küssen…“.
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C.I. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[12] Kαὶ Εσθηρ ἡ βασίλισσα κατέφυγεν ἐπὶ τὸν κύριον ἐν ἀγῶνι θανάτου κατειλημμένη, [13] καὶ ἀφελομένη τὰ ἱμάτια τῆς δόξης αὐτῆς [ἐνεδύσατο ἱμάτια στενοχωρίας καὶ πένθους καὶ ἀντὶ τῶν ὑπερηφάνων ἡδυσμάτων σποδοῦ καὶ κοπριῶν ἔπλησεν τὴν κεφαλὴν αὐτῆς καὶ τὸ σῶμα αὐτῆς ἐταπείνωσεν σφόδρα καὶ πάντα τόπον κόσμου ἀγαλλιάματος αὐτῆς ἔπλησεν στρεπτῶν τριχῶν αὐτῆς [14] καὶ ἐδεῖτο κυρίου θεοῦ Ισραηλ καὶ εἶπεν Kύριέ μου ὁ βασιλεὺς ἡμῶν, σὺ εἶ μόνος· βοήθησόν μοι τῇ μόνῃ καὶ μὴ ἐχούσῃ βοηθὸν εἰ μὴ σέ, [15] ὅτι κίνδυνός μου ἐν χειρί μου. [16] ἐγὼ ἤκουον ἐκ γενετῆς μου ἐν φυλῇ πατριᾶς μου ὅτι σύ, κύριε, ἔλαβες τὸν Ισραηλ ἐκ πάντων τῶν ἐθνῶν [καὶ τοὺς πατέρας ἡμῶν ἐκ πάντων τῶν προγόνων αὐτῶν εἰς κληρονομίαν αἰώνιον καὶ ἐποίησας αὐτοῖς ὅσα ἐλάλησας. [17] καὶ νῦν ἡμάρτομεν ἐνώπιόν σου, καὶ παρέδωκας ἡμᾶς εἰς χεῖρας τῶν ἐχθρῶν ἡμῶν, [18] ἀνθ᾿ ὧν ἐδοξάσαμεν τοὺς θεοὺς αὐτῶν· δίκαιος εἶ, κύριε. [19] καὶ νῦν οὐχ ἱκανώθησαν ἐν πικρασμῷ δουλείας ἡμῶν, ἀλλὰ ἔθηκαν τὰς χεῖρας αὐτῶν ἐπὶ τὰς χεῖρας τῶν εἰδώλων αὐτῶν [20] ἐξᾶραι ὁρισμὸν στόματός σου καὶ ἀφανίσαι κληρονομίαν σου καὶ ἐμφράξαι στόμα αἰνούντων σοι καὶ σβέσαι δόξαν οἴκου σου καὶ θυσιαστήριόν σου
1. BITTGEBETE MARDOCHAIS (C 1–11) UND ESTHERS (C 12–30)
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[12] Und Esther, die Königin, entfloh zu dem Herrn, im Todeskampf ergriffen, [13] und nachdem sie ihre Ehrengewänder ausgezogen hatte, [zog sie Bedrängnis- und Trauergewänder an, und anstelle der eitlen Wohlgerüche füllte sie mit Asche und Dreck ihr Haupt, und ihren Leib demütigte sie sehr, und jede Stelle ihres Jubelschmuckes füllte sie mit einem Halsband ihrer Haare1, [14] und sie flehte an (den) Herrn, (den) Gott Israels, und sprach: Mein Herr, du unser König, du bist einzig; hilf mir, der Einsamen2 und der, die keinen Helfer hat außer dir, [15] denn meine Gefahr (= die Gefahr, die mir droht) [ist] in meiner Hand3. [16] Ich, ich hörte beständig seit meiner Geburt im Stamm meines Geschlechts, dass du, Herr, genommen (= erwählt) hast Israel aus allen Heidenvölkern [und unsere Väter aus allen ihren Vorfahren zu einem ewigen Erbe und (dass du) ihnen alles getan hast, was du (zu)gesagt hattest. [17] Aber jetzt haben wir gesündigt vor dir, und übergeben hast du uns in (die) Hände unserer Feinde, [18] dafür, dass wir verehrt haben ihre Götter; gerecht bist du, Herr! [19] Aber jetzt, nicht hatten sie genug an (der) Bitternis unserer Sklaverei, vielmehr haben sie ihre Hände auf die Hände ihrer Götzenbilder gelegt, [20] um zu beseitigen die Bestimmung deines Mundes4 und um verschwinden zu lassen dein Erbe und um zu verstopfen (den) Mund (der) dich Lobpreisenden und um auszulöschen (die) Ehre deines Hauses und deinen Brandopferaltar5
1 Der hier verwendete Begriff στρεπτός bezeichnet u.a. „ein Halsband von zusammengedrehten, aneinander gereihten Gliedern“ (PASSOW, Hwb II/2, 1567, s.v.) bzw. – gerade im Plural – ein „Halsband, das vornehme Perser zu tragen pflegten“ (GEMOLL, SHwb, 692, s.v.). Gemeint ist wohl, dass Königin Esther ihren Schmuck (goldene Halsketten u. dgl.) durch ein Halsband ersetzte, das sie aus ihren (abgeschnittenen) Haaren gefertigt hatte, wobei das Abschneiden oder Ausreißen der Haare als Zeichen von Trauer und Buße zu verstehen ist. Ähnlich interpretiert auch ORTH, in: LXX.D, 604: „ihren entzückenden Schmuck ersetzte sie überall durch die Strähnen ihrer Haare.“ Dass Esther das Zeichen ihrer Trauer ausgerechnet in Form eines die Privilegien Persiens symbolisierenden Halsbands präsentiert, zeigt, wie sehr sie alles Persische verabscheut (s.u. V. 27). 2 Hier liegt ein Wortspiel vor: Zum einen wird Gott als μόνος beschrieben, zum anderen Esther als μόνη. 3 Dabei handelt es sich um einen Hebraismus. „Neben mir“ oder „bei mir“ wird durch ʩʣʩʬ ausgedrückt (wörtlich: „zu meiner Hand“). 4 Oder: „Vorschrift“, „Satzung“. Vgl. PASSOW, Hwb II/1, 527, s.v. ὁρισμός. Gemeint sind die soeben erwähnten Zusagen Gottes (V. 16). Ähnlich interpretiert ORTH, in: LXX.D, 605: „… um dein Versprechen zu vereiteln“. 5 Der Altar wird „ausgelöscht“, weil keiner mehr da sein wird, der Opfer darbringt.
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C.I. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[21] καὶ ἀνοῖξαι στόμα ἐθνῶν εἰς ἀρετὰς ματαίων καὶ θαυμασθῆναι βασιλέα σάρκινον εἰς αἰῶνα. [22] μὴ παραδῷς, κύριε, τὸ σκῆπτρόν σου τοῖς μὴ οὖσιν, καὶ μὴ καταγελασάτωσαν ἐν τῇ πτώσει ἡμῶν, ἀλλὰ στρέψον τὴν βουλὴν αὐτῶν ἐπ᾿ αὐτούς, τὸν δὲ ἀρξάμενον ἐφ᾿ ἡμᾶς παραδειγμάτισον. [23] μνήσθητι, κύριε, γνώσθητι ἐν καιρῷ θλίψεως ἡμῶν καὶ ἐμὲ θάρσυνον, βασιλεῦ τῶν θεῶν καὶ πάσης ἀρχῆς ἐπικρατῶν. [24] δὸς λόγον εὔρυθμον εἰς τὸ στόμα μου ἐνώπιον τοῦ λέοντος καὶ μετάθες τὴν καρδίαν αὐτοῦ εἰς μῖσος τοῦ πολεμοῦντος ἡμᾶς εἰς συντέλειαν αὐτοῦ [καὶ τῶν ὁμονοούντων αὐτῷ· [25] ἡμᾶς δὲ ῥῦσαι ἐν χειρί σου καὶ βοήθησόν μοι τῇ μόνῃ καὶ μὴ ἐχούσῃ εἰ μὴ σέ, κύριε. πάντων γνῶσιν ἔχεις [26] καὶ οἶδας ὅτι ἐμίσησα δόξαν ἀνόμων [καὶ βδελύσσομαι κοίτην ἀπεριτμήτων καὶ παντὸς ἀλλοτρίου. [27] σὺ οἶδας τὴν ἀνάγκην μου, ὅτι βδελύσσομαι τὸ σημεῖον τῆς ὑπερηφανίας μου, ὅ ἐστιν ἐπὶ τῆς κεφαλῆς μου ἐν ἡμέραις ὀπτασίας μου· βδελύσσομαι αὐτὸ ὡς ῥάκος καταμηνίων καὶ οὐ φορῶ αὐτὸ ἐν ἡμέραις ἡσυχίας μου. [28] καὶ οὐκ ἔφαγεν ἡ δούλη σου τράπεζαν Αμαν, καὶ οὐκ ἐδόξασα συμπόσιον βασιλέως οὐδὲ ἔπιον οἶνον σπονδῶν· [29] καὶ οὐκ ηὐφράνθη ἡ δούλη σου ἀφ᾿ ἡμέρας μεταβολῆς μου μέχρι νῦν [πλὴν ἐπὶ σοί, κύριε ὁ θεὸς Αβρααμ. [30] ὁ θεὸς ὁ ἰσχύων ἐπὶ πάντας, εἰσάκουσον φωνὴν ἀπηλπισμένων καὶ ῥῦσαι ἡμᾶς ἐκ χειρὸς τῶν πονηρευομένων καὶ ῥῦσαί με ἐκ τοῦ φόβου μου.
1. BITTGEBETE MARDOCHAIS (C 1–11) UND ESTHERS (C 12–30)
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[21] und um zu öffnen (den) Mund (der) Heidenvölker zu (den) Vorzügen (der) Nichtigen und (damit) bewundert werde ein fleischlicher (= sterblicher) König in Ewigkeit. [22] Nicht übergib, Herr, dein Szepter den Nicht-Seienden, und nicht soll man in Gelächter ausbrechen über unseren Fall, sondern wende ihren Ratschluss gegen sie, an dem aber, der gegen uns Gewalt angeordnet hat, statuiere ein Exempel.1 [23] Erinnere dich, Herr, gib dich zu erkennen im Augenblick unserer Bedrängnis, und mich ermutige, König der Götter und Mächtiger über jede Herrschaft. [24] Gib ein taktvolles Wort in meinen Mund vor dem Löwen2 und verändere sein Herz in Richtung Hass auf den, der uns bekriegt, zu seinem Ende [und (zum Ende) der ihm Gleichgesinnten; [25] uns aber rette mit deiner Hand und hilf mir, der Einsamen und die niemanden hat außer dir, Herr! Erkenntnis von allen3 hast du [26] und du weißt, dass ich gehasst habe Ehre von Gesetzlosen [und (dass ich) verabscheue Beischlaf mit Unbeschnittenen und mit jedem Fremden. [27] Du, du weißt (um) meine Notlage, dass ich verabscheue das Zeichen meiner Eitelkeit4, das auf meinem Haupt ist in meinen Erscheinungstagen5; ich verabscheue es wie einen Menstruationslumpen und nicht trage ich es in meinen Ruhetagen6. [28] Und nicht aß deine Magd (am) Tisch Hamans und nicht beehrte ich ein Königsgastmahl noch trank ich Trankopferwein. [29] Und nicht froh war deine Magd vom Tag meiner Umwandlung7 an bis jetzt [außer über dich, Herr, du Gott Abrahams. [30] Gott, der du kräftig (bist) über alle, erhöre die Stimme (der) Hoffnungslosen und rette uns aus (der) Hand derer, die Böses tun und rette mich aus meiner Furcht.
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Wörtlich: „den aber, der gegen uns geherrscht hat, mache zum (Negativ-)Beispiel.“ Der Löwe steht als Symbol für den persischen König (s. vor diesem Hintergrund Dan 6). 3 Oder: „von allem“. 4 Gemeint ist die königliche Kopfbedeckung Esthers. 5 Gemeint ist das Erscheinen vor dem König zum Zweck des Beischlafs. 6 Gemeint ist die Zeit, in der die Königin nicht vor dem König zu erscheinen hat. 7 Gemeint ist der Zeitpunkt, an dem Esther zur Königin gemacht wurde. 2
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
II. JUDITH
Im Judith-Roman1 wie in der Esther-Rolle sind Frauen die Heldinnen. Sie retten ihr Volk aus existenzieller Bedrohung. Während jedoch die Esther-Rolle Bestandteil des Kanons geworden ist, fand der nicht auf Hebräisch überlieferte Judith-Roman in seiner griechischen Fassung lediglich Eingang in die Apokryphen der Septuaginta. Im Unterschied zur Esther-Rolle, in der die Gebete spätere in den Apokryphen überlieferte Ergänzungen darstellen, gehören die Gebete im Judithbuch ursprünglich zum Roman und lassen sich nicht aus ihm herauslösen. Hieronymus benutzte nach eigenen Angaben eine aramäische Vorlage für seine Übersetzung ins Lateinische. Sprache und Formulierungen des griechischen Judithbuches ihrerseits lassen auf eine Übersetzung aus dem Hebräischen schließen.2 Vorhandene hebräische Texte sind allerdings späteren Datums und gehen wiederum auf griechische Fassungen zurück. Die lateinische Version umfasst nur etwa 80% des Septuaginta-Bestands.3 Qumranfragmente existieren nicht. Was die Gliederung des Buches anlangt, so spricht sich u.a. M. McDowell4 für eine Zweiteilung aus, während E. Zenger eine Dreiteilung favorisiert.5 Die Judith-Geschichte ist nicht an historischen Abläufen interessiert. Die Stadt „Betulja“6 und die Darstellung des Königs Nebukadnezar sind transparent auf Jerusalem und auf verschiedene historische Phasen hin, von den Assyrern bis zu Antiochus IV. Epiphanes.7 Eine Entstehung der Schrift in hasmonäischer Zeit erscheint als wahrscheinlich (vermutlich gegen Ende des 2. Jh. v.Chr.). Als Entstehungsorte werden Palästina und Ägypten vorgeschlagen.8 1
MITTMANN-RICHERT, JSHRZ VI/1, 87, spricht von einer „romanhaften Lehrerzählung“, ZENGER, Judith/Judithbuch, 406, charakterisiert das Judithbuch als einen „weisheitliche[n] Roman“. 2 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 42; ZENGER, JSHRZ I/6, 430f. Dagegen vermutet DERS., Judith/Judithbuch, 404.407, ein griechisches Original. 3 Vgl. ZENGER, JSHRZ I/6, 429. 4 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 42. 5 Vgl. ZENGER, JSHRZ I/6, 432; DERS., Judith/Judithbuch, 405. 6 Als Bedeutung vorgeschlagen werden u.a. „Haus Gottes“ (ZENGER, JSHRZ I/6, 435) bzw. „Gotthausen“ (DERS., Judith/Judithbuch, 405), „Haus des Aufstiegs“ oder „Jungfrau“. 7 Vgl. WANDREY, Judith/Judithbuch, 648: „So setzt sich z.B. die Figur Nebukadnezar aus drei hist. Gestalten zusammen: Nebukadnezar, Sanherib von Assur und Antiochus IV. Epiphanes“. 8 ZENGER, JSHRZ I/6, 431, erwägt Jerusalem als Entstehungsort, HAAG, Judit, 9–15, plädiert für Ägypten.
II. JUDITH
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Der Name der Heldin, Judith (= „Jüdin“), signalisiert, dass es sich um eine paradigmatische Lehrerzählung handelt. Während die Stadtbevölkerung und ihre Oberen resignieren, vertraut Judith auf Gott, seine Treue und Unterstützung. Dem König Nebukadnezar, der sich selbst zum Gott macht, wird die Macht Gottes entgegengesetzt, der keiner Heere und Kriegsmaschinerien bedarf, sondern durch die Hand einer Witwe seine Einzigartigkeit beweist. Ein Charakteristikum der Schrift sind die Gebete und Gebetsbezüge an den jeweiligen Schaltstellen.1 Die kontinuierliche Einbeziehung Gottes in das Geschehen lässt deutlich werden, dass er der eigentliche Akteur des Romans ist.2
G riechischer Text HANHART, R. (Hg.), Iudith (SVTG VIII,4), Göttingen 1979. Lateinische Übersetzung WEBER, R. / GRYSON, R. (Hg.), Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem, Stuttgart 52007, 691–711 (= BSVC[S]). Deutsche Übersetzung ZENGER, E., Das Buch Judit (JSHRZ I/6), Gütersloh 1981. Englische Übersetzungen BOYD-TAYLOR, C., Ioudith, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 441–455 (= NETS). ENSLIN, M.S., The Book of Judith. Greek Text with an English Translation, Commentary and Critical Notes, ed. with a General Introduction and Appendices by S. Zeitlin (JAL 7), Leiden 1972. Französische Übersetzung BARUCQ, A., Judith, in: SB(J), Nouvelle édition revue et corrigée, Paris 2000, 681–699.
1 MCDOWELL, Prayers, 47: “All the prayers in the book of Judith have a community crisis as the occasion.” Vgl. ZENGER, JSHRZ I/6, 492. 2 Vgl. MCDOWELL, Prayers, 45; ZENGER, Judith/Judithbuch, 407.
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
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II. JUDITH
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C.II. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1. Judiths Gebet um Gottes Beistand (Jdt 9,1–14) 1.1. EINFÜHRUNG Das Gebet in der Mitte des Judith-Romans stellt die Weichen für den Fortgang der Handlung und für die theologische Deutung der Tat der Protagonistin.1 Sie stellt ihr Tun in die Nachfolge der Taten ihres Stammvaters, des Jakobssohns Simeon. Ihr Vorgehen dient letztlich dem Erweis der Macht Gottes, der sich der Hand einer schwachen Witwe bedient, um seine Größe und Überlegenheit zu offenbaren. Nur vordergründig ist das Gebet eine Bitte um Stärke, vielmehr geht es um die theologische Begründung und Rechtfertigung der Ermordung des Feldherrn. Das Gebet in Jdt 9 hat nicht nur teil am erotisierenden Gesamtduktus des Romans, es trägt selbst maßgeblich bei zu einer erotisch aufgeladenen Stimmung. Asche, Prostration und Bußkleidung bewegen sich noch im Rahmen eines typischen Bußgebets.2 Wenn es als Einleitung zu Judiths Gebet heißt, dass sie ihr Bußgewand bloßlegte (V. 1), dann lässt sich das einerseits als Sichtbarmachen des Büßerkleids verstehen. Auf der anderen Seite erlaubt die Verbform ἐγύμνωσεν es den Rezipienten, γυμνός („nackt“) zu assoziieren. Überhaupt ist Zweideutigkeit in der Wortwahl ein wesentliches Merkmal der Judithnovelle. Es hätten in Jdt 9,1 auch „unverfänglichere“ Termini zur Verfügung gestanden. Ein Beispiel für ein Sprechen „zwischen den Zeilen“ bietet auch der zweite Teil des ersten Verses. Oberflächlich betrachtet, handelt es sich um eine bloße Zeitangabe: Judith betet, während im Jerusalemer Tempel das abendliche Brandopfer dargebracht wird.3 Damit aber klinkt sie sich und ihr Vorhaben gleichsam ein in den Jerusalemer Gottesdienst.4 Die sich unmittelbar anschließende detaillierte Beschreibung der Vergewaltigung der Dina und deren Entblößung ist nicht von Schamhaftigkeit bestimmt. Judith ist sich ihrer sexuellen Reize bewusst und will sie verführend einsetzen. Die Beschreibung der Vergewaltigung der Jungfrau Dina5 wird transparent auf die Belagerung und bevorstehende Eroberung Betuljas.6 Betulja wiederum dient als „Kryptogramm“ für die „Jungfrau Jeru1
Vgl. MCDOWELL, Prayers, 49. Vgl. JosAs 13,2; MCDOWELL, Prayers, 51: “The acts accompanying the prayer (prostration, ashes on the head) are commonly found associated with prayer.” 3 ZENGER, JSHRZ I/6, 492, Anm. b zu 9,1: „Der Erzähler ruft immer wieder durch kleine Hinweise in Erinnerung, daß im Mittelpunkt des Geschehens eigentlich Jerusalem steht.“ 4 Vgl. ZENGER, JSHRZ I/6, 435: „Auch die Tagesangaben des Geschehens bei Betulia setzt der Erzähler in theologischer Absicht ein.“ Vgl. ferner Joh 19,14: Nach dem Johannesevangelium wird Jesus zu der Zeit gekreuzigt, da im Jerusalemer Tempel die Lämmer für das Passafest geschlachtet werden. 5 MCDOWELL, Prayers, 50: “The mention of Dinah’s rape employs quite graphic language in 9.2”. 6 In den Manuskripten meist „Baituloua“ oder „Betuloua“. 2
1. JUDITHS GEBET UM GOTTES BEISTAND (JDT 9,1–14)
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salem“ (vgl. 2 Kön 19,21; Jes 37,22; Klgl 2,13).1 Die Assoziation des Namens der Stadt mit ʤʬʥʺʡ (betūlā, „Jungfrau“) legt sich nahe. Die Beschreibung der assyrischen Kriegsmaschinerie (Jdt 9,7) erinnert an die Waffen und Reiter der Ägypter, die im Roten Meer ihren Untergang fanden (Jdt 5,10f.; vgl. Ex 15,1.21). Damit wird Judith implizit an die Seite Miriams und vor allem Moses gestellt.
1
ZENGER, JSHRZ I/6, 435.
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1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] Ἰουδὶθ δὲ ἔπεσεν ἐπὶ πρόσωπον καὶ ἐπέθετο σποδὸν ἐπὶ τὴν κεφαλὴν αὐτῆς καὶ ἐγύμνωσεν ὃν ἐνδεδύκει σάκκον, καὶ ἦν ἄρτι προσφερόμενον ἐν Ἰερουσαλὴμ εἰς τὸν οἶκον τοῦ θεοῦ [τὸ θυμίαμα τῆς ἑσπέρας ἐκείνης, καὶ ἐβόησεν φωνῇ μεγάλῃ Ἰουδὶθ πρὸς κύριον καὶ εἶπεν [2] Κύριε ὁ θεὸς τοῦ πατρός μου Συμεών, ᾧ ἔδωκας ἐν χειρὶ ῥομφαίαν εἰς ἐκδίκησιν ἀλλογενῶν, οἳ ἔλυσαν μήτραν2 παρθένου εἰς μίασμα καὶ ἐγύμνωσαν μηρὸν εἰς αἰσχύνην καὶ ἐβεβήλωσαν μήτραν εἰς ὄνειδος· εἶπας γάρ Οὐχ οὕτως ἔσται, καὶ ἐποίησαν· [3] ἀνθ᾿ ὧν ἔδωκας ἄρχοντας αὐτῶν εἰς φόνον [καὶ τὴν στρωμνὴν αὐτῶν, ἣ ᾐδέσατο τὴν ἀπάτην αὐτῶν, ἀπατηθεῖσαν εἰς αἷμα καὶ ἐπάταξας δούλους ἐπὶ δυνάσταις καὶ δυνάστας ἐπὶ θρόνους αὐτῶν
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Text und Verszählung nach HANHART, SVTG VIII,4, 104–109. ZENGER, JSHRZ I/6, 492, konjiziert τὴν μίτραν („den Gürtel“) und verweist darauf, dass μήτραν in demselben Vers noch einmal vorkommt. 2
1. JUDITHS GEBET UM GOTTES BEISTAND (JDT 9,1–14)
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1.3. ÜBERSETZUNG [1] Judith aber fiel auf (ihr) Antlitz und legte sich Asche auf ihr Haupt und entblößte den Sack, den sie trug,1 – da wurde gerade in Jerusalem im Haus Gottes [das Brandopfer jenes Abends dargebracht –, und es schrie mit lauter2 Stimme Judith zum Herrn und sprach: [2] Herr, (du) Gott meines Vaters Simeon, dem du in (seine) Hand ein Schwert gegeben hast zur Vergeltung an (den) Fremdstämmigen, die aufgespreizt3 hatten (die) Gebärmutter (der) Jungfrau zur Befleckung und entblößt hatten (deren) Schenkel zur Schändung und entweiht hatten (deren) Gebärmutter zur Beschämung, du hast ja gesagt: „Auf keinen Fall darf es so sein!“4, doch5 sie haben (es) getan. [3] Deswegen hast du ihre Anführer (der) Ermordung preisgegeben6 [und deren Heerlager, das ihren Betrug scheute7, (als) ein betrogenes (dem) Blut8, und hast Knechte nebst Machthabern geschlagen und Machthaber auf ihre(n) Throne(n),
1
Gemeint ist wohl: „Sie trug nunmehr das Bußgewand sichtbar, vorher nur unter ihrer Tageskleidung“ (ENGEL, in: LXX.D, 628, Anm. z.St.). Die Perfektform ἐνδεδύκει („sie hat angezogen“) wird hier resultativ aufgefasst. 2 Wörtlich: „mit großer Stimme“. 3 Wörtlich: „die geöffnet/aufgeschlossen hatten…“ Vgl. PASSOW, Hwb II/1, 99, s.v. λύω. 4 Der Prohibitiv wird im Hebräischen mit ʠʬ gebildet, was im Griechischen οὐ (nicht μή) entspricht. Der bekannteste entsprechende Fall ist der Dekalog. 5 Zu καί adversativum vgl. BDR, § 442,1. 6 Die Wendung διδόναι εἰς bedeutet „preisgeben“. 7 Das Verb meint immer die sittliche Scheu. Vgl. PASSOW, Hwb I/1, 52, s.v. αἰδέομαι. 8 D.h. der Blutrache.
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C.II. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[4] καὶ ἔδωκας γυναῖκας αὐτῶν εἰς προνομὴν [καὶ θυγατέρας αὐτῶν εἰς αἰχμαλωσίαν [καὶ πάντα τὰ σκῦλα αὐτῶν εἰς διαίρεσιν υἱῶν ἠγαπημένων ὑπὸ σοῦ, οἳ καὶ ἐζήλωσαν τὸν ζῆλόν σου καὶ ἐβδελύξαντο μίασμα αἵματος αὐτῶν καὶ ἐπεκαλέσαντό σε εἰς βοηθόν· ὁ θεὸς ὁ θεὸς ὁ ἐμός, καὶ εἰσάκουσον ἐμοῦ τῆς χήρας. [5] σὺ γὰρ ἐποίησας τὰ πρότερα ἐκείνων καὶ ἐκεῖνα καὶ τὰ μετέπειτα καὶ τὰ νῦν καὶ τὰ ἐπερχόμενα διενοήθης, καὶ ἐγενήθησαν ἃ ἐνενοήθης, [6] καὶ παρέστησαν ἃ ἐβουλεύσω καὶ εἶπαν Ἰδοὺ πάρεσμεν· πᾶσαι γὰρ αἱ ὁδοί σου ἕτοιμοι, καὶ ἡ κρίσις σου ἐν προγνώσει. [7] ἰδοὺ γὰρ Ἀσσύριοι ἐπληθύνθησαν ἐν δυνάμει αὐτῶν, ὑψώθησαν ἐφ᾿ ἵππῳ καὶ ἀναβάτῃ, ἐγαυρίασαν ἐν βραχίονι πεζῶν, ἤλπισαν ἐν ἀσπίδι καὶ ἐν γαίσῳ καὶ τόξῳ καὶ σφενδόνῃ καὶ οὐκ ἔγνωσαν ὅτι σὺ εἶ κύριος συντρίβων πολέμους. [8] κύριος ὄνομά σοι· σὺ ῥάξον αὐτῶν τὴν ἰσχὺν ἐν δυνάμει σου καὶ κάταξον τὸ κράτος αὐτῶν ἐν τῷ θυμῷ σου· ἐβουλεύσαντο γὰρ βεβηλῶσαι τὰ ἅγιά σου, μιᾶναι τὸ σκήνωμα τῆς καταπαύσεως τοῦ ὀνόματος τῆς δόξης σου, καταβαλεῖν σιδήρῳ κέρας θυσιαστηρίου σου. [9] βλέψον εἰς ὑπερηφανίαν αὐτῶν, ἀπόστειλον τὴν ὀργήν σου εἰς κεφαλὰς αὐτῶν, δὸς ἐν χειρί μου τῆς χήρας ὃ διενοήθην κράτος. [10] πάταξον δοῦλον ἐκ χειλέων ἀπάτης μου ἐπ᾿ ἄρχοντι [καὶ ἄρχοντα ἐπὶ θεράποντι αὐτοῦ, θραῦσον αὐτῶν τὸ ἀνάστημα ἐν χειρὶ θηλείας.
1. JUDITHS GEBET UM GOTTES BEISTAND (JDT 9,1–14)
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[4] und hast ihre Frauen (der) Vergewaltigung1 preisgegeben [und ihre Töchter (der) Kriegsgefangenschaft [und alle ihre Beutestücke (der) Verteilung (an) eben jene2 von dir geliebten Söhne, die deinen Eifer geeifert und (die) Befleckung ihres Blutes verabscheut und dich zum Helfer angerufen hatten. (Du) Gott, (du) mein Gott, so erhöre mich doch3, die Witwe! [5] Denn du, du hast gemacht die (Ereignisse) vor jenen und jene (selbst) und die danach, und die (Ereignisse) jetzt und die kommenden hast du geplant, und es hat sich ereignet, was du ersonnen hast, [6] und es traf ein, was du beschlossen hattest, und sie (d.h. diese Ereignisse) sprachen: „Siehe, wir sind da.“ Denn alle deine Wege [sind schon] bereit und dein Gericht [existiert bereits] in der Vorsehung. [7] Denn siehe, (die) Assyrer nahmen überhand aufgrund ihrer Macht, sie erhoben sich dank Ross und Reiter, sie waren stolz auf die Armkraft (ihrer) Fußtruppen, sie setzten ihre Hoffnung auf Schild und auf Wurfspieß und Bogen und Schleuder doch nicht erkannt haben sie, dass du ein Kriege zerschmetternder Herr bist. [8] „Herr“ ist dein Name; [so] zerschlage du ihre Kraft mit deiner Macht und zerbrich ihre Stärke mit deinem Ingrimm, denn sie beschlossen, dein Heiligtum zu entweihen, die Wohnung der Ruhe deines herrlichen Namens zu beflecken, mit Eisen das Horn deines Altars niederzuwerfen. [9] Blicke auf ihre Eitelkeit, sende deinen Zorn auf ihre Häupter, gib in meine, der Witwe, Hand, die Gewalttat, die ich geplant habe.4 [10] Schlage (den) Knecht aus meinen trügerischen Lippen heraus nebst (dem) Herrscher [und (den) Herrscher nebst seinem Dienstboten, zerbrich ihre Erhöhung (d.h. Überheblichkeit) durch (die) Hand einer Frau.
1
Das Substantiv προνομή bedeutet eigentlich das „Futterholen“, insbesondere von Pferdefutter, daher steht es auch euphemistisch für „Plünderung“, „Brandschatzung“ und „Vergewaltigung“. 2 Das dem Relativpronomen (οἵ) nachgestellte καί verstärkt i.d.R. das Relativpronomen. Vgl. BDR, § 442,8b. Möglich wäre aber auch, das dreimalige καί im folgenden Relativsatz im Sinne eines „sowohl – als auch – als auch“ aufzufassen. 3 Καί verstärkt hier den Imperativ εἰσάκουσον. 4 D.h.: „Lass die Gewalttat… gelingen“.
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C.II. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[11] οὐ γὰρ ἐν πλήθει τὸ κράτος σου, οὐδὲ ἡ δυναστεία σου ἐν ἰσχύουσιν, ἀλλὰ ταπεινῶν εἶ θεός, ἐλαττόνων εἶ βοηθός, ἀντιλήμπτωρ ἀσθενούντων, ἀπεγνωσμένων σκεπαστής, ἀπηλπισμένων σωτήρ. [12] ναὶ ναὶ ὁ θεὸς τοῦ πατρός μου καὶ θεὸς κληρονομίας Ἰσραήλ, δέσποτα τῶν οὐρανῶν καὶ τῆς γῆς, κτίστα τῶν ὑδάτων, βασιλεῦ πάσης κτίσεώς σου, σὺ εἰσάκουσον τῆς δεήσεώς μου [13] καὶ δὸς λόγον μου καὶ ἀπάτην εἰς τραῦμα καὶ μώλωπα αὐτῶν, οἳ κατὰ τῆς διαθήκης σου καὶ οἴκου ἡγιασμένου σου καὶ κορυφῆς Σιὼν καὶ οἴκου κατασχέσεως υἱῶν σου ἐβουλεύσαντο σκληρά. [14] καὶ ποίησον ἐπὶ πᾶν τὸ ἔθνος σου καὶ πάσας φυλὰς ἐπίγνωσιν τοῦ εἰδῆσαι ὅτι σὺ εἶ ὁ θεὸς πάσης δυνάμεως καὶ κράτους καὶ οὐκ ἔστιν ἄλλος ὑπερασπίζων τοῦ γένους Ἰσραὴλ εἰ μὴ σύ.
1. JUDITHS GEBET UM GOTTES BEISTAND (JDT 9,1–14)
[11] Denn nicht in Überzahl [besteht] deine Kraft noch [ruht] deine Macht auf Starken, sondern (der) Niedrigen Gott bist du, (der) sehr Geringen Helfer bist du, ein Beschützer Schwacher, (der) Verachteten Verteidiger, (der) Verzweifelten Retter. [12] Ja, ja, (du) Gott meines Vaters und Gott des Erbes Israels, Gebieter der Himmel und der Erde, Schöpfer der Wasser, König deiner ganzen Schöpfung, erhöre du mein Flehen [13] und gib mein Wort und (meine) Täuschung zur Verletzung und Verwundung derer, die gegen deinen Bund und dein geheiligtes Haus und die Höhe Zions und (das) Haus (des) Besitzes deiner Söhne Hartes beabsichtigten. [14] Und mache über dein ganzes Volk und jeden Stamm Einsicht der Erkenntnis, dass du (allein) der Gott jeglicher Macht und Stärke bist, und (dass) es keinen anderen gibt, der Schutz leistet dem Geschlecht Israel, als nur dich.
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
III. TOBIT (TOBIAS)
Die beiden wichtigsten Tobit-Rezensionen sind repräsentiert durch den Codex Vaticanus (B, 4. Jh.), den Codex Alexandrinus (A, 5. Jh.) sowie den Codex Venetus (8. Jh.) auf der einen und den Codex Sinaiticus (S, 4. Jh.) auf der anderen Seite. Hinzu kommt vor allem für die erste Gruppe eine Reihe von Minuskeln. Die Vaticanus-Gruppe hat den stringenteren Text; die Sinaiticus-Fassung semitisiert stärker, ist ausführlicher und oft redundant. Ein Hauptthema der Tobitforschung ist das Problem der Abhängigkeit der beiden Textgruppen voneinander: Ist die erste Schriftenfamilie (B, A, Codex Venetus) die ursprünglichere und die zweite (S) durch Glossierungen entstanden, oder handelt es sich bei der ersten Schriftenfamilie um eine Überarbeitung für das gebildete und literarisch anspruchsvolle griechischsprachige Publikum? Die eher dem Sinaiticustext entsprechenden Qumranfunde legen Letzteres nahe. Ebenfalls umstritten ist die Frage, ob Hebräisch oder Aramäisch die Ursprungssprache war. Fragmente der Schriftrollen von Qumran bezeugen vier aramäische und eine hebräische Handschrift. Ein Beweis für die Originalität einer der beiden Sprachen konnte bislang nicht erbracht werden.1 Textkritische Berücksichtigung verdienen die den Sinaiticus voraussetzende Vetus Latina und die paraphrasierende und die Gebete des Romans noch stärker herausstellende Vulgata. Die Mehrzahl der Exegetinnen und Exegeten spricht sich für die weitgehende literarische Einheitlichkeit der Schrift als einer „weisheitlichen Lehrerzählung“ aus; doch auch für ein stufenweises Wachstum finden sich Vertreter.2 Als Entstehungsorte werden Ägypten, Israel/Palästina und die östliche Diaspora vorgeschlagen. Bei der zeitlichen Ansetzung bewegen sich die Angaben zwischen dem 4. Jh. und der Mitte des 2. Jh. v.Chr., d.h. zwischen der Kanonisierung der Propheten (Tob
1 BEYER, in: ATTM II, 135, plädiert für Hebräisch. COOK, Tobit, 156, zeigt, dass sich ebenso eine aramäische Originalität begründen lässt. EGO, JSHRZ II/6, 881, hält eine aramäische Ursprungsschrift für wahrscheinlicher. 2 Vgl. DESELAERS, Studien; RABENAU, Studien. Die Zugehörigkeit des Jerusalem-Hymnus in Tob 13 zur ursprünglichen Fassung ist umstritten. Vgl. ZIMMERMANN, Book, 51.
III. TOBIT (TOBIAS)
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14,4) und dem Herrschaftsantritt der Hasmonäer (Tob 13,11; 14,6f.).1 Diskutiert wird eine sadduzäische Herkunft.2 Im Tobitbuch wird jede Gelegenheit zum Gebet genutzt. Selbst in Tobias’ Hochzeitsnacht steht vor der Hinwendung der Ehepartner zueinander ihre gemeinsame Hinwendung zu Gott. Die Gebete sind weniger Verbalvorlagen zum Nachbeten als vielmehr Anleitungen zur Gestaltung des Lebens als eines Lebens vor Gott. Tiefste Not und größte Freude, Dankbarkeit, Anspannung, Angst, Sündenverstrickung – der Bezug auf Gott ist immer möglich und, wie der Tobitroman zeigt, am Ende von Erfolg gekrönt. Das Gebet ist die Matrix, vor der sich alle Facetten des Lebens abspielen. Das Gebet ist Manifestation der Gottesfurcht. Tobit hört nicht auf, Gott zu danken und ihn zu bekennen (Tob 14,2). Durch „diese Gebete, durch die die Protagonisten zu Gott flehen, ihm aber auch wegen seiner Barmherzigkeit danken können, wird die menschliche Existenz zu einer dialogischen Existenz vor Gott.“3
G riechischer Text HANHART, R. (Hg.), Tobit (SVTG VIII,5), Göttingen 1983. Hebräischer Text FITZMYER, J.A. (Hg.), Tobit, in: M. Broshi u.v.a. (Hg.), Qumran Cave 4, Bd. 14: Parabiblical Texts, Part 2 (DJD XIX), Oxford 1995, 1–76. Aramäischer Text BEYER, K., Die aramäischen Texte vom Toten Meer samt den Inschriften aus Palästina, dem Testament Levis aus der Kairoer Genisa, der Fastenrolle und den alten talmudischen Zitaten. Aramaistische Einleitung. Text, Übersetzung, Deutung. Grammatik/Wörterbuch. Deutscharamäische Wortliste. Register, Bd. 2, Göttingen 2004, 172–186 (= ATTM II).
1
EGO, JSHRZ II/6, 900, hält das späte dritte und das frühe zweite Jahrhundert für plausibel. Vgl. MOORE, Tobit, 185. 3 EGO, JSHRZ II/6, 894. Vgl. a.a.O., 901: „Durch das Medium des Gebets erweist sich das Exil als ein Ort der Gottesnähe, und die Zerstreuung unter die Völker wird zu einer gottgeschenkten Gelegenheit, Jahwe auch unter den Heiden zu preisen.“ 2
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
Lateinischer Text WEBER, R. / GRYSON, R. (Hg.), Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem, Stuttgart 52007, 688f. (= BSVC[S]). Synopse WAGNER, C.J. (Hg.), Polyglotte Tobit-Synopse, Griechisch – Lateinisch – Syrisch – Hebräisch – Aramäisch. Mit einem Index zu den Tobit-Fragmenten vom Toten Meer (AAWG.PH III/258 = MSU XXVIII), Göttingen 2003. Deutsche Übersetzung EGO, B., Buch Tobit (JSHRZ II/6), Gütersloh 1999. Englische Übersetzungen DI LELLA, A.A., Tobit, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 456–477 (= NETS). MOORE, C.A., Tobit. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 40A), New York 1996. Französische Übersetzung CLAMER, A., Tobie, traduit et commenté, in: L. Pirot / ders. (Hg.), La Sainte Bible, Bd. 4: Paralipomènes. Esdras-Néhémie. Tobie. Judith. Esther, Job (SB[PC] 4), Paris 1952, 385–480. Literatur COOK, E.M., Our Translated Tobit, in: K.J. Cathcart / M. Maher (Hg.), Targumic and Cognate Studies, FS M. McNamara (JSOTS 230), Sheffield 1996, 153–162. DESELAERS, P., Das Buch Tobit (GSL.AT 11), Düsseldorf 1990. –, Das Buch Tobit. Studien zu seiner Entstehung, Komposition und Theologie (OBO 43), Freiburg Schweiz/Göttingen 1982. GRIFFIN, P.J., The Theology and Function of Prayer in the Book of Tobit (Ph.D. Diss. Catholic University of America), Ann Arbor 1985. HANHART, R., Text und Textgeschichte des Buches Tobit (AAWG.PH 139 = MSU 17), Göttingen 1984.
III. TOBIT (TOBIAS)
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JOHNSON, N.B., Prayer in the Apocrypha and Pseudepigrapha. A Study of the Jewish Concept of God (JBLMS 2), Philadelphia 1948. MOORE, C.A., Tobit. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 40A), New York 1996. NOWELL, I., Jonah, Tobit, Judith (New Collegeville Bible Commentary), Collegeville 2015. PAUTREL, R., Tobie, in: SB(J), Nouvelle édition revue et corrigée, Paris 2000, 659–679. RABENAU, M., Studien zum Buch Tobit (BZAW 220), Berlin/New York 1994. RÜGER, H.-P., Art. Apokryphen I. Apokryphen des Alten Testaments, in: TRE 3 (1978), 289– 316. WEITZMAN, S., Allusion, Artifice, and Exile in the Hymn of Tobit, in: JBL 115 (1996), 49–61.
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1. Tobits Lobgebet (Tob 13,1–18) 1.1. EINFÜHRUNG Anders als die Gebete in den Zusätzen zu Esther, aber vergleichbar mit den Gebeten im Judithbuch, sind die Gebete im Tobitbuch für den Fortgang und die Gliederung der Handlung unabdingbar. Das letzte und zugleich längste der Gebete umfasst das komplette vorletzte Kapitel (Tob 13,1–18). Es handelt sich dabei um ein Lobgebet. Dieses Lobgebet ist Tobits Reaktion auf die wunderbare Auflösung aller Bedrohungen und auf die Offenbarung der göttlichen Fügung. Das sich anschließende letzte Kapitel berichtet vom Vermächtnis Tobits und vom Ende des erfüllten Lebens der Protagonisten. Während der Codex Sinaiticus (S) das Lobgebet knapp einleitet mit: „Und er sprach…“ (Καὶ εἶπεν), heißt es im Vaticanus (B) und im Alexandrinus (A): „Und Tobit schrieb ein Gebet zum Jubel (zu Jubelzwecken) und sprach…“ (Καὶ Τωβὶτ ἔγραψεν προσευχὴν εἰς ἀγαλλίασιν καὶ εἶπεν). Nach der Anrufung des lebendigen Gottes thematisiert bereits der zweite Vers des Lobpreises die Rückführung aus der Unterwelt: Gott ist es, der hinab- und wieder hinaufführt (V. 2b). Niemand vermag der Hand Gottes zu entfliehen (V. 2c). Ob sich der Vers als Ausdruck einer konkreten und verbreiteten Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten werten lässt oder ob metaphorisch an größte Not und Verzweiflung gedacht ist, wie sie die Protagonisten des Tobitromans durchlitten haben, bleibt offen. Das Schicksal und die Errettung Tobits kommen in seinem Lobgesang nur indirekt zur Sprache. Eigentlicher Gebetsinhalt ist die Deutung der Verbannung Israels als verdiente Züchtigung Gottes. Es handelt sich um einen Aufruf zur Umkehr und zum Lob des sich in Zukunft als gnädig erweisenden Gottes. Vergleichbar einigen der Makarismen bei Matthäus (Mt 5,7–10) preist Tobit diejenigen selig, die den Herrn lieben und sich im Leid bewähren (V. 14: μακάριοι).1 Das Schicksal Tobits wird zur Folie für das Schicksal Israels und der Stadt Jerusalem, die in den Handschriftenfamilien an unterschiedlichen Stellen ins Spiel gebracht wird.2 Die Völkerwallfahrt zum Zion (V. 11) und die Beschreibung Jerusalems als einer Stadt, die aus Gold und Edelsteinen erbaut ist, führt das Gebet über die Gegenwart Tobits und über die Gegenwart des Autors der Erzählung hinaus: Tobit, sein Ergehen und seine Treue werden transparent für die endzeitliche Erlösung im himmlischen Jerusalem.
1 2
Demgegenüber werden alle verflucht, die Jerusalem hassen oder zerstören (V. 12). Nach RAHLFS/HANHART: B und A in V. 10 (Ἱεροσόλυμα); S in V. 17 (Ιερουσαλημ).
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.2. GRIECHISCHER TEXT NACH VATICANUS UND ALEXANDRINUS (GI)1 [1] Καὶ Τωβὶτ ἔγραψεν προσευχὴν εἰς ἀγαλλίασιν καὶ εἶπεν Εὐλογητὸς ὁ θεὸς ὁ ζῶν εἰς τοὺς αἰῶνας καὶ ἡ βασιλεία αὐτοῦ, [2] ὅτι αὐτὸς μαστιγοῖ καὶ ἐλεᾷ, κατάγει εἰς ᾅδην καὶ ἀνάγει, καὶ οὐκ ἔστιν ὃς ἐκφεύξεται τὴν χεῖρα αὐτοῦ. [3] ἐξομολογεῖσθε αὐτῷ, οἱ υἱοὶ Ἰσραήλ, ἐνώπιον τῶν ἐθνῶν, ὅτι αὐτὸς διέσπειρεν ἡμᾶς ἐν αὐτοῖς· [4] ἐκεῖ ὑποδείξατε τὴν μεγαλωσύνην αὐτοῦ, ὑψοῦτε αὐτὸν ἐνώπιον παντὸς ζῶντος, καθότι αὐτὸς κύριος ἡμῶν, καὶ ὁ2 θεὸς αὐτὸς3 πατὴρ ἡμῶν εἰς πάντας τοὺς αἰῶνας. [5] καὶ μαστιγώσει ἡμᾶς ἐν ταῖς ἀδικίαις ἡμῶν καὶ πάλιν ἐλεήσει καὶ συνάξει ἡμᾶς ἐκ πάντων τῶν ἐθνῶν, οὗ ἐὰν σκορπισθῆτε4 ἐν αὐτοῖς. [6] ἐὰν ἐπιστρέψητε πρὸς αὐτὸν ἐν ὅλῃ5 καρδίᾳ ὑμῶν καὶ ἐν ὅλῃ τῇ ψυχῇ6 [ποιῆσαι ἐνώπιον αὐτοῦ ἀλήθειαν, τότε ἐπιστρέψει πρὸς ὑμᾶς καὶ οὐ μὴ κρύψῃ τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ἀφ᾿ ὑμῶν. καὶ θεάσασθε ἃ ποιήσει μεθ᾿ ὑμῶν, καὶ ἐξομολογήσασθε αὐτῷ ἐν ὅλῳ τῷ στόματι7 ὑμῶν· καὶ εὐλογήσατε8 τὸν κύριον τῆς δικαιοσύνης καὶ ὑψώσατε τὸν βασιλέα τῶν αἰώνων. ἐγὼ ἐν τῇ γῇ τῆς αἰχμαλωσίας μου ἐξομολογοῦμαι αὐτῷ καὶ δεικνύω τὴν ἰσχὺν καὶ τὴν μεγαλωσύνην αὐτοῦ ἔθνει ἁμαρτωλῶν Ἐπιστρέψατε, ἁμαρτωλοί, καὶ ποιήσατε δικαιοσύνην ἐνώπιον αὐτοῦ· τίς γινώσκει εἰ9 θελήσει ὑμᾶς καὶ ποιήσει ἐλεημοσύνην ὑμῖν10;
1
Text und Verszählung nach HANHART, SVTG VIII,5, 165–175. B lässt den Artikel weg. 3 A hat ο statt αυτος. 4 A: εσκορπισθητε. 5 A setzt Artikel τη. 6 A ergänzt υμων. 7 B hat σωματι statt στοματι. 8 A hat ευλογειτε. 9 B hat η. 10 A hat εις υμας. 2
1. TOBITS LOBGEBET (TOB 13,1–18)
1.3. ÜBERSETZUNG VON VATICANUS UND ALEXANDRINUS [1] Und Tobit schrieb ein Gebet zu Jubel(zwecken) und sprach: Gelobt [seien] der lebendige Gott in die Ewigkeiten und seine Königsherrschaft, [2] denn er, er züchtigt und erbarmt sich, er führt hinab in (die) Unterwelt und führt [von dort] hinauf, und es gibt keinen, der seiner Hand entkommen wird. [3] Rühmt ihn, (ihr) Söhne Israels, vor den Heidenvölkern, denn er, er hat uns unter ihnen zerstreut; [4] dort präsentiert seine Größe, erhebt ihn vor jeglichem Lebenden, deshalb weil er allein unser Herr, ja, Gott selbst, unser Vater [ist] in alle Ewigkeiten. [5] Und züchtigen wird er uns wegen unserer Ungerechtigkeiten, doch wiederum wird er sich erbarmen und uns zusammenführen aus allen Heidenvölkern, wohin auch immer ihr zerstreut worden seid unter ihnen. [6] Wenn ihr zu ihm umkehrt von eurem ganzen Herzen und mit (eurer) ganzen Seele, [um vor ihm Wahrheit zu tun, dann wird er umkehren zu euch und keinesfalls wird er sein Antlitz vor euch verbergen. Und (jetzt) schaut, was er mit euch machen wird, und rühmt ihn mit eurem ganzen Mund; und lobt den Herrn der Gerechtigkeit und erhebt den König der Ewigkeiten. Ich, in dem Land meiner Kriegsgefangenschaft rühme ich ihn, und ich zeige seine Stärke und (seine) Größe einem Heidenvolk von Sündern. Kehrt um, Sünder, und tut Gerechtigkeit vor ihm; wer weiß, ob er euch wollen und euch Barmherzigkeit tun wird?
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[7] τὸν θεόν μου ὑψῶ καὶ ἡ ψυχή μου τὸν βασιλέα1 τοῦ οὐρανοῦ καὶ ἀγαλλιάσεται τὴν μεγαλωσύνην αὐτοῦ. [8] λεγέτωσαν πάντες καὶ ἐξομολογείσθωσαν αὐτῷ ἐν Ἱεροσολύμοις [9] Ἱεροσόλυμα πόλις ἁγία2, μαστιγώσει ἐπὶ τὰ ἔργα τῶν υἱῶν σου καὶ πάλιν ἐλεήσει τοὺς υἱοὺς τῶν δικαίων. [10] ἐξομολογοῦ τῷ κυρίῳ ἀγαθῶς3 καὶ εὐλόγει τὸν βασιλέα τῶν αἰώνων, ἵνα πάλιν ἡ4 σκηνὴ αὐτοῦ οἰκοδομηθῇ ἐν5 σοὶ μετὰ χαρᾶς. καὶ εὐφράναι6 ἐν σοὶ τοὺς7 αἰχμαλώτους καὶ ἀγαπήσαι ἐν σοὶ τοὺς ταλαιπώρους εἰς πάσας τὰς γενεὰς τοῦ αἰῶνος. [11] ἔθνη πολλὰ μακρόθεν ἥξει πρὸς τὸ ὄνομα κυρίου τοῦ θεοῦ [δῶρα ἐν χερσὶν ἔχοντες καὶ8 δῶρα τῷ βασιλεῖ τοῦ οὐρανοῦ, 9 γενεαὶ γενεῶν δώσουσίν σοι10 ἀγαλλίασιν11. [12] ἐπικατάρατοι πάντες οἱ μισοῦντές σε· εὐλογημένοι ἔσονται πάντες οἱ ἀγαπῶντές σε εἰς τὸν αἰῶνα. [13] χάρηθι12 καὶ ἀγαλλίασαι ἐπὶ τοῖς υἱοῖς τῶν δικαίων, ὅτι συναχθήσονται καὶ εὐλογήσουσιν τὸν κύριον τῶν δικαίων· [14] ὦ μακάριοι οἱ ἀγαπῶντές σε, χαρήσονται ἐπὶ τῇ εἰρήνῃ σου. μακάριοι ὅσοι ἐλυπήθησαν ἐπὶ πάσαις13 ταῖς μάστιξίν σου, ὅτι ἐπὶ σοὶ χαρήσονται θεασάμενοι πᾶσαν τὴν δόξαν σου καὶ εὐφρανθήσονται14 εἰς τὸν αἰῶνα.
1
B: τω βασιλει. B: αγιου. 3 A: αγαθω. 4 Fehlt in A. 5 B lässt ἐν weg. 6 A: ευφρανη. 7 A ergänzt εκει. 8 Fehlt in A. 9 A: γενεα. 10 Statt δώσουσίν σοι hat A αινεσουσιν σοι και δωσουσιν. 11 B bezeugt ἀγαλλίαμα. 12 B+A: χαρητι. 13 Fehlt in B. 14 B: ευφρανθησεται. 2
1. TOBITS LOBGEBET (TOB 13,1–18)
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[7] Meinen Gott erhebe ich, und meine Seele [erhebt] den König des Himmels und wird bejubeln seine Größe. [8] Reden sollen alle und ihn rühmen in Jerusalem. [9] Jerusalem, heilige Stadt, züchtigen wird er wegen der Werke deiner Söhne, doch wiederum wird er sich erbarmen der Söhne der Gerechten. [10] Rühme den Herrn in guter Weise, und lobe den König der Ewigkeiten, damit wiederum seine Wohnstätte (= Tempel) in dir erbaut werde mit Freude. Und froh machen möge er in dir die Kriegsgefangenen und lieben möge er in dir die Elenden in alle Generationen der Ewigkeit. [11] Viele Heidenvölker werden von weither kommen zum Namen Gottes, des Herrn,1 [Geschenke in (den) Händen haltend, und zwar Geschenke für den König des Himmels, Generationen (über) Generationen werden dich bejubeln2. [12] Verflucht [seien] alle dich Hassenden; gesegnet werden sein alle dich Liebenden in die Ewigkeit. [13] Freue dich und juble über die Söhne der Gerechten, denn sie werden zusammengeführt werden und werden loben den Herrn der Gerechten. [14] O, selig die dich Liebenden, sie werden sich freuen über deinen Frieden. Selig alle, die betrübt wurden über alle deine Züchtigungen, denn über dich werden sie sich freuen, wenn sie schauen deine ganze Herrlichkeit, und froh sein werden sie in die Ewigkeit.
1 2
Κύριος ὁ θεός = ʭʩʤʬʠ ʤʥʤʩ (Gen 2,8 u.ö.). Wörtlich: „werden dir Jubel geben/spenden“.
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[15] ἡ ψυχή μου εὐλογείτω1 τὸν θεὸν τὸν βασιλέα τὸν μέγαν. [16] ὅτι οἰκοδομηθήσεται Ἰερουσαλὴμ σαπφείρῳ2 καὶ σμαράγδῳ καὶ λίθῳ ἐντίμῳ3 τὰ τείχη σου καὶ οἱ πύργοι καὶ οἱ προμαχῶνες ἐν4 χρυσίῳ καθαρῷ, [17] καὶ αἱ πλατεῖαι Ἰερουσαλὴμ βηρύλλῳ καὶ ἄνθρακι [καὶ λίθῳ ἐκ Σουφὶρ ψηφολογηθήσονται. [18] καὶ ἐροῦσιν πᾶσαι αἱ ῥῦμαι αὐτῆς Ἁλληλουιὰ καὶ αἰνέσουσιν5 λέγοντες Εὐλογητὸς ὁ θεός, ὃς ὕψωσεν6 πάντας τοὺς αἰῶνας.
1
B: ευλογει. B: σαππειρω. 3 A: επιτιμω. 4 Fehlt in B. 5 B: αινεσιν. 6 A setzt εις vor. 2
1. TOBITS LOBGEBET (TOB 13,1–18)
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[15] Meine Seele soll Gott loben, den großen König. [16] Denn erbaut werden wird Jerusalem mit Saphir und Smaragd, und mit Schmuckstein [werden erbaut werden] deine Mauern, und die Wehrtürme und die Bollwerke [werden erbaut werden] in reinem Gold. [17] Und die Straßen1 Jerusalems werden mit Beryll und Rubin2 [und Stein aus Sufir3 gepflastert werden. [18] Und sprechen werden alle seine (d.h. Jerusalems) Gassen: „Halleluja!“, und sie werden lobpreisen und sprechen: „Gelobt [sei] Gott, der erhöht hat alle Ewigkeiten!“
1
Im Unterschied zu den hier genannten breiten πλατεῖαι (sc. ὁδαί) handelt es sich bei den in V. 18 genannten ῥῦμαι um schmale(re) „Gassen“ (zu dieser Kombination vgl. z.B. Lk 14,21). 2 So die meisten Übersetzungen. DI LELLA, in: NETS, 475, übersetzt mit der unspezifischen Sammelbezeichnung „carbuncle“ (sog. Karfunkelstein). Gemeint ist jedenfalls ein zinnoberrot oder glutrot (ἄνθραξ!) schimmernder Edel- oder Schmuckstein. 3 Vermutlich ist mit der Ortsangabe Σουφίρ das aus dem Alten Testament (z.B. 1 Kön 9,28; Jes 13,12) bekannte legendäre Goldland „Ofir/Ophir“ gemeint, das nach 1 Kön 10,11 auch große Mengen an Edelhölzern und Schmucksteinen zu bieten hatte.
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.4. GRIECHISCHER TEXT NACH SINAITICUS (GII)1 [1] Καὶ εἶπεν [2] Εὐλογητὸς ὁ θεὸς ὁ ζῶν εἰς τὸν αἰῶνα καὶ ἡ βασιλεία αὐτοῦ, ὅτι αὐτὸς μαστιγοῖ καὶ ἐλεᾷ, κατάγει ἕως ᾅδου κατωτάτω τῆς γῆς, καὶ αὐτὸς ἀνάγει ἐκ τῆς ἀπωλείας τῆς μεγάλης, καὶ οὐκ ἔστιν οὐδὲν, ὃ ἐκφεύξεται τὴν χεῖρα αὐτοῦ. [3] ἐξομολογεῖσθε αὐτῷ, οἱ υἱοὶ Ἰσραήλ, ἐνώπιον τῶν ἐθνῶν, ὅτι αὐτὸς διέσπειρεν ὑμᾶς ἐν αὐτοῖς· [4] καὶ ἐκεῖ ὑπέδειξεν ὑμῖν τὴν μεγαλωσύνην αὐτοῦ, καὶ ὑψοῦτε αὐτὸν ἐνώπιον παντὸς ζῶντος, καθότι αὐτὸς ἡμῶν κύριός ἐστιν, καὶ αὐτὸς θεὸς ἡμῶν καὶ αὐτὸς πατὴρ ἡμῶν καὶ αὐτὸς θεὸς εἰς πάντας τοὺς αἰῶνας. [5] μαστιγώσει ὑμᾶς ἐπὶ ταῖς ἀδικίαις ὑμῶν καὶ πάντας ὑμᾶς ἐλεήσει ἐκ πάντων τῶν ἐθνῶν, ὅπου ἂν διασκορπισθῆτε ἐν αὐτοῖς. [6] ὅταν ἐπιστρέψητε πρὸς αὐτὸν ἐν ὅλῃ τῇ καρδίᾳ ὑμῶν καὶ ἐν ὅλῃ τῇ ψυχῇ ὑμῶν [ποιῆσαι ἐνώπιον αὐτοῦ ἀλήθειαν, τότε ἐπιστρέψει πρὸς ὑμᾶς καὶ οὐ μὴ κρύψῃ τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ἀφ᾿ ὑμῶν οὐκέτι. καὶ νῦν θεάσασθε ἃ ἐποίησεν μεθ᾿ ὑμῶν, καὶ ἐξομολογήσασθε αὐτῷ ἐν ὅλῳ τῷ στόματι ὑμῶν· καὶ εὐλογήσατε τὸν κύριον τῆς δικαιοσύνης καὶ ὑψώσατε τὸν βασιλέα τῶν αἰώνων. [7]–[9] fehlen [10] καὶ πάλιν ἡ σκηνή σου οἰκοδομηθήσεταί σοι μετὰ χαρᾶς. καὶ εὐφράναι ἐν σοὶ πάντας τοὺς αἰχμαλώτους καὶ ἀγαπήσαι ἐν σοὶ πάντας τοὺς ταλαιπώρους εἰς2 πάσας τὰς γενεὰς τοῦ αἰῶνος. [11] φῶς λαμπρὸν λάμψει εἰς πάντα τὰ πέρατα τῆς γῆς· ἔθνη πολλὰ μακρόθεν [ἥξει σοι] καὶ κάτοικοι πάντων τῶν ἐσχάτων τῆς γῆς πρὸς τὸ ὄνομα τὸ ἅγιόν σου καὶ τὰ δῶρα αὐτῶν ἐν ταῖς χερσὶν αὐτῶν ἔχοντες τῷ βασιλεῖ τοῦ οὐρανοῦ· γενεαὶ γενεῶν δώσουσιν ἐν σοὶ ἀγαλλίαμα, καὶ ὄνομα τῆς ἐκλεκτῆς εἰς τὰς γενεὰς τοῦ αἰῶνος.
1 2
Text und Verszählung nach HANHART, SVTG VIII,5, 165–175. Sinaiticus hat καί. RAHLFS emendiert εἰς.
1. TOBITS LOBGEBET (TOB 13,1–18)
1.5. ÜBERSETZUNG DES SINAITICUS [1] Und er sagte: [2] Gelobt [seien] der lebendige Gott in die Ewigkeit und seine Königsherrschaft, denn er, er züchtigt und erbarmt sich, er führt hinab bis zur Unterwelt, nach zuunterst [in] der Erde, und er, er führt hinauf aus dem großen Verderben, und es gibt gar nichts, was seiner Hand entkommen wird. [3] Rühmt ihn, (ihr) Söhne Israels, vor den Heidenvölkern, denn er, er hat euch unter ihnen zerstreut: [4] Aber dort hat er euch präsentiert seine Größe, und [jetzt] erhebt ihn vor jeglichem Lebendigen, deshalb weil er (allein) unser Herr ist, und er, [er ist] unser Gott, und er, [er ist] unser Vater, und er, [er ist] Gott in alle Ewigkeiten. [5] Züchtigen wird er euch aufgrund eurer Ungerechtigkeiten, doch euer aller wird er sich erbarmen aus allen Heidenvölkern, wohin auch immer ihr zerstreut worden seid unter ihnen. [6] Wenn ihr zu ihm umkehrt von eurem ganzen Herzen und mit eurer ganzen Seele, [um vor ihm Wahrheit zu tun, dann wird er umkehren zu euch und keinesfalls wird er sein Antlitz mehr vor euch verbergen. Und nun schaut, was er mit euch gemacht hat, und rühmt ihn mit eurem ganzen Mund; und lobt den Herrn der Gerechtigkeit und erhebt den König der Ewigkeiten. [7]–[9] FEHLEN [10] Und wiederum wird deine Wohnstätte (= Tempel) dir erbaut werden mit Freude. Und er möge froh machen in dir alle Kriegsgefangenen und lieben in dir alle Elenden in alle Generationen der Ewigkeit. [11] Ein leuchtendes Licht wird leuchten hin zu allen Enden der Erde; viele Heidenvölker werden von weither kommen (zu) dir und Bewohner aller äußersten [Gebiete] der Erde zu deinem heiligen Namen und ihre Geschenke in ihren Händen haltend für den König des Himmels. Generationen (über) Generationen werden in dir1 Jubel(laute) geben, und (der) Name der auserwählten [Stadt] [wird bestehen] in die Generationen der Ewigkeit.
1
Oder: „über dich“.
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[12] ἐπικατάρατοι πάντες, οἳ ἐροῦσιν λόγον σκληρόν, ἐπικατάρατοι ἔσονται πάντες οἱ καθαιροῦντές σε καὶ κατασπῶντες τὰ τείχη σου καὶ πάντες οἱ ἀνατρέποντες τοὺς πύργους σου καὶ ἐμπυρίζοντες τὰς οἰκήσεις σου· καὶ εὐλογητοὶ ἔσονται πάντες εἰς τὸν αἰῶνα οἱ φοβούμενοί σε. [13] τότε πορεύθητι καὶ ἀγαλλίασαι πρὸς τοὺς υἱοὺς τῶν δικαίων, ὅτι πάντες ἐπισυναχθήσονται καὶ εὐλογήσουσιν τὸν κύριον τοῦ αἰῶνος. [14] μακάριοι οἱ ἀγαπῶντές σε, καὶ μακάριοι οἳ χαρήσονται ἐπὶ τῇ εἰρήνῃ σου· καὶ μακάριοι πάντες οἱ ἄνθρωποι, οἳ ἐπὶ σοὶ λυπηθήσονται [ἐπὶ πάσαις ταῖς μάστιξίν σου, ὅτι ἐν σοὶ χαρήσονται καὶ ὄψονται πᾶσαν τὴν χαράν σου εἰς τὸν αἰῶνα. [15] ἡ ψυχή μου, εὐλόγει τὸν κύριον τὸν βασιλέα τὸν μέγαν. [16] ὅτι Ἰερουσαλὴμ οἰκοδομηθήσεται, τῇ πόλει οἶκος αὐτοῦ εἰς πάντας τοὺς αἰῶνας. μακάριος ἔσομαι, ἂν γένηται τὸ κατάλειμμα τοῦ σπέρματός μου [ἰδεῖν τὴν δόξαν σου καὶ ἐξομολογήσασθαι τῷ βασιλεῖ τοῦ οὐρανοῦ. καὶ αἱ θύραι Ἰερουσαλὴμ σαπφείρῳ καὶ σμαράγδῳ οἰκοδομηθήσονται [καὶ λίθῳ τιμίῳ πάντα τὰ τείχη σου· οἱ πύργοι Ἰερουσαλὴμ χρυσίῳ οἰκοδομηθήσονται [καὶ οἱ προμαχῶνες αὐτῶν χρυσίῳ καθαρῷ· [17] αἱ πλατεῖαι Ἰερουσαλὴμ ἄνθρακι ψηφολογηθήσονται καὶ λίθῳ Σουφίρ. [18] καὶ αἱ θύραι Ἰερουσαλὴμ ᾠδὰς ἀγαλλιάματος ἐροῦσιν, καὶ πᾶσαι αἱ οἰκίαι αὐτῆς ἐροῦσιν Ἁλληλουιά, εὐλογητὸς ὁ θεὸς τοῦ Ἰσραήλ· καὶ εὐλογητοὶ εὐλογήσουσιν τὸ ὄνομα τὸ ἅγιον εἰς τὸν αἰῶνα καὶ ἔτι.
1. TOBITS LOBGEBET (TOB 13,1–18)
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[12] Verflucht [sind] alle, die ein hartes Wort sagen werden, verflucht sein werden alle dich Zerstörenden und deine Mauern Niederreißenden und alle deine Wehrtürme Umstürzenden und deine Behausungen Niederbrennenden; doch gesegnet sein werden in die Ewigkeit alle dich Fürchtenden. [13] Dann mach dich auf und juble den Söhnen der Gerechten zu, denn alle werden versammelt werden und werden loben den Herrn der Ewigkeit. [14] Selig die dich Liebenden, und selig, die sich freuen werden über deinen Frieden; und selig alle Menschen, die über dich betrübt sein werden [aufgrund aller deiner Züchtigungen, denn in dir1 werden sie sich freuen, und sehen werden sie deine ganze Freude in die Ewigkeit. [15] Meine Seele, lobe den Herrn, den großen König! [16] Denn Jerusalem wird erbaut werden, der Stadt [wird erbaut werden] sein (d.h. Gottes) Haus (= der Tempel) in alle Ewigkeiten. Selig werde ich sein, wenn da ist der Rest meiner Nachkommenschaft2, [um zu sehen deine Herrlichkeit und um zu rühmen den König des Himmels. Und die Tore Jerusalems werden mit Saphir und Smaragd erbaut werden [und mit Schmuckstein alle deine Mauern; die Wehrtürme Jerusalems werden mit Gold erbaut werden [und ihre Bollwerke mit reinem Gold. [17] Die Straßen Jerusalems werden mit Rubin3 gepflastert werden und mit Sufirstein4. [18] Und die Tore Jerusalems werden Jubellieder sprechen, und alle seine Häuser werden sprechen: „Halleluja, gelobt [sei] der Gott Israels!“ Und Gesegnete werden loben den heiligen Namen in die Ewigkeit und immerdar.
1
Oder: „an dir“. Wörtlich: „meines Samens“. 3 So die meisten Übersetzungen. DI LELLA, in: NETS, 475, übersetzt mit der unspezifischen Sammelbezeichnung „carbuncle“ (sog. Karfunkelstein). Gemeint ist jedenfalls ein zinnoberrot oder glutrot (ἄνθραξ!) schimmernder Edel- oder Schmuckstein. 4 Vermutlich ist mit der Ortsangabe Σουφίρ das aus dem Alten Testament (z.B. 1 Kön 9,28; Jes 13,12) bekannte legendäre Goldland „Ofir/Ophir“ gemeint, das nach 1 Kön 10,11 auch große Mengen an Edelhölzern und Schmucksteinen zu bieten hatte. 2
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.6. LATEINISCHER TEXT NACH VULGATA (ABWEICHENDE VERSZÄHLUNG)1 [1] aperiens autem Tobias senior os suum benedixit Dominum et dixit magnus es Domine in aeternum et in omnia saecula regnum tuum [2] quoniam tu flagellas et salvas deducis ad infernum et reducis et non est qui effugiat manum tuam [3] confitemini Domino filii Israhel et in conspectu gentium laudate eum [4] quoniam ideo dispersit vos inter gentes quae ignorant eum ut vos narretis mirabilia eius [et faciatis scire eos quia non est alius Deus omnipotens praeter eum [5] ipse castigavit nos propter iniquitates nostras et ipse salvabit nos propter misericordiam suam [6] aspicite ergo quae fecit vobiscum et cum timore et tremore confitemini illi regemque saeculorum exaltate in operibus vestris [7] ego autem in terra captivitatis meae confitebor illi quoniam ostendit maiestatem suam in gentem peccatricem [8] convertimini itaque peccatores et facite iustitiam coram Deo credentes quod faciat vobiscum misericordiam suam [9] ego autem et anima mea in eo laetabimur [10] benedicite Dominum omnes electi eius agite dies laetitiae et confitemini illi [11] Hierusalem civitas Dei castigavit te Dominus in operibus manuum tuarum [12] confitere Domino in bonis et benedic Deum saeculorum ut reaedificet in te tabernaculum suum et revocet ad te omnes captivos [et gaudeas in omnia saecula saeculorum. [13] luce splendida fulgebis et omnes fines terrae adorabunt te [14] nationes ex longinquo ad te venient et munera deferentes adorabunt Dominum in te et terram tuam in sanctificatione habebunt [15] nomen magnum invocabunt in te [16] maledicti erunt qui contempserint te et condemnati erunt omnes qui blasphemaverint te benedictique erunt qui aedificaverint te [17] tu autem laetaberis in filiis tuis quoniam omnes benedicentur et congregabuntur ad Dominum 1
Text und Verszählung nach WEBER/GRYSON, BSVC(S), 688f.
1. TOBITS LOBGEBET (TOB 13,1–18)
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1.7. ÜBERSETZUNG DER VULGATA (ABWEICHENDE VERSZÄHLUNG) [1] Als aber Tobias, der Ältere, seinen Mund öffnete, lobte er den Herrn und sprach: Groß bist du, Herr, in Ewigkeit, und in alle Zeitalter [währt] deine Königsherrschaft. [2] Denn ja, du geißelst und heilst, du führst weg zur Unterwelt und führst zurück und es gibt keinen, der deiner Hand entkommen kann. [3] Rühmt den Herrn, (ihr) Kinder Israels, und im Angesicht der Heidenvölker lobt ihn. [4] Denn ja, er hat euch deswegen zerstreut unter die Heidenvölker, die ihn nicht kennen, damit ihr seine Wunder erzählt [und macht, dass sie wissen, dass es keinen anderen allmächtigen Gott gibt außer ihm. [5] Er, er hat uns gezüchtigt wegen unserer Ungerechtigkeiten, und er, er wird uns heilen wegen seiner Barmherzigkeit. [6] Seht also an, was er mit euch gemacht hat, und mit Furcht und Zittern rühmt ihn, und den König der Zeitalter erhebt in euren Werken. [7] Ich aber werde ihn im Land meiner Kriegsgefangenschaft rühmen, da er ja gezeigt hat seine Majestät gegenüber einem sündhaften Volk. [8] Kehrt deshalb um, (ihr) Sünder, und tut Gerechtigkeit vor Gott, indem ihr glaubt, dass er mit euch seine Barmherzigkeit tut. [9] Ich aber und meine Seele, wir werden uns in ihm1 freuen. [10] Lobt den Herrn, alle seine Auserwählten, veranstaltet Tage der Freude und rühmt ihn. [11] Jerusalem, (du) Bürgerschaft Gottes, gezüchtigt hat dich der Herr wegen der Werke deiner Hände. [12] Rühme den Herrn mit guten [Taten] und lobe den Gott der Zeitalter, damit er in dir seinen Tempel wiederbaut und zu dir alle Gefangenen zurückruft [und du dich freust in alle Zeitalter der Zeitalter. [13] Mit glänzendem Licht wirst du strahlen, und alle Enden der Erde werden dich anbeten. [14] Nationen aus der Ferne werden zu dir kommen und werden, indem sie Gaben darbringen, den Herrn in dir anbeten und werden deine Erde in Heiligung halten. [15] Den großen Namen werden sie in dir anrufen. [16] Verflucht werden sein, die dich geringgeschätzt haben, und verdammt werden sein alle, die dich gelästert haben, doch gesegnet werden sein, die dich erbaut haben. [17] Du aber wirst dich freuen an deinen Söhnen, denn ja, alle werden gesegnet und versammelt werden zum Herrn.
1
Oder: „an ihm“.
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[18] beati omnes qui diligunt te et qui gaudent super pace tua [19] anima mea benedic Dominum quoniam liberavit Hierusalem civitatem suam [20] beatus ero si fuerint reliquiae seminis mei [ad videndam claritatem Hierusalem [21] portae Hierusalem ex sapphyro et zmaragdo aedificabuntur et ex lapide pretioso omnis circuitus murorum eius [22] ex lapide candido et mundo omnes plateae eius sternentur et per vicos eius alleluia cantabitur [23] benedictus Dominus qui excitavit eam ut sit regnum eius in saecula saeculorum super eam amen.
1. TOBITS LOBGEBET (TOB 13,1–18)
[18] Glücklich alle, die dich lieben und die sich freuen über deinen Frieden. [19] Meine Seele, lobe den Herrn, da er ja befreit hat Jerusalem, seine Bürgerschaft. [20] Glücklich werde ich sein, wenn die Reste meiner Nachkommenschaft imstande gewesen sein werden [zu sehen den Glanz Jerusalems. [21] Die Tore Jerusalems werden aus Saphir und Smaragd erbaut werden und aus wertvollem Stein der ganze Umfang seiner Mauern. [22] Aus weißem und schmuckem Stein werden alle seine Straßen gepflastert werden und durch seine Häuserblöcke wird „Halleluja“ gesungen werden. [23] Gelobt [sei] der Herr, der sie hat erstehen lassen, auf dass seine Königsherrschaft über sie in die Zeitalter der Zeitalter besteht. Amen.
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C.III. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.8. HEBRÄISCHER UND ARAMÄISCHER TEXT DER QUMRANFRAGMENTE1 4Q200 Tob e Frg. 6 = Tob 13,1–4 (hebräisch) [ʸʥʮ]ʠʥ ʺʧʥʡʹʺʡ ʤʬʤʺ ʡʥʺʫʥ ʩʡʥʨ ʸʡʣ ʯʫʡ [V. 1] [...] [Z. 4] ʥʺʥʫʬʮ ʤʠʩʤ ʭʩʮʬʥʲʤ ʬʥʫʬ ʸʹʠ ʩʧ[ ʭʩʤʬʠ ʪʥʸʡ] [Z. 5] [ʤʫʮ ]ʤʠʥʤ ʸʹʠ [V. 2] ʤʩʺʧʺ ʤʬʥʠʹ ʣʲ ʣʩʸʥʮ ʭʧʸʮ ʤ[ʠʥʤʥ ...] [Z. 6] [ʭ]ʥʤʺʮ ʤʬʲʮ ʤʠʥʤʥ [ʩʰʴʬ ʬʠ]ʸʹʩ ʩʰʡ ʥʬ ʥʣʥʤ [V. 3] ʥʣʩʮ ʤʶʴʩ ʸʹʠ ʤʮʥ [ʤ]ʬʥʣ[ʢ ...] [Z. 7] [ʥʮʮʥʸʥ ʥʬʣʥʢ ʺʠ ʥ]ʸʴʱ ʤʮʹʥ [V. 4] ʤʮʤʡ ʭʩʧʣʰ ʤʮʺʠ ʸʹʠ [ʭʩʥʢʤ] [Z. 8] [ʤʮʫʩ]ʤʬʠ ʠʥʤʥ [ʤʮ]ʫʩʰʥʣʠ ʠʥʤ ʠʩʫ ʩʧ ʬ[ʥʫ ʩʰʴʬ ʥʺʥʠ] [Z. 9] [ ... ʭʩʮʬʥʲ] ʬ[ʥʫʬ ...] [Z. 10] 4Q196 Frg. 17 II = Tob 13,6–12 (aramäisch) ʬʫʡ ʩʤʥʬ[ʲ ...] [V. 6] ʯʩʣʠ ʠʨʹʥʷ ʣʡʲʮ]ʬ ʯʥʫʹʴ[ʰ ʬʫʡ]ʥ ʯʥʫʡʬ [Z. 1] ʯʥʫʩʬʲ ʤʰʴʺ[ʩ ʤʬ [ ʥʣʥʤʥ... ʣʥ]ʲ ʯʥʫʰʮ 2ʩʤ[ʥʴʰʠ ʸʺʱʩ] ʠʬʥ [Z. 2] ʯʥʫʮʴ ʬʫʡ ʤʬ ʥʮʮʥ]ʸʥ ʠʨʹʥʷ[ ʤʸʮʬ ʥʫ]ʸʡʥ [Z. 3] ʤʬ ʤʣʥʤʮ ʠʩʡʹ [ʺʲʸʠʡ ʤʰʠ ʯʩʠ[ʨʧ ʭʲ ʭʣʷ ʤʺ]ʥʡʸʥ ʤʺʸʥʡ[ʢʬ ʤʰʠ ʤʥ]ʧʮʥ [Z. 4] ʯʥʫʡʡʬ ʬʲ ʯʥʫʬ ]ʠʧʩʬ[ʱ ʤʥʤʺ ʯʤ ʲ]ʣʩ [ʯʮ ʩ]ʤʥʮʣʷ[ ʥʣʡʲ ʠʨʹ]ʥʷ [Z. 5] [ʩʤʬʠʬʥ [V. 7] [ʩʩʧ ʩ]ʮʥʩ ʬʫ [... ʠʩʮʹ ʪʬ]ʮʬ ʩʹʴ[ʰʥ ʤʰʠ ʭʮʥʸʮ] [Z. 6] [... ʯ]ʩʬʤʺʡ ʯʥʬʬʮʩ3 [V. 8] ʤʺʥʡʸ ʥʧ[ʡʹʩ ...]ʬ[ʫʥ ...] [Z. 7] [ ʬʲ ʩ]ʫʰʹ[ʺʫ]ʩ ʠʹʣʷ ʺʩʸʷ[ ʭʬʹʥʸʩ ...] [V. 9/Z. 8] [... ʩ]ʣʥʤ ʠʨʹ[ʥʷʡ ...] [V. 10/Z. 9] [... ʩ]ʫʬ ʤ[ʰʡʺʩ ...] [Z. 10] […] [Z. 11–13] [...]ʩʫʡ ʯʥʰʺʰʩ ʯʩʸʣʬ ʯʩʸ[ʣ ʯʮ ...] [V. 11/Z. 14] ʠʮʬʲ ʩʸ[ʣʬ ʤʥʤʩ ]ʡʸ ʭʹ[ʥ] [Z. 15] [ʩʫ]ʩʬʲ ʩʣ ʬʫʥ ʯʩʦʩʡ [ʩʣ] ʬ[ʫ ʯʩʸ]ʩʸʠ [V. 12] ʩʫʩʬ[ʲ ʯʩʬ]ʬ[ʮʮ ]ʬʫʥ ʩʫ[ʩʠʰʹ ʬ]ʫ ʯʩʸʩʸʠ[ʥ] [Z. 16] [... ʯ]ʩʸʩʸʠ 1
Text und Zeilenzählung nach DJD XIX, 25–27.70. Anfang von Tob 13,6 ergänzt nach 4Q196 Frg. 17 I. ATTM II, 145, bietet ʩ[ʤʥʴʰʠ. 3 DSSSE, 386, bietet ʯʩʬʬʮʩ. 2
1. TOBITS LOBGEBET (TOB 13,1–18)
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1.9. ÜBERSETZUNG DER QUMRANFRAGMENTE Übersetzung von 4Q200 Tob e Frg. 6 = Tob 13,1–4 [Z. 4/V. 1] Dann sprach Tobit und schrieb einen Lobgesang und s[agte,] [Z. 5] [gesegnet sei] (der) lebendige [Gott], dessen Königsherrschaft für alle Zeitalter besteht; [V. 2] denn er ist es, der [schlägt,] [Z. 6] [… und er ist es], der sich erbarmt, er lässt hinunter in den untersten Scheol, und er ist es, der heraufbringt von der [gro]ße[n] Teho[m], [Z. 7] Und was ist es, das herausreißen wird aus seiner Hand? [V. 3] Dankt ihm, Söhne Isra[els vor] [Z. 8] [den Nationen,] unter die ihr gestoßen seid. [V. 4] Und dort erzähl[t seine Größe und erhebt] [Z. 9] [ihn vor all]em Lebendigen. Denn er ist euer Her[r], und er ist euer G[ott] [Z. 10] [für al]le [Zeitalter] Übersetzung von 4Q196 Frg. 17 II = Tob 13,6–12 [V. 61] [Wenn ihr umkehrt z]u ihm mit eurem ganzen [Z. 1] Herzen und [mit] eurer [ganzen S]eele, damit [ihr Wahrheit tut, dann wird er] sich wenden zu euch [Z. 2] und nicht [verbergen sein Antlitz] vor euch n[och… [V. 7] … und dankt] ihm mit eurem ganzen Mund [Z. 3] und seg[net den Herrn] der Wahrheit und e[rhebt ihn! [V. 8] Ich im Lande] der Gefangenschaft danke ihm [Z. 4] und [ich] verk[ünde seine St]ärke und [seine Gr]öße [vor einem Volk von] Sündern. Nach euren Herzen [Z. 5] [tut] Wa[hrheit] vor ih[m. Wer] wei[ß, ob wird Ver]zeihung [für euch. [V. 9] Und meinen Gott] [Z. 6] [erhebe ich und meine Se]ele den König [des Himmels …] alle Tage [meines Lebens,] [Z. 7] [und al]le [… lo]bt seine Größe. [V. 10] Sie reden in Gesänge[n…] [Z. 8] [Jerusalem], heilige Stadt, er [wird schla]gen dic[h…] [Z. 9/V. 11] [in W]ahrheit. Dank[e…] [Z. 10] [Es soll erbaut werd]en für dic[h] [Z. 11–13] […] [Z. 14/V. 13] [… von Gen]erationen zu Generationen werden sie in dir weitergeben […] [Z. 15] [und] ein großer Name [wird sein für die Genera]tionen der Ewigkeit. [V. 14] Verfl[ucht seien al]le, [die] schmähen, und alle, die gegen [dich]; [Z. 16] [und] verflucht seien al[le, die hassen] dich, und alle, [die re]d[en wi]der dich, verfluch[t…]
1
Der Anfang von Tob 13,6 wurde ergänzt nach 4Q196 Frg. 17 I, Z. 16.
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
IV. DIE MAKKABÄERBÜCHER
Unter dem Titel „Makkabäerbücher“ werden vier nach Alter und Inhalt recht unterschiedliche Schriften zusammengefasst. Erwähnt werden die Texte und ihre Reihenfolge bereits bei Hippolyt von Rom (ca. 170–235 n.Chr.). Der Codex Alexandrinus aus dem 5. Jh. n.Chr. versammelt die vier Bücher in der bekannten Folge und erweist sie als der Septuaginta zugehörig. Die Vulgata und ihr folgend die römisch-katholische Kirche sowie die Bibelübersetzung Luthers übernahmen allein die ersten beiden Bücher. Gemeinsam ist den vier Bänden – und damit Anlass für deren Vereinigung in einer Rubrik – der Bezug auf Verfolgungen und Errettung in der nach-alexandrinischen Zeit. Das Dritte Makkabäerbuch nennt die Bedrohung unter den Ptolemäern (nach 217 v.Chr.), die übrigen drei „Makkabäerbücher“ thematisieren die Freiheitskämpfe der Hasmonäer-Dynastie1 zur Zeit der Seleukiden. Schlüsseldaten sind die Entweihung des Jerusalemer Tempels durch Antiochus IV. (ca. 168 v.Chr.) samt dem Verbot des jüdischen Kultes und die Restitution durch Judas Makkabäus im Herbst des Jahres 164 v.Chr. Das Erste Makkabäerbuch gilt als wesentliche und weithin zuverlässige Quelle der historischen Abläufe und basiert auf einem hebräischen Original. Es beschreibt den Makkabäeraufstand und dabei vor allem den Anteil von drei der fünf Söhne des Mattathias: Judas, Jonathan, Simon. Die Schrift entstand vor 63 v.Chr. in Jerusalem. Das zweite, ursprünglich auf Griechisch verfasste Buch verdeutlicht den Anteil einer innerjüdischen hellenistischen „Reformbewegung“ an der Unterdrückung des jüdischen Kultes. Es greift zurück auf das verlorene Geschichtswerk des Jason von Kyrene. Vorgeschaltet sind dem Haupttext zwei hebräische bzw. aramäische Briefe der Jerusalemer Juden an Juden in Ägypten (2 Makk 1,1–10a; 1,10b–2,18). Insgesamt steht das Zweite Makkabäerbuch den Hasmonäern (bis auf Judas) eher kritisch gegenüber und ist in seiner Berichterstattung tendenziöser als das erste Buch. Sowohl Judäa als auch die Diaspora werden als Entstehungsorte vorgeschlagen.2 Das Dritte Makkabäerbuch beschreibt die Bedrohungen des Jerusalemer Tempels nach 217 v.Chr. und vor allem der alexandrinischen Judenschaft durch den ägyptischen König Ptolemäus IV. Philopator (221–204 v.Chr.) sowie die Bewahrung durch Gottes Eingreifen. Das Buch spielt in der vorhasmonäischen Epoche und steht trotz seiner Be1 So benannt nach einem Urgroßvater des Mattathias, der durch seine Verweigerung des geforderten Opfers in Modeïn das Signal zum schließlich erfolgreichen Aufstand gegen die Seleukidenherrschaft gab. 2 Vgl. VAN HENTEN, Makkabäerbücher, 704.
IV. DIE MAKKABÄERBÜCHER
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zeichnung nicht mit den Makkabäern in Verbindung. Die Erzählungen tragen märchenhafte Züge und dienen ähnlich wie die Estherrolle als Ätiologie für die Einsetzung eines Freudenfestes. Als Zeit der Abfassung nimmt man die Zeit zwischen dem späten 2. Jh. v.Chr. und dem frühen 1. Jh. n.Chr. an. Als Entstehungsort kommt Alexandrien in Frage. Bei dem Vierten Makkabäerbuch handelt es sich um eine philosophische Schrift über den Triumph der Vernunft über die Triebe. Es wurde mit Josephus in Verbindung gebracht und zusammen mit dessen Werken überliefert. Besonderes Interesse zeigt 4 Makk an Märtyrerlegenden. Seinen Stoff entnimmt der Autor dem Zweiten Makkabäerbuch (2 Makk 6,18–7,42). Die ausgeschmückten Martyrien illustrieren die Richtigkeit seiner theoretisch-philosophischen Darstellung. Verortet wird 4 Makk in Alexandrien,1 im syrischen Antiochia oder in einer kleinasiatischen Stadt.2 Die Vorschläge für die Abfassungszeit „schwanken zwischen der Mitte des 1. Jh. v.Chr. und dem ersten Drittel des 2. Jh. n.Chr.“,3 wobei eine Datierung um 100 n.Chr. wahrscheinlich ist.4 Das Vierte Makkabäerbuch zeichnet sich durch ein hervorragendes Griechisch aus.
Literatur (Makkabäerbücher allgemein) ABEL, F.-M., Premier Livre des Maccabées, in: SB(J), Nouvelle édition revue et corrigée, Paris 2000, 723–764. –, Deuxième Livre des Maccabées, in: SB(J), Nouvelle édition revue et corrigée, Paris 2000, 765–795. BAR-KOCHVA, B., Judas Maccabaeus. The Jewish struggle against the Seleucids, Cambridge u.a. 1989. BARCLAY, J.M.G., Jews in the Mediterranean Diaspora. From Alexander to Trajan (323 BCE – 117 CE), Edinburgh 1996. BICKERMAN, E.J., The Date of Fourth Maccabees [1945], in: ders., Studies in Jewish and Christian History. A New Edition in English including The God of the Maccabees, hg. von A. Tropper, Bd. 1 (AGJU 68/1), Leiden/Boston 2007, 266–271. COLLINS, J.J., Between Athens and Jerusalem. Jewish Identity in Hellenistic Diaspora (The Biblical Resource Series), Grand Rapids u.a. 22000. DORAN, R., Temple Propaganda. The Purpose and Character of 2 Maccabees (CBQMS 12), Washington 1981. 1
Vgl. SCHUNCK, Makkabäer/Makkabäerbücher, 742. Vgl. VAN HENTEN, Makkabäerbücher, 705. 3 SCHUNCK, Makkabäer/Makkabäerbücher, 742. 4 Vgl. VAN HENTEN, Makkabäerbücher, 705. KLAUCK, in: LXX.D, 730, plädiert für 90–100 n.Chr. 2
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EFRON, J., Studies on the Hasmonean Period (SJLA 39), Leiden u.a. 1987. FISCHER, T., Seleukiden und Makkabäer. Beiträge zur Seleukidengeschichte und zu den politischen Ereignissen in Judäa während der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr., Bochum 1980. GAUGER, J.-D., Beiträge zur jüdischen Apologetik. Untersuchungen zur Authentizität von Urkunden bei Flavius Josephus und im I. Makkabäerbuch (BBB 49), Köln-Bonn 1977. GRUEN, E.S., Heritage and Hellenism. The Reinvention of Jewish Tradition (Hellenistic Culture and Society 30), Berkeley u.a. 1998. LAQUEUR, R., Griechische Urkunden in der jüdisch-hellenistischen Literatur, in: HZ 136 (1927), 229–252. MITTMANN-RICHERT, U., Einführung zu den Jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit. Historische und legendarische Erzählungen (JSHRZ VI/1,1), Gütersloh 2000. SCHUNCK, K.-D., Art. Makkabäer/Makkabäerbücher, in: TRE 21 (1991), 736–745. SIEVERS, J., The Hasmoneans and Their Supporters. From Mattathias to the Death of John Hyrcanus I (SFSHJ 06), Atlanta 1990. STEMBERGER, G., The Maccabees in Rabbinic Tradition, in: F. García Martínez u.a. (Hg.), The Scriptures and the Scrolls, FS A.S. van der Woude (VT.S 49), Leiden u.a. 1992, 193–203. VAN HENTEN, J.W., Art. Makkabäerbücher, in: RGG4 5 (2002), 702–705.
1. OPFERBITTGEBET DER PRIESTER UND DES VOLKES (2 MAKK 1,24–29)
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1. Opferbittgebet der Priester und des Volkes (2 Makk 1,24–29) 1.1. EINFÜHRUNG Das hier präsentierte Gebet (2 Makk 1,24–29) findet sich im zweiten der beiden Briefe, die dem Zweiten Makkabäerbuch vorangestellt sind. Im Unterschied zum ersten Brief (1,1–10a) wird der Festbrief an die Gemeinde in Alexandrien (1,10b–2,18) i.d.R. als nicht authentisch angesehen.1 Unter den antiken jüdischen Gebeten kommt dem hier präsentierten Gebet eine Sonderrolle zu. Es ist das einzige konkret an die Darbringung eines Tempelopfers gebundene Gebet.2 Das Gebet selbst lässt sich aus seinem unmittelbaren Kontext herauslösen und wurde unabhängig von seiner jetzigen Position verfasst. Dem Gebet steht nunmehr ein Bericht über die „Rettung des Opferfeuers“ vor der Zerstörung des ersten Tempels voran. Nach der Heimkehr aus dem babylonischen Exil ist das Feuer aber nicht mehr auffindbar. Auf Geheiß Nehemias wird das am Ort des Verstecks stattdessen gefundene „abgestandene/ zähflüssige Wasser“ (ὕδωρ παχύ) über das Opfer geschüttet (2 Makk 1,21).3 Unter Sonneneinstrahlung entzündet es sich (V. 22). Während das Opfer verbrennt, beten die Priester – mit einem nicht näher identifizierbaren Jonathan4 als Vorbeter (V. 23) – das untenstehende Gebet. Anknüpfungspunkt für die Einfügung des Gebets an dieser Stelle des ersten Kapitels ist die Erwähnung von Lobgesängen der Priester während der Opferverbrennung (V. 30). Der Text fährt fort mit der Beschreibung von Details über das vermeintliche „Wasser“, das als leicht entzündliches „Bergöl“ (νεφθαρ bzw. νεφθαι) identifiziert wird (V. 36).5 Schließlich lässt der persische König die Geschehnisse überprüfen, der Ort und sein „Wasser“ werden umfriedet und die Stätte wird als Heiligtum ausgewiesen (V. 33– 35.6 Das Gebet nimmt inhaltlich nicht unmittelbar Bezug auf die Ätiologie, in die es eingefügt ist. Im ersten Drittel des Opfergebets wird Gott mit einer Reihe von Namen ange1 2
Vgl. HABICHT, JSHRZ I/3, 201. HABICHT, JSHRZ I/3, 204: „Die Verse 24–29 sind nach Bévenot das einzige liturgische Opfergebet im
AT.“ 3
Ganz anders liegen die Dinge in 1 Kön 18,33–38: Dort ist das Überschütten des Opfers mit (echtem!) Wasser dem Erschwernismotiv geschuldet. 4 Vgl. HABICHT, JSHRZ I/3, 204. 5 Sonst auch ἡ νάφθα (DanLXX/ș’ 3,46) bzw. ὁ νάφθας oder τὸ νάφθα, besser bekannt als „medisches Öl“ (Μηδείας ἔλαιον). Vgl. PAPE, Hwb II, 234, s.v. νάφθας. 6 HABICHT, JSHRZ I/3, 205: „Die Bedeutung, die das Feuer als Sinnbild des Lichtgottes für die Perser besaß, ist bekannt und war zweifellos für den persischen König der Grund, der Sache solches Gewicht zu geben.“
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rufen und als Retter Israels gepriesen,1 der bereits die Väter erwählt hat.2 Daran anknüpfend bittet die Priesterschaft um die Annahme des Opfers sowie um die Bewahrung, Heiligung (Lev 19,2) und Sammlung des zerstreuten Volkes Israel.3 Gott wird aufgefordert, sich den Heiden als Gott Israels zu offenbaren, ihre Herrschenden zu züchtigen und sein Volk an die Mose verheißene Stätte zu pflanzen (Dtn 30,5).
G riechischer Text HANHART, R. (Hg.), Maccabaeorum liber II, copiis usus quas reliquit W. Kappler (SVTG IX,2), Göttingen 42017. Deutsche Übersetzung HABICHT, C., 2. Makkabäerbuch (JSHRZ I/3), Gütersloh 21979. Englische Übersetzungen GOLDSTEIN, J.A., II Maccabees. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 41A), New York 1984. SCHAPER, J., 2 Makkabees, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 503–520 (= NETS). Französische Übersetzung ABEL, F.-M., Deuxième Livre des Maccabées, in: SB(J), Nouvelle édition revue et corrigée, Paris 2000, 765–795. Literatur ABEL, F.-M., Les lettres préliminaires du second livre des Maccabées, in: RB 53 (1946), 513–533. BARTLETT, J.R., The First and Second Books of the Maccabees. Commentary (CBC), Cambridge 1973. BÉVENOT, H., Die beiden Makkabäerbücher übersetzt und erklärt. Mit 2 Karten (HSAT IV/4), Bonn 1931. 1
Die Prädikation Gottes als desjenigen, der Israel aus allem Übel errettet, erinnert an Mt 1,21b. Vgl. Gen 12,1–3; 22,15–18; Dtn 14,2. 3 Vgl. Dtn 30,3–5; PsLXX 146,2; Jer 23,8. 2
1. OPFERBITTGEBET DER PRIESTER UND DES VOLKES (2 MAKK 1,24–29)
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BUNGE, J.G., Untersuchungen zum zweiten Makkabäerbuch. Quellenkritische, literarische, chronologische und historische Untersuchungen zum zweiten Makkabäerbuch als Quelle syrischpalästinensischer Geschichte im 2. Jh. v. Chr., Diss. Univ. Bonn 1971. DAGUT, M.B., II Maccabees and the Death of Antiochus IV Epiphanes, in: JBL 72 (1953), 149– 157. DOMMERSHAUSEN, W., 1 Makkabäer. 2 Makkabäer (NEB 12), Würzburg 21999. DORAN, R., Temple Propaganda. The Purpose and Character of 2 Maccabees (CBQMS 12), Washington 1981. ENERMALM-OGAWA, A., Un langage de prière juif en grec. Le témoignage des deux premiers livres des Maccabées (CB.NT 17), Stockholm 1987. HANHART, R., Zum Text des 2. und 3. Makkabäerbuches. Probleme der Überlieferung, der Auslegung und der Ausgabe (MSU 7), Göttingen 1961. LAQUEUR, R., Griechische Urkunden in der jüdisch-hellenistischen Literatur, in: HZ 136 (1927), 229–252. SCHUNCK, K.-D., Die Quellen des I. und II. Makkabäerbuches, Halle a.S. 1954. TORREY, C.C., The letters Prefixed to Second Maccabees, in: JAOS 60 (1940), 119–150. WACHOLDER, B.Z., The Letter from Judah Maccabee to Aristobulos. Is 2 Maccabees 1:10b–2,18 Authentic?, in: HUCA 49 (1978), 89–133. ZEITLIN, S. (Hg.), The Second Book of Maccabees. With Introduction and Commentary, English Translation by S. Tedesche (JAL 5), New York 1954.
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1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [24] ἦν δὲ ἡ προσευχὴ τὸν τρόπον ἔχουσα τοῦτον Κύριε κύριε ὁ θεός, ὁ πάντων κτίστης, ὁ φοβερὸς καὶ ἰσχυρὸς καὶ δίκαιος καὶ ἐλεήμων, ὁ μόνος βασιλεὺς καὶ χρηστός, [25] ὁ μόνος χορηγός, ὁ μόνος δίκαιος καὶ παντοκράτωρ καὶ αἰώνιος, ὁ διασῴζων τὸν Ισραηλ ἐκ παντὸς κακοῦ, ὁ ποιήσας τοὺς πατέρας ἐκλεκτοὺς καὶ ἁγιάσας αὐτούς, [26] πρόσδεξαι τὴν θυσίαν ὑπὲρ παντὸς τοῦ λαοῦ σου Ισραηλ καὶ διαφύλαξον τὴν μερίδα σου καὶ καθαγίασον. [27] ἐπισυνάγαγε τὴν διασπορὰν ἡμῶν, ἐλευθέρωσον τοὺς δουλεύοντας ἐν τοῖς ἔθνεσι, τοὺς ἐξουθενημένους καὶ βδελυκτοὺς ἔπιδε, καὶ γνώτωσαν τὰ ἔθνη, ὅτι σὺ εἶ ὁ θεὸς ἡμῶν. [28] βασάνισον τοὺς καταδυναστεύοντας καὶ ἐξυβρίζοντας ἐν ὑπερηφανίᾳ. [29] καταφύτευσον τὸν λαόν σου εἰς τὸν τόπον τὸν ἅγιόν σου, καθὼς εἶπε Μωυσῆς.
1
Text und Verszählung nach HANHART, SVTG IX,2, 50.
1. OPFERBITTGEBET DER PRIESTER UND DES VOLKES (2 MAKK 1,24–29)
1.3. ÜBERSETZUNG [24] Es hatte aber das Gebet diese Wendung: Herr, Herr, (du) Gott, (du) Schöpfer aller1, (du) Furchteinflößender und Starker und Gerechter und Barmherziger, (du) einziger König und Gütiger, [25] (du) einziger Anführer2, (du) einzig Gerechter und Allmächtiger und Ewiger, (du) Israel aus jeglichem Schlechten Errettender, (du) die Väter zu Erwählten gemacht und sie geheiligt Habender, [26] nimm an das Opfer für dein ganzes Volk Israel und bewahre deinen Erbanteil und heilige (ihn) völlig. [27] Sammle zusammen unsere Zerstreuung3, befreie die, die Sklavendienst leisten unter den Heidenvölkern, die Verachteten und Verabscheuten sieh an, und es sollen die Heidenvölker erkennen, dass du unser Gott bist. [28] Drangsaliere die Übermächtigen und die sich in Eitelkeit unbotmäßig Verhaltenden! [29] Pflanze dein Volk ein an deinen heiligen Ort, genauso wie Mose gesagt hat.
1
Möglich ist auch die Übersetzung: „aller Dinge“ (Neutrum Plural). Das Wort χορηγός bezeichnet eigentlich den „Chorführer“. 3 D.h. „unsere Zerstreuten“ (Metonymie: abstractum pro concreto). 2
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2. Gebet um Rettung und Vergebung (3 Makk 2,1–20) 2.1. EINFÜHRUNG Die ersten beiden Kapitel1 des Dritten Makkabäerbuches erzählen u.a. von einem Strafwunder an Ptolemäus IV. Philopator (221–204 v.Chr.) nach seinem Sieg über Antiochus III. (223–187 v.Chr.) in der Schlacht bei Raphia (217 v.Chr.). Der sich anschließende Hauptteil schildert Geschehnisse in Alexandrien in ptolemäischer, also vorhasmonäischer Zeit. Die Absicht des ägyptischen Königs, den Jerusalemer Tempel zu betreten, stößt auf allgemeine Empörung unter den Juden der Stadt.2 Ein langes und „in ordentlicher Form“ gesprochenes Gebet (2,1–20) des Hohenpriesters Simon (Simon II., der Sohn Onias’ II.) geht dem Strafwunder voran. Ptolemäus IV. wird gelähmt und muss von seinen Dienern gerettet werden. Er kehrt nach Ägypten zurück, und sein Zorn richtet sich nun gegen die Juden Ägyptens. Das Schema von existentieller Bedrohung und Errettung und die zeitliche Verortung der Geschehnisse unter den Dynastien der Nachfolger Alexanders des Großen in vorrömischer Zeit (vor 63 v.Chr.) dürften für die Zuordnung der Schrift zu den Makkabäerbüchern den Ausschlag gegeben haben. Ähnlich wie im Estherbuch begründet die Errettungserzählung ein regelmäßiges Dankfest. Die Einzelheiten des Buches sind stark legendarisch gefärbt. Für das Fest selbst und eine dahinter stehende Erfahrung von Rettung oder Bewahrung lässt sich allerdings ein historischer Hintergrund vermuten. Der Stil des Gebets in 3 Makk 2,1–20 wirkt – wie der des gesamten Buches – überladen: Wortreihungen und Wiederholungen drücken aus, was sich in wenigen Worten sagen ließe. Nach diversen Anrufungen (V. 2) prägt ein Rückblick auf die Schöpfung (V. 3a) sowie die Straf- (V. 3–7a) und Rettungstaten Gottes (V. 7b–8) den ersten Teil des Gebets. Im Mittelpunkt steht die Hybris der Geschöpfe (V. 3b): Die Riesen (V. 4; vgl. Gen 6,1–5), die Menschen von Sodom (V. 5; vgl. Gen 19,24f.), Pharao in Ägypten (V. 6; vgl. Ex 5–12) und die Ägypter am Schilfmeer (V. 7f.; vgl. Ex 14f.) werden von Gott vernichtet. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf dem Tempel als Ort der Anrufung und der Wohnung für den Namen Gottes und als Ort der Erbarmung für Israel (V. 9–18).3 Bewahrung des Tempels gegenüber den Heiden und Rettung Israels sind eng miteinander verknüpft (V. 17–20). Der Kontext des Gebets macht für die Leserinnen und Leser den Bezug zur Situation in Jerusalem und Alexandrien transparent. Neben der Rettung 1 Der Anfang des Buches ist verlorengegangen. Erhalten ist das Buch im Codex Alexandrinus und im Codex Venetus sowie in einigen Minuskeln. Die Vulgata enthält das Dritte Makkabäerbuch nicht. 2 Vgl. dazu die Sachparallele in 2 Makk 3,4–40. 3 Gott hat seinen Ort eigentlich im Himmel (V. 15), er wendet sich Israel aber in dem irdischen Heiligtum zu (V. 16).
2. GEBET UM RETTUNG UND VERGEBUNG (3 MAKK 2,1–20)
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vor den Feinden und deren Bestrafung klingen die eigenen Verfehlungen an (V. 10.19f.; vgl. 1 Kön 8,33ff.). Der Beter bittet um Erbarmen und Verschonung vor der Vergeltung für die Abtrünnigen (V. 17). Das Gebet als ganzes ist ein Flehen zu Gott, in Kontinuität zu seinen vormaligen Strafwundern (V. 12) auch den gegenwärtigen Hochmut der Heiden zu strafen (V. 21). Die Bedrohung des Volkes und des Tempels (als Wohn- und Begegnungsstätte für den Namen Gottes) werden als Schmähung Gottes und als Angriff auf ihn selbst verstanden.1
G riechischer Text HANHART, R. (Hg.), Maccabaeorum liber III (SVTG IX,3), Göttingen 21980. Deutsche Übersetzung KAUTZSCH, E., Das sogenannte dritte Buch der Makkabäer, in: ders. (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 1: Die Apokryphen des Alten Testaments, Darmstadt 1962 (= Tübingen u.a. 1900), 119–135 (= APAT I). KNÖPPLER, T., 3. Makkabäerbuch (JSHRZ I/9), Gütersloh 2017. Englische Übersetzungen ANDERSON, H., 3 Maccabees (First Century B.C.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the “Old Testament” and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works, Garden City 1985, 509–529 (= OTP II). BOYD-TAYLOR, C., 3 Makkabees, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 521–529 (= NETS). Französische Übersetzung MIGNE, J.-P., Machabées. Livre troisième, in: ders., Dictionnaire des Apocryphes. Collection de tous les livres apocryphes relatifs à l’Ancien et au Nouveau Testament, Bd. 1 (TEncTh 23), Paris 1856, 711–738.
1 Eine Vernichtung des Tempels würde diesen ja den vernichteten Wohnungen der „Abscheulichkeiten“ (V. 18; so die jüdische Bezeichnung für die heidnischen Götzen) gleichmachen.
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Literatur ANDERSON, H., Third and Fourth Maccabees and Jewish Apologetics, in: A. Caquot (Hg.), La littérature intertestamentaire. Colloque de Strasbourg (17–19 octobre 1983) (Travaux du Centre d’Études Supérieures spécialisé d’Histoire des Religions de Strasbourg), Paris 1985, 173–179. BICKERMANN, E., Ein jüdischer Festbrief vom Jahre 124 v. Chr. (II Macc 1 1–9), in: ZNW 32 (1933), 233–254. EISSFELDT, O., Einleitung in das Alte Testament unter Einschluß der Apokryphen und Pseudepigraphen sowie der apokryphen- und pseudepigraphenartigen Qumrān-Schriften. Entstehungsgeschichte des Alten Testaments (NTG), Tübingen 41976 (= 31964), 788f. HADAS, M., The Third and Fourth Books of Maccabees (JAL), New York 1953. LODS, A., Histoire de la littérature hébraïque et juive depuis les origines jusqu’à la ruine de l’état juif (135 après J.-C.). Préface d’André Parrot (BH), Paris 1950, 969f. MIGNE, J.-P., Machabées. Livre troisième, in: ders., Dictionnaire des Apocryphes. Collection de tous les livres apocryphes relatifs à l’Ancien et au Nouveau Testament, Bd. 1 (TEncTh 23), Paris 1856, 711–738. NICKELSBURG, G.W.E., Jewish Literature Between the Bible and the Mishnah. A Historical and Literary Introduction, Philadelphia 1981. –, Stories of Biblical and Early Post-Biblical Times, in: M.E. Stone (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus (CRINT II/2), Assen – Philadelphia 1984, 33–87 (= JWSTP). PARENTE, F., The Third Book of Maccabees as Ideological Document and Historical Source, in: Hen. 10 (1988), 143–182. TCHERIKOVER, V.A., The third book of Maccabees as a historical source of Augustus’ time, in: A. Fuks / I. Halpern (Hg.), Studies in History (ScrHie 7), Jerusalem 1961, 1–26.
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2.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] 2ὁ μὲν οὖν ἀρχιερεὺς Σιμων ἐξ ἐναντίας τοῦ ναοῦ [κάμψας τὰ γόνατα καὶ τὰς χεῖρας προτείνας [εὐτάκτως ἐποιήσατο τὴν δέησιν τοιαύτην·2 [2] Κύριε κύριε, βασιλεῦ τῶν οὐρανῶν καὶ δέσποτα πάσης τῆς κτίσεως, [ἅγιε ἐν ἁγίοις, μόναρχε, παντοκράτωρ, πρόσχες ἡμῖν καταπονουμένοις ὑπὸ ἀνοσίου καὶ βεβήλου, [θράσει καὶ σθένει πεφρυαγμένου [3] σὺ γὰρ ὁ κτίσας τὰ πάντα καὶ τῶν ὅλων ἐπικρατῶν [δυνάστης δίκαιος εἶ καὶ τοὺς ὕβρει καὶ ἀγερωχίᾳ τι πράσσοντας κρίνεις. [4] σὺ τοὺς ἔμπροσθεν ἀδικίαν ποιήσαντας, ἐν οἷς καὶ γίγαντες ἦσαν ῥώμῃ καὶ θράσει πεποιθότες, διέφθειρας ἐπαγαγὼν αὐτοῖς ἀμέτρητον ὕδωρ. [5] σὺ τοὺς ὑπερηφανίαν ἐργαζομένους Σοδομίτας [διαδήλους ταῖς κακίαις γενομένους πυρὶ καὶ θείῳ κατέφλεξας παράδειγμα τοῖς ἐπιγινομένοις καταστήσας. [6] σὺ τὸν θρασὺν Φαραω καταδουλωσάμενον τὸν λαόν σου τὸν ἅγιον Ισραηλ ποικίλαις καὶ πολλαῖς δοκιμάσας τιμωρίαις ἐγνώρισας τὴν σὴν δυναστείαν ἐφ᾿ οἷς ἐγνώρισας τὸ μέγα σου κράτος· [7] καὶ ἐπιδιώξαντα αὐτὸν σὺν ἅρμασι καὶ ὄχλων πλήθει ἐπέκλυσας βάθει θαλάσσης, τοὺς δὲ ἐμπιστεύσαντας ἐπὶ σοὶ τῷ τῆς ἁπάσης κτίσεως δυναστεύοντι σώους διεκόμισας· [8] οἳ καὶ συνιδόντες ἔργα σῆς χειρὸς ᾔνεσάν σε τὸν παντοκράτορα. [9] σύ, βασιλεῦ, κτίσας τὴν ἀπέραντον καὶ ἀμέτρητον γῆν ἐξελέξω τὴν πόλιν ταύτην καὶ ἡγίασας τὸν τόπον τοῦτον εἰς ὄνομά σοι3 τῷ τῶν ἁπάντων ἀπροσδεεῖ καὶ παρεδόξασας ἐν ἐπιφανείᾳ μεγαλοπρεπεῖ σύστασιν ποιησάμενος αὐτοῦ πρὸς δόξαν τοῦ μεγάλου καὶ ἐντίμου ὀνόματός σου.
1
Text und Verszählung nach HANHART, SVTG IX, 44–46. V. 1 ist ergänzt nach den Handschriften L’-58-311 Sy. 3 Vgl. dazu KAUTZSCH, in: APAT I, 124, Anm. d: „Wie Grimm richtig gesehen hat, drang εἰς ὄνομά σου (so Cod. Ven. und 55) als Glosse vor σοι in den Text ein; durch den Wegfall von σου vor σοι entstand der textus receptus εἰς ὄν. σοι.“ 2
2. GEBET UM RETTUNG UND VERGEBUNG (3 MAKK 2,1–20)
2.3. ÜBERSETZUNG [1] {1Der Hohepriester Simon seinerseits nun machte gegenüber dem Tempel [mit gebeugten Knien und ausgestreckten Händen [auf wohlgeordnete Weise dieses solche Gebet:1} [2] Herr, Herr, König der Himmel und Gebieter (über) die ganze Schöpfung, [Heiliger unter Heiligen, Alleinherrscher, Allmächtiger, schütze uns2, die wir unterdrückt werden von einem Unfrommen und Ungeweihten, [der sich mit Frechheit und Gewalt brüstet! [3] Denn du, der (du) geschaffen hast das All und über das Ganze mächtig bist – [du bist ein gerechter Machthaber und richtest die, die mit Unbotmäßigkeit und Hochmut etwas bewerkstelligen (wollen). [4] Du, du hast die, die vor dir Unrecht getan haben – worunter sogar Giganten waren, die auf Stärke und Frechheit vertrauten –, zerstört, indem du unermessliches Wasser über sie gebracht hast. [5] Du, du hast die Eitelkeit betreibenden Sodomiter, [die [in] ihren Schlechtigkeiten offenbar geworden waren, mit Feuer und Schwefel niedergebrannt, [damit] ein Exempel statuierend für die Nachkommenden. [6] Du, du hast, als du den frechen Pharao, der dein Volk, das heilige Israel, versklavt hatte, mit vielfältigen und vielen Strafen geprüft hast, deine (eigene) Macht erwiesen. An ihnen hast du deine große Stärke erwiesen [7] und hast ihn, der hinterherjagte mit Streitwagen und einer Menge Fußvolk, in (der) Tiefe (des) Meeres ersäuft, aber die, die auf dich, den über die ganze Schöpfung Macht Habenden, vertrauten, hast du unversehrt hindurchgebracht. [8] Eben diese lobpriesen dich, den Allmächtigen, als sie die Werke deiner Hand erfuhren. [9] Du, König, du hast, als du die endlose und unermessliche Erde geschaffen hast, diese Stadt erwählt und hast dir geheiligt diese Stätte für (deinen) Namen – [dir,] der des Alls nicht bedarf – und hast (sie) durch und durch verherrlicht in großartiger Erscheinung, indem du seine Form zur Ehre deines großen und ehrwürdigen Namens gemacht hast.
1 2
V. 1 ist ergänzt nach den Handschriften L’-58-311 Sy. Wörtlich: „halte uns [etwas] (sc. zum Schutz) vor“ (προέχειν).
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[10] καὶ ἀγαπῶν τὸν οἶκον τοῦ Ισραηλ ἐπηγγείλω, διότι, ἐὰν γένηται ἡμῶν ἀποστροφὴ καὶ καταλάβῃ ἡμᾶς στενοχωρία [καὶ ἐλθόντες εἰς τὸν τόπον τοῦτον δεηθῶμεν, εἰσακούσῃ τῆς δεήσεως ἡμῶν [11] καὶ δὴ πιστὸς εἶ καὶ ἀληθινός. [12] ἐπεὶ δὲ πλεονάκις θλιβέντων τῶν πατέρων ἡμῶν ἐβοήθησας αὐτοῖς ἐν τῇ ταπεινώσει καὶ ἐρρύσω αὐτοὺς ἐκ μεγάλων κακῶν, [13] ἰδοὺ δὲ νῦν, ἅγιε βασιλεῦ, διὰ τὰς πολλὰς καὶ μεγάλας ἡμῶν ἁμαρτίας καταπονούμεθα καὶ ὑπετάγημεν τοῖς ἐχθροῖς ἡμῶν καὶ παρείμεθα ἐν ἀδυναμίαις. [14] ἐν δὲ τῇ ἡμετέρᾳ καταπτώσει ὁ θρασὺς καὶ βέβηλος οὗτος ἐπιτηδεύει καθυβρίσαι τὸν ἐπὶ τῆς γῆς ἀναδεδειγμένον τῷ ὀνόματι τῆς δόξης σου ἅγιον τόπον. [15] τὸ μὲν γὰρ οἰκητήριόν σου οὐρανὸς τοῦ οὐρανοῦ [ἀνέφικτος ἀνθρώποις ἐστίν. [16] ἀλλ’ ἐπεὶ εὐδοκήσας τὴν δόξαν σου ἐν τῷ λαῷ σου Ισραηλ ἡγίασας τὸν τόπον τοῦτον, [17] μὴ ἐκδικήσῃς ἡμᾶς ἐν τῇ τούτων ἀκαθαρσίᾳ μηδὲ εὐθύνῃς ἡμᾶς ἐν βεβηλώσει ἵνα μὴ καυχήσωνται οἱ παράνομοι ἐν θυμῷ αὐτῶν μηδὲ ἀγαλλιάσωνται ἐν ὑπερηφανίᾳ γλώσσης αὐτῶν λέγοντες [18] Ἡμεῖς κατεπατήσαμεν τὸν οἶκον τοῦ ἁγιασμοῦ, ὡς καταπατοῦνται οἱ οἶκοι τῶν προσοχθισμάτων. [19] ἀπάλειψον τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν καὶ διασκέδασον τὰς ἀμβλακίας ἡμῶν καὶ ἐπίφανον τὸ ἔλεός σου κατὰ τὴν ὥραν ταύτην. [20] ταχὺ προκαταλαβέτωσαν οἱ οἰκτιρμοί σου, καὶ δὸς αἰνέσεις ἐν τῷ στόματι τῶν καταπεπτωκότων καὶ συντετριμμένων τὰς ψυχὰς ποιήσας ἡμῖν εἰρήνην.
2. GEBET UM RETTUNG UND VERGEBUNG (3 MAKK 2,1–20)
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[10] Und weil du das Haus Israel liebst, hast du versprochen, dass du, wenn unser Fall geschehen ist und Bedrängnis uns erfasst hat [und wir – zu dieser Stätte gekommen – flehen, unser Flehen erhören wirst. [11] Und fürwahr, treu bist du und wahrhaftig! [12] Denn oftmals hast du ja, wenn unsere Väter drangsaliert wurden, ihnen in (ihrer) Erniedrigung geholfen und sie aus großen Schlechtigkeiten errettet. [13] Siehe aber jetzt, heiliger König, um unserer vielen und großen Sünden willen werden wir überwältigt und sind unseren Feinden unterlegen und sind in unseren Machtlosigkeiten ausgeliefert. [14] In unserem Zusammenbruch aber [macht sich] der Freche und Ungeweihte – dieser macht sich daran, die auf der Erde deinem herrlichen Namen1 gewidmete heilige Stätte zu verletzen2, [15] Zwar ist ja deine [eigentliche] Behausung – der Himmel des Himmels – [für Menschen unzugänglich. [16] Aber da es dir wohlgefallen hat, dass deine Herrlichkeit unter deinem Volk Israel [wohnt], hast du diese Stätte geheiligt. [17] Vergilt uns nicht mit deren (d.h. der Feinde) Unreinheit und richte uns nicht durch Entweihung, damit sich die Gesetzlosen nicht in ihrem Ingrimm rühmen und mit der Eitelkeit ihrer Lippen jubeln und sagen: [18] „Wir, wir haben zertreten das Haus der Heiligkeit, wie die Häuser der Abscheulichkeiten zertreten werden!“ [19] Erlasse unsere Sünden und lass verschwinden unsere Vergehen und lass erscheinen dein Erbarmen zu dieser Stunde. [20] Schnell sollen [uns] deine Erbarmungen erfassen, und gib Lobpreisungen in den Mund der Zertretenen und der an den Seelen Zermürbten, indem du uns Frieden schaffst.
1 2
Wörtlich: „dem Namen deiner Herrlichkeit“. Wörtlich: „unbotmäßig zu behandeln“. In der Sache wird hier der Vorwurf des Sakrilegs erhoben.
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C.IV. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
3. Eleasars Scheiterhaufengebet (4 Makk 6,26–30) 3.1. EINFÜHRUNG Das Gebet des Eleasar ist Kommentar zu seinem Tod. In seinem Sterben konkretisieren sich die wahre Vernunft und die Treue zum Gesetz.1 Dabei stand eigentlich bereits in hasmonäischer Zeit die Bewahrung des Lebens über der Einhaltung eines kultischen Gebotes. So griffen z.B. in den Makkabäerkriegen Juden – zunächst nur zur Selbstverteidigung – auch am Sabbat zu den Waffen (1 Makk 2,41). Vor die Wahl gestellt, ein Speisegebot zu übertreten oder einen qualvollen Foltertod zu sterben, entscheidet sich Eleasar jedoch für Letzteres. Mit dieser das geforderte Maß übersteigenden Toratreue hofft Eleasar, stellvertretend die Strafe für andere zu übernehmen, sühnend für sein Volk zu wirken und durch sein vergossenes Blut viele vor dem Tod zu bewahren.2 In den seinem Martyrium vorangehenden Diskussionen ist sich Eleasar zudem seiner besonderen Vorbildfunktion insbesondere für Jüngere bewusst (4 Makk 6,19).3 Zur literarischen Beschreibung der Umstände des Todes eines Gerechten gehören dessen letzte Worte. In Vermächtnissen dieser Art konzentrieren sich Haltung und Überzeugung der Sterbenden: Gefoltert stirbt Rabbi Akiba mit dem „Schema Jisrael“ auf den Lippen (bBer 61b); Stephanus betet zum erhöhten Christus, er möge denen, die ihn steinigen, ihre Sünde nicht anrechnen (Apg 7,60; vgl. Lk 23,34). Die Umstände des Todes Eleasars und die Passion Jesu bieten ebenfalls inhaltliche Berührungen: Wie Eleasar durch den Verzehr von Schweinefleisch dem Foltertod hätte entgehen können (4 Makk 1,27), betont Jesus nach Mt 26,53, er habe das Leiden bewusst und freiwillig auf sich genommen, denn auf seinen Wunsch hin hätte sein Vater zu seiner Rettung sogleich zwölf Engellegionen entsandt. Sowohl Eleasar als auch Jesus werden gegeißelt (4 Makk 6,3–7; Mt 27,26.30 par.). Ferner wird dem Blut beider sühnende Wirkung zugeschrieben: Während Eleasar Gott bittet, sein Blut möge reinigend wirken und anstelle des Blutes der Angehörigen seines Volkes angenommen werden (4 Makk 6,29), setzt Jesus am Vorabend seines Todes das Abendmahl ein und erklärt, sein Blut werde zum Heil für die Vielen vergossen (Mt 26,28 par.). Auch 4 Makk 17,11 spricht von einem sühnenden Sterben für andere.4 1
Vgl. SCHUNCK, Makkabäer/Makkabäerbücher, 742. Trotz der historischen Verortung der Schrift in den makkabäischen Freiheitskämpfen und deren Einsatz für die Reinheit des Jerusalemer Tempels spielt letzterer im Vierten Makkabäerbuch keine ausdrücklich bezeichnete Rolle. Vgl. VAN HENTEN, Makkabäerbücher, 705. SCHUNCK, Makkabäer/Makkabäerbücher, 741, vermutet aber, die Schrift sei in Verbindung mit dem Tempelweihfest entstanden. 3 Vgl. Phil 3,17; 1 Thess 1,7; 2 Thess 3,9; 1 Tim 4,12; Tit 2,7; 1 Petr 5,3. 4 In dem hier erwähnten ἱλαστήριον sieht E. LOHSE, Der Brief an die Römer (KEK 4), Göttingen 1(15)2003, 135, die nächste Parallele zu Röm 3,25. Demgegenüber gehen H. GESE, Die Sühne, in: ders., Zur biblischen 2
3. ELEASARS SCHEITERHAUFENGEBET (4 MAKK 6,26–30)
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Ein Glaube an die Auferstehung kommt im Vierten Makkabäerbuch nicht expressis verbis zum Ausdruck, wohl aber wird in 4 Makk 14,6 die Unsterblichkeit der Seele vorausgesetzt. Auch wenn nicht wenige Motive des Gebets in 4 Makk 6,26–30 sich mit Motiven des Neuen Testaments berühren, ist ein literarischer Bezug beider Schriften nicht greifbar,1 zumal 4 Makk wohl erst in spät- bzw. nachneutestamentlicher Zeit entstanden sein dürfte.2
G riechischer Text HADAS, M., The Third and Fourth Books of Maccabees (JAL), New York 1953. SWETE, H.B., The Old Testament in Greek According to the Septuagint, Bd. 3: Hosea – 4 Maccabees. Psalms of Solomon, Enoch, The Odes, Cambridge 41930 (= 1912). Deutsche Übersetzung KLAUCK, H.-J., 4. Makkabäerbuch (JSHRZ III/6), Gütersloh 1989. Englische Übersetzungen ANDERSON, H., 4 Maccabees (First Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the “Old Testament” and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works, Garden City 1985, 531–564 (= OTP II). WESTERHOLM, S., 4 Makkabees, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 530–541 (= NETS). Französische Übersetzung DUPONT-SOMMER, A., Le Quatrième Livre des Machabées. Introduction, Traduction et Notes (BEHE.H 274), Paris 1939. Theologie. Alttestamentliche Vorträge, Tübingen 31989, 85–106, hier: 105, und O. HOFIUS, Sühne und Versöhnung. Zum paulinischen Verständnis des Kreuzestodes Jesu [1983], in: ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen 21994, 33–49, hier: 38 m. Anm. 18 (dort weitere Literatur), auch im Blick auf Röm 3,25 konsequent von der konkreten Bedeutung „Sühneplatte“/„Sühnmal“ aus. 1 Vgl. VAN HENTEN, Makkabäerbücher, 705. 2 Vgl. VAN HENTEN, Makkabäerbücher, 705; KLAUCK, in: LXX.D, 730.
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Literatur BICKERMAN, E.J., The Date of Fourth Maccabees [1945], in: ders., Studies in Jewish and Christian History. A New Edition in English including The God of the Maccabees, hg. von A. Tropper, Bd. 1 (AGJU 68/1), Leiden/Boston 2007, 266–271. BREITENSTEIN, U., Beobachtungen zu Sprache, Stil und Gedankengut des Vierten Makkabäerbuchs, Basel/Stuttgart 21978. DESILVA, D.A., 4 Maccabees (Guides to Apocrypha and Pseudepigrapha), Sheffield 1998. DUPONT-SOMMER, A., Le Quatrième Livre des Machabées. Introduction, Traduction et Notes (BEHE.H 274), Paris 1939. KELLERMANN, U., Auferstanden in den Himmel. 2 Makkabäer 7 und die Auferstehung der Märtyrer (SBS 95), Stuttgart 1979. VAN HENTEN, J.W., The Maccabean Martyrs as Saviours of the Jewish People. A Study of 2 and 4 Maccabees (JSJ.S 57), Leiden u.a. 1997. –, Art. Makkabäerbücher, in: RGG4 5 (2002), 702–705. WEBER, R., Eusebeia und Logismos. Zum philosophischen Hintergrund von 4. Makkabäer, in: JSJ 22 (1991), 212–234.
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C.IV. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
3.2. GRIECHISCHER TEXT1 [26] ὁ δὲ μέχρι ὀστέων ἤδη κατακεκαυμένος καὶ μέλλων λιποθυμεῖν, [ἀνέτεινεν τὰ ὄμματα πρὸς τὸν θεόν, καὶ εἶπεν [27] Σὺ οἶσθα, θεέ, παρόν μοι σώζεσθαι, βασάνοις καυστικαῖς ἀποθνήσκω διὰ τὸν νόμον. [28] ἵλεως γενοῦ τῷ ἔθνει σου, ἀρκεσθεὶς τῇ ἡμετέρᾳ περὶ αὐτῶν δίκῃ. [29] καθάρσιον αὐτῶν ποίησον τὸ ἐμὸν αἷμα, καὶ ἀντίψυχον αὐτῶν λάβε τὴν ἐμὴν ψυχήν. [30] καὶ ταῦτα εἰπὼν ὁ ἱερὸς ἀνὴρ εὐγενῶς ταῖς βασάνοις ἐναπέθανεν, καὶ μέχρι τῶν τοῦ θανάτου βασάνων ἀντέστη τῷ λογισμῷ [διὰ τὸν νόμον.
1
Text und Verszählung nach SWETE, The Old Testament in Greek, Bd. 3, 740.
3. ELEASARS SCHEITERHAUFENGEBET (4 MAKK 6,26–30)
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3.3. ÜBERSETZUNG [26] Der aber bis zu (den) Knochen bereits Verbrannte und im Begriff, ohnmächtig zu werden, [erhob die Augen zu Gott und sprach: [27] Du, du weißt, Gott, obwohl es mir möglich [war], mich zu retten, sterbe ich in brennenden Qualen um des Gesetzes willen. [28] Gnädig erweise dich deinem Volk, befriedigt durch unsere für sie [erlittene] Strafe.1 [29] Zu einem Reinigungsopfer2 für sie mache mein (eigenes) Blut, und als Lebensersatz für sie nimm mein (eigenes) Leben3. [30] Und als der heilige Mann dies gesagt hatte, starb er in edler Weise in Qualen, und bis zu den Todesqualen leistete er Widerstand mithilfe der (frommen) Denkkraft4 [um des Gesetzes willen.
1 Hier findet sich die Vorstellung eines satisfaktorischen (ἀρκεῖν!) und propitiatorischen Opfers, die sich laut O. HOFIUS, Sühne und Versöhnung. Zum paulinischen Verständnis des Kreuzestodes Jesu [1983], in: ders., Paulusstudien (WUNT 51), Tübingen 21994, 33–49, bes. 34–39, fundamental von dem alttestamentlichen und paulinischen Sühnegedanken unterscheidet. 2 In diesem Falle ist καθάρσιον ἱερόν zu ergänzen (vgl. PAPE, Hwb I, 1282, s.v. καθάρσιος). Es kann aber καθάρσιον auch prädikativ auf τὸ ἐμὸν αἷμα bezogen werden. Der Genitiv αὐτῶν ist beide Male als Genitivus obiectivus zu interpretieren. 3 Oder: „Seele“, jedenfalls im Sinne der Lebenskraft bzw. des beseelten Lebens (ˇʓʴʓʰ). 4 Das instrumentale Verständnis des Dativs τῷ λογισμῷ ergibt sich aus dem unmittelbaren (3,31!) und weiteren Kontext (1,1f.). 4 Makk insgesamt will ja zeigen, dass die (fromme) „Denkkraft“ (λογισμός) den Emotionen überlegen ist.
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V. APOKRYPHE PSALMEN
1. Psalm 151 (LXX und 11Q5, XXVIII,3–14) 1.1. EINFÜHRUNG Dank der Textfunde von Qumran besteht über den hebräischen Ursprung des 151. Psalms der Septuaginta kein Zweifel.1 Der nach eigenen Worten in der LXX „außerhalb der Zählung“ (ἔξωθεν τοῦ ἀριθμοῦ) tradierte Text (V. 1a) stellt die Kompilation zweier in Qumran zwar unmittelbar nacheinander, aber abgesetzt voneinander notierter Psalmen dar. In Ps 151A (11Q5, XXVIII,3–12) werden die Herkunft Davids, seine Erwählung und Berufung durch Gott, seine Salbung durch Samuel und seine musikalischen Ambitionen2 beschrieben. Ps 151B (11Q5, XXVIII,13f.) ist nur fragmentarisch erhalten und thematisiert den in Ps 151A unerwähnten Zweikampf Davids mit Goliath.3 Zu Beginn der Komposition aus 11Q5, XXVIII,3–12 und 13f. (Ps 151A und B) werden deren Spezifika offensiv angesprochen (PsLXX 151,1): Die Tradierung „außerhalb der Zählung“ des schon festgefügt vorliegenden Corpus der 150 Psalmen4 ist legitimiert durch Inhalt und Herkunft des Psalms. Der Text wird ausdrücklich als „selbst geschriebener Psalm“ (ψαλμὸς ἰδιόγραφος5, V. 1a) „von“ oder „in Bezug auf David“ (εἰς Δαυιδ) gekennzeichnet. Durch die autobiographischen Angaben des wichtigsten Psalmdichters gewinnt dieser Septuaginta-Psalm den Charakter einer eigenhändigen Unterschrift des „Autors“ unter sein Werk.6 Ob der Übersetzer selbst die Verbindung der beiden Qumran-Psalmen zu einem Psalm vorgenommen und zugleich den ersten Vers (PsLXX 151,1) vorangestellt hat oder 1 Im Detail sind die Unterschiede zwischen der Qumran-Fassung und dem LXX-Text sowie der davon abhängigen syrischen Übersetzung gravierend (vgl. z.B. die Kürzungen der Septuaginta in V. 3). 2 Die Verse zwei und drei der Septuaginta lassen sich kaum für eine Nähe zur Orphik in Anschlag bringen. 3 Der 151. Psalm ist der einzige Psalm, der den Goliath-Kampf (1 Sam 17) explizit erwähnt. Aber auch PsLXX 143 nimmt auf die Goliath-Gestalt (V. 1) und möglicherweise auf den Kampf Bezug (V. 7f.10?). 4 Spätestens seit dem 2. nachchristlichen Jahrhundert war die Nummerierung der LXX-Psalmen bekannt. Vgl. BONS, in: LXX.D, 750. 5 Hapaxlegomenon in den biblischen Schriften. 6 Vgl. BONS, in: LXX.D, 747.
1. PSALM 151 (LXX / 11Q5)
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ob er bereits auf eine nicht überlieferte hebräische Komposition zurückgreifen konnte, ist bislang ungeklärt. Unter den fünf syrischen Psalmen (Ps 151–155)1 ist Psalm 151 der einzige nicht direkt aus dem Hebräischen, sondern aus dem Griechischen ins Syrische übersetzte Psalm. Die nur in einigen Handschriften der Septuaginta tradierten apokryphen „Psalmen Salomos“2 folgen als ebenfalls namentlich zugeschriebene Psalmen auf den 151. Psalm. A.S. van der Woude charakterisiert Ps 151 mehrfach als Beispiel individueller jüdischer Frömmigkeit aus spätpersischer und frühhellenistischer Zeit.3 Damit geht einher, dass die hebräische Fassung des Psalms trotz ihres Fundortes kein genuin essenischer Text ist, sondern sich mit den kanonischen Psalmen und der Weisheitsliteratur berührt. Vorangestellt ist dem Textcorpus von PsLXX 151 als Themaangabe der Zweikampf Davids mit Goliath.4 Dadurch bilden PsLXX 151,1b und 151,6 eine Klammer, und die hebräischen Psalmen 151A und 151B erscheinen als genuine Bestandteile der Gesamtkomposition.5 Der Verfasser der griechischen Fassung lässt auf den aus 1 Sam 17,4 als Riesen bekannten Goliath unmittelbar das Wort μικρóς folgen und steigert so zusätzlich den Gegensatz zwischen dem „unbedeutenden“ David und seinen größeren und schöneren Brüdern. Betont wird damit zugleich die von menschlichen Kategorien unabhängige Wahl Gottes. Der Kompilator strafft die zugrunde gelegten Psalmen (Ps 151A und 151B) und akzentuiert die Handlungsaspekte.6 Kein anderer Psalm bietet eine vergleichbare Vielzahl biographischer Informationen zu David (vgl. 1 Sam 16f.).7 In PsLXX 151,2 baut und spielt David ein Musikinstrument; es fehlt jedoch der Hinweis, dass Davids Spiel zur Ehre Gottes geschieht (11Q5, XXVIII,5). Der innere Monolog Davids – in der hebräischen Version der Inhalt seines Liedes – verleiht dem Text Aspekte eines Klagepsalms (11Q5, XXVIII,5–7). In der Septuaginta wird die Selbstreflexion Davids reduziert auf eine unmittelbar beantwortete rhetorische Frage (PsLXX 151,3).
1 Neben dem 151. Psalm wurden auch hebräische Fragmente des 154. und des 155. Psalms, die bis dahin nur in syrischer Übersetzung bekannt waren, in Höhle 11 von Qumran entdeckt. In der Psalmenhandschrift aus Höhle 11 werden die syrischen Psalmen nicht als Einheit überliefert. 2 Vgl. BONS, in: LXX.D, 747. 3 Vgl. VAN DER WOUDE, Psalmen, 31.35. 4 In Ps 151,6 ist von dem „Fremdstämmigen“ und dem „Philistäer“ die Rede; dort fehlt die namentliche Bezeichnung. 5 Ps 151A (11Q 5, XXVIII,3–12) lässt Goliath unerwähnt. 6 In einer syrischen Handschriftengruppe wird darüber hinaus in Ps 151,1 (Ende) zusätzlich auf 1 Sam 17,35.37 angespielt. Vgl. VAN DER WOUDE, Psalmen, 39, Anm. zu 1a. 7 VAN DER WOUDE, Psalmen, 35, spricht von einem poetischen Midrasch zu 1 Sam 16f.
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Der Wandel vom Hirten der Schafe zum Hirten des Volkes erscheint in der Septuaginta in abgeschwächter Form: David wird als der beschrieben, der die Schafe hütet (V. 1b) und dann durch den Boten von den Schafen weggenommen wird (V. 4a). Im Hebräischen ist es Davids Vater, der ihn als Hirten für die Herde einsetzt, dagegen ist es Gott, der ihn von der Herde wegnimmt (jeweils: ʩʰʮʩʹʩʥ; 11Q Psa, Col. XXVIII, Z. 3 und 11). Das „Wegnehmen“ in PsLXX 151,4a wird in V. 7b in Bezug auf die Schande, die David von den Kindern Israels wegnimmt (beide Male Formen von αἴρειν), noch einmal aufgegriffen.
G riechischer Text RAHLFS, A. (Hg.), Psalmi cum Odis (SVTG X), Göttingen 31979. Hebräischer Text GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 2: 4Q274–11Q31, Leiden u.a. 1998 (= DSSSE). Deutsche Übersetzungen KRAUS, W. / KARRER, M. (Hg.), Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, Stuttgart 2009 (= LXX.D). VAN DER WOUDE, A.S., Die fünf syrischen Psalmen (einschließlich Psalm 151) (JSHRZ IV/1), Gütersloh 21977. Englische Übersetzungen GARCÍA MARTÍNEZ, F. / TIGCHELAAR, E.J.C., The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Bd. 2: 4Q274–11Q31, Leiden u.a. 1998 (= DSSSE). PIETERSMA, A., Psalms, in: ders. / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/ New York 2007, 542–620 (= NETS). Französische Übersetzungen DELCOR, M., Cinq nouveaux psaumes esséniens?, in: RdQ 1 (1958), 85–102. La Traduction Œcuménique de la Bible, édition à notes essentielles, Villiers-le-Bel/Paris 2010.
1. PSALM 151 (LXX / 11Q5)
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Literatur BROWNLEE, W.H., The 11 Q Counterpart to Psalm 151, 1–5, in: RdQ 4 (1963), 379–387. CARMIGNAC, J., La forme poétique du Psaume 151 de la grotte 11, in: RdQ 4 (1963), 371–378. –, Précisions sur la forme poétique du Psaume 151, in: RdQ 5 (1965), 249–252. COLELLA, P., Il testo ebraico del Salmo 151, in: RivBib 14 (1966), 365–368. DUPONT-SOMMER, A., Le psaume CLI dans 11Q Psa et le problème de son origine essénienne, in: Sem. 14 (1964), 25–62. MEYER, R., Die Septuaginta-Fassung von Psalm 1511–5 als Ergebnis einer dogmatischen Korrektur, in: F. Maass (Hg.), Das ferne und nahe Wort, FS L. Rost (BZAW 105), Berlin 1967, 164– 172. SANDERS, J.A., Ps. 151 in 11Q Pss, in: ZAW 75 (1963), 73–86. SEN, F., El Salmo 151 merece añadirse al Salterio como obra maestra, in: CuBi 29 (1972), 168– 173. SKEHAN, P.W., The Apocryphal Psalm 151, in: CBQ 25 (1963), 407–409. ZENGER, E. (Hg.), Der Septuaginta-Psalter. Sprachliche und theologische Aspekte (HBS 32), Freiburg i.Br. u.a. 2001.
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1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] Οὗτος ὁ ψαλμὸς ἰδιόγραφος εἰς Δαυιδ καὶ ἔξωθεν τοῦ ἀριθμοῦ· ὅτε ἐμονομάχησεν τῷ Γολιαδ. Μικρὸς ἤμην ἐν τοῖς ἀδελφοῖς μου καὶ νεώτερος ἐν τῷ οἴκῳ τοῦ πατρός μου· ἐποίμαινον τὰ πρόβατα τοῦ πατρός μου. [2] αἱ χεῖρές μου ἐποίησαν ὄργανον, οἱ δάκτυλοί μου ἥρμοσαν ψαλτήριον. [3] καὶ τίς ἀναγγελεῖ τῷ κυρίῳ μου; αὐτὸς κύριος, αὐτὸς εἰσακούει. [4] αὐτὸς ἐξαπέστειλεν τὸν ἄγγελον αὐτοῦ καὶ ἦρέν με ἐκ τῶν προβάτων τοῦ πατρός μου καὶ ἔχρισέν με ἐν τῷ ἐλαίῳ τῆς χρίσεως αὐτοῦ. [5] οἱ ἀδελφοί μου καλοὶ καὶ μεγάλοι, καὶ οὐκ εὐδόκησεν ἐν αὐτοῖς κύριος. [6] ἐξῆλθον εἰς συνάντησιν τῷ ἀλλοφύλῳ, καὶ ἐπικατηράσατό με ἐν τοῖς εἰδώλοις αὐτοῦ· [7] ἐγὼ δὲ σπασάμενος τὴν παρ᾿ αὐτοῦ μάχαιραν ἀπεκεφάλισα αὐτὸν καὶ ἦρα ὄνειδος ἐξ υἱῶν Ισραηλ.
1
Text und Verszählung nach RAHLFS, SVTG X, 339f.
1. PSALM 151 (LXX / 11Q5)
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1.3. ÜBERSETZUNG DES GRIECHISCHEN TEXTES [1] Dieser Psalm [ist] selbstgeschrieben in Bezug auf1 David und außerhalb der Zählung; als er den Einzelkampf antrat gegen Goliath.2 Klein war ich unter meinen Brüdern und der Jüngste3 in dem Haus meines Vaters; ich weidete die Schafe meines Vaters. [2] Meine Hände machten ein Musikinstrument, meine Finger stimmten ein Saiteninstrument. [3] Doch wer wird berichten meinem Herrn? Er, JHWH, er hört hin! [4] Er, er sandte seinen Boten aus und nahm mich hinweg von den Schafen meines Vaters und salbte mich mit seinem Salböl. [5] Meine Brüder [waren] schön und groß, aber JHWH hatte kein Wohlgefallen an ihnen. [6] Ich ging hinaus zur Begegnung mit dem Fremdstämmigen, und er verfluchte mich bei seinen Götzen; [7] ich aber, ich köpfte ihn, nachdem ich das von ihm [stammende] Schwert entwendet hatte, und nahm hinweg (die) Schmach von (den) Söhnen Israel.
1
Diese ungewöhnliche Formulierung mit εἰς + Akk. erscheint innerhalb des Psalters nur noch in PsLXX 71,1 (dort εἰς Σαλωμων). Sonst steht i.d.R. τῷ Δαυιδ (so in den Überschriften von PsLXX 3–15; 17–24; 28–35; 37– 40; 42; 50; 55; 60–64; 67f.; 70; 85; 90; 92–98; 100; 102f.; 107–109; 130; 132; 136–140; 142–144; vgl. noch τῷ Ασαφ: 49,1; 72,1; 74,1; 75,1; 76,1; 78,1; 80,1; 81,1; 82,1; τοῖς υἱοῖς Κορε: PsLXX 83,1; 84,1; 86,1; 87,1; τῷ Σαλωμων: PsLXX 126,1) bzw. τοῦ Δαυιδ (so in PsLXX 16,1; 25,1; 26,1; 27,1; 36,1; vgl. noch τοῦ Μωυσῆ: PsLXX 89,1). 2 Eine konkrete geschichtliche Verortung des Psalms findet sich z.B. auch in PsLXX 3,1; 17,1; 33,1; 50,2; 51,2; 55,1; 56,1; 58,1; 59,1; 62,1; 95,1; 96,1; 142,1. 3 Semitismus: Der Komparativ ohne Vergleich(spartikel) steht anstelle des Superlativs.
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1.4. HEBRÄISCHER TEXT (11Q PSA, COL. XXVIII,3–14)1 Psalm 151A ʩʹʩ ʯʡ ʣʩʥʣʬ ʤʩʥʬʬʤ [Z. 3] ʩʡʠ ʩʰʡʮ ʸʩʲʶʥ ʩʧʠʯʮ ʩʺʩʩʤ ʯʨʷ ʩʰʮʩʹʩʥ ʥʩʺʥʩʣʢʡ ʬʹʥʮʥ ʥʰʥʶʬ ʤʲʥʸ [Z. 4] ʸʥʰʫ ʩʺʥʲʡʶʠʥ ʡʢʥʲ ʥʹʲ ʩʣʩ ʣʥʡʫ 2KZK\ʬ ʤʮʩʹʠʥ [Z. 5] ʥʣʩʲʩ ʠʥʬ ʭʩʸʤʤ ʩʹʴʰʡ ʩʰʠ ʩʺʸʮʠ ʺʥʲʡʢʤʥ ʩʬ [Z. 6] ʩʹʲʮ ʺʠ ʯʠʥʶʤʥ ʩʸʡʣ ʺʠ ʭʩʶʲʤ ʩʬʲ ʥʣʩʢʩ ʠʥʬ ʩʹʲʮ ʺʠ ʸʴʱʩ ʩʮʥ ʸʡʣʩ ʩʮʥ ʣʩʢʩ ʩʮ ʩʫ [Z. 7] ʤʥʬʠ ʤʠʸ ʬʥʫʤ ʯʥʣʠ ʯʩʦʠʤ ʠʥʤʥ ʲʮʹ ʠʥʤ ʬʥʫʤ [Z. 8] ʬʠʥʮʹ ʺʠ ʩʰʧʹʥʮʬ ʥʠʩʡʰ ʧʬʹ ʥʺʠʸʷʬ ʩʧʠ ʥʠʶʩ ʩʰʬʣʢʬ [Z. 9] ʭʺʮʥʷʡ ʭʩʤʡʢʤ ʤʠʸʮʤ ʩʴʩʥ ʸʥʺʤ ʩʴʩ ʭʡ ʭʩʤʥʬʠ KZK\ ʸʧʡ ʠʥʬ ʭʸʲʹʡ [vacat] ʭʩʴʩʤ [Z. 10] ʩʰʧʷʩʥ ʧʬʹʩʥ ʹʣʥʷʤ ʯʮʹʡ ʩʰʧʹʮʩʥ ʯʠʥʶʤ ʸʧʠʮ [Z. 11] ʩʰʡʡ ʬʹʥʮʥ ʥʮʲʬ ʣʩʢʰ ʩʰʮʩʹʩʥ [vacat] ʥʺʩʸʡ [Z. 12]
Psalm 151B ʭʩʤʥʬʠ ʠʩʡʰ ʥʧʹʮʹʮ ʣʩʥʣʬ ʤʸ[ʥ]ʡʢ ʺʬʧʺ [Z. 13] ʩʺʹʬʴ ʩʺ[ʩ]ʠʸ ʩʦʠ [...] ʺʠ [...] ʩʫʥʰʠ [ʭʩʺʹʬʴ ʺʥʫʸʲ]ʮʮ ʳʸʧʮ [Z. 14]
1 2
Text und Zeilenzählung nach DSSSE, 1178. Vgl. auch DJD IV, Plate XVII. Dies ist das Tetragramm ʤʥʤʩ in althebräischer Schrift.
1. PSALM 151 (LXX / 11Q5)
1.5. ÜBERSETZUNG DES HEBRÄISCHEN TEXTES Psalm 151A [Z. 3] Ein Halleluja Davids, des Sohnes Isais. Kleiner war ich als meine Brüder und jünger als die Söhne meines Vaters, und er nahm mich [Z. 4] als Hirte für seine Herde und ich herrschte über seine Böckchen. Meine Hände machten eine Flöte und meine Finger eine Zither. [Z. 5] Und ich gab JHWH Ehre. Ich sprach in meiner Seele: „Die Berge werden nicht zeugen [Z. 6] für mich und die Hügel, nicht werden bezeugen über mich die Bäume meine Worte und die Herde meine Taten. [Z. 7] Denn wer wird sagen und wer wird sprechen und wer wird erzählen meine Taten?“ Der Herr des Alls sah, der Gott [Z. 8] des Alls, er hörte und er horchte: Er schickte seinen Propheten, mich zu salben, den Samuel. [Z. 9] Zu meiner Erhöhung zogen hinaus meine Brüder, ihm entgegen: Schön [war] die Größe und schön das Aussehen. Groß [waren] sie in ihrer Höhe, [Z. 10] die Schönen. [LÜCKE] Nach ihren Haaren nicht wählte JHWH, Gott sie. Und er schickte und nahm mich [Z. 11] weg von der Herde und salbte mich mit dem heiligen Öl. Und er setzte mich als Herrscher für sein Volk und als Richter über die Söhne [Z. 12] seines Bundes [LÜCKE]
Psalm 151B [Z. 13] Der Anfang der Erhöhung für David von seiner Salbung durch den Propheten Gottes. Dann sah ich einen Philistäer, [Z. 14] der verhöhnte von den Kampflinien der Philistäer,1 ich […] den […].
1
Vgl. 2 Sam 17,26.
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
VI. ORATIO MANASSIS (MANASSES BUSSGEBET)
Das der Gattung „individuelles Klagelied“ zuzurechnende „Gebet des Manasse“ ist in der syrischen Didaskalia (3. Jh. n.Chr.), sowie auf Griechisch in den Apostolischen Konstitutionen (ca. 4. Jh. n.Chr.) überliefert. Alle griechischen, lateinischen und koptischen Versionen stammen von der Vorlage in ConstAp II, 22,12–14.1 Im Codex Alexandrinus (5. Jh.) ist das „Gebet Manasses“ erstmals im Rahmen der Septuaginta überliefert, an achter Stelle der Cantica (Oden) nach den Psalmen. Es findet sich an zwölfter Stelle unter den Oden in der Ausgabe bei A. Rahlfs.2 Bei der in der Kairoer Geniza gefundenen Version handelt es sich um eine spätere Übersetzung der christlichen Vorlage.3 Die in Qumran gefundenen Fragmente zum „Gebet des Manasse“ (4Q381 33,8–11) zeigen über den Namen des Beters hinaus keine unmittelbaren Bezüge zum Wortlaut der griechischen Fassung.4 Unter den Oden nimmt der Bußpsalm des Manasse eine Sonderrolle ein, denn im Unterschied zu den anderen Oden findet sich sein Text nicht wörtlich an anderen Stellen der kanonischen oder apokryphen Schriften. Bei der von den Apostolischen Konstitutionen unabhängigen Fassung der syrischen Didaskalia handelt es sich vermutlich um eine „Übersetzung der wohl im dritten Jahrhundert in Syrien entstandenen altchristlichen, verlorengegangenen griechischen Didaskalia“.5 Die Originalsprache ist ebenso wie die Entstehungszeit ungewiss. Die Vorschläge reichen vom 2. Jh. v.Chr. bis zum 1. Jh. n.Chr.6 König Manasse regierte von 696–642 v.Chr. über Juda und öffnete das Südreich für heidnische Kulte (vgl. 2 Kön 12,1ff.). In 2 Chr 33,11–19 wird berichtet, dass er Buße tat wegen seiner Sünden. Sein Gebet in der babylonischen Gefangenschaft wurde erhört. Manasse durfte als König nach Jerusalem zurückkehren und beseitigte die Götzenbilder. 1
Vgl. OSSWALD, Gebet, 17. Eine Übersicht über die Einordnung des Manasse-Gebets in den Odensammlungen unterschiedlicher Manuskripte bieten VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 158. 3 Das 10. Jh. ist der Terminus ante quem für die Niederschrift des Gebets. Genauere Datierungen bleiben spekulativ. Vgl. LEICHT, Hebrew Version, 368. Text und Einordnung: DERS., Hebrew Version. Vgl. OSTMEYER, Gebete. 4 Vgl. LEICHT, Hebrew Version, 360.368; DERS., Manasse-Gebet, 725; VAN DER HORST/NEWMAN, Prayers, 152. 5 OSSWALD, Gebet, 17. 6 Vgl. LEICHT, Manasse-Gebet, 725. 2
VI. ORATIO MANASSIS (MANASSES BUSSGEBET)
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Laut 2 Chr 33,18f. ist das wirkmächtige Gebet in der „Geschichte der Könige Israels“ (V. 18) bzw. in der „Geschichte der Seher“ (V. 19) überliefert. Aus dem Bestreben, das Gebet authentisch erscheinen zu lassen, erklärt sich seine mit alttestamentlichen Wendungen gesättigte Sprache. Die jüdische Herkunft des Gebets ist insbesondere wegen V. 1 und V. 8 wahrscheinlich,1 aber nicht zwingend.2 In dem Gebet drückt sich die Gewissheit aus, dass Gott aufrichtig bereute Sünden vergibt. Als Intention wird vermutet, Juden zur Abkehr vom Götzendienst zu motivieren3 oder eine Anleitung zu rechter Buße zu geben.4 Als griechischer Text wird hier die Version der Septuaginta geboten. Zum Verständnis des Zusammenhangs ist aber die Berücksichtigung der syrischen Fassungen hilfreich. Die über den Septuagintatext hinausgehenden Passagen der syrischen Didaskalia stehen in der Übersetzung in geschweiften Klammern.
G riechischer Text DENIS, A.-M., Oratio Manassis, in: M. Black / ders. (Hg.), Apocalypsis Henochi Graece. Fragmenta Pseudepigraphorum quae supersunt Graeca (PVTG 3), Leiden 1970, 115–117. RAHLFS, A. (Hg.), Psalmi cum Odis (SVTG X), Göttingen 31979, 361–363. METZGER, M., Les Constitutions apostoliques. Introduction, texte critique, traduction et notes, Bd. 1: Livres I et II (SC 320), Paris 1985, 210–223. Syrischer Text VÖÖBUS, A. (Hg.), The Didascalia Apostolorum in Syriac, 2 Bde. (CSCO 401/402 = CSCO.S 175/176), Louvain 1979. Deutsche Übersetzung OSSWALD, E., Das Gebet Manasses (JSHRZ IV/1), Gütersloh 1974, 15–47. Englische Übersetzungen HARRINGTON, D.J., Prayer of Manasseh, in: J.L. Mays (Hg.), The HarperCollins Bible Commentary, San Francisco 2000, 797–799. 1
Vgl. OSSWALD, Gebet, 20. So NAU, Extrait, 137. 3 Vgl. RYLE, Prayer, 613. 4 Vgl. OSSWALD, Gebet, 20. 2
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
NICKELSBURG, G.W.E., Prayer of Manasseh, in: M. Goodman (Hg.), The Apocrypha (The Oxford Bible Commentary), Oxford 22012, 212–215. PIETERSMA, A., Psalms, in: ders. / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/ New York 2007, 542–620, hier: 620 (= NETS). Französische Übersetzung MIGNE, J.-P., Prière de Manassès, in: ders., Dictionnaire des Apocryphes. Collection de tous les livres apocryphes relatifs à l’Ancien et au Nouveau Testament, Bd. 1 (TEncTh 23), Paris 1856, 851f. Literatur CHARLESWORTH, J.H., Prayer of Manasseh (Second Century B.C. – First Century A.D.). A New Translation and Introduction, in: ders. (Hg.), The Old Testament Pseudepigrapha, Bd. 2: Expansions of the “Old Testament” and Legends, Wisdom and Philosophical Literature, Prayers, Psalms, and Odes, Fragments of Lost Judeo-Hellenistic Works, Garden City 1985, 625–637 (= OTP II). DENIS, A.-M., Introduction aux pseudépigraphes grecs d’Ancien Testament (SVTP 1), Leiden 1970, 177–181. –, Concordance grecque des pseudépigraphes d’Ancien Testament. Concordance, corpus des textes, indices, avec la collaboration d’Y. Janssens, Louvain-la-Neuve 1987, 905. EISSFELDT, O., Einleitung in das Alte Testament unter Einschluß der Apokryphen und Pseudepigraphen sowie der apokryphen- und pseudepigraphenartigen Qumrān-Schriften. Entstehungsgeschichte des Alten Testaments (NTG), Tübingen 41976 (= 31964), 796f. FLUSSER, D., Psalms, Hymns and Prayers, in: M.E. Stone (Hg.), Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus (CRINT II/2), Assen – Philadelphia 1984, 551–577 (= JWSTP). LEICHT, R., Art. Manasse-Gebet, in: RGG4 5 (2002), 724f. –, A Newly Discovered Hebrew Version of the Apocryphal ‘Prayer of Manasseh’, in: JSQ 3 (1996), 359–373. NAU, F., Un extrait de la Didascalie: la prière de Manassé (avec une édition de la version syriac), in: ROC 13 (1908), 134–141. OSSWALD, E., Das Gebet Manasses (JSHRZ IV/1), Gütersloh 1974, 15–47. OSTMEYER, K.-H., Die Gebete des Manasse (aus Qumran, der Septuaginta und der Kairoer Geniza), in: J. Frey u.a. (Hg.), Between Canonical and Apocryphal Texts. Processes of Reception, Rewriting, and Interpretation in Early Judaism and Early Christianity (im Erscheinen).
VI. ORATIO MANASSIS (MANASSES BUSSGEBET)
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RYLE, H.E., The Prayer of Manasses, in: R.H. Charles (Hg.), The Apocrypha and Pseudepigrapha of the Old Testament in English, Bd. 1: Apocrypha, Oxford 1913, 612–624 (= APOT I). VAN DER HORST, P.W. / NEWMAN, J.H., Early Jewish Prayers in Greek. A Commentary (CEJL), Berlin/New York 2008, 145–180. VÖÖBUS, A. (Hg.), The Didascalia Apostolorum in Syriac, 2 Bde. (CSCO 401/402 = CSCO.S 175/176), Louvain 1979.
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C.VI. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1. Die 12. Ode1 1.1. EINFÜHRUNG Bereits im ersten Vers des Gebets stellt sich der Betende (im Folgenden: „Manasse“) in die Tradition „unserer Väter“2 und damit in den Bund Gottes mit Abraham und seinen Nachkommen. Das Gebet bietet einen Schnelldurchlauf durch wesentliche Elemente der Heilsgeschichte: Gott ist der allmächtige Schöpfer (V. 1f.4). Sein Name ist es, der die Elemente des Chaos bändigt (V. 3). Dem unabwendbaren Zorn Gottes (V. 5) wird sogleich sein unermessliches Erbarmen zur Seite gestellt (V. 6). Derartige Gegenüberstellungen durchziehen das ganze Gebet. Gericht und Gnade (V. 6) werden angesprochen. In den Rahmen der Verheißung hatte sich Manasse durch seinen anfänglichen Rekurs auf Abraham als Vater (V. 1) selbst gestellt. Das Gebet ist ein geschickt begründetes Beim-Wort-Nehmen Gottes. Mit der Kombination von menschlicher Schlechtigkeit und dem Erbarmen Gottes spielt Manasse auf die Gnade Gottes nach der Sintflut in Gen 8,21 an.3 Der Mensch ist zwar böse von Jugend an und Gott gereut es wegen der Übeltaten der Menschen, ihn geschaffen zu haben (vgl. Gen 6,5f.); dennoch lässt er Gnade walten (Od 12,7).4 Bemerkenswert ist, dass der Beter die Reue Gottes angesichts der menschlichen Übeltaten (Gen 6,5) argumentativ nutzt, um die Milde Gottes dem Sünder gegenüber zu begründen. Gott ist derjenige, der umkehrt (V. 7),5 und er hat den Menschen die Möglichkeit zur Umkehr gegeben (V. 8). Weiter wird argumentiert, dass die gerechten Väter diese Umkehr nicht nötig hatten, sondern der Sünder (V. 8a), d.h. der Beter selbst (V. 8b). Hier tritt der Beter heraus aus dem Generellen von Schöpfung, Strafgericht und Bund und bezieht im Weiteren die Heilszusagen Gottes auf sich selbst. Vergleichbar erinnert Mose in seiner Fürbitte für das Volk nach dem Bau des Goldenen Kalbes an die Verheißung, die Gott Abraham und sei-
1 Der Interpretation des Manasse-Gebets liegt der Septuagintatext zugrunde. Die darüber hinausgehenden Passagen des älteren Textes in der syrischen Didaskalia werden mit einbezogen, jedoch hier nicht im Original geboten. 2 Eine syrische Handschrift bezeugt: „meiner Väter“. 3 Vgl. auch die Erwähnung der Urflut in V. 3. 4 In der syrischen Version (V. 7b) wird das Erbarmen Gottes für den Sünder weiter ausgeführt. Die Zielrichtung der Argumentation geht jedoch bereits aus der kürzeren Septuaginta-Version hervor. Anders OSSWALD, JSHRZ VI/1, 24, Anm. 7, die den syrischen Text für zum Verständnis des Ganzen unentbehrlich hält. 5 Zur Reue Gottes vgl. Joël 2,13; Jona 4,2; Am 7,3.6; Jer 18,8; PsLXX 105,45.
1. DIE 12. ODE
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nen Nachkommen gegeben hat (Ex 32,13), und ruft ihn dazu auf, sich des Unheils gereuen zu lassen (Ex 32,12b1; vgl. V. 142). Die Erwähnung Abrahams und seiner Nachkommen in V. 8a (vgl. V. 1) macht deutlich, dass es bei der Erwähnung des Sandes am Meer und dem Blick gen Himmel (V. 9) um die Verheißung Gottes an Abraham geht: Seine Kinder sollen zahlreich sein wie Sterne und Sand (Gen 22,17). Manasse nutzt das Motiv, kehrt es aber um und spricht von der Unzählbarkeit seiner Sünden (V. 9a). Durch seine Argumentation stellt er sich gleichsam an die Stelle Abrahams vor Gott. Auch wenn er sich für unwürdig erklärt, seinen Blick gen Himmel (zu den Sternen) zu erheben, behaftet er als Nachkomme Abrahams Gott doch auf seine Verheißungen. Manasse schildert seine im Gebet nicht spezifizierte Gefangenschaft als Bußstrafe (V. 10a) für seine Verfehlungen (V. 10b). Gerade die Größe seiner Sünden wird das Erbarmen Gottes umso großartiger erscheinen lassen (V. 14). Das Gebet endet in Errettungsgewissheit (V. 14) und mit einem Einstimmen in den Lobpreis Gottes (V. 15).
1 Ex 32,12: μήποτε εἴπωσιν οἱ Αἰγύπτιοι λέγοντες μετὰ πονηρίας ἐξήγαγεν αὐτοὺς ἀποκτεῖναι ἐν τοῖς ὄρεσιν καὶ ἐξαναλῶσαι αὐτοὺς ἀπὸ τῆς γῆς παῦσαι τῆς ὀργῆς τοῦ θυμοῦ σου καὶ ἵλεως γενοῦ ἐπὶ τῇ κακίᾳ τοῦ λαοῦ σου. 2 Ex 32,14: καὶ ἱλάσθη κύριος περὶ τῆς κακίας ἧς εἶπεν ποιῆσαι τὸν λαὸν αὐτοῦ.
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C.VI. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.2. GRIECHISCHER TEXT NACH DER SEPTUAGINTA1 [1] Κύριε παντοκράτωρ2, ὁ θεὸς τῶν πατέρων ἡμῶν3, τοῦ Αβρααμ καὶ Ισαακ καὶ Ιακωβ καὶ τοῦ σπέρματος αὐτῶν τοῦ δικαίου, [2] ὁ ποιήσας τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν σὺν παντὶ τῷ κόσμῳ αὐτῶν, [3] ὁ πεδήσας τὴν θάλασσαν τῷ λόγῳ τοῦ προστάγματός σου, ὁ κλείσας τὴν ἄβυσσον καὶ σφραγισάμενος [τῷ φοβερῷ καὶ ἐνδόξῳ ὀνόματί σου· [4] ὃν πάντα φρίττει καὶ τρέμει ἀπὸ προσώπου δυνάμεώς4 σου, [5] ὅτι ἄστεκτος ἡ μεγαλοπρέπεια τῆς δόξης σου, καὶ ἀνυπόστατος ἡ ὀργὴ τῆς ἐπὶ ἁμαρτωλοὺς ἀπειλῆς σου, [6] ἀμέτρητόν τε καὶ ἀνεξιχνίαστον τὸ ἔλεος τῆς ἐπαγγελίας σου, [7] ὅτι σὺ εἶ κύριος ὕψιστος5, εὔσπλαγχνος, μακρόθυμος καὶ πολυέλεος καὶ μετανοῶν ἐπὶ κακίαις ἀνθρώπων6·
[8] σὺ οὖν, κύριε ὁ θεὸς τῶν δικαίων, οὐκ ἔθου μετάνοιαν δικαίοις, τῷ Αβρααμ καὶ Ισαακ καὶ Ιακωβ τοῖς οὐχ ἡμαρτηκόσιν σοι, ἀλλ᾿ ἔθου μετάνοιαν ἐμοὶ τῷ ἁμαρτωλῷ, [9] διότι ἥμαρτον ὑπὲρ ἀριθμὸν ψάμμου θαλάσσης, 7 ἐπλήθυναν αἱ ἀνομίαι μου, 8κύριε, ἐπλήθυναν7 6, καὶ οὐκ εἰμὶ ἄξιος ἀτενίσαι καὶ ἰδεῖν τὸ ὕψος τοῦ οὐρανοῦ9 ἀπὸ πλήθους τῶν ἀδικιῶν μου10
1
Text und Verszählung nach RAHLFS, SVTG X, 362f. Fehlt u.a. in der Didaskalia. Der Alexandrinus ergänzt επουρανιε. 3 Didaskalia: „meiner Väter“. 4 Didaskalia: „vor deiner Macht“. 5 Fehlt in der Didaskalia. 6 In den griechischen Textzeugen wird der zum Verständnis des Zusammenhangs unverzichtbare folgende Teil ausgelassen (s. Übersetzung). 7 Fehlt in der Didaskalia. Der Alexandrinus stellt οτι voran. 8 Fehlt im Alexandrinus. 9 Syrische Textzeugen fügen einen Teilsatz ein (s. Übersetzung). 10 Auslassung in den griechischen Textzeugen (s. Übersetzung). 2
1. DIE 12. ODE
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1.3. ÜBERSETZUNG1 [1] Herr, Allmächtiger, (du) Gott unserer Väter, des Abraham und Isaak und Jakob, und ihrer gerechten Nachkommenschaft, [2] der (du) geschaffen2 hast den Himmel und die Erde samt ihrem3 ganzen Schmuck, [3] der (du) gefesselt hast das Meer durch das Wort deiner Anordnung, der (du) die Urflut4 verschlossen und dir5 versiegelt hast [durch deinen furchtbaren und ehrenwerten Namen, [4] (du), vor dem alles erschauert und erzittert ob deines mächtigen Antlitzes [5] – denn nicht aufzuhalten [ist] deine herrliche Erhabenheit, und unwiderstehlich [ist] dein wider Sünder drohender Zorn –, [6] unermesslich und unausforschlich [ist] dein zugesagtes Erbarmen! [7] Denn du, du bist (der) höchste Herr, mitleidig, langmütig und vielerbarmend und reumütig angesichts der Schlechtigkeiten der Menschen. {Und du, Herr, hast gemäß der Milde deiner Güte Vergebung verheißen denen, die umkehren von ihren Sünden, und in der Fülle deines Erbarmens hast du Buße gesetzt zur Rettung der Sünder.} [8] Du nun, Herr, (du) Gott der Gerechten, nicht hast du Gerechten Reue verordnet, dem Abraham und Isaak und Jakob, die nicht gesündigt haben gegen dich, sondern verordnet hast du Reue mir, dem Sünder, [9] denn ich habe gesündigt über die Zahl des Meeressandes hinaus, überhand genommen haben meine Unrechtstaten, Herr, überhand genommen haben sie, und nicht bin ich würdig, zu betrachten und zu sehen die Höhe des Himmels {und ich habe keinen Atem, mein Haupt zu heben} ob (der) Menge meiner Ungerechtigkeiten. {Und nun, Herr, werde ich gerechterweise niedergedrückt und gequält, wie ich es verdiene.}
1
Die über den Text der LXX hinausgehenden Stücke der Didaskalia stehen in geschweiften Klammern {}. Wörtlich: „gemacht“. Das griechische Verbum ποιεῖν gibt im schöpfungstheologischen Zusammenhang das hebräische Verbum ʠʸʡ wieder. Vgl. Gen 1,1 LXX/MT. 3 Das (pluralische) Possessivpronomen bezieht sich auf beides, „Himmel“ und „Erde“. 4 Das Substantiv ἄβυσσος ist z.B. in GenLXX 1,2 Wiedergabe von hebr. ʭ௴ʥʤ ʍˢ („Urflut“). Im Neuen Testament hat es mehrheitlich die Grundbedeutung „Abgrund“, allerdings im theologisch qualifizierten Sinne von „Unterwelt“ o.ä. Vgl. z.B. Lk 8,31 diff. Mk/Mt; Röm 10,7 (= PsLXX 106,26). 5 Das Partizip Medium soll hier offenbar ein persönliches Interesse ausdrücken. 2
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C.VI. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[10] 1 κατακαμπτόμενος πολλῷ δεσμῷ σιδήρου 2 εἰς τὸ ἀνανεῦσαί με ὑπὲρ ἁμαρτιῶν μου, καὶ οὐκ ἔστιν μοι ἄνεσις2, 3 διότι παρώργισα τὸν θυμόν σου καὶ τὸ πονηρὸν ἐνώπιόν σου ἐποίησα3 στήσας βδελύγματα καὶ πληθύνας προσοχθίσματα. [11] καὶ νῦν κλίνω γόνυ καρδίας4 δεόμενος τῆς παρὰ σοῦ χρηστότητος [12] Ἡμάρτηκα, κύριε, ἡμάρτηκα καὶ τὰς ἀνομίας μου ἐγὼ γινώσκω. [13] αἰτοῦμαι δεόμενός σου Ἄνες μοι, κύριε, ἄνες μοι5, μὴ συναπολέσῃς με ταῖς ἀνομίαις μου μηδὲ εἰς τὸν αἰῶνα μηνίσας τηρήσῃς τὰ κακά μοι μηδὲ καταδικάσῃς με ἐν τοῖς κατωτάτοις τῆς γῆς. ὅτι σὺ εἶ, κύριε, ὁ θεὸς τῶν μετανοούντων, [14] καὶ ἐν ἐμοὶ δείξῃς τὴν ἀγαθωσύνην σου· ὅτι ἀνάξιον ὄντα σώσεις με κατὰ τὸ πολὺ ἔλεός σου, [15] καὶ αἰνέσω σε διὰ παντὸς ἐν ταῖς ἡμέραις6 τῆς ζωῆς μου. ὅτι σὲ ὑμνεῖ πᾶσα ἡ δύναμις τῶν οὐρανῶν, καὶ σοῦ ἐστιν ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας. αμην.
1
Erweiterung in syrischen Versionen (s. Übersetzung). ConstAp und syrische Zeugen haben einen anderen Text (s. Übersetzung). 3 Die syrischen Zeugen vertauschen die beiden Teilverse. 4 Viele Versionen haben das Possessivpronomen der 1. Pers. Sg. 5 In der Didaskalia fehlt die Wiederholung. 6 Viele Versionen erweitern: „an allen Tagen“. 2
1. DIE 12. ODE
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[10] {Siehe, ich bin gefangen.} Dabei [bin] ich niedergebeugt durch eine mächtige Eisenfessel, 1 auf dass ich den Kopf schüttle2 über meine Sünden, und nicht habe ich eine Lockerung [der Fessel],1 denn ich habe gereizt deinen Ingrimm, und das vor dir Böse habe ich getan, als ich Scheusale aufgestellt und Abscheulichkeiten angehäuft habe. [11] Doch jetzt beuge ich (das) Knie (des) Herzens, erflehend die von dir [stammende] Güte: [12] Gesündigt habe ich, Herr, gesündigt habe ich, und meine Unrechtstaten – ich erkenne sie. [13] Ich bitte und3 flehe dich an: Vergib mir, Herr, vergib mir!4 Vernichte mich nicht zusammen mit meinen Unrechtstaten, und nicht in die Ewigkeit fortwährend zürnend bewahre das Schlechte mir auf, und nicht verurteile mich in den untersten [Örtern]5 der Erde. Denn du, du bist, Herr, der Gott der Reumütigen, [14] und an mir mögest du erzeigen deine Güte, dass du mich, obwohl ich unwürdig bin, retten wirst gemäß deinem großen Erbarmen, [15] und ich werde dich lobpreisen immerfort in meinen Lebenstagen. Denn dir lobsingt alle Macht der Himmel, und dein ist die Herrlichkeit in die Ewigkeiten. Amen.
1
ConstAp und syrische Zeugen haben abweichenden Text: „so dass ich meinen Kopf nicht heben kann und nicht wert bin, meine Augen zu erheben und zu sehen und zu schauen die Höhe des Himmels wegen der Menge der Sünden meiner Verbrechen.“ 2 Das Kopfschütteln (ἀνανεύειν) gilt auch hier als Zeichen der Verneinung. 3 Das Partizip wird hier beiordnend wiedergegeben. 4 Wörtlich: „Lass mir nach (sc. die Schuld).“ Derselbe Wortstamm wie in V. 10 (ἄνεσις). 5 Zu ergänzen ist τόποις. Gemeint ist damit das Totenreich in der Unterwelt. Vgl. Tob 13,2.
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
VII. SAPIENTIA SALOMONIS (WEISHEIT [SALOMOS])
Mehrheitlich setzen die Kommentatorinnen und Kommentatoren die Entstehung der Sapientia Salomonis im ersten vorchristlichen Jahrhundert in Alexandrien an.1 Man geht i.d.R. von einer griechischen Originalfassung2 der als Lehr- und Mahnrede (λόγος προτρεπτικός) bezeichneten Weisheitsschrift aus. Passagen in der ersten Person wollen Salomo als Autor nahelegen.3 Doch schon für Hieronymus war die Fiktion der Zuschreibung deutlich.4 Statt von Sapientia Salomonis sprach man daher einfach vom Liber Sapientiae. In der Septuaginta hat das Buch unter den Weisheitsschriften seinen festen Platz, wenngleich die Einordnung variiert.5 Unter den Übersetzungen schätzt E. Kautzsch die Bedeutung der armenischen Fassung (5. Jh.)6 höher ein als die der altlateinischen und der syrischen Versionen.7 Einigkeit herrscht über die Dreigliedrigkeit des Buches, wobei es hinsichtlich der Abgrenzung der einzelnen Einheiten zu Verschiebungen kommt.8 In ihrem ersten Teil ist die Schrift poetisch gestaltet, von SapSal 12,19 an begegnet weitgehend Prosa. Inhaltlich spielen die Exodus- und die Wüstenerfahrung des Volkes Israel eine zentrale Rolle, wobei beides vor dem Hintergrund der eigenen Diasporasituation in Ägypten zu lesen ist.9 1 2
LATTKE, Salomoschriften I, 805, nennt das Ende des 1. Jh. v.Chr. Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 816; KAUTZSCH, in: APAT I, 476; DRIJVERS, Salomo/Salomoschriften III,
730. 3
Vgl. SapSal 12,6.18.22; 15,1–4; 18,8. Vgl. KAUTZSCH, in: APAT I, 476. 5 Vgl. LATTKE, Salomoschriften I, 805. Meist erscheint die Sapientia Salomonis an vierter Stelle nach dem Buch der Sprüche, des Predigers und dem Hohenlied. Den Abschluss bildet in der Regel das Sirach-Buch. Vgl. ENGEL, in: LXX.D, 1057. 6 Vgl. KAUTZSCH, in: APAT I, 480. 7 LATTKE, Salomoschriften I, 805, betont seinerseits die Bedeutung der altlateinischen gegenüber der altsyrischen Übersetzung. 8 EISSFELDT, Einleitung, 813; KAUTZSCH, in: APAT I, 478, fassen SapSal 1–5 zum ersten Teil der Schrift zusammen, während COLLINS, Weisheit/Weisheitsliteratur III, 505; DRIJVERS, Salomo/Salomoschriften III, 730; LATTKE, Salomoschriften I, 805; ENGEL, in: LXX.D, 1057, noch das sechste Kapitel hinzuzählen. Die erstgenannte Gruppe fasst Kap. 10–19 zum dritten und letzten Teil zusammen, während Letztere – bis auf H.J.W. Drijvers – das zehnte Kapitel dem mittleren Teil zuschlagen. 9 Vgl. COLLINS, Weisheit/Weisheitsliteratur III, 505. 4
VII. SAPIENTIA SALOMONIS
295
Die Weisheit erscheint personifiziert. Die von einer Hand verfasste Schrift1 nimmt wesentliche Elemente der zeitgenössischen Philosophie auf (Stoa, Mittelplatonismus usw.),2 dominierend bleibt jedoch ein eindeutig jüdisches Gepräge. Trotz diverser Parallelen insbesondere zum Römerbrief ist eine unmittelbare Kenntnis oder Benutzung der Weisheitsschrift durch Paulus nicht nachweisbar.3 Die Bitte um Weisheit durch den König Salomo (SapSal 8,21–9,19) bildet die positionelle und inhaltliche Mitte der Sapientia Salomonis.4 Seine Überlieferung verdankt das Buch Christen und Gnostikern. Der Kanon Muratori rechnet die Weisheitsschrift zum Neuen Testament.5
G riechischer Text ZIEGLER, J. (Hg.), Sapientia Salomonis (SVTG XII,1), Göttingen 21980. Syrischer Text EMERTON, J.A. (Hg.), The Peshitta of the Wisdom of Solomon (StPB 2), Leiden 1959. Armenischer Text TANIELIAN, A., Archbishop Nerses Lambronac‘i. Commentary on Wisdom of Solomon. Introduction, Translation, and Diplomatic Edition of the Armenian Text, New York 2007. Deutsche Übersetzungen GEORGI, D., Weisheit Salomos (JSHRZ III/4), Gütersloh 1980. HÜBNER, H., Die Weisheit Salomons. Liber Sapientiae Salomonis (ATD.A 4), Göttingen 1999. NESSELRATH, H.-G., ΣΟΦΙΑ ΣΑΛΩΜΩΝΟΣ. Die Weisheit Salomos, in: K.-W. Niebuhr (Hg.), Sapientia Salomonis (Weisheit Salomos), eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen (Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam REligionemque pertinentia 27), Tübingen 2015, 40–111.
1
Vgl. KAUTZSCH, in: APAT I, 479. Im Unterschied zur Stoa vertritt – bei allen Parallelen – der Autor der Sapientia das Bild eines transzendenten Schöpfergottes. Vgl. KAUTZSCH, in: APAT I, 477; COLLINS, Weisheit/Weisheitsliteratur III, 505. 3 Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 815; KAUTZSCH, in: APAT I, 479; LATTKE, Salomoschriften I, 806. 4 Die Mahnschrift zielt nach DRIJVERS, Salomo/Salomoschriften III, 730, darauf, „bei den Lesern oder Hörern Interesse für die Weisheit und ihre heilsame Rolle zu erwecken.“ 5 Vgl. LATTKE, Salomoschriften I, 805. 2
296
C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
Englische Übersetzungen KNIBB, M.A., Wisdom of Salomon, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 697–714 (= NETS). WINSTON, D., The Wisdom of Solomon. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 43), Garden City 1984 (= 1979). Französische Übersetzung LARCHER, C., Le Livre de la Sagesse ou la Sagesse de Salomon, 3 Bde. (EtB N.S. 1/3/5), Paris 1983/84/85. Literatur BLISCHKE, M.V., Die Eschatologie in der Sapientia Salomonis (FAT.2 26), Tübingen 2007. COLLINS, J.J., Jewish Wisdom in the Hellenistic Age (OTL), Louisville 1997. –, Art. Weisheit/Weisheitsliteratur III. Judentum, in: TRE 35 (2003), 497–508. DODSON, J.R., The ‘Powers’ of Personification. Rhetorical Purpose in the Book of Wisdom and the Letter to the Romans (BZNW 161), Berlin/New York 2008. DRIJVERS, H.J.W., Art. Salomo/Salomoschriften III. Sapientia Salomonis, Psalmen Salomos und Oden Salomos, in: TRE 29 (1998), 730–732. ENGEL, H., Das Buch der Weisheit (NSK.AT 16), Stuttgart 1998. HENTSCHEL, G. / ZENGER, E. (Hg.), Lehrerin der Gerechtigkeit. Studien zum Buch der Weisheit (EThS 19), Leipzig 1991. KEPPER, M., Hellenistische Bildung im Buch der Weisheit. Studien zur Sprachgestalt und Theologie der Sapientia Salomonis (BZAW 280), Berlin/New York 1999. LARCHER, C., Études sur le livre de la sagesse (EtB), Paris 1969. LATTKE, M., Art. Salomoschriften I. Weisheit Salomos, in: RGG4 7 (2004), 805f. LORENZEN, S., Das paulinische Eikon-Konzept. Semantische Analysen zur Sapientia Salomonis, zu Philo und den Paulusbriefen (WUNT II/250), Tübingen 2008. MCGLYNN, M., Divine judgement and divine benevolence in the Book of Wisdom (WUNT II/139), Tübingen 2001. NEHER, M., Wesen und Wirken der Weisheit in der Sapientia Salomonis (BZAW 333), Berlin/ New York 2004. PASSARO, A. / BELLIA, G. (Hg.), The Book of Wisdom in Modern Research. Studies on Tradition, Redaction, and Theology, with an Introduction by J.J. Collins (DCL.Y), Berlin/New York 2005. SCHMITT, A., Weisheit (NEB.AT 23), Würzburg 1989.
VII. SAPIENTIA SALOMONIS
297
SCHWENK-BRESSLER, U., Sapientia Salomonis als ein Beispiel frühjüdischer Textauslegung. Die Auslegung des Buches Genesis, Exodus 1–15 und Teilen der Wüstentradition in Sap 10–19 (BEAT 32), Frankfurt a.M. u.a. 1993.
298
C.VII. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1. Salomos Bittgebet um Weisheit (SapSal 8,21–9,19) 1.1. EINFÜHRUNG Nachdem König Salomo in SapSal 7f. Wesen und Wert der Weisheit beschrieben hat, betet er in Kap. 9 zu Gott, er möge ihm Weisheit verleihen. Auch wenn in der Sapientia Salomonis der Name Salomos nicht ausdrücklich erwähnt wird, lässt u.a. das Gebet im neunten Kapitel keinen Zweifel, dass Salomo als Urheber der Weisheitsschrift gedacht ist: Der Beter erwähnt seine Wahl durch Gott zum König und Richter des Volkes (V. 7) und spielt an auf den Bau des Tempels in Jerusalem (V. 8). Er erkennt von Beginn an, dass die Weisheit nichts ist, was er sich selbst erarbeiten oder verdienen kann oder was in seiner Verfügungsgewalt steht (SapSal 8,21). Die Erkenntnis, dass allein Gott Weisheit verleiht, ist selbst bereits Ergebnis der Weisheit.1 Es entsteht ein bemerkenswerter Kreis: Der Beter bittet um etwas, worum er nur bitten kann, weil er es schon hat. Nach den programmatischen Vorbemerkungen im Schlussvers des achten Kapitels beginnt Salomo sein eigentliches Gebet in Kap. 9 mit der Anrufung Gottes als des barmherzigen Herrn und Schöpfers, der alles durch sein Wort geschaffen hat. Als Instrument der Schöpfung erscheint in V. 1 das „Wort“ (λόγος), nicht die Tora oder die Weisheit. Letztere wird personifiziert. Sie tritt auf als Beisitzerin der Throne Gottes (V. 4) und als präexistente Beobachterin und Kennerin der Schöpfung (V. 9). Salomo bedarf ihrer als Lehrerin (V. 11), Mitarbeiterin (V. 10) und Retterin (V. 18). Ohne ihre Hilfe vermag der Mensch als armseliger Sterblicher den Willen Gottes nicht zu erfassen (V. 13f.; vgl. V. 5f.).2 Der Beter betont dabei nicht seine eigenen Interessen, sondern er bittet um Sendung der Weisheit um zu wissen, was vor Gott wohlgefällig ist (V. 10). Sein Bestreben ist es, ein guter Regent zu werden (V. 12). Bezogen auf die Schöpfung war bereits zu Beginn des Gebets davon die Rede, dass der Mensch der Weisheit bedarf, um seinen Auftrag auszuführen, Geschöpfe und Welt zu regieren (V. 2f.). Bemerkenswert ist das Zurücktreten der Tora als Lehrerin dessen, was Recht ist (vgl. Mi 6,8). V. 17 nennt die Weisheit parallel zum heiligen Geist (τὸ ἅγιον πνεῦμα, vgl. 7,22).
1
SapSal 8,21 spricht von φρόνησις („vernünftige Einsicht“), die erkennen lässt, dass Gott der Urheber der Weisheit ist. 2 In seiner Hochschätzung der Weisheit (vgl. V. 6) erinnert das Gebet formal an das „Hohelied der Liebe“ in 1 Kor 13.
300
C.VII. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [8,21] γνοὺς δὲ ὅτι οὐκ ἄλλως ἔσομαι ἐγκρατής, ἐὰν μὴ ὁ θεὸς δῷ, καὶ τοῦτο δ᾿ ἦν φρονήσεως τὸ εἰδέναι τίνος ἡ χάρις, ἐνέτυχον τῷ κυρίῳ καὶ ἐδεήθην αὐτοῦ καὶ εἶπον ἐξ ὅλης τῆς καρδίας μου [9,1] Θεὲ πατέρων καὶ κύριε τοῦ ἐλέους ὁ ποιήσας τὰ πάντα ἐν λόγῳ σου [2] καὶ τῇ σοφίᾳ σου κατασκευάσας ἄνθρωπον, ἵνα δεσπόζῃ τῶν ὑπὸ σοῦ γενομένων κτισμάτων [3] καὶ διέπῃ τὸν κόσμον ἐν ὁσιότητι καὶ δικαιοσύνῃ καὶ ἐν εὐθύτητι ψυχῆς κρίσιν κρίνῃ, [4] δός μοι τὴν τῶν σῶν θρόνων πάρεδρον σοφίαν καὶ μή με ἀποδοκιμάσῃς ἐκ παίδων σου. [5] ὅτι ἐγὼ δοῦλος σὸς καὶ υἱὸς τῆς παιδίσκης σου, ἄνθρωπος ἀσθενὴς καὶ ὀλιγοχρόνιος καὶ ἐλάσσων ἐν συνέσει κρίσεως καὶ νόμων· [6] κἂν γάρ τις ᾖ τέλειος ἐν υἱοῖς ἀνθρώπων, τῆς ἀπὸ σοῦ σοφίας ἀπούσης εἰς οὐδὲν λογισθήσεται. [7] σύ με προείλω βασιλέα λαοῦ σου καὶ δικαστὴν υἱῶν σου καὶ θυγατέρων· [8] εἶπας οἰκοδομῆσαι ναὸν ἐν ὄρει ἁγίῳ σου [καὶ ἐν πόλει κατασκηνώσεώς σου θυσιαστήριον, μίμημα σκηνῆς ἁγίας, ἣν προητοίμασας ἀπ᾿ ἀρχῆς. [9] καὶ μετὰ σοῦ ἡ σοφία ἡ εἰδυῖα τὰ ἔργα σου [καὶ παροῦσα, ὅτε ἐποίεις τὸν κόσμον, [καὶ ἐπισταμένη τί ἀρεστὸν ἐν ὀφθαλμοῖς σου καὶ τί εὐθὲς ἐν ἐντολαῖς σου.
1
Text und Verszählung nach ZIEGLER, SVTG XII,1, 122–125.
1. SALOMOS BITTGEBET UM WEISHEIT (SAPSAL 8,21–9,19)
301
1.3. ÜBERSETZUNG [8,21] Als ich aber erkannte, dass ich nicht anders [der Weisheit] mächtig sein würde, wo nicht Gott [sie] schenkt – und das gehörte ja zu vernünftiger Einsicht1 zu wissen, wessen Gabe [sie ist] –, (da) wandte ich mich an den Herrn und flehte ihn an, und ich sprach aus meinem ganzem Herzen: [9,1] Vätergott und Herr des Erbarmens, der (du) geschaffen hast2 das All durch dein Wort [2] und mittels deiner Weisheit bereitet hast (den) Menschen, damit er gebiete über die von dir gemachten Geschöpfe3 [3] und die Welt leite in Frömmigkeit und Gerechtigkeit und in Geradheit (der) Seele Recht spreche4, [4] gib mir die (bei) deinen Thronen dabeisitzende Weisheit, und verwirf mich nicht aus (dem Kreis) deiner Knechte. [5] Denn ich, ich [bin] dein Sklave und (der) Sohn deiner Magd, ein schwacher und kurzlebiger Mensch und zu gering in Sachen Verständnis von Recht(sprechung) und Gesetzen; [6] denn selbst wenn einer vollkommen wäre unter (den) Menschenkindern – wenn die von dir [kommende] Weisheit fehlt, wird er für nichts gelten. [7] Du, du hast mich erwählt als König deines Volkes und als Richter deiner Söhne und Töchter; [8] du hast angewiesen5, einen Tempel zu erbauen auf deinem heiligen Berg [und in (der) Stadt deiner Einwohnung einen Brandopferaltar, eine Nachahmung (der) heiligen Wohnstätte, die du vorbereitet hattest seit Anbeginn [der Welt]. [9] Und mit dir zusammen [ist] die Weisheit, die deine Werke kennt [und dabei war, als du die Welt schufst, [und weiß, was angenehm [ist] in deinen Augen und was recht [ist] vor deinen Geboten.
1
Der Genitiv ist als partitiver Genitiv aufzufassen (oder als Genitiv des Bereichs); φρόνησις ist hier Synonym zu σοϕία bzw. kennzeichnet eine Art Vorstufe oder Teilsumme der σοϕία. 2 Schon GenLXX 1,1 gibt ʠʸʡ mit ποιεῖν wieder. 3 Wörtlich: „die von dir entstandenen/gewordenen Geschöpfe“. KAUTZSCH, in: APAT I, 492, führt als Parallele Gen 1,26ff. an. 4 Figura etymologica. 5 Wörtlich: „du hast gesagt…“. Mit folgendem (finalen) Infinitiv gewinnt das Verb imperativischen Sinn.
302
C.VII. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[10] ἐξαπόστειλον αὐτὴν ἐξ ἁγίων οὐρανῶν καὶ ἀπὸ θρόνου δόξης σου πέμψον αὐτήν, ἵνα συμπαροῦσά μοι κοπιάσῃ, καὶ γνῶ τί εὐάρεστόν ἐστιν παρὰ σοί. [11] οἶδεν γὰρ ἐκείνη πάντα καὶ συνίει καὶ ὁδηγήσει με ἐν ταῖς πράξεσίν μου σωφρόνως καὶ φυλάξει με ἐν τῇ δόξῃ αὐτῆς· [12] καὶ ἔσται προσδεκτὰ τὰ ἔργα μου, καὶ διακρινῶ τὸν λαόν σου δικαίως καὶ ἔσομαι ἄξιος θρόνων πατρός μου. [13] τίς γὰρ ἄνθρωπος γνώσεται βουλὴν θεοῦ; ἢ τίς ἐνθυμηθήσεται τί θέλει ὁ κύριος; [14] λογισμοὶ γὰρ θνητῶν δειλοί, καὶ ἐπισφαλεῖς αἱ ἐπίνοιαι ἡμῶν· [15] φθαρτὸν γὰρ σῶμα βαρύνει ψυχήν, καὶ βρίθει τὸ γεῶδες σκῆνος νοῦν πολυφρόντιδα. [16] καὶ μόλις εἰκάζομεν τὰ ἐπὶ γῆς καὶ τὰ ἐν χερσὶν εὑρίσκομεν μετὰ πόνου· τὰ δὲ ἐν οὐρανοῖς τίς ἐξιχνίασεν; [17] βουλὴν δέ σου τίς ἔγνω, εἰ μὴ σὺ ἔδωκας σοφίαν καὶ ἔπεμψας τὸ ἅγιόν σου πνεῦμα ἀπὸ ὑψίστων; [18] καὶ οὕτως διωρθώθησαν αἱ τρίβοι τῶν ἐπὶ γῆς, καὶ τὰ ἀρεστά σου ἐδιδάχθησαν ἄνθρωποι, καὶ τῇ σοφίᾳ ἐσώθησαν.
1. SALOMOS BITTGEBET UM WEISHEIT (SAPSAL 8,21–9,19)
303
[10] Sende sie (= die Weisheit) aus aus (dem) himmlischen Heiligtum1, und von deinem herrlichen Thron herab schicke sie, dass sie, mit mir seiend, sich eifrig einsetze, und (damit) ich weiß, was wohlgefällig ist vor dir. [11] Es weiß jene nämlich alles und versteht (es), und leiten wird sie mich in meinen Handlungen in verständiger Weise, und bewahren wird sie mich durch ihre Herrlichkeit. [12] Und es werden annehmbar sein meine Werke, und richten werde ich dein Volk in gerechter Weise, und ich werde würdig sein der Throne meines Vaters. [13] Denn welcher Mensch wird erkennen den Ratschluss Gottes? Oder wer wird erwägen, was der Herr will? [14] Denn (die) Überlegungen Sterblicher [sind] jämmerlich, und trügerisch [sind] unsere Vorstellungen; [15] denn ein vergänglicher Leib beschwert (die) Seele, und es drückt nieder die irdische Behausung2 (den) viel denkenden Verstand. [16] Und kaum erraten wir das auf Erden, und das Handgreifliche (= Vordergründige) finden wir (nur) mit Mühe; das aber in (den) Himmeln – wer hat es aufgespürt?3 [17] Deinen Ratschluss aber – wer hat ihn erkannt, wenn nicht du Weisheit gegeben und geschickt hast deinen heiligen Geist von (den) höchsten [Örtern]4 herab? [18] Und auf diese Weise wurden begradigt die Pfade derer auf Erden, und in Bezug auf das dir Wohlgefällige wurden unterrichtet (die) Menschen, und mittels der Weisheit wurden sie gerettet.
1 Oder: „aus (den) heiligen Himmeln“. Fasst man ἅγια auf als Terminus technicus für den dem „Allerheiligsten“ (ἅγια ἁγίων) vorgelagerten Tempelbezirk des „Heiligen“ (vgl. Hebr 9,2f.) und οὐρανῶν als adjektivisch zu verstehendes Genitivattribut, dann ergibt sich die o.g. Übersetzung. 2 KAUTZSCH, in: APAT I, 493, führt als Parallele Ijob 4,19 an. Vom Leib als irdischer und vergänglicher Behausung sprechen auch 2 Kor 5,1.4; 2 Petr 1,13f., doch findet sich dort jedenfalls kein Leib-Seele-Dualismus. 3 KAUTZSCH, in: APAT I, 493, führt als Parallele Joh 3,12 an. 4 Zu ergänzen ist τόπων.
304
C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
VIII. JESUS SIRACH / ECCLESIASTICUS
Bis zu den Funden in der Kairoer Geniza 1896 war der Text des hebräischen Originals unbekannt. Übersetzungen bieten die Septuaginta, die Vulgata (= Vetus Latina) und die syrische Peschitta. Durch die Textfunde von Qumran und Masada sind etwa 68% des hebräischen Textes bekannt.1 Es lassen sich zwei hebräische Texttraditionen unterscheiden. Die Masada- und Qumran-Fragmente (H I) stehen der Sprache des Alten Testaments näher als die der Geniza (H II). Welche Fassung als die ältere zu gelten hat, ist umstritten. Die beiden griechischen Textströme (G I + G II) folgen je einer der hebräischen Vorlagen. G II ist nicht vollständig erhalten. Die Vetus Latina geht auf H II zurück. In der Septuaginta sind Sir 30,25–33,16a und Sir 33,16b–36,16a vertauscht. Die von einem Enkel Sirachs2 verfasste griechische Übersetzung (G I) ist bestrebt, den Inhalt der Vorlage getreu wiederzugeben. Die sprachliche Wiedergabe ist z.T. recht frei und kann nicht zur Rekonstruktion eines Urtextes herangezogen werden. Die Übersetzung des Enkels ist im Prolog datiert und demzufolge nach 132 v.Chr. in Ägypten entstanden. Sirach selbst blickt noch nicht auf die Makkabäerkriege zurück; in 50,1–24 preist er den Hohenpriester Simon b. Jochanan (ca. 220–195). Als Entstehungszeit legen sich die Jahre um 190 v.Chr. nahe. Sirachs Position im Kontext von Judentum und Hellenismus und insbesondere sein Verhältnis zu letzterem ist umstritten.3 Der Verfasser der Weisheitsschrift ist in der jüdischen Tradition verwurzelt. Er steht den neuen Strömungen offen und zugleich kritisch gegenüber und versucht, ihm wertvoll erscheinende hellenistische Erkenntnisse theologisch zu integrieren. Seine Haltung gegenüber dem Tempelkult macht eine Nähe Sirachs zu zadokidischen Kreisen wahrscheinlich. Bei dem Sirachbuch handelt es sich um eine religiöse Erziehungsschrift. Es möchte vermitteln, dass Tora, Tempelkult und Weisheit eine Einheit bilden. Der Weise gilt als Ideal. Alle Weisheit ist eingebettet in die Gottesfurcht, die in der Erfüllung der Tora und 1
Das hier besprochene Gebet fehlt in den erhaltenen Fragmenten des hebräischen Urtextes. Der Enkel selbst spricht in seinem Prolog von seinem „Großvater Jesus“ (V. 7). Zu den in der Überlieferung begegnenden unterschiedlichen Namen des Autors vgl. SAUER, JSHRZ III/5, 483f. 3 Die grundlegenden Positionen in dieser Frage werden vertreten von MIDDENDORP, Die Stellung Jesu Ben Siras zwischen Judentum und Hellenismus; HENGEL, Ben Sira und der Hellenismus; KIEWELER, Ben Sira zwischen Judentum und Hellenismus. 2
VIII. JESUS SIRACH / ECCLESIASTICUS
305
vor allem im Gebet ihren Ausdruck findet. Eine tragende Rolle spielt Sirachs Ethik der Verantwortung. Guten Werken kann sühnende Funktion zukommen. Die Authentizität einzelner Passagen ist umstritten. Für die Gebete in 36,1–22 und 51 erwägt Th. Middendorp1 eine makkabäische Bearbeitung. Die Variationsbreite an Gattungen und angesprochenen Themen hat eine konsensfähige Gliederung bisher unmöglich gemacht. Die Vielfalt des Sirachbuches spiegelt sich nicht zuletzt in seinen Gebeten: Steht noch im Gebet in 22,27–23,6 das Individuum im Mittelpunkt, so weitet sich im Klagelied in Sir 36,1–172 der Blickwinkel auf das ganze Volk. Auf den Hymnus auf Gott (39,12–35) folgen ein individueller Lobpreis der Schöpfung, in der Gottes Größe offenbar wird (42,15–43,33),3 und ein Lobpreis der Gemeinde als Antwort auf den Priestersegen (50,22–24).4 Eigentlich ist das Buch mit 50,29 zu Ende, doch wird in 51,1–12 noch ein persönliches Gebet des Verfassers angehängt.5
H ebräischer Text BEENTJES, P.C., The Book of Ben Sira in Hebrew. A Text Edition of All Extant Hebrew Manuscripts and a Synopsis of All Parallel Hebrew Ben Sira Texts (VT.S 68), Leiden u.a. 1997. Griechischer Text ZIEGLER, J. (Hg.), Sapientia Iesu Filii Sirach (SVTG XII,2), Göttingen 21980. Deutsche Übersetzung SAUER, G., Jesus Sirach (Ben Sira) (JSHRZ III/5), Gütersloh 1981. Englische Übersetzungen CRENSHAW, J.L., The Book of Sirach. Introduction, Commentary, and Reflections, in: L.E. Keck u.a. (Hg.)., The New Interpreter’s Bible, Bd. 5: Introduction to Wisdom Literature. Proverbs. Ecclesiastes. Song of Songs. Book of Wisdom. Sirach (NIB 5), Nashville 1997, 601–867. 1
Vgl. MIDDENDORP, Stellung, 125. Vgl. MARBÖCK, Gebet. 3 Vgl. SAUER, Hintergrund. 4 Letzteren verwendet Martin Rinckart als Libretto für sein Lied „Nun danket alle Gott“. 5 Vgl. GERMANN, Dankgebet; DI LELLA, Poetic Structure. In der Genizahandschrift B ist das Gebet um 15 Verse erweitert. Die Ergänzung hat den Charakter einer Litanei. BECKER, in: LXX.D, 1162, Anm. zu 51,12a, spricht diesbezüglich von 16 Halbversen und erwägt eine Herkunft aus Qumran. 2
306
C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
WRIGHT, B.G., Sirach, in: A. Pietersma / ders. (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/ New York 2007, 715–762 (= NETS). Französische Übersetzung SPICQ, C., L’Ecclésiastique, traduit et commenté, in: L. Pirot / A. Clamer (Hg.), La Sainte Bible, Bd. 6: Proverbes. Ecclésiaste. Cantique des cantiques. Sagesse. Ecclésiastique (SB[PC] 6), Paris 1951, 529–841. Literatur DI LELLA, A.A., Sirach 51,1–12, Poetic Structure and Analysis of Ben Sira’s Psalm, in: CBQ 48 (1986), 395–407. GERMANN, H., Jesus ben Siras Dankgebet und die Hodajoth, in: ThZ 19 (1963), 81–87. HENGEL, M., Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jh.s v.Chr. (WUNT 10), Tübingen 31988, 241– 275. –, Ben Sira und der Hellenismus [Rezension zu Th. Middendorp, Die Stellung Jesu Ben Siras zwischen Judentum und Hellenismus, 1973] [1974], in: ders., Judaica et Hellenistica. Kleine Schriften I (WUNT 90), Tübingen 1996, 252–257. KIEWELER, H.V., Ben Sira zwischen Judentum und Hellenismus. Eine Auseinandersetzung mit Th. Middendorp (BEAT 30), Frankfurt a. M. u.a. 1992. MARBÖCK, J., Das Gebet um die Rettung Zions in Sir 36,1–22 (G: 33,1–13a; 36,16b–22) im Zusammenhang der Geschichtsschau Ben Siras [1977], in: ders., Gottes Weisheit unter uns. Zur Theologie des Buches Sirach, hg. von I. Fischer (HBS 6), Freiburg i.Br. u.a. 1995, 149–166. –, Art. Sirach/Sirachbuch, in: TRE 31 (2000), 307–317. MIDDENDORP, TH., Die Stellung Jesu Ben Siras zwischen Judentum und Hellenismus, Leiden 1973. PETERS, N., Das Buch Jesus Sirach oder Ecclesiasticus (EHAT 25), Münster i.W. 1913. RÜGER, H.-P., Art. Apokryphen I. Apokryphen des Alten Testaments, in: TRE 3 (1978), 305f. 314f. SAUER, G., Jesus Sirach / Ben Sira (ATD.A 1), Göttingen 2000. –, Studien zu Ben Sira, redigiert und mit einem Vorwort versehen von S. Kreuzer (BZAW 440), Berlin/Boston 2013.
VIII. JESUS SIRACH / ECCLESIASTICUS
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1. Bitte an Gott um Zügelung der Zunge (Sir 22,27–23,6) 1.1. EINFÜHRUNG Die Kapitelgrenze verläuft zwischen 22,27 und 23,1. In den Septuaginta-Ausgaben von A. Rahlfs und J. Ziegler (SVTG) sind die Verse Sir 22,27–23,6 typographisch als Einheit gekennzeichnet. Demgegenüber spricht für eine Abgrenzung des eigentlichen Gebets von 23,1–6 die dann am Anfang stehende Anrufung Gottes als Vater (23,1).1 Wird Sir 22,27 demgemäß dem vorangehenden Kontext zugeschlagen, erscheint das Gebet als Neuansatz und als Einheit für sich. Der Einführung wird die erweiterte Form des Gebets zugrunde gelegt, um den Lesern und Leserinnen ein eigenes Urteil zu ermöglichen. Mit 23,7f. beginnt ein neuer Abschnitt, der aber zugleich an 22,26f. anknüpft. Die genannten Verse benennen parallel das Inzuchtnehmen (φυλάσσειν) von Mund (στόμα) und Lippen (χεῖλος). Es ist vorstellbar, dass das Gebet in einen bestehenden Kontext eingefügt wurde. Als semantische Anknüpfungspunkte kommen die Aoristformen von πίπτειν in 22,27b und 23,1b in Frage. Als Argument für die Zugehörigkeit von Sir 22,27 zum eigentlichen Gebetstext lassen sich die ansonsten offenen Bezüge in 23,1 anführen: Was ist mit „ihrem Willen“ und dem „Zu-Fall-Kommen durch sie“ gemeint? Sind es Mund, Lippen und Zunge (22,27) oder die erst im übernächsten Vers erwähnten Gegner und Feinde (23,3)?2 Hinzu kommt die Parallelität der (rhetorischen) Fragen nach dem, der dem Betenden beistehen wird (22,27 und 23,2). Unterschiedlich wird in 23,2 die letzte Verbalform des Verses (παρῇ) bestimmt. Grammatikalisch ist eine Ableitung sowohl von παρίημι („unterlassen, nachlassen“) als auch von πάρειμι („gegenwärtig sein“; vgl. παρῇ in Spr 1,27) möglich. Der Beter scheint zwischen sich selbst und seinen Gedanken (23,2), Begierden (23,5) und – wenn 22,27 dem Corpus des Gebets hinzugerechnet wird – auch Mund, Lippen und Zunge zu differenzieren. Sie erscheinen als von seiner Person losgelöst, als seien sie nicht seinem eigenen Willen unterworfen. Ohne Gottes Beistand droht er ihnen ausgeliefert zu werden und durch sie zu Fall zu kommen (22,27; 23,1.3.6). Unabhängig von syntaktischen oder semantischen Zuordnungen ist die Absicht des Beters eindeutig: Er bittet Gott nicht um Verschonung, sondern um Züchtigung des ihn ansonsten beherrschenden Teils seiner selbst. Das persönliche Gebet Sir 22,27–23,6 (vgl. Spr 30,7–9) hat innerhalb der Weisheitsliteratur keine Vorläufer.
1
Die Bezeichnung Gottes als „Vater“ bieten innerhalb der Sirach-Gebete Sir 23,1.4; 51,10. PETERS, Das Buch Jesus Sirach, 184, plädiert nicht zuletzt aufgrund seiner Überlegungen zum Metrum dafür, den mittleren der drei Teilverse von 23,1 hinter die Anrufung von 23,4 zu platzieren. 2
308
C.VIII. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [22,27] Τίς δώσει ἐπὶ στόμα μου φυλακὴν καὶ ἐπὶ τῶν χειλέων μου σφραγῖδα πανοῦργον, ἵνα μὴ πέσω ἀπ᾿ αὐτῶν καὶ ἡ γλῶσσά μου ἀπολέσῃ με; [23,1] κύριε πάτερ καὶ δέσποτα ζωῆς μου, μὴ ἐγκαταλίπῃς με ἐν βουλῇ αὐτῶν, καὶ μὴ ἀφῇς με πεσεῖν ἐν αὐτοῖς. [2] τίς ἐπιστήσει ἐπὶ τοῦ διανοήματός μου μάστιγας καὶ ἐπὶ τῆς καρδίας μου παιδείαν σοφίας, ἵνα ἐπὶ τοῖς ἀγνοήμασίν μου μὴ φείσωνται καὶ οὐ μὴ παρῇ τὰ ἁμαρτήματα αὐτῶν, [3] ὅπως μὴ πληθυνθῶσιν αἱ ἄγνοιαί μου καὶ αἱ ἁμαρτίαι μου πλεονάσωσιν καὶ πεσοῦμαι ἔναντι τῶν ὑπεναντίων καὶ ἐπιχαρεῖταί μοι ὁ ἐχθρός μου, 2 ὧν μακράν ἐστιν ἡ ἐλπὶς τοῦ ἐλέους σου;2 [4] κύριε πάτερ καὶ θεὲ ζωῆς μου, μετεωρισμὸν ὀφθαλμῶν μὴ δῷς μοι [5] καὶ ἐπιθυμίαν ἀπόστρεψον ἀπ᾿ ἐμοῦ· [6] κοιλίας ὄρεξις καὶ συνουσιασμὸς μὴ καταλαβέτωσάν με, καὶ ψυχῇ ἀναιδεῖ μὴ παραδῷς με.
1 2
Text und Verszählung nach ZIEGLER, SVTG XII,2, 230f. Dieser Versteil ist nur in der Handschrift L’-672 enthalten.
1. BITTE AN GOTT UM ZÜGELUNG DER ZUNGE (SIR 22,27–23,6)
309
1.3. ÜBERSETZUNG [22,27] Wer wird geben an meinen Mund eine Wache und auf meine Lippen ein vollwirksames Siegel, damit ich nicht zu Fall komme von ihnen her und meine Zunge mich (nicht) verderbe? [23,1] Herr, Vater und Gebieter meines Lebens, überlass mich nicht ihrem Willen und lass mich nicht zu Fall kommen durch sie. [2] Wer wird anbringen über meinem Denken Zuchtruten und über meinem Herzen (die) Zucht (der) Weisheit, damit sie bei meinen Irrtümern nicht schonen und nimmermehr [ungestraft] vorübergehen deren Verfehlungen, [3] damit nicht vermehrt werden meine Unwissenheiten und meine Sünden sich nicht häufen und ich fallen werde vor den Gegnern und sich freuen wird über mich mein Feind, 1 von denen weit weg ist die Hoffnung auf dein Erbarmen?1 [4] Herr, Vater und Gott meines Lebens, Stolz (der) Augen gib mir nicht, [5] und Begierde wende ab von mir; [6] sexuelle Begierde und Leidenschaft2 sollen mich nicht ergreifen, und ruchlosem Gemüt3 gib mich nicht preis!
1
Dieser Versteil ist nur in der Handschrift L’-672 enthalten. Wörtlich: „des Bauches Streben (Appetit) und Lüsternheit (oder Beischlaf)“. Der „Bauch“ (κοιλία) gilt als Sitz der Geschlechtsorgane, das Substantiv συνουσιασμός ist auch terminus technicus für den „Beischlaf“. Die sexuellen Konnotationen sind eindeutig. 3 Oder „Seele“ (ψυχή). 2
310
C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
IX. PSALMEN SALOMOS
Die in keiner einzigen antiken Bibelhandschrift enthaltenen,1 ursprünglich wohl auf Hebräisch verfassten „Psalmen Salomos“ sind lediglich in elf griechischen und fünf syrischen Handschriften aus dem Mittelalter erhalten. Bei letzteren handelt es sich vermutlich um Übersetzungen griechischer Versionen.2 Die z.T. unbeholfen wirkende griechische Fassung gab Anlass, den ursprünglichen Sinn der 18 Psalmen durch Rückübersetzungen ins Hebräische zu erschließen.3 Der poetische Stil der hebräischen Dichtung ist in weiten Teilen verloren gegangen. Unterscheiden lassen sich Klage-4 und Dankpsalmen5 sowie Hymnen.6 Die im Folgenden gebotene Übersetzung des 13. Psalms orientiert sich am erhaltenen griechischen Text. Die Überschriften der einzelnen Psalmen sind aufgrund ihres Inhalts formuliert und nachträglich vorangestellt worden (vgl. PsSal 2–4.8f.11.16).7 Die Berührungspunkte mit der bekannten qumranischen Psalmenliteratur sind marginal.8 1 Kön 5,12 bot die Basis für die Zuschreibung der Kunstdichtung an Salomo.9 In einigen syrischen Manuskripten bilden die 18 PsSal die Fortsetzung der Oden Salomos. Wegen Anspielungen auf die Eroberung des Tempels durch Pompejus (63 v.Chr.; PsSal 8 und 17) und dessen Tod (48 v.Chr.; PsSal 2) gilt eine vorherodianische Entstehung in Judäa als wahrscheinlich.10 Verschiedentlich diskutiert wurde eine pharisäische Prägung.11 Ob es sich bei den 18 PsSal um das Werk eines einzigen Verfassers handelt, ist 1
A. Rahlfs übernahm die PsSal trotzdem in seine Septuaginta-Ausgabe, notiert dort allerdings: „Ps. Sal. ab antiquis Ueteris Testamenti codicibus absunt“ (LXX.RH, Bd. 2, 471). Vgl. LATTKE, Salomoschriften II, 806. Folgerichtig bemerkt STEINS, in: LXX.D, 915: „In Anbetracht der schwachen Überlieferung ließe sich aber auch erwägen, sie [sc. die PsSal] ganz aus der Septuaginta auszuklammern.“ 2 Vgl. DRIJVERS, Salomo/Salomoschriften III, 730. 3 Vgl. FRANKENBERG, Datierung, 66–97. 4 PsSal 4f.; 7–9; 12; 17. 5 PsSal 2; 13; 15f. 6 PsSal 3; 6; 10f.; 14; 18. PsSal 17 und 18 besingen den Messias, den Sohn Davids. 7 Vgl. HOLM-NIELSEN, JSHRZ IV/2, 58. 8 Vgl. HOLM-NIELSEN, JSHRZ IV/2, 57f. Bezeichnenderweise wurden unter den Texten aus Qumran keinerlei Fragmente der PsSal gefunden. 9 Vgl. die dem König Salomo zugeschriebenen Bücher der Weisheit, der Sprüche und der Oden. 10 Vgl. LATTKE, Salomoschriften II, 806. Bar 4,36–5,9 setzt PsSal 11,2–7 in Griechisch voraus. 11 Vgl. LATTKE, Salomoschriften II, 807, der allerdings einschränkt: „Seit Qumran wird bezweifelt, ob die PsSal nur repräsentativ sind für Frömmigkeit und Theol. von Pharisäern.“
IX. PSALMEN SALOMOS
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umstritten.1 S. Holm-Nielsen, der die PsSal trotz fehlender Evidenz (s.o.) der Septuaginta zurechnet, postuliert als ursprünglichen „Sitz im Leben“ den gottesdienstlichen Gebrauch, womöglich in Alexandrien.2 Jedenfalls gerieten die PsSal in Vergessenheit und wurden erst Anfang des 17. Jh. wieder entdeckt.3 Theologischer Leitgedanke der PsSal ist die Gerechtigkeit: zum einen die Gerechtigkeit Gottes4 und das Leiden des Gerechten, zum anderen das Verhältnis zwischen Gerechten (Frommen) und Ungerechten. Als Gegner des Psalmdichters lassen sich die Sadduzäer, das hasmonäische Herrscherhaus sowie der römische Feldherr Pompejus ausmachen. Letzterer wurde zunächst als Straf-Instrument Gottes begrüßt (vgl. PsSal 8).
G riechischer Text SWETE, H.B., The Old Testament in Greek According to the Septuagint, Bd. 3: Hosea – 4 Maccabees. Psalms of Solomon, Enoch, The Odes, Cambridge 41930 (= 1912). Deutsche Übersetzung HOLM-NIELSEN, S., Die Psalmen Salomos (JSHRZ IV/2), Gütersloh 1977. Englische Übersetzungen ATKINSON, K., Psalms of Salomon, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 763–776 (= NETS). WRIGHT, R.B., Psalms of Solomon. A Critical Edition of the Greek Text (Jewish and Christian texts in contexts and related studies 1), New York/London 2007.
1 HOLM-NIELSEN, JSHRZ IV/2, 58f., hält verschiedene Autoren für wahrscheinlich. Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 830. DRIJVERS, Salomo/Salomoschriften III, 731, charakterisiert die PsSal als „aus einem Guß“. 2 Vgl. HOLM-NIELSEN, JSHRZ IV/2, 59. Zum gottesdienstlichen Gebrauch vgl. auch KITTEL, in: APAT II, 129f. 3 Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 827. 4 HOLM-NIELSEN, JSHRZ IV/2, 56: „Die PsSal liegen ganz auf der Linie der Vergeltungslehre, und wenn dieses Dogma nicht immer mit der Wirklichkeit übereinzustimmen scheint, tröstet man sich mit dem Gedanken an die strafende und erziehende Züchtigung Gottes.“ Vgl. KITTEL, in: APAT II, 129.
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
Französische Übersetzung VITEAU, J., Les Psaumes de Salomon. Introduction, texte grec et traduction, avec les principales variantes de la version syriaque par F. Martin (Documents pour l’étude de la Bible. Apocryphes de l’Ancien Testament 4), Paris 1911. Rückübersetzung ins Hebräische FRANKENBERG, W., Die Datierung der Psalmen Salomos. Ein Beitrag zur jüdischen Geschichte (BZAW 1), Gießen 1896, 66–97. Literatur BRAUN, H., Vom Erbarmen Gottes über den Gerechten. Zur Theologie der Psalmen Salomos, in: ZNW 43 (1950/51), 1–54. DRIJVERS, H.J.W., Art. Salomo/Salomoschriften III. Sapientia Salomonis, Psalmen Salomos und Oden Salomos, in: TRE 29 (1998), 730–732. EISSFELDT, O., Einleitung in das Alte Testament unter Einschluß der Apokryphen und Pseudepigraphen sowie der apokryphen- und pseudepigraphenartigen Qumrān-Schriften. Entstehungsgeschichte des Alten Testaments (NTG), Tübingen 41976 (= 31964), 826–831. FRANKENBERG, W., Die Datierung der Psalmen Salomos. Ein Beitrag zur jüdischen Geschichte (BZAW 1), Gießen 1896. HOLM-NIELSEN, S., Erwägungen zu dem Verhältnis zwischen den Hodajot und den Psalmen Salomos, in: S. Wagner (Hg.), Bibel und Qumran, FS H. Bardtke, Berlin 1968, 112–131. KITTEL, R., Die Psalmen Salomos, in: E. Kautzsch (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 2: Die Pseudepigraphen des Alten Testaments, Darmstadt 1962 (= Tübingen u.a. 1900), 127–148 (= APAT II). LATTKE, M., Art. Salomoschriften II. Psalmen Salomos, in: RGG4 7 (2004), 806–808. O’DELL, J., The religious Background of the Psalms of Solomon, in: RdQ 3 (1961), 241–257. SCHÜPPHAUS, J., Die Psalmen Salomos. Ein Zeugnis Jerusalemer Theologie und Frömmigkeit in der Mitte des vorchristlichen Jahrhunderts (ALGHJ 7), Leiden 1977. WRIGHT, R.B., The Psalms of Solomon, the Pharisees, and the Essenes, in: R.A. Kraft (Hg.), 1972 Proceedings of the International Organization for Septuagint and Cognate Studies and the Society of Biblical Studies Pseudepigrapha Seminar (SCSt 2), Missoula 1972, 136–154.
IX. PSALMEN SALOMOS
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1. Salomos Gebet um Bewahrung der Gerechten (PsSal 13,1–12) 1.1. EINFÜHRUNG PsSal 13 trägt die Überschrift: „Trost der Gerechten“. Der Eingangsteil des Psalms ist als Danklied1 gestaltet (V. 1–3).2 Der Psalm bietet eine Erklärung des Handelns Gottes an den Menschen. Der Beter ist einerseits von der Gerechtigkeit Gottes überzeugt, auf der anderen Seite erlebt er, dass Gerechte wie Ungerechte zu leiden haben. Als historischer Hintergrund ist die Belagerung Jerusalems durch Pompejus denkbar, die alle Einwohner gleichermaßen betraf.3 Hier differenziert der Psalmdichter: Leid, das den Ungerechten überkommt, dient seiner Bestrafung und Vernichtung. Demgegenüber geschieht Leid, das der Gerechte erduldet, zu dessen Züchtigung bzw. Erziehung. Es wird zugestanden, dass auch der Gerechte4 nicht frei von Verfehlungen ist. Seine Sünden sind durch die Züchtigungen aber abgetan. Er ist zum ewigen Leben bestimmt (V. 9.11), während die Ungerechten der ewigen Verdammnis anheim fallen (V. 10). Wer von Züchtigungen betroffen ist, ohne den Grund zu kennen, der wird wegen unbewusst begangener Sünden bestraft (V. 7; vgl. PsSal 3,8). Mit der differenzierenden Bewertung der Ereignisse, die Gerechte wie Ungerechte in gleicher Weise betreffen, wird die Maxime der Gerechtigkeit Gottes und seines gerechten Handelns aufrechterhalten. Insofern kommt die Bezeichnung des Psalms als „Trost der Gerechten“ zu ihrem Recht: Das strafende Tun Gottes dient den Gerechten zum Heil, den Ungerechten zum Unheil. S. Holm-Nielsen spricht im Blick auf PsSal 13 wie auch im Blick auf PsSal 8 und 10 von der Entwicklung einer Theodizee, „in der die gerechten Urteile Gottes gepriesen werden“.5
1
Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 827. Zu PsSal 13,1 vgl. Ps 98,1; SapSal 5,16. 3 Vgl. KITTEL, in: APAT II, 142. In Spannung zu dieser konkreten historischen Verortung steht die Erklärung in PsSal 13,8, die Züchtigung der Gerechten geschehe im Verborgenen, damit sie nicht zum Gespött würden – das Leid der Belagerung geschah jedoch vor aller Augen. 4 Vorausgesetzt wird, dass in PsSal 13,5 εὐσεβής anstelle von ἀσεβής zu lesen ist. 5 HOLM-NIELSEN, JSHRZ IV/2, 56. 2
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C.IX. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] [Τῷ Σαλωμὼν ψαλμός· παράκλησις τῶν δικαίων.] Δεξιὰ Κυρίου ἐσκέπασέν με, δεξιὰ Κυρίου ἐφείσατο ἡμῶν. [2] ὁ βραχίων Κυρίου ἔσωσεν ἡμᾶς ἀπὸ ῥομφαίας διαπορευομένης, ἀπὸ λιμοῦ καὶ θανάτου ἁμαρτωλῶν. [3] θηρία ἐπεδράμοσαν αὐτοῖς πονηρά· ἐν τοῖς ὀδοῦσιν αὐτῶν ἐτίλλοσαν σάρκας αὐτῶν, καὶ ἐν ταῖς μύλαις ἔθλων ὀστᾶ αὐτῶν· καὶ ἐκ τούτων ἁπάντων ἐρρύσατο ἡμᾶς Κύριος. [4] ἐταράχθη ὁ εὐσεβὴς2 διὰ τὰ παραπτώματα αὐτοῦ, μή ποτε συμπαραληφθῇ μετὰ τῶν ἁμαρτωλῶν. [5] ὅτι δεινὴ ἡ καταστροφὴ τοῦ ἁμαρτωλοῦ, καὶ οὐχ ἅψεται δικαίου οὐδὲν ἐκ πάντων τούτων. [6] ὅτι οὐχ ὁμοία ἡ παιδεία τῶν δικαίων ἐν ἀγνοίᾳ, καὶ ἡ καταστροφὴ τῶν ἁμαρτωλῶν· [7] ἐν περιστολῇ παιδεύεται δίκαιος, ἵνα μὴ ἐπιχαρῇ ὁ ἁμαρτωλὸς τῷ δικαίῳ· [8] ὅτι νουθετήσει δίκαιον ὡς υἱὸν ἀγαπήσεως, καὶ ἡ παιδεία αὐτοῦ ὡς πρωτοτόκου. [9] ὅτι φείσεται Κύριος τῶν ὁσίων αὐτοῦ, καὶ τὰ παραπτώματα αὐτῶν ἐξαλείψει ἐν παιδείᾳ. ἡ γὰρ ζωὴ τῶν δικαίων εἰς τὸν αἰῶνα· [10] ἁμαρτωλοὶ δὲ ἀρθήσονται εἰς ἀπώλειαν, καὶ οὐχ εὑρεθήσεται μνημόσυνον αὐτῶν ἔτι. [11] ἐπὶ δὲ τοὺς ὁσίους τὸ ἔλεος Κυρίου, καὶ ἐπὶ τοὺς φοβουμένους αὐτὸν τὸ ἔλεος αὐτοῦ.
1
Text und Verszählung nach SWETE, The Old Testament in Greek, Bd. 3, 779f. Die Handschriften bieten ἀσεβής. Wellhausen, Gebhardt, Rahlfs u.a. konjizieren εὐσεβής. Vgl. HOLMNIELSEN, JSHRZ IV/2, 87. 2
1. SALOMOS GEBET UM BEWAHRUNG DER GERECHTEN (PSSAL 13,1–12)
1.3. ÜBERSETZUNG [1] [Ein Psalm Salomos: Trost der Gerechten.] (Die) Rechte (des) Herrn hat mich beschirmt, (die) Rechte (des) Herrn hat uns geschont. [2] Der Arm (des) Herrn hat uns errettet von durchmarschierendem Schwert, von Hungersnot und Tod von Sündern. [3] Böse wilde Tiere sind über sie hergefallen, mit ihren Zähnen haben sie deren Leiber zerfleischt, und mit den Mahlzähnen1 zermalmten sie deren Gebeine; doch vor diesem allen hat uns (der) Herr bewahrt.2 [4] Erschreckt wurde der Fromme wegen seiner Fehltritte, damit er nicht etwa zusammengefasst werde mit den Sündern. [5] Denn furchtbar ist die Zerstörung des Sünders, doch nichts von diesem allen wird (je) einen Gerechten tangieren. [6] Denn nicht gleich [ist] die Zucht der Gerechten, [wenn sie] unwissentlich3 [sündigen], und die Zerstörung der Sünder. [7] Im Verborgenen wird ein Gerechter gezüchtigt, damit sich der Sünder nicht über ihn lustig macht. [8] Denn ermahnen wird er (d.h. der Herr) einen Gerechten wie einen geliebten Sohn4, und seine Zucht [ist] wie (die) eines Erstgeborenen. [9] Denn schonen wird (der) Herr seine Frommen, und ihre Fehltritte wird er wegwischen durch Zucht. Denn das Leben der Gerechten [währt] in die Ewigkeit, [10] (die) Sünder aber werden beseitigt werden in (die) Vernichtung und nie mehr wird man ihr Andenken finden.5 [11] Über die Frommen aber [kommt] das Erbarmen (des) Herrn und über die ihn Fürchtenden sein Erbarmen.
1
Wörtlich: „mit ihren Mühlen“. Möglich ist auch die Übersetzung: „aus dem allen hat uns (der) Herr errettet“. 3 Wörtlich: „in Unwissenheit“. 4 Wörtlich: „wie einen Sohn des Liebens“. 5 Hier findet sich offenbar der Gedanke der annihilatio. Vgl. 1 Thess 4,13b; 5,3.9a. 2
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
X. ERSTER BARUCH
Das Buch Baruch wird in der Septuaginta in der Regel zwischen dem Propheten Jeremia und den Klageliedern positioniert. Dabei handelt es sich um die erste einer Reihe von Baruchschriften.1 Als zweites und drittes Buch gelten die syrische und die griechische Baruch-Apokalypse. Die Paralipomena Jeremiae werden als Vierter Baruch gezählt. O.H. Steck gliedert die apokryphe Baruchschrift in vier Teile. Auf die einleitenden Verse (1,1–15a) folgt in 1,15b–3,8 ein Buß- und Bittgebet,2 an das sich als dritter Teil (3,9–4,4) eine Mahnung an Israel zur Rückkehr zum Gesetz anschließt.3 Der Schlussabschnitt (4,5–5,9) enthält Verheißungen.4 Lange Zeit wurde mit einer separaten Entstehung der einzelnen Hauptteile gerechnet,5 doch wird in jüngerer Zeit „mehr und mehr die Einheitlichkeit der Schrift vertreten.“6 Das Baruchbuch ist ausschließlich auf Griechisch erhalten, doch dürfte zumindest dem Gebet in 1,15–2,35 ein hebräisches Original zugrunde liegen.7 Der Stil der sich anschließenden Passagen wird als poetisch klassifiziert.8 A.H.J. Gunneweg spricht von einem schönen „Dokument hellenistisch-jüdischer Gemeindefrömmigkeit, das, wie es die einleitende Erzählung verlangt, liturgisch verwendet worden ist.“9 Ihm zufolge dienen die Gebetsverse in 3,1–8 der redaktionellen Verklammerung des zweiten und dritten Hauptteils.10 1 Baruch war als in Jer 32,12ff.; 36,43.45 genannter Gefährte und Schreiber des Propheten Jeremia geradezu prädestiniert für die Zuschreibung von Texten, die sich auf das babylonische Exil bezogen. 2 EISSFELDT, Einleitung, 803, nennt es in stilistischer Hinsicht ein Volksklagelied. 3 Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 803: Das Gesetz ist gleichbedeutend mit der Weisheit und damit Quelle des Glücks. 4 Vgl. STECK, Baruchschriften I, 1144. 5 So z.B. ROTHSTEIN, in: APAT I, 213f.; GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 168. 6 So STEINHILBER, Fürbitte, 130, unter Hinweis auf J.A. Goldstein und O.H. Steck. 7 STECK, Baruchschriften I, 1144: „Originalsprache ist wohl für alle Teile Hebr.“ Vgl. ROTHSTEIN, in: APAT I, 215. Dagegen hält GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 170, es für gesichert, „daß Bar als Ganzes ein griechisches Werk ist.“ 8 Vgl. GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 167. 9 GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 170. 10 Vgl. GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 168: „Dieses Stück ist nicht, wie meist angenommen wird, ursprünglicher Bestandteil des 1,15 beginnenden Bußgebetes, sondern eine auf 1,15–2,35 und 3,9–4,4 hin komponierte Verklammerung dieser beiden Teile. Dem entspricht es, daß sich 3,1–8 sprachlich von seiner Umgebung unterscheidet“.
X. ERSTER BARUCH
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Die zeitliche Ansetzung schwankt zwischen der beginnenden Makkabäerzeit1 und der zweiten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts.2 Die Baruchschrift setzt Teile des Gebets aus Dan 9 voraus (vgl. Bar 1,15–2,19 mit Dan 9,15–19)3 und diente wiederum selbst als Vorlage für die Psalmen Salomos (vgl. PsSal 11,2–7 mit Bar 5,5–9). Laut eigener Darstellung verfasste Baruch sein Werk in Babylon, von wo aus es zur Verlesung in festlichen Kontexten nach Jerusalem (1,14) gesandt wurde.4 Vor dem Hintergrund der Zerstörung Jerusalems und des Tempels mahnt das Buch zur Umkehr zum Gesetz, das wiederum mit der Weisheit gleichzusetzen ist.5
G riechischer Text ZIEGLER, J. (Hg.), Jeremias. Baruch. Threni. Epistula Jeremiae (SVTG XV), Göttingen/Bristol 4 2013. Deutsche Übersetzung GUNNEWEG, A.H.J., Das Buch Baruch (JSHRZ III/2), Gütersloh 1975, 165–181. Englische Übersetzungen MICHAEL, T.S.L., Barouch, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 925–931 (= NETS). TOV, E., The Book of Baruch, also Called I Baruch (Greek and Hebrew), edited, reconstructed and translated (SBLTT 8 / PsES 6), Missoula 1975. Französische Übersetzung GELIN, A., Le livre de Baruch, in: SB(J), Nouvelle édition revue et corrigée, Paris 2000, 1467– 1475.
1
Vgl. STECK, Baruchschriften I, 1144. Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 803. 3 Nach EISSFELDT, Einleitung, 803, handelt es sich beim Baruchbuch um eine erweiterte Rezension von Dan 9,4–19. Für Bar 2,20–3,8 konstatiert GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 167, eine Abhängigkeit vom Deuteronomium. 4 Vgl. GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 170. 5 Vgl. GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 167: Bar 3,9–4,4; vgl. Spr 1–9; Ijob 28; Sir 24. 2
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
Literatur EISSFELDT, O., Einleitung in das Alte Testament unter Einschluß der Apokryphen und Pseudepigraphen sowie der apokryphen- und pseudepigraphenartigen Qumrān-Schriften. Entstehungsgeschichte des Alten Testaments (NTG), Tübingen 41976 (= 31964), 802–805. GOLDSTEIN, J.A., The Apocryphal Book of I Baruch, in: PAAJR 46/47 (1979/80), 179–199. MALLAU, H.H., Art. Baruch/Baruchschriften, in: TRE 5 (1980), 269–276. ROTHSTEIN, W., Das Buch Baruch, in: E. Kautzsch (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 1: Die Apokryphen des Alten Testaments, Darmstadt 1962 (= Tübingen u.a. 1900), 213–225 (= APAT I). STECK, O.H., Das apokryphe Baruchbuch. Studien zu Rezeption und Konzentration „kanonischer“ Überlieferung (FRLANT 160), Göttingen 1993. –, Art. Baruchschriften I. Erster Baruch, in: RGG4 1 (1998), 1144. –, Das Buch Baruch, in: ders. / R.G. Kratz / I. Kottsieper, Das Buch Baruch. Der Brief des Jeremia. Zusätze zu Ester und Daniel (ATD.A 5), Göttingen 1998, 9–68. STEINHILBER, M.G., Die Fürbitte für die Herrschenden im Alten Testament, Frühjudentum und Urchristentum. Eine traditionsgeschichtliche Studie (WMANT 128), Neukirchen-Vluyn 2010. TOV, E., The Septuagint Translation of Jeremiah and Baruch. A Discussion of an Early Revision of the LXX of Jeremiah 29–52 and Baruch 1:1–3:8 (HSM 8), Missoula 1976. WAMBACQ, B.N., L’unité littéraire de Baruch I–III,8, in: BETL 22 (1959), 455–460.
X. ERSTER BARUCH
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1. Baruchs Bussgebet für Israel (Bar 3,1–8) 1.1. EINFÜHRUNG A.H.J. Gunneweg versteht das Gebet in Bar 3,1–8 als Brücke zwischen dem Bußgebet in 1,15–2,35 und dem sich anschließenden Hymnus auf die Weisheit (= Gesetz).1 Er behandelt Bar 3,1–8 als separat formuliertes Gebet.2 Für die Uneinheitlichkeit des Abschnittes Bar 1,15–3,8 wird u.a. die Spannung zwischen dem „Gebet der Toten“3 in Bar 3,4 und der in 2,17 noch nicht erkennbaren Auferstehungshoffnung in Anschlag gebracht.4 Darüber hinaus ist das hier behandelte Gebet (Bar 3,1–8) geprägt durch sprachliche Originalität: Ohne Parallele sind die in V. 1 begegnende Gottesanrufung κύριε παντοκράτωρ ὁ θεὸς Ισραηλ (ebenso V. 4) und die ebenfalls in V. 1 zu findende Selbstbezeichnung des Beters als „Seele in Bedrängnissen“ (ψυχὴ ἐν στενοῖς) und „bekümmerter Geist“ (πνεῦμα ἀκηδιῶν).5 Die Wendung εἰς ὄφλησιν („zur Genugtuung“6, „zur Sündenschuld“7, „zum Verbüßen“8) in V. 8 bezeichnen W. Kraus und G. Gäbel als Neologismus,9 während A.H.J. Gunneweg erwägt, es könnte sich um eine Textverderbnis handeln,10 da der Terminus sich als drittes Glied nicht ohne Weiteres in eine Reihe mit „Schmach“ (ὀνειδισμός) und „Fluch“ (ἀρά) einfüge. Ein Charakteristikum des Gebets ist der Rekurs auf die „Sünden der Väter“. Damit sind hier nicht die Erzväter gemeint, sondern die Vorfahren der Exilszeit. Den Verfehlungen dieser Vätergeneration wird die positive Wendung des gegenwärtigen Geschlechtes entgegengesetzt (V. 7). Der Verfasser des Gebets will erklären, warum diejenigen, die vor der Heimkehr aus dem Exil stehen und folglich nicht selbst für die Wegführung nach 1 Vgl. GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 168: „Inhaltlich ist 3,1–8 eine kurze Zusammenfassung des vorangegangenen Bußgebetes. Der Überleitungscharakter des Abschnittes erhellt insbesondere aus dem Vergleich von 3,7f., wo nach den hoffnungsvollen Aussagen von 2,31–35 zur unheilvollen Exilssituation zurückgelenkt wird. […] Diese Verklammerung ist mehr als nur formal.“ Demgegenüber vermag EISSFELDT, Einleitung, 803, dem Gebet in 3,1–8 keine verbindende Funktion zuzuerkennen: „Die beiden Hauptteile, 1 15–3 8 einerseits und 3 9–5 9 anderseits, haben nichts miteinander zu tun, sondern stehen ganz unverbunden da und müssen so auch jeder aus sich heraus verstanden werden.“ Vgl. ROTHSTEIN, in: APAT I, 214. 2 Die hier präsentierte Behandlung der Verse als in sich geschlossener Einheit folgt Gunnewegs Bewertung. 3 So GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 175. STECK, Buch, 3, erkennt einen Hebraismus und übersetzt mit „Gebet der Sterbenden“. 4 Vgl. EISSFELDT, Einleitung, 804. 5 Vgl. GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 169. 6 Der hier verwendete Wortstamm bezeichnet i.d.R. eine (positive oder negative) moralische Verpflichtung oder Schuldigkeit, die abgeleistet werden muss. Vgl. Röm 1,14 (Paulus als ὀφειλέτης aller Menschen). 7 So KRAUS/GÄBEL, in: LXX.D, 1346 m. Anm. z.St. 8 So GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 175. 9 KRAUS/GÄBEL, in: LXX.D, 1346, Anm. z.St. 10 Vgl. GUNNEWEG, JSHRZ III/2, 175; ferner ROTHSTEIN, in: APAT I, 219.
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C.X. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
Babylon verantwortlich sind, trotzdem noch in der Verbannung zu leiden haben. Er versteht das gegenwärtige Leiden als Erblast: Die Kinder büßen für die Sünden der Väter. Die Verdienste der Erzväter werden nicht explizit erwähnt,1 stattdessen wird in V. 5, anklingend an Jes 56,5, auf die souveräne Macht Gottes und seinen heiligen Namen verwiesen (Hebräisch: Jad wa-Schem).
1 Der Bund Gottes mit den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob und die in Aussicht gestellte Rückkehr in das verheißene Land waren bereits am Ende des zweiten Kapitels thematisiert worden (Bar 2,34).
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C.X. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
1.2. GRIECHISCHER TEXT1 [1] κύριε παντοκράτωρ ὁ θεὸς Ισραηλ, ψυχὴ ἐν στενοῖς καὶ πνεῦμα ἀκηδιῶν κέκραγε πρὸς σέ. [2] ἄκουσον, κύριε, καὶ ἐλέησον, ὅτι ἡμάρτομεν ἐναντίον σου· [3] ὅτι σὺ καθήμενος τὸν αἰῶνα, καὶ ἡμεῖς ἀπολλύμενοι τὸν αἰῶνα. [4] κύριε παντοκράτωρ ὁ θεὸς Ισραηλ, ἄκουσον δὴ τῆς προσευχῆς τῶν τεθνηκότων Ισραηλ καὶ υἱῶν τῶν ἁμαρτανόντων ἐναντίον σου, οἳ οὐκ ἤκουσαν τῆς φωνῆς κυρίου θεοῦ αὐτῶν, καὶ ἐκολλήθη ἡμῖν τὰ κακά. [5] μὴ μνησθῇς ἀδικιῶν πατέρων ἡμῶν, ἀλλὰ μνήσθητι χειρός σου καὶ ὀνόματός σου ἐν τῷ καιρῷ τούτῳ· [6] ὅτι σὺ κύριος ὁ θεὸς ἡμῶν, καὶ αἰνέσομέν σε, κύριε. [7] ὅτι διὰ τοῦτο ἔδωκας τὸν φόβον σου ἐπὶ καρδίαν ἡμῶν τοῦ ἐπικαλεῖσθαι τὸ ὄνομά σου, καὶ αἰνέσομέν σε ἐν τῇ ἀποικίᾳ ἡμῶν, ὅτι ἀπεστρέψαμεν ἐπὶ καρδίαν ἡμῶν πᾶσαν ἀδικίαν πατέρων ἡμῶν [τῶν ἡμαρτηκότων ἐναντίον σου. [8] ἰδοὺ ἡμεῖς σήμερον ἐν τῇ ἀποικίᾳ ἡμῶν, οὗ διέσπειρας ἡμᾶς ἐκεῖ εἰς ὀνειδισμὸν καὶ εἰς ἀρὰν [καὶ εἰς ὄφλησιν κατὰ πάσας τὰς ἀδικίας πατέρων ἡμῶν, οἳ ἀπέστησαν ἀπὸ κυρίου θεοῦ ἡμῶν.
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Text und Verszählung nach ZIEGLER, SVTG XV, 458f.
1. BARUCHS BUSSGEBET FÜR ISRAEL (BAR 3,1–8)
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1.3. ÜBERSETZUNG [1] Herr, Allmächtiger, (du) Gott Israels, eine Seele in Bedrängnissen und ein Geist von Kümmernissen hat zu dir geschrien! [2] Höre, Herr, und erbarme dich, denn wir haben gesündigt vor dir. [3] Denn du [bist] thronend (in) die Ewigkeit, doch wir [sind] verloren (in) die Ewigkeit. [4] Herr, Allmächtiger, (du) Gott Israels, höre doch auf das Gebet der Toten1 Israels und (der) Söhne derer, die gesündigt haben vor dir, die nicht gehört haben auf die Stimme (des) Herrn, ihres Gottes, – und (jetzt) klebt an uns das Schlechte! [5] Gedenke nicht der Ungerechtigkeiten unserer Väter, sondern gedenke deiner Hand und deines Namens in diesem Augenblick. [6] Denn du [bist] (der) Herr, unser Gott, und wir werden dich lobpreisen, Herr. [7] Denn dazu hast du deine Furcht in unser Herz gegeben, auf dass dein Name angerufen werde, und wir werden dich lobpreisen in unserem Exil, denn abgewälzt haben wir auf unser Herz jegliche Ungerechtigkeit unserer Väter, [die gesündigt hatten vor dir. [8] Siehe, wir [sind] heute in unserem Exil, wohin du uns zerstreut hast zur Schmach und zum Fluch [und zur Genugtuung gemäß allen Ungerechtigkeiten unserer Väter, die abgefallen waren von (dem) Herrn, unserem Gott.
1 Unter Hinweis auf den „hebräischen Sprachhintergrund“ übersetzt STECK, Buch, 3: „Gebet der Sterbenden Israels“.
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C. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
XI. GRIECHISCHE ZUSÄTZE ZU DANIEL
Gegenüber dem masoretisch-hebräischen Text weist die Septuagintafassung des Danielbuches fünf Zusätze auf. Diese Zusätze umfassen quantitativ etwa die Hälfte der kanonischen Schrift. Die drei Erzählungen von Susanna, dem Betrug der Belpriester (Bel) sowie von Daniel und der Drachenschlange (Draco) sind dem Danielbuch als eigenständige Einheiten vorangestellt respektive angehängt. Dagegen sind das Bußgebet des Asarja und der sich anschließende Hymnus der drei Männer im Feuerofen zwischen DanMT 3,23 und 24 eingefügt. Sowohl für die Ergänzungen als auch für die Einschübe wird im Folgenden je ein Beispiel geboten. Weil in der Susanna-Erzählung Daniel als noch jugendlicher Richter eingeführt wird, ist diese in der rezipierten Fassung nach Theodotion dem Danielbuch vorangestellt, während die Erzählung von Bel und dem Drachen an das Ende des Prophetenbuches rückt.1 Thematik und formale Gestaltung der Einfügungen in Dan 3 lassen „auf verschiedenartige Herkunft der einzelnen Abschnitte schließen.“2 Die Einschübe wurden nicht erst mit Blick auf Dan 3 gestaltet, vielmehr wurden die bereits vorliegenden Texte integriert und entsprechend angepasst.3 Sowohl das Gebet des Asarja als auch der Hymnus der drei Männer im Feuerofen sind zusätzlich separat in den Oden überliefert, und zwar als Od 7 und 8. Die Septuaginta und die Version nach Theodotion divergieren in unterschiedlichem Maße. Das Gebet der Susanna wird hier komplett in beiden Fassungen geboten, während die Abweichungen im Asarja-Gebet inhaltlich kaum ins Gewicht fallen und es daher ausreicht, sie in den Fußnoten zu verzeichnen. Die Mehrzahl der Exegetinnen und Exegeten hält die Septuagintafassung für die ältere4, die durch Theodotion in den Hintergrund ge-
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Im Papyrus 967 sind Bel, Susanna und Draco dem Danieltext sämtlich angehängt. Vgl. LEBRAM, Daniel/ Danielbuch und Zusätze, 341. 2 KOCH, Dan I, 314. 3 Vgl. KOCH, Dan I, 330: „Festzuhalten ist sicher, daß die beiden Gesänge einst je für sich umgelaufen waren“. 4 Z.B. PLÖGER, JSHRZ I/1, 65; ENGEL, in: LXX.D, 1417f.; ROTHSTEIN, Zusätze, 172. Vgl. KOCH, Dan I, 315. Anders LEBRAM, Daniel/Danielbuch und Zusätze, 342.
XI. GRIECHISCHE ZUSÄTZE ZU DANIEL
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drängt wurde.1 Inwieweit semitische Quellen zugrunde lagen und ob es sich beim masoretisch-hebräischen Text um eine reduzierte Fassung handelt, wird diskutiert.2 Die Datierungen der Einschübe und Ergänzungen schwanken zwischen dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert3 und dem Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts.
G riechischer Text ZIEGLER, J. / MUNNICH, O. / FRAENKEL, D. (Hg.), Susanna. Daniel. Bel et Draco (SVTG XVI,2), Göttingen 21999. Deutsche Übersetzung PLÖGER, O., Zusätze zu Daniel (JSHRZ I/1), Gütersloh 1973, 63–87. KOCH, K. / RÖSEL, M., Polyglottensynopse zum Buch Daniel, Neukirchen-Vluyn 2000. Englische Übersetzungen MCLAY, R.T., Daniel, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/New York 2007, 991–1022 (= NETS). –, Sousanna, in: A. Pietersma / B.G. Wright (Hg.), A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included under That Title, Oxford/ New York 2007, 986–990 (= NETS). MOORE, C.A., Daniel, Esther, and Jeremiah. The Additions. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 44), Garden City 1977. Französische Übersetzung BOGAERT, P.-M., Daniel 3 LXX et son supplément grec, in: A.S. van der Woude (Hg.), The Book of Daniel in the Light of New Findings (BETL 106), Leuven 1993, 13–37. 1 PLÖGER, JSHRZ I/1, 66, nennt für die Übersetzung Theodotions die Dekade zwischen 180 und 190 n.Chr. 2 PLÖGER, JSHRZ I/1, 67. EISSFELDT, Einleitung, 799, hält die Einfügungen für die Übersetzung eines hebräischen Originals. Vgl. ROTHSTEIN, Zusätze, 174.178; LEBRAM, Daniel/Danielbuch und Zusätze, 341. ENGEL, in: LXX.D, 1423, hält die Frage einer hebräischen Vorlage für die Zusätze für nicht entscheidbar. Für eine aramäische Vorlage der Zusätze und von Draco (Chronik des Jerachmeel) plädiert KOCH, Daniel-Zusätze, 560. 3 So PLÖGER, JSHRZ I/1, 67, für die Erzählungen. LEBRAM, Daniel/Danielbuch und Zusätze, 344, spricht für die Vorläufer des Einschubs vom ersten vorchristlichen Jahrhundert. Vgl. ENGEL, in: LXX.D, 1417f.
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Literatur GASTER, M., The Unknown Aramaic Original of Theodotion’s Additions to the Book of Daniel [1894/95], in: ders., Studies and Texts in Folklore, Magic, Mediaeval Romance, Hebrew Apocrypha and Samaritan Archæology. With 14 Plates and 5 Illustrations, Bd. 1, New York 1971 (= 1928), 39–68. –, The Unknown Aramaic Original of Theodotion’s Additions to the Book of Daniel [1894, Aramäisch], in: ders., Studies and Texts in Folklore, Magic, Mediaeval Romance, Hebrew Apocrypha and Samaritan Archæology. With 14 Plates and 5 Illustrations, Bd. 3, New York 1971 (= 1928), 16–21. GRELOT, P., Les versions grecques de Daniel, in: Bib. 47 (1966), 381–402. KOCH, K., Deuterokanonische Zusätze zum Danielbuch. Entstehung und Textgeschichte, 2 Bde. (AOAT 38/1.2), Kevelaer/Neukirchen-Vluyn 1987. –, Art. Daniel-Zusätze, in: RGG4 2 (1999), 560. –, Daniel, Teilbd. 1: Dan 1–4 (BKAT 22/1), Neukirchen-Vluyn 2005. KOTTSIEPER, I., Zusätze zu Daniel, in: O.H. Steck / R.G. Kratz / ders., Das Buch Baruch. Der Brief des Jeremia. Zusätze zu Ester und Daniel (ATD.A 5), Göttingen 1998, 209–328. LEBRAM, J., Art. Daniel/Danielbuch und Zusätze, in: TRE 8 (1981), 325–349. MONTGOMERY, J.A., A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Daniel (ICC), Edinburgh 1964. MOORE, C.A., Daniel, Esther, and Jeremiah. The Additions. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 44), Garden City 1977. PLÖGER, O., Das Buch Daniel (KAT 18), Gütersloh 1965. ROTHSTEIN, W., Die Zusätze zu Daniel, in: E. Kautzsch (Hg.), Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 1: Die Apokryphen des Alten Testaments, Darmstadt 1962 (= Tübingen u.a. 1900), 172–193 (= APAT I). SCHÜPPHAUS, J., Das Verhältnis von LXX- und Theodotion-Text in den apokryphen Zusätzen zum Danielbuch, in: ZAW 83 (1971), 49–72.
XI. GRIECHISCHE ZUSÄTZE ZU DANIEL
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1. Susannas Bittgebet 1.1. EINFÜHRUNG Die Susanna-Novelle wird mehrheitlich am Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts verortet.1 In der Diskussion um die ursprüngliche Sprache spielt das so nur auf Griechisch mögliche Wortspiel bei der Überführung der beiden Ältesten in V. 54f. und V. 58f. eine wesentliche Rolle.2 Die Befürworter einer aramäischen Grundlage erkennen darin allerdings kein Ausschlusskriterium.3 Die Erzählung als solche könnte freilich auch als profane Novelle der Umwelt entstammen.4 Der Akzent liegt in der Septuaginta auf dem jugendlichen Richter Daniel, in der Fassung nach Theodotion dagegen auf der jungen, zu Unrecht beschuldigten Susanna.5 V. 5 legt eine kritische Haltung gegenüber der babylonischen Diaspora nahe.6 H. Engel versteht die LXX-Fassung als transparent für das durch die Hasmonäer vergewaltigte Israel.7 Im Kern stimmt das ursprüngliche Susannagebet in beiden Versionen überein. Während in der LXX-Fassung Susannas Gebet als Selbstgespräch dargestellt wird, rahmt Theodotion die Klage der jungen Frau, indem er die laute Stimme am Ende aufgreift und Gott als Erhörer dieser Stimme schildert. Quantitativ umfasst die Version nach Theodotion gegenüber dem LXX-Text drei weitere Passagen. In V. 42a wird Gott als der beschrieben, der die verborgenen Dinge kennt, und in V. 43a betont Susanna die Falschheit der Anklage und spricht von ihrem bevorstehenden Tod. Alle drei Zusätze fügen dem Gebet nichts im eigentlichen Sinne Neues bei. Die jeweils sich anschließenden Teilverse (42b.43b) sagen oder intendieren dasselbe. Das Gebet als Ganzes lässt die Angeklagte zu Wort kommen und verleiht ihr in einem Prozess eine Stimme, der in der geschilderten Form auch ohne ihre Aussage hätte stattfinden können.
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Vgl. ROTHSTEIN, Zusätze, 178; PLÖGER, JSHRZ I/1, 67; ENGEL, in: LXX.D, 1417. Vgl. PLÖGER, JSHRZ I/1, 67. 3 Vgl. ROTHSTEIN, Zusätze, 174; LEBRAM, Daniel/Danielbuch und Zusätze, 342f.; KOCH, Daniel-Zusätze, 560. 4 Vgl. PLÖGER, JSHRZ I/1, 67; EISSFELDT, Einleitung, 799. 5 Vgl. PLÖGER, JSHRZ I/1, 77. 6 Vgl. LEBRAM, Daniel/Danielbuch und Zusätze, 342. 7 Vgl. ENGEL, in: LXX.D, 1418. Die 100 Jahre später angesetzte Theodotion-Version biete dagegen in einer Zeit, in der Israel nicht mehr von Juden regiert wurde, eine erbauliche Lehr- und Beispielerzählung und glätte Stil und Inhalt (ebd.). 2
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Die beiden Gebetsfassungen charakterisieren Susanna auf ganz unterschiedliche Weise. Bei Theodotion fügt sich Susanna ihrem Schicksal nicht. Die junge Frau wird zwar juristisch mundtot gemacht, doch ihr Gebet wird zur äußeren Form, die es ihr ermöglicht, vernehmbar für alle ihr Kurzplädoyer zu Gott zu schreien. Sie benennt das ihr widerfahrende Unrecht und wird selbst zur öffentlichen Anklägerin ihrer Verleumder. Dagegen schildert die Septuaginta Susanna als schicksalsergeben. Ihr Gebet dringt nicht an die Öffentlichkeit. Die Verdienste Daniels als ihres Retters werden dadurch stärker akzentuiert.
Literatur BAUMGARTNER, W., Susanna. Die Geschichte einer Legende [1927], in: ders., Zum Alten Testament und seiner Umwelt. Ausgewählte Aufsätze, Leiden 1959, 42–66. ENGEL, H., Die Susanna-Erzählung. Einleitung, Übersetzung und Kommentar zum SeptuagintaText und zur Theodotion-Bearbeitung (OBO 61), Freiburg Schweiz/Göttingen 1985. GEISSEN, A. (Hg.), Der Septuaginta-Text des Buches Daniel Kap. 5–12, zusammen mit Susanna, Bel et Draco sowie Esther Kap. 1, 1a–2,15. Nach dem Kölner Teil des Papyrus 967 (PTA 5), Bonn 1968. HELLER, B., Die Susannaerzählung: ein Märchen, in: ZAW 54 (1936), 281–287.
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1.2. GRIECHISCHER TEXT1 Theodotion [35] ἡ δὲ κλαίουσα ἀνέβλεψεν εἰς τὸν οὐρανόν, ὅτι ἦν ἡ καρδία αὐτῆς πεποιθυῖα ἐπὶ τῷ κυρίῳ. […] [42] ἀνεβόησε δὲ φωνῇ μεγάλῃ Σουσαννα καὶ εἶπεν Ὁ θεὸς ὁ αἰώνιος ὁ τῶν κρυπτῶν γνώστης ὁ εἰδὼς τὰ πάντα πρὶν γενέσεως αὐτῶν, [43] σὺ ἐπίστασαι ὅτι ψευδῆ μου κατεμαρτύρησαν· καὶ ἰδοὺ ἀποθνῄσκω μὴ ποιήσασα μηδὲν ὧν οὗτοι ἐπονηρεύσαντο κατ᾿ ἐμοῦ. [44] Καὶ εἰσήκουσεν κύριος τῆς φωνῆς αὐτῆς. Septuaginta [35] ἡ δὲ καρδία αὐτῆς ἐπεποίθει ἐπὶ κυρίῳ τῷ θεῷ αὐτῆς, καὶ ἀνακύψασα ἔκλαυσεν ἐν ἑαυτῇ λέγουσα [35a] Κύριε ὁ θεὸς ὁ αἰώνιος ὁ εἰδὼς τὰ πάντα πρὶν γενέσεως αὐτῶν, σὺ οἶδας ὅτι οὐκ ἐποίησα ἃ πονηρεύονται οἱ ἄνθρωποι οὗτοι ἐπ᾿ ἐμοί. καὶ εἰσήκουσε κύριος τῆς δεήσεως αὐτῆς.
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Text und Verszählung nach ZIEGLER, SVTG XVI,2, 224–229.
1. SUSANNAS BITTGEBET
1.3. ÜBERSETZUNG Theodotion [35] Die Weinende aber blickte empor gen Himmel, denn es war ihr Herz vertrauend auf den Herrn. […] [42] Es schrie aber auf mit lauter Stimme Susanna und sprach: (Du) ewiger Gott, (du) Kenner der verborgenen [Dinge], der du alle [Dinge] weißt vor ihrem Eintreffen, [43] du, du verstehst, dass falsch sie mich verklagt haben, und siehe, ich sterbe, obwohl ich nichts von dem getan habe, was diese Schändliches angedichtet haben wider mich. [44] Da erhörte (der) Herr ihre Stimme. Septuaginta [35] Ihr Herz aber vertraute auf (den) Herrn, ihren Gott. Und aufgerichtet, brach sie in Schluchzen aus, wobei sie bei sich selbst sprach: [35a] Herr, (du) ewiger Gott, der (du) weißt alle [Dinge] vor ihrem Eintreffen, du, du weißt, dass ich nicht getan habe, was diese Menschen Schändliches andichten gegen mich. Da erhörte (der) Herr ihr Flehen.
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2. Asarjas (Abdenagos) Bekenntnisgebet im Feuerofen 2.1. EINFÜHRUNG Der Übergang von Dan 3,23 zu 3,24 im masoretisch-hebräischen Text wird häufig als Bruch oder Textlücke empfunden.1 Gefüllt wurde diese vermeintliche Lücke durch die Einfügung des Bußgebets des Asarja und des Hymnus der drei Männer.2 Es wird deshalb vermutet, ursprünglich hätten die Verse 49f. an der Stelle der Lücke gestanden,3 sie seien aber als vermeintlich genuiner Bestandteil von Asarjagebet und Hymnus aus dem masoretisch-hebräischen Text entfernt worden.4 Der Form nach handelt es sich bei dem Asarjagebet um ein „in Wir-Form gehaltenes Volksklagelied“5 angesichts der Sünden des Volkes.6 Der Inhalt des Gebetstextes macht es unwahrscheinlich, dass der Text für seinen jetzigen Ort formuliert wurde.7 Ein Bußgebet, das die Rechtmäßigkeit der Strafe aufgrund der begangenen Sünden betont, erscheint im Munde gerade derer, die Gott treu geblieben sind, als Fremdkörper.8 K. Koch macht sich in jüngerer Zeit dafür stark, dass die mittelalterliche Chronik des Jerachmeel in einer variierten, dem Targum-Aramäischen angepassten Fassung9 eine Originalfassung des Asarjagebets bewahrt hat.10 In der aramäischen Jerachmeel-Fassung erscheint die Aussage von V. 39f. noch intensiviert. Hier ist nicht von einem (u.U. metaphorisch zu deutenden) „Opfer“ unschuldi1
Vgl. PLÖGER, JSHRZ I/1, 67. Während nach Theodotion nur Asarja das Bußgebet (V. 26–45) spricht, sind es in der LXX-Fassung alle drei Männer. 3 Vgl. ROTHSTEIN, Zusätze, 175; PLÖGER, JSHRZ I/1, 68. 4 Vgl. ROTHSTEIN, Zusätze, 176. 5 EISSFELDT, Einleitung, 799. Vgl. die typischen Volksklagelieder in Dan 9,4–19; Esra 9,6–15; Neh 9,(5–) 32–37; Tob 3,2–6; 1 Bar 1,15–3,8 usw. 6 Vgl. KOCH, Daniel-Zusätze, 560: „Das einleitende Gebet Asarjas gibt ein Klagelied des Volkes wieder, das vermutlich während der Religionsverfolgung unter Antiochus IV. Epiphanes entstanden war.“ Der Abfall des Volkes wird als Ursache des Unheils verstanden. Vgl. DERS., Dan I, 333f. 7 KOCH, Dan I, 330, rechnet mit drei Entwicklungsstufen: Nach der Danielerzählung seien zunächst der Hymnus und dann erst das Bußgebet entstanden. 8 Vgl. PLÖGER, JSHRZ I/1, 69: „Man empfand aber wohl das Bedürfnis, das Eingreifen Gottes und seine Errettung aus der Not durch ein vorangestelltes Bußgebet der von der Not Betroffenen deutlicher zu motivieren. Das mag der nur vom Lobgesang herkommende Anlaß zur Einschaltung dieses Gebetes gewesen sein.“ Vgl. ROTHSTEIN, Zusätze, 175; KOCH, Dan I, 329. 9 KOCH, Dan I, 317, betont, dass „die Abweichungen und Unklarheiten der antiken Versionen fast durchweg begreiflich werden, wenn man Ar als Vorstufe für sie in Rechnung stellt. Allerdings liefert Ar eine verwilderte, nachträglich ins Targum-Aramäische abgewandelte Fassung des Urtextes. Für das höhere Alter dieser Tradition dürfte sprechen, daß der Text in der Regel kürzer ist als der der Versionen.“ 10 Vgl. KOCH, Daniel-Zusätze, 560; DERS., Dan I, 316f. 2
2. ASARJAS (ABDENAGOS) BEKENNTNISGEBET IM FEUEROFEN
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ger Einzelner für die Verfehlungen des Volkes die Rede, sondern ausdrücklich und unmissverständlich von deren „Schlachtung“.1 Damit dürfte gerade das Asarjagebet zu einem wichtigen Bindeglied hin zur Vorstellung eines stellvertretenden Sühnetodes im Neuen Testament werden.2 K. Koch vermutet, die Verse 39f. zählten zu den jüngeren Bestandteilen des Gebets.3 Indiz dafür ist, dass der Beter nicht das Martyrium sucht,4 sondern in der Abschlusspassage um Rettung (V. 43), Entmachtung der Bösen (V. 44) und allgemeine Erkenntnis des Herrn (V. 45) bittet.5
Literatur GILBERT, M., La prière d’Azarias, in: NRTh 96 (1974), 561–582. HAMM, W., Der Septuaginta-Text des Buches Daniel, Kap. 3–4. Nach dem Kölner Teil des Papyrus 967 (PTA 21), Bonn 1977. HARTMAN, L.F. / DI LELLA, A.A., The Book of Daniel (AncB 23), Garden City 1978. HIEKE, T., Atonement in the Prayer of Azariah (Dan 3:40), in: G.G. Xeravits / J. Zsengellér (Hg.), Deuterocanonical Additions of the Old Testament Books. Selected Studies (DCL.St 5), Berlin/New York 2010, 43–59. KOCH, K., Der „Märtyrertod“ als Sühne in der aramäischen Fassung des Asarja-Gebetes Dan 3,38–40 [1992], in: ders., Die Reiche der Welt und der kommende Menschensohn. Studien zum Danielbuch, Gesammelte Aufsätze 2, hg. von M. Rösel, Neukirchen-Vluyn 1995, 66–82.
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Vgl. KOCH, Dan I, 345f. Vgl. KOCH, Daniel-Zusätze, 560: Asarja klagt, „daß es keine legitimen Volksführer und keinen funktionierenden Kult mehr gibt. Die zum Martyrium Bereiten bieten deshalb ihre ‚Schlachtung‘ Gott zur Sühne für die Sündengesch. Israels an (V. 39f./16f.); hier wird vermutlich zum ersten Mal (zeitlich nach Jes 53, darauf aufbauend?) der Gedanke eines stellvertretenden Sühnetodes von Menschen laut.“ Vgl. DERS., Dan I, 332f. Vgl. dazu Ps 51,18f.; 2 Makk 7,37f.; 4 Makk 6,27–29; 17,22. 3 Vgl. KOCH, Dan I, 333.353. 4 Vgl. KOCH, Dan I, 338. 5 Vgl. KOCH, Dan I, 353: „Am Schluß vollzieht das Gebet nochmals eine Kehrtwende. Nicht der Untergang der Feinde, sondern ihre Erkenntnis Gottes und seiner politischen Kompetenz über die ganze Erde sind das Endziel.“ 2
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2.2. GRIECHISCHER TEXT1 Wichtige textliche Unterschiede zwischen der Fassung nach Theodotion und dem Septuagintatext finden sich vor allem in den erzählenden Passagen.2 Deshalb wird hier die Einleitung (Dan 3,23–25) in beiden Varianten geboten. Im eigentlichen Gebetscorpus erscheinen die Abweichungen der LXX gegenüber dem Theodotiontext in Anmerkungen. Übersetzungen der häufig geringfügigen Abweichungen werden nur beigegeben, wenn mit ihnen auch ein Bedeutungsunterschied einhergeht. Version nach Theodotion [23] καὶ οἱ τρεῖς οὗτοι Σεδραχ, Μισαχ, Αβδεναγω ἔπεσον εἰς μέσον τῆς καμίνου τῆς καιομένης πεπεδημένοι. [24] Kαὶ περιεπάτουν ἐν μέσῳ τῆς φλογὸς ὑμνοῦντες τὸν θεὸν καὶ εὐλογοῦντες τὸν κύριον. [25] καὶ συστὰς Αζαρίας προσηύξατο οὕτως καὶ ἀνοίξας τὸ στόμα αὐτοῦ ἐν μέσῳ τοῦ πυρὸς εἶπεν Version der Septuaginta [23] τοὺς μὲν οὖν ἄνδρας τοὺς συμποδίσαντας τοὺς περὶ τὸν Αζαρίαν ἐκκαεῖσα ἡ φλὸξ ἐκ τῆς καμίνου ἐνεπύρισε καὶ ἀπέκτεινεν, αὐτοὶ δὲ συνετηρήθησαν. [24] Οὕτως οὖν προσηύξατο Ανανίας καὶ Αζαρίας καὶ Μισαηλ καὶ ὕμνησαν τῷ κυρίῳ, ὅτε αὐτοὺς ὁ βασιλεὺς ἐπέταξεν ἐμβληθῆναι εἰς τὴν κάμινον. [25] στὰς δὲ Αζαρίας προσηύξατο οὕτως καὶ ἀνοίξας τὸ στόμα αὐτοῦ ἐξωμολογεῖτο τῷ κυρίῳ ἅμα τοῖς συνεταίροις αὐτοῦ [ἐν μέσῳ τῷ πυρὶ ὑποκαιομένης τῆς καμίνου ὑπὸ τῶν Χαλδαίων σφόδρα καὶ εἶπαν
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Text und Verszählung nach ZIEGLER, SVTG XVI,2, 268–275. KOCH, Dan I, 315.
2. ASARJAS (ABDENAGOS) BEKENNTNISGEBET IM FEUEROFEN
2.3. ÜBERSETZUNG
Version nach Theodotion [23] Und diese drei, Sedrach, Misach, Abdenago, fielen mitten in den brennenden Ofen als Gefesselte. [24] Und sie wandelten umher inmitten des lodernden Feuers, wobei sie Gott lobsangen und den Herrn lobten. [25] Und es trat Asarja1 hinzu und2 begann so zu beten, und er tat seinen Mund auf inmitten des Feuers und2 sprach: … Version der Septuaginta [23] Die Männer zwar nun, welche die um den Asarja3 gebunden hatten, entzündete und tötete das lodernde Feuer, als es aus dem Ofen herausschoss, sie selbst aber (= Asarja und seine Gefährten) wurden verschont. [24] So nun begann(en) zu beten Ananias und Asarja und Misael und sie lobsangen dem Herrn, als der König angeordnet hatte, dass sie hineingeworfen würden in den Ofen. [25] Asarja aber stand da und2 begann so zu beten, und er tat seinen Mund auf und2 rühmte den Herrn zusammen mit seinen Gefährten [inmitten des Feuers, während der Ofen von den Chaldäern sehr angeheizt wurde, und sie sprachen: …
1
Damit ist offenbar der in V. 23 „Abdenago“ Genannte gemeint. Das Partizip Aorist wird hier beiordnend übersetzt. Es drückt eine Handlungsabfolge aus. 3 D.h. „die Gefährten Asarjas“. 2
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[26] Εὐλογητὸς εἶ, κύριε ὁ θεὸς τῶν πατέρων ἡμῶν, καὶ αἰνετός1, καὶ δεδοξασμένον τὸ ὄνομά σου εἰς τοὺς αἰῶνας, [27] ὅτι δίκαιος εἶ ἐπὶ πᾶσιν, οἷς ἐποίησας, καὶ πάντα τὰ ἔργα σου ἀληθινά, καὶ εὐθεῖαι αἱ ὁδοί σου2, καὶ πᾶσαι αἱ κρίσεις σου ἀλήθεια3, [28] καὶ κρίματα ἀληθείας ἐποίησας κατὰ πάντα, ἃ ἐπήγαγες ἡμῖν καὶ ἐπὶ τὴν πόλιν4 τὴν ἁγίαν τὴν τῶν πατέρων ἡμῶν Ιερουσαλημ, ὅτι5 ἐν ἀληθείᾳ καὶ κρίσει ἐπήγαγες πάντα ταῦτα διὰ τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν. [29] ὅτι ἡμάρτομεν6 καὶ ἠνομήσαμεν ἀποστῆναι ἀπὸ σοῦ καὶ ἐξημάρτομεν ἐν πᾶσι· [30] καὶ τῶν ἐντολῶν7 σου οὐκ ἠκούσαμεν8 οὐδὲ συνετηρήσαμεν οὐδὲ ἐποιήσαμεν καθὼς ἐνετείλω ἡμῖν, ἵνα εὖ ἡμῖν γένηται. [31] καὶ9 πάντα, ὅσα ἡμῖν ἐπήγαγες, καὶ πάντα, ὅσα ἐποίησας ἡμῖν, ἐν ἀληθινῇ κρίσει ἐποίησας [32] καὶ παρέδωκας ἡμᾶς εἰς χεῖρας ἐχθρῶν10 ἀνόμων11 ἐχθίστων ἀποστατῶν [καὶ βασιλεῖ ἀδίκῳ καὶ πονηροτάτῳ παρὰ πᾶσαν τὴν γῆν. [33] καὶ νῦν οὐκ ἔστιν ἡμῖν ἀνοῖξαι τὸ στόμα, αἰσχύνη καὶ ὄνειδος ἐγενήθη τοῖς δούλοις σου καὶ τοῖς σεβομένοις σε. [34] μὴ δὴ12 παραδῷς ἡμᾶς εἰς τέλος διὰ τὸ ὄνομά σου καὶ μὴ διασκεδάσῃς τὴν διαθήκην σου13 [35] καὶ μὴ ἀποστήσῃς τὸ ἔλεός σου ἀφ᾿ ἡμῶν δι᾿ Αβρααμ τὸν ἠγαπημένον ὑπὸ σοῦ [καὶ διὰ Ισαακ τὸν δοῦλόν σου καὶ Ισραηλ τὸν ἅγιόν σου,
1
LXX bezieht das Adjektiv auf ὄνομα und bezeugt dementsprechend αἰνετόν. LXX stellt um: καὶ αἱ ὁδοί σου εὐθεῖαι. 3 LXX bezeugt ἀληθιναί. 4 LXX ergänzt σου. 5 LXX bezeugt διότι. 6 LXX ergänzt ἐν πᾶσι (vgl. V. 29b). 7 LXX ergänzt τοῦ νόμου. 8 LXX bezeugt οὐχ ὑπηκούσαμεν. 9 LXX ergänzt νῦν. 10 LXX ergänzt ἡμῶν. 11 LXX ergänzt καί. 12 LXX lässt δή weg. 13 LXX stellt um: σου τὴν διαθήκην. 2
2. ASARJAS (ABDENAGOS) BEKENNTNISGEBET IM FEUEROFEN
337
[26] Lobenswert bist du, Herr, (du) Gott unserer Väter, und lobpreisenswert1, und verherrlicht [ist] dein Name in die Ewigkeiten, [27] denn gerecht bist du gegenüber allen, die du geschaffen hast, und alle deine Werke [sind] wahrhaftig, und gerade [sind] deine Wege2, und alle deine Rechtsentscheidungen [sind] Wahrheit.3 [28] Und wahrhaftige Urteilssprüche4 hast du gemacht, nach allem, was du uns aufgebürdet hast und auf die heilige Stadt5 unserer Väter, Jerusalem, denn in Wahrheit und rechtens hast du alles das aufgebürdet um unserer Sünden willen. [29] Denn gesündigt haben wir6 und unrecht getan, abzufallen von dir, und versündigt haben wir uns in allem; [30] und auf deine Gebote haben wir nicht gehört7 noch (sie) bewahrt noch getan, wie du uns geboten hattest, damit es uns gut gehe. [31] Und8 alles, was du uns aufgebürdet hast, und alles, was du uns (an)getan hast – in wahrhaftiger Rechtsentscheidung hast du (es) getan. [32] Und preisgegeben hast du uns9 (den) Händen10 gesetzloser, feindseligster, abtrünniger Feinde [und einem ungerechten, ja dem boshaftesten König der ganzen Welt11. [33] Aber jetzt steht es uns nicht zu, den Mund aufzutun; Schande und Schmach widerfuhr deinen Knechten und den dich Verehrenden. [34] Nicht doch gib uns völlig preis um deines Namens willen, und nicht widerrufe12 deinen Bund! [35] Und nicht entziehe13 uns dein Erbarmen um Abrahams willen, des von dir Geliebten, [und um Isaaks willen, deines Knechts, und um Israels (= Jakobs) willen, deines Heiligen.
1
Während Theodotion das Verbaladjektiv „lobpreisenswert“ auf „Gott“ bezieht (wie „gelobt/lobenswert“), bezieht es die LXX (zusammen mit „verherrlicht“) auf den „Namen“. 2 LXX stellt um: „und seine Wege [sind] gerade“. 3 LXX formuliert adjektivisch: „und alle deine Rechtsentscheidungen [sind] wahrhaftig“. 4 Wörtlich: „Urteilssprüche von Wahrheit“ (Genitivus qualitatis). 5 LXX ergänzt: „auf deine heilige Stadt, [die Stadt] unserer Väter, Jerusalem“. 6 LXX ergänzt: „gesündigt haben wir in allem“. 7 LXX bezeugt: „und den Geboten deines Gesetzes haben wir nicht gehorcht“. 8 LXX ergänzt: „und jetzt…“. 9 Die Wendung διδόναι εἰς bedeutet „preisgeben“. Dieselbe Bedeutung hat aufgrund des Parallelismus membrorum auch die Formulierung mit einfachem Dativ (V. 32b). 10 LXX formuliert determiniert: „in die Hände unserer … Feinde“. 11 Wörtlich: „einem ungerechten König und [dem] boshaftesten [König] im Vergleich zur ganzen Welt“. Hier wird der Superlativ πονηρότατος in pleonastischer Weise mit einem Vergleich verbunden (παρὰ πᾶσαν τὴν γῆν), der seinerseits den Superlativ umschreiben kann, dann aber das Adjektiv im Positiv verlangt. So ergibt sich in der Summe ein „übersuperlativierter“ Ausdruck, der seinerseits nicht ohne Weiteres mit der indeterminierten Formulierung βασιλεῖ ἀδίκῳ harmoniert. Die o.g. Übersetzung versucht dem allen Rechnung zu tragen. 12 Wörtlich: „nicht zerstöre/vernichte…“. 13 Wörtlich: „nicht wende ab … von uns“ (dasselbe Verb wie in V. 29a.32a).
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C.XI. GEBETE DER APOKRYPHEN DES ALTEN TESTAMENTS
[36] οἷς1 ἐλάλησας πληθῦναι τὸ σπέρμα αὐτῶν ὡς τὰ ἄστρα τοῦ οὐρανοῦ [καὶ ὡς τὴν ἄμμον τὴν παρὰ τὸ χεῖλος τῆς θαλάσσης· [37] ὅτι, δέσποτα, ἐσμικρύνθημεν παρὰ πάντα τὰ ἔθνη καί ἐσμεν ταπεινοὶ ἐν πάσῃ τῇ γῇ σήμερον διὰ τὰς ἁμαρτίας ἡμῶν, [38] καὶ οὐκ ἔστιν ἐν τῷ καιρῷ τούτῳ ἄρχων καὶ προφήτης καὶ2 ἡγούμενος οὐδὲ ὁλοκαύτωσις οὐδὲ θυσία οὐδὲ προσφορὰ οὐδὲ θυμίαμα, οὐ3 τόπος τοῦ καρπῶσαι ἐναντίον σου4 καὶ εὑρεῖν ἔλεος· [39] ἀλλ᾿ ἐν ψυχῇ συντετριμμένῃ καὶ πνεύματι ταπεινώσεως5 [προσδεχθείημεν· [40] ὡς ἐν ὁλοκαυτώσει κριῶν καὶ ταύρων [καὶ ὡς ἐν μυριάσιν ἀρνῶν πιόνων· οὕτως γενέσθω θυσία ἡμῶν6 ἐνώπιόν σου σήμερον καὶ ἐκτελέσαι7 ὄπισθέν σου, ὅτι οὐκ ἔσται8 αἰσχύνη τοῖς πεποιθόσιν ἐπὶ σοί.9 [41] καὶ νῦν ἐξακολουθοῦμεν ἐν ὅλῃ καρδίᾳ καὶ φοβούμεθά σε καὶ ζητοῦμεν τὸ πρόσωπόν σου, [42] μὴ καταισχύνῃς ἡμᾶς, ἀλλὰ ποίησον μεθ᾿ ἡμῶν κατὰ τὴν ἐπιείκειάν σου καὶ κατὰ τὸ πλῆθος τοῦ ἐλέους σου [43] καὶ ἐξελοῦ ἡμᾶς κατὰ τὰ θαυμάσιά σου καὶ δὸς δόξαν τῷ ὀνόματί σου, κύριε. [44] καὶ ἐντραπείησαν πάντες οἱ ἐνδεικνύμενοι τοῖς δούλοις σου κακὰ καὶ καταισχυνθείησαν ἀπὸ πάσης δυναστείας, καὶ ἡ ἰσχὺς αὐτῶν συντριβείη· [45] γνώτωσαν ὅτι σὺ εἶ κύριος ὁ θεὸς μόνος10 καὶ ἔνδοξος ἐφ᾿ ὅλην τὴν οἰκουμένην.
1
LXX bezeugt ὡς. LXX bezeugt οὐδέ. 3 LXX bezeugt οὐδέ. 4 LXX bezeugt ἐνώπιόν σου. 5 LXX bezeugt τεταπεινωμένῳ. 6 LXX stellt um: ἡμῶν ἡ θυσία. 7 LXX bezeugt ἐξιλάσαι. 8 LXX bezeugt ἔστιν. 9 LXX ergänzt καὶ τελειώσαι ὄπισθέν σου. 10 LXX stellt um: ὅτι σὺ εἶ μόνος κύριος ὁ θεὸς. 2
2. ASARJAS (ABDENAGOS) BEKENNTNISGEBET IM FEUEROFEN
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[36] Ihnen1 hast du (zu)gesagt, ihre Nachkommenschaft zu vermehren wie die Sterne des Himmels [und wie den Sand längs des Meeresufers. [37] Denn, Gebieter, wir sind kleiner als alle Heidenvölker,2 und wir sind gering(geachtet) auf der ganzen Welt heute um unserer Sünden willen. [38] Und nicht gibt es in diesem Augenblick einen Anführer und Propheten und3 Leiter noch ein Brandopfer noch ein Schlachtopfer noch ein Speisopfer4 noch ein Rauchopfer noch eine Stätte, um Frucht darzubringen5 vor dir und Erbarmen zu finden; [39] sondern mit einer aufgeriebenen Seele und einem demütigen Geist6 [wollen wir dich empfangen; [40] wie in einem Brandopfer von Böcken und Stieren [und wie in Zehntausenden von fetten Lämmern: so soll werden unser Schlachtopfer7 vor dir heute, und es möge ganz vollenden8 von dir her, dass es keine Schande geben wird9 für die, die auf dich vertraut haben.10 [41] Ja, jetzt folgen wir dir nach von ganzem Herzen und fürchten dich und suchen dein Antlitz; [42] beschäme uns nicht, sondern handle mit uns nach deiner Milde und nach der Menge deines Erbarmens, [43] und errette uns nach deinen Wundertaten und verherrliche11 deinen Namen, Herr! [44] Und es mögen beschämt werden alle, die deinen Knechten Schlechtes erzeigt haben, und sie mögen beschämt werden von jeder Macht, und ihre Stärke möge aufgerieben werden. [45] Sie sollen erkennen, dass du bist Herr, Gott allein12, und verherrlicht über den ganzen Erdkreis hin.
1
LXX: „wie du gesagt hast“. Wörtlich: „wir sind klein gemacht worden im Vergleich zu allen Heidenvölkern“. 3 Die LXX hat „und nicht“ anstelle von „und“. Da der Satz auch bei Theodotion verneint ist, ergibt sich kein Bedeutungsunterschied. 4 Der Begriff προσφορά steht etwa in PsLXX 39,7 für ʤʧʰʮ (Ps 40,7) und meint eine vegetabilische „Gabe“. 5 Damit ist wohl der „Zehnte“ gemeint. 6 Wörtlich: „einem Geist von Demut“ (Genitivus qualitatis). LXX formuliert sachgemäß und sprachlich korrekt adjektivisch: „mit … einem demütigen Geist“. 7 Der Genitiv ἡμῶν ist als Genitivus obiectivus aufzufassen: Die Beter selbst sehen sich als ein Gott darzubringendes Opfer. Diesen Gedanken intensiviert die aramäische Fassung noch, wenn sie ausdrücklich von der „Schlachtung“ der Beter spricht. 8 Das ist ein kultischer Terminus technicus („weihen“). LXX bezeugt: „es möge aussöhnen“. 9 LXX bezeugt: „es gibt“ statt „es wird sein“. 10 LXX ergänzt: „und es (= das Opfer) möge vollenden nach dir“. Vgl. dazu oben Anm. 8. 11 Wörtlich: „gib Herrlichkeit (oder Ehre, Ruhm)“. 12 LXX stellt um: „dass du allein bist Gott, der Herr“. 2
D . Gebete bei Philo von Alexandrien
Philo Alexandrinus (ca. 15 v.Chr. bis nach 40 n.Chr.), ein Zeitgenosse des Paulus, gehörte zur hellenistisch geprägten jüdischen Oberschicht Ägyptens. Sein Bruder Alexander war Alabarch (oberster Magistrat) in Alexandrien, sein Neffe, Tiberius Alexander, beteiligte sich an der Niederschlagung des jüdischen Aufstands gegen Rom (66–74 n.Chr.). Der Historiker Josephus kennt Philo als geehrtes und philosophisch gebildetes Glied der Gemeinde von Alexandrien (A.J. 18 § 258). Philo wird als Leiter einer Delegation zu Kaiser Gajus Caligula (reg. 37–41 n.Chr.) entsandt. In zwei Schriften (Delegatio ad Gajum und In Flaccum) widmet sich Philo den Vorgängen um die antijüdischen Pogrome in Alexandrien im Jahre 38 n.Chr. Philos Werke wurden durch die christliche Kirche tradiert. Die vor allem in seinen exegetisch-philosophischen Schriften greifbare Methode der allegorischen Interpretation der biblischen Schriften hat die christliche Auslegung maßgeblich mitbeeinflusst. Dem Kirchenvater Ambrosius (339–397 n.Chr.) wurde der Ehrentitel eines Philo-Christianus1 beigelegt. Das Werk Philos ist zu großen Teilen in der griechischen Originalsprache erhalten. Einige Schriften liegen nur in armenischer oder lateinischer Übersetzung vor. Philos Platz im jüdisch-hebräischen oder hellenistisch-griechischen Milieu seiner Zeit lässt sich nicht eindeutig bestimmen; seine Kenntnis des Hebräischen und Aramäischen ist umstritten.2 Seinen Exegesen und philosophisch-theologischen Interpretationen legt Philo den als verbalinspiriert erachteten Text der Septuaginta zugrunde, in der Hauptsache die Bücher des Pentateuch. Seine ursprünglich über weite Strecken fortlaufende Kommentierung der Tora liegt heute aufgeteilt auf eine Reihe von Büchern vor. Philo bemüht sich um das Aufzeigen der Vereinbarkeit von Philosophie und jüdischer Überlieferung. Mose gilt ihm als Lehrer der späteren Philosophen.3 Ohne den Literalsinn der biblischen Texte zu verwerfen, sucht Philo die tiefere, der Weisheit Gottes 1
DASSMANN, Ambrosius, 373. Vgl. MACH, Philo, 524. 3 Nach Spec. 4 § 61 war Mose das Vorbild der antiken Gesetzgeber. In Prob. § 57 heißt es, Zenon habe das jüdische Gesetzbuch wie eine Quelle benutzt, und laut Leg. 1 § 108 folgt Heraklit Mose in seinen Lehren. Vgl. Her. § 214; QG 3 § 5. Siehe dazu WALTER, Thoraausleger, 46f. Auch Josephus erklärt, dass Mose und die jüdischen Bräuche allen griechischen Denkern und Gesetzgebern an Alter und Weisheit überlegen waren (C. Ap 1 § 162–165.279f.; C. Ap 2 § 151–157.168.180f.). 2
342
D. GEBETE BEI PHILO VON ALEXANDRIEN
adäquate Bedeutung, die hinter dem wörtlichen Sinn verborgen liegt. Er bietet kein eigenes in sich geschlossenes und widerspruchsfreies philosophisches System und lässt sich nicht eindeutig einer einzigen philosophischen Richtung zuordnen. Seine Philosophie ist u.a. geprägt durch Gedanken des (Mittel-)Platonismus und der Stoa. Wie auch in den alttestamentlichen Apokryphen finden sich bei Philo ausformulierte Gebete an Stellen, an denen sich der biblische Text auf Hinweise beschränkt oder den Akt des Betens lediglich konstatiert. Die hier gebotenen Texte decken das Spektrum des Betens bei Philo nicht vollständig ab. Einzelne Gebete sind Sammlungen alttestamentlicher Verse (z.B. Her. § 19f.), die Philo zum Teil durch erklärende oder begründende Kommentare unterbricht, jedoch oft nicht eigenständig und als in sich geschlossene Einheiten formuliert.1 Innerhalb der selbstverfassten Gebete ist das Gewicht derjenigen Gebete bemerkenswert, die von Heiden (Bileam und Flaccus) an den Gott der Juden gerichtet werden. Anders als das Beten bei Josephus2 sind die Gebetstexte im Werk des Philo bisher kaum monographisch untersucht.3 Kriterium für die Auswahl der Gebete war deren Eigenständigkeit und Geschlossenheit. Philo spricht häufig über das Beten und zitiert mehrfach fast wörtlich aus alttestamentlichen Gebeten, unterbrochen durch Wertungen. Er fügt Erklärungen des Inhalts ein und begründet, warum in der jeweiligen Form gebetet wird. Gemessen am Umfang seines überlieferten Werkes formuliert Philo vergleichsweise wenige abgrenzbare Gebetstexte. Die sechs aufgenommenen Gebete sind geordnet nach den jeweils Betenden: Abram und Mose als Einzelpersonen und Repräsentanten einer einzigartigen Gottesbeziehung, Dankgebete jüdischer Bevölkerungsgruppen und Gebete von Nichtjuden. Die beiden Gebete aus der politischen Schrift In Flaccum stehen in Zusammenhang mit den antijüdischen Pogromen des Jahres 38 n.Chr. in Alexandrien. Die anderen Gebete haben ihre Basis im Pentateuch.
G riechischer Text Les œuvres de Philon d’Alexandrie, publiées sous le patronage de l’université de Lyon par R. Arnaldez / J. Pouilloux / C. Mondesert, 36 Bde., Paris 1961–1988. 1 MCDOWELL, Prayers, 142: “[T]he prayers included are often simply general references to prayer, general teaching about prayer, or simply oblique references to prayer.” 2 Vgl. JONQUIÈRE (2007), Prayer. 3 LARSON, Prayer, 185: “The subject of prayer has been strangely neglected in Philonic studies. Hans Windisch could study Die Frömmigkeit Philos with almost no consideration of prayer.” Vgl. aber die Studie von J. LEONHARDT, Jewish Worship in Philo of Alexandria, die ein Kapitel explizit dem Beten und unterschiedlichen Gebetsformen bei Philo widmet (a.a.O., 101–189).
D. GEBETE BEI PHILO VON ALEXANDRIEN
343
Philo in Ten Volumes, Translated by F.H. Colson / G.H. Whitaker / R. Marcus, 10 Bde. (LCL), Cambridge 1960–1989 (= 1929–1962). Philonis Alexandrini opera quae supersunt, ediderunt L. Cohn / P. Wendland, 7 Bde., Berlin 2013/2014 (= 1896–1930). Deutsche Übersetzung PHILO VON ALEXANDRIEN, Die Werke in deutscher Übersetzung, hg. von L. Cohn u.a., 7 Bde., Berlin 2011/2012 (= 1962–1964). Englische Übersetzung Philo in Ten Volumes, Translated by F.H. Colson / G.H. Whitaker / R. Marcus, 10 Bde. (LCL), Cambridge 1960–1989 (= 1929–1962). The Works of Philo, New Updated Edition, Complete and Unabridged in One Volume, Translated by C.D. Yonge, Peabody 2002 (= 1993). Französische Übersetzung Les œuvres de Philon d’Alexandrie, publiées sous le patronage de l’université de Lyon par R. Arnaldez / J. Pouilloux / C. Mondesert, 36 Bde., Paris 1961–1988. Literatur BÖHM, M., Rezeption und Funktion der Vätererzählungen bei Philo von Alexandria. Zum Zusammenhang von Kontext, Hermeneutik und Exegese im frühen Judentum (BZNW 128), Berlin/New York 2005. BORGEN, P., “There Shall Come Forth a Man”. Reflections on Messianic Ideas in Philo, in: J.H. Charlesworth (Hg.), The Messiah. Developments in Earliest Judaism and Christianity, Minneapolis 1992, 341–361. COLLINS, J.J., Anti-Semitism in Antiquity? The Case of Alexandria [2005], in: ders., Jewish Cult and Hellenistic Culture. Essays on the Jewish Encounter with Hellenism and Roman Rule (JSJ.S 100), Leiden/Boston 2005, 181–201. DASSMANN, E., Art. Ambrosius von Mailand (339–397), in: TRE 2 (1978), 362–386. DEINES, R. / NIEBUHR, K.-W. (Hg.), Philo und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen. I. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum. 1.–4. Mai 2003, Eisenach/Jena (WUNT 172), Tübingen 2004. JONQUIÈRE, T.M., Prayer in Josephus (AGJU 70), Leiden/Boston 2007. KAISER, O., Studien zu Philo von Alexandrien (BZAW 501), Berlin/Boston 2017. LARSON, C.W., Prayer of Petition in Philo, in: JBL 65 (1946), 185–203.
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D. GEBETE BEI PHILO VON ALEXANDRIEN
LEONHARDT, J., Jewish Worship in Philo of Alexandria (TSAJ 84), Tübingen 2001. MACH, M., Art. Philo von Alexandrien, in: TRE 26 (1996), 523–531. MCDOWELL, M., Prayers of Jewish Women. Studies of Patterns of Prayer in the Second Temple Period (WUNT II/211), Tübingen 2006, 139–152. NIEHOFF, M.R., Philo on Jewish Identity and Culture (TSAJ 86), Tübingen 2001. PICCIONE, R.M., De Vita Mosis I 60–62. Philon und die griechische παιδεία, in: R. Deines / K.W. Niebuhr (Hg.), Philo und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen. I. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum. 1.–4. Mai 2003, Eisenach/Jena (WUNT 172), Tübingen 2004, 345–357. SCHÄFER, P., Art. Bileam. II. Judentum, in: TRE 6 (1980), 639–640. SCHMIDT, L., Art. Bileam. I. Altes Testament, in: TRE 6 (1980), 635–639. SMALLWOOD, E.M., Philonis Alexandrini Legatio ad Gaium, edited with an Introduction, Translation and Commentary, Leiden 21970. –, Philo and Josephus as Historians of the Same Events, in: L.H. Feldman / G. Hata (Hg.), Josephus, Judaism, and Christianity, Detroit 1987, 114–129. VAN DER HORST, P.W., Philo’s Flaccus. The First Pogrom. Introduction, Translation and Commentary (Philo of Alexandria Commentary Series 2), Leiden/Boston 2003. WALTER, N., Der Thoraausleger Aristobulos. Untersuchungen zu seinen Fragmenten und zu pseudepigraphischen Resten der jüdisch-hellenistischen Literatur (TU 86), Berlin 1964.
I.1. VERTRAUENS- UND DEMUTSGEBET ABRAMS (HER. § 24–29)
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I. GEBETE EINZELNER
1. Vertrauens- und Demutsgebet Abrams (Her. § 24–29) 1.1. EINFÜHRUNG Philos Schrift Quis Rerum Divinarum Heres („Wer ist Erbe der göttlichen Verheißungen?“) ist Teil eines fortlaufenden Kommentars zur Genesis und behandelt in der Hauptsache Gottes Verheißung eines Nachkommen für Abram in Gen 15.1 Bei dem hier aufgenommenen Gebet handelt es sich um die reflektierende Ausformulierung von GenLXX 15,2a. Gott hat sich Abram offenbart und ihm großen Lohn verheißen. Ausgangspunkt für das Gebet in Her. § 24–29 ist die an Gottes Verheißung geknüpfte Frage Abrams an Gott: „Herr, was willst du mir geben?“ Das Gebet Abrams dient einerseits als Veranschaulichung des Verhältnisses Moses zu Gott. Auf der anderen Seite illustrieren Elemente der Gottesbeziehung Moses das Verhältnis, in dem Abr(ah)am zu Gott steht. Dieses Changieren Philos hat in einzelnen Textausgaben für Verwirrung gesorgt: Wer ist derjenige, der in Her. § 24–29 betet – Abram oder Mose? C.D. Yonge bringt die Frage in Her. § 22.24: „Was willst du mir geben?“ in Verbindung mit Dtn 33,1 statt mit Gen 15,2. Folgerichtig behandelt er das Gebet in Her. § 24– 29 als Gebet des Mose. Abram ist in C.D. Yonges Übertragung ins Englische nicht der Beter, sondern derjenige, der die Dichotomie von Freimut und Demut (Her. § 30; vgl. Gen 18,27) in die Erinnerung Moses eingraviert hat.2 Dagegen versteht I. Heinemann das Gebet in Her. § 24–29 als Worte Abrams. Er sieht in Übereinstimmung mit dem hier zugrunde gelegten griechischen Text nicht Abram, sondern Mose als Urheber des Eingravierens: „Diese meine Seelenstimmung hat auch der Seher Mose zum Andenken an mich aufgezeichnet.“3 Indem Philo das Gebet Abrams (Her. § 24–29) einbindet in Erörterungen über die Art der Kommunikation zwischen Mose und Gott, werden sowohl Mose als auch Abram beschrieben als Vorbilder, die einerseits mit großem Freimut zu Gott sprechen und ihn 1
Die Umbenennung Abrams in Abraham durch Gott erfolgt erst in Gen 17,5. YONGE, in: Philo, Works, 278: “Now such a disposition of the soul, Abraham, the inspector, has deeply engraved on my memory.” 3 Übersetzung von Her. § 30 nach HEINEMANN, in: Philo, Werke 5, 229. 2
346
D.I. GEBETE EINZELNER
gleichzeitig in Gottesfurcht als Gebieter (δεσπότης) anreden. Die dem einen zugeschriebenen Prädikate gelten zugleich für den jeweils anderen. So zitiert Philo im Gebet des Abrams einerseits Mose (Ex 4,12) und Jesaja (JesLXX 50,4),1 gleichzeitig legt er Abram nach Abschluss des Gebets in den Mund (Her. § 29), Mose habe die Gebetsworte in Erinnerung an seine (Abrams) Seelenstimmung aufgeschrieben (Her. § 30). Das freimütige und zugleich demütige Verhältnis der beiden Betenden zu Gott ist in den Augen Philos idealtypisch.2 Insofern spielt es keine Rolle, ob Abra(ha)m, Mose oder Philo selbst dieses Gebet sprechen.3 Rechtes Beten ist unabhängig von Personen4 und Zeiten.5
1
Vgl. PHILO, Werke 5, 228. MCDOWELL, Prayers, 152: “For Philo, the characters only serve as models for virtues; he usually has no interest in the characters as characters.” 3 LARSON, Prayer, 186: “By allegory he proves the validity of his personal piety; there is no important difference between his interpretations of Biblical prayers and his own prayers and exhortations to pray.” 4 MCDOWELL, Prayers, 142: “Even when he recounts or retells biblical passages, he does not show much interest in historical or assumedly historical characters and events. He only narrates these stories in order to allegorize theological concepts of Judaism.” 5 HEINEMANN, in: Philo, Werke 5, 229: „Überdies neigt Philo dazu, jeden auf bestimmte Personen bezüglichen Ausspruch allgemeingültig zu fassen […], oder vielmehr: das Individuelle verblaßt vor seinem – ausschließlich dem Unbegrenzten zugewandten – Blick.“ 2
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D.I. GEBETE EINZELNER
1.2. GRIECHISCHER TEXT [24] ὁ δὴ φάσκων „δέσποτα, τί μοι δώσεις“ δυνάμει ταῦτα διεξέρχεται· οὐκ ἀγνοῶ σου τὸ ὑπερβάλλον κράτος, ἐπίσταμαι τὸ φοβερὸν τῆς δυναστείας, δεδιὼς καὶ τρέμων ἐντυγχάνω καὶ πάλιν θαρρῶ· [25] σὺ γὰρ ἐθέσπισάς μοι μὴ φοβεῖσθαι, σύ μοι γλῶσσαν παιδείας1 ἔδωκας τοῦ γνῶναι ἡνίκα δεῖ φθέγξασθαι, σὺ τὸ στόμα ἀπερραμμένον ἐξέλυσας, σὺ διοίξας ἐπὶ πλέον ἤρθρωσας, σὺ τὰ λεκτέα συνεβίβασας εἰπεῖν τὸν χρησμὸν βεβαιούμενος ἐκεῖνον· „ἐγὼ ἀνοίξω τὸ στόμα σου, καὶ συμβιβάσω σε ἃ μέλλεις λαλήσειν“. [26] τίς γὰρ ἐγενόμην, ἵνα σύ μοι λόγου μεταδῷς, ἵνα μισθὸν ὁμολογῇς, χάριτος καὶ δωρεᾶς ἀγαθὸν τελεώτερον; οὐ τῆς πατρίδος εἰμὶ μετανάστης; οὐ τῆς συγγενείας ἀπελήλαμαι; οὐ τῆς πατρῴας οἰκίας ἠλλοτρίωμαι; οὐκ ἀποκήρυκτον καὶ φυγάδα πάντες ἔρημον καὶ ἄτιμον ὀνομάζουσιν;
1
Zur παιδεία bei Philo vgl. PICCIONE, Vita, 345–357.
1. VERTRAUENS- UND DEMUTSGEBET ABRAMS (HER. § 24–29)
1.3. ÜBERSETZUNG [24] Der aber spricht: „Herr, was wirst du mir geben?“, mit Kraft geht er dies durch: Nicht unwissend bin ich hinsichtlich deiner überragenden Macht, ich verstehe das Furchtbare deiner Herrschaft; furchtsam und zitternd begegne ich und wiederum bin ich mutig. [25] Du nämlich hast geweissagt mir, nicht mich zu fürchen,1 du hast mir eine Zunge der Erziehung gegeben, des Verstehens, wann es nötig ist zu sprechen,2 du hast den vernähten Mund gelöst, nachdem du ihn geöffnet hattest, noch mehr artikuliert hast du [ihn] gemacht, du hast das zu Sagende gelehrt zu sagen, jenes Verheißene bestätigend: „ich werde öffnen deinen Mund, und ich werde dich lehren, was du wirst sprechen.“3 [26] Wer nämlich war ich, dass du mir vom Wort mitteiltest, dass Lohn du versprichst, ein Gut vollkommener als Gnade und Gabe? Bin ich nicht des Vaterlands ein Ausgewanderter? Bin ich nicht aus der Verwandtschaft vertrieben? Bin ich nicht des väterlichen Hauses entfremdet? Bezeichnen nicht alle einen Enterbten und Flüchtigen als verzweifelt und ehrlos?
1
Gen 15,1. Vgl. Jes 50,4. 3 Ex 4,12. 2
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[27] ἀλλὰ σύ μοι, δέσποτα, ἡ πατρίς, σὺ ἡ συγγένεια, σὺ ἡ πατρῴα ἑστία, σὺ ἡ ἐπιτιμία, ἡ παρρησία, ὁ μέγας καὶ ἀοίδιμος καὶ ἀναφαίρετος πλοῦτος. διὰ τί οὖν οὐχὶ θαρρήσω λέγειν ἃ φρονῶ; [28] διὰ τί δ᾿ οὐ πεύσομαι μαθεῖν τι πλέον ἀξιῶν; ἀλλ᾿ ὁ λέγων ἐγὼ θαρρεῖν πάλιν ὁμολογῶ δεδιέναι καὶ καταπεπλῆχθαι, καὶ οὐκ ἔχει τὴν ἄμικτον ἐν ἐμοὶ μάχην φόβος τε καὶ θάρσος, ὡς ἴσως ὑπολήψεταί τις, ἀλλὰ τὴν ἀνακεκραμένην συμφωνίαν. [29] ἀπλήστως οὖν εὐωχοῦμαι τοῦ κράματος, ὅ με ἀναπέπεικε μήτε ἄνευ εὐλαβείας παρρησιάζεσθαι μήτε ἀπαρρησιάστως εὐλαβεῖσθαι. τὴν γὰρ οὐδένειαν τὴν ἐμαυτοῦ μετρεῖν ἔμαθον καὶ τὰς ἐν ὑπερβολαῖς ἀκρότητας τῶν σῶν εὐεργεσιῶν περιβλέπεσθαι· καὶ ἐπειδὰν „γῆν καὶ τέφραν“ καὶ εἴ τι ἐκβλητότερον ἐμαυτὸν αἴσθωμαι, τηνικαῦτα ἐντυγχάνειν σοι θαρρῶ, ταπεινὸς γεγονώς, καταβεβλημένος εἰς χοῦν, ὅσα εἴς γε τὸ μηδ᾿ ὑφεστάναι δοκεῖν ἀνεστοιχειωμένος.
1. VERTRAUENS- UND DEMUTSGEBET ABRAMS (HER. § 24–29)
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[27] Aber du mir, Herr, [bist] das Vaterland, du die Verwandtschaft, du der väterliche Herd, du die Ehre, die Freiheit, der riesige und gepriesene und unentreißbare Reichtum. Weswegen nun soll ich [mir] nicht zutrauen zu sagen, was ich denke? [28] Weshalb aber soll ich nicht erfragen, um zu lernen, etwas Reichlicheres für würdig haltend? Aber, wenn ich sage, zuversichtlich zu sein, wiederum bekenne ich, mich zu fürchten und erschrocken zu sein; und nicht hat inne den unvermischten Kampf in mir: Furcht und Zuversicht, wie wahrscheinlich annehmen wird jemand, sondern den gemischten Gleichklang.1 [29] Unersättlich nun genieße ich die Mischung, die mich bewegt, weder ohne Gottesfurcht mutig zu sein noch mutlos gottesfürchtig zu sein. Nämlich meine Nichtigkeit zu messen habe ich gelernt und die äußersten Enden im Übermaß deiner Wohltaten zu überblicken; und wenn als „Erde und Asche“2 und wenn als Verworfeneres ich mich einschätze, dann zu begegnen dir bin ich mutig, niedrig seiend, geworfen in den Staub, so weit, dass zu nichts ich unterworfen zu sein scheine, wieder aufgelöst in die Elemente.
1 2
Furcht und Zuversicht befinden sich in mir im Gleichgewicht. Gen 18,27.
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D.I. GEBETE EINZELNER
2. Gebet des Mose um Offenbarung (Spec.1 § 41–42.45) 2.1. EINFÜHRUNG In seiner den Erläuterungen über die Einzelgesetze vorgeordneten Schrift De decalogo nennt Philo als das beste der Gebete und als Gipfel der Glückseligkeit „die Verähnlichung zu Gott“ (τὴν πρὸς θεὸν ἐξομοίωσιν, Decal. § 73).1 Damit gibt Philo dem menschlichen Streben eine Richtung vor: die maximale Annäherung an Gott. Diese Annäherung an den Schöpfer findet ihre Grenze in der menschlichen Geschöpflichkeit. In seinem zweigeteilten Gebet in Specialibus Legibus 1 § 41f. und § 45 definiert Philo die Rolle des Menschen im Gegenüber zu Gott. Er thematisiert mithilfe einer Auslegung von Ex 33,13 („offenbare dich mir“) die Dialektik von gutgeheißenem menschlichen Streben und der Begrenztheit geschöpflicher Möglichkeiten. Die unterschiedliche Beziehung des Volkes und Moses zu Gott manifestiert sich in einer gestuften Nähe. Mose selbst übernimmt eine privilegierte Rolle (Spec. 1 § 40.45– 50). Er ist der gottgeliebte Hierophant (§ 41), und aus Furcht, ansonsten zu sterben, bittet ihn Israel, stellvertretend mit Gott zu sprechen (Ex 20,18–21).2 Trotz seiner Sonderrolle ist auch die Nähe Moses zu Gott noch eine reduzierte und vermittelte. Bei dem hier gebotenen Gebetstext handelt es sich um einen Dialog zwischen Mose und Gott, in dessen erstem Teil Mose erbittet (Spec. 1 § 41f.), Gott seinem Wesen nach schauen zu dürfen. Gott antwortet ihm und lobt dabei einerseits das Streben Moses (§ 43). Er versagt ihm jedoch auf der anderen Seite die Erfüllung der Bitte (§ 44). Das Geschöpf vermag den Schöpfer nicht zu erfassen. Zwar könne Gott leicht das Erbetene gewähren, er tue es aber nicht, weil das die Kräfte des Beters übersteige und ihm Schaden brächte. Gott gibt so viel, wie der Mensch zu ertragen imstande ist.
1 2
Vgl. LARSON, Prayer, 191. Post. § 143.; Her. § 19.
2. GEBET DES MOSE UM OFFENBARUNG (SPEC. 1 § 41–42.45)
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Die Antwort Gottes aufnehmend, bittet Mose ein weiteres Mal: Wenn ihm die Schau des Wesens Gottes versagt bleiben muss, so begehrt er doch, seine Herrlichkeit (δόξα) zu schauen, und erklärt, er verstehe darunter die Mächte Gottes, seine δυνάμεις. Philo lässt hier sowohl den Hierophanten1 Mose als auch Gott selbst philonische Theologie/Philosophie vertreten und auf diese Weise narrativ und dialogisch legitimieren. Nicht die Bitten des Mose stehen im Mittelpunkt der Erörterung, vielmehr dient das Gebet als Anwendung des in den vorangehenden Paragraphen Ausgeführten: Wenn in einem Wettkampf der erste Preis (die vollkommene Schau Gottes) nicht erreichbar ist, so soll doch wenigstens der zweite Platz angestrebt werden (§ 38). Denn das Suchen hat auch ohne das Finden seinen Wert (§ 40).
1
Spec. 1 § 40. Vgl. LARSON, Prayer, 194.197.
354
D.I. GEBETE EINZELNER
2.2. GRIECHISCHER TEXT [41] εἰς ἅπερ ἀπιδὼν ὁ ἱεροφάντης καὶ θεοφιλέστατος Μωυσῆς ἱκετεύει τὸν θεὸν λέγων· „ἐμφάνισόν μοι σαυτόν“, μόνον οὐ κατασχεθεὶς καὶ ἐκβοῶν ἄντικρυς, ὅτι „τοῦ μὲν εἶναί σε καὶ ὑπάρχειν διδάσκαλος καὶ ὑφηγητής μοι γέγονεν ὅδε ὁ κόσμος, καὶ ὡς υἱὸς ἀναδιδάξας με περὶ τοῦ πατρὸς καὶ ὡς ἔργον περὶ τοῦ τεχνίτου· τίς δὲ κατὰ τὴν οὐσίαν τυγχάνεις ὢν διαγνῶναι ποθῶν οὐδένα τούτου τοῦ μαθήματος ὑφηγητὴν ἐν οὐδενὶ τῶν τοῦ παντὸς μερῶν ἀνευρίσκω. [42] διὸ δὴ δέομαι καὶ ποτνιῶμαι προσέσθαι τὴν ἱκεσίαν ἀνδρὸς ἱκέτου καὶ φιλοθέου καὶ μόνον σὲ θεραπεύειν ἀξιοῦντος· ὡς γὰρ τὸ φῶς ὑφ᾿ ἑτέρου μὴ γνωριζόμενον αὐτὸ ἑαυτοῦ γνώρισμά ἐστιν, οὕτως καὶ σὺ σεαυτὸν μόνος ἂν φῆναι δύναιο. διὸ συγγνώμης ἀξιῶ τυχεῖν, εἰ σπάνει τοῦ διδάξοντος ἐπὶ σὲ καταφυγεῖν ἐθάρρησα περὶ σοῦ σπεύδων μαθεῖν“. [43f.] [45] ταῦτα ἀκούσας ἐπὶ δευτέραν ἱκεσίαν ἦλθε καί φησι· „πέπεισμαι μὲν ταῖς σαῖς ὑφηγήσεσιν, ὅτι οὐκ ἂν ἴσχυσα δέξασθαι τὸ τῆς σῆς φαντασίας ἐναργὲς εἶδος. ἱκετεύω δὲ τὴν γοῦν περὶ σὲ δόξαν θεάσασθαι· δόξαν δὲ σὴν εἶναι νομίζω τὰς περὶ σὲ δορυφορούσας δυνάμεις, ὧν διαφεύγουσα ἡ κατάληψις ἄχρι τοῦ παρόντος οὐ μικρὸν ἐνεργάζεταί μοι πόθον τῆς διαγνώσεως“.
2. GEBET DES MOSE UM OFFENBARUNG (SPEC. 1 § 41–42.45)
2.3. ÜBERSETZUNG [41] Darauf blickend, der Hierophant und von Gott meist geliebte Mose bittet Gott, indem er spricht: „Offenbare mir dich“, allein nicht zurückgehalten und ausschreiend ausdrücklich: „Dass du bist und herrschst, als Lehrerin und Wegweiserin mir ist geworden diese Welt und wie ein Sohn, der deutlich belehrte mich über den Vater und wie ein Werk über den Künstler; wer aber gemäß dem Sein du bist, bin ich begehrend zu verstehen, nicht einen Wegweiser dieses Wissens in keinem der Teile des Alls finde ich. [42] Deshalb nunmehr bitte ich und schreie laut, anzunehmen die Bitte eines bittenden Menschen und Gottesfreundes und eines, der allein dich zu verehren wertschätzt. Wie nämlich das Licht, das von einem anderen nicht offenbart wird, selbst seiner selbst Offenbarung ist, so auch du dich selbst allein zu offenbaren, vermagst wohl du. Deshalb Verzeihung bitte ich zu erlangen, wenn in Ermangelung eines Belehrenden, zu dir ich Zuflucht zu nehmen mutig war, über dich eilend zu lernen.“ [43f. Antwort Gottes] [45] Als er dies1 gehört hatte, auf eine zweite Bitte kam er und spricht: „Ich bin überzeugt zwar durch deine Führungen, dass nicht ich hätte vermocht aufzunehmen deiner Erscheinung klares Bild. Ich bitte aber nun wenigstens den Glanz um dich zu schauen. Unter deinem Glanz verstehe ich die schützenden Mächte um dich, deren Erfassung [mir] entflieht bis zu diesem Augenblick und nicht bewirkt mir eine kleine Sehnsucht nach der Erkenntnis.“
1
Die Antwort Gottes auf seine erste Bitte.
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356
D. GEBETE BEI PHILO VON ALEXANDRIEN
II. DANKGEBETE DER BEVÖLKERUNG
1. (Ernte-)Dankgebet Israels (Spec. 2 § 198–199) 1.1. EINFÜHRUNG Während es sich bei dem Dankgebet für das Ende der Verfolgung durch Flaccus in Alexandrien um ein Dankgebet im klassischen Sinne handelt, bietet der Text aus Spec. 2 § 198f. eine der Gottesdienstgemeinde in den Mund gelegte Meditation über die Gründe, Gott für seine Versorgung zu danken. Gott wird nicht als der Spender der Güter unmittelbar angeredet, vielmehr versichern sich die Betenden ihres Glaubens an Gott als barmherzigen Ernährer, der bereits die Vorfahren in der Wüste versorgte. Philo bietet im zweiten Teil seiner Abhandlungen zu den Einzelgesetzen eine kurze Erklärung von zehn jüdischen Festtagen. Der hier aufgenommene Danktext ist Teil der Erläuterung des neunten Festtages. Es handelt sich um das „Fastfest“, den Versöhnungstag. Philo beginnt mit der rhetorischen Frage, wie denn ein Fasttag als Festtag gelten könne, und führt namentlich drei Gründe an: 1. Er versteht das Fasten als Ausdruck der Selbstbeherrschung. Mit dem freiwilligen Verzicht auf Lebensnotwendiges mache der Fastende deutlich, dass er auf alles der Lust Dienende zu verzichten in der Lage ist. 2. Es handelt sich um einen Tag, der ganz mit Gebeten verbracht wird und an dem man sich freudig auf die vergebende Gnade Gottes besinnt. 3. Schließlich geht Philo auf die Jahreszeit ein: Das Fastfest hat seinen Ort nach Abschluss der Erntezeit. Der Verzicht auf den Genuss der gerade eingebrachten Güter sei Ausdruck der Mäßigung und der Frömmigkeit und darüber hinaus gesundheitsförderlich. An diese Erklärungen schließt Philo unmittelbar die hier gebotene Dankreflexion in der 1. Person Plural an (Spec. 2 § 198f.). Er kennzeichnet sie als ein in der Stille mit Blick auf die Ernte einhellig gesprochenes oder empfundenes Glaubensbekenntnis. Nicht die Nahrung werde gepriesen, sondern der Ernährer. Gott habe bereits die Vorfahren in der Wüste täglich ernährt und sei auch in der Lage, ohne Ackerbau und Aufspeicherung sein Volk zu versorgen (Ex 16,4.19f.). Nach dem Gebet begründet Philo ohne Anbindung an das zuvor Ausgeführte den Termin des Fasttages am zehnten Tag des jüdischen Monats Tischre (meist im Oktober). Er greift dabei auf bereits an anderer Stelle gemachte Ausführungen über die Bedeutung und Vollkommenheit der Dekade, der Zehnzahl, zurück (Decal. § 20–26).
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D.II. DANKGEBETE DER BEVÖLKERUNG
1.2. GRIECHISCHER TEXT [198] μόνον οὐκ ἄντικρυς, κἂν μηδὲν τῇ φωνῇ φθέγγωνται τὸ παράπαν, οἱ μετὰ τὴν συγκομιδὴν τῶν καρπῶν ἀπεχόμενοι σιτίων καὶ ποτῶν ἐκβοῶσι ταῖς ψυχαῖς καί φασι ταῦτα· τὰς μὲν τῆς φύσεως χάριτας εἰλήφαμεν ἄσμενοι καὶ ταμιευόμεθα, φθαρτὸν δὲ οὐδὲν ἐπιγραφόμεθά ποτε τῆς ἡμετέρας διαμονῆς αἴτιον, ἀλλὰ τὸν γεννητὴν καὶ πατέρα καὶ σωτῆρα τοῦ τε κόσμου καὶ τῶν ἐν κόσμῳ θέον, ᾧ καὶ διὰ τούτων καὶ ἄνευ τούτων τρέφειν θέμις καὶ διαφυλάττειν. [199] ἰδοὺ γοῦν καὶ τοὺς ἡμετέρους προγόνους μυριάσι πολλαῖς ἐρήμην ἀτριβῆ καὶ πᾶσαν ἄγονον διεξιόντας γενεᾶς βίον ἔτη τεσσαράκοντα διέθρεψεν ὡς ἐν βαθυγειοτάτῃ καὶ εὐφορωτάτῃ χώρᾳ, πηγὰς μὲν τότε πρῶτον ἀνατεμὼν εἰς ἄφθονον ποτοῦ χρῆσιν, ὕων δὲ τροφὴν ἐξ οὐρανοῦ μήτε πλείονα μήτ᾿ ἐλάττονα τῆς διεξαρκούσης εἰς ἑκάστην ἡμέραν, ἵνα ἀταμιεύτοις χρώμενοι τοῖς ἀναγκαίοις μὴ πωλῶσιν ἀψύχων, ὧν ἂν ἐθησαυρίσαντο, τὰς ἀγαθὰς ἐλπίδας, ἀλλὰ μικρὰ φροντίζοντες τῶν χορηγουμένων τὸν χορηγὸν θαυμάζωσι καὶ προσκυνῶσι καὶ τοῖς ἁρμόττουσιν ὕμνοις καὶ εὐδαιμονισμοῖς γεραίρωσιν.
1. (ERNTE-)DANKGEBET ISRAELS (SPEC. 2 § 198–199)
1.3. ÜBERSETZUNG [198] Nicht ausdrücklich allein, sondern auch wenn sie nichts mit der Stimme ertönen lassen gänzlich, die nach dem Einbringen der Früchte sich Enthaltenden der Speisen und Tränke, rufen mit ihren Seelen und sagen dies: „Die Gnaden der Natur zwar haben wir empfangen freudig und bringen sie ein. Nichts Vergängliches aber bestimmen wir jemals als unseres Ausharrens würdig, sondern den Erzeuger und Vater und Retter sowohl der Welt als auch derer in der Welt – Gott, dem sowohl durch diese als auch ohne diese [Gnaden der Natur] zu nähren Gesetz [ist] und zu bewahren. [199] Siehe wahrlich, auch unsere Vorfahren, die mit vielen Myriaden durch die Wüste, weglos und ganz fruchtlos, hindurch zogen, das Leben einer Generation, 40 Jahre, versorgte er sie wie in einem überaus fruchtbaren und sehr leicht erträglichen Land. Quellen damals zuerst schlagend zum reichlichen Trinkgebrauch; regnen lassend dann Speise aus dem Himmel, weder mehr noch weniger als die ausreichende (Speise) für jeden Tag, damit unaufbewahrbar sie nutzten das Notwendige und nicht verkaufen vom Leblosen, wofür sie gesammelt hätten, in guten Erwartungen, sondern, wenig sich kümmernd um das Besorgte, den Besorger bewundern und verehren sie sowohl mit den passenden Hymnen als auch mit Glücklichpreisungen feiern sie.
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D.II. DANKGEBETE DER BEVÖLKERUNG
2. Dankgebet für das Ende der Verfolgung (Flacc. § 121–124) 2.1. EINFÜHRUNG Bei den drei zuvor behandelten Texten handelt es sich um typisierte Gebete oder Gebetshaltungen (Spec. 2 § 198f.). Die Texte sind allgemeingültig und kennzeichnen vorbildliches Beten. Die drei folgenden Gebete sind eng verknüpft mit einmaligen historischen oder als historisch empfundenen Ereignissen (Flacc. § 121–124; 170–175; Mos. 1 § 289–291). Sie stehen nicht für konkrete Gebete, sondern charakterisieren Gott als Angebeteten bzw. das Gottesbild Philos. Seine aus der Perspektive eines beteiligten Zeitzeugen des antijüdischen Pogroms im Jahre 38 n.Chr. in Alexandrien verfassten Schriften (In Flaccum und Legatio ad Gaium) gehören zu den eindrücklichsten Zeugnissen ihrer Art. Philo beschreibt detailliert die Entwicklungen und Vorgänge in all ihrer Grausamkeit. Er selbst führte in den Jahren 39/40 n.Chr. eine (erfolglose) Gesandtschaft der alexandrinischen Juden zu Kaiser Gajus Caligula nach Rom an (Jos, A.J. 18 § 259f.). Philo belässt es nicht bei der Schilderung der Verfolgung und bei der Erwähnung der Absetzung des von ihm als hauptverantwortlich bezeichneten Statthalters Flaccus.1 Durch die Anfügung eines Dankgebets des Volkes und eines Reuegebets des Flaccus2 gelingt es ihm, die Vorgänge aus weiteren Perspektiven zu schildern und seiner Darstellung zusätzliches Gewicht und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Auch wenn das Dankgebet der Juden Alexandriens an eine konkrete Situation gebunden ist, versäumt es Philo doch nicht, die Reaktionen der Juden als Resultat einer vorbildlichen Gesinnung zu präsentieren. Nicht Rachegelüste, sondern Dankbarkeit dafür, wieder Gottes Gebote erfüllen und ihm dienen zu können, bestimmen das von Philo gezeichnete Bild der Betenden. Ausgelassener Jubel oder Schadenfreude sind nicht die Sache Philos. Angesichts der erlittenen Drangsal wirkt die Freude nach dem Fall des Flaccus unterkühlt. Mit der dem stoischen Ideal verpflichteten Reaktion der Juden setzt Philo einen Kontrast zu seiner Darstellung des enthemmten Vorgehens der nichtjüdischen Alexandriner gegen ihre jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.3
1 SMALLWOOD, Philo, 115: “Philo lays the maximum possible blame for the trouble on Flaccus […], and he devotes the last quarter of the treatise to describing, with considerable satisfaction, the retribution which immediately befell him: he was arrested, taken to Rome for trial, exiled, and finally executed.” 2 COLLINS, Anti-Semitism, 184: “Philo treats the life of Flaccus as a moral fable: Flaccus himself supposedly recognizes that his eventual downfall is punishment from the Most High for his crimes against the Jews.” 3 SMALLWOOD, Philo, 114: “The main aim of the works is not to give to the world accounts of those events but to show up the malice which he believed that his two bêtes noires [sc. Flaccus and Caligula] felt towards the Jews and the ways in which they gave expression to it.”
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D.II. DANKGEBETE DER BEVÖLKERUNG
2.2. GRIECHISCHER TEXT [121] ὡς δ᾿ ᾔσθοντο τὴν ἀπαγωγὴν καὶ τὸν Φλάκκον ἐντὸς ἀρκύων ἤδη γεγενημένον, προτείνοντες τὰς χεῖρας εἰς οὐρανὸν ὕμνουν καὶ παιᾶνας ἐξῆρχον εἰς τὸν ἔφορον θεὸν τῶν ἀνθρωπίνων πραγμάτων, „οὐκ ἐφηδόμεθα“, λέγοντες „ὦ δέσποτα, τιμωρίαις ἐχθροῦ, δεδιδαγμένοι πρὸς τῶν ἱερῶν νόμων ἀνθρωποπαθεῖν· ἀλλὰ σοὶ δικαίως εὐχαριστοῦμεν οἶκτον καὶ ἔλεον ἡμῶν λαβόντι καὶ τὰς συνεχεῖς καὶ ἐπαλλήλους κακώσεις ἐπικουφίσαντι.“ [122] πάννυχοι δὲ διατελέσαντες ἐν ὕμνοις καὶ ᾠδαῖς καὶ ἅμα τῇ ἕῳ διὰ πυλῶν ἐκχυθέντες ἐπὶ τοὺς πλησίον αἰγιαλοὺς ἀφικνοῦνται – τὰς γὰρ προσευχὰς ἀφῄρηντο – κἀν τῷ καθαρωτάτῳ στάντες ἀνεβόησαν ὁμοθυμαδόν· [123] „γῆν καὶ θάλατταν, ἀέρα τε καὶ οὐρανόν, τὰ μέρη τοῦ παντὸς καὶ σύμπαντα τὸν κόσμον, ὦ μέγιστε βασιλεῦ θνητῶν καὶ ἀθανάτων, παρακαλέσοντες εἰς εὐχαριστίαν τὴν σὴν ἥκομεν, οἷς μόνοις ἐνδιαιτώμεθα, τῶν ἄλλων ὅσα δημιουργεῖται πρὸς ἀνθρώπων ἐληλαμένοι καὶ στερόμενοι πόλεως καὶ τῶν ἐν πόλει δημοσίων καὶ ἰδιωτικῶν περιβόλων, ἀπόλιδες καὶ ἀνέστιοι μόνοι τῶν ὑφ᾿ ἥλιον ἐξ ἐπιβουλῆς ἄρχοντος γενόμενοι. [124] χρηστὰς ὑπογράφεις ἡμῖν ἐλπίδας καὶ περὶ τῆς τῶν λειπομένων ἐπανορθώσεως, ἤδη ταῖς ἡμετέραις λιταῖς ἀρξάμενος συνεπινεύειν, εἴ γε τὸν κοινὸν ἐχθρὸν τοῦ ἔθνους καὶ τῶν ἐπ᾿ αὐτῷ συμφορῶν ὑφηγητὴν καὶ διδάσκαλον μέγα πνέοντα καὶ οἰηθέντα διὰ ταῦτα εὐδοκιμήσειν ἐξαίφνης καθεῖλες, οὐ πορρωτάτω γενόμενον, ἵν᾿ αἰσθόμενοι δι᾿ ἀκοῆς οἱ κακῶς πεπονθότες ἀμβλύτερον ἡσθῶσιν, ἀλλ᾿ ἐγγὺς οὑτωσί, μόνον οὐκ ἐν ὄψει τῶν ἠδικημένων, πρὸς τρανοτέραν φαντασίαν τῆς ἐν βραχεῖ καὶ παρ᾿ ἐλπίδας ἐπεξόδου.“
2. DANKGEBET FÜR DAS ENDE DER VERFOLGUNG (FLACC. § 121–124)
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2.3. ÜBERSETZUNG [121] Als aber sie wahrnahmen die Wegführung und dass Flaccus in den Netzen nunmehr war, breitend die Hände zum Himmel, lobsangen sie, und Hymnen richteten sie zu dem Gott, der überschaut die menschlichen Taten: „Nicht freuen wir uns“, sprachen sie, „o Herr, über die Bestrafungen des Feindes, als belehrt durch die heiligen Gesetze, menschlich zu fühlen; sondern dir in rechter Weise danken wir, der du Mitleid und Erbarmen mit uns annahmst und der du die anhaltenden und ununterbrochenen Misshandlungen erleichtert hast.“ [122] Die ganze Nacht aber verbrachten sie mit Hymnen und Oden und zusammen mit dem Morgengrauen durch die Tore strömten sie hinaus und an die Strände nahe bei gelangen sie, – der Gebetsstätten nämlich waren sie beraubt –, und an dem wohl reinsten Ort stehend, schrien sie empor einmütig. [123] „Erde und Meer, Luft und Himmel, die Glieder des Alls und allzusammen die Welt, – o höchster König der Sterblichen und Unsterblichen, als Bittende zu deinem Dank sind wir gekommen, – worin allein wir noch wohnen. Aus dem anderen – so viel geschaffen wird zum Nötigen der Menschen – sind wir vertrieben und beraubt: der Stadt und der öffentlichen [Rechte] in der Stadt und der privaten der Umgebungen: Stadtlose und Heimatlose, alleingelassen von denen unter der Sonne aufgrund des Willens eines Herrschenden, sind wir geworden. [124] Gute Hoffnungen zeichnest du uns vor auch über die Aufrichtung des noch Übrigen, der du nunmehr unseren Gebeten hast begonnen beizustimmen. Da du ja den gemeinsamen Feind des Volkes und Führer des Geschehenen bei ihm, und Lehrer, der Großes blies und meinte, deswegen geehrt zu werden, plötzlich niedergeworfen hast. Nicht weit entfernt war es, so dass wahrnehmend [nur] durch Kunde die, die übel gelitten haben, sich [etwa] schwächer freuten, sondern [es war] so nah – fast in Sichtweite der ungerecht Behandelten – zum deutlicheren Bild des in Kürze und über die Hoffnungen hinaus [eingetroffenen] Auswegs.“
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D.III. GEBETE BEI PHILO VON ALEXANDRIEN
III. GEBETE VON NICHT-JUDEN
Gebete von (ehemaligen) Gegnern und Verfolgern für ihre Opfer nehmen unter den ausformulierten und eigenständig formulierten Gebetstexten bei Philo einen vergleichsweise großen Raum ein. Der Segen des heidnischen Propheten Bileam1 über Israel hat seinen Anhalt am Buch Numeri (Num 24,5–9),2 während das Reuegebet des Flaccus eingebettet ist in den Schlussteil der Schilderung der zeitgenössischen Pogrome in Alexandrien (Flacc. § 170–175). Mit den Gebeten für Israel im Mund der Feinde unterstreicht Philo die Rechtsposition der Juden. Die Größe und Gerechtigkeit des Gottes Israels wird hervorgehoben. Deutlicher als durch Gebete für die eigenen Opfer lässt sich die Umkehr der Feinde literarisch kaum darstellen. Bei Philo gewinnt dieses rhetorische Mittel dadurch zusätzlich an Kraft, dass es ein Prophet anderer Götter (Bileam) und ein politisch hochrangiger Heide (Flaccus) sind, denen ein Gebet zum Gott Israels zugeschrieben wird.3 Ein Reuegebet jüdischer Dissidenten (etwa der Kritiker Moses) begegnet bei Philo und Josephus nicht.
1
In Mos. 1 § 276 wird Bileam von Philo als „Magier“ bezeichnet. Wie Bileam weigert sich auch der jüdische Magier Onias im jüdischen Bürgerkrieg (Jos, A.J. 14 § 24), die gegnerische Seite zu verfluchen. Sein Gebet zu Gott, auf keines der Gebete der beiden verfeindeten Parteien zu hören, kostete ihn sein Leben (s.u. S. 418f.). 3 Vgl. das in diese Sammlung aufgenommene Umkehr-Gebet des babylonischen Königs Nabonid (4Q242 = 4QA-Nab ar; s.o. S. 58–61). 2
1. BILEAMS SEGEN ÜBER ISRAEL (MOS. 1 § 289–291)
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1. Bileams Segen über Israel (Mos. 1 § 289–291) 1.1. EINFÜHRUNG Der Segen Bileams ist von Philo aus Num 24,3–9 übernommen und wird anders als andere Gebetstexte nicht durch Kommentare und Wertungen einzelner Wendungen unterbrochen. Die Übernahme einer in sich geschlossenen alttestamentlichen Textpassage gewährt in besonderer Weise einen Einblick in die Art Philos, mit der biblischen Tradition umzugehen. Der Segen Bileams in der Septuagintaversion unterscheidet sich signifikant vom masoretisch-hebräischen Text. Philo wiederum bietet eine eigenständige Fassung des biblischen Segens. Ein Vergleich der philonischen Version mit den Parallelen erlaubt Rückschlüsse auf wesentliche Elemente seiner Hermeneutik und Philosophie. Philo ist überzeugt, Mose sei Lehrer und Vorläufer aller Philosophen und Gesetzgeber, und möchte seinem Lesepublikum die Allgemeingültigkeit des Pentateuch verdeutlichen. Aufgrund dieser Prämisse ist es folgerichtig, dass der Segen des Heiden Bileam über Israel von Philo zu einem Gebet stilisiert wird, das jeder Nicht-Jude nachsprechen kann. Die Allgemeingültigkeit erreicht er mithilfe kleinerer Modifikationen: Statt wie in den Vorlagen den Stammvater Jakob/Israel namentlich zu erwähnen, spricht er allgemein und ohne individuellen Bezug von dem „Heer der Hebräer“ (στρατιὰ ῾Εβραίων). Konsequent werden auch die mit der Abkunft von Stammvätern verbundenen Semitismen vermieden: Das „Hervorgehen aus seinem Samen“ (ἐκ τοῦ σπέρματος αὐτοῦ) wird vereinfacht zu einem „Hervorgehen aus euch“. Für Nicht-Juden kaum Verständliches wie die Rede von „Gog“ (Γωγ) wird ausgelassen, und an Stellen, wo es Philo nötig erscheint, präzisiert oder plausibilisiert er den Wortlaut: Er verdeutlicht gegenüber der Septuaginta, dass es sich um das Junge eines „Löwen“ handelt, und ändert die pluralische Redeweise der griechischen Übersetzung von „Paradiesen“ und „Zedern“ (παράδεισοι, κέδροι) in singularische Formen. Der Vergleich des Bileamssegens in den unterschiedlichen Versionen erweist die Fassung bei Philo als „aufgeklärte“ Variante der Septuagintafassung. Unmittelbare Rückgriffe auf den hebräischen Text sind nicht erkennbar.1 Bemerkenswert ist die im masoretisch-hebräischen Text nicht begegnende Rede von „dem Menschen“ in den griechischen Versionen des Bileamssegens (NumLXX 24,7; Philo, Mos. 1 § 290). P. Borgen versteht den Bileamssegen in Mos. 1 § 289–291 als Beispiel für
1 Während z.B. in Num 24,8 der masoretisch-hebräische Text von den „Hörnern des (nicht sicher zu bestimmenden) Wildstieres“ (ʭʠʸ ʺʴʲʥʺ) spricht, beschreibt Philo in Abwandlung der Septuaginta, die ein Einhorn (μονόκερως) erwähnt, den Auftritt des Volkes als ein Handeln „gemäß einem Horn“ (καθ’ ἓν κέρας).
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D.III. GEBETE VON NICHT-JUDEN
messianische Stellen bei Philo.1 Philo erkenne in „dem Mann“ den zukünftigen universalen Herrscher, der das durch Mose begonnene Werk zur Vollendung bringen wird.2 L. Schmidt verankert den Segen in der Davidszeit und verwirft eine messianische Deutung.3 Die Wertung Bileams bei Philo (Mos. 1 § 294–301) ist wie bei Josephus (A.J. 4 § 136) und in weiten Teilen der rabbinischen Literatur negativ:4 Bileam wird der Rat zugeschrieben, schöne Frauen zu senden, um die jungen Männer Israels zu verführen und zum Abfall von ihrem Gott zu bewegen (Num 25,1–3; vgl. Offb 2,14).
1 BORGEN, Man, 341–361. Vgl. a.a.O., 354: “As the eschatological emperor, the ‘man’ carries the features of the Messiah, in accordance with the messianic interpretation of Num 24:7 in the Targums.” 2 BORGEN, Man, 353: “Eschatology means then the realization of the universal aspect of Moses’ kingship and the universal role of the Hebrew nation and its worship and its laws. This universal realization of Moses’ kingship did not take place in Moses’ lifetime. It will be accomplished in the future by ‘a man’ who will be emperor of many nations, i.e. of the world. This ‘man’ is not a new Moses, but an emperor who, on the basis of the exodus, will continue Moses’ work and bring it to its complete fulfillment.” 3 SCHMIDT, Bileam I, 637. 4 SCHÄFER, Bileam II, 639f.
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D.III. GEBETE VON NICHT-JUDEN
1.2. GRIECHISCHER TEXT NACH PHILO MOS. 1 § 289–291 [289] „φησὶν ὁ ἄνθρωπος ὁ ἀληθινῶς ὁρῶν, ὅστις καθ᾿ ὕπνον ἐναργῆ φαντασίαν εἶδε θεοῦ τοῖς τῆς ψυχῆς ἀκοιμήτοις ὄμμασιν. ὡς καλοί σου οἱ οἶκοι, στρατιὰ Ἑβραίων, αἱ σκηναί σου ὡς νάπαι σκιάζουσαι, ὡς παράδεισος ἐπὶ ποταμοῦ, ὡς κέδρος παρ᾿ ὕδατα. [290] ἐξελεύσεταί ποτε1 ἄνθρωπος ἐξ ὑμῶν καὶ ἐπικρατήσει πολλῶν ἐθνῶν καὶ ἐπιβαίνουσα ἡ τοῦδε βασιλεία καθ᾿ ἑκάστην ἡμέραν πρὸς ὕψος ἀρθήσεται. ὁ λαὸς οὗτος ἡγεμόνι τῆς ἀπ᾿ Αἰγύπτου πάσης ὁδοῦ κέχρηται θεῷ καθ᾿ ἓν κέρας ἄγοντι τὴν πληθύν. [291] τοιγαροῦν ἔδεται ἔθνη πολλὰ ἐχθρῶν καὶ ὅσον ἐν αὐτοῖς πῖον ἄχρι μυελοῦ λήψεται καὶ ταῖς ἑκηβολίαις ἀπολεῖ τοὺς δυσμενεῖς. ἀναπαύσεται κατακλινεὶς ὡς λέων ἢ σκύμνος λέοντος, μάλα καταφρονητικῶς δεδιὼς οὐδένα, φόβον τοῖς ἄλλοις ἐνειργασμένος· ἄθλιος ὃς ἂν αὐτὸν παρακινήσας ἐγείρῃ. οἱ μὲν εὐλογοῦντές σε εὐφημίας ἄξιοι, κατάρας δ᾿οἱ καταρώμενοι.“
1 BORGEN, Man, 352: “Philo clearly places the appearance of ‘a man’ (Num 24:7) some time in future, by adding ποτέ.”
1. BILEAMS SEGEN ÜBER ISRAEL (MOS. 1 § 289–291)
1.3. ÜBERSETZUNG VON PHILO MOS. 1 § 289–291 [289] Es spricht der Mensch (Bileam), der wahrhaftig sehende, der im Schlaf ein deutliches Gebilde Gottes sah mit den schlaflosen Augen der Seele. Wie schön [sind] deine Häuser, Heer der Hebräer, deine Zelte, wie beschattende Waldtäler, wie ein Paradies am Fluss, wie eine Zeder bei den Wassern. [290] Es wird kommen einmal ein Mensch aus euch, und er wird überwältigen viele Völker, und indem aufsteigt dessen Königsherrschaft gemäß jedem Tag, zur Höhe wird sie heraufgeführt werden. Dieses Volk, zum Führer des ganzen Weges aus Ägypten hat es Gott gebraucht gemäß einem Horn,1 der geführt hat die Menge. [291] Deshalb wird er fressen viele Völker der Feinde; und wieviel bei ihnen Fett [ist], bis aufs Mark wird er es nehmen, und durch das Weitschießen2 wird er vernichten die feindlich Gesinnten. Er wird ruhen, liegend wie ein Löwe oder ein Löwenjunges, sehr verächtlich, fürchtend niemanden, Furcht für die anderen erregend; bedauernswert, wer ihn gestört hat und aufbringt. Die dich segnen[, sind] guter Nachricht Würdige, des Fluchs aber die Fluchenden.“
1 2
„Wie ein Mann“ oder „in einer Linie“. Die Septuaginta und der masoretisch-hebräische Text sprechen von „Pfeilen“.
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D.III. GEBETE VON NICHT-JUDEN
1.4. GRIECHISCHER TEXT NACH DER SEPTUAGINTA (NUM 24,3–9)1 [3] … φησὶν ὁ ἄνθρωπος ὁ ἀληθινῶς ὁρῶν, [4] φησὶν ἀκούων λόγια θεοῦ, ὅστις ὅρασιν θεοῦ εἶδεν, ἐν ὕπνῳ ἀποκεκαλυμμένοι οἱ ὀφθαλμοὶ αὐτοῦ· [5] Ὡς καλοί σου οἱ οἶκοι, Ἰακώβ, αἱ σκηναί σου, Ἰσραήλ· [6] ὡσεὶ νάπαι σκιάζουσαι, καὶ ὡσεὶ παράδεισοι ἐπὶ ποταμῶν, καὶ ὡσεὶ σκηναί, ἃς ἔπηξεν κύριος, ὡσεὶ κέδροι παρ᾿ ὕδατα. [7] ἐξελεύσεται ἄνθρωπος ἐκ τοῦ σπέρματος αὐτοῦ, καὶ κυριεύσει ἐθνῶν πολλῶν, καὶ ὑψωθήσεται ἢ Γωγ βασιλεία αὐτοῦ, καὶ αὐξηθήσεται ἡ βασιλεία αὐτοῦ. [8] ὁ θεὸς ὡδήγησεν αὐτὸν ἐξ Αἰγύπτου, ὡς δόξα μονοκέρωτος αὐτῷ· ἔδεται ἔθνη ἐχθρῶν αὐτοῦ, καὶ τὰ πάχη αὐτῶν ἐκμυελιεῖ, καὶ ταῖς βολίσιν αὐτοῦ κατατοξεύσει ἐχθρόν. [9] κατακλιθεὶς ἀνεπαύσατο ὡς λέων καὶ ὡς σκύμνος· τίς ἀναστήσει αὐτόν; οἱ εὐλογοῦντές σε εὐλόγηνται, καὶ οἱ καταρώμενοί σε κεκατήρανται.
1
Text und Verszählung nach WEVERS, SVTG III,1, 288–290.
1. BILEAMS SEGEN ÜBER ISRAEL (MOS. I § 289–291)
1.5. ÜBERSETZUNG DES SEPTUAGINTATEXTES (NUM 24,3–9) [3] … es spricht der Mensch, der wahrhaftig sehende. [4] Er spricht hörend die Worte Gottes, der eine Erscheinung Gottes sah im Schlaf, geöffnet [sind] seine Augen. [5] Wie schön [sind] deine Häuser, Jakob, deine Zelte, Israel; [6] wie beschattende Waldtäler und wie Paradiese an Flüssen und wie Zelte, die errichtet hat ein Herr, wie Zedern an Wassern. [7] Es wird kommen ein Mensch aus seinem Samen, und er wird herrschen über viele Völker und es wird höher als Gog seine Herschaft, und es wird vermehrt werden seine Königsherrschaft. [8] Gott hat geführt ihn aus Ägypten, wie der eines Einhorns ist sein Ruhm. Er wird fressen die Völker seiner Feinde und ihre Dicke wird er entmarken und mit seinen Pfeilen wird er niederschießen einen Feind. [9] Indem er sich niedergelegt hat, ruhte er wie ein Löwe und wie ein (Löwen-)Junges. Wer wird ihn aufstören? Die dich Segnenden sind gesegnet; und die dich Verfluchenden sind verflucht.
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D.III. GEBETE VON NICHT-JUDEN
1.6. HEBRÄISCHER TEXT (NUM 24,3–9) ... [3] ʸʡʢʤ ʭʠʰʥ ʟʯʩʲʤ ʭʺʹ ʬʠʚʩʸʮʠ ʲʮʹ ʭʠʰ [4] ʤʦʧʩ ʩʣʹ ʤʦʧʮ ʸʹʠ ʬʴʰ ʟʭʩʰʩʲ ʩʥʬʢʥ ʡʷʲʩ ʪʩʬʤʠ ʥʡʨʚʤʮ [5] ʟʬʠʸʹʩ ʪʩʺʰʫʹʮ ʥʩʨʰ ʭʩʬʧʰʫ [6] ʸʤʰ ʩʬʲ ʺʰʢʫ ʤʥʤʩ ʲʨʰ ʭʩʬʤʠʫ ʟʭʩʮʚʩʬʲ ʭʩʦʸʠʫ ʥʩʬʣʮ ʭʩʮʚʬʦʩ [7] ʥʲʸʦʥ ʭʩʡʸ ʭʩʮʡ ʥʫʬʮ ʢʢʠʮ ʭʸʩʥ ʟʥʺʫʬʮ ʠʹʰʺʥ ʭʩʸʶʮʮ ʥʠʩʶʥʮ ʬʠ [8] ʥʬ ʭʠʸ ʺʴʲʥʺʫ ʬʫʠʩ ʥʩʸʶ ʭʩʥʢ ʭʤʩʺʮʶʲʥ ʭʸʢʩ ʥʩʶʧʥ ʟʵʧʮʩ ʩʸʠʫ ʡʫʹ ʲʸʫ [9] ʠʩʡʬʫʥ ʥʰʮʩʷʩ ʩʮ ʪʥʸʡ ʪʩʫʸʡʮ ʟʸʥʸʠ ʪʩʸʸʠʥ
1. BILEAMS SEGEN ÜBER ISRAEL (MOS. I § 289–291)
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1.7. ÜBERSETZUNG DES HEBRÄISCHEN TEXTES (NUM 24,3–9) [3] … und ein Spruch des jungen Mannes mit dem aufgeschlossenen Auge.1 [4] Spruch des Hörers der Worte Gottes, der ein Gesicht des Allmächtigen schaut. Er fällt nieder mit geöffneten Augen. [5] „Wie gut sind deine Zelte, Jakob, deine Wohnungen, Israel. [6] Wie Bachtäler werden sie ausgebreitet werden, wie Gärten am Strom, wie Aloebäume, die gepflanzt hat JHWH, wie Zedern an den Wassern. [7] Es fließen Wasser von seinen Eimern, und sein Same [steht] in vielem Wasser, und es soll höher werden als Agag sein König, und erhoben werden soll sein Königtum. [8] Gott hat herausgeführt ihn aus Ägypten, er hat Hörner wie die eines Wildstiers. Er wird fressen die Völker, seine Unterdrücker, und ihre Knochen wird er zermalmen und mit seinen Pfeilen wird er zerschmettern. [9] Er hat sich geduckt, gelegt wie ein Löwe und wie eine Löwin, wer wird ihn erregen? Die dich Segnenden – [seien] gesegnet; und die dich Verfluchenden – [seien] verflucht.“
Die Vulgata legt ʭ ʗʺˈ ʍ statt ʭʗʺˇ ʍ zugrunde und übersetzt mit obturatus („verstopft“, „zugehalten“, „verschlossen“). 1
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D.III. GEBETE VON NICHT-JUDEN
2. Schuldbekenntnis des Flaccus (Flacc. § 169–175) 2.1. EINFÜHRUNG Mit dem Gebet des Flaccus fügt Philo in seinen Bericht über das Pogrom in Alexandrien eine Schilderung der Ereignisse aus einer dritten Perspektive ein. Die erschreckenden Details und Abläufe stehen vergleichsweise nüchtern am Anfang. Es ist die Sicht des Historiographen. Anschließend lässt Philo die Opfer zu Wort kommen, indem er nach der Festnahme des Flaccus das Volk ein Dankgebet sprechen lässt (s.o. S. 360–363). Es dient anders als das Gebet des Flaccus weniger der Rekapitulation der bereits erzählten Ereignisse als vielmehr dem Erweis der Ehrenhaftigkeit der Opfer. Vieles von dem, was zum Dankgebet des Volkes angeführt wurde, lässt sich auf das Flaccusgebet und seinen Hintergrund übertragen. Im Schlussteil seines Gebets setzt Flaccus seine eigenen Leiden in Beziehung zu dem Leiden, das er zuvor den Juden zugefügt hat, und erweist sie so in allen Einzelheiten als adäquate und gerechte Strafe Gottes. Bei dem Gebet handelt es sich um eine literarische Fiktion. Die Verteilung der Gebete und der Wechsel der Perspektiven und Genres machen die Schrift In Flaccum zu einer Komposition, die sowohl Philos apologetische Ambitionen als auch seine literarische Versiertheit widerspiegeln.
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D.III. GEBETE VON NICHT-JUDEN
2.2. GRIECHISCHER TEXT [169] λέγεται δέ ποτε καὶ περὶ μέσας νύκτας ὥσπερ οἱ κορυβαντιῶντες ἔνθους γενόμενος, ἐκ τῆς ἐπαύλεως ἔξω προελθὼν καὶ τὴν ὄψιν ἀνατείνας εἰς οὐρανὸν καὶ τοὺς ἀστέρας, τὸν ἐν κόσμῳ κόσμον ὄντως ἰδών, ἀναβοῆσαι· [170] „βασιλεῦ θεῶν καὶ ἀνθρώπων, οὐκ ἄρα τοῦ τῶν Ἰουδαίων ἔθνους ἀμελῶς ἔχεις, οὐδ᾿ ἐπιψεύδονται τὴν ἐκ σοῦ πρόνοιαν, ἀλλ᾿ ὅσοι φασὶν αὐτοὺς μὴ προαγωνιστῇ σοι καὶ ὑπερμάχῳ χρῆσθαι, δόξης ὑγιοῦς διαμαρτάνουσι. σαφὴς δ᾿ ἐγὼ πίστις· ὅσα γὰρ κατεμάνην τῶν Ἰουδαίων, αὐτὸς πέπονθα. [171] τὰς οὐσίας ἁρπαζομένων περιεῖδον ἐκεχειρίαν τοῖς λεηλατοῦσι διδούς· ἀφῃρέθην διὰ τοῦτο τὰ πατρῷα καὶ μητρῷα καὶ ὅσα ἐν μέρει χάριτος καὶ δωρεᾶς ἔλαβον ἢ ὅσα ἄλλα καθ᾿ ἑτέρας ἰδέας ἐκτησάμην. [172] ὠνείδισά ποτε ἀτιμίαν καὶ ξενιτείαν αὐτοῖς ἐπιτίμοις οὖσι κατοίκοις, ἵν᾿ ἡσθῶσιν οἱ ἀντίπαλοι, πλῆθος ἀσύντακτον καὶ πεφορημένον, ὑφ᾿ οὗ κολακευόμενος ὁ δυστυχὴς ἠπατώμην· διὰ τοῦτο ἠτίμωμαι καὶ φυγὰς ἐξ ἁπάσης ἐληλαμένος τῆς οἰκουμένης ἐνταυθοῖ συγκέκλεισμαι.
2. SCHULDBEKENNTNIS DES FLACCUS (FLACC. § 169–175)
2.3. ÜBERSETZUNG [169] Es wird gesagt aber, dass dann auch um die Mitternächte, wie die Korybanten, er begeistert wurde, aus der Residenz heraus vorgehend, und den Blick erhob zum Himmel und den Sternen; die Ordnung in der Welt wahrhaft sehend, er ausrief: [170] „König der Götter und Menschen, nicht also der Juden Volk vernachlässigst du, und nicht täuschen sie sich in Bezug auf die aus dir [ergehende] Vorsehung, sondern soviele erklären, dass sie nicht als Vorkämpfer dich und als Verteidiger brauchen, die reine Lehre verfehlen sie. Ein klarer Beweis aber bin ich, wieviel nämlich ich Unrecht tat den Juden, selbst habe ich erlitten. [171] Über die Besitztümer Raubenden sah ich hinweg freie Hand den Plündernden gebend. Ich wurde beraubt deshalb in Bezug auf das Väterliche und das Mütterliche und was in Form von Gnade und Schenkung ich bekommen habe oder was anders gemäß sonstiger Gegebenheiten ich erworben habe. [172] Ich warf damals Unehrenhaftigkeit und Fremdheit ihnen vor, obwohl sie vollberechtigte Mitbürger waren, damit sich freuten die Widersacher, eine Menge, ungeordnet und hingerissen, von der umschmeichelt als Unglücklicher ich getäuscht wurde. Deswegen bin ich ehrlos, und – als Flüchtling aus der ganzen bewohnten Welt vertrieben – bin ich hier eingeschlossen.
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D.III. GEBETE VON NICHT-JUDEN
[173] παράγων εἰς τὸ θέατρον ἐνίους ἐν ὄψεσι τῶν ἐχθίστων αἰκίζεσθαι προσέταττον ἀδίκως· τοιγαροῦν ἐγὼ δικαίως οὐκ εἰς θέατρον ἓν ἢ μίαν πόλιν ἐπὶ ταῖς ἐσχάταις ὕβρεσι παρήχθην αἰκισθεὶς πρὸ τοῦ σώματος τὴν ἀθλίαν ψυχήν, ἀλλ᾿ ἐπόμπευσα διὰ μὲν πάσης Ἰταλίας ἄχρι Βρεντεσίου, διὰ δὲ πάσης Πελοποννήσου μέχρι Κορίνθου, διὰ δὲ τῆς Ἀττικῆς καὶ τῶν νήσων ἄχρις Ἄνδρου, τῆς ἐμῆς εἱρκτῆς. [174] καὶ πέπεισμαι σαφῶς, ὅτι οὐκ ἔστιν ὅρος οὗτος τῶν ἐμῶν κακοπραγιῶν, ἀλλ᾿ ἐφεδρεύουσιν ἕτεραι πρὸς ἐκπλήρωσιν ἀντίρροπον ὧν εἰργασάμην. ἀνεῖλόν τινας καὶ ἀναιρεθεῖσι πρὸς ἑτέρων οὐκ ἐπεξῆλθον· κατελεύσθησάν τινες καὶ ζῶντες οἱ μὲν ἐνεπρήσθησαν, οἱ δὲ διὰ μέσης κατεσύρησαν ἀγορᾶς, ἕως ὅλα τὰ σώματα αὐτοῖς ἐδαπανήθη. [175] τούτων οἶδ᾿ ὅτι ἀναμένουσί με αἱ Ποιναί, καὶ οἱ ἀλάστορες ὥσπερ ἐπὶ βαλβῖσιν ἑστᾶσιν ἤδη καὶ φονῶντες ἔγκεινται, καὶ καθ᾿ ἑκάστην ἡμέραν, μᾶλλον δὲ ὥραν, προαποθνῄσκω πολλοὺς θανάτους ὕπομένων ἀνθ᾿ ἑνὸς τοῦ τελευταίου.“
2. SCHULDBEKENNTNIS DES FLACCUS (FLACC. § 169–175)
[173] Indem ich wegführte in das Theater einige, im Angesicht der schlimmsten Feinde gequält zu werden, ordnete ich an ungerechterweise; deshalb bin ich gerechterweise nicht in ein Theater oder in eine Stadt mit den äußersten Misshandlungen übergeben worden, gequält zu werden anstelle meines Körpers in Bezug auf die unglückliche Seele, sondern ich ging im Triumph durch ganz Italien bis Brindisi, durch die ganze Peleponnes bis Korinth, durch Attika und die Inseln bis (zur Insel) Andros, meinem Gefängnis. [174] Und ich bin überzeugt deutlich, dass nicht ist eine Grenze dies meiner schlechten Widerfahrnisse, sondern es stehen bevor andere zur Auffüllung als Gegengewicht für das, was ich getan habe. Getötet habe ich einige, und für Getötete von anderen, nicht habe ich Anklage erhoben; gesteinigt wurden einige und als Lebende wurden die einen verbrannt, die anderen wurden mitten über den Markt geschleppt, bis die Körper ihnen ganz aufgerieben waren. [175] Für dieses weiß ich, dass erwarten mich die Poinen1 und die rächenden Gottheiten, gleich wie an den Schranken stehen sie nunmehr und blutdürstig drängen sie heran; und jeden Tag, mehr noch: [jede] Stunde, sterbe ich im Voraus viele Tode erleidend anstelle von einem, dem letzten.“
1
Die Ποιναί sind Rachegöttinnen, vergleichbar den Erinnyen.
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E . Gebete bei Flavius Josephus
Josephus, der Sohn des Matthias, entstammte einer priesterlichen Familie. Er wurde um das Jahr 37/38 n.Chr. in Jerusalem geboren und verstarb nach 100 n.Chr. Josephus ist der bedeutendste jüdische Geschichtsschreiber der Antike. In führender Position war er am jüdischen Aufstand gegen Rom beteiligt (66–74 n.Chr.). Nach seinem Seitenwechsel nahm er das nomen gentile des regierenden flavischen Kaiserhauses an. „Flavius“ Josephus kam nach dem Krieg nach Rom und wurde dort schriftstellerisch tätig. Josephus beschrieb als Zeitzeuge den jüdischen Krieg und seine Vorgeschichte (De Bello Judaico, ca. 75 n.Chr.). Später verfasste er eine Gesamtgeschichte des Judentums (ἀρχαιολογία, Antiquitates Judaicae oder „Altertümer“, ca. 94 n.Chr.), die in enger Anlehnung an das Alte Testament (bis A.J. 11 § 303) und unter Rückgriff u.a. auf das Werk des Nikolaus von Damaskus (Philosoph und Hofgeschichtsschreiber Herodes des Großen, geb. ca. 64 v.Chr.) die Ereignisse seit der Erschaffung der Welt beleuchtet. Bis auf das „Kapitulationsgebet“ in B.J. 3 § 354 entstammen die hier präsentierten Gebete den Antiquitates und haben in den meisten Fällen einen unmittelbaren Anhalt an den biblischen Erzählungen. Der vermutlich als Anhang zu den Antiquitates entstandenen Autobiographie (Vita) oder den beiden apologetischen Schriften gegen den als Judenfeind stilisierten Apion (Contra Apionem) sind keine als Gebete formulierten Texte zu entnehmen. Im Werk des Josephus als dem wichtigsten Zeugen für die Ereignisse des ersten nachchristlichen Jahrhunderts spielen Jesus (anders als Johannes der Täufer, A.J. 18 § 117) und die entstehenden christlichen Gemeinden keine Rolle. Die Aussagen über Jesus gelten als christliche Einfügung (A.J. 18 § 63f.; 20 § 200). Als Apostat war Josephus auf jüdischer Seite lange Zeit eine Persona non grata. Seine Schriften wurden durch Christen tradiert. Die Angaben des Josephus sind insgesamt zuverlässig und decken sich zu nicht unwesentlichen Teilen mit archäologischen oder anderen literarischen Befunden. Zugleich sind die Schriften des Josephus nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Involvierung und seiner Nähe zum römischen Kaiserhaus interessegeleitet. Anders als bei Philo, bei dem die den betenden Personen in den Mund gelegten Idealgebete zugleich seine eigenen Gebete sein könnten, sind die Gebete bei Josephus nicht primär Ausdruck seiner persönlichen Beziehung zu Gott. Gebete bei Josephus dienen häufig literarischen (z.B. dem Porträtieren der betenden Personen und ihrer Intentionen) oder apologetischen Zwecken.
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E. GEBETE BEI FLAVIUS JOSEPHUS
G riechischer Text Flavii Iosephi opera, edidit et apparatu critico instruxit B. Niese, 7 Bde., Berlin 21955. Flavii Josephi opera omnia, post I. Bekkerum, recognovit S.A. Naber, 6 Bde. (BSGRT), Leipzig 1888–1896. Deutsche Übersetzung FLAVIUS JOSEPHUS‚ De Bello Judaico. Der Jüdische Krieg. Griechisch und Deutsch, hg. und mit einer Einleitung sowie mit Anmerkungen versehen von O. Michel / O. Bauernfeind, 3 Bde. in 4 Teilen, Darmstadt 2013 (= 1959–1969). –, Geschichte des Jüdischen Krieges. Kleinere Schriften, übers. und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von Dr. H. Clementz, durchgesehen und mit einem Vorwort von M. Tilly. Mit ausführlichem Namenregister und zwei von F. Spieß gezeichneten Tafeln. Mit Paragraphenzählung nach Flavii Josephi Opera recognovit B. Niese (Editio minor) Berlin 1888– 1895, Wiesbaden 2005. –‚ Jüdische Altertümer, übers. und mit Einleitung und Anmerkungen versehen von Dr. H. Clementz, mit Paragraphenzählung nach Flavii Josephi Opera recognovit B. Niese (Editio minor) Berlin 1888–1895, neu gesetzte u. überarb. Ausgabe nach der Ausgabe Halle a.S. 1899, wiss. Betreuung M. Tilly, Wiesbaden 22006. Englische Übersetzung FLAVIUS JOSEPHUS, with an English Translation by H.St.J. Thackeray u.a., 9 Bde. (LCL), London u.a. 1926–1965. Französische Übersetzung FLAVIUS JOSÈPHE, Guerre des Juifs, texte établi et traduit par A. Pelletier, 3 Bde., Paris 2/32003– 2009. Oeuvres complètes de Flavius Josèphe, traduites en Français sous la direction de T. Reinach, 7 Bde., Paris 1900–1932. Literatur BÖTTRICH, C. / HERZER, J. (Hg.), unter Mitarbeit von T. REIPRICH, Josephus und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen. II. Internationales Symposium zum Corpus Judaeo-Hellenisticum. 25.–28. Mai 2006, Greifswald (WUNT 209), Tübingen 2007. HARDING‚ M.‚ Making Old Things New. Prayer Texts in Josephus’s Antiquities 1–11: A Study in the Transmission of Tradition, in: J.H. Charlesworth, with M. Harding and M. Kiley (Hg.),
E. GEBETE BEI FLAVIUS JOSEPHUS
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The Lord’s Prayer and Other Prayer Texts from the Greco-Roman Era, Valley Forge 1994, 54–72. –‚ The prayer of Moses in Josephus, Antiquities 2.335–7, in: M. Kiley u.a. (Hg.), Prayer from Alexander to Constantine. A critical anthology, London/New York 1997, 92–98. JONQUIÈRE, T.M., Josephus at Jotapata. Why Josephus Wrote What He Wrote, in: J. Pastor / P. Stern / M. Mor (Hg.), Flavius Josephus. Interpretation and History (JSJ.S 146), Leiden/ Boston 2011, 217–225. –‚ Prayer in Josephus (AGJU 70), Leiden/Boston 2007. –, Josephus’ Use of Prayers. Between Narrative and Theology, in: J. Sievers / G. Lembi (Hg.), Josephus and Jewish History in Flavian Rome and Beyond (JSJ.S 104), Leiden/Boston 2005, 229–243. –‚ Prayer in Josephus, in: R. Egger-Wenzel / J. Corley (Hg.), Prayer from Tobit to Qumran. Inaugural Conference of the ISDCL at Salzburg, Austria, 5–9 July 2003 (DCL.Y), Berlin/New York 2004, 429–437. –‚ Two Prayers by King Solomon in Josephus’ Antiquities 8 and the Bible, in: F. Siegert / J.U. Kalms (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Paris 2001 (MJSt 12), Münster 2002, 72–89. OSTMEYER, K.-H., Rezension zu T.M. Jonquière, Prayer in Josephus [2007], in: ThLZ 133 (2008), 617–619. PASTOR, J. / STERN, P. / MOR, M. (Hg.), Flavius Josephus. Interpretation and History (JSJ.S 146), Leiden/Boston 2011. VAN DER HORST, P.W., Silent Prayer in Antiquity, in: Numen 41 (1994), 1–25. VAN UNNIK, W.C., Eine merkwürdige liturgische Aussage bei Josephus (Jos Ant 8,111–113), in: O. Betz / K. Haacker / M. Hengel (Hg.), Josephus-Studien. Untersuchungen zu Josephus, dem antiken Judentum und dem Neuen Testament, FS O. Michel, Göttingen 1974, 362– 369.
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E.I. GEBETE BEI FLAVIUS JOSEPHUS
I. GEBETE IN BIBLISCHEM KONTEXT
1. Segen Isaaks über Jakob (A.J. 1 § 272–273)1 1.1. EINFÜHRUNG Im ersten Teil seiner Antiquitates orientiert Josephus sich eng am Ablauf der Ereignisse in den biblischen Schriften. Abweichungen im Detail erlauben Rückschlüsse auf Intentionen und Akzentsetzungen des Josephus. Beiden Fassungen des Isaaksegens (Gen 27,28f.; A.J. 1 § 272f.) ist gemein, dass der erblindete Stammvater getäuscht wird. Jakob erschleicht sich den seinem Bruder Esau zugedachten Segen und macht sich im Anschluss aus Angst vor seinem Bruder auf die Flucht.2 Josephus stellt die im Kontext des Segens relevante Erzählung, in der Esau sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht an Jakob verkauft (Gen 25,29–34), hintan. Erst nach dem Tode Isaaks (A.J. 1 § 345f.) zu Beginn des zweiten Buches der Antiquitates (2 § 3) erscheint die Geschichte des roten Linsengerichts als Erklärung für den Namen „Edom“ (hebräisch: „rot“). Deutlich wird eine Tendenz, Jakob durch die Entflechtung unvorteilhafter Erzählungen in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Josephus fügt Passagen ein und kürzt an anderer Stelle. Er präsentiert einen neuen Text und greift nicht auf den genauen Wortlaut seiner Vorlage zurück.3 Der Genesistext der Septuaginta ist deshalb zum Vergleich in den Anmerkungen beigegeben. Während Gen 27,28f. den Segen des Isaak in der dritten Person formuliert, bietet ihn Josephus im ersten Buch der Antiquitates als Gebet in unmittelbarer Anrede an Gott. Dahingegen wird der Segen für Esau im Unterschied zu Gen 27,39f. nur noch in indirekter Rede referiert (A.J. 1 § 275).4 Bemerkenswert ist, dass Isaak in den Antiquitates zunächst seine eigene Schwäche thematisiert – möglicherweise als durch Josephus eingebrachte Entschuldigung des 1
JONQUIÈRE (2007), Prayer, 63–77. Eine materialreiche Diskussion der Frage, inwiefern es angemessen ist, von einem „Erschleichen“ des Segens zu sprechen, bietet J.T. RADDAY, in: ders., unter Mitarbeit von M. Schultz, Auf den Spuren der Parascha. Ein Stück Tora. Zum Lernen des Wochenabschnitts, Bd. 8, Berlin 2001, 6–24. 3 JONQUIÈRE (2007), Prayer, 65: Josephus “adapted them [the prayers] to his purpose, as a means to portray Jacob, the patriarch of the people of Israel.” 4 JONQUIÈRE (2007), Prayer, 65: “In Genesis the prayer is actually a blessing addressed to Jacob (or Esau), whereas Josephus has turned it into a prayer addressed to God.” 2
1. SEGEN ISAAKS ÜBER JAKOB (A.J. 1 § 272–273)
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Stammvaters für seinen Segnungsfehler.1 Eine weitere Abänderung des Bibeltextes ist die Bitte um Unberührtheit von Übel. Ausgelassen sind das Dienen der Völker und die Herrschaft über den Bruder. Anstelle des Fluches für die Fluchenden und des Segens für die Segnenden spricht Josephus in den Antiquitates (A.J. 1 § 273) von der Furcht der Feinde und der Liebe der Freunde.
1
Vgl. JONQUIÈRE (2007), Prayer, 72.
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E.I. GEBETE IN BIBLISCHEM KONTEXT
1.2. GRIECHISCHER TEXT [272] … τρέπεται πρὸς εὐχὰς καὶ παράκλησιν τοῦ θεοῦ „δέσποτα, λέγων, παντὸς αἰῶνος καὶ δημιουργὲ τῆς ὅλης οὐσίας· σὺ γὰρ πατρὶ τῷ ἐμῷ μεγάλην ἰσχὺν προύθηκας ἀγαθῶν κἀμὲ τῶν παρόντων ἠξίωσας καὶ τοῖς ἐξ ἐμοῦ γενομένοις ὑπέσχου βοηθὸς εὐμενὴς καὶ δοτὴρ ἀεὶ τῶν κρειττόνων ἔσεσθαι· [273] ταῦτ᾿ οὖν καὶ βεβαίωσον καὶ μὴ περιίδῃς με διὰ τὴν παροῦσαν ἀσθένειαν, δι᾿ ἣν καὶ μᾶλλόν σου δεόμενος τυγχάνω, καί μοι παῖδα τοῦτον εὐμενὴς σῶζε καὶ παντὸς ἀπαθῆ κακοῦ διαφύλαττε δοὺς αὐτῷ βίον εὐδαίμονα καὶ κτῆσιν ἀγαθῶν, ὅσων σοι δύναμις παρασχεῖν, ποιήσας δ᾿ αὐτὸν φοβερὸν μὲν ἐχθροῖς φίλοις δὲ τίμιον καὶ κεχαρισμένον.“1
1 GenLXX 27,28f.: καὶ δῴη σοι ὁ θεὸς ἀπὸ τῆς δρόσου τοῦ οὐρανοῦ καὶ ἀπὸ τῆς πιότητος τῆς γῆς καὶ πλῆθος σίτου καὶ οἴνου. καὶ δουλευσάτωσάν σοι ἔθνη καὶ προσκυνήσουσίν σοι ἄρχοντες καὶ γίνου κύριος τοῦ ἀδελφοῦ σου καὶ προςκυνήσουσίν σοι οἱ υἱοὶ τοῦ πατρός σου ὁ καταρώμενός σε ἐπικατάρατος ὁ δὲ εὐλογῶν σε εὐλογημένος.
1. SEGEN ISAAKS ÜBER JAKOB (A.J. 1 § 272–273)
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1.3. ÜBERSETZUNG [272] … Er (Isaak) wendet sich Gebeten zu und einer Anrufung Gottes: „Herr“, sagend, „jedes Zeitalters und Schöpfer des ganzen Seins, du nämlich stelltest meinem Vater (Abraham) große Fülle guter Dinge [vor Augen] und mich der gegenwärtigen Güter würdigtest du und den aus mir Gewordenen (meinen Nachkommen) versprachst du, ein wohlmeinender Helfer und Geber immer der [noch] besseren [Dinge] zu sein. [273] Dies nun auch bestätige, und nicht übersieh mich wegen der gegenwärtigen Schwäche, deretwegen auch mehr [= hauptsächlich] ich gerade dich bitte, und – mir dieses Kind wohlmeinend bewahre und hinsichtlich jedes Übels unerfahren – schütze es, indem du gibst ihm glückliches Leben und Besitz von Gütern, wie viele dir Macht ist zu gewähren. Indem du machst aber ihn schrecklich für Feinde, für Freunde aber geliebt und geehrt.“1
1
Gen 27,28f.: „Und es möge geben dir Gott von dem Tau des Himmels und von der Fettigkeit der Erde und die Fülle des Weizens und des Weins. Und es sollen dienen dir Völker und es werden die Proskynese dir erweisen Herrschende, und werde Herr deines Bruders und es werden die Proskynese dir erweisen die Söhne deines Vaters. Der dich Verfluchende ist verflucht; der dich Segnende ist gesegnet.“
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E.I. GEBETE IN BIBLISCHEM KONTEXT
2. Gebet des Mose vor dem Schilfmeer (A.J. 2 § 335–337)1 2.1. EINFÜHRUNG Der erste Teil von Ex 14 beschreibt die scheinbar aussichtslose Lage der aus Ägypten geflohenen Israeliten. Die ägyptischen Verfolger stehen den Flüchtlingen im Rücken und bereiten sich zum Angriff, nach vorne ist der Weg durch das Meer verschlossen. Die Menschen schreien zu Gott und bezichtigen Mose, sie zu ihrem Unglück aus Ägypten geführt zu haben (Ex 14,10f.). Mose versucht, das Volk zu beschwichtigen (Ex 14,13f.). Scheinbar unvermittelt und unmotiviert richtet Gott in Ex 14,15 an Mose die Frage: „Was schreist du zu mir?“ Für das Schreien des Volkes zu Gott und in der Frage Gottes an Mose wird dasselbe Wort verwendet: ʷʲʶ (MT) bzw. βοάω (LXX). Da es für die Ausleger der Stelle nicht denkbar ist, dass Gott einen Fehler macht oder ungerecht handelt, muss hier eine „Leerstelle“ angenommen werden: Mose muss zuvor zu Gott geschrien haben. Auf dem Höhepunkt der Spannung kann Josephus sein Publikum nicht mit einer Unstimmigkeit im vorgegebenen Text allein lassen. Er möchte einen stringenten Text bieten und füllt die Diskrepanz im Text, indem er das Gottvertrauen Moses und des Volkes betont, in dessen Namen Mose spricht. Zugleich deutet Josephus durch seine nicht in seiner Vorlage vorhandenen Einfügungen an, dass Gott noch weitere Möglichkeiten zur Rettung des Volkes gehabt hätte. Gott wird als Herr der Elemente gezeichnet. Er vermag zu Lande, zu Wasser und in der Luft zu retten. Das hier eingefügte Gebet und seine Argumentation veranschaulichen das Mosebild des Josephus. Mose ist angesichts der aussichtslosen Lage nicht verzweifelt. Er sieht verschiedene Rettungsmöglichkeiten und schlägt sie Gott im Vertrauen auf dessen Allmacht vor.2 Während im biblischen Text Gott Mose konkrete Handlungsanweisungen gibt (Ex 14,15–18) ist bei Josephus von keiner Antwort oder unmittelbaren Reaktion Gottes die Rede. Mose schlägt nach Beendigung seines Gebets (A.J. 2 § 335–337) auf das Meer, das daraufhin zurückweicht. Dieses Zurückweichen versichert ihn der Gegenwart Gottes.
1
HARDING‚ Prayer, 92–98; JONQUIÈRE (2007), Prayer, 91–99. JONQUIÈRE (2007), Prayer, 92: “This is keeping in with Josephus’ portrayal of Moses at the end of his account of him in Antiquitates: Moses is the wisest of all men, the most eloquent, free of passion, a wonderful general, and a prophet without equal” (A.J. 4 § 327–331). 2
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E.I. GEBETE IN BIBLISCHEM KONTEXT
2.2. GRIECHISCHER TEXT [335] „οὐδ᾿ αὐτὸς μὲν ἀγνοεῖς, ὅτι φυγεῖν ἡμῖν ἐκ τῶν παρόντων οὔτε κατὰ ῥώμην οὔτε κατ᾿ ἐπίνοιάν ἐστιν ἀνθρωπίνην, ἀλλ᾿ εἰ δή τι πάντως σωτήριον στρατῷ τῷ κατὰ τὴν σὴν βούλησιν ἀφέντι τὴν Αἴγυπτον, σόν ἐστιν ἐκπορίζειν. [336] ἡμεῖς τε ἄλλην ἀπεγνωκότες ἐλπίδα καὶ μηχανὴν εἰς τὴν ἀπὸ σοῦ μόνου καταφεύγομεν, καὶ εἴ τι παρὰ τῆς σῆς ἔλθοι προνοίας ἐξαρπάσαι τῆς Αἰγυπτίων ὀργῆς ἡμᾶς δυνάμενον ἀφορῶμεν. ἀφίκοιτο δὲ τοῦτο ταχέως τὴν σὴν ἐμφανίσον ἡμῖν δύναμιν καὶ τὸν λαὸν ὑπὸ ἀνελπιστίας καταπεπτωκότα πρὸς τὸ χεῖρον ἀναστῆσον εἰς εὐθυμίαν καὶ τὸ περὶ τῆς σωτηρίας θάρσος. [337] ἐν οὐκ ἀλλοτρίοις δ᾿ ἐσμὲν τοῖς ἀπόροις, ἀλλὰ σὴ μὲν ἡ θάλασσα, σὸν δὲ τὸ περικλεῖον ἡμᾶς ὄρος, ὡς ἀνοιγῆναι μὲν τοῦτο σοῦ κελεύσαντος, ἠπειρωθῆναι δὲ καὶ τὸ πέλαγος, εἶναι δὲ ἡμῖν ἀποδρᾶναι καὶ δι᾿ ἀέρος δόξαν ἰσχύι τῇ σῇ τοῦτον ἡμᾶς σώζεσθαι τὸν τρόπον.“
2. GEBET DES MOSE VOR DEM SCHILFMEER (A.J. 2 § 335–337)
2.3. ÜBERSETZUNG [335] Und nicht selbst zwar bist du unwissend, dass zu fliehen uns aus den Gegenwärtigen [Bedrängnissen] weder gemäß Stärke noch gemäß menschlicher Überlegung [möglich] ist, sondern wenn nunmehr durchaus irgendeine Rettung für das Heer [existiert], das gemäß deinem Willen verließ Ägypten, an dir ist es [sie] zu gewähren. [336] Wir auch, verzweifelt in Bezug auf eine andere Hoffnung und in Bezug auf eine Hilfe, zu der von dir allein her, nehmen wir Zuflucht. Und wenn etwas von deiner Vorsehung kommen möge, das uns aus der Ägypter Zorn zu entreißen vermag, wir blicken darauf. Kommen möge aber dieses schnell, deine Macht offenbare uns, und das Volk, das aus Hoffnungslosigkeit niedergefallen ist zu dem Schlimmeren, richte auf zur Freude und zur Zuversicht hinsichtlich der Rettung. [337] In nicht fremden Ausweglosigkeiten sind wir, sondern, dein zwar ist das Meer, aber dein [auch] der uns umschließende Berg, dass er geöffnet wird, wenn du dies befiehlst, dass aber zu Festland gemacht wird auch das offene Meer, dass wir aber [imstande] sind wegzulaufen auch durch die Luft, zum Ruhm für deine Stärke, dass wir gerettet werden auf diese Weise.
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3. Moses Rechtfertigungsgebet gegen Datham (A.J. 4 § 40–50)1 3.1. EINFÜHRUNG Auf Gottes Geheiß ist Aaron mit seinen Nachkommen von Mose zum Priester bestimmt worden. Dieser Führungsanspruch Moses und Aarons wird im Volk in Frage gestellt, namentlich durch Korach, Dathan2 und Abiram (Num 16,1–3.12–14). Gott reagiert und fordert in Num 16,20f. Mose und Aaron auf, sich vom Volk abzusondern, um dessen Vernichtung zu ermöglichen. In einem kurzen Gebet fragt Mose, ob Gott etwa wegen des Vergehens eines Einzelnen das ganze Volk vernichten wolle (Num 16,22). Daraufhin befiehlt Gott, sich von den Aufrührern zu trennen (Num 16,24). Mose kündigt nun dem Volk ein außerordentliches Ende Korachs, Dathans und Abirams samt ihren Familien an (Num 16,29f.). Die spektakuläre Vernichtung möge dem Volk als Beweis gelten, dass Mose nicht aus persönlichen Motiven, sondern auf Befehl Gottes seinen Bruder zum Priester bestimmt hat (Num 16,28). Nach der Rede Moses an das Volk werden die Meuterer mit ihrem Anhang von der Erde verschluckt (Num 16,31–35). Josephus formt die Reden Moses an das Volk zu einem Gebet (A.J. 4 § 40–50). Es mündet in A.J. 4 § 50 in Anlehnung an Num 16,22 in eine kurze Fürbitte, in der Mose um Verschonung der (unschuldigen) Volksmehrheit bittet.3 Das hier gebotene Gebet erhält dadurch seinen besonderen Reiz, dass es einen Abriss der Geschehnisse seit dem Auszug aus Ägypten bietet. Die Reihenfolge der Abläufe präsentiert Josephus in einer vom Bibeltext abweichenden und stringenteren Form. Josephus demonstriert mit seiner Gebetsfassung die Übereinstimmung des Handelns Moses mit dem Willen Gottes von Beginn an. Die Beleidigung und Anklage Moses erscheint als gegen Gott gerichtet. Josephus verleiht dem Gebet gegenüber der biblischen Fassung zusätzliches Gewicht dadurch, dass Mose darin seine eigene Existenz in die Waagschale wirft: Sofern die Vorwürfe gegen ihn begründet seien, möge er selbst vernichtet werden. Dramatisierend erfolgt der Untergang der Gegner als unmittelbare Folge des Gebets. Die Art der Darstellung und die Umformung des Bibelwortlauts erweist den literarischen Anspruch des Josephus und seine Freiheit im Umgang mit dem vorgegebenen Ma-
1
JONQUIÈRE (2007), Prayer, 108–120. Josephus verwendet in seinen Schriften Δαϑάμης im Unterschied zu Δαϑαν in der LXX und dekliniert den Namen. Daher wird der Name mit „Datham“ übersetzt, wenn er aus einer Schrift des Josephus stammt. Andernfalls wird die Übersetzung „Dathan“ verwendet. 3 In Num 16,22 wird dieses Gebet von Mose und Aaron gemeinsam gesprochen. 2
3. MOSES RECHTFERTIGUNGSGEBET GEGEN DATHAM (A.J. 4 § 40–50)
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terial. Wie schon bei dem zuvor besprochenen Gebet geht es Josephus darum, die herausragende Position Moses und seine besondere Nähe zu Gott zu betonen.
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3.2. GRIECHISCHER TEXT [40] Ὁ δὲ πλησίον γενόμενος τὰς χεῖρας εἰς τὸν οὐρανὸν ἀνασχὼν γεγωνότερον ἐκβοήσας, ὡς ἀκουστὸν πάσῃ τῇ πληθύι γενέσθαι, „δέσποτα, φησί, τῶν ἐπ᾿ οὐρανοῦ τε καὶ γῆς καὶ θαλάσσης· σὺ γὰρ ἐμοὶ τῶν ὑπ᾿ ἐμοῦ πεπραγμένων μάρτυς ἀξιολογώτατος, ὡς γνώμῃ τε σῇ γίνεται πάντα καὶ δρωμένοις μηχανὴν ἐξεπόρισας οἶκτον ἐν πᾶσι δεινοῖς Ἑβραίων ποιησάμενος, ἐλθέ μοι τούτων ἀκροατὴς τῶν λόγων· [41] σὲ γὰρ οὔτε πραττόμενον οὔτε νοηθὲν λανθάνει, ὥστ᾿ οὐδὲ φθονήσεις μοι τῆς ἀληθείας τὴν τούτων ἀχαριστίαν ἐπίπροσθεν θέμενος. τὰ μὲν οὖν πρεσβύτερα τῆς ἐμῆς γενέσεως αὐτὸς οἶσθ᾿ ἀκριβέστερον οὐκ ἀκοῇ μαθὼν ὄψει δὲ τότ᾿ αὐτοῖς παρὼν γινομένοις, ἃ δὲ ἐπὶ τούτοις καίπερ ἐπιστάμενοι σαφῶς ἀδίκως ὑπονοοῦσι, τούτων μοι γενοῦ μάρτυς. [42] ἐγὼ βίον ἀπράγμονα καταστησάμενος ἀνδραγαθίᾳ μὲν ἐμῇ σῇ δὲ βουλῇ, καὶ τοῦτον Ῥαγουήλου μοι τοῦ πενθεροῦ καταλιπόντος ἀφεὶς τὴν ἐκείνων ἀπόλαυσιν τῶν ἀγαθῶν ἐμαυτὸν ἐπέδωκα ταῖς ὑπὲρ τούτων ταλαιπωρίαις. καὶ πρότερον μὲν ὑπὲρ τῆς ἐλευθερίας αὐτῶν, νῦν δ᾿ ὑπὲρ τῆς σωτηρίας μεγάλους ὑπέστην πόνους καὶ παντὶ δεινῷ τοὐμὸν ἀντιτάξας πρόθυμον.
3. MOSES RECHTFERTIGUNGSGEBET GEGEN DATHAM (A.J. 4 § 40–50)
3.3. ÜBERSETZUNG [40] Als er [Mose] aber nahegekommen war, die Hände zum Himmel erhoben, lauter rief er aus, dass hörbar der ganzen Menge es wurde: „Herr“, sagt er „derer in dem Himmel und auf der Erde und im Meer du nämlich [bist] mir der [Dinge], die von mir getan sind, aufrichtigster Zeuge, dass nach deinem Willen auch wird alles, der [du] auch für die Handlungen ein Mittel verschaffte und der sich Erbarmen in allen Gefahren der Hebräer bereitete, komm zu mir als Hörer dieser Worte. [41] Für dich nämlich ist weder, was getan wird, noch, was gedacht ist, verborgen, so dass auch nicht du missgönnst mir die Wahrheit, indem du den Undank dieser voranstellst. Was älter ist als meine Geburt weißt du selbst genauer. Nicht durch Gerücht belehrt – durch Anblick aber; denn damals warst du da, als sie geworden sind. Was aber sie darüber (über diese Angelegenheiten), obwohl genau wissend, ungerecht unterstellen, dafür sei mir Zeuge. [42] Als ich ein unpolitisches Leben führte durch meine Rechtschaffenheit und durch deinen Rat, und als ich in Bezug auf das Raguels, das er als Schwiegervater mir hinterließ, aufgab den Genuss jener guten [Dinge], gab ich mich selbst hin den Leiden für diese und zuvor für die Befreiung dieser. Jetzt aber für die Rettung nahm ich große Mühen auf mich indem ich auch jeder Gefahr [diesen] meinen Eifer entgegensetzte.
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[43] νῦν οὖν ἐπεὶ κακουργεῖν ὑποπτεύομαι παρ᾿ ἀνδράσιν, οἷς ἐκ τῶν ἐμῶν καμάτων ὑπῆρχε τὸ περιεῖναι, εἰκότως ἂν αὐτός, ὁ τὸ πῦρ ἐκεῖνό μοι φήνας κατὰ τὸ Σιναῖον καὶ τῆς σαυτοῦ φωνῆς ἀκροατὴν τότε καταστήσας καὶ θεατὴν τεράτων ὅσα μοι παρέσχεν ἰδεῖν ἐκεῖνος ὁ τόπος ποιήσας, ὁ κελεύσας ἐπ᾿ Αἰγύπτου σταλῆναι καὶ τὴν σὴν γνώμην τούτοις ἐμφανίσαι, [44] ὁ τὴν Αἰγυπτίων εὐδαιμονίαν σείσας καὶ τῆς ὑπ᾿ αὐτοὺς δουλείας δρασμὸν ἡμῖν παρασχὼν καὶ μικροτέραν ἐμοῦ τὴν Φαραώθου ποιήσας ἡγεμονίαν, ὁ γῆν ἡμῖν ἀμαθῶς ἔχουσι τῶν ὁδῶν ποιήσας τὸ πέλαγος καὶ τὴν ἀνακεκομμένην θάλασσαν τοῖς Αἰγυπτίων ἐπικυμήνας ὀλέθροις, ὁ γυμνοῖς οὖσι τὴν ἐξ ὅπλων ἀσφάλειαν χαρισάμενος, [45] ὁ ποτίμους ἡμῖν διεφθαρμένας πηγὰς ῥεῦσαι παρασκευάσας καὶ τελέως ἀποροῦσιν ἐκ πετρῶν ἐλθεῖν ἡμῖν ποτὸν μηχανησάμενος, ὁ τῶν γῆθεν ἀπορουμένους εἰς τροφὴν διασώσας τοῖς ἀπὸ θαλάσσης, ὁ καὶ ἀπ᾿ οὐρανοῦ τροφὴν καταπέμψας οὐ πρότερον ἱστορηθεῖσαν, ὁ νόμων ἡμῖν ἐπίνοιαν ὑποθέμενος καὶ διάταξιν πολιτείας·
3. MOSES RECHTFERTIGUNGSGEBET GEGEN DATHAM (A.J. 4 § 40–50)
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[43] Nun also dann übel zu handeln, bin ich verdächtigt von Männern, deren Überleben sich meinen Mühen verdankte. Gleichermaßen wohl [du] selbst bist mitverdächtigt, der jenes Feuer mir zeigte bei dem Sinai und der mich zu deiner Stimme Hörer damals bestimmt hat, und als einen Betrachter der Wunder – welche mir präsentierte zu sehen jener Ort – gemacht hat und der befahl, gegen Ägypten sich zu rüsten und deine Absicht diesen mitzuteilen. [44] Der der Ägypter Glück erschüttert hat und aus der Knechtschaft unter ihnen Flucht uns bereitet hat und der kleiner als meine des Pharao Herrschaft gemacht hat. Der zu Land uns, die wir unkundig waren der Wege, gemacht hat die offene See und das zurückgehaltene Meer für die Verderben der Ägypter hat überfluten lassen. Der nackt Seienden (Unbewaffneten) die aus Waffen [stammende] Sicherheit vergönnt hat. [45] Der machte, dass als Trinkwasser für uns verdorbene Quellen flossen, und endlich für die Zweifelnden bewirkte, dass aus dem Felsen für uns Trank kam. Der, als wir an denen (den Speisen) von der Erde Mangel hatten zur Speise, uns rettete durch die vom Meer.1 Der auch vom Himmel Speise herab sandte, die nicht zuvor bekannt war. Der uns das Bedenken der Gesetze lehrte und die Ordnung des Staatswesens.
1 Laut NumLXX 11,31 sandte JHWH zur Speise Wachteln vom Meer her (ἀπὸ τῆς θαλάσσης). Vgl. Weish 19,12.
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[46] ἐλθέ, δέσποτα τῶν ὅλων, δικαστής μου καὶ μάρτυς ἀδωροδόκητος, ὡς οὔτε δωρεὰν ἐγὼ παρ᾿ Ἑβραίων τινὸς κατὰ τοῦ δικαίου προσηκάμην οὔτε πλούτῳ κατέκρινα πενίαν νικᾶν δυναμένην οὔτε ἐπὶ βλάβῃ τοῦ κοινοῦ πολιτευσάμενος εἰς ἀλλοτριωτάτας τῶν ἐμῶν ἐπιτηδευμάτων ἐπινοίας πάρειμι, ὡς οὐχὶ σοῦ κελεύσαντος Ἀαρῶνι δοὺς τὴν ἱερωσύνην ἀλλὰ κατ᾿ ἐμὴν χάριν. [47] παράστησον δὲ καὶ νῦν, ὅτι πάντα σῇ προνοίᾳ διοικεῖται καὶ μηδὲν αὐτομάτως ἀλλὰ κατὰ βούλησιν βραβευόμενον τὴν σὴν εἰς τέλος ἔρχεται, ὅτι δὲ φροντίζεις τῶν Ἑβραίους ὀνησόντων, μετελθὼν Ἀβίραμον καὶ Δαθάμην, οἵ σου καταδικάζουσιν ἀναισθησίαν ὡς ὑπ᾿ ἐμῆς τέχνης νικωμένου. [48] ποιήσεις δὲ φανερὰν τὴν ἐπ᾿ αὐτοῖς δίκην οὕτως μεμηνότων κατὰ τῆς σῆς δόξης, μὴ κοινῶς ἐκ τοῦ ζῆν αὐτοὺς μεταστήσας μηδ᾿ ὡς ἀποθανόντας κατ᾿ ἀνθρώπινον ἐξεληλυθότας τοῦ βίου φανέντας νόμον, ἀλλὰ χάνοι περὶ αὐτοὺς ἅμα τῇ γενεᾷ καὶ τοῖς ὑπάρχουσιν ἣν πατοῦσι γῆν·
3. MOSES RECHTFERTIGUNGSGEBET GEGEN DATHAM (A.J. 4 § 40–50)
[46] Komm Herr aller Dinge, mein Richter und unbestechlicher Zeuge, dass weder ein Geschenk ich von irgendeinem der Hebräer gegen das Gerechte angenommen habe, noch für Reichtum verurteilt habe Armut, die zu siegen vermochte, noch zum Schaden der Gemeinschaft mich aufführte. In Bezug auf die fremdesten Absichten meiner Handlungen bin ich [verdächtigt], dass nicht auf deinen Befehl Aaron ich gab die Priesterwürde, sondern gemäß meiner Gnade. [47] Bringe aber auch jetzt bei, dass alles durch deine Vorsehung geregelt wird und nichts von selbst, sondern, gemäß deinem Willen kontrolliert, zum Ziel kommt, dass aber du sorgst für die, die den Hebräern nützen werden, einschreitend gegen Abiram und Datham, die Verleumdungen ausstoßen in Bezug auf deine (angebliche) Unaufmerksamkeit; als ob du von meiner Kunst besiegt wirst. [48] Du wirst aber machen offenbar über ihnen Strafe, so von Sinnen seiend wider deine Lehre, [als einer,] der nicht auf übliche Weise aus dem Leben sie führt, und nicht wie Gestorbene nach Menschenart Gegangene, als nach dem Gesetz des Lebens Erscheinende. Sondern es möge aufklaffen um sie zusammen mit dem Geschlecht und den Besitztümern die Erde, auf der sie wandeln.
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[49] τοῦτο γὰρ σῆς ἐπίδειξις ἂν ἰσχύος ἅπασι γένοιτο καὶ διδασκαλία σωφροσύνης δὲ εἰς τοὺς ταῦτα πείσεσθαι περὶ σοῦ δοξάζοντας οὐχ ὅσια· εὑρεθείην γὰρ ἂν οὕτως ἀγαθὸς ὑπηρέτης ὧν σὺ προστάσσεις. [50] εἰ δ᾿ ἀληθεῖς πεποίηνται τὰς κατ᾿ ἐμοῦ διαβολάς, τοὺς μὲν ἀπαθεῖς ἀπὸ παντὸς φυλάξεις κακοῦ, ὃν δ᾿ ἐπηρασάμην ὄλεθρον αὐτοῖς τοῦτον ποιήσεις ἐμόν, καὶ δίκην εἰσπραξάμενος παρὰ τοῦ τὸν σὸν ἀδικῆσαι θελήσαντος λαὸν τοῦ λοιποῦ βραβεύων ὁμόνοιαν καὶ εἰρήνην σῶζε τὴν πληθὺν ἑπομένην τοῖς σοῖς προστάγμασιν, ἀπαθῆ τηρῶν αὐτὴν καὶ ἀκοινώνητον τῆς τῶν ἡμαρτηκότων κολάσεως· σὺ γὰρ αὐτὸς οἶσθα, ὡς οὐ δίκαιον ὑπὲρ τῆς ἐκείνων κακίας κοινῇ πάντας Ἰσραηλίτας τιμωρίαν ἐκτίνειν.“1
1 NumLXX 16,22b: θεὸς θεὸς τῶν πνευμάτων καὶ πάσης σαρκός εἰ ἄνθρωπος εἷς ἥμαρτεν ἐπὶ πᾶσαν τὴν συναγωγὴν ὀργὴ κυρίου.
3. MOSES RECHTFERTIGUNGSGEBET GEGEN DATHAM (A.J. 4 § 40–50)
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[49] Dies nämlich möge allen ein Beispiel deiner Kraft werden und eine Lehre der Besonnenheit aber zu denen, – dass sie dies erleiden werden – die über dich meinen nicht Heiliges. Ich nämlich dürfte wohl erfunden worden sein so als ein guter Diener der [Dinge], die du anordnest. [50] Wenn aber wahre Anklagen1 sie gemacht haben wider mich, die einen, leidfrei von allem Übel wirst du sie bewahren, das aber, was ich herbeigefleht habe als Verderben für sie, dies tue mir, auch das Urteil ausführend gegen den, der an deinem Volk Unrecht tun wollte. Künftig verleihend Einmütigkeit und Frieden, bewahre die Menge, die folgt deinen Anordnungen, ohne Leid, indem du wachst über sie und den, der nicht Teil hat an der Strafe der Sünder. Du nämlich selbst weißt, dass nicht gerecht [es ist] wegen des Übels jener, dass gemeinsam alle Israeliten Strafe bezahlen.2
1
Wörtlich: „Verleumdungen“, „falsche Anklagen“. Num 16,22b: „Gott, Gott der Geister und jedes Fleisches, wenn ein Mensch gesündigt hat, über die ganze Gemeinschaft kommt der Zorn des Herrn?“ 2
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4. Gebet Josuas nach einer militärischen Niederlage (A.J. 5 § 39–41)1 4.1. EINFÜHRUNG Nach der Eroberung Jerichos wendet sich Josua sowohl im fünften Buch der Antiquitates als auch in Jos 7 mit 3000 Mann gegen die Stadt Ai bzw. Anna. Überraschend wird das Heer der Israeliten zurückgeschlagen und verliert 36 Kämpfer. Angesichts dieser Niederlage bieten beide Texte ein Gebet. Anders als in zuvor besprochenen Gebetstexten bei Josephus handelt es sich diesmal nicht nur um eine Entfaltung eines biblischen Hinweises auf ein tatsächliches Beten oder um eine Erweiterung eines Kurzgebets, sondern um die Ersetzung eines vorgegebenen alttestamentlichen Gebetstextes durch ein eigenständiges Gebet auf der Basis derselben Ausgangssituation. Offenkundig wollte Josephus das Gebet in Jos 7,7–9 in der vorgegebenen Form nicht tradieren. Die Parallelität der beiden Texte auf der einen und ihre Eigenständigkeit auf der anderen Seite erlauben einen Blick auf die Charakteristika der Theologie des Josephus und auf die Art seines Umgangs mit Texten. Da der Textbestand der beiden Gebetsversionen keine nennenswerten Übereinstimmungen aufweist, ist hier auf eine parallele Anordnung verzichtet. Um trotzdem einen bequemen Vergleich zu ermöglich, wird die Septuagintaversion mit ihrer Übersetzung separat dem Josephustext nachgestellt. Auf einige Unterschiede sei hingewiesen: 1. Das Josephusgebet ist durchgängig in der 1. Person Plural gehalten. Der Bibeltext hat zwar auch das Volk, dem Josua sich einfügt, vor Augen, doch wird z.B. durch den Gebrauch der 1. Person Singular in Jos 7,8a Josuas Sonderrolle stärker betont. 2. Bemerkenswert ist der unterschiedliche Duktus der Gebete. In dem Antiquitates-Gebet stellt sich Josua in die Heilsgeschichte hinein, die in Mose und dem Auszug aus Ägypten einen Höhepunkt fand. Wichtig ist für Josephus, Josua betonen zu lassen, man habe nicht aus eigenem Antrieb gehandelt, sondern den Verheißungen Glauben geschenkt. Einiges davon sei eingetroffen, anderes noch nicht. Doch nun nach der Niederlage drohe dieses Vertrauen zu zerbrechen. Indem im Josephusgebet Mose eingefügt und an die Seite Gottes gerückt wird, erfährt er eine zusätzliche und für Josephus typische Aufwertung. Der biblische Text erwähnt Mose nicht und stellt mit großer Schärfe die bisherige Geschichte und die Überschreitung des Jordans in Frage (Jos 7,7b). 3. Während die Bitte um Wendung des Schicksals im Josuabuch nur implizit ist, schließt das Gebet in den Antiquitates mit der konkreten Bitte um den zukünftigen Sieg als Bestätigung für die Gültigkeit der gegebenen Verheißungen: Wie soll Gottes Name in Zukunft zu Ehren kommen, wenn das Volk ausgelöscht ist? 1
JONQUIÈRE (2007), Prayer, 120–123.
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4.2. GRIECHISCHER TEXT NACH A.J. 5 § 39–41 [39] „ἡμεῖς γὰρ εἶπεν οὐχ ὑπ᾿ αὐθαδείας προήχθημεν ὥστε ταύτην ὑπάγεσθαι τοῖς ὅπλοις τὴν γῆν, ἀλλὰ Μωυσέος1 τοῦ σοῦ δούλου πρὸς τοῦθ᾿ ἡμᾶς ἐξεγείραντος, ᾧ διὰ πολλῶν τεκμηρίων ἐπηγγέλλου κτήσασθαι παρέξειν ἡμῖν τήνδε τὴν γῆν καὶ τὸν στρατὸν ἡμῶν ἀεὶ τῶν πολεμίων ποιήσειν τοῖς ὅπλοις κρείττονα. [40] τινὰ μὲν οὖν κατὰ τὰς ὑποσχέσεις ἡμῖν ἀπήντησε τὰς σάς, νῦν δὲ παρὰ δόξαν ἐπταικότες καὶ τῆς δυνάμεώς τινας ἀποβαλόντες ἐπὶ τούτοις ὡς οὐ βεβαίων τῶν παρὰ σοῦ καὶ ὧν προεῖπε Μωυσῆς ἀχθόμεθα καὶ χεῖρον ἡ τῶν μελλόντων ἐλπὶς ἡμᾶς ἀνιᾷ τῇ πρώτῃ πείρᾳ τοιαύτῃ συντυχόντας. [41] ἀλλὰ σύ, δέσποτα, δύναμις γάρ σοι τούτων ἴασιν εὑρεῖν, τό τε παρὸν ἡμῶν λυπηρὸν νίκην παρασχόμενος καὶ τὸ περὶ τῶν αὖθις δύσελπι διακείμενον οὕτως τῆς διανοίας ἔξελε“.
1
Sonderform des Genitivs Μωυσέως.
4. GEBET JOSUAS NACH EINER MILITÄRISCHEN NIEDERLAGE (A.J. 5 § 39–41)
4.3. ÜBERSETZUNG VON A.J. 5 § 39–41 [39] „Wir nämlich“, sprach er, „nicht aus Eigenwillen gingen wir voran, dass dieses Land in die Gewalt gebracht wird durch Waffen, sondern weil Mose, dein Knecht, dazu uns erweckte, dem durch viele Zeichen du versprachst [es] zu erlangen, dass du gewähren wirst uns diese Erde, und unser Heer immer stärker als die Feinde zu machen mit den Waffen. [40] Etwas zwar nun gemäß deinen Verheißungen für uns ist eingetroffen, jetzt aber, anders als erwartet, sind [wir] gestrauchelt und der (Heeres-) Macht einige [Männer sind] verloren. Darüber, weil nicht zuverlässig [scheinen] die von dir ergangenen Worte, die Mose voraussagte, sind wir bekümmert und schlimmer (noch): Die Erwartung der zukünftigen Dinge ist uns zur Qual, [die wir] mit der ersten derartigen Probe zusammengetroffen [sind]. [41] Aber du, Herr, Macht nämlich [hast du], eine Heilung von diesen [Dingen] zu finden. Unser gegenwärtiges Leid – indem ein Sieg gewährt wird –, und das über die Zukunft verzweifelt Seiende nimm so aus dem Denken.“
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4.4. GRIECHISCHER TEXT NACH DER SEPTUAGINTA (JOS 7,7–9)1 [7] καὶ εἶπεν Ἰησοῦς ǻέομαι, κύριε, ἵνα τί διεβίβασεν ὁ παῖς σου τὸν λαὸν τοῦτον τὸν Ιορδάνην παραδοῦναι αὐτὸν τῷ Αμορραίῳ ἀπολέσαι ἡμᾶς; καὶ εἰ κατεμείναμεν καὶ κατῳκίσθημεν παρὰ τὸν Ιορδάνην. [8] καὶ τί ἐρῶ, ἐπεὶ μετέβαλεν Ισραηλ αὐχένα ἀπέναντι τοῦ ἐχθροῦ αὐτοῦ; [9] καὶ ἀκούσας ὁ Χαναναῖος καὶ πάντες οἱ κατοικοῦντες τὴν γῆν περικυκλώσουσιν ἡμᾶς καὶ ἐκτρίψουσιν ἡμᾶς ἀπὸ τῆς γῆς· καὶ τί ποιήσεις τὸ ὄνομά σου τὸ μέγα;
1
Text und Verszählung nach LXX.RH, 364.
4. GEBET JOSUAS NACH EINER MILITÄRISCHEN NIEDERLAGE (A.J. 5 § 39–41)
4.5. ÜBERSETZUNG VON JOS 7,7–9 [7] Und es sprach Josua: „Ich bitte, Herr, weswegen hat hinübergeführt dein Knecht dieses Volk über den Jordan, um es zu übergeben dem Amoräer zu vernichten uns? Wenn wir doch geblieben wären und gesiedelt hätten jenseits des Jordans. [8] Und was werde ich sagen, nachdem gewendet hat Israel den Nacken vor seinem Feind? [9] Und wenn [es] gehört hat der Kanaanäer und alle, die bewohnen das Land, werden sie uns umzingeln und uns ausreiben von der Erde, und was wirst du tun in Bezug auf deinen riesigen Namen?“
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5. Tempelweihgebet Salomos (A.J. 8 § 107–108.111–117)1 5.1. EINFÜHRUNG Die Zweiteilung des anlässlich der Einweihung des Tempels formulierten Gebets in A.J. 8 § 107f. und § 111–117 hat ihren Anhalt an der biblischen Fassung in 2 Chr 6,1– 42. Im hebräischen Text von 2 Chr 6,22 spricht König Salomo im Anschluss an das Erscheinen einer Wolke direkt zu Gott: „Ich habe dir eine ewige Wohnstätte errichtet.“3 Dann segnet er das Volk. Josephus orientiert sich an der Septuaginta und spricht im Unterschied zur hebräischen Fassung in A.J. 8 § 108 vom Namen Gottes.4 Die beiden biblischen Varianten des Gebets in 1 Kön 8 und 2 Chr 6 unterscheiden sich an etlichen Stellen. Mit T. Jonquière ist zu vermuten, dass Josephus sich in der Hauptsache auf das sechste Kapitel im zweiten Chronikbuch stützte.5 Josephus weitet das biblische Kurzgebet beträchtlich aus. Er ergänzt es in A.J. 8 § 107f. um (philosophische) Gedanken zur Größe Gottes und seinem wahren Wohnort. Er nennt die vier Elemente, die Gott ausfüllt, ohne selbst von ihnen vollständig umfasst zu sein (§ 107). Der zweite Teil des Gebets ist gegenüber der biblischen Vorlage einerseits gekürzt, andererseits um Aspekte erweitert, die den Tempel als Ort universellen Betens erscheinen lassen. Elemente, die Nichtjuden ausschließen, und die Betonung der besonderen Erwählung Israels treten in den Hintergrund. Ein Gebetsschluss wie in 1 Kön 8,53, in dem die Aussonderung Israels aus den Völkern akzentuiert wird, passt nicht in das hier vertretene Konzept des Wahlrömers Josephus.6 Trotz der Diskrepanz von göttlicher Größe und dem Tempel als begrenztem Bau von Menschenhand hat der Jerusalemer Tempel sein Recht als Ort des Betens, der Opfer und der „Suche nach (guten) Vorzeichen“ (καλλιερέω). Er repräsentiert die Gegenwart und Nähe Gottes (§ 108). Josephus bettet das Tempelweihgebet Salomos in sein apologetisch-philosophisches Konzept ein und formuliert es für ein nicht-jüdisches Publikum in der Epoche nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels um. 1
VAN UNNIK, Aussage, 862–869; JONQUIÈRE, Two Prayers, 72–89; DIES. (2007), Prayer, 152–171. Vgl. auch die parallele hebräische Fassung in 1 Kön 8,13. Die Textüberlieferung von 2 Chr 6,2 in den Septuagintaversionen ist unsicher. 3 2 Chr 6,2: ʟʭʩʮʬʥʲ ʪʺʡʹʬ ʯʥʫʮʥ ʪʬ ʬʡʦʚʺʩʡ ʩʺʩʰʡ ʩʰʠʥ 4 2 ChrLXX 6,2: καὶ ἐγὼ ᾠκοδόμηκα οἶκον τῷ ὀνόματί σου ἅγιόν σοι καὶ ἕτοιμον τοῦ κατασκηνῶσαι εἰς τοὺς αἰῶνας. Vgl. Jos, A.J. 8 § 108: τοῦτον δέ σοι κατεσκεύακα τὸν ναὸν ἐπώνυμον. 5 JONQUIÈRE (2007), Prayer, 153: “Considering the minor differences with 2 Chronicles and the greater differences with 1 Kings, I think it most likely that he used 2 Chronicles.” 6 Vgl. JONQUIÈRE (2007), Prayer, 170f. 2
5. TEMPELWEIHGEBET SALOMOS (A.J. 8 § 107–108.111–117)
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Auch wenn wesentliche Themen der Vorlage übernommen sind, handelt es sich doch um ein neues und im Wortlaut weitgehend eigenständig formuliertes Gebet. Eine parallele Präsentation von biblischen Fassungen und dem Text im achten Buch der Antiquitates schien deshalb an dieser Stelle nicht sinnvoll.
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E.I. GEBETE IN BIBLISCHEM KONTEXT
5.2. GRIECHISCHER TEXT1 [107] … ὁ δὲ βασιλεὺς Σολόμων ἐξεγερθείς, ἔτυχε γὰρ καθεζόμενος, ἐποιήσατο λόγους πρὸς τὸν θεόν, οὓς τῇ θείᾳ φύσει πρέποντας ὑπελάμβανε καὶ καλῶς εἶχεν αὐτῷ λέγειν· „σοὶ γάρ, εἶπεν, οἶκον μὲν αἰώνιον, ὦ δέσποτα, καὶ ἄξιον αὑτῷ εἰργάσω γεγονότα τὸν οὐρανὸν οἴδαμεν καὶ ἀέρα καὶ γῆν καὶ θάλασσαν, δι᾿ ὧν ἁπάντων οὐδὲ τούτοις ἀρκούμενος κεχώρηκας, [108] τοῦτον δέ σοι κατεσκεύακα τὸν ναὸν ἐπώνυμον, ὡς ἂν ἀπ᾿ αὐτοῦ σοι τὰς εὐχὰς θύοντες καὶ καλλιεροῦντες ἀναπέμπωμεν εἰς τὸν ἀέρα καὶ πεπεισμένοι διατελοίημεν, ὅτι πάρει καὶ μακρὰν οὐκ ἀφέστηκας [οὐδὲ σαυτῶ]· τῷ μὲν γὰρ πάντ᾿ ἐφορᾶν καὶ πάντ᾿ ἀκούειν οὐδὲ νῦν ὅπου σοι θέμις οἰκῶν ἀπολείπεις τοῦ πᾶσιν ἔγγιστα εἶναι, μᾶλλον δ᾿ ἑκάστῳ καὶ βουλευομένῳ καὶ διὰ νυκτὸς καὶ ἡμέρας συμπάρει.“ [109f.]
1
Vgl. JONQUIÈRE, Two Prayers, 72–89; VAN UNNIK, Aussage, 862–869.
5. TEMPELWEIHGEBET SALOMOS (A.J. 8 § 107–108.111–117)
5.3. ÜBERSETZUNG1 [107] … der König Salomo aber stand auf, gerade nämlich hatte er gesessen, und machte Worte zu Gott, die er der göttlichen Natur für angemessen erachtete, und für schön hielt, ihm zu sagen: „Dir nämlich“, sprach er, „ein ewiges Haus zwar, o Herr, und würdig dir, hast du ausgeführt, das geschaffen ist, (nämlich) den Himmel, wir wissen es, und Luft und Erde und Meer, durch die alle – auch nicht dich begnügend mit diesen – du hindurchgegangen bist. [108] Diesen Tempel aber dir habe ich errichtet auf deinen Namen: Dass, wenn von ihm dir die Gebete – opfernd und Opfer darbringend2 – wir heraufschicken in die Luft, wir auch Überzeugte bleiben, dass du da bist und fern nicht dich zurückgezogen hast weder von dem dir Eigenen, – nämlich alles zu schauen und alles zu hören – noch nun, wo dir ein Stand ist zu wohnen, du ablässt, für alle ganz nahe zu sein. Mehr aber: Für jeden, auch der um Rat fragt, bist du sowohl bei Nacht als auch bei Tag da. [109f.]
1 2
Vgl. JONQUIÈRE, Two Prayers, 72–89. Opfer darbringen, um günstige Zeichen zu erlangen.
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E.I. GEBETE IN BIBLISCHEM KONTEXT
[111] Ταῦτα διαλεχθεὶς πρὸς τὸν ὄχλον ὁ βασιλεὺς ἀφορᾷ πάλιν εἰς τὸν ναὸν καὶ τὴν δεξιὰν εἰς τὸν ὄχλον ἀνασχών „ἔργοις μέν, εἶπεν, οὐ δυνατὸν ἀνθρώποις ἀποδοῦναι θεῷ χάριν ὑπὲρ ὧν εὖ πεπόνθασιν· ἀπροσδεὲς γὰρ τὸ θεῖον ἁπάντων καὶ κρεῖττον τοιαύτης ἀμοιβῆς· ᾧ δὲ τῶν ἄλλων ζῴων ὑπὸ σοῦ, δέσποτα, κρείττονες γεγόναμεν, τούτῳ τὴν σὴν εὐλογεῖν μεγαλειότητα καὶ περὶ τῶν ὑπηργμένων εἰς τὸν ἡμέτερον οἶκον καὶ τὸν Ἑβραίων εὐχαριστεῖν ἀνάγκη. [112] τίνι γὰρ ἄλλῳ μᾶλλον ἱλάσασθαι μηνίοντα καὶ δυσμεναίνοντα εὐμενῆ δεξιώτερόν ἐστιν ἡμῖν ἢ φωνῇ, ἣν ἐξ ἀέρος τε ἔχομεν καὶ δι᾿ αὐτοῦ πάλιν ἀνιοῦσαν οἴδαμεν; χάριν οὖν ἔχειν δι᾿ αὐτῆς ὁμολογῶ σοι περί τε τοῦ πατρὸς πρῶτον, ὃν ἐξ ἀφανοῦς εἰς τοσαύτην ἀνήγαγες δόξαν, [113] ἔπειθ᾿ ὑπὲρ ἐμαυτοῦ πάντα μέχρι τῆς παρούσης ἡμέρας ἃ προεῖπας πεποιηκότι, δέομαί τε τοῦ λοιποῦ χορηγεῖν ὅσα θεῷ δύναμις ἀνθρώποις ὑπὸ σοῦ τετιμημένοις, καὶ τὸν οἶκον τὸν ἡμέτερον αὔξειν εἰς πᾶν, ὡς καθωμολόγησας Δαυίδῃ τῷ πατρί μου καὶ ζῶντι καὶ παρὰ τὴν τελευτήν, ὅτι παρ᾿ ἡμῖν ἡ βασιλεία μενεῖ καὶ τὸ ἐκείνου γένος αὐτὴν διαδοχαῖς ἀμείψει μυρίαις. ταῦτ᾿ οὖν ἡμῖν ἐπάρκεσον καὶ παισὶ τοῖς ἐμοῖς ἀρετὴν ᾗ σὺ χαίρεις παράσχου.
5. TEMPELWEIHGEBET SALOMOS (A.J. 8 § 107–108.111–117)
[111] Nachdem dies gesprochen hatte zu der Menge der König, richtet er seine Augen wieder auf zu dem Tempel und indem er die Rechte zu der Menge emporstreckte [sagte er]: „Durch Werke zwar“, sprach er, „[ist es] nicht möglich für die Menschen zurückzugeben Gott Dank für die (Dinge), die sie zum Wohl erfahren haben. Nicht bedarf nämlich das Göttliche aller [Dinge] und [ist] besser als solche (steht über solcher) Erwiderung. Worin aber wir durch dich, Herr, besser geworden sind als alle Lebewesen, besteht darin, zu preisen deine Majestät, und dass für die gegenwärtigen Dinge zu unserem Haus und dem der Hebräer1 zu danken uns eine Notwendigkeit [ist]. [112] Von welchem anderen [Mittel] nämlich wissen wir2, mehr zu besänftigen einen Zürnenden und einen feindlich Gesonnenen gnädig [zu stimmen], das richtiger ist für uns als mit der Stimme, die aus der Luft wir haben und durch die [sie] wieder hinaufgeht, dass wir nun danken durch sie? Ich preise dich für den Vater (David) zuerst, den aus der Unscheinbarkeit zu solchem Ruhm du hinaufgeführt hast. [113] Dann für mich selbst, dass du alles bis zum gegenwärtigen Tag, das du vorhergesagt hast, erfüllt hast. Ich bitte, auch das Übrige zu gewähren, soviel einem Gott Macht [ist, zu geben] für Menschen, die von dir geehrt worden sind, und unser Haus zu vermehren zu jedem, wie du versprochen hast David, meinem Vater, als er noch lebte und bei dem (seinem) Ende, dass bei uns die Königsherrschaft bleiben wird und [dass] jenes (Davids) Geschlecht sie (die Königsherrschaft) mit zehntausenden Nachfolgern wechseln wird. Dies nun gewähre uns, und meinen Kindern flöße Tugend ein, an der du dich freust.
1 2
Das heißt: sowohl für private als auch für öffentliche Belange. οἴδαμεν steht erst am Ende des Satzes.
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E.I. GEBETE IN BIBLISCHEM KONTEXT
[114] πρὸς δὲ τούτοις ἱκετεύω καὶ μοῖράν τινα τοῦ σοῦ πνεύματος εἰς τὸν ναὸν ἀποικίσαι, ὡς ἂν καὶ ἐπὶ γῆς ἡμῖν εἶναι δοκῇς. σοὶ μὲν γὰρ μικρὸν οἰκητήριον καὶ τὸ πᾶν οὐρανοῦ καὶ τῶν κατὰ τοῦτον ὄντων κύτος, οὐχ ὅτι γε οὗτος ὁ τυχὼν ναός, ἀλλὰ φυλάσσειν τε ἀπόρθητον ἐκ πολεμίων ὡς ἴδιον εἰς ἅπαν καὶ προνοεῖν ὡς οἰκείου κτήματος παρακαλῶ. [115] κἂν ἁμαρτών ποτε ὁ λαὸς ἔπειτα πληγῇ τινι κακῷ διὰ τὴν ἁμαρτίαν ἐκ σοῦ γῆς ἀκαρπίᾳ καὶ φθορᾷ λοιμικῇ ἤ τινι τούτων τῶν παθημάτων, οἷς σὺ τοὺς παραβάντας τι τῶν ὁσίων μετέρχῃ, καὶ καταφεύγῃ πᾶς ἀθροισθεὶς ἐπὶ τὸν ναὸν ἱκετεύων σε καὶ σωθῆναι δεόμενος, ἐπήκοος αὐτοῦ γενόμενος ὡς ἔνδον ὢν ἐλεήσῃς καὶ τῶν συμφορῶν ἀπαλλάξῃς. [116] ταύτην δὲ οὐχ Ἑβραίοις μόνον δέομαι παρὰ σοῦ τὴν βοήθειαν εἶναι σφαλεῖσιν, ἀλλὰ κἂν ἀπὸ περάτων τῆς οἰκουμένης τινὲς ἀφίκωνται κἂν ὁποθενδηποτοῦν προστρεπόμενοι καὶ τυχεῖν τινος ἀγαθοῦ λιπαροῦντες, δὸς αὐτοῖς ἐπήκοος γενόμενος. [117] οὕτως γὰρ ἂν μάθοιεν πάντες, ὅτι σὺ μὲν αὐτὸς ἐβουλήθης παρ᾿ ἡμῖν κατασκευασθῆναί σοι τὸν οἶκον, ἡμεῖς δ᾿ οὐκ ἀπάνθρωποι τὴν φύσιν ἐσμὲν οὐδ᾿ ἀλλοτρίως πρὸς τοὺς οὐχ ὁμοφύλους ἔχομεν, ἀλλὰ πᾶσι κοινὴν τὴν ἀπὸ σοῦ βοήθειαν καὶ τὴν τῶν ἀγαθῶν ὄνησιν ὑπάρχειν ἠθελήσαμεν.“
5. TEMPELWEIHGEBET SALOMOS (A.J. 8 § 107–108.111–117)
[114] Zu aber diesen (dazu aber) bitte ich auch einen Anteil deines Geistes zu dem Tempel auszusenden, damit wohl auch auf der Erde für uns da zu sein du erscheinst. Dir zwar nämlich ist klein als Wohnstätte auch das Ganze des Himmels – und das dem Seienden gemäße Gefäß ist deshalb nicht gerade dieser Tempel, – aber [ihn] zu beschützen, sowohl unzerstört vor den Feindlichen wie ein Eigenes in allem, als auch für ihn Sorge zu tragen wie für häuslichen Besitz, bitte ich, [115] und wenn sündigt einmal das Volk und dann geschlagen [wird] mit einem schlimmen Übel von dir her wegen der Sünde, mit der Erde Unfruchtbarkeit und mit pestlichem Verderben;1 oder einem dieser Leiden, mit denen du diejenigen, die übertreten etwas der frommen Sachen, verfolgst, und er Zuflucht nimmt – jeder, der sich versammelt zu dem Tempel, und dich anfleht und gerettet zu werden bittet –, dass du ein ihn Erhörender wirst und dass du, indem du darinnen bist, dich erbarmst und von den Unglücken befreist. [116] Dies aber nicht für die Hebräer allein bitte ich von dir, eine Hilfe zu sein, wenn sie straucheln, sondern auch, wenn von den Grenzen des Weltkreises irgendwelche hinkommen und auch woher (warum auch immer) sie sich [dir] zuwenden, und zu erlangen etwas des Guten beharrlich sind, gib ihnen, indem du erhörst. [117] So nämlich dürften lernen alle, dass du zwar selbst gewünscht hast, dass bei uns bereitet wird dir das Haus, dass wir aber nicht menschenfeindlich von Art sind und uns nicht feindselig zu den nicht Gleichstämmigen halten, sondern für alle die gemeinsame Hilfe von dir – und dass (auch) [für sie] der Nutzen des Guten sei – wir wünschten.
1
Vgl. 2 Sam 24,13–21.
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E. GEBETE BEI FLAVIUS JOSEPHUS
II. AUSSERBIBLISCHE GEBETE
1. Gebet des Onias um Nichterhörung der Gebete (A.J. 14 § 24)1 1.1. EINFÜHRUNG Mit dem Gebet des Onias bietet Josephus erstmalig in den Antiquitates ein nicht an einen Bibeltext geknüpftes Gebet. Der von Josephus „Onias“ genannte jüdische Wundertäter ist in der rabbinischen Literatur als „Choni der Kreiszieher“ bekannt. An seine Person haben sich verschiedene Legenden gelagert. Berühmtheit erlangte er durch sein effektives Beten um Regen. Seinen Beinamen „der Kreiszieher“ verdankte er dem Zeichnen eines Kreises um sich herum, den er erst nach Eintritt des von Gott erbetenen Regens wieder verließ (mTaan 3,8). Die hier beschriebene Episode vom Gebet um die Nichterhörung von Gebeten, als dessen Folge er ermordet wird, findet sich allein bei Josephus. Laut dem babylonischen Talmud stirbt Choni, als er nach einem 70jährigen Schlaf nicht mehr die gebührende Anerkennung findet und Gott um seinen Tod bittet (bTaan 23a). Die von Josephus berichteten Vorgänge spielen im jüdischen Bruderkrieg zwischen Hyrkan II. und Aristobul II.; beide kämpfen um die Nachfolge ihrer Mutter Salome Alexandra (76–67 v.Chr.). Bei der Belagerung Jerusalems (ca. 65 v.Chr.) wird der als gebetsmächtig bekannte Onias von den Leuten Hyrkans II. aufgespürt und gezwungen, für die Niederlage der belagerten Priester aufseiten Aristobuls II. zu bitten. Der bedrängte Onias gibt dem Druck scheinbar nach und betet darum, Gott möge keines der Gebete der beiden Seiten erhören, denn bei den Kontrahenten handele es sich um Angehörige seines Volkes und um seine Priester. Nach Beendigung des Gebets steinigen ihn die Leute Hyrkans II. Josephus berichtet von einem die Ernte der Umgebung vernichtenden Orkan als Strafe Gottes für die Ermordung. In der Parallelstelle in Josephus’ „Jüdischem Krieg“ (B.J. 1 § 125f.) bleiben Onias und sein Gebet unerwähnt. Gebete um die Nichterhörung von Gebeten sind naturgemäß selten. Als Parallele lässt sich das Gebet des Hohenpriesters am Versöhnungstag heranziehen, der laut bJom 53b darum bittet, Gott möge das Gebet der Reisenden nicht erhören. Reisende sind auf gutes Wetter angewiesen, während das Land im Herbst des Regens bedarf. 1
JONQUIÈRE (2007), Prayer, 199–202.
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E.II. AUSSERBIBLISCHE GEBETE
1.2. GRIECHISCHER TEXT [23] ἐπεὶ δὲ ἀντιλέγων καὶ παραιτούμενος ἐβιάσθη ὑπὸ τοῦ πλήθους, στὰς μέσος αὐτῶν εἶπεν· [24] „ὦ θεὲ βασιλεῦ τῶν ὅλων, ἐπεὶ οἱ μετ᾿ ἐμοῦ συνεστῶτες σὸς δῆμός ἐστιν καὶ οἱ πολιορκούμενοι δὲ ἱερεῖς σοί, δέομαι μήτε κατὰ τούτων ἐκείνοις ὑπακοῦσαι μήτε κατ᾿ ἐκείνων ἃ οὗτοι παρακαλοῦσιν εἰς τέλος ἀγαγεῖν.“
1. GEBET DES ONIAS UM NICHTERHÖRUNG DER GEBETE (A.J. 14 § 24)
1.3. ÜBERSETZUNG [23] Dann aber widersprechend und sich weigernd, wurde er gezwungen von der Menge, und indem er sich in ihre Mitte stellte, sprach er: [24] „O Gott, König aller, weil die mit mir Zusammenstehenden dein Volk sind und die Belagerten aber Priester für dich, bitte ich, weder gegen diese auf jene zu hören, noch gegen jene, was diese erbitten, zum Ziel zu führen.“
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E.II. AUSSERBIBLISCHE GEBETE
2. Izates’ Klagegebet angesichts der Partherübermacht (A.J. 20 § 90–91)1 2.1. EINFÜHRUNG Izates (ca. 1–56 n.Chr.) war Herrscher des Königreiches von Adiabene,2 einem Pufferstaat zwischen dem römischen Herrschaftsgebiet und dem Reich der Parther. Wie seine Mutter Helena trat auch er zum Judentum über. Als weitere Angehörige der Königsfamilie sich von ihren überkommenen Bräuchen lösten und sich dem Judentum zuwandten, nahmen das die Mächtigen des Reiches zum Anlass, Verschwörungen anzuzetteln und feindliche Mächte einzuladen, in das Land einzufallen (A.J. 20 § 75f.). Während ein Angriff der Araber noch militärisch abgewehrt werden konnte (A.J. 20 § 79f.), war die Übermacht der Parther unter ihrem König Vologeses3 erdrückend. Aufgefordert zur Kapitulation, fleht Izates vor der drohenden Schlacht zu Gott. Dramatisierend berichtet Josephus, der parthische König habe noch in derselben Nacht Nachricht vom Einfall feindlicher Stämme in sein Land erhalten und sei so zum Abbruch des Kriegszuges gezwungen gewesen. Im Werk des Josephus nimmt das Gebet des Izates aus mehreren Gründen eine Sonderrolle ein. Es handelt sich um das einzige Gebet eines geborenen Heiden zum Gott Israels und zugleich um das letzte Gebet in direkter Rede innerhalb der Werke des Josephus. Herausgehoben ist das Gebet als ein Höhepunkt der außergewöhnlich ausführlichen Schilderungen um das Königshaus von Adiabene und durch seine Positionierung fast am Ende der Antiquitates (A.J. 20 § 17–96). Indem dieses Gebet von Josephus ausdrücklich als von Gott erhört gekennzeichnet wird und Gott ein Rettungswunder wirkt, fungiert es als Siegel unter die Konversion des Proselyten Izates zum Judentum. Zugleich ist es eine Bestätigung seiner als vergleichsweise friedlich und romfreundlich gezeichneten Herrschaft.
1
JONQUIÈRE (2007), Prayer, 202–207. Östlich des Tigris und südlich von Armenien. 3 51–78 n.Chr. Vgl. TACITUS, Ann XII, 50,1f. (E. Koestermann (Hg.), Cornelius Tacitus. Annalen, Bd. 3: Buch 11–13, erläutert und mit einer Einleitung versehen (Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern), Heidelberg 1967, 194). 2
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E.II. AUSSERBIBLISCHE GEBETE
2.2. GRIECHISCHER TEXT [89] … ἀνακαλῶν τὸν θεὸν καὶ λέγων, [90] „εἰ μὴ μάτην, ὦ δέσποτα κύριε, τῆς σῆς ἐγενόμην χρηστότητος, τῶν πάντων δὲ δικαίως μόνον καὶ πρῶτον ἥγημαι κύριον, ἐλθὲ σύμμαχος οὐχ ὑπὲρ ἐμοῦ μόνον ἀμυνούμενος τοὺς πολεμίους, ἀλλ᾿ ὅτι καὶ τῆς σῆς δυνάμεως κατατετολμήκασιν.“
2. IZATES’ KLAGEGEBET ANGESICHTS DER PARTHERÜBERMACHT (A.J. 20 § 90–91)
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2.3. ÜBERSETZUNG [89] Er rief aber Gott an und sprach: [90] „Wenn nicht vergeblich, o Herrscher, Herr, ich [teilhaftig] geworden bin1 deiner Gnade, sondern [dich] als aller zurecht alleinigen und ersten Herrn erachtet habe, komm als Mitkämpfer nicht meinetwegen allein, als Helfender gegen die Feinde, sondern weil auch gegen deine Macht sie gewagt haben [sich zu erdreisten].“2
1
Anstelle von ἐγενόμην („ich bin geworden“) wird ἐγευόμην („ich habe geschmeckt“) konjiziert. Vgl. JON-
QUIÈRE (2007), Prayer, 202. 2
In einigen Ausgaben findet sich: „und haben nicht zurückgehalten ihre Großsprecherei“. Vgl. JONQUIÈ-
RE (2007), Prayer, 202.
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E.II. AUSSERBIBLISCHE GEBETE
3. Rechtfertigungsgebet des Josephus (B.J. 3 § 354)1 3.1. EINFÜHRUNG Bei dem Gebet des Josephus handelt es sich um das erste von ihm erhaltene Gebet in direkter Rede. Bezogen auf die historischen Abläufe ist es der letzte Gebetstext. In der Biographie des Josephus nimmt es eine Schlüsselposition ein. Es markiert den Übergang von seiner Existenz als Führer der jüdischen Aufständischen zu einem Gefolgsmann des römischen Kaiserhauses,2 der später den Namen „Flavius“ führte. Literarisch platziert Josephus sein Gebet etwa in der Mitte seiner Darstellung des jüdischen Krieges. De bello judaico enthält nur dieses eine Gebet. Josephus bezeichnet seine Gefangennahme, der er unmittelbar das Gebet voranschickt, als eine Maßnahme, die der Feldherr und spätere Kaiser Vespasian für mitentscheidend für den Ausgang des gesamten Krieges hielt (B.J. 3 § 340). In der Literaturgeschichte der Antike dürfte es eine Ausnahme sein, dass ein Beter selbst ein in einer konkreten Situation gesprochenes und in dieser Form unwiederholbares Gebet publiziert hat. Es handelt sich um ein Gebet, das über seine exponierte Position hinaus noch die Last mit sich trägt, das Handeln des Betenden, der in den Augen weiter Kreise als Verräter an der jüdischen Sache im Allgemeinen und an seinen Anhängern im Besonderen gilt, erklären und rechtfertigen zu müssen. Josephus benötigt dafür 41 Wörter, also nur wenig mehr als das Vaterunser bei Lukas umfasst (Lk 11,2f.). Für das Gebet des Josephus gibt es keine Zeugen,3 er selbst stellt es dar als Gebet im Verborgenen.4 Der Text ist literarisch stilisiert. Dass Josephus in seiner verzweifelten Situation wortwörtlich so gebetet hat, lässt sich in Zweifel ziehen, das Gebet fügt sich aber plausibel ein in die Darstellung der historischen Abläufe. In seinem Gebet formuliert Josephus neben der Apologie seines Handelns zugleich sein persönliches Credo. Er deutet die Niederlage im Krieg gegen die Römer als Strafe Gottes, dem es als Schöpfer zustehe, mit seinen Geschöpfen nach seinem Willen zu verfahren. Josephus versteht die Geschehnisse als Übergang der Gnade Gottes von den Juden auf die Römer. Das impliziert, dass sich sein eigener Übergang zu den Römern in Analogie zum Handeln und Willen Gottes vollzieht. Mehr noch, er sieht sich selbst als Instrument 1
JONQUIÈRE (2007), Prayer, 207–213; DIES., Jotapata, 222–224. Mit Recht urteilt JONQUIÈRE (2007), Prayer, 209: Das Gebet „[is] marking the transition from Josephus’ Judean life to his Roman one.“ 3 Vgl. das Gebet Jesu in Gethsemani (Mk 14,36 parr.), für das es dem Textduktus der Evangelien zufolge ebenfalls keine Zeugen gab. Laut Mk 14,35.37 entfernt sich Jesus von seinen Jüngern und findet sie nach seiner Rückkehr schlafend. 4 Vgl. VAN DER HORST, Prayer, 14. 2
3. RECHTFERTIGUNGSGEBET DES JOSEPHUS (B.J. 3 § 354)
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an, dessen gottgegebener Auftrag es ist, seine Pläne zu verkündigen. Da Josephi Handeln für den Vollzug des Willens Gottes steht, müssen seine Kritiker sich fragen lassen, warum sie sich dem göttlichen Willen widersetzen.
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E.II. AUSSERBIBLISCHE GEBETE
3.2. GRIECHISCHER TEXT [353] … προσφέρει τῷ θεῷ λεληθυῖαν εὐχήν, [354] [„]κἀπειδὴ τὸ Ἰουδαίων, ἔφη, φῦλον ὀκλάσαι δοκεῖ σοι τῷ κτίσαντι, μετέβη δὲ πρὸς Ῥωμαίους ἡ τύχη πᾶσα, καὶ τὴν ἐμὴν ψυχὴν ἐπελέξω τὰ μέλλοντα εἰπεῖν, δίδωμι μὲν Ῥωμαίοις τὰς χεῖρας ἑκὼν καὶ ζῶ, μαρτύρομαι δὲ ὡς οὐ προδότης, ἀλλὰ σὸς εἶμι διάκονος.“
3. RECHTFERTIGUNGSGEBET DES JOSEPHUS (B.J. 3 § 354)
3.3. ÜBERSETZUNG [353] … er schickt zu dem Gott ein verborgenes Gebet: [354] „Und weil der Juden“, sagte er, „Volk niederzudrücken scheint gut dir, dem Schöpfer; [und weil] hinübergegangen aber ist zu den Römern das ganze Glück und [weil] meine Seele du berufen hast, das Zukünftige zu sagen, gebe ich zwar den Römern die Hände freiwillig und lebe, ich bezeuge aber, dass ich nicht ein Verräter [bin], sondern gehe als dein Diener.“
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Stellenregister
Seitenzahlen sind kursiv gesetzt, wenn eine Textstelle nur in den Anmerkungen erscheint.
1. Altes Testament (incl. Apokryphen) Die Anordnung der biblischen Bücher folgt der Septuaginta (Ausgabe Rahlfs). Genesis 1,1 1,1LXX 1,2LXX 1,6–8LXX 1,14–18LXX 1,14–19 1,26ff. 2,7 2,7LXX 2,8 3,19 5,28–15,4 6,1–5 6,5f. 8,21 12,1–3 12,10–20 12,17 14,18 15,1 15,2 15,2aLXX 17,5 18,20–33
215, 291 127, 215, 291, 301 291 127 127 68 301 16 127 241 17 22 262 288 288 258 22f. 23, 25 203 349 345 345 345 179
18,27 19,24f. 20,7 20,17 22,15–18 22,17 25 25,29–34 27,28f. 27,28f.LXX 27,39f. 28,10–22 32,25–31 34 41,45 41,50 48,19 49,5–7
345, 351 262 23 23 258 289 22 384 384, 387 384, 386 384 171 171 95, 98 122 122 91 95
Exodus 4,12 5–12 6,12 6,29–7,2 6,30
346, 349 262 19 113 19
462
STELLENREGISTER
14f. 14,10–18 15,1 15,21 16,4 16,19f. 20,5 20,18–21 24,10LXX 32,11–14 32,12–14 33,13 34,14
262 388 225 225 356 356 212 352 127 158 289 352 212
Levitikus 9,7f. 13,18 16,6 19,2 26,44 26,45
89 55 89 258 81, 89 81
Numeri 11,31LXX 16 16,22bLXX 24,3–9 24,7 24,7LXX 24,16 25,1–3
397 392 400f. 364–366, 370–373 366, 368 365 203 366
Deuteronomium 5,9 5,21 5,24 6,5 11,16 14,2
212 90 90 47 212 258
19,10LXX 30,1-3 30,3–5 30,5 33,1 33,13–17 33,29
201 81 258 258 345 193 86, 89
Josua 7,7–9
402, 406f.
Richter 3,22 5 5,1 13,20
13 147 148 13
1. Samuel 4,4 16f. 17 17,4 17,7 17,35 17,37 25,29
109 277 276 277 13 277 277 13
2. Samuel 6,2 17,26 22,3 24,13–21
109 283 86, 89 415
1. Könige 5,12 8 8,13 8,33ff. 8,53
310 408 91, 408 263 408
463
STELLENREGISTER
9,28 9,29 10,11 18,33–38
243, 247 243 243, 247 257
2. Könige 2,11 6,18–20 12,1ff. 19,15 19,21 21,1–18 23,25 23,26
193 23 284 109 225 54, 62 47 54
2. Chronik 6,1–42 6,2 6,2LXX 6,37 6,42 33,1–20 33,6 33,18f.
408 91 408 81 47 54, 62 203 285
1. Esra 9,6–15
158, 161, 332
Nehemia 9,(5–)32–37 9,17
332 88f.
Esther 3,13 a–g 4,1 4,17 a–i 4,17 k–z 5,1 a–f 5,2 a–b
208f. 213 207–209, 212–219 207–209, 212–219 208f. 208f.
8,3 8,12 a–x 10,3 a–k 10,3 l
212 208 208 208f.
Judith 5,10f. 9,1 9,1–14 16,14
225 213 224–231 127
Tobit 3,2–6 13 13,1–18 13,2 13,11 14,2 14,4 14,6f.
332 232 236–253 293 233 233 232f. 233
1. Makkabäer 2,41
270
2. Makkabäer 1,1–10a 1,10b–2,18 1,24–29 3,4–40 3,18–22 3,29 6,18–7,42 7,37f. 10,13 12,4
254, 257 254, 257 257–261 262 23 23 255 333 203 126
3. Makkabäer 2,1–20 2,21
262–269 263
464
STELLENREGISTER
4. Makkabäer 1,1f. 1,27 3,31 6,3–7 6,19 6,26–30 6,27–29 14,6 17,11 17,22
275 270 275 270 270 270–275 333 271 270 333
Psalmen 1 1,1 1,5 3,1LXX 5,12 6,6 7,2f. 7,16 8,5 9f. 9,16 10,16 16,1LXX 17,1 17,1LXX 18,3 18,6 22,7 22,15 22,16 22,22 23,5b 25 25,1LXX 26,1LXX 26,12
9 13 13 281 40 38, 40 129 15 16 44 15 91 281 62 281 86, 89 13 17 15 135 131 10 44 281 281 10, 15
27,1LXX 30,10 31,15f. 33,1LXX 34 35,7f. 36,1LXX 37 37,23 39,7LXX 40,7 46 48 49,1LXX 50,2LXX 51,2LXX 51,4 51,18f. 51,20 54,5 55,1LXX 56,1LXX 57,6LXX 57,7 58,1LXX 59,1LXX 62,1LXX 69,22 69,35f. 69,37b 72,1LXX 73,2 74,1LXX 75,1LXX 76 76,1LXX 78,1LXX 79,2LXX 79,5f.
281 16, 38 129 281 44 15 281 44 13 339 339 44 44 281 281 281 42 333 90 13 281 281 203 15 281 281 281 188 30 40 281 10 281 281 44 281 281 193 79, 81
465
STELLENREGISTER
80,1LXX 80,2 81,1LXX 81,6LXX 82,1LXX 83,1LXX 84 84,1LXX 84,7 84,11a 85,11 86,1 86,1LXX 86,14 87 87,1LXX 88,11–13 89,1LXX 89,6–8 89,15 90,1 90,7 92,10 93,1–3 95,1LXX 96,1LXX 97,2 98,1 98,1LXX 99,1 102,1 103,4b 104,35 105,45LXX 106,26LXX 109,24 111f. 113,7 115,1
281 109 281 203 281 281 44 281 91 35 52 62 281 13 44 281 38 281 52 52 62 89 30, 32f. 44, 49 281 281 52 313 193 109 62 40 23 288 291 66 44 21 16
115,17 118,1 118,1–4 118,8f. 118,15–16a 118,29 119 119,132 122,6 126,1LXX 135,7 136,1 136,1–16 136,16 136,17–26 137,1 137,5f. 139 140 142,1LXX 142,6f. 143 143LXX 143,5 143,10 144,2 145 145,1–7 146,2LXX 149 150 151
38 35 34 35 34 34f. 44 40 47 126 50, 52 34f. 36 34 34 161 47 38 50 281 129 50 276 19 16 86, 88f. 44 34 258 50 50 50, 276–283
Odae 7 8 8,54 12 12,1–5
324 324 109 288–293 54
466 Sprüche 1–9 1,27 19,28 20,24 25,11 26,27 30,7–9 31,10–31 Hiob 1,10 2,7 3,9 4,19 7,4 28 37,18
STELLENREGISTER
317 307 13 13 23 15 307 44
13 55 30 303 30 317 127
Weisheit 5,16 7f. 8,21–9,19 12,6 12,18 12,19 12,22 15,1–4 18,8
313 298 295, 298–303 294 294 294 294 294 294
Sirach 16,27f. 22,27–23,6 24 30,25–33,16a 33,16b–36,16a 36,1–22 36,17 39,12–35
127 305, 307–309 317 304 304 305 126 305
42,15–43,33 50,22–24 50,29 51,1–12 51,10 51,13–19 51,30
305 305 305 305 307 44 47
Psalmen Salomos 3,8 8 10 11,2–7 13,1–12
313 311, 313 313 310, 317 313–315
Hosea 6,3
52
Amos 7,3 7,6
288 288
Micha 5,8 6,6 6,8
33 203 298
Joel 2,13 3,1
288 83
Jona 1,2f. 4,2
113 288
Nahum 2,1 3,3
30 13
467
STELLENREGISTER
Habakuk 3,1
62
Zefania 3,8
81
Sacharja 7,14
81
Jesaja 3,16 5,1–7 6 6,3 13,12 26,16 30,30 33,16 37,16 37,22 38,18 38,18a 38,18f. 38,19a 40,12 43,23f. 44,3 48,17 48,18 50,4 50,4LXX 51,13 51,17 52,2 53 54,1–8 54,2 55,3 56,5
47 165 197 198 243, 247 79, 83 15 86, 89 109 225 38 40 16 38, 40 193 83 83 82f. 83 349 346 83 49 49 333 44 49 47 320
59,5 60,1 60,1–22 62,1–12 62,3 62,6f. 63,16 65,18f. 66,10 66,10f. 66,11
15 49 44 44 47 47 89 47 47 44 47
Jeremia 1,6f. 2,13 5,19 10,10 10,12f. 10,13 17,13 18,8 23,8 32,12 32,12ff. 33,8 33,26 36,41–45 38,7–12 51,16 51,55
113 81 81 91 50 52 81 288 258 162 316 42 81 316 194 50, 52 9, 15
Baruch 1,15–2,35 1,15–3,8 2,20–3,8 2,31–35 2,34 3,1–8 3,9–4,4
316f. 319, 332 317 319 320 319–323 317
468 4,36–5,9 5,5–9
STELLENREGISTER
310 317
Klagelieder 1–4 2,13 3,15
44 225 89
Ezechiel 1 3,17f. 10 20,13 21,3 21,32 33,21 40–48 40,1
69 113 69 81 13 42f. 88 69 88
Susanna 5 35 42–44 54f. 55
327 330f. 327, 330f. 327 193
58f.
327
Daniel 2,27 3,23f. 3,23–25 3,24LXX 3,31–4,34 3,39f. 3,46LXX 3,49f. 3,55 4,4 4,24 4,25–34 5,7 5,11 6 6,11 9,4–19 9,7 9,13b 9,15–19
59 324, 332 334 207 55 332 257 332 109, 193 59 42f. 54 59 59 219 127 161, 317, 332 81 16 158, 317
2. Neues Testament Matthäus 1,21b 4,10 5,7–10 5,44 6,13 8,31 26,28 26,29
258 212 236 23 39 291 270 127
26,39 26,53 27,26 27,30 27,31–60
424 270 270 270 188
Markus 5,12 11,25
291 127
469
STELLENREGISTER
14,24 14,35 14,35–37 15,15 15,19 Lukas 2,14 4,8 5,7 6,28 8,31 11,2f. 14,21 18,11–13 22,16 22,20 22,42 23,11 23,25 23,34
270 127 424 270 270
16, 19 212 126 23 291 424 243 127 127 270 424 270 270 23, 270
Johannes 3,12 7,39 18,11 19,14
303 119 424 224
Apostelgeschichte 2,38 7,60 9,17 9,40 26,17–23
119 270 23 127 113
Römer 1,14 3,25 5f.
319 270f. 138
5,12a 7,14b 10,7
141 38 291
1. Korinther 2,12 13
119 298
2. Korinther 5,1–4 11,4
303 119
Philipper 3,17
270
1. Thessalonicher 1,7 4,13b 5,3 5,9a
270 315 315 315
2. Thessalonicher 3,9
270
1. Timotheus 2,8 4,12 6,9
200f. 270 126
2. Timotheus 4,17
131
Titus 2,7
270
Hebräer 9,2f.
303
470
STELLENREGISTER
1. Petrus 5,3
270
2. Petrus 1,13f.
303
Apokalypse 1,20 2,5 2,14 4,8
119 119 366 197
3. Literatur des antiken Judentums sowie Rabbinica Flavius Josephus Antiquitates Judaicae I,210 23 I,272f. 384–387 I,275 384 I,345f. 384 II,3 384 II,335–337 388–391 IV,40–50 392–401 IV,136 366 IV,327–331 388 V,39–41 402–407 VIII,107–117 408–415 IX,56f. 23 X,216f. 55 XI,184–296 209 XI,303 381 XIV,24 23, 364, 416–419 XVIII,63f. 381 XVIII,117 381 XVIII,258 341 XVIII,259f. 360 XX,17–96 420 XX,75f. 420 XX,79f. 420 XX,90f. 420–423 XX,200 381
Contra Apionem I,162–165 I,279f. II,151–157 II,168 II,180f.
341 341 341 341 341
De bello Judaico I,125f. III,340 III,354
416 424 381, 424–427
Philo Alexandrinus De Abrahamo 96–98 23 De decalogo 20–26 20–30 73
356 141 352
De specialibus legibus I,38 353 I,40 353 I,41–45 352–355 I,50 352
471
STELLENREGISTER
II,198f. IV,61
356–360 341
Griechische Baruch-Apokalypse 1,2 165–167
De vita Mosis I,276 I,289–291 I,294–301
364 360, 365–371 366
Griechische Esra-Apokalypse 1,6 188 7,1 188 7,5–13 190–193 8,13 188
In Flaccum 121–124 169–175 170–175 360–363
360–363 374–379 360, 364 374
Legum allegoriae I,108
341
Quis rerum divinarum heres sit 19 352 19f. 342 24–29 345–351 30 345f. 214 341 Quod omnis probus liber sit 57 341 75–91 114
Pseudepigraphen Apokalypse des Mose 32,1f. 141–143 43,1 141 Assumptio des Mose 4,2–4 158–161 4,5f. 158 6,7 156 12,6 158
Joseph und Aseneth 8,9 10,12 11,3–14 11,16–18 11,19–13,15 12,1–13,15 13,2 13,3f. 13,5 17,10 21,11–21 27,10
125 125 125 125 125–137 141 224 213 213 125 125 125
Jubiläenbuch XIII,11
22
Liber antiquitatum biblicarum VI,14–18 147 XXXII,1–17 147–155 XXXII,18 147 Oracula Sibyllina II,339–347 III,1–7 III,1–92 III,93–96 XI,322
109 109–113 106f. 106, 109 109
472
STELLENREGISTER
Paralipomena Jeremiae (4. Baruch) 9,3–6 197–199 9,9-32 195 Testament Hiobs 28,2–8 40,1f. 40,4 41,5 43,1–44,1
114 127 127 117 117–121
Testamente der zwölf Patriarchen Joseph XVIII,2 23 XVIII,27 98 Levi II,3 II,4 VI,2 VI,7f.
98–103 95 98 95
Naphtali V,8
95
4. Esra 1–2 3,1 3,29 8,6–45 8,20–36 8,14 8,37 8,46 8,47b–49 15–16
176 176 176 179–187 190 188 188, 190 180 158 176
Qumran 1QH (in Klammern alte Zählung) VI[XIV],8–22 7 X[II],3–7 9 X[II],7 19 X[II],16 52 X[II],20–30 4, 7, 9–17 X[II],24 19 X[II],33–39 9 XI[III],19–22 21 XI[III],19–36 7 XI[III],21–24 19 XII[IV],6 52 XII[IV],18–24 52 XII[IV],32f. 19 XII[IV],33 15 XIII[V],5–19 7 XIV[VI],34 21 XV[VII],6–33 7 XV[VII],29 12 XVII[IX],37– XVIII[X],12 7 XVIII[X],3–7 19 XIX[XI],3–14 7, 16–21 1QM XI,13
21
1QS III,15–17 IV,15–26 VIII,6 XI,7f.
19 19 19 19
1Q20 [1QGenAp] XIX,7–XX,32 XX,12–16 XX,16 XX,33–XXI,4
22f. 25–27 103 22
473
STELLENREGISTER
XXI,23f.
22
4Q88 VII,14–VIII,15 VII,14–VIII,18 IX X,5–15 [4Q PSF]
4, 30, 44–49 28, 30 30 28, 30–33
4Q196 Frg. 17 I Frg. 17 II
252f. 252f.
4Q200 Tob e Frg. 6
252f.
4Q213a Frg. 1, Kol. I.II
98, 104f.
4Q242 [4QA-NAB AR] Frg. 1–4 55–61 4Q381 Frg. 33,8–11 Frg. 33,12–18
62–67, 284 62
4Q400 Frg. 1,I,1f.
52, 68
4Q401 15
52
4Q403 [4Q SHIRSHABBD] I,1,30–46 3, 71–75 4Q428 Frg. 20,1–9
9
4Q432 Frg. 3,1–5
9
4Q504 Frg. 1–2 Kol. V [4QDIBHAMA] Frg. 8
79–83 76
11Q5 XVI XVI,1–6 XVIII,7 XIX,1–18 XIX,20f. XXI,11–18 XXII,1–15 XXVI,9–15 XXVIII,3–14
28 34–37 68 28, 38–43 38 44 4, 28, 30, 44–49 50–53 276f., 282f.
11Q6 Frg. 1f. Frg. a–b Frg. f [11Q6F]
38–43 28 28, 34–37
Eschatologischer Hymnus der Bar-Kochba-Zeit (XHev/Se 6) Frg. 1,1–8 84–89 Frg. 2,1–9 84–89 Frg. 3,1–9 84–86, 90f.
Rabbinica Babylonischer Talmud, Mischna bAr 10b 23 bBer 10a 23 bBer 61b 270 bJom 53b 416 bPes 118a 147 bSan 39b 23 bTaan 23a 416 mTaan 3,8 416
474 Bereshit Rabba Par. 41
STELLENREGISTER
23
Tanchuma Lekh 5
25
Targum Jonathan zu Nah 3,3 13
4. Weitere Literatur 1. Clemensbrief 35,3 55,6 Barnabasbrief 16,2
126 126
193
Constitutiones apostolorum II 22,12–142 84
Koran 21:68–71
147
Origenes Homilie in Josuam 15,26 95 Tacitus Annales XII 50,1f.
420
Sachregister
Aaron 86, 89, 392, 399 Abaoth 175 Abdenago 335 Abiram 392, 399 Abel 141 Abimelech 194, 199 Abraham 22, 86, 89, 103, 147–149, 158, 171, 179, 213, 215, 219, 288f., 291, 320, 337, 345, 387 – Abram 23, 25, 342, 345f. Abrathiaoth 175 Abriel 175 Adam 138f., 141, 147 Adiabene 420 Agag 373 Agrippa 194 Ägypten 22, 27, 79, 114, 122, 151, 208, 213, 215, 220, 232, 254, 262, 294, 304, 341, 369, 371, 373, 388, 391f., 397, 402 Akiba (Rabbi) 270 Alexander der Große 262 Altar 119, 121, 151, 199, 217, 229, 301 Althebräisch 34, 36, 38, 40, 50, 52, 282 Ambrosius 341 Ananias 335 Antiochus III. 262 Antiochus IV. Epiphanes 220, 254, 332 Äon 176 Apion 381 Apoll 200 Aristobul II. 416
Artaxerxes 208 Artemis 200 Asarja 324, 332f., 335 Aseneth 122, 125, 127, 129, 131, 141 Auferstehung 236, 271, 319 – Auferstehung Jesu 212 Babel 147, 161 Baldad 119 Barak 147 Bar Kochba 84, 86, 194 Barmherzigkeit 161, 165, 179, 183, 185, 233, 239, 249, 261, 298, 356 Baruch 162f., 165, 194, 199, 316f. Befreiung 28, 38, 153, 155, 395 Bel 324 Belial 9, 30, 33 Bileam 203, 342, 364–366, 369 Bitte 23, 25, 38f., 55, 62, 76, 86, 98, 103, 109f., 129, 158, 165, 171, 179, 190, 193, 205, 212, 224, 258, 263, 270, 293, 295, 298, 307, 333, 352f., 355, 363, 385, 387, 392, 402, 407, 413, 415f., 419 – Fürbitte 23, 141, 158f., 161, 188, 190, 288, 392 – Strafbitte 25 Böse 23, 39, 43, 101, 105, 119, 121, 129, 135, 151, 219, 288, 293, 315, 333, 337 Brot 135 Bund 9f., 13, 15, 79, 81, 145, 151, 155f., 158, 161, 200, 231, 283, 288, 320, 337
476
SACHREGISTER
Buße 54, 66, 122, 139, 141, 158, 217, 224, 227, 284f., 289, 291, 316, 319f., 324, 332 Caligula 341, 360 Cherubim 109, 113, 143, 171, 190, 193 Chronik des Jerachmeel 325, 332 Dämon 105 Daniel 158, 161, 324, 327f. Dank 6f., 13, 16, 19, 34, 37, 41, 71, 73, 75, 89, 117, 229, 233, 253, 262, 305, 342, 356f., 360, 363, 374, 413 – Danklied (→ Lied) Dathan 392, 399 David 50, 68, 276–278, 281, 283, 310, 413 − davidisches Königshaus 86 − Davidszeit 366 Debora 147, 149, 155 Demut 205, 212f., 217, 339, 345f. Dina 98, 224 Doxologie 28, 34f. Draco 324f. Eleasar 270 Elia 190, 193 Elihu 117, 119, 121 Eliphas 117, 119, 121 Elisa 23 Eloel 175 Endzeit 9f., 106, 236 Epagael 175 Ephraim 122 Erbe 43, 119, 122, 133, 149, 156, 183, 187, 215, 217, 231, 345 Erhörung 61f., 98, 103, 122, 151f., 171, 175, 185, 193, 215, 219, 229, 231, 269, 284, 327, 331, 415f., 420
Erlösung/Erlöser 39, 44, 49, 86, 141, 215, 236 Esau 151, 384 − Edom 384 Esra 158, 161, 176, 179f., 185, 188, 190, 193 Essener 3, 6, 22, 34, 68f., 277 Esther 207–209, 212f., 215, 217, 219 Exil 79, 158f., 162, 194f., 233, 257, 316, 319, 323, 360 Eva 138f., 141, 143, 147 Ewigkeit 21, 34, 37, 47, 49, 73, 75, 86, 91, 103, 127, 131, 133, 137, 151, 175, 185, 190, 193, 217, 219, 239, 241, 243, 245, 247, 249, 253, 261, 293, 313, 315, 323, 331, 337, 408, 411 Exodus 194, 294, 366, 392, 402 Feinde 307, 309, 364, 379, 381, 407, 415, 420 – Beten für Feinde 1, 22f., 413 – Feinde als Instrument Gottes 9, 81, 217, 269, 337, 363 – Schutz vor Feinden 9f., 17, 23, 30, 33, 151, 153, 155, 262f., 333, 363, 369, 371, 385, 387, 405, 423 Flaccus 342, 356, 360, 363f., 374 Fleisch/Leib 41, 119, 149, 151, 179, 183, 193, 205, 217, 219, 303, 315, 401 Flehen 27, 38, 113, 185, 215, 217, 231, 233, 263, 269, 293, 301, 331, 401, 415, 420 Fluch/Verfluchen 190, 236, 241, 247, 249, 253, 281, 319, 323, 364, 369, 371, 373, 385, 387 Freiheit/Befreiung 23, 28, 38, 109, 149, 153, 155, 251, 254, 261, 270, 351, 392, 395, 401, 415 Frevel/Frevler 9f., 62
SACHREGISTER
Frieden 47, 61, 86, 91, 103, 119, 241, 247, 251, 257, 269, 401 Furcht 129, 139, 141, 219, 249, 291, 315, 349, 351f., 369, 385 – Gottesfurcht 119, 185, 233, 247, 261, 304, 315, 323, 339, 346, 351 Gebote 81, 83, 86, 91, 127, 209, 212, 270, 301, 337, 360 Geist 6, 21, 39, 43, 55, 73, 75, 83, 93, 101, 113, 117, 119, 155, 190, 205, 298, 303, 319, 323, 339, 377, 401, 415 Gerechtigkeit/Rechtfertigen 25, 27, 37, 41, 47, 49f., 53, 73, 89, 95, 98, 103, 105, 117, 119, 126, 154f., 163, 165, 185, 187f., 190, 193, 197, 199, 217, 224, 241, 247, 249, 261, 267, 270, 288, 291, 298, 301, 303f., 311, 313, 315, 332, 337, 346, 363f., 374, 379, 384, 395, 399, 408, 424 – Gerechtigkeit Gottes 19, 38, 43, 50, 53, 75, 183, 187, 199, 239, 245, 301, 311, 313, 364 – Lehrer der Gerechtigkeit 6, 9 – Unrecht/Ungerechtigkeit 33, 47, 101, 103, 119, 121, 129, 149, 155, 179f., 190, 193, 205, 239, 245, 249, 267, 291, 293, 313, 323, 327f., 337, 363, 377, 379, 388, 395, 401 Gericht 9, 13, 17, 19, 25, 79, 103, 106, 119, 122, 145, 183, 187, 193, 229, 288, 342, 392 Gesetz 91, 145, 183, 185, 270, 275, 301, 316f., 319, 337, 341, 352, 356, 359, 363, 365, 397, 399 – Gesetzlosigkeit 219, 269, 337 Gnade 13, 19, 25, 38, 41, 43, 47, 50, 53, 79, 81, 86, 89, 101, 137, 155, 171, 175,
477
187, 288, 349, 356, 359, 377, 399, 423f. Gog 365, 371 Goliath 276f., 281 Gott – Gott als König 25, 27, 71, 73, 75, 86, 161, 215, 217, 219, 231, 239, 241, 243, 245, 247, 249, 251, 253, 261, 267, 269, 363, 377, 419 – Gott als Schöpfer 16f., 50, 171, 175, 190, 193, 197, 231, 261, 288, 295, 298, 352, 387, 424, 427 – Gott als Vater 125, 129, 131, 133, 143, 171, 175, 190, 239, 245, 307, 309, 355, 359 Gottesdienst 69, 203, 224, 311, 356 Götzen 55, 125, 129, 131, 135, 217, 263, 281, 284f. Güte 19, 34, 37, 41, 89, 179, 187, 261, 291, 293 Haman 212f., 215, 219 Hannah 147 Heiden 63, 79, 81, 122, 125, 165, 167, 213, 217, 219, 233, 239, 241, 245, 249, 258, 261–263, 284, 339, 342, 364f., 420 Heilen 54f., 61, 295, 405 – Unheilbarkeit 9 Heil/Heiligkeit/Heilige 21, 50, 53, 67, 71, 73, 75, 83, 101, 119, 121, 145, 155, 187, 190, 194, 197, 199f., 231, 241, 245, 247, 249, 253, 261, 267, 269f., 275, 283, 298, 301, 303, 313, 320, 337, 363, 401 – Heiligen 12, 16, 21, 47, 73, 86, 139, 141, 249, 258 – Heiligtum 71, 75, 85, 101, 229, 257, 262, 303, 411
478
SACHREGISTER
– Heilsgeschichte 6, 34, 86, 147, 149, 288, 402 – Unheil 117, 289, 313, 319, 332 Helena (Mutter des Izates) 420 Heliodor 23 Heraklea 200, 203–205 Herakles 200, 203 Heraklit 341 Herrlichkeit 50, 53, 71, 73, 75, 121, 149, 185, 190, 241, 247, 269, 293, 303, 339, 353 Herodes − Herodes Antipas 156 − Herodes der Große 156, 381 − Herodes Philippus 156 Herz 15, 43, 49f., 53, 79, 81, 101, 103, 109, 113, 119, 121, 175, 183, 219, 239, 245, 253, 293, 301, 309, 323, 331, 339 Hesekiel 69 Hieronymus 208, 220, 294 Hilfe 62f., 83, 94, 131, 194, 207, 217, 219, 229, 231, 298, 387, 391, 415, 423 – Hilflosigkeit 131 Himmel 30, 33, 53, 75, 101, 103, 105, 112, 126f., 141, 153, 158, 163, 188, 190, 193, 215, 231, 241, 245, 247, 253, 262, 267, 269, 289, 291, 293, 303, 331, 339, 359, 363, 377, 387, 395, 397, 411, 415 – Himmelfahrt 156, 163, 165 Hippolyt von Rom 254 Hiob 55, 114f., 117, 119, 165 Hoffnung 25, 43, 47, 62, 67, 131, 229, 236, 270, 309, 319, 363, 391 – Hoffnungslosigkeit 219, 391 Hohelied der Liebe 298 Hyrkan II. 416 Iao 175
Isaak 147, 151, 158, 171, 291, 320, 337, 384, 387 Israel 81, 95, 98, 103, 151, 168f., 171, 174f., 179, 183, 190, 291, 320, 337, 365, 371, 373, 384 Izates 420 Jael 147, 153 Jakob (→ Israel) Jason von Kyrene 254 Jeremia 50, 79, 162, 194, 197, 199, 316 Jerusalem 44, 68f., 162, 165, 176, 194, 220, 224f., 227, 232, 236, 241, 243, 247, 249, 251, 253f., 262, 270, 284, 298, 313, 317, 337, 382, 408, 416 Jesaja 197, 346 − Deuterojesaja 79 − Tritojesaja 44 Jesus 195, 212, 224, 270, 381, 424 Jesus Sirach 93, 304f., 307 Johannes der Täufer 382 Jonathan (Sohn des Mattathias) 254 Jordan 402, 407 Joseph 95, 98, 122, 125, 135, 137, 190, 193 Josua 153, 156, 194, 402, 407 Jubel 19, 21, 30, 33, 37, 41, 44, 53, 71, 73, 75, 121, 217, 236, 239, 241, 245, 247, 269, 360 Juda 3, 22, 28, 30, 33, 67, 95, 98, 103, 284 – Judäa 254, 310 Judas Makkabäus 254 Judith 221, 224f., 227 Klage 23, 25, 86, 114, 162, 183, 327 − Anklage 25, 27, 165, 327f., 379, 392, 401 − Klage des Einzelnen 6, 10 Königsgebete 54 Korach 392 Krieg 13, 219, 229, 239, 241, 245, 420
SACHREGISTER
– Jüd. Krieg (70–74) 84, 145, 381, 416, 424 – Kriegsgefangenschaft 229, 239, 241, 245, 249 – Makkabäerkriege 270, 304 Kult 101, 106, 145, 200, 254, 270, 284, 333, 339 – Kultstätte 200 – Tempelkult (→ Tempel) Lamech 22 Leto 200 Levi 1, 95, 98, 101, 103 Lied/Gesang/Singen 6f., 9f., 50, 71, 75f., 117, 253, 277, 324 − Bekenntnislied 6 − Brandopferlied 71–75 − Danklied 6, 9f., 16, 28, 76, 313 − Deboralied 147–155 − Gemeindelied 6 – Hymnus 4, 10, 12, 16f., 30, 50, 84f., 147, 232, 305, 319, 324, 332 − Jubellied 247 − Klagelied 10, 284, 305, 332 − Lehrerlied 6, 9 − Loblied/Lobgesang 4, 6, 14, 17, 19, 71, 119, 121, 149, 153, 155, 215, 253, 257, 293, 310, 332, 335, 363 − Schabbatlied 4, 68f. − Volksklagelied 316, 332 Liturgie 3, 68f., 203 − Engelliturgie 68f. − Mozarabische Liturgie 179 Loben/Lobpreisen/Preisen 1, 7, 10, 15–17, 19, 25, 30, 33f., 38, 41, 43, 44, 49f., 69, 71, 73, 86, 89, 101, 117, 147, 155, 179f., 190, 213, 215, 217, 233, 236, 239, 241, 243, 245, 247, 249, 251, 258,
479
267, 269, 289, 293, 304f., 323, 335, 337, 352, 413 Luel 175 Lukas (Evangelist) 424 Manasse (König) 54, 62f., 67, 284, 288f. Manasse (Sohn Josephs) 122 Mardochai 208f., 212f., 215 Mars 200, 203 Martine 200 Mattathias 254 Melchizedek 203 Michael 199 Miriam 225 Misach 335 Misael 335 Mithridates VI. 200 Mose 19, 79, 81, 138, 147, 151, 156, 158f., 161, 193f., 225, 258, 261, 288, 341f., 345f., 352f., 355, 364–366, 388, 392f., 395, 402, 405 Nabonid 54f., 59, 364 Nahum 30 Name Gottes 15, 19, 38, 41, 43, 59, 89, 91, 151, 171, 175, 215, 229, 241, 245, 247, 249, 253, 257, 262f., 267, 269, 288, 291, 320, 323, 337, 339, 402, 407f., 411 – JHWH 33f., 36f., 38, 40f., 43, 52f., 89, 165, 174, 281–283, 373, 397 Nebukadnezar II. 55, 162, 165, 194, 220f. Nehemia 257 Nikolaus von Damaskus 381 Noah 22, 106 Onias (Choni der Kreiszieher) 23, 364, 416
480
SACHREGISTER
Opfer 61, 68f., 76, 117, 121, 129, 147, 149, 154, 163, 195, 199, 217, 254, 257f., 261, 275, 332, 339, 364, 374, 408, 411 – Brandopfer 73, 149, 199, 217, 224, 227, 301, 339 – Opfergebet 257f. Oratio Jacobi 168–175 Origenes 95, 162 Paulus 295, 319, 341 Pentephres 129, 133 Pharao 23, 25, 122, 262, 267, 397 − Pharao Zoan 25, 27 Pompejus 310f., 313 Pogrom 212, 254, 332, 341f., 356, 360, 364, 374 Potiphera 122, 125 Priester 68f., 98, 122, 125, 129, 257f., 262, 267, 304f., 324, 381, 392, 399, 416, 419 Prophetie 30, 47, 49f., 69, 79, 95, 156, 158, 162, 179, 188, 190, 193f., 197, 232, 283, 316, 324, 339, 364, 388 Proselyt 122, 141, 420 Psalm 2, 4, 6, 9, 12, 16f., 28–30, 34f., 38, 50, 54, 62, 71, 75, 125, 276f., 281–284 – Bußpsalm 284 – Klagepsalm 277, 310 – Psalmen Davids 50 – Psalmendichter 276 – Psalmendichtung 29 – Psalmenhandschrift 277 – Psalmenrollen 28, 38 – Psalmen Salomos 277, 310–315, 317 – Psalmensammlungen 28 – Qumran-Psalmen 276 – Syrische Psalmen 277 – Zionspsalm 4, 28, 30 Ptolemäus IV. Philopator 254, 262
Qumran – Qumrangemeinde 28 – Qumranhöhlen 3, 28f., 95 – Qumran-Psalmen (→ Psalm) Raguel 395 Reich Gottes 25, 86 Reinheit 16, 21, 43, 47, 69, 75, 98, 101, 103, 121, 131, 200, 270, 363, 377 – Reinigungsopfer 275 – Reinigungsriten 98 – Unreinheit 21, 27, 39, 43, 103, 125, 269 Rettung 6, 13, 23, 37, 47, 63, 67, 147, 155, 180, 213, 215, 236, 254, 257, 262, 270, 289, 291, 332f., 388, 391, 395, 420 Ruhm/Rühmen 71, 151, 153, 215, 239, 241, 245, 247, 249, 269, 335, 339, 371, 391, 413 Sabaoth 175 Salome Alexandra 416 Salomo 277, 294f., 298, 310, 315, 317, 408, 411 Samuel 276, 283 Sanherib 220 Sara 103 − Sarai 23, 25 Satan 39, 43, 101, 105, 117 Saul 144 Scheol (→ Unterwelt) Schilfmeer 225, 262, 267, 388, 391, 397 Schuld 9, 21, 55, 63, 67, 95, 141, 165, 293, 319, 327 – Entschuldigung 384 – Schuldbekenntnis 55, 141 – Unschuldig 205, 332f., 392 Sedrach 188, 335 Seele 13, 15, 19, 41, 49, 67, 89, 113, 137, 149, 153, 161, 194, 199, 201, 205, 239,
SACHREGISTER
241, 243, 245, 247, 249, 251, 269, 271, 275, 283, 301, 303, 309, 319, 323, 339, 345f., 359, 369, 379, 427 – Seelenheil 139, 141 Segen 19, 27, 41, 46f., 49f., 53, 83, 91, 95, 103, 125, 151, 190, 193, 241, 247, 249, 253, 305, 364–366, 369, 371, 373, 384f., 387, 408 Seraphim 197, 199 Sibylle 106f., 109 Sichem 98 Simeon 95, 224, 227 Simon (Sohn des Mattathias) 254 Simon ben Jochanan (Hohepriester) 304 Simon II. (Hohepriester) 262, 267 Sisera 153 Sophar 119 Souel 175 Sterben 41, 95, 115, 141, 152, 188, 219, 270, 275, 298, 303, 319, 323, 331, 352, 363, 379, 416 – Unsterblich 171, 175, 188, 271, 363 Stephanus 270 Strafe 9, 25, 79, 159, 163, 165, 188, 263, 267, 270, 275, 289, 311, 313, 332, 374, 399, 401, 416, 424 Sünde/Sünder 23, 38f., 41, 43, 47, 55, 59, 62, 66, 95, 117, 119, 121f., 129, 133, 135, 139, 141, 143, 158, 163, 179, 185, 188, 190, 213, 233, 239, 249, 253, 269f., 284f., 288f., 291, 293, 309, 313, 315, 319f., 332f., 337, 339, 401, 415 – Sündenbekenntnis 141 – Sündenfall 147 Susanna 324, 327f., 331 Synagoge 96, 125, 144 Tacitus 420
481
Tempel 23, 69, 84–86, 98, 101, 144f., 158, 162f., 194, 200, 224, 241, 245, 247, 249, 254, 257, 262f., 267, 270, 298, 301, 303, 310, 317, 407, 411, 413, 415 – Tempelkritik 69 – Tempelkult 68, 304 – Tempelzerstörung 93, 144 Theodizee 79, 188, 313 Theodotion 324f., 327f., 330–332, 334f., 337, 339 Thron Gottes 50, 53, 109, 143, 161, 185, 197, 298, 301, 303, 323 Tobias 233, 236, 239, 249, 253 Tod/Töten 13, 15f., 21, 38, 129, 135, 149, 151, 153, 183, 185, 187, 203, 215, 217, 236, 270f., 275, 293, 315, 319, 323, 327, 333, 335, 379, 416 Totes Meer 3, 84 Umkehr 54f., 62, 79, 145, 236, 239, 245, 253, 288, 291, 317, 364 Unterwelt 38, 41, 174, 188, 236, 239, 245, 249, 291, 293 – Hades 119 – Scheol 38, 253 Vaterunser 1, 39, 424 Verderben 151, 180, 183, 185, 187, 213, 215, 245, 249, 309, 313, 397, 401, 415 Verdienst 159, 213, 232, 236, 291, 298 320, 328 Vespasian 424 Vologeses 420 Wahrsager 55, 59, 61 Weisheit 22, 53, 93, 101, 137, 171, 175, 220, 232, 295, 298, 301, 304, 309, 316f., 319, 341 – Weiser 55
482 – Weisheitsliteratur 50, 277, 294f., 298, 304, 307 Wille Gottes 73, 91, 127, 169, 188, 213, 215, 298, 391f., 395, 399, 424f. Wunsch 109, 185, 190, 203, 270, 415 Wüstenwanderung Israels 34, 294, 356, 359
SACHREGISTER
Zenon 341 Zion 4, 34, 44, 47, 49, 91, 161, 231 − Völkerwallfahrt zum Zion 236 − Zionsgedichte 44 − Zionspsalm (→ Psalm) Zuflucht 35, 37, 84, 86, 89, 122, 125, 131, 133, 135, 355, 391, 415 – Flüchten 349, 377, 384, 388, 397
Personenregister
Bardtke, H. 209, 212 Becker, J. 6, 95f., 101, 103, 305 Berger, K. 22 Bévenot, H. 257 Borgen, P. 365f., 368 Brock, S.P. 118 Buitenwerf, R. 106 Burchard, C. 122f., 126–132, 134 Chazon, E.G. 76 Charles, R.H. 100, 102 Charlesworth, J.H. 28, 30, 34, 38, 45f., 114, 138, 156, 168f., 171f. Collins, J.J. 58, 60, 106, 294, 360 Dietzfelbinger, C. 144, 147–149, 151, 154f. Dochhorn, J. 141f. Drijvers, H.J.W. 294f., 311 Gäbel, G. 319 García Martínez, F. 6 Goldstein, J.A. 316 Gunneweg, A.H.J. 316f., 319 Hage, W. 162 Hanhart, R. 208 Harnisch, W. 179 Heinemann, I. 345f. Holm-Nielsen, S. 311, 313
Jonquìere, T.M. 384, 388, 408, 424 Kautzsch, E. 294, 301, 303 Kittel, B.P. 4, 12, 14, 18, 20 Kittel, R. 311 Klijn, A.F.J. 176 Koch, K. 325, 332f. Kraus, W. 319 Kuhn, H.-W. 6 Kurfeß, A. 106 Lange, A. 22, 84 Leicht, R. 209 Lichtenberger, H. 22 Lohse, E. 6, 270 Luther, M. 254 Maier, J. 9, 15, 19, 38, 56, 68, 76 Mallau, H.H. 162 McDowell, M. 122, 125, 141, 147, 209, 213, 220, 224, 346 Middendorp, S.T. 304f. Morawe, G. 6 Morgenstern, M. 85, 88, 90 Müller, U.B. 188, 190 Newman, J.H. 169, 201, 203, 284 Preisendanz, K. 168, 174 Qimron, E. 84, 88–91
Jeremias, G. 6 Jonges, M. de 141
484
PERSONENREGISTER
Rahlfs, A. 208, 236, 244, 284, 307, 310, 314 Rietz, H.W.L. 28, 30, 34, 38, 45f. Rinckart, M. 305. Rosso Ubigli, L. 106
Sukenik, E.L. 6
Sanders, J.A. 28, 30, 34, 38, 45f. Schaller, B. 114, 117–119, 194f., 197–199 Schmidt, L. 366 Schniedewind, W.M. 62, 66 Schubart, W. 168 Schuller, E.M. 76 Steck, O.H. 316, 319, 323 Stegemann, H. 6, 22, 76 Steudel, A. 56
Windisch, H. 342 Woude, A.S. van der 277
Tigchelaar, E.J.C. 6 Tischendorf, K. von 138, 188 Tromp, J. 156, 158, 160f.
Yonge, C.D. 345 Zenger, E. 220, 224, 226