Johann von Tenczyn: Teil 2 [2. Aufl., Reprint 2021]
 9783112438565, 9783112438558

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Johann vonTencM. Eine geschichtliche Erzählung aus dem Polnischen des

3. U. Uiemcewicz.

Zweite

Auflage.

Zweiter Theil.

Berlin, Sandcr'sche Buchhandlung. 1834.

Johann von Tenczyn. Eine geschichtliche Erzählung.

II.

1

Neuntes Kapitel.

Vvtigcn mir die Leser (wenn dieses Buch vielleicht gelesen werden sollte) verzeihen, daß ich sie Hinsichtder schönen Tenczynska und ihres Anbeters, des Spaniers, in Unruhe lasse, und daß ich unsere Rit­ ter in der größten Lebensgefahr übergehe; aber unser nach Schweden eilende Held ruft mich nach einer andern Gegend hin. Schon ist er und sein voran­ gezogenes Gefolge, das in den schönen Hainen von Niezdowo anhielt, in Kazimierz an der Weichsel an­ gekommen, von wo aus die ganze Gesandtschaft zu Wasser nach Danzig gehen sollte. Zu ihrer Ankunft richtete man ein altes, noch von Kasimirn dem Gerechten aufgeführtes Schloß ein. Zu jener Zeit war die Stadt Kazimierz nicht eine so hervorragende, traurige Trümmerstelle als heut zu Tage; sie war eine reiche Handelsstadt. Auf ihr^em Strome lagen viel Danziger und Elbinger Schiffe, welche aus den 1 *

4 am Ufer gelegenen Speichern die goldenen Früchte unserer Fluren einnahmen. Mannigfaltige Flaggen von verschiedener Farbe weheten in der Luft. Uru ter diesen erschienen zwei neue, eine recht zierliche für den Gesandten, und eine andere für dessen föe; folge bestimmt. Die Mauern der Burg waren von einer Menge wohl bekannter adelicher Landsassen und Freunde des Tenczynskischen Hauses beseht; einige waren dahin gekommen, um von ihm Abschied zu nehmen, andere um ihre Söhne, welche das mit Polen befreundete Königreich zu sehen wünschten, seinem Gefolge anzuschließen. Unser Gesandte stieß an einem heitern Herbst­ morgen, beim Klange der Stadtmusik und unter Freudengeschrei der adelichen Landsassen und Bür­ ger, vom Ufer ab. Das klare Wasser der Weichsel schäumte unter dem gleichförmigen Schlage von hun­ dert Rudern. Zm pfleilschnellen Laufe eilten dem Blicke vorüber grüne Ufer, üppige Gefilde, erha­ bene Thürme heiliger Statten, die festen Mauern Thorns, die Städte Graudenz, Marienwerder, Ma­ rienburg. Endlich kam Tenczynski nach Danzig, wo ihn an den Thoren Johann Warde *), einer der vornehmsten Bürger, bewillkommnete, die gewöhn. ) Bielski, S. 541.

5 lichen Geschenke an Wein und Obst überreichte und unsern Gesandten in sein Haus einlud. Nachdem Temzynfki einige Tage ausgeruhet, bestieg er ein schon in Bereitschaft liegendes Schiff und setzte seine unternommene Reise fort. Günstige Winde trugen den polnischen Gesand­ ten zu einer kleinen, am Meere liegenden schwedi­ schen Stadt, Soter-Felge genannt. Von einer Seite umgab diese Stadt der Malar-See, von der andern ein tiefer Dusen des Baltischen Meeres. Von hier aus setzte unser Gesandte seinen Weg zu Lande, eine Strecke von drei und fünfzig Meilen, fort. Schon ließen sich des Oktobers kalte Morgen unter diesem Himmelsstriche empfindlicher als in Polen fühlen; in der Mittagszeit schien aber die Sonne sehr schön, und es prangte das reine Blau des Himmels. Wie unsere Reisenden von der schönen und reizenden Lage des Landes ergriffen, eben so sehr waren sie erstaunt über die Unfruchtbarkeit desselben. Nur selten wa­ ren die Fluren zwischen aufgcthürmten Kieselsteinen vom Pfluge berührt; zu beiden Seiten zogen sich schroffe Wände von Granitfelsen mit ihren himmelanreichcndcn Spitzen hin, und waren mit dichten Waldern von Roth- und Weißtannen bedeckt; auf ihren Aestcn wiegten sich schwarze, glänzende Birk­ hähne, am schönen Roth des Kopfes kenntlich. Hier

6 und da traten die Walder und Felsen aus einander, und der reine Krystall ausgebreiteter Seen, mit lachenden Inseln und ihren weißen, rothdächigen Häusern, erheiterte die düstere Gegenden. Die vom Winde getriebenen, sich kräuselnden Wellen des Sees schlugen mit traurigem Getöse an die sandigen Ufer, während in der Ferne das vorgeneigte Segel eines Fischerkahnes, weiß wie eine über den Gewässern schwebende Möwe, schimmerte. Am letzten Tage erblickten sie, da wo der Mälarr See sich in das Meer stürzt, die aus den Ge­ wässern dieses Sees sich erhebenden, spitzigen Zin­ nen der heiligen Statten und vorzüglicheren Ge­ bäude Stockholms, ferner die ganze, auf zahlreichen felsigten oder kiesigten Inseln erbaute Stadt. Viel­ fache Brücken verbanden diese Inseln so mit einan­ der, daß von einer Seite derselben süßes, und von der andern salziges Wasser hinfioß. Der ganze See war mit ähnlichen Inseln besäet, von denen einige bewohnt wurden, andere aber standen in ihrer na­ türlichen Schönheit da und gewährten dem Auge ein wundervolles Bild, eines Malers würdig, der solche Reize wiederzugeben vermag. Eine Meile von der Hauptstadt Schwedens er­ wartete unsern Gesandten ein Beamter des Königs Erich, und führte ihn nach einer für ihn eingerich-

7 toten Wohnung. Die Einwohner Stockholms wun­ derten sich über die in diesen Gegenden unbekannte Pracht der Gesandtschaft. Einen langen Zug bil­ deten die Wagen, deren Verdecke Tenczynfki's Wap, pen führten; sowohl die Zahl als die Schönheit der reichgekleideten Hofleute, und die ganz silberne Hu­ sarenfahne mit Luchshäuten, setzten Alle in Erstau­ nen. Noch hatte sich Tenczynfki in seiner Woh­ nung nicht eingerichtet, als man ihm meldete, daß der Geistliche Warszewicki, ein Jesuit, Beichtvater der Infantin Katharine, zu ihm gekommen sei. Nach gegenseitiger Bewillkommnung, erklärte der Priester seine Bereitwilligkeit, dem Gesandten in Allem zu dienen; sagte ihm, daß er das Vertrauen des Her­ zogs Johann von Finnland genieße, und große Hoff­ nung hege, dieser Herr werde, wenn er das Zepter erlangt haben würde, unter gewissen Bedingungen in den Schooß der römischen Kirche zurückkehren *); er ersuchte zugleich den Gesandten seine Bemühun­ gen zu unterstützen. Ich schätze mich glücklich, sagte Tenczynfki, daß ich Euer Hochwürden in diesem Lande finde; bekannt sind mir sowohl die hohen Tu­ genden Eurer Person, als auch die Gewandtheit •) Siehe die Lcbensgeschichte Warszewicki's, von dem Gelehrten Joseph Offolinski.

8 und Fähigkeit Eures Ordens, wodurch er einen so großen Einfluß in allen politischen Angelegenheiten Europa's hat. Warszewicki ließ seine Augen ftn; ken, dann sagte er bescheiden-. Unsere geringe 95t: mühungen streben nur dahin, die Ketzerei auszurot; ten, und die Ehre Gottes und das Ansehen des apostolischen Stuhles zu verbreiten. Da Tencznnski sich die nöthigen Kenntnisse von dem ihm unbekann; ten Hofe erwerben wollte, bat er jenen sich zu sehen; der Jesuit setzte sich und sprach also: — Zch will Euch die ganze Lage beschreiben, in welcher sich so; wohl der Hof als auch die Angelegenheiten des Kö; nigreichs befinden. Zuerst: nachdem der König von dem fürchterlichen Irrsinne, von dessen schrecklichen Folgen ich Euch spater erzählen werde, frei gewor; den war, wurde er unruhig und zitterte beständig für sein Zepter. Die Furcht vor dem ansehnlichen Stamme der Sturen, der Krieg mit Dänemark, die Bedrohung aus Norden, zeigen ihm, wie noth; wendig es sei, die Unterstützung eines so mächtigen Königs, wie Sigmund ist, nicht zu verscherzen. Er sucht auch mächtige Freunde unter den deutschen Fürsten. Obgleich ich Priester bin, so wage ich doch zu sagen, daß, wegen der bekannten Schönheit seiner Schwester Cäcilie, viele von diesen Fürsten um ihre Hand warben: am meisten ist Christoph

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Markgraf von Baben in sie verliebt, der hier selbst gegenwärtig ist; da aber sowohl der König Erich nach mächtigeren Verbindungen trachtet, als seine Schwester Cäcilie auch eben nicht große Neigung zu dem Markgrafen fühlt, so scheint ssein Plan sehr ungewiß zu sein. Cäcilie, mit einem lebhaften Ger fühle, mit einem romantischen Gemüthe geboren, achtet wenig auf politische Rücksichten und beschloß, nur der Neigung ihres Herzens zu folgen, einger denk, daß die beneidete Königliche Würde die Freiheit raubt, die auch der geringste Landmann genießt, die Freiheit nämlich, sich einen Lebensgefährten nach dem Herzen zu wählen; und es ist meine einzige Sorge, daß die Wahl auf einen Sohn unserer Kirche falle. Obgleich sich der König durch die Versprechungen der Königin Elisabeth von England locken läßt, so ist er mehr als je in Katharine Mans verliebt, die zwar von einer niedrigen Herkunft, aber gewandt ist und schon sehr großen Einfluß hat. Die Prim zesstn thut mir leid, sagte Tenczynfti seufzend, wir wollen jedoch hoffen, daß der Himmel, ihre edlen Gefühle lohnend, nicht zulassen wird, daß sie gc; täuscht werden sollten. Ich wünsche dieß auch, sagte Warszewicki: ich will Euch aber in vollem Vertrauen sagen, daß der König Erich seinem Hochmuthe, seinem Hasse gegen die Danen, mit

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einem Worte, seinen politischen Zwecken, alles, selbst das Glück seines Geschlechts und die Reize feiner eigenen Schwester zu opfern bereit ist; daher sucht er die Verbindung mit der Königin von England, und um das Ziel zu erreichen, verspricht er die Prinzessin Cäcilie dem Grafen Arundel, unter der Bedingung, daß er die Hand Elisabeths für ihn ge­ winnen soll*). Elisabeths Zigern in dieser Sache, das Ansehen und die Liebe, welche das alte Ge­ schlecht der Sturen mit Recht im Königreiche ge­ nießt, dieß alles reizte Erichs Neid, Furcht und Un­ geduld, und war der Grund des Irrsinnes, dessen fatale Folgen der Herzog von Finnland und unsere fromme Infantin schrecklich erfahren haben. Indem Warszewicki diese Worte endigte, hörte man auf der Straße ein lautes Peitschenknallen und Schellengeklingel. Dieß ist die Prinzessin Cäcilie, sagte der Beichtvater, sie macht heute ihre erste Schlittenfahrt. Tcnczynski, nicht von Neugierde, sondern von einer ihm bis jetzt unbekannten Bewe­ gung angetrieben, trat an's Fenster. Zuerst erblickte er Trabanten, hinter ihnen eine Reihe von Schlit­ ten, und in denselben zierlich gekleidete Kavaliere •) Siehe Cioffi v. Dalin Schwedische Geschichte, S. 426 und 427.

11 und Damen.

Wer ist der Kavalier, fragte Ten-

czynski Warszewicki'n, welcher mit der reichgekleide­

ten Dame fahrt.

Dieß ist der Herzog Magnus

von Gothland, der Königliche Bruder.

Der Kö­

nig, für sein Geschlecht mit großen Absichten erfüllt, schickte einen Gesandten nach Schottland ab, der

für ihn um die Hand der Königin Maria wirbt; die Antwort ist nicht zuverlässiger, als die, welche

er selbst von

der Königin Elisabeth erhalten hat.

Tcnczynski hörte wahrscheinlich diese Worte nicht,

denn er war ganz mit dem Anblick der wunderschö­ nen Person, die in einem weit stattlicheren Schlit­ ten mit einem jugendlichen Kavalier fuhr, beschäf­ tigt

Sie trug rin blausammctnes Gewand mit ei­

nem hohen Zobelkragen, einen kleinen Kolpak eben­

falls von Zobel, über welchen ein Kantenschlcicr von

seltener Feinheit nachlässig geschlagen war.

Als sie

beim Hause des Gesandten vorbeifuhr, richtete sie

ihre dunkelblauen Augen nach den Fenstern hin; so­ wohl diese als auch die schwarzen Augenbrauen, der wunderschöne Bau und die Weiße des anmuthigen

Gesichts, gaben Tenczynfti'n zu erkennen, daß die

Stunde geschlagen, in welcher sein Herz aushörcn sollte frei zu sein.

Durch so viele Reize, gleich wie

durch eine Erscheinung vom Himmel überrascht, ver­ blieb er lange in schweigender Vergessenheit.

Nach-

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dem er sich endlich besann, sagte er: Zch stage nicht, wer diese bezaubernde Person ist; nach Euer Hoch­ würden Beschreibung errathe ich, daß es Prinzessin Cäcilie ist. Zhr irret nicht, sagte der Geistliche Warszewicki: sie ist es, sie fährt da mit ihrem jüng­ sten Bruder, dem Herzoge Karl von Südermanland, der, obwohl in jugendlichem Alter, schon großen Hochmuch und viel Entschlossenheit zeigt. Glücklich ist der Markgraf von Baden! unterbrach ihn Tenczynski, mit einem unterdrückten Seufzer. Nicht gar sehr, sagte der Priester Warszewicki: Zhr sehet, daß die Prinzessin lieber mit ihrem kleinen Bruder fahrt, und daß der hinter ihr kommende Markgraf von Baden die Gräfin Drahe bei sich hat. Bei diesen Worten heiterte sich die Stirn des polnischen Gesandten auf. Lange dauerte das Ge­ spräch zwischen ihnen. Nachdem Warszewicki end­ lich Tenczynski'n noch nöthige Verhaltungsregeln am Hofe mitgetheilt hatte, ging er weg, ihm baldigste Audienz versprechend. Der am Hofe durch sein Ansehen viclvermigende Priester hielt Wort; denn in zwei Tagen wurde Tenczynski benachrichtigt, daß er öffentliche Audienz beim Könige haben sollte. Tenczynski begab sich nun mit der ganzen Pracht seines Gefolges nach dem Schlosse, und wurde mit den Ceremonien, die

13 man beim Empfange eines Groß-Gesandten zu beob­ achten pflegte, zu den Königlichen Zimmern geführt. Der König Erich stand unter dem Throne in einem

reichen flamländischen Kleide; hinter ihm seine drei Brüder, der Herzog Zohann von Finnland, Mag­

nus und Karl.

Zn einer Entfernung der Groß­

marschall Graf Brahe, der Kanzler Johann Fris, Heinrich Erikson, Benk, Gibte und Andere. czynski hielt

Tcn-

eine Anrede hinsichts seiner offenen

Gesandtschaft in lateinischer Sprache, worauf ihm der Kanzler antwortete.

Zn ein besonderes Zim­

mer geladen, sprach er mit dem Könige von der geheimen Absicht seiner Sendung.

Bei dieser Un­

terredung bemerkte Tenczvnski an Erichen einen gro­

ssen und erhabenen Geist, eine weitumfassende Kennt­ niß, Neigung zur Heftigkeit, verborgene Furcht und

Neid gegen seinen Bruder, den Herzog von Finn­ land.

Seine eheliche Verbindung mit der Znfan-

tin von Polen schien ihm für die Sicherheit der

Krone überwiegend.

Diese Furcht wußte er jedoch

hinter die Politik zu verbergen, wiewohl diese selbst

bei der leisesten Erwähnung jener Verbindung nicht verborgen werden konnte. fürchtete, Erichen zu

Der polnische Gesandte

beleidigen, wenn er ihn an

das gewaltsame Verfahren gegen den Herzog von

Finnland erinnerte; solche Erwähnung hätte in sei-

14 nem, zur Heftigkeit geneigten Gemüthe die ftüheren Leidenschaften erneuern können. Am Ende der Unterredung erklärte Erich, daß er, da beide verwandte Nationen durch Verbindungen schon vereinigt xoa; ren, gern sehen würde, wenn der polnische Gesandte, um jede mögliche Veranlassung zur Uneinigkeit zu 6e; seitigen, sich mit seinem Kanzler hinsichts der Städte Reval und Parnava vergleichen wollte. Wir werden uns bald wieder sehen, sagte Erich sehr artig zu Tenczynfti'n, ich hoffe, daß Zhr heute auf mei­ nem Schlosse beim Mahl und Tanz erscheinen wer­ det, die ich für die Prinzessin Cäcilie, meine Schwester, Veranstalte. Tenczynski verneigte sich und trat ab. Nach der Audienz beim Könige, begab sich der Gesandte nach den Zimmern der Infantin Katha­ rine von Polen, vermählten Herzogin von Finn­ land. Wie freudenvoll war der Empfang. Wie an­ genehm war es der Herzogin, den Ton ihrer vater­ ländischen Sprache zu hören. Wie viele Fragen richtete sie an ihn, nach der Gesundheit ihres Kö­ niglichen Bruders, nach den Schwestern, nach der Königin Barbara! Die Gespräche hätten, ohne ein Ende zu nehmen, fortgewahrt, wenn nicht der vor­ sichtige Beichtvater, weil er wußte, daß für das argwöhnische Gemüth des Königs Erich Alles eine Quelle der Besorgniß werden könnte, die Herzogin

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gebeten hatte, das Gespräch für dießmal zu beendi­ gen. Der Herzog von Finnland nahm Tenczynski'n sehr wohlwollend auf, indem er ihm vielmal seiner Dankbarkeit für das unschätzbare Geschenk, welches ihm der König in seiner schönen, in Tugenden un­ vergleichbaren Gemahlin gemacht, versicherte. Zn den Jahrhunderten, in welche diese Erzäh­ lung gehört, hielt man sich treuer an den Umlauf der Sonne, als heut zu Tage. Man stand mit Tagesanbruch auf, der Mittag war um zwölf Uhr, das Abendbrot um sechs Uhr. Um diese Stunde versammelte man sich daher am Hofe. Tenczynski war sorgfältig in seiner Kleidung. Er zog einen Zupan von Silberstoff an, umgab denselben mit einem reichen persischen Gürtel hinter diesen steckte er einen Dolch mit einem lazmnen Griffe, der mit Diamanten übersäet war; ein schöner großer Rubin deckte die obere Spitze desselben; darüber schlug er ein rothsammetnes Gewand mit einer diamantenen Schleife und Agrafe. Ein Kotpak von Zobel mit einem reichen diamantenen Dusch, und eine mit kostbaren Steinen besetzte Karabele, machten das Uebrige seines Anzuges aus. Tenczynski fand die Königlichen Zimmer schon angefullt. Die Männer zeichneten sich mehr durch schöne männliche Gestalt, als durch Kleiderpracht

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aus; die Damen entzückten durch ihre blühende Ge­ sundheit, Schönheit und durch eine angenehme Bil­ dung ihres Körpers. Dennoch sah sie Tenczynskt gleichgültig an, als eine Flügelthür aufflog, und der König Erich in derselben erschien, die Herzogin von Finnland und seine Schwester Prinzessin Cäcilie am Arme führend. Diese Letztere leuchtete hervor, wie die Lilie an einem Mayenmorgen. Sie trug eine ganz weiße Bekleidung mit einer Menge schöner Kanten; von ihrem Alabasterbusen erhob sich eine große Krause; mitten unter den zierlich vertheilten Haarlocken, um den Hals und auf den Händen glanzten kostbare Perlen, die nur durch den weißen Teint der Prinzessin dunkel waren; in ihrer ganzen Gestalt war Würde und eine ergreifende Anmuth. Mit einem reizvollen Lächeln begrüßte Cäcilie die rings umher Stehenden, aber ihre dunkelblauen Au­ gen verweilten auf Tenczynski'n ein wenig länger. Dieser Anblick ergriff so lebhaft und bestürzte den jungen Gesandten so sehr, daß er nicht gewahr wurde, als ihm der König Erich ein Zeichen gab, sich ihm zu nähern. Der Graf Brahe machte ihn darauf aufmerksam, ihn leise mit dem Ellenbogen anstoßend. Sogleich näherte er sich, und als ihn der König an die Hand faßte und der Prinzessin ver­ stellte, sagte er: Dieß ist der Graf Tenczynski, Gesand-

17 sandter Seiner Majestät des Königs von Polen. Nachher sich zu Tenczynski'n wendend, sagte er: Zch habe keine Gemahlin, meine Schwester ist die Wirchin des heutigen Gastmahles; ich hoffe, daß sie Euch gern bewirthen wird. Hierauf nahm er die Herzogin von Finnland an die Hand und eröffnete den Tanz. Nach Beendigung des ersten Tanzes war der Markgraf Christoph von Baden Rodemachern, der die Prinzessin liebte und um ihre Hand warb, sogleich bei ihr. Tenczynfki ließ ihn nicht aus den Augen. Es war ein Züngling von hage­ rer Gestalt, ungefähr 26 Zahr alt; wenn man auch dieß übersähe, daß er für eine Mannsperson viel zu weiß war, so gaben seiner papierweißen Gesichts­ farbe, sowohl die ebenfalls weißen Augenbrauen und Wimpern, als auch große, hervorstehende, blaßblaue Augen keinen angenehmen Eindruck. Er war ziem­ lich lebhaft, und richtete oft an die Prinzessin sein Gespräch; mit Vergnügen bemerkte unser Gesandte, daß ihm die Prinzessin nur kurze Antworten gab, und sogar den Tanz bald endigte. Die Hof-Etiquette bringt es mit sich, daß die Regierenden sich selbst Personen zum Tanze wählen: die Prinzessin Cä­ cilie ging daher zum Könige, ihrem Bruder, und fragte ihn, wen sie erwählen sollte; das Lächeln, welches in ihrem Gesichte hervorleuchtete, gab zu II.

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18 erkennen, daß des Königs Wahl ihr angenehm war. Als der Herzog Magnus schon seinen Platz zum Tanze eingenommen hatte, ging der Unterkämmerer des Hofes zu Tcnczynsti'n und meldete ihm, daß die Prinzessin mit ihm zu tanzen wünsche. Mit Ehrerbietung näherte sich Tenczynsti derselben; und sogleich waren all« Augen auf das schöne Paar ge­ richtet. Zur Seite der zarten, jugendlichen, wie eine Lilie, von tausend Reizen umstrahlten Prinzessin stand Tenczynsti von seltener Schönheit. Schon die Pracht seines Anzuges würde die Beschauer in Erstaunen gesetzt haben; wie sollten es denn nicht die Reize seines männlichen Gesichts, die schwarzen Augen, die ein süßes Gefühl hauchten, die starken sich in einem Bogen neigenden Augenwimpern, das sich kräuselnde schwarze Haar, die römische Nase, das. Lächeln, in dem sich Fröhlichkeit und Witz zugleich malten! Ein angenehmes Gemurmel ver­ breitete sich leise im ganzen Saale, die Damen flü­ sterten einander in's Ohr, vergeblich wollten die Männer einen Fehler an ihm entdecken. Der Markgraf zog mit einer finsteren Miene seine wei­ ßen Augenbrauen zusammen. Nachdem dieß sein neben ihm stehender Kammerherr bemerkte- der ebenfalls wie der Markgraf weiß war, sagte er: Wie schwarz sind doch die Augen und die Augen-

19 brauen dieses Sarmaten! Kann man wohl mit sol­ cher Gestalt gefallen? Warum nicht, antwortete der Markgraf: kann man sich denn die Launen der Weiber erklären? Zch zweifle, versetzte der Kammerherr, sie wissen es, daß Cupido selbst blond war. Durch diese Worte rückten die weißen Au­ genbrauen des Herzogs aus einander, aber sie fal­ teten sich wieder, als er die Prinzessin sich wohlge­ fällig mit dem polnischen Gesandten unterhalten sah, und der Tanz sich ungewöhnlich in die Lange zog. Die Prinzessin fing zuerst das Gespräch an. Da Zhr Euch, wie ich gehört habe, an das warme Klima Kastiliens gewöhnt habt, so muß Euch Schwedens kaltes Klima rauh Vorkommen. Die gerechte Vorsehung, antwortete Tenczynski, hat das Herbe in der Witterung Schwedens durch andere Geschenke vergolten: es giebt in demselben solche Schönheiten, wie ich sie in Kastilien zu erblicken nicht das Glück hatte. Eure galante Courtoisie, sagte Cäcilie, werde ich den Hofdamen kund ma­ chen; soll ich sie aber ersteuen oder betrüben? Auch in Polen, hörte ich, giebt es eine Menge schöner Damen, leicht könnte also eine von ihnen Euer Herz schon besitzen. Da ich mir, Durchlauchtigste Prinzessin, antwortete Tenczynski, fest vorgenom­ men habe, meinem Wohlgefallen und der Neigung 2*

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meines Herzens in einer so heiligen und theuern Verbindung zu folgen, so bekenne ich, daß ich bis auf den heutigen Tag keine Person gefunden habe, die in mir das Gefühl erregt haben sollte, welches einzig über das Loos unsers Lebens entscheiden muß. Zch lobe diese Eure Sinnesart, sagte die Prin­ zessin: Zhr könnt leicht bei derselben beharren, wir aber... mit gleichen Neigungen wie die anderen Menschen, mit gleichem Herzen geboren, steht cs uns doch nicht frei, uns denselben hinzugeben. — Wer mit so außerordentlichen Eigenschaften, wie Eure Königliche Hoheit, begabt ist, sagte Tenczynski mit bebender Stimme: wer wie Ihr auf der höchsten Stufe der irdischen Größe gestellt ist, kann keine andere Hindernisse erfahren, als etwa nur die Schwierigkeit der Auswahl unter einer großen Menge von Verehrern! Und wenn die mir zuger kommenen Nachrichten nicht trügen, so ist schon der Herzog . . . Die verbreiteten Gerüchte, sagte die Prinzessin seufzend, entsprechen selten der Wahr­ heit; dieß sagend, endigte sie den Tanz. Wenn zwei Herzen von einer reinen Neigung gegenseitig ergriffen werden, so braucht es nicht vie­ ler Worte, um sich zu verstehen: ein Blick wird der Dolmetscher aller ihrer Gefühle. Die lebhaften Augen der Prinzessin wurden von einer lieblichen

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Melancholie umzogen; man möchte sagen, dieß war der über einer schönen Blume schwebende duftende Hauch. Auch in Tenczynski's Seele tönte die Stimme der Prinzessin nach. Ach, warum, sagte er zu sich selbst, erweckt doch die Laune des Schick­ sals in meinem Herzen zum ersten Mal diese un­ vermeidliche Liebe zu solcher Person, welche niemals die Meinige werden kann! Zch bin nun verurtheilt, alle Marter und Qualen der Liebe zu erfahren, und habe die Süßigkeit derselben nie empfunden. Wo­ llin wird mich die thörichte Täuschung noch führen! Zch will mich bemühen sie zu vertilgen, ich will recht bald die mir aufgetragenen Geschäfte beenden, und mich entfernen, ehe noch die verblendete Leiden­ schaft mir alle Ueberlegung raubt. Zn solchen Gedanken war Tenczynfti versunken, als er zufälligerweise, indem er die Augen aufhob, den Markgrafen Christoph mir der Prinzessin zu­ sammen sprechen sah. Alle seine Gedanken, sich von der Prinzessin zu entfernen, verwandelten sich so­ gleich in schmerzhafte Gefühle der Eifersucht; doch empfand er bald wieder eine nicht geringe Freude, als er bemerkte, daß Cäcilie, zerstreut, als ob sie darauf nicht achte, was zu ihr gesprochen wurde, ihm einen zusichernden, wohlwollenden Blick zu­ warf, so daß dadurch nicht nur Trost, sondern titi

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süßer Strahl der Hoffnung im Herzen des Verlieb­ ten aufdämmerte. Solche Spiele pflegt die Liebe mit ihren Opfern zu treiben: sie verfinstert, sie hei­ tert auf, gleich dbr Sonne im unbeständigen April­ wetter. Unterdeß öffnete sich die Flügelthür eines Seitensaals, und es wurde gemeldet, daß das Abend­ essen aufgettagen wäre. Der Markgraf Christoph, Tenczynski und der englische Gesandte, wurden zur Königlichen Tafel eingeladen. Der König Erich, der noch immer in sich die Hoffnung nährte, daß er die Hand der Königin von England erhalten würde, fragte den Lord Arundel, ob es wahr wäre, daß der Herzog d'Alen?on, der Bruder des Königs von Frankreich, um Elisabeths Hand würbe? Es wäre kein Wunder, antwortete der englische Ge­ sandte: eine so mächtige, mit so vielen trefflichen Eigenschaften begabte Monarchin kann die Herzen vieler Fürsten an sich ziehen; sie übereilt sich aber nicht mit ihrer Wahl. Zch glaube jedoch, sagte Erich, daß eine so würdige Königin sich nicht ernie­ drigen werde; sie wird keinem Andern die Hand, die das Zepter führt, reichen, als einer solchen, die schon ein Zepter hält. Meine Gebieterin, sagte Lord Arundel, wird sowohl die Vortheile des Reiches, als auch di« Ansprüche ihres Herzens zu Rathe zie-

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hen. Zch verstehe wohl, ließ sich die Prinzessin Cä­ cilie vernehmen: die Würde und die Macht, welche die Regierenden auszeichnen, können die Gefühle, die allen Menschen gemein sind, in ihren Herzen nicht vertilgen; ich möchte behaupten, daß es auch regierenden Personen frei steht, ihrer Meinung zu folgen. So machte es Maria, die Königin von Schottland, als sie ihre Hand dem Lord Darnley gab; ein Gleiches that auch jetzt, setzte sie hinzu, auf Tenczynski ihre lieblichen Augen richtend. Seine Majestät der König von Polen, da er seiner ge­ liebten Unterthanin den Vorzug vor so Vielen gab, die mit glänzenden Königskronen geschmückt waren. Schwester, sagte der König Erich, mjt Deinem ent­ brannten Romantismus solltest Du in einer Hütt« Arkadiens und nicht auf dem Throne Gustav Wasa's geboren worden (ein. Regierende Häupter und die aus dem Königlichen Geblüte, sollten, so viel nur möglich, nie ihrer Würde vergessen. Dieß hat mein Herr und König, ließ sich Tenczynski dreist vernehmen, auch nicht vergessen, als er eine Dame aus dem Blute seines Volkes wählte; dadurch hat er mehr als durch fremde Verbindungen sein An­ sehen bekräftigt. Zch wünsche es von meinem gan­ zen Herzen, antwortete der König Erich: meine Meinung ist jedoch die, daß alle Regierenden unter

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sich ein Geschlecht ausmachen, und nur in diesem sollten sie sich befreunden. Uebrigens, ließ sich die Herzogin von Finnland vernehmen, wenn man be­ denkt, daß sie auch Menschen sind, so sollten sie ihr häusliches Glück nicht außer Acht lassen. Was mich betrifft, so glaube ich, daß das Urtheil Ihrer Majestät das richtigste ist, sprach der Markgraf Christoph, indem er seinen Kopf tief verneigte. Ihr, Markgraf, haltet wirklich dafür? fragte ihn die Prinzessin Cäcilie lächelnd. Der Ball endete, wie gewöhnlich in diesem Jahrhunderte, um zehn Uhr.

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Zehntes Kapitel. Ungeachtet aller Vorsätze, welche Tenczynski faßte, sich der Leidenschaft zu widersetzen, die sich seiner beniächtigte, gelang es ihm doch nicht, dieselbe zu bekämpfen; denn das wunderschöne Bild der Prinzcssin, ihre wohlklingende Stimme, ihre edlen, wohl­ wollenden Gefühle, die sein Gemüth entflammten, verscheuchten den erwünschten Schlaf. Cäcilie zum Glück erschaffen, sprach er bei sich selbst, gründet dasselbe nicht darauf, daß sie über Andere erhoben werde und die Oberhand führe, sie gründet es auf gegenseitige Liebe und auf die Annehmlichkeit des häuslichen Lebens. Die Träume, welche Liebenden gewöhnlich sind, entspannen sich abwechselnd in sei­ ner Seele; einmal sah er den König Erich über den Gedanken aufgebracht, daß seine Schwester mit einer Privatperson, ob sie gleich aus einer der ältesten Fa­ milien Europa'- abstamme, verbunden werden sollte; er sah ihn, wie er dieselbe dem nicht geliebten, aber souverainen Fürsten gab; wiederum machten diese bettübenden Gedanken schöneren Bildern Platz: er stellte sich Cäcilien vor, wie sie durch ihre Anmuth

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ErichS" Zorn und Heftigkeit milderte, durch ihre Ausdauer alle Hindernisse besiegte, und ihm endlich ihre schöne Hand reichte. Schon brachte er sie auf das Schloß Tenczyn, schon stellte er sie seinen ehr­ würdigen Eltern vor, und in diesem Augenblicke überschütteten tausend Bilder der Wonne und des Glückes sein Herz. Von so vielen gewaltigen Bewegungen getrieben, schlummerte er auf einen Augenblick vor Tagesan­ bruch ein, und wie die aufgehende Röthe die ganze Natur, so belebte auch ein sanfter Schlaf seinen trü­ ben Geist. Er stand auf, und in der Arbeit wie in seiner Pflicht Zerstreuung suchend, sing er vorberei­ tende Punkte zu den zu beginnenden Berathungen mit dem schwedischen Kanzler nirderzuschreiben an. Außer den Prätensionen in Betreff des Brautschahes der Königin Barbara, wünschte Erich einige Schwie­ rigkeiten, hinsichts der Bürge in Liefland, mit Polen bei diesem Ereignisse auszugleichen. Mehrere Stun­ den hatte Tenczynsti schon, gearbeitet, als ihn der, ihm von Wilna her bekannte Herzog von Finnland heimlich besuchte *). Tenczynski bemerkte in dem •) Oie Vermählung des Herzogs von Finnland mit Katharina Jagielonka fand in Wilna Statt, siehe Gornicki.

27 Gesichte des Herzogs Unruhe und Trauer, diese er-

klärte ihm der Herzog sogleich. — Einer von mei­

nen vertrauten Hofleuten, Troffenburg, kam aus Krakau und brachte Briefe an die Znfantin, meine

Gemahlin, mit, worin gemeldet wird, daß die Kö­ nigin Barbara gefährlich krank geworden ist; der König, ihr Gemahl, ist in großer Besorgniß und

Trauer versunken.

Ueberdieß bringt er auch die

Nachricht vom Einfall

der Tartaren mit, welche

weit und breit das Land verwüsten und den Für­

sten Wiszniowiecki mit seiner ganzen Familie aufge­ hoben haben *).

Zhr könnt Euch nun vorstellen,

lieber Graf, in welche Trauer diese Kunde die Herzo­

gin, meine Gemahlin, versetzt hat! — Mag sich die

Znfantin, sagte Tenczynsti, nicht zu zeitig grämen, das jugendliche Alter der Königin Barbara laßt uns

hoffen, daß sie bald ihre Gesundheit wieder erlan­ gen wird.

Was die Einfälle der Tartaren betrifft,

so bin ich fest überzeugt, daß sie in dem Augen­

blicke, in welchem wir jetzt reden, schon geschlagen

und

vertrieben sind, und

wieder genommen ist.

die Deute ihnen schon

Man-muß Euch, Erlauchter

Herzog, beneiden, sagte Tenczynsti seufzend, daß Zhr

•) Geschichtlich, siehe die Chronik Orzechowski's, S. SS. Most- Edit.

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nur solche Veranlassungen zu Eurer Niedergeschla­ genheit habt. Der unterdrückte Ton, und die Art, in welcher Tenczynski diese Wort« aussprach, fielen dem Her­ zoge von Finnland auf. Lange heftete er schweigend seine Augen auf ihn, als wenn er ihn bis auf den Grund des Herzens durchschauen wollte. Endlich sagte er: Ich sehe, daß der Gott Cytherens gestern zwei Pfeile abgeschossrn hat, und daß beide tief stecken geblieben sind. Diese Allegorie Eurer Ho­ heit, sagte der Gesandte, errathe ich nicht. Ihr wollt Euch vielmehr nicht verrathen, daß Zhr gut versteht, erwiederte der Fürst: da man nun durch­ aus klar sein muß, so will ich Euch sagen, daß wenn meine Schwester Cäcilie Euer Herz lebhaft gerührt hat, so habt Zhr, lieber Graf, auch einen tiefen Eindruck auf sie gemacht. Zch komme gerade von ihr, sie sprach von Euch, nicht mit Lob, sage ich, sondern mit Entzücken. O Unglück! sagte Tenczynski, wenn dieß auch so wäre, wenn die Prin­ zessin einigen Werth auf die tiefen Gefühle, die sie in mir erweckte, legen sollte: welche Zukunft für uns Beide? Die hohe Stufe, auf der die Prin­ zessin steht, raubt mir alle Hoffnung und hinter­ läßt mir nur die Verzweiflung. Da Zhr von der Neigung Cäciliens nun überzeugt seid, sagte der

29 Herzog von Finnland, so solltet Ihr nicht verzwei­

feln, vielleicht kann sich in der Zukunft aus dem Ge­

webe der undurchschaulichen Ereignisse auch ein sol­ ches entwickeln, welches Eure Wünsche krönen dürfte. Der König, mein Bruder, ist leider hochmüthig,

über alle Maßen heftig, jedoch kann er auch seinen Hochmuth den Vortheilen des Landes opfern.

Bei

den Berathungen mit Euch können sich solche Um­ stände finden.

Ueberdieß gedenkt Erich auch daran,

daß unser Vater, der Stifter unsers Hauses, der unsterbliche Gustav Wasa, in der zweiten Ehe sich

eine Privatperson *) erwählt hatte, die Mutter Eu­ rer Cäcilie....

Bei den Berathungen, unterbrach

ihn Tenczynski, werde ich nie die Vortheile Polens außer Acht lassen, und sei die Liebe noch so stark und

lebhaft, die ich umsonst verbergen wollte, so werde ich ihr nie die Treue gegen meinen König, und

die Anhänglichkeit an mein Vaterland zum Opfer bringen.

Die Sachen, verseht« der Herzog, kön­

nen ohne ein so großes Opfer ausgeglichen werden. Indessen muß ich Euch darauf aufmerksam machen,

daß die Prinzessin Cäcilie heute Abend bei mir sein

wird; ich lade Euch mit ein, der König giebt dazu

•) Margarethe Legonhuffland, Tochter Abrahams des Reichs-Marschalls.

30 seine Einwilligung. Tenczynskt dankte, und ver­ sprach, sich einzufinden. Mit Ungeduld harrete er der Abendstunde, und als sie herbeikam, begab er sich zur Herzogin von Finnland. Dort fand er nur den Herzog, die Herzogin und den Geistlichen Warszewicki, Beichtvater der Letzteren; aber bald erschien auch die Prinzessin Cä­ cilie, die, statt von einem zahlreichen Gefolge, von tausend Reizen umgeben war. Mit ihr tarn ihre Hofdame, die Gräfin Brahe, nebst deren Gatten. Zwei polnische Damen der Znfantin Katharine, Frau Orzelsta und Fraulein Warszewicka, Schwester des Beichtvaters, machten die übrige Gesellschaft aus. Die Gegenwart einer Person von hohem Range pflegt in uns eine eigene Aufmerksamkeit zu erregen; dieser konnten die Anwesenden das Stillschweigen zwischen Prinzessin Cäcilie und Tenczynski zuschrei­ ben. Doch die der Bewegungen des Menschenher­ zens kundigen Augen konnten leicht errathen, daß Tenczynski's Blick, die lebhafte Rithe und die län­ gen, niedergeschlagenen Augenwimpern der Prinzes­ sin, einander mehr als Worte gesagt haben. Ob­ gleich die Gesellschaft aus sicheren und vertrauten Personen bestand, so war sie jedoch immer in Aengsten, weil das argwöhnische Gemüth des Königs Erich, und die Menge einschleichender, überall, selbst

31 irt den Königlichen Gemächern, lauernder Spione, alle Cirkel mit Furcht und Besorgniß erfüllte. Ganz gewöhnliche Gespräche wurden beständig abgebrochen, mit Unruhe sahe sich Zeder um. Unter verschiede­ nem Vorwande ging der Geistliche Warszewicki in die anstoßenden Zimmer, um zu sehen, ob sie von Jemand berührt würden. Gegenseitiges Vertrauen, Artigkeit, Witz, von Furcht nicht gefesselt, dieß ist die Seele einer Gesellschaft; da wo diese nicht weilt, ist alles gezwungen, todt und stumm. Es wurde nichts von schwedischen Angelegenhei­ ten erwähnt, sondern man sprach über andere ent­ fernte Länder. Da Warszewicki viele Jahre in Italien zugebracht hatte, erzählte er viel von der Schönheit des Landes, von den vortrefflichen Alter­ thümern der Griechen und Römer, von dem heili­ gen Vater, und von den erhabenen Ceremonien un­ serer Kirche. Der Herzog Johann von Finnland, noch mehr aber der Graf Brahe, erlaubten sich scherzhafte Sticheleien; aber ein bloßer Blick der Infantin Katharine gebot dem Herzoge Schweigen, und da der Geistliche nun gute Unterstützung hatte, kämpfte er siegreich mit dem andern Gegner. Die Prinzessin Cäcilie, welcher diese Streitig­ keiten wenig Unterhaltung gewährten, setzte sich an das Spinett und fing zu spielen an. Tenczynsti

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stellte sich hinter ihren Stuhl und wendete die vor ihr liegenden Noten um. Nachdem sie die Sonate geendigt hatte, sagte sie, sich an Tenczynski n>en; dend: Ich sehe, daß Ihr auch Musik recht gut versteht. Erlauchte Prinzessin, sagte Tenczynski, da ich mich lange in Italien und Spanien aufhielt, in ganz musikalischen Ländern, so mußte ich sie (er; nen. — Ihr singt gewiß? — Wer könnte aber in Gegenwart solcher Kennerin wagen sich hören zu lassen! — Da Wir selbst Nachsicht bedürfen, sagte die Prinzessin, so können Wir gegen Andere nicht streng sein. Indem sie dieß sagte, nahm sie die auf dem Spinett liegende Guitarre, überreichte ihm diese und sagte lächelnd: Lasset Euch, lieber Graf, erbitten. Dieß Lächeln war so süß, so angenehm, daß Tenczynski Schüchternheit und Furcht vergaß, und folgende Sttophen in italiänischer Sprache sang: Was schätzt die Liebe über Alles werth?

Sind's Thronen, die die Weltpracht überragen; Sind's goldne Zepter, die von Hoheit sagen.

Sind's Kronen, deren Glanz daS Haupt verklärt? Sind dieß gleich Güter, denen Huldigung gebührt,

Doch ward durch sie noch nie ein liebend Herz gerührt.

Wo Brauen schatten, wie die Sonne rund,

Wo Wimpern lauschens lang hinabgegoffen, Ein Augenpaar, von Zärtlichkeit umflossen,

Un) von Korallenschmuck bethaut der Mund;

Zwei

33 Zwei Grübchen, wo geheimnißroll die Liebe wohnt, Mit sanftem Lächeln bald und bald mit Worten lohnt. Ein Geist, dem's nicht an reicher Kenntniß fehlt, Geübter Witz, nicht eitel um zu glänzen; Ein Herz, das Lockungskünste nicht umkränzen, Das Einen nur aus Allen sich erwählt. Und eine Thräne, die aus schönem Auge quillt: Dieß ist es, was allein vor reiner Liebe gilt.

O wenn ich fand — mein Ahnen ist kein Traum — Oie Himmlische, von solchem Reiz umflossen, Oie aller Götter hohe Gunst genossen, — Zu hoffen nicht, zu leben wag ich's kaum. Ich kann nicht unterdrücken, was das Herz bewegt, Ich darf nicht offenbaren, waS in mir sich regt. Die letzten Zeiten wurden mit tiefem Gefühl gesungen, und durchbohrten das Herz der Prinzeft sm. Zn Gedanken vertieft durchlief sie die Tasten mit ihrer schneeweißen Hand, und sang mit ger dampfter Stimme diese Worte: Wen läst'ger Größe eitler Schimmer drückt, Weiß wohl, daß darin wahres Glück nicht wohne, Daß Myrthe besser sei, als Glanz und Krone, Daß Liebe nur ein treues Herz beglückt. Wer nicht will zagend sinken, eitler Hoffnung bau'n, Mag nur der Treue, Vorsicht und Geduld vertrau'«.

Diese Worte, so wie die rührende und melodü sche Stimme der Prinzessin, erfüllten das Herz des II. 3

34 Züngling« mit einer noch nie empfundenen Freude; seine gefühlvollen Blicke drückten sie aus. Die Prinzessin wagte nicht, sich länger von der Gesellschaft entfernt zu halten, kehrte zu dem Kreise zurück, und unterhielt sich mit der Znfantin Katharine. Dieser Abend, obgleich ihn die beständige Besorgniß trübte, hinterließ doch ein angenehmes Anden­ ken in den Herzen beider Geliebten. Nach einigen Tagen meldete der Herzog von Finnland dem polnischen Gesandten, daß am Hofe eine große Schlittenfahrt beschlossen worden wäre, daß viele vornehme Herren bei derselben erscheinen würben, und daß er ihn auch dazu einlade. Wird auch Jemand von den auswärtigen Gesandten dabei sein? fragte Tenczynfti- Za, antwortete der Her­ zog: der englische und der isterreichische. Zch werbe auch recht gern dienen, sagte TenrzynfkiAls der polnische Gesandte sich bei seiner Reise nach dem nördlichen Königreiche mit allem Noth­ wendigen reichlich versah, vergaß er auch nicht, einen recht schönen und kostbaren Schlitten mitzu­ nehmen. Er ließ daher diesen, nebst prächtig dazu angeschirrten Pferden, in Bereitschaft halten. Tenr czynski wollte zwar durch eine zahlreiche Dienerschaft und durch seine Pferde die in jener Zeit noch nicht sehr glänzende Pracht des schwedischen Hofes nicht

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verdunkeln, jedoch als er um die bestimmt« Stund« auf dem Schloßplätze erschien, zog er die Augen Aller auf sich. Sein Schlittm hatte die Gestalt eines weißen, oder vielmehr eines silbemen Adlers mit ausgebrciteten Flügeln, mit einem stolz in die Höhe gerichteten Kopfe, der im Schnabel einen Kranz von Eichenlaub hielt Ueber dem Schlittm lag eine Decke von rothem Sammet, die am Rande reichlich mit Perlen gestickt und mit Zobel gefüttert war. Eine kostbare, auf der Bahn schleppende, mit Perlen besetzte Decke, ein großer Dusch von rothen und weißen Sttaußfedern, eine Menge silberner Schellen, Geschirr, bas von Silber strotzte, zierten das Pferd. Tenczynski selbst, weil er wußte, daß die weiße Farbe der Prinzessin Lieblingsfarb« war, schlug eine weiß sammetne, mit Zobel gefütterte Der kicsze *) um, und setzte sich einen Kolpak, gleichfalls von Zobel, auf. Zn diesem Anzuge war er außerordentlich schön. Als er auf dem Schloßplätze erschien, richttten Alle ihre Blicke auf ihn; man vergaß der Pracht des Fahrzeuges, und sah nur auf die wohlgefällige Gestalt des polnischen Gesandten. Die Damen sa­ hen ihn mit Verwunderung an, die Manner tadel-

•) €in großer ungarischer Pelzoberrock. 3*

36 tot den übergroßen Prunk.

Schon stand auch die

Prinzessin mit wenigen Personen, welche sie beglei­

ten sollten, auf der Gallerte.

Tenczynski näherte

sich ihr mit Ehrerbietung und bewillkommnete sie.

Die Prinzessin warf ihm lächelnd einen süßen Blick

zu, und sagte:

Herr Graf, es freut mich, daß

Wir Euch bei Uns haben können; eine Schlitten­

fahrt ist Euch wohl nicht fremd? Wenn man Eure getroffene Vorkehrung sieht, so könnte man mit Recht

sagen, daß Zhr uns dabei anführcn könntet.

Dieß

sagend, reichte sie ihre Hand, nach dem Willen des

Königs, dem Markgrafen Christoph und setzte sich in dessen Schlitten.

Als der Zug durch die ersten Straßen Stock­ holms zog, versammelte sich eine Menge Volks in

den Fenstern und auf der Straße, um ihn mit an­

zusehen.

Schon brach auch die Abenddämmerung

ein; vor jedem Schlitten eilten zwei Reiter mit

Fackeln in der Hand.

Die Flamme prallte von der

Schnee-Ebene, die von tausend Stern-Krystallen

funkelte, zurück. heiter.

Das ganze Firmament war überall

Nur in Westen bedeckten die Nordlichter,

die ihren blutfarbigen Schein weit hin verbreiteten,

mit lebhafter Nöthe einen Theil des Malar-Sees, die auf demselben zerstreuten Znseln, und die Wipfel der schattigen Rothtannen, die sich am Horizonte

37

verloren. Der fröhliche Zug war schon ziemlich .weit von der Stadt entfernt, als das Pferd der Prinzessin zu schnauben, und Zeichen der Furcht merken zu lassen anfing. Der Markgraf Chri­ stoph, der sich nach der Ursache des Schreckens umschauete, erblickte einen Haufen Wölfe nahe am Wege stehen. Zhre Augen, die wie Lampenfeuer funkelten, erschreckten das Pftrd der Prinzessin so, daß es zur Seite sprang und gerade auf einen Ab­ grund am steilen Ufer des Sees zu eilte. Der Markgraf besaß nicht so viel Kraft, um das wild gewordene Roß halten zu können. Die Gefahr war augenscheinlich groß, als mitten unter der all­ gemeinen Bestürzung Tenezynfti, der seine Geistes­ gegenwart nicht verlor, aus dem Schlitten springt, in vollem Laufe der Prinzessin nacheilt und des wild gewordenen Pferdes Zügel erfaßt. Er hält es gerade am Rande des Abgrundes an. Der Mark­ graf Christoph ließ die Zügel aus der Hand fallen, und ermunterte die ohnmächttge Prinzessin. Nach­ dem diese bald zu sich gekommen und gesehen, wem sie ihre Rettung verdanke, legte sie mit den gefühltesten Worten Tenczynski'n ihren Dank ab; und als der Markgraf sie nach Hause fahren wollte, sagte sie: Zch kann, mein Markgraf, Euerm Rosse Nicht mehr trauen, erlaubt daher dem polnischen Gesandr

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ten, mich nach d«n Schlofft hinzubrtngen. Sie nahm auch wirklich in dem Schlitten Tenczynski'S Platz. Wie entzückt, wie glücklich war der Jüngling, als er diejenige, die er mehr als sein Leben liebte, neben sich sitzen sah! Der Mond, der auf ihr schö­ nes und blasses Gesicht seinen angenehmen Schein warf, gab ihr neue Reize. Tenczynski hüllte sorg­ sam die Prinzessin in seine Schlittendecke von Zo­ bel ein; sie. hob ihre Augen zu ihm auf, faßte ihn an die Hand, und indem sie diese auf ihr Herz legte, ließ sie ihre entzückende Sttmme hören: Fühlt Ihr, wie es schlägt? — Seid ruhig. Erlauchte Prin­ zessin, sagte Tenczynski, die Gefahr ist vorüber. — Aber die gefühlvolle Dankbarkeit gegen meinen Ret­ ter, sagte die Prinzessin, wird nie aufhiren. — O Unglück! sagte der Jüngling, dieses Gefühl ist Euch, Prinzessin, nur für den erlaubt, der Euch mehr als die ganze Welt schätzt, der Euch seinem Leben vorzieht. — Ihr habt Euch nicht einer Un­ dankbaren geopfert, antwortete die Schwester Erichs mit gedämpfter Stimme: die lebhaften Gefühle über­ winden die meinem Geschlechte angeborne Schüchttrnheit. So ist es, Graf, Ihr seht in mir nicht die Prinzessin, nicht die Tochter Gustavs, sondern Eure Cäcilie, die Euch mehr als Thron, als Mo,

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narchen, als Alles schäht. Dieses sagend wollte Cä­ cilie ihre jungfräuliche Schamhaftigkeit verbergen, die in ihr dieses Bekenntniß hrrvorbrachte, und hüllte ihr Gesicht ein. Tenczynsti, durch diese Worte lebhaft ergriffen, rief aus: Prinzessin, dieses unverhoffte Glück überfüllt mein Herz mit einer mir bis jetzt unbekannten Wonne; bei Gott, dem Zeugen aller menschlichen Gefühle, schwirr ich, daß ich Euch bis zum Tode jeden Lebensodem widme! Ach, ich kenne, welcher Abstand zwischen uns ist, ich kmne die un­ überwindlichen Hindernisse; sollten die auch ewig dauern, die Gewißheit, daß ich Euch nicht gleich­ gültig bin, die Wonne, ein so schönes, so vollkom­ menes Wesen zu lieben, sind über alles erhaben, sind genügend, um meinen ganzen Lebenspfad zu verschönern. Nimm den Schwur an: Tenczynsti ist Dein bis zum Tode! Die Prinzessin deckte ihr Gesicht auf, sah ihn rührend an, und indem sie ihm ihre Hand reichte, sagte sie: Nimm sie, Tenczynsti, sie ist immer Dein. Es giebt im menschlichen Leben Augenblicke, die man Augenblicke überirdischer Freuden und Empfin­ dungen nennen könnte; wie Tenczynsti solche in die­ ser Stunde erfuhr, kehrten sie vielleicht nie in glei­ cher Fülle zurück. Leicht können es liebende Herzen errachen, welche Gespräche unter den Beiden Stall

40 gefunden.

Tausend Versicherungen der Liebe, ein

Hin- und Hersinnen auf Mittel, wodurch die gegenseir

ttgen Hindernisse zu erleichtern wären, um zum Ziele ihrer theuersten Wünsche zu gelangen; dieß war's,

womit die Liebenden den ganzen Weg, der für sie zu kurz schien, bis zu dem Augenblicke, als sie auf dem Schloßplatz ankamen, beschäftigt waren. Tenczynsiki wollte der Prinzessin aus dem Schlit-

trn helfen, und ihr die Hand reichen, da fühlte er, daß sein Fuß ohne Kraft und angeschwollen war;

er hatt« ihn nämlich, als er sich beim Anhalten des durchgehenden Pferdes anstrengte und auf dem Eise ausglitt, verrenkt.

Bei diesem Anblick wurde das

blasse Gesicht der Prinzessin

mit einer

schweren

Trauer bedeckt, sie sah ihn an, und in ihren Au­ gen malten sich die Liebe und die gefühlteste Be-

mitleidung; aber sie konnte diese durch Worte nicht

bezeugen, denn der Markgraf Christoph sprang so­ gleich herbei, reichte ihr die Hand und führte sie

nach den Königlichen Gemächern.

Als Tenczynsiki nach seiner Wohnung zurückge-

kommcn war, wurde er auf ein Lager gebracht, und sein Hofarzt erklärte zwar, daß die Verrenkung nicht

gefährlich wäre, doch forderte sie lange Ruhe und Pflege.

Obgleich Tenczynsiki daran verhindert wurde,

die Prinzessin zu sehen, so fand er doch einen süßen

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Trost sowohl in der Versicherung, daß er geliebt würde, als auch darin, daß er sich lebhaft di« lieb­ lichen Worte in's Gedächtniß rief, welche er aus dem Munde Cäciliens vernommen. Wenig drücken uns physische Leiden, wenn das Herz mit Freude angefüllt ist und der Geist mit Hoffnung. Welch ein unbegreisiicher Wechsel meines Zustandes, sprach der Graf zu sich selbst: gestern von einer traurigen Unruhe gequält, heute bin ich des Herzens meiner Cäcilie sicher, was bleibt mir nun noch zu wünffhen übrig! Zudem der junge polnische Gesandte in solche süße Betrachtungen versank, füllten andere Bewe­ gungen den Königlichen Hof. Die Rettung der Prinzessin aus einer so großen Gefahr durch den Ausländer; der augenscheinliche, ihm von ihr er­ theilte Vorzug, da sie sich in seinen Schlitten setzte und mit ihm dm ganzen Weg allein zurücklegte, er­ füllten sowohl die Hofdamen als auch die Kavaliere mit Neid und Entsetzen. Die Haushofineisterin und alle Hofleute fanden darin eine Aergerniß erregende und unverzeihliche Verletzung der Etiquette. Der Markgraf Christoph darüber aufgebracht, daß ein Anderer, als er selbst, der Prinzessin solchen wich­ tigen Dienst geleistet hatte, brannte von heftigem Zorne. Diesen Zorn entflammte der Ober-Ceremo-

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nienmeister, Baron Fragheim, noch mehr, der nach drei zuvor gemachten Verbeugungen sich dem Mark­ grafen näherte und ihm sagt«: Erlauchter Fürst! nie habe ich das erwartet, daß ich, in meinem Amte ergrauet, ein ähnliches Aergerniß, wie am gestrigen Tage, erlebm sollte; dergleichen Dinge sind in mei­ ner ganzen Lebenszeit nicht vorgefallm. Verzinnet mir weiter zu reden: Nachdem ich die ganze Nacht schlaflos zugebracht (denn wer könnte nach solch einer Begebenheit schlafen) und nicht ein Auge geschloffen habe, vertiefte ich mich in viele Aktenstücke und in die Ceremoniengrschichte aller Höfe, aller Vilkcr der Welt, von Pharao, dem Könige der Argypter, bis zum letzten in Gott ruhenden Erlauchtigsten Könige und Herrn, Gustav Wasa. Nirgend ist ein solcher Mißbrauch angeführt worden. Zch fand zwar, daß August Casar, zur Zeit der Lupercalien, mit römi­ schen Bürgern Würstl gespielt, mit ihnen zu Fuß in Rom herum gegangen, aber die römischen Cä­ sar» rochen doch gleichsam nach dem Bürgerstande; erst zur Zeit der Cäsar» in Osten, zur Zeit Con­ stantins Paläologus, wurden die heiligen Gesetze der Hof-Ceremonien so zu sagen auf diamantene Ta­ feln für alle Jahrhunderte eingegraben. Aber auch diese kommen in der Vollkommenheit dem Ccremoniell der chinesischen Nation nicht gleich. Dort sind.

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von der Anzahl brr Verbeugungen, bis ju der Art, wie man sich die Nase putzt, die Gebräuche ouf< Vollkommenste vorgeschrieben. Zch fand in densel­ ben, daß die Tochter eine- Regierenden niemals den Schlitten eines andern, als eines souverainrn Für­ sten bestiegen hat. Und uns ließ das Schicksal sol­ chen Schimpf erleben! Hier hob er seinen schwar­ zen Stab, der oben mit einem blauen und silbern« Bande geschmückt war, in die Hitze, und sagte: O du ehrenvolles Symbolum meines Hostneisteramtes, vor dem Schaaren von Hofleuten in den Kiniglichen Zimmern, wie die MeereSwogen vor dem Stabe Moses, in Demuth aus einander tra­ ten, o du, der du wie MercurS CadureuS die Aus­ erwählten in'S Cabinet hineinläßest und die Unwür­ digen hinter der Thüre zurückhältst, o mein Stab! du bist selbst in deiner Ebenholzfarbe blaß geworden; du empfindest mit mir zugleich die unS beiden, waS sage ich, dem ganzen Hofe angethan« Schmach. Btt» tere Thränen hemmten seine Rede. Ehrwürdiger Baron, antwortete ihm der Mark­ graf Christoph, wären alle Hosbeamten so eifrig als Zhr, so würden wir so viele Ungereimtheiten nicht sehen. Euer tugendhafter Eifer für das Ansehen der Majestät ergreift mich lebhaft, es geht hier nicht yur um die Verletzung der Etiquette, sondern auch

44 um meine Würde, daher werde ich nicht unterlassen, meine Klagen dem König« vorzulegen. Zch werde auch bet diesem so wichtigen Vorfälle, setzte der Ba­ ron Fragheim hinzu, den König um Gehör bitten, ich werd« ihm die fatalm Folgen der Veranstaltung einer Schlittenfahrt ohne dm Hofineister aus ein­ ander sehm. Ach! hatte ich mich nur mit meinem Stäbchen da befunden, gewiß war« bas Unglück nicht geschehm!

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Elftes Kapitel. Wir wollen den Leser nicht in längerer Ungewiß­ heit wegen des Schicksals der schönen Sophie Tencznnska lassen, die sich auf dem wilden Felde Bessa­ rabiens, mitten unter den Schwertern und Dolchen der Tartaren, befand und ohnmächtig in die Arm« Don Ferdinande; di Medina Czeli gesunken war. Nicht umsonst waren di« Bestürzung und Verwir­ rung der Plünderer; unverhofft überfallen, von Speise und Getränken überfüllt, unter einander er­ bittert, dachten sie mehr an die Flucht, als an Ver­ theidigung. Schon dringt die polnische Armee von allen Seiten vor, die Tartaren eilen zu ihren Pftrr den hin, die Bedienten des Chan setzten ihn mit nicht geringer Anstrengung auf sein Pferd. Don Ferdinande; und seine Gefährten benutzen diesen all­ gemeinen Schrecken, ergreifen ihre Pferde, und der wackere Spanier, sich mit dem Sabel den Weg bah­ nend, setzte seine schöne Sophie auf ein Roß. Di« Tartaren leisten jedoch Widerstand, als ein« mun­ tere Dame in Rüstung und Helm, ein weißes Roß reitend, an der Spitze eines dichten Haufens Ko-

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faken herbeistürzt; einige werden von Rache, andere von Verzweiflung entflammt. Nachdem der Spa­ nier mit seinen Waffrngefährten Sophie gesichert hatte, griff er die Tartaren von der Seite an; sie behaupteten nicht lange das Feld. Die Polen setz­ ten ihnen auch nicht weit nach, denn sie wußten, daß es vergeblich wäre. Eine reiche, wiederrroberte Deute, noch mehr aber das Freudengeschret von Tausenden aus der schimpflichen Sklaverei der Mu­ selmänner erlösten Gefangenen, wurden die Hymne des Sieges. Sobald der Feind vertrieben und, der Sicher­ heit wegen, zahlreiche Posten ausgestellt waren, er­ blickte man den, von einer ansehnlichen Menge Rit­ terschaft umgebenen Anführer der ganzen Expedition. Dieß war der siebenzigjahrige Johann Tarnowski, Burggraf von Krakau und Oberkronfcldherr. Man erkannte ihn an einer Roßschweiffahne, die vor ihm auf einer langen Lanze getragen wurde. Er ritt ein braunes arabisches Roß. Seine greisigen Wangen wurden noch durch eine lebhafte Röche erfrischt. Ein grauer Schnurrbart und die ungeachtet der Zahrlast noch feurigen Augen, erregten Ehrerbietung. Einige silberweiße Haarlocken guckten unter dem nicht gro­ ßen spanischen Helme hervor. Ueber der leichten Rüstung (denn das Alter erlaubte schon die schwer

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rerr nicht mehr) trug er einen kurz« spanisch« Mantel; an der Seite ein gekrümmtes Schwert; in der Hand die Dulawa *), die mit Türkiffen und Diamanten ganz übersäet war. Mit einem Gefolge von den vornehmeren Ritt­ meistern der Armee näherte sich der Oberfeldherr im langsamen Schritt der geharnischten Samt, und sagte zu ihr: Fürstin Eudoxia Czartoryska! der erste Dank für diesen Sieg gebührt Euch. Zhr habt mit Eurem weiß« Arme das Schwert ergriff«, um die Barbaren zu schlagen. Gott sei Dank! rief er etwa- von Zorn errithrnd aus, daß, wenn die auf dem Reichstage versammelt« Nation ihre hei­ ligste Pflicht, die Grenzen des freien Lande- zu schützen, vernachlässigt, die Freigebigkeit der vermigenderen Landsaffen, die Tapferkeit unserer wackerm Zugend, ja noch mehr, die Entschlossenheit und der Muth selbst des schwächeren Geschlechts, die öffent­ liche Dersäumniß wieder gut macht. Ohne dm Muth und die Tapferkeit der Privatperson«, wo­ hin wäre das Darbarenvolk schon gerathen! Viel­ leicht hätte es seine Pferde im Weichsel- und War­ thastrome getränkt. Zhr wisset nicht, setzte er hinzu *) Lin« Art Streilkolben, die nur ein Oberfcldherr zu haben pflegte.

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(denn ich wollte bis dahin diese Ritterschaft nicht bettüben), Zhr wisset nicht, welchen Verlust uns die Tartarenhorden beigebracht haben, wie weit sie vorgedrungen sind, ehe ich die Schaaren zusammenbringen konnte. Vergeblich suchten Bernhard Prer tewic, Johann Herbut, Alexander und Prokop Sieniawskis, ihren ersten Anfall zurückzuhalten; und was nützte es ihnen auch, daß sie große Haufen derselben niedergehauen haben, da sie endlich Hunderttausenden erliegen mußten. Weil die Barbaren nirgend Widerstand fanden, belagerten sie Predmirek, wo Wisniowiecki mit seiner Gatttn und dem Volke Sicherheit suchten. Da sie das Schloß mit Gewalt nicht einnehmen konnten, steckten sie dasselbe von allen Seiten in Brand. Wisniowiecki wurde mitten in den Flammen ergriffen, seine Gattin der Mißhandlung Preis gegeben, und ungeheure Schätze wurden zur Beute der wilden Horde. Schon wen­ deten sich diese Wolken nach Reußen zu, als die Nachricht in meiner Sandomirer Starostei zu mir anlangte *). Meines Alters uneingedenk (da der Feldherr auf dem Rosse sterben muß) erließ ich einen Ruf *) Geschichtlich; siehe die Chronik Orzechowski's S. 55. 56. 57.

49 Ruf an Euch. Zhr folgtet meiner Stimme, und Gott hat unsere feurigen Gebete erhört und gestatt tet, uns an den Feinden zu rachen, und das Land Polen von den Räubern zu besteien. Zch habe ihre fliehenden Haufen unterwegs aufgerieben, und die Fürstin Czartorvska besiegte die übrigen. — Dieß sagend hob er seine Augen und Hände gen Himmel, betete zu Gott, und seinem Beispiele folgte die ganze Armee. Nach geendigtem Gebete, warf er seine Augm auf die Tausende gefesselter Gefangenen, und sagte: Mögen diese Unglücklichen sogleich befreit werden; ein Zeder nehme sich aus diesen wiedereroberten Haufen bas Seinige hervor, und so versorgt mögen sie nach ihrer Heimath ziehen! — Gott brr Aller­ höchste lohne Dir, großer Feldherr! riefen die er­ lösten Schaaren aus: lebe noch sehr lange für uns, denn wer wird uns nach Dir beschützen! *) Zndem die Rittmeister mit der Vollziehung dieses Befehl­ beschäftigt waren, erblickte der Obcrfeldherr Sophie Tenczynfka, neben ihr den ihm in Tenczyn bekannt gewordenen Don Ferdinandez di Medina Czeli und die in seiner Umgebung befindlichen Polen. Seines •) Geschichtlich; sieht die Lebensgeschichte Tarnowski'S von Orzechowski. II.

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vom Alter schon etwas abgestumpften Gesichts wer gen, konnte er die Personen nicht sogleich erkennen; er stieg daher vom Pferde ab, faßte die Fürstin Czartoryska an die 'Hand, und sagte: Lasset uns zu der Gefangenen hingehen; ich erkenne sie noch nicht, wer sie ist, aber nach der Gestalt sieht man, daß sie nicht von gew-hnlicher Herkunft sei. Er näherte . sich und erkannte mit Freude die Tochter des Wojer woben von Sandomiricn. Seid mir willkommen, würdige Tochter Tenczynski's, sagte er: nicht gering sollte ich die Frucht unsers Sieges nennen, da wir das Glück haben. Euch zu retten; aber welcher un­ glückliche Zufall bringt Euch in diese Gegenden? Sophie erzählte ihm kurz, daß, als sie sich in Mendzyborz auf den Gütern ihres Daters in Por dolien befand und einmal spazieren fuhr, sie von den lauernden Tartaren umringt und ergriffen wor­ den. Die Vorsehung, sagte sie, und diese Ritterschaft (auf den Spanier und auf die Polen zeigend), am meisten aber Zhr, Oberfeldherr, habt mir die Frei­ heit wiedergegeben; aber wer wird, fügte sie mit Thränen hinzu, meiner Seele die Ruhe wtederger ben! Wer wird mir die Besorgniß wegen der Un­ verletzbarkeit meiner guten Mutter, der Freunde und Verwandten benehmen! Hier vergoß sie bittere Thrä­ nen. Unter der Beute, welche die Gefangenen nah-

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men, bemerkte Sophie eine weiße Schärpe mit ge'stickten Lorbeers und Myrthenblättern, welche sie ihrem Verlobten Zborowski gegeben hatte. Bei dies ftm Anblick zweifelte sie nicht mehr an ihrem Un­ glücke, stieß ein durchdringendes Geschrei aus, er­ griff das theure Unterpfand der Liebe, und drückte es unter Weinen und Schluchzen mehr als hundert Mal an ihre Lippen und ihr Herz. Du bist also nicht mehr, theurer Freund meines Herzens! Du bist gefallen, als Du mein« Beschimpfung rächen wolltest! Hier erblickte sie unter den Gefangenen einen von Zborowski's Dienern, und sagte zu ihm: Fürchte nicht, meinen Schmerz und meine Verzweif­ lung zu vergrößern. Leichter ist das geschehene Un­ glück, als die schreckliche Ungewißheit! Der Die­ ner senkte traurig seine Augen zur Erde nieder und stand lange schweigend da, bis er endlich, durch Wei­ nen und dringende Befthle genöthigt, zu erzähle» anfing: „Zhr gedenket doch wohl, gnädiges Fräulein! des Tages, an welchem Zhr, von langem Warten auf meinen Herrn ungeduldig geworden, das Schloß Miendzyborz verließet, und den Weg «inschluget, wel­ chen Euer Verlobter kommen sollte. Gedenket Zhr noch der traurigen Ahnung Eurer Mutter, die Euch selbst eine einstündige Entfernung nicht gern 4*

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erlaubte? Gedenket Zhr auch dessen, wie Euch die Wahrsagerin in dem Augenblicke, als Zhr wegfuhret, in den Weg trat. Euch beschwor, an diesem Tage die Hausschwelle nicht zu verlassen, indem sie verr sicherte, daß Euch außerhalb derselben ein Unglück erwarte, und daß Euer Verlobter (so weissagten ihre brennenden Kräuter) in einigen Stunden komme? Desto mehr werde ich eilen, sagtet Zhr, und werde ihn, wenn auch nur eine Stunde früher sehen. Zhr tratet den Weg an, ungeachtet des Widerstrebens Aller, und in einer Stunde nach Eurer Entfernung kam mein Herr an. Die liebevolle Aufnahme der ehrwürdigen Mutter genügte ihm nicht ganz, weil er Euch nicht zuerst bewillkommnen konnte. Als eine Stunde in gegenseitigen Gesprächen verflossen war, schrie plötzlich die Wahrsagerin, welche Kränze von verschiedenen Pflanzen brannte, furchtbar auf: Eilet aufs Schleunigste ihr zu Hülfe! Auf ihr durchdringendes Geschrei wurde Eure Mutter ganz blaß, Zborowsti griff nach dem Helme und Schwerte, und befahl den sechs Rittern, welche er mit sich hatte, ein Gleiches zu thun, stürzte die Schloßtteppe hinab, sprang auf ein Pferd und eilte davon. Wir waren nicht weit geritten, als ich an einem entfernten Hügel einige lauernde, fast auf ihren Pferden liegende Tartaren erblickte. Das geübte

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Auge erkannte sie sogleich an den weißen Schafs­ fellen, mit denen sie bedeckt waren. Zch machte meinen Herrn darauf aufmerksam, er sprengte auf seinem türkischen Rosse nach der Seite hin, und ehe wir ihm nachkommen konnten, lagen schon drei Rumpfe von Tartaren auf dem Boden, den übri­ gen machten wir das Garaus; einen nur ließen wir, der Kundschaft wegen, leben. Dieser bekannte, daß der Haufen, welcher Fraulein Tenczynsta ergriffen, sich nach Mikolaiew hinbegeben hatte. Zborowstt, auf sein schon ermattetes Pftrd nicht achtend, ritt sogleich weiter fort; alle nachziehende Tartaren, de­ nen wir unterwegs begegneten, fielen als Opfer sei­ ner Rache. Diese einzelnen Kampfe hatten schon so­ wohl den Reiter, als auch seinen Renner merklich angegriffen, als wir eine große Staubwolke vor uns aufsieigen sahen. Herr! sagte ich, der Trupp, der Eure Verlobte entführt, hat sich schon mit größeren Schaaren Chans vereinigt. Wir müssen nur vor­ sichtig zu Werke gehen, sonst werden wir unser theures Kleinod nicht wiedergewinnen, und können selbst dabei umkommen. Wahre Liebe, sagte er mit einem strengen Blicke, kennt solches Rechnen nicht; ich werde sie retten oder fallen! Siehst Du etwa, setzte er, weiter reitend, hinzu: mir scheint es, daß der abgesonderte Haufen ihre Kutsche umgiebt. Fol-

54 get mir, Brüder! Entflammt von Liebe und Rache, blind gegen jede Gefahr, hebt er sein Schwert in die Höhe, spornt sein Pferd an, und sucht auf den großen Haufen zu stürzen. Dieser Haufen konnte ihn in einem Augenblicke umzingeln und lebendig greifen, aber der Tartar stellt sich der Gefahr nicht bloß, besonders wenn er seines Sieges sicher ist. Schon erwarteten wir in der Nähe einen ungleichen Kampf, aber statt angreifender Reiter sahen wir nur Wolken der von allen Seiten auf uns abgeschossenen Pfeile, und wir sahen sie nicht nur, sondern wir fühlten sie an unserer Rüstung klirrend abprallen, wir fühlten unsere ungeharnischten Glieder verwun­ det. Mein Herr war von den Pfeilen stachlicht ge­ worden, denn sie steckten in seinem Helme, im Schilde und in der Armrüstung. Diese Wurfpfeile entflamm­ ten noch mehr die Wuth des Reiters; sein Roß, eben­ falls durch starke Wunden gereizt, sammelte seine letz­ ten Kräfte und trug ihn vorwärts. Zndeß durch­ bohrt einer von den Pfeilen ihm den von der Rü­ stung entblößten Hals; Zborowski stürzt vom Pferde, das Blut strömt aus seinen Wunden. Wir sprin­ gen, obgleich alle verwundet, von unsern Pferden, um ihn zu retten, aber die Blässe des Todes be­ deckte schon sein Gesicht; er riß dieß Bild von der Brust und sagte mit schon erlöschender Stimme:

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Uebergieb dieß meiner Sophie, hüte sie... Dieß sagend, hauchte er sanft seinen Geist aus." Noch viel mehr hatte der Mann aus dem Ge­ folge gesprochen, aber Sophie Tenezynska Hirte seine Worte schon lange nicht. Lange hielten die Umste­ henden ihre Ohnmacht für eine stille Wehmuth, bis die Fürstin Eudoxia Czartoryska zuerst ihren eigent­ lichen Zustand bemerkte; und es wurde all« jene Sorgfalt, die das für ein Menschen - Leben angebornc Mitleid, und das dem weiblichen Geschlechte eigenthümliche Mitgefühl erregt, von ihr und ihrm Frauen angewandt, um die Unglückliche wieder zu sich zu bringen und sie zu trösten. Sobald sie wieder aus ihrer Ohnmacht erwachte und ihrer Verzweiflung freien Lauf gab, näherte sich ihr der ehrwürdige Oberfeldherr Tarnowski, faßte sie bei der Hand und sagte: Jungfrau! höre den alten Freund Deines Hauses, höre die Stimme dessen, der Dich am Tage Deiner Geburt auf seinen Armen zum Altar trug und den» Priester reichte, damit er die Quelle der Seligkeit über Deine zarte kindliche Stirn ausgießen möchte. Obwohl Deine Klagen ge­ recht sind, so wisse doch sie zu hemmen, tritt nicht gegen das Verhangniß des Allerhöchsten auf. Dein Verlobter fiel, wie es einem Polen, wie es einem Ritter ziemt. Der Ewige nahm ihn dort auf, wo die

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für den Glauben und das Vaterland Gefallenen n>of); nett. Dich ließ er auf dieser Erde, als eine Blume auf der Äiese, die vom Sturme niedergedrückt ward; aber die Sonne wird noch heiter für Dich aufgehen. Hebe Deine Augen gen Himmel, und fasse Hoffnung zu Gott, der seine Treuen nie auf immer betrübt! Zndem er sich darauf zur Fürstin Cudoxia wandte, sagte er: Eurer Sorgfalt vertraue ich diese beküm­ merte Zungfrau; ich bestimme dazu eine Abtheilung von Rittern, daß sie sicher zu ihrer Mutter gelei­ tet werde. Zch habe das Recht, sagte der Spanier, mich unter dieser Ritterschaft zu befinden. Aller­ dings, rief einer von den befreiten Gefangenen: die­ ser Fremdling befreite sie mit seinem eigenen Blute von dem Morde der wilden Barbaren! Signor Ca­ valiere, sagte Tarnowski in italiänischer Sprache: derjenige, welcher sein Leben aussehte, um die schöne Zimgstau zu retten, ist würdig, sie bis an's Ende zu schützen, mag man aber zuerst die bei ihrer Ver­ theidigung erhaltene Wunde versehen. Hierauf em­ pfahl er sich Sophien und der Fürstin Eudoxia, und theilte seinen Rittmeistern Befehle aus, wie sie der gegenwärtige Zustand erforderte. Er schickte einige Regimenter nach Zlotopol und Balta, um an der Grenze Bessarabiens die Einfälle der Tartaren zu­ rückzuhalten. Der Kosaken-Abtheilung der Fürstin

57 Eudoxia fügte er noch eine Abtheilung Husaren bei, damit Sophie desto sicherer nach Hause gebracht würde. Den Tag darauf brachen die Heere nach ihren Destimmungsplähcn auf. Der Oberfeldherr trat mir seinen Hofleuten den Weg nach Krakau an. Die Fürstin Eudoxia und Don Alonzo Ferdi­ nande; di Medina Czeli entfernten sich nicht einen Augenblick von dem Wagen, worin Sophie Tcnczynska saß. Ein Strahl der Hoffnung dämmerte im Herzen des Spaniers auf, aber Sophie, gegen alles unempfindlich, war in ein todtes Schweigen versunken. Menschen und Bürge, Fluren und Wal­ der flogen ihrem Blicke vorüber, nur ein Gegen­ stand malte sich in ihren Gedanken aus, das Bild des im Blute sterbenden Geliebten. Einige Meilen davon, wo sich der Weg nach Micndzyborz und Zienkow trennt, erhielt die Für­ stin Eudoxia Briefe, worin die Nothwendigkeit ihrer Gegenwart im Schlosse gemeldet wurde. Sogleich ließ sie das ganze Gefolge halten, näherte sich dem Wagen Sophiens und sagte: Fraulein, ich er­ fahre eben, daß mein Schloß mit einer Menge von Landessasscn, die vor den Tartaren geflohen sind, angefüllt ist, doch würde ich nicht wagen Euch zu verlassen, wenn nicht die Nahe Eures Hauses, und die Gewißheit, daß die Bedeckung des Großfeld-

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Herrn und die meinige für Eure Sicherheit zuver­ lässig bürgen, mich beruhigten; Zhr erlaubet mir darum wohl, hinzueilen und so vielen Unglücklichen Hülfe zu leisten. Ich hoffe, sagt« sie, daß das heu­ tige Ereigniß zwischen uns der Anfang unauslischlicher Freundschaft sein wird. Erlaubet mir, Euch bald im Hause Eurer Mutter zu besuchen. Tenczynska, zum ersten Male aus ihrer tiefen Trauer, wie aus dem Schlafe erwacht, sah lange die Freun­ din an, und ihre Gedanken sammelnd, sagte sie end­ lich: Diese Hülfe und diesen Schuh, die ich, leider! von einer andern Hand erwartete, erhalle ich von der Eurigen; in Euch sehe ich, Fürstin, die Tugenden zweier Wesen vereinigt, die Tapferkeit eines Ritters und das Mitgefühl eines Weibes. Zu der Hochach­ tung, die ich zugleich mit der ganzen Welt gegen Euch empfinde, gesellt sich noch die gefühlteste Dankbar­ keit; Eure Freundschaft zu gewinnen, wird für mich die grißte Ehre sein. Dringet, wie Zhr gewohnt seid, den Unglücklichen Hülfe, und wenn der Him­ mel meiner bekümmerten Mutter noch zu leben ver­ zinnt, mit welcher Freude werden wir beide Euch unsern Dank abstatten! Nach der Trennung beider Freundinnen, verdop­ pelte Don Alonzo noch seine Aufinerksamkeit für die schöne Tenczynska den ganzen Weg hindurch; er ber

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sorgte ihr Obdach und Ruheplatz; er wachte ganze Nachte hindurch in Rüstung und Helm an der Schwelle für ihre Sicherheit. Sophie, von ihrem Schmerze ganz durchdrungen, konnte diese zärtlichen Beweise der Anhänglichkeit des Ritters nicht leb» haft empfinden, doch wurde seine rastlose Sorg­ falt, und daß er sein Leben bei ihrer Vertheidigung der Gefahr ausgesetzt, nicht unbemerkt von ihr ge­ lassen. Die Wahrnehmung austichtiger Dankbarkeit war für den Spanier die unschätzbarste Belohnung. Endlich erschienen die Zinnen von Miendzyborz. Wer kann die wrhmuthsvollen Gefühle der Mutter und der Tochter beschreiben! Lange umarmten sie sich, lange benetzten sie einander mit bitteren Thränen. Wie viel Schmerz und Freude zugleich! Schon seit langer Zeit weilte auf Sophiens Lippen ein stör hes Lächeln nicht. Nachdem die Wojewodin von Sandomirien erfahren, wie viel sie dem Spanier zu verdanken habe, gab sie ihm bei jeder Gelegen­ heit Beweise ihrer Dankbarkeit. Während eine stille Trauer in der Wohnung der Bekümmerten herrschte, umringten Getümmel und Freudengeschrei die Schwel­ len von Zienkow. Das Schloß Zienkow liegt auf einem steilen und hohen Berge, und ist zum Schutze gegen die Tartarcn erbaut. Es enthielt geräumige Wohnungen;

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hierher flüchteten die Landsassen in großer Noth, wenn sie von feindlichen Anfällen aufgescheucht rour; den, mit ihrer Dienerschaft, mit ihrem Vieh und ihren kostbaren Geräthschaften. Zm dreizehnten Jahrhunderte aufgebauet, hatte es noch jene Verr theidigungsmittel nicht, welche nach der Erfindung des Schießpulvers Kunst und Erfahrung hinzugefügt haben. Vier Bastionen an den Ecken, zur Vertheü digung und zur Beobachtung des Feindes bestimmt, ragten von Ferne empor. Zn der Ringmauer war ren Schießscharten für die hinter ihnen stehenden Bogenschützen. Der Schloßplatz war groß, in der Mitte desselben ein so tiefer Brunnen, daß ein in denselben geworfener Stein lange hinabfiel, ehe das Plätschern des Wassers die Erreichung des Bodens verkündete. Zm Schlosse selbst waren ungeheure Sale und Zimmer für den zahlreichen Hof, für öffentliche Gastereien, für die Sicherheit der Flüchr tenden eingerichtet. Zm Zeughause, welches einen ansehnlichen Theil des Schlosses einnahm, fand nmn Helme, Panzer, Schilde, Lanzen, Wurfspieße, dazu kamen späterhin noch einige lange Kanonen. Zn den eingerichteten Zimmern würde man vergeblich den heutigen Glanz und Luxus gesucht haben. Ueberall große, vier Ellen breite Kamine, wo man halbe Eichenstämme hineinschob. Nur die Zimmer der

61 Besitzer enthielten, jenem Zeitalter angemessene Geräthe. Zn einigen waren Teppiche oder carmoisinrothsammeme Tapeten mit goldenen Tressen, in der Mitte hing ein schwerer silberner Kronleuchter, an den Seiten standen Tische von Nußholz, große, mit vergoldetem Leder beschlagene Stühle; in den Ecken des Saales waren Gallerien für die Musik ange­ bracht. Am Fuße des Schloßberges lagen, mitten unter den uralten Eichen, weiße, kleine Häuser der Landleute; von der andern Seite dehnten sich weite Triften und Auen aus. Noch sah die Fürstin Eudoxia und ihr Gefolge die hohen Dächer Zienkows nicht, als sich emporsteigcnde Rauchsäulen erblicken ließen, und das Wie­ hern der Pferde, der Schall der Pfeifen und Trom­ meln, das Gemurmel der versammelten Volksmaffe dem Ohre vernehmbar wurde. Bei weiterem An­ nähern wurden die Gegenstände immer sichtbarer. Endlich erschien die Fürstin Czartoryska in einem großen Lager, das von Wagm in ein Viereck ge­ stellt umgeben war; an den vier Ecken desselben wa­ ren Kanonen aufgepflanzt. Eine nicht große An­ zahl ungarischer und polnischer Infanterie mit her­ abhängenden Schnurrbärten campirte hier. Sie tru­ gen lange Hosen und Cizmen *), kurze, enganschlie’) Lies ungefähr Cischmen: kurze ungarische Stiefeln.

62 ßende Zupane, kleine Aexte in den Gürteln, auf dem Kopfe Kolpaks oder Mühen. Nicht Alle hatten Gewehre, Viele trugen Streitäxte, Hellebarden oder Spieße; die Kavallerie bestand nur aus einer Fahne Husaren und Panzcrträger, und aus mehreren Rot­ ten Kosaken, die den vornehmeren Herren angehirten. Am Ende des Lagers campirte ein mit dich­ ten Posten umgebener Haufen von Tartaren. Im ganzen Lager waren alle Soldaten fröhlich und wohlgemuth. Hier schmausten die angesehenen Towarzysche *) auf ihren wohlgeordneten Wagen; eine ge­ ringere Kost beschäftigte die Infanterie; unter den Kosaken strömte der Branntwein aus Hingesehten Tonnen; unter Spott und Scherz warf man der gefangenen Tartarenschaar Stücke von todtem Vieh hin. Als die berauschten Kosaken ihre Herrin er­ blickten, sangen sie folgende Sttophrn: Hört deS muth'gen Rosse» Wiehern, Wie eS folgsam hüpft und wendet! Wie «S stolz die Herrin schaukelt, Di« voll Huld rings Blicke sendet! Schild und Panzer strahlen funkelnd. Don dem Helm weht RoffeS Mähne. Ganz in Flammen steht die Rüstung, Ihr« Schulter deckt Hyäne.

•) Towarzysz, «in polnischer adlicher Ofsicier zu Pferde.

63 Sei willkommen, Schutz PodolienS!

Dor Dir flieh'« in langen Schaaren,

Blut benetzend ihre Wege

Auf den Steppen, die Tartaren. Du bringst die Gefangnen wieder Aus der Räuber scharfen Zähnen;

Deine Hand giebt reiche Beute, Wo Du tröstest, schwinden Thränen.

Auf dem Thurm, in rothem Schilde, Flattern stolz Lithwiens Fahnen.

Oer Drommete folgt die Jugend Muthvoll in gedrängten Bahnen. Anders walten Jungfrau'« - Hände,

Die den Aufzug webend theilen,

Die mit goldnen Fäden zeichnen — Dir ist's Lust, zur Schlacht zu eilen. Jene singen bei der Zither

Ihrer Liebe sanft Entzücken, Und Dich können Pauken, Pfeifen Und Drommeten nur erquicken.

Amors wohlbeschwingte Pfeile

Sinken matt vor Deinem Herzen; Weichlich sein hälst Du für Schande, Ruhm nur liebst Du, nicht das Scherzen.

Doch ist Frieden erst errungm,

Steht Dein Haus gastfreundlich offen. Und der Arme, gleich dem Reichen, Darf bei Dip Erquickung hoffen.

64 Die in Schlachten Dich begleitet, Führst Du dann hieher von Neuen In den Kreis, wo Töne locken, Sie durch Tänze zu erfreuen.

Deine Diener frcu’n sich sicher Ihrer Hab' auf Zienkows Auen, Wenn die drohend scharfe Waffe Sie in Deiner Rechten schauen.

Schon senkte sich die Sonne zum Untergange, als nicht weit vom Schlosse die Fürstin Eudoxia einen ihr entgegenkommenden Ritter auf einem muthigen Rosse begegnete. Von seinen Schultern floß eine Panterhaut herab, deren silberne Klauen über's Kreuz geschlagen waren; ein reich gestickter Kicher, ein mit Gold gezierter Helm, machten die Rüstung des Jünglings aus. Es war Nikolaus Ligenza in seiner ersten Zugend, der sich spater in den Kriegen mit den Tartaren ruhmvoll auszeichr nete. Er sprengte auf seinem Rosse zu der Fürstin Eudoxia hin, und nach einer artigen Bewillkomm­ nung meldete er ihr, daß es ihm mit seiner und des Wojewoden Kmita Fahne gelungen wäre, ein Feldlager der Tartaren einzuholen, dasselbe in die Flucht zu schlagen, eine Menge Landleute und Heerden in Freiheit zu sehen, und mehrere Hundert Un­ gläubige in Gefangenschaft zu nehmen. Zn so jugend-

65 gendlichem Alter, anttvortete die Fürstin, kann man nicht einen rühmlicheren Anfang machen; ich hoffe, daß Ihr nach so vielen Mühseligkeiten Euch in mei­ nem Schlosse werdet erholen wollen. Die Zugbrücke wurde unter dem Gerassel star­ ker Kelten herabgelassen, und die Fürstin ritt mit ihrem Gefolge in das gewilbte, dunkele Thor ihres Schlosses ein. Das Licht von einer oben hängen­ den Laterne verbreitete sich an den Wanden des Tho­ res, und zeigte eiserne Kraten an den traurigen Ge­ fängnissen. Die durch Lampen beleuchteten mörde­ rischen Gesichter der dort eingeschlossenen Räuber machten einen Grausen erregenden Eindruck. Ihre lang gewachsenen Bärte, ihre zerzausten und in der größten Unordnung hängenden Haare, welche die Stirn und einen Theil des Gesichts deckten, mach­ ten ihre finsteren Blicke noch gräßlicher. Es waren Zigeuner, Wallachen, Huben und Räuber von ver­ schiedenen Nationen, welche, gleichsam als ob die Tartaren noch nicht das Ihrige thäten, mit Feuer und Schwert die Wohnungen der unglücklichen Land­ leute zerstörten. Mit Recht hat die Obrigkeit sie strenger gestraft, als diejenigen, welche in einem Angriffskriege Einfälle thaten. Der Schloßplatz war mit Volk verschiedenen Standes, mit Geistli­ chen, mit Weltlichen, mit Edelleuten, Bürgern und II. 5

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mit Landleuten angefüllt, welche gegen Ueberfall in diesem Hause Schuh suchten, und nun mit dem Rufe der Dankbarkeit die Herrin bewillkommneten. Zn den obern Zimmern fand die Fürstin Eudoxia die vornehmsten Einwohner Podoliens: Starzynski's, Metelski's, Boreyken, Lipinski's, Mielecki's, Sieniacki's, Gizycki's u. s. w. Zn herzlichen Ausdrücken erklärte sie ihnen, wie glücklich sie sich schätze, daß ihre Mauern so vielen würdigen Landsast sen Schutz gewahrten. Gott sei Dank, der Sturm ist vorüber, und es gelang mir und dem Herrn Ligenza, einen ansehnlichen Theil der Unsrigcn, die in Gefan­ genschaft hingeschleppt wurden, wieder in Freiheit zu setzen. Der Oberfeldherr Tarnowski vertrieb die Armee des Chan aus unsern Grenzen. Nach so vielen Mühseligkeiten, hoffe ich, daß'wir mit ein­ ander einige Tage fröhlich werden zubringen können. Dieß sagend begab sie sich nach ihren Zimmern. Alte Familien-Traditionen, auch selbst ArchivNachrichten, stellen uns die Fürstin Eudoxia Czartoryfta als eine wahre Heldin ihres Zeitalters dar. Mit den Reizen ihres Geschlechts vereinigte sie einen wahrhaft männlichen Geist, unerschrockenen Muth, ja noch mehr, die Ritterlust zum Turnier, und so­ gar zum Kampfe. An dem Schilde dieser Amazone prallten alle Pfeile der Liebe ab; süße Reden, Lo-

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beserhebungen, rührende Blicke und Seufzer, güv gen an ihren Sinnen vorüber, und sanden keinen Weg zu ihrem Herzen. Hörte sie aber, daß sich die Tartaren zeigten, dann bedeckte sie sogleich ihre Stirn mit dem Helm, ergriff das Schwert und den Schild; schmetternde Trompeten riefen von allen vier Ecken der Ringmauer ihre Kosaken und die Hofschaarcn zusammen, und die Erste war sie auf dem Kampfplatze *). Wenn in der ganzen Gegend Ruhe herrschte, so war das Turnier, sonst aber Schmaus und Tanz, ihre liebste Beschäftigung. Bis jetzt ist noch ein großer Saal in Zienkow, wo Eudoxia an der Spitze von mehr als zweihundert Paaren Polonaisen und andere Tanze aufgeführt haben soll. Zhr Haus war wahrend der blutigen Kriegs-Anfalle für alle Nach­ barn ein sichrer Zufluchtsort, im Frieden der Ort gesellschaftlicher Spiele und Vergnügungen. Es war also kein Wunder, daß sie allgemein geliebt wurde. Jedem begegnete sie mit artiger Zuvorkommenheit, •)

Auch in späteren

Zeiten erlosch der männliche

Muth in unsern Polinnen nicht. Wir sahen die Schwe­ ster des Herrn Nadziwill, Wojewoden von Wilna, im Anfänge der Regierung Stanislaw Augusts tapfer kämpfen, und auf dem Schlachtfelde einen nicht vermögen­ den, aber heroischen Jüngling zum Gatten nehmen.

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aber Niemand konnte sich schmeicheln, eine besondere Zuneigung gewonnen zu haben. Als wahre Sarmatin liebte sie Freiheit, Fröhlichkeit und Kampf. Die glückliche Expeditton der Fürstin, die Verdrangung des Feindes aus den Grenzen Polens, erregte eine zu große Freude in ihr, als daß sie sich nicht ihrer gewohnten Lust hatte überlassen sollen. Mehrere Tage hindurch dauerten bei ihr Ball und Schmaus, bis endlich, mit dem kleiner werdenden Kreise der Gaste, Stille und Ruhe wieder zurück­ kehrten.

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Zwölftes Kapitel. Tenczynsti'S schlaf ose Nacht war nicht eine von denen, in welchen der Mensch, entweder von Un­ rüde getrieben, oder vom Kummer über einen gro­ ßen Verlust gedrückt, die langsam schleichenden Mi­ nuten mit Schmerzen zahlt. Die gewaltigen Ge­ fühle deö unaussprechlichen Glückes, die in weiter, undurchschaulicher Zukunft sich eröffnenden Aussich­ ten der Wonne und der Beseligung, waren ihm an­ genehmer als der wohlthätige Schlaf; denn wie konnte er einschlafen, da die schöne Cäcilie immer vor ihm stand. Schon war die Sonne hoch über den Horizont gestiegen, als ein süßer Schlaf seine Augenlieder schloß, und durch eine kurze Ruhe seine geschwächten Glieder stärkte. Als der Arzt den ver­ renkten Fuß besah, bemerkte er, daß die Geschwulst nicht abgenommen, und empfahl deshalb die größte Ruhe. Gegen Mittag kam zu ihm heimlich durch eine Hintertreppe der Herzog von Finnland. Sein An­ blick erfüllte den jungen Gesandten mit Freude; denn die Liebe umzieht «mit ihrer Flamme alles, was nur zu der geliebten Person gehört. Ueberdieß hatte der

70 Fürst in seinen Gesichtszügen Aehnlichkeit mit Cä­ cilien.

9)iit einem sanften Gefühle richtete er da­

her sein Auge auf ihn. sowohl

meinerseits,

Graf, sagte der Herzog,

als

auch

im

Namen

meiner

Schwester komme ich Euch zu danken für einen so bedeutenden Dienst, was sage ich, — für die Ret­ tung ihres Lebens; Zhr habt uns beide lebensläng­

lich verpflichtet.

nicht

so

Zch hoffe, daß Eure Verletzung

bedeutend sein,

und

daß

sie Euch

lange von uns entfernt halten werde.

nicht

Erlauchter

Herzog, erwiederte Tenczynsti, lobpreisen muß ich dieses Ereigniß, welches,

ohne daß die Prinzessin

Schaden davon getragen, mir die Gelegenheit gab zu zeigen, wie theuer sie mir ist.

fiel der Herzog überlassen,

ein,

Da wir uns,

der Freude und Dankbarkeit

muß ich Euch melden,

andere Dinge am Hof« vorgehen.

daß noch ganz Der Markgraf

Christoph klagte dem Könige, daß Cäcilie gegen ihn einen Verstoß begangen habe, indem sie sich in Eu­ ren Schlitten gesetzt.

ist heftig

und um

Der König, mein Bruder,

sein Ansehen

gerieth er in Zorn, als

besorgt.

Schon

ein possierliches Ereigniß

der Sache eine andere Wendung gab.

Der Herzog

von Baden war noch nicht weggegangen, als der

Groß-Ceremonienmeister, Baron von Fragheim, die Thür öffnete und, sich auf seinen Stab stützend, eine

71 erste, zweite und dritte Verbeugung machte, bei je­ der aber sich immer mehr bückte, und bei der drit­ ten so tief, daß er das Gleichgewicht verlor und umfiel. Dieses Umfallen brachte sowohl den König, als auch uns alle zum Lachen. Der König verwan­ delte seinen früheren Zorn sogleich in Fröhlichkeit und sagte: Ich errathe schon, guter Baron von Frag­ heim, weshalb Ihr zu mir gekommen seid. Ich glaubte gleich, daß der gestrige Vorfall Eure ceremonielle Seele sehr entrüsten würde. Man muß sthun, als ob ich nichts von dem gestrigen Umsehen aus einem Schlitten in den andern, wodurch An­ dern nur Aergerniß gegeben wird, wüßte. Die Un­ tersuchung bei dieser Angelegenheit könnte zwischen mir und dem polnischen Gesandten Kalte erregen, und also auch zwischen feinem Herrn und.Könige» Das Interesse meines Reichs fordert, daß' nichtdas gute Einverstandniß zwischen uns erschüttere. Immer, sagte der aufstehende Baron von Fragheim, sind die Urtheile Euer Königlichen Majestät weise; erlaubet mir aber. Gnädigster Herr, eine unterthänigste, demüthigste Bitte an Allerhöchst Dero Throne ntederzulegen, die nämlich darin besteht, daß Eure Kö­ nigliche Majestät geruhen wolle zu befehlen, daß ihre Königliche Hoheit die Prinzessin nur m meinem Bei­ sein einen Schlitten wähle