Johann von Tenczyn: Teil 1 [2. Aufl., Reprint 2021]
 9783112438541, 9783112438534

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Johann vonTencM. Eine geschichtliche Erzählung aus dem Polnischen

des

3. U. Niemcewicz.

Zweite

Auflage.

Erster Theil.

Berlin, Sander's che Buchhandlung. 1834.

Vorrede des Verfassers.

ötorf ist die Hewihnung an die Arbeit; sie bau? ert fort, wmn schon die geistigen und physischen Kräfte deS Menschen merklich abnehmen. Zch erfahre es auch an mir in meinem Greisesalter. Reich an Materialien zur vaterländischen Geschichte, aber nicht an Kräften zu einer so mühsamen Arbeit, und was noch mehr ist, die Umstände berücksichtigend, wage ich nicht, mich in eine so wichtige Unternehmung einzulassen. Da ich aber nicht ohne Beschäftigung bleiben kann, wählte ich eine meinen abnehmenden Kräften angemessenere Arbeit, und dieß ist ein histor rischer Roman. Nachdem ich erwogen, wie seit meh­ reren Zähren Werke solcher Art in allen Ländern be­ gierig gelesen werden, beschloß ich, meinen Landsleu­ ten mit einem ähnlichen zu dienen. Es werden auch viele mit mir darin übereinstimmen, daß diese Schreib­ art Annehmlichkeit und Vergnügen mit Nutzen ver­ bindet. Sie ist, so zu sagen, eine erklärende Vervoll­ ständigung der schmucklosen und ernsten Geschichte. Die Geschichte stellt uns die wichtigeren Bege­ benheiten der Reiche dar, führt die Befehle der Mo­ narchen, die Thaten vorzüglicher Untergewalthaber und Feldherren, die Bewegungen an den Htftn der

IV Herrscher an; immer auf einem hohen Pfade schwe­ bend, laßt sie sich nicht bis zu Privatgesellschaften herab, tritt nicht in die niedrigen Lehmhütten des Volkes. Der geschichtliche Roman hat zum Ziel die Dar­ stellung des geselligen Lebens unter irgend einem Volke, zu einer vom Verfasser gewählten Zeit. Zndem der Schriftsteller dabei in die Gnzelhriten ein­ geht, die für einm Geschichtschreiber gar zu gering sind, stellt er uns Menschen jedes Standes und Ranges vor. — Alle Personen in diesem Drama sollen uns nicht blos durch ihre Thaten, sondern auch durch ihre Gespräche zu erkennen geben, wie das gesellige Leben, die politische Lag» des Landes, seine Aufklärung, die Meinungen, die Leidenschaften, ja selbst wie die Vorurtheile beschaffen waren; sollen uns in jmr Zeit, in ihre Mitte versehen; mit einem Wort«, sollm uns mit ihnen leben und umgehen lassen. Zch wählte dir Zeit Sigmund Augusts in der Mitte des sechszehntrn Jahrhunderts, als eine der glänzendsten Epochen unserer Vaterlandsgeschichte. Eine weise Regierung des Vaters machte dem Sohne den Frieden gewiß, die Grenzen des Rei­ ches wurden, durch freiwillige Vereinigung Litthauens und Lieflands mit der Krone Polens, vergrißert. Die Station war glücklich und geachtet, der Bürger verlebte in häuslicher Ruhe stohe Tage. So wie der Maler auf einer Leinwand, eine rotte läustige Landschaft abbildend, in derselben Burgen, Flüsse, Felsen, Auen und Wälder vorstellt; so wollte ich auch in einem Roman, neben den vorzüglichsten Ereignissen jener Regierung, die ausgezeichnetesten Männer zur Zeit des Friedens und des Krieges während derselben aufnehmen, das Bild von dem Zustande der Gesellschaft in jenem Jahrhunderte beibehalten, mit einem Worte, den Polen in die

Mitte des sechszehnten Jahrhunderts versehen und bewirken, daß er mit seinen Urvätern lebe. Alle politische, in diese Erzählung verwebten eignisse, sind aus der Geschichte Polens und Schwe­ dens entnommen, von der Glaubwürdigkeit derselben kann sich jeder überzeugen, der jene nachliest. Da ich alle wichtigeren Vorfälle mit einander verwebt in einer Reihe darstellte, war es schwierig, die Zahresordnung beizubehalten; demnach sind die geschicht­ lichen Begebenheiten in diesem Werke manchmal früher, manchmal später angeführt. Hinsichts der handelnden Personen in diesem Drama, suchte ich die Sitten des Jahrhunderts, die Charaktere, die Eigenschaften, mit denen sie uns die Geschichtschrei­ ber bezeichneten, beizubehalten. Don der Liebe Zohann Tenczynfki's zu der Königlichen Prinzessin Cäcilie von Schweden zeugen sowohl unsere als die schwedischen Chroniken, es zeugen die Verse des gleich­ zeitig lebenden Johann Kochanowski, endlich auch die geprägte Denkmünze davon; ferner die auf diese Vorfälle Bezug habenden Briefe des Königs Sig­ mund August, wie auch das Gedicht Kochanowski'S auf den Tod des Grafen Johann Tenczynfti. Die Prinzessin Cäcilie entging der Berschwärzung und Verleumdung, gleich vielen andern mit schönen Eigenschaften ausgestatteten Personen, nicht. Die Schweden unwillig, weil sie zum katholischen Glauben überging, haben ihren guten Ruf, haupt­ sächlich in den Memoiren, sehr angegriffen. Doch fand sie bei Lebzeiten ihre Vertheidiger; der gleichzei­ tig lebende Möllerns, ein berühmter schwedischer Dich­ ter, schrieb für sie folgendes Gedicht: Fertur in Idaeo soboles Priameia colle Uni Divarum postposuisse duas. Ast ego te praestans Gustavi filia Regis, Cecilia summo praefero jure tribus

VI

Namque tibi cedunt splendoribus, indole, forma Inno potens, solers Pallas, eburnea Venus; Si tu nie placido defendas unica nutu Ambitiosa trium me nihil ira movet.

Ceciliae speciem Svecis ex Regibus ortae, Haec spectabilibus monstrat imago notis, Ut nix frons candet, rutilant ut Phoebus ocelli, Vincunt ridentes blanda labelia rosas, Caesarius aurum superat Charitumque venustas Et decus ex nitidis emicat omne genis; Haec bona natura pulcherrima pulchrior ornat Virtutum praestans est quibus ipsa chorus. loh. Messanii Theatrum Nobilitatis Svecanae, Holmiae 1616.

Johann von Tenczyn. Line geschichtliche Erzählung.

Erstes Kapitel.

vlur drei Meilen sind wir von Hause entfernt, sagte Johann Tenczynski, der Sohn des silberhaa­ rigen Wojewodcn von Sandomirien, wie angenehm wird es mir sein, nach so vielen Zähren die väter­ liche Schwelle zu betreten, wie süß, meine ehrwür­ digen Eltern zu sehen. Ein Seufzer hemmte seine Worte. Ich freue mich sehr darüber, ließ sich sein Reisegefährte, Don Alonzo Ferdinande; Zuan Zoseppe di Medina Czeli, in spanischer Sprache ver­ nehmen ; denn welch' eine Strecke ist's aus Madrid nach Polen, durch wie viele Länder sind wir gefah­ ren, wie viel verschiedene Völker, Sitten, Naturerzeugnisse haben wir nicht gesehen! Dieß befriedigt zwar die Wißbegierde, bereichert mit Erkennmiß und Erfahrung den Geist, heilt von so manchen Vorurtheilcn; inzwischen lassen sich nach so langer Zeit die Beschwerden des beständigen Reisens auch in jun;

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gen Gliedern fühlen. Doch gut, wir sind unserem Ziele nahe, und es wird mir viel Freude machen, meinen Landsleuten nach der Rückkehr von den Merkwürdigkeiten und Wunderdingen, die ich auf meiner Reise sah, zu erzählen. Ich hoffe, Freund, unterbrach ihn Tenczynski, daß, wenn Du ein Tage: buch Deiner Reise führst, Du nicht manche Auelanr der nachahmen wirst, die, entweder aus Undankban keit für die empfangene Gastfreundschaft, oder ohne Ueberlegung und leicht hin, nach einem Hause das ganze Land, nach einer Person, die ganze Nation beurtheilen, und von Polen ganz unglaubliche Mahn chen schreiben. Ein Kastilianer, antwortete Don Alonzo Ferdinandez di Medina Czeli, wird sich wn der so undankbar, noch so leichtsinnig zeigen, (on; dern nichts anderes als Wahrheit schreiben. Indessen rollte der Wagen der Reisenden auf ebenem Wege dahin. Der Kutscher, ein alter Hochr länder, sang ein Lied von Kasimiren dem Mönch: „A witay/.e nam gospodynie mity" (Willkommen uns geliebter Herr). Der Klang dieser varerlandü schen Weise rührte Tenczynski's Herz. — In Öc; danken vertieft betrachtete er den ihn umgebenden Horizont; in der Ferne verbreitete die Ringmauer des Rabschtiner Schlosses einen Silberglanz; die Thürme des reichen Olkusch, dann auch der Felsen

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verloren sich in grauem Gewölk; der mit Thälern lind Hügeln abwechselnden Gegend gaben die Eichen­ lind Buchen-Walder eine angenehme Schattirung, und die weißen Landhäuser, die spitzigen Thürme vieler Dorfkirchcn bildeten einen lieblichen Kontrast. Dieser Landstrich scheint mir, sagte Don Ferdinan­ de;, mehr bevölkert und besser bebaut zu sein, als viele unserer spanischen Provinzen. So siehst Du denn doch, antwortete Tenczynfli, daß nicht das Gold au« Potosi, sondern Ackerbau und Freiheit dir Lander volkreich machen und in Wohlstand ver­ setzen. Wahrend sie so zusammen sprachen, entzog sich allmahlig da« Sonnenlicht ihren Augen. Schwarze Wolken stiegen am Horizonte aus, über dm Seen erfüllten schwebend« Möwen die Luft mit ihren kläg­ lichen Lauten, majestätische Adler, und große Haufen von Digcln verschiedener Art, eilten in verdoppel­ tem Fluge ihren Wohnsitzen zu. Nicht ohne Grund­ zwei ungeheure Donnerschläge krachten über die er­ bebende Flur, der schwcfelhauchende Blitz fuhr im Zickzack daher und spaltete mit seinen Pfeilen die schwarzen Wolken, strömend ergoß sich das Wasser vom Himmel. Was ist das für ein Regenguß, sagte Tenczynski, wo soll man nun Obdach finden? Indem er noch redete, bemerkte er ein weißes höl-

6 zerneS Haus nicht wett vom Wege, unter einer aus-

gebreiteten Ulme.

Wenn ich nicht irre, so sind wir

schon in bett Grenzen der Grasschaft Tenczyn.

ließ

Er

den Kusscher vor dieses Haus fahren, aber

alles war verschlossen; vor diesem schrecklichen Re­

gengüsse verbargen sich nicht nur die Wirthsleute

und das Gesinde, sondern auch der Hund und die

Kahr suchten ihr Obdach.

Erst nachdem sie eine

Weile geklopft hatten, hörten sie drinnen eine Frau

befehlen: „Geh doch, Katharine, und mache die

Thür auf, man muß dem Nächsten in der Noth die Aufnahme nicht versagen."

Katharine machte

auf, die Reisenden sprangen in's Haus, und sie wurde mit dem Wasserstrome, der von den Kleidern der Eintretenden floß, ganz durchnäßt. benthür wurde geöffnet.

Die Sm-

Auf der Schwelle stand

eine Frau, ungefähr vierzig Zahre alt, die noch recht frisch und munter aussah. Sie trug ein bunt­

kattunenes Kleid, auf dem Kopfe eine schwarzsam-

tnetne mit Feldblumen gezierte Binde. willkommen, meine Herren!

Seid mir

rief sie fröhlich aus,

dieser Zufluchtsort ist zwar eng, doch da .es draußen

so stark, gießt, so nehmet damit vorlieb, denn bis zum Schlosse sind es noch zwei Meilen.

Nun,

Ddttter, wen» Zhr es erlaubt, sagte Tenczynski, so wollen wir uns hier abttocknen und warten bis der

7 Regen vorüber ist. Der Himmel ist sehr bezogen, sagte Theodorowa, das wird wohl so dm ganzm Tag und die ganze Nacht anhalten. Geh einmal, Katharine, und laß die Pferde und die Kalesche in den Kuhstall bringen, denn in unserem kleinen Pferr bestalle werden sie nicht Raum haben. Mein armer Mann ging, wie gewöhnlich, mit der Flinte und mit seinem Hunde nach dem Walde, um in seinem Revier nachzusehen, ob irgend wo Schaden gemacht wordm ist, und dabei auch, wenn sich gerade etwas trifft, zu schießen. Indem sie dieß sagte, brachte der Kammerdiener des Grafen trockene Kleider für die Herren. Lange und mit unverwandten Blicken betrachtete Theodorowa bald diesen, bald den Gra­ fen, auf einmal rief sie, vor Freude beinahe außer sich: Ach, das ist ja mein Herr! und bald um­ faßte sie seine Knie, bald sprang sie auf und fiel ihm um den Hals. Nachdem Tenczynski lange die Frau angesehen, erkannte er sie, und rief freudig aus: Ach, das ist ja Theodorowa, meine liebe Amme! und indem er sie herzlich drückte, sagte er: ich habe Dich wahrlich in den ersten Augenblicken nicht er­ kannt. Das ist schon wahr, sprach Theodorowa, die Mütter, und auch die Ammen haben «in befferes Gedächmiß als die Kinder. — Mache mir diesen Vorwurf nicht, daß ich Dich vergessen hatte, aber

8 so viele Zähre, seit ich Dich nicht gesehen, die Anstrmgung der Reise, diese vom Regen nassen Au­ gen. — Das ist das Wmtgstr, aber wie glücklich bin ich jetzt Euch zu sehen; das Beste, was ich nur in meinem Hause finden kann, soll mein liebes Zohannchm haben. Hierauf befahl sie der Katha­ rine, Feuer zu machen und Wasser in Tipstn beizur sehm, sie selbst aber lief ungeachtet des starken Re­ gens auf dm Hof hinaus, indem sie dm Oberrock über dm Kopf schlug. Die Reismdm warm mit dem Wechseln ihrer Kleider noch nicht fertig, als Theodorowa schon zurückkam, und zwei Paar Hüh­ ner, ein Bund Petersilie, Porree und Sellerie mit­ brachte. Mein Zohannchm muß sich doch erquicken, er soll eine vortreffliche Suppe und einen guten Eierkuchen haben, und wenn mein Mann aus dem Walde zurück kommt und Wildpret mitbringt, ob­ gleich es für den Hof bestimmt ist, so kann man doch dem Sohne unsers Herrn etwas davon mittheilm, aber für viel Geld würde ich es keinem Andern geben. — Wozu jedoch diese Anstalten, wir sind ja noch heute zu Mittag auf dem Schlosse. — Zch verstehe mich besser auf das Wetter als der Wetterhahn auf dem Dache; von Westen her wal­ zen sich die Wolken in großen Massen hinter einan­ der, und es ist die Frage, ob Zhr werdet morgen

9 fahrm sinnen; es wird bald Nacht, und überbieß, rote sollte ich mein Zohannchen davon lassen, ohne ihn gesättigt zu haben. Ein ganzes Jahr lang und sechs Wochen habt Ihr keine andere Nahrung ge­ kannt, als die aus diesen Brüsten. Hier treten ihr Thränen in die Augen; Tenczynski gerührt um­ armte sie noch einmal. Sage mir doch, Mutter, fragte der Graf, roie sieht's mit meinen Eltern aus? — Der alte Herr ist merklich im Alter vor­ gerückt, besonders versagen ihm die Füße ben Dienst, aber das ist auch kein Wunder. Das hohe alter und die verschiedenen Kriege in der Jugend, — doch Gott sei Dank er ist dabei noch immer mun­ ter. Das wird Euch wohl bekannt sein, daß Eure Schwester, Fraulein Sophie, mit dem Starosten von Schydloro Herrn Zbororoski verlobt, und die andere mit dem Burggrafen von Lanckoron vermählt ist; schöne und tugendhafte Damen. Ihr werdet sie wahrscheinlich beide in Tenczyn finden. Sie sind zum Namenstage der gnädigen Frau Mutter gekom­ men. — Mit welcher Freude werde ich sie dort alle sehen! Indem die Wirthin mit der Zubereitung des Abendbrotes beschäftigt war, sahen sich die Rei­ senden, nachdem sie sich auf eine lange Dank hin­ gesetzt hatten, in der sauber eingerichteten Stube um. Sie war ziemlich geräumig, wohl übertüncht.

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in einer Ecke nicht weit von der Thür war der Kamin. An der Wand hing ein Bild der Atutter Gottes von Czenstochau, daneben eine große, ge­ malte und rund herum vergoldete, mit himmelblauen und rothen Bändern bepuhte, geweihte Wachskerze, von der andern Seite ein kleines Lorettaner-Glöck­ chen und mehrere Kränzchen von geweihten Krau­ tern. Zn einen Querbalken war der Name Zesus und das Jahr 1525 eingeschnitten. Ueber dem Tische war eine Decke ausgebreilet; am Ofen saß die siebenjährige Agnes auf einer niedrigen Dank, die Tochter der Frau Theodorowa und spielte mit einer jungen Katze, die alte Katze schlief unter der Bank; die ganze Stube war mit Kalmus ausgestreut. Theodorowa hatte die jungen Hühner in den.Topf gelegt, Porree und Sellerie noch in der Hand haltend, sagte sie: In meiner Kindheit kann­ ten wir diese wälschen Kräuter nicht. Die Königin Dona brachte sie aus ihren Ländern, welche jenseits des Meeres liegen sollen, und Gott weiß, wie sie da heißen. Aus den Königlichen Gärten verbreite­ ten sie sich in der ganzen Gegend von Krakau und noch weiter; denn die alte Königin hat großes Wohlgefallen an Gärten, überall läßt sie solche an­ legen, läßt sehen, pflanzen und pfropfen. Man sagt, daß sic in Czcrsk und aus ihren andern Gü-

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tern Weinberge angelegt habe. Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, als ein schrecklicher Donner und der nicht weit davon eingeschlagene Blitz alle in Schrecken setzte. „Das Wort wurde Fleisch, und wohnte unter uns!" rief Theodorowa aus, indem sie sich kreuzigte und aus ihre Knie fiel. Tenczynfki und der Spanier knieten auch in Demuch vor dem Lenker der Blitze nieder. Nachdem Theoborowa ein wenig zu sich gckommen war, rief sie ihrer kleinen Tochter zu: Agnes! nimm einmal das Lorettaner Glöckchen, gehe hinaus, und laute damit um das ganze Haus herum. Liebe Mutter, ließ sich Tenczynski vernehmen, wie kannst Du das arme Mädchen mitten unter dem starken Donner und einem so heftigen Regengüsse der Gefahr aussehen! Das ist noch unschuldig, antwortete Theodorowa, dem wird nichts Leides geschehen. Agnes lief auch wirklich um das ganze Haus herum, lautete aus vollen Kräften, und es geschah ihr auch nichts, außer daß sie durch und durch naß wurde. Währ rend dieser Zeit räucherte Theodorowa mit geweih­ ten Kräutern. Als das Gewitter ein wenig nach­ gelassen hatte, hörte man an der Thür klopfen. Das wird wohl mein Mann sein! rief sie fteubtg aus; indem sie die Thür öffnete, sagte sie: Weißt Du, mein Lieber, was wir für einen Gast in unserm

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Hause haben? Unsern jungen Herrn, der aus den überseeischen Landern kommt, aus Deutschland glaube ich. Aber, Du armer Schelm, Du bist wohl ganz fadennaß geworden. Das thut nichts, sagte er, und als er in die Stube trat, stellte er geschwind sein Gewehr in den Winkel und wollte Tenczynfti'n zu Füßen fallen; aber dieser hob ihn auf, und sagte: Sei mir herzlich willkommen, mein lieber Theodor, ich freue mich, daß dieses Gewitter mid) in Dein Haus gebracht hat, und daß Du gesund bist. Zch wußte nicht, daß Du in diesem Hause wohnst; ich habe Dich als Kammerdiener verlassen. Za, lieber Herr, antwortete Theodor, als aber die Försterstelle erledigt wurde, erhielt ich dieselbe von Eurem gnä­ digen Herrn Vater, wahrscheinlich als Gnadenbe­ zeigung, weil diese Frau Euch genährt hat, und er sehte für mich einen guten Gehalt, nebst reich­ lichem Deputat an Lebensmitteln fest, so daß wir an allem Uebcrfluß haben; der liebe Gott segne ihn dafür! Nachdem er dieß gesagt, warf er seine schwere Zagdtasche und vier Hasen aus die Erde hin. Seine Frau griff sogleich nach derselben, nahm zwei Reb­ hühner heraus und sagte: Diese sind für mein Zohannchen und für den Herrn da, der gar nichts spricht; der wird wohl ein Deutscher sein. Für einen solchen Gast muß man sie schon geben, sagte

13 Theodor, obgleich in Tenczyn morgen eine Meng« Gäste erwartet wird, und der Herr Schaffner Spi-

zarski hat mir befohlen, so viel Wildpret herbeizu­ schaffen, al« ich nur bekommen kann.

Gestern kam

noch der Bischof Gamrat, und jeden Augenblick

erwartet man den Großfcldherrn Tarnowski, den Herrn Peter Kmita, den Herrn Melrcki, den Herrn Firley, den Herrn Starosten Zamoyski und noch viele andere. Ihr seid gerade zu rechter Zeit gekom­

men, den Namenstag der gnädigen Frau Mutter

in der Versammlung so vieler Gaste mitfeiern zu

können. — Lieber hätte ich es gesehen, meine Eltern und Schwestern allein zu finden, als unter einer so großen Menge von Fremden. Unsere Gefühle, nach

einer so langen Trennung, unsere Gespräche, unsere Freuden, brauchen keine Zeugen.

Theodor entfernte sich nach der anstoßenden Kammer, um seine Kleider zu wechseln; die Suppe war auch bald bereitet; die Wirthin nahm daher aus

einem Schlüsselbunde, das an einen Rehfuß befestigt war, einen großen Schlssüel, schloß damit einen un­

geheuern mit Eisen beschlagenen Kasten auf, und langte aus demselben ein in Podgorz *) verfertig­

tes Tischzeug und zinnerne Löffel hervor. )

Eine Stadt unweit Krakau.

Messer

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und Gabeln legte man zu jener Zeit nicht hin, denn Zeder war damit versehen. Darauf nahm sie aus dem Schranke zinnerne Schüsseln und Teller, welche so rein gescheuert waren, daß sie wie silberne aussahen, und nachdem sie den Tisch gedeckt, setzte sie darauf eine Schüssel mit Suppe, einen Eier­ kuchen und zwei gebratene Rebhühner; das Brot war von grobem Roggenmehl, doch dabei weiß und schmackhaft. Als sie mit allem fertig geworden, wendete sie sich zu Tenczynski'» und zum Spanier, und bat sie, sich zu Tische zu setzen, dabei sah sie sich mit Wohlbehaglichkeit dieses appetitliche Mahl an. Du hast uns einen guten Bissen bereitet, liebe Mutter, sagte Tenczynski; aber es wird uns nicht schmecken, wenn Du nicht mitissest. Und warum sollte ich das nicht, versetzte sie, ich würde gern mitessen, aber heute ist Montag, und da habe ich mir strenges Fasten auf Lebenszeit gelobt. Hier habe ich Bier mit Kümmel und Baumöl, und dazu ein Stück geröstet Brot, dieß wird mir schon für den ganzen Tag hinlängliche Nahrung geben. Die Ka­ valiere setzten sich zu Tische, und sowohl das Mahl, als auch die Offenherzigkeit und die Gastfreundschaft der Wirthin, gefielen dem Spanier. Tenczynski ver­ dolmetschte ihm alle ihre Gespräche. Die Suppen­ schüssel war geleert, als der Wirth aus der Kam-

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wer in die Stube trat, in einer Hand einm Krug mit Bier und in der andern eine Kruke mit Mech haltend. Das Beste, was ich nur in meinem Hause habe, sagte er, bringe ich Euch. Es ist zwar kein Warker Bier, aber es ist gut, der Meth aber ist so alt als meine AgneS, und ich genieße ihn nur an großen Festtagen-, und könnte wohl ein anderer größerer sein als der, an welchem ich Euch in meiner Wohnung sehe! Ich danke Dir, guter Theodor, sagte Tenczynsky, Du trinkst unsere Gesundheit, und wir trinken die Deinige und die Deiner guten Frau. Hier­ auf goß er die Glaser voll und trank die Gesundheit der Wirthsleute. Don Alonzo Ferdinande; Juan Zoseppe di Medina Czeli war sehr erstaunt, so guten Malaga unter einem Strohdache anzutreffen. Dieß ist ein wahrer Malaga unsers Landes, sagte Tenczynski, und ist um desto merkwürdiger, da er nicht aus Trauben verfertigt wird. Und woraus denn? fragte der Spanier. Tenczynski mußte ihm lange erklären, wie die Bienen Honig machen, und wie der Meth daraus bereitet wird. Dieß alles war für den Spanier eine große Neuigkeit. Auch die Wir­ thin trank einen kleinen Becher Meth aus, und nachdem sie die Hände über einander geschlagen, sah sie Tenczynski an und sagte: Mein Gott, wie schön ist das gewachsen, aber es ist auch wahr, cs war

16 immer schön und gut wie ein Engelchen. Und frisch wie ein Fisch, fuhr nun Theodor fort; es war kaum

drei Zahre alt, da kam es schon und bat, man sollte es auf ein Pferd setzen, und obgleich die gnä­

dige Frau es verbot, so konnten wir ihm doch diese

Bitte nicht abschlagen, und setzten es auf den Zel­ ter des Herrn Wojewoden, und da hättest Du sehen

sollen, wie vergnügt das Knäblein war.

Und ge­

denkt der Herr Graf noch, wie Euer würdiger Va­

ter die Tartaren schlug und einige Hundert gebun­ den mitbrachte? Ach, wäs waren das für Schreck­

bilder! sie hatten kleine Augen, längliche, platte und schwarze Gesichter.

Vor Angst verbargen sich die

Fräulein, obgleich sie älter waren; Zohannchen aber

hatte gar keine Furcht, und ging mit seinem hölzer­ nen Säbelchen ihnen entgegen.

Dieß freute den

Herrn Vater sehr, er nahm ihn auf seine Arme, küßte ihn und sagte: Brav, mein Hans, wisse nie­ mals was Furcht ist, ich habe Hoffnung zu Gott,

Du wirst auch die Tartaren schlagen.

Die Wirths-

leute hätten noch länger von den stüheren Zeiten erzählt, wenn der Spanier, dem die fremde Sprache keine Unterhaltung gewährte, nicht angefangen hätte,

recht ordentlich zu gähnen.

Ueberdieß war es schon

ziemlich spät, die dunkele Nacht und der zwar nicht

mehr herabströmende, doch noch immer dicht herabfal­

lende

17 lende Regen, waren die Ursache, daß an die Abreise gar nicht gedacht werden konnte.

also zur Ruhe an.

Man schickte sich

Die Wirthsleute begaben sich

mit Agnes in die Kammer,

und

überließen die

Kaum hatte der Hahn

große Stube den Gasten.

den Tag verkündigt, so war schon alles in der Kam­ mer rege.

Theodorowa fing nebst ihrem Manne,

Agnes und Katharinen ganz leise ihre Stundengebete

an zu singen, nachher sagte sie ein wenig lauter zu

Katharinen: Sobald Du nur bemerkst, daß sie aufge­ wacht sind, so mache gleich Feuer an und sehe einen Mache es mit Schmant,

großen Topf Bier bei.

Eiern und Käse zurecht, damit sie doch etwas vor ihrer Abreise genießen.

Nachher sah sie durch ein

kleines Fenster der Kammer hinaus und sagte: Nach einem so stürmischen Wetter, welch ein schöner Tag

für mein Zohannchen.

Gott sei gepriesen, daß er

ihn so schön und so frisch erhalten hat.

Was wird

das für Freude im Schlosse sein, sobald er sich dort

nur sehen läßt! Der Schlaf derer,

eine

ein

die

außerordentliche Freude

nahes Glück oder

erwarten,

pflegt ge­

wöhnlich kurz zu sein; nur ein von schwerem Kum­ mer gedrückter Mensch

der

Vergessenheit

durch

mag gern den

die Augenblicke

Schlaf verlängern.

Tenczynski wachte noch vor Tagesanbruch auf; Ka-

I.

2

18 tharine war noch nicht mit der Zubereitung des Biers

fertig, als

er sich schon angekleidet hatte.

Wie angenehm war ihm das seit so vielen Zähren nicht genossene vaterländische Frühstück!

nerte ihn an seine Kinderjahre.

Es

erin­

Don Alonzo Fer-

dinandez di Medina Czeli machte gleich beim ersten Löffel ein saures Gesicht und bat sich ein Gläschen

von dem gestrigen Malaga und ein Stückchen Brot aus.

Die Bedienten, eben so wie ihre Herren unge­

duldig, hatten in einem Nu alles eingepackt und der Wagen stand reisefertig da.

Abschied von den Wirthsleuten.

Rührend war der

Tenczynski

ver­

sprach, seine gute Amme recht oft zu besuchen, und beim Wegfahrcn drückte er ihr fünf große spanische

Goldstücke in die Hand.

Ach, mein Zohannchen, da­

durch stört Zhr nur mein Glück, sagte Theodvrowa.

Wenn das Herz einen Gast aufnimmt, so muß das Herz allein lohnen. — Wenn Du es für Dich selbst,

liebe Mutter, nicht annehmen willst, so nimm es

als Mitgift für Deine Agnes an. Tenczynski konnte kaum auf diese Weise die gute Frau dazu bewegen, dieses Geschenk zu behalten.

Noch hatte die Sonne ihr Antlitz nicht gezeigt, und nur eine

blasse Nöthe zerfloß

am gewölbten

Himmel, als Tenczynski mit seinem Reisegefährten

sich schon auf dem Wege nach Tenczyn befand.

Die

19 Sträucher und Blumen, durch den letzten Regen er­

frischt,

verbreiteten

einen angenehmen Duft;

die

schäumenden Ströme stürzten von den Hügeln mit brausendem Getöse herab.

Verschiedene Chöre von

Vögeln begrüßten den Schöpfer mit ihren Gesängen. Ein angenehmes, entzückendes Gefühl, wie man es

nur in der Zugend erfahren kann, bemeisterte sich Tenczynski's ganzen Daseins, er empfand in sich eine

Fülle des Glückes und des Lebens, fest heftete er seine Blicke auf die Gegend seines Geburtsortes,

und als ihm die goldenen Thurmspitzen des Schlos­ ses Tenczyn in der Lust entgegenstrahltcn, wurde

sein Herz von den größten und lebhaftesten Empfin­ dungen durchdrungen.

Ze näher er kam, desto leb­

hafter erinnerte ihn jeder Strauch, jedes Haus, selbst jeder Stein, an seine schönen Zugendjahre.

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Zweites Kapitel.

Eben ging die Sonne auf, als Tenczynfli sich dem Stammgute seines Vaters näherte. Langscu men Schrittes gingen die Herden aus dem Dorfe nach den naheliegenden Triften hin. Die Hirten,flöte begleitete den Gesang der Vögel, der treue Hund holte die sich verlaufenden Lämmer ein und hielt sie in Ordnung, die Luft war still, duftig und frisch, hier und da erhob sich der Rauch von den niedrigen Herden der erwachten Landleute, und stieg in geraden Säulen empor. Da Tenczynski die Bewohner des Schlosses nicht stören wollte, ließ er nicht weit vom Thore seinen Wagen anhalten. Alles schien dort noch in tiefen Schlaf versunken. Gelehnt an eine Ulme, berrach,tete er das schon seit so vielen Zähren nicht gesehene Schloß. Es war ein großes viereckiges Gebäude, mit runden Thürmen an den Ecken, mit einem tiefen Graben umgeben, und einem größtenrheils aus Feldsteinen aufgethürmten Walle, welchen die durch eine lange Reihe von Zähren darauf wach,senden Feldgewächse undurchdringlich gemacht hatten.

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Vier Thore führten nach dem großen Schloßplätze. Sie waren aus ungeheuren Quadersteinen aufge­ führt, auf ihren Spitzen sah man das Tenczynskische Wappenschild, ein Beil und das Zahr 1332. Ueber.all waren Schießscharten; zehn Kanonen standen auf den Wällen aufgepflanzt. Das ist wahrlich ein alterthümliches Schloß, waren die Worte des Spa­ niers, mit denen er den in Gedanken vertieften Tenczynski unterbrach. Das ist das Haus meines Stammes schon seil vielen Jahrhunderten, antwor­ tete Tenczynski, und schwieg wieder; bald darauf drang aber eine die Stundengebete singende Stimme in sein Ohr. Er blickte seitwärts und sah einen ehr­ würdigen, in graue Czamarka gekleideten Greis, der sich auf einen Stab stützte, und in der Hand den Rosenkranz hielt. Nachdem sich die Augen des Jünglings und des Greises begegnet hatten, änder­ ten sic schon ihre Richtung nicht mehr. Der Greis kam ein Paar Schritte näher, blieb stehen und be­ trachtete ihn lange. Täuschen mich ettva meine Au­ gen, rief er aus, nein, wahrlich nicht, das ist ja mein junger Herr! Wie geht's, Herr Kolyfka, rief ihm Tenczynski zu, ich freue mich, daß die Person, die ich zuerst erblicke, mein alter Freund ist! Za, sagte der Greis, und eine Freudenkhränc rollte aus seinen Augen auf den silberhaarigen Bart, der ist es,

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der Euch oft auf seinen Armen getragen. Tenczynski stellte dem Spanier in lateinischer Sprache den Freund und Haushofineister seines Vaters vor. Herr Kolyska begrüßte Don Zuan di Medina Czcli in einem vortrefflichen Latein. Zm Schlosse schlaft noch alles, sprach Herr Kolyska zu Tenczynski. Zch will Niemanden aufwecken, erwiederte der Züngling, laßt uns unterdessen in den Garten gehen, und bann nach so langer Trennung zusammen reden. Hierauf begaben sie sich nach dem Schloßplätze. Am Thore stand ein nach Art der Flamländer ge­ kleideter Fuß-Soldat. Nachdem sie über eine etwas tiefer liegende Gallerie gegangen warm, befanden sie sich im Garten. Dieser war in verschiedene Gange abgetheilt, und mit hundertjährigen Eichen, Linden und Rothlannen beseht; von Duchsbaum umfaßte Dlumen-Quartiere waren zierlich mit Sand und kleinen Steinen ausgestreut. Hyacinthen, Lilien, Rosen und andere Blumen standen in Gefäßen, das von Hügeln herabgeleitete klare Wasser bildete in vielen Biegungen Kanäle. Zwei Seiten des Gar­ tens nahmen verschiedene Arten der Obstbäume ein, und ganz tief im Hintergründe derselben hatte man die prächtigste Aussicht nach den bunkelgrauen Ber­ gen, nach den schwarze«» Felsen, nach der Kirche und nach dem Kloster in Czerni. An dieser prächtigen

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Aussicht weidete Tenczynskt seine Augen, und rich­ tete fortwährend Fragen an Herrn Kolyska, nach seinen Eltern, nach den Verwandten und nach dem Vaterlande. AlS sie im Zurückgehen sich dem Schlosse näherten, sagte Herr Kochst«: Es sind so viele Gäste zum Namenstage der gnädigen Frau zusammengekommen, daß beinahe alle Zimmer, ob­ gleich daS Schloß groß und geräumig ist, besetzt sind; in diesem Zimmer, wo Zhr die karmoismror then Fenstervorhänge sehet, wohnt der Bischof Gamr rat. Nach dem gestrigen Abendbrote wird er nicht sobald aufwachen; alle andere Begierden haben sich bei ihm gelegt, aber in Intriguen und Gastmählern ist er immer noch derselbe Mann wie stüher. Zn dem Zimmer gerade über steht der Oberfeldherr Tarr nowski; er leidet keine Vorhänge, da er an das Kricgsleben gewöhnt ist, und er lebt immer so wie unter einem Zelte. Zch hatte meine Noth, bis ich zum heutigen Miltagsmahle ein Füllen auftrriben konnte; denn Zhr müßt wissen, daß man immer bei großen Gastmählern dem polnischen Oberfeld­ herrn einen Füllenbraten vorsctzt. Was sagt er? fragte der Spanier. Tenczynsti setzte ihm das alles aus einander, und groß war die Verwunderung des Don Alonzo Ferdinandez. Das wird wohl die Sitte der alten Scythen sein, sagte er. Tenczynsti

24

bewies ihm, baß die Polen nicht von den Scythen, sondern von den Sarmaten abstammen. An dem rechten Flügel, sprach Kolyfka weiter, wohnt der Wojewode von Krakau, Herr Peter Kmita, ein un­ ruhiger, gieriger und es mit allen Partheien halten­ der Mann. Ueber ihm ist der junge Herr Johann Zamoyski, und links der Königliche Unterschahmeir ster, Herr Spytek von Tagliczyn. Diese für Ten, czynski'n so angenehme Gespräche hätten noch kein Ende gehabt, wenn die Pflichten des Haushofmeisters, überhaupt am Tage einer so zahlreichen Ver­ sammlung, Herrn Kolyska nicht abgerufen hätten. Nachdem er zwei ihnen entgegenkommmde Zwerge erblickte, sagte er zu ihnen: Unterhaltet nun Euren jungen Herrn, und er selbst eilte nach dem Schlosse hin. Che cosa sono ’sti vecchj Bambini. Was sind das für alte Kinder? fragte der Spanier mit großer Verwunderung. Tenczynski mußte ihm wie­ der erklären, daß man in unserem Lande solche kleine Geschöpfe findet. Zn ein ganz sonderbares Land bin ich gekommen, sagte Don Ferdinandez di Medina Czeli, alle Augenblicke stoße ich auf etwas Wunderbares. Der alte Wojewode Tenczynski stand, so wie Andere seines Alters, sehr zeitig auf; seine Fenster­ laden waren die ersten, die sich im Schlosse iffnc-

25 ten.

Dieses bemerkte einer von den Zwergen, und

da er durch Hinterbringung einer so freudigen Nach­ richt bei seinem alten Herrn sich einschmeicheln wollte, lief er, was er nur laufen konnte, ihm zu melden,

daß sein Sohn «»gekommen wäre.

Man kann sich

leicht denken, wie glücklich und erfreut der Greis

war; cs verflossen kaum fünf Mnuten, so kam schon Signor Allegro, der Kapellmeister des Wojewoden, den Sohn nach dem Schloss« zu bitten.

Tenczynr

ski'n war es lieb, daß er seinen Gefährten, den Spa­ nier, mit dem Italiener zurücklaffen konnte, und er

selbst eilte nun zu seinem Vater hin.

Beim Ein­

tritt in das Zimmer fand er ihn auf einem großen Stuhle, in einen atlassenen Schlafrock eingehüllt,

sitzen, ein dichter silberfarbiger langer Bart bedeckte ihm die etwas entblößte, rauhe Brust; seine Phy­

siognomie war ernst und angenehm, die Haare ver­

schnitten, nur ein Büschel ragte auf dem Kopfe her­ vor.

Der Jüngling fiel dem Vater zu Füßen, und

der Greis legte auf ihn die schwachen Hande und

rief gerührt aus: Dank sei dem Höchsten, daß er mir

vergönnt hat. Dich noch einmal vor meinem Ende zu sehen! indem ich Dich gesund und munter sehe,

empfinde ich, daß auch meine Kräfte an Festigkeit zunehmen.

Ich war auch einst so wie Du jetzt bist.

Hier folgten unter Freudcnthräncn die herzlichsten

26 Viele Dinge haben

Umarmungen.

sich verändert,

setzte er hinzu, seit den fünf Zähren, baß ich Dich nicht gesehen.

Gott sei Dank,

die Mutter und

die Schwestern findest Du gesund, bald sollst Du sie sehen.

Aber unser alter König und Herr hat schon

seinen Sitz im Himmel aufgeschlagen, und der junge scheint es nicht sonderlich klug anzufangen.

Du hast

es wohl gehört, daß er sich mit der Radziwill, Gastolds jungen Wittwe, vermahlt hat.

Er wird die

Regierung nicht führen, sondern die Brüder

des

Vaters seiner Frau, und soll denn Tenczynski das mit ansehen?... Da der Sohn bemerkte, daß der

Vater zornig wurde, und einem zog

er seine Gedanken von

unangenehmen Gegenstände ablenken wollte,

er aus

dem Dusen einen Brief von Kaiser

Karl V. hervor und überreichte ihm

denselben *).

Beim Anblicke desselben heiterte sich die Stirn des

Wojewoden auf, denn er diente in den Heeren die­

ses Monarchen und

genoß

viele Gunstbezeigungen

von ihm; indem er ihn las, betrachtete der junge

Tenczynski das Zimmer seines Vaters.

Zn einer

Ecke desselben sah er eine niedrige, schmale, harte Lagerstätte, vor dieser eine große weiße Bärenhaut ausgebreitet, und, statt einer kostbaren Decke, eine graue von Filz.

') Geschichtlich.

An den Wanden hingen die Bild-

27 Nisse von Sigmund I. und Sigmund August, dieser in seinen Zugendjahren mit einem Papagei in der Hand, und rund umher hingen Schilde, Ringel­ panzer, Bogen, Kicher; auch spanische Büchsen mit verschiedenen Verzierungen von Silber, Gold und Perlmutter. Zn der Ecke saß auf einer hohen Stange ein Sperber. Es freut mich sehr, sagte der Greis, nachdem er den Brief durchgelesen hatte, daß Dir Seine Majestät der Kaiser ein ehrenvolles Zeugniß giebt, und daß er meine früheren Dienste nicht vergessen hat. Was macht der ehrwürdige Herr? Leben auch der Fürst Medina Sidonia, der Markgraf di Luna d'Albukerk, Don Zuan di Vaseonczellos noch? Als der junge Tenczynski alle­ beantwortet hatte, wurde die Thür geöffnet, und die Gattin des Wojewoden, in der Hand eine Schale mit Wcinsuppe haltend, erschien mit ihren beiden Töchtern. Beim Anblick ihres Sohnes hatte sie kaum Zeit, die Schale auf den Tisch zu sehen. Schon drückte sie ihn in ihre Arme, schon benetz­ ten ihre Freudenchranen des ZünglingS Wangen. Siehe, meine Traute! sagte der Greis, Zohann hat sich selbst zum Angebinde Deines Namenstages mit­ gebracht. Nach den herzlichsten Umarmungen der Mutter folgten die Begrüßungen der Schwestern. Wie viele Herzen waren jetzt mit Wonne erfüllt!

28 Recht weit bist Du in der Welt umhergereist, sagte die Mutter, nun mußt Du auch sehr ermüdet

sein.

Er sieht etwas elend aus.. . .

gar, unterbrach der Vater, er

Warum nicht

sieht munter und

kräftig wie Herkules aus, aber die Mütter finden immer ihre Kinder elend.

Sei es dem wie es wolle,

sagte Frau Tenczynska, wir wollen für ihn sorgen;

jene Zimmer, die nach dem Garten zu liegen, soll er bewohnen, dort ist kein Lärmen, und da kann er mir

recht gut ausschlafen.

Die Zeit des Ausschlafens

wird nicht lange währen, sagte der Wojewode, nach einigen Tagen muß er zum Landtage nach Preszowiz

fahren, er soll dort die vornehmen Landsaffen km-

nen lernen, und überdieß werden da wichtige Dinge verhandelt.

Komm doch, lieber Johann, ich will

Dich nach Deinen Zimmern hinbringen! indem die

Wojewodin

dieß sagte, nahm

sie ihren Sohn an

die Hand und ging hinaus; der Wojewode fing an

sich anzukleiden. Lange währten die Fragen der Mutter und der Schwestern, ßungen.

lange ihre zärtlichen Herzens-Ergier

Vermeide, so viel Du kannst, sagte Ten,-

czvnska, die geringste Erwähnung von Radziwillen. Dein Vater kann das durchaus nicht ertragen, daß sie, und hauptsächlich der geistliche Herr Nikolaus,

Mundschenk von Litthauen, solche Auszeichnung und

29

jetzt einen solchen Einfluß am Hofe haben. Ich werde vorsichtig sein, antwortete der Jüngling, und werde mir Mühe geben, seinen Unwillen nicht nur nicht zu reizen, sondern vielmehr zu mindern, denn nichts kann dem allgemeinen Besten schädlicher sein, als diese Privatstreitigkeiten unter den Mächtigen. Nachdem Tenczynski von seiner Mutter wegge­ gangen, war er unruhig wegen des Spaniers, und fragte die Vorübergehenden, ob sie ihn nicht gesehen hätten. Wir sahen ihn, war die Antwort, nach den Wällen zugehen; er eilte dort hin und sah ihn mit Herrn Allegro in einem lebhaften Gespräche vertieft bei einem Haufen Tartaren, die an der Ausbesse­ rung einer beschädigten Mauer arbeiteten *). Als er Tenczynski'n gewahr wurde, sagte er: Ich wußte nicht, daß Polen auch in Amerika Besitzungen hat. Ich sehe hier Indianer, welche denjenigen ganz ähn­ lich sind, die uns unser Pizarro aus Mexiko zuge­ führt. Das ist dasselbe Mördergesicht, dieselben klei­ nen Augen, und dieselbe Farbe ihrer Haut. Es ko­ stete Tenczynski'n viel Mühe, ihn zu überzeugen, daß •) 3« früheren Jahrhunderten war es in Polen eine allgemeine Sitte, daß man zur Aufführung großer Ge­ bäude und Veste, die tartarischen und türkischen Gefan­

genen gebrauchte; — auf diese Art wurde auch Willanow erbaut. 5

30

Polen keine Besitzungen in Amerika habe, und daß die Menschen, die er für Indianer hielt, Tartaren, Muhamedaner von der Halbinsel Krimm waren. Während dieser Gespräche hörte man das Lau­ ten der Schloßglocke, welche die Bewohner zur Messe rief. Tenczynski und Don Ferdinande; Juan di Medina Czeli begaben sich nach der Kirche, oder vielmehr nach der Schloßkapelle. Sie fanden sie schon angefüllt. Zn der mit rothem Sammet und goldenen Borten ausgeschlagenen Loge erblickten sie di« Eltern und Schwestern. Sophie winkte ihrem Bruder zu, er solle heraufkommen; da er aber sei­ nen Gefährten nicht verlassen wollte, und übcrdieß Johann Zamoyski bemerkte, mit dem er in Padua Freundschaft geknüpft hatte, so blieb er in der Dank sitzen. Herr Gamrat, Bischof von Krakau, saß zur Seite unter einem Baldachin, andere angesehene Gäste saßen entweder mit der Herrschaft in der Loge, oder auch unten in den Bänken. Der Geist­ liche Kobylanski, Domherr aus Krakau und Probst des Ortes, las die Messe. Signor Allegro führte eine Symphonie seiner Komposition auf. Nach der Messe begab sich die ganze Versammlung nach dem Saale, um das aufgetragene Frühstück einzunehmen. Tenczynski stellte nun seinen ausländischen Gefähr­ den den Eltern und den Gästen vor. Der alte

31 Wojewode reichte ihm die Hand und sagte:

Salve

grate hospes, opto, ut domus mea, sit tibi quam

jiicundissima.

Auf dem Tische standen große sil-

berne Schüsseln mit Zrazen ^), Ragouts, Bratwür­ sten und verschiedenem geräucherten Fleische.

Große

Pokale waren mit Meth, Wein und Bier gefüllt,

Chi e questo Monsignore, fragte der Spanier, ehe mangia come un Lupe? Wer ist der Monsignor, der

alles wie ein Wolf verzehrt? E Monsignor Gamrato Vescovo di Cracovia, antwortete Tenczynski.

Che dio lo benedica come si e conservato grasso, fresco, ma come mangia! Gott segne ihn, wie dick

und fett er aussieht! aber wie ißt er auch! Die Ver­

wunderung des Ausländers war natürlich; Gamrat

schluckte beinahe ganze Bratwürste hinunter, machte die mit Ragout gefüllten Teller ganz rein, und stürzte volle Becher Meth und Warker-Dier hinunter. Solch

ein Essen hinterließ auch Spuren an seinem wohl

genährten Körper; die Backen Seiner Hochwürden

bildeten, wie der Vollmond, einen mächtigen Kreis,

der von Rothe und einem firnißähnlichen Glanze strotzte.

Der Prälat unterbrach sich oft bei seinen

•) Lies Grasen: kleine gehackte, aber nicht zerhackte Fleischschnitte, die mit verschiedenen Gewürzen und Zwie­

beln bestreut und zusammengerollt, nachher mit Butter,

Citronensäure u. s. w gedämpft werden.

32 schmackhaften Bissen durch scherzhafte Erzählungen,

ost redete er auch in italiänischer Sprache den Spa,' nier an; mit einem Worte, er erheiterte und belebte die ganze Gesellschaft.

Das Frühstück war beinahe

beendet, als man eine recht dicke Mannsperson in

einem wunderlichen Anzuge hereintreten sah. Mann

trug einen bunten Zupan,

Dieser

einen Oberrock

von Zobel-, Kaninchen- und Bärenfellen, alles un­ ter einander gemischt; auf dem Kopfe einen Kolpak,

auf welchem sich beinahe ellenlange Pfauenfedern er­

hoben.

Fröhlichkeit und Offenherzigkeit malten sich

auf seinem Gesichte ab.

Nachdem er seinen Kol­

pak geschüttelt, setzte er sich dem Bischöfe Gamrat

gegenüber,

und sagte:

Wie geht's, lieber Pfaffe?

Und nachdem er sich gegen den alten Herrn Wojewoden

und

gegen

den Großfeldherrn Tarnowski

ehrerbietigst verneigt, fing er recht mit Appetit zu essen an.

Wer ist der Mann? fragte der Spanier

seinen Gefährten.

Das ist der Hofnarr des Hoch­

seligen Königs, antwortete ihm Tenczynski; er heißt Stanczyk,

ein

sehr witziger Mann.

Er erinnert

mich an unsern Grazioso *), erwiederte Don Fer­

dinande;.

*) Zn jenen Jahrhunderten hatten die Könige und vornehmen Herren Graziosos hießen.

in Spanien ihre Possenreißer,

die

33 dinandez.

Indessen wollte Gamrat seinem Gegner

keine Antwort schuldig bleiben, und sagte: Was wird

nun heute der einstmals so viel geltende Spaßvogel machen?

da.

Leider! unser alter König ist nicht mehr

Was er immer gemacht hat, antwortete Stan-

czyk,

eher wird es der Welt an Königen als an

Narren fehlen.

Es ist kein Wunder, daß mich un­

ser alter Herr gern sah, er hörte nämlich, wie ich Euch oft solche Wahrheiten sagte, die er Euch zu sa­

gen nicht wagte; er wußte, daß ich ihn unterhielt, und Ihr kranktet ihn; habe ich nicht Recht, Herr

Bischof, Herr Kmita, Herr Taszycki?—Stanczyken

ist alles erlaubt, sagte Kmita. — Das ist auch nicht mehr als billig, unterbrach ihn der Possenreißer, denn

Stanczyk macht von brauch.

dieser Freiheit keinen Miß­

Ich sollte das wohl nicht wissen, setzte er

hinzu, weshalb Ihr alle

hier zusammengekommen

seid? Um Euch zu berathschlagen, auf welche Weise

Ihr den

unwissenden Adel

auf dem Landtage zu

Proszowiz bethören, und wie Ihr denselben gegen

den Sohn aufhchen sollt, so wie Ihr ihn gegen den

Vater aufgewiegelt habt.

Ihr werdet schreien, daß

die Freiheit deshalb verloren gehe, weil noch ein Schatten der Gewalt

beim

Könige übrig geblie­

ben. — Das Gleichgewicht in unserm Staate intra majestatem et libertatem, sprach Taszycki, ist

I.

3

34

nichtg. Unsere Herren halten es, und sind gleich­ sam der Ballast in einem Schiffe. — Das ist wahr, unterbrach Stanczyk, nur daß dieser Ballast ans dem Vorder« und nicht auf dem Hintertheile des Schiffes liegt, und was soll man davon erwarten? Das ganze Schiff schlägt bei dem geringsten Sturme um, schleudert die Schuldigen und Unschuldigen in den grundlosen Schlund des Meeres, und dann wird unser Muthwille mit Knechtschaft vergolten. Es ist kein Wunder, sagte Gamrat, daß Stanczyk, der sich an das Hosieben gewöhnte, und mit Ge­ schenken der Könige überhäuft wurde, ein Feind der Freiheit ist. Zm Gegentheile, verfehle Stancznk, ob ich gleich nicht mit einer Bischofsmütze beklei­ det, nicht mit Gnadenbezeigungen überhäuft worden, so bin ich doch ein eiftigerer Beschützer derselben, als Zhr alle seid; ich bin aber ein Feind der Hof­ fart, der Rangsucht und der zügellosen Umtriebe, denn diese werden uns früh oder spät zerstückeln und unsern Nacken unter's Hoch bringen; daher will ich nicht, daß unsere Nachkommen büßen sol­ len, weil wir jetzt übermüthig werben. Dir Wortstreitigkeiten würden noch länger ge­ dauert haben, hätte nicht der Spanier rin Gläs­ chen Malvasier eingeschenkt und die Gesundheit der Damen in Vorschlag gebracht. Wenn es auch bei

35

uns, sagte Zamoyski, nicht üblich ist, beim Frühstück einen Toast auszubringen, so wird doch wohl ein je­ der gern in diesen Vorschlag eingehen. Zch glaubte, daß dieß ein Mittagsmahl wäre, sagte der Spanier lächelnd, obgleich er nur ein wenig Reis mit Milch zu sich genommen hatte. Er saß zwischen Sophien Trnczynska und ihrem Bruder. Die ganze Zeit un­ terhielt er sich mit seiner Nachbarin, welche, weil sie lange Zeit am Hofe der Ktnigin Dona gewesen war, recht fertig italiänisch sprach. Don Guzman di Medina Czeli ergötzte sich sehr an ihren Gesprä­ chen und an ihrem Witze, noch mehr aber an ihrem süßen Lächeln und an den dunkelblauen Augen, die einen ausnehmendm Glanz über die rosigen Wangen verbreiteten. Per Dio Santo, sprach er begeistert zum jungen Tenczynski, beide Kastilien können solche Schönheit, als Eure Schwester ist, nicht aufweisen. Das kann Euch zu nichts nützen, sagte ihm sein Freund, 6 promessa, verlobt. 0 Dio! seufzte Don Ferdinandez Guzman di Medina Czeli. Das Geräusch der vom Tische aufstehenden Gäste unterbrach den Spanier in seinen Entzückungen; eine Flügelthür öffnete sich, alle gingen in einen großen, prächtig geschmückten Saal, wo sich die heute Ge­ feierte, die Frau Wojewodin Trnczynska, von einem Zirkel Edeldamen umgeben, fand. Zeder tret nach 3»

36

der Reihe zu ihr hin, und legte seine Wünsche zu ihren Füßen nieder. Zuerst begann der Bischof mit scherzhaften Glückwünschen. Hierauf der ehrwürdige Großfeldherr Johann Tarnowski in wenigen Worten. — Die Wünsche eines Helden, sagte ihm Frau Tenczynska, sind mir immer die angenehmsten. Nun traten Andere hinzu, Senatoren, ferner Zbigniew Ossolinski, Unterkämmerer von Sandomirien, im Namen der ganzen Wojewodschaft, endlich Prioren, Guardiane des heiligen Franciekus- und Antonius.' Ordens und der Dominikaner Ordensrath. Da diese viele lateinische Brocken in ihre Reden mischten, so wurden sie von der Wojewodin nicht recht verstanden. Der gleichfalls vorgestellte Don Alonzo Guzman di Medina Czeli sagte ihr einige verbind­ liche Worte und küßte ihr die Hand. Nach der geendigten Ceremonie der Glückwün­ sche, gingen Alle nach ihren Zimmern zurück; die Damen, um ihren Puh zum Mittagsmahle und zum Tanze zu ordnen; die Jünglinge, um ihre Rosse, Reitzeug, Dogen und andere Rüstung zu mustern. Die Männer und Greise sammelten sich zu einer gemeinschaftlichen Derathschlagung. Don Alonzo be­ gab sich nach dem Garten, und unter der Wilbung uralter Linden lustwandelnd, versank er in tiefe Ge­ danken.

37 Indessen versammelten sich die ehrwürdigen Dar ter und einige der vornehmeren Hausfreunde in einem, mit Bildnissen der Ahnen des Hauses Tenczynski ausgeschmückten Saale. Als Alle ihre Ptahe eingenommen, begann der alte Wojewode mit folgen­ den Worten: „Hochgeborne Herren, und meine viel­ geliebten Freunde und Brüder! Non esset bono publico idoneum, wenn diese ad colendam hanc festam diem versammelten, erleuchteten Manner blos den Vergnügungen nachgehen, Rem publicam und die Sache libertatis nostrae praeterire voluissent. Es ist Euch bekannt, daß nach Verlauf einer Woche der Landtag einfallt, auf diesen opor­ tet im voraus berathschlagen, und uns gegen alles Ungemach bewaffnen, das dem Staate lediglich we­ gen des schlechten Rathes der Umgebung unsers Herrn, imminent. Es wird wohl auch für Euch kein Geheimniß sein, daß Seine Königliche Maje­ stät die auf eine hinterlistige Weise vollzogene und geheim gehaltene Verbindung für ein gültiges Eher bündniß erklärt; ja noch mehr, diese Frau, als Königin von Polen, mit der Krone der Hedwig zu schmücken beschlossen hat. O pudor, o dolor! Das solltet Zhr erdulden? Ach, ich kann's nicht; hier diese Bildnisse meines uralten Stammes, die uns gleichsam mit finsterm Blicke ansehen, erdul-

38

dm es auch nicht. Sie, sie haben mit ihrer Brust unsere Grenzen gedeckt, mit dem Schwerte sie erweitert, durch offenen und fest entschlossenen Rath unsere Freiheit vertheidigt. — Betrachtet, sagte er, auf des Scibors Bildniß weisend, das sich un­ ter der Zahl der zwölf Wojewoden befand, betrach­ tet diese geharnischten Ritter, die dem Könige Ludwig zwölf Fahnen von schwer bewaffneten Lanzenträgern mitbrachten, betrachtet diesen Zegota, der durch seinen Rath, Einfluß und durch .seine Standhaftigkeit den ersten Zagiello auf dem Throne erhalten hat. Sie rufen uns zu: non patiamini opprobrium tantum. Wie! wir sollen eine dem Range nach uns gleiche Frau in hac sede regali sehen, auf dem nur Kaiser- und Königs-Töchter gesessen haben! Dieser Schimpf ist noch nicht Alles. Ihr sehet schon die Folgen der Verbindung. Die Herren Radziwille, Brüder, Vetter und Verwandten Barbarens, führen überall das Regiment, und erheben sich über Alle. Zhr habt selbst gesehen, wie der Wojewode von Troki, Barbarens Bruder, den Geistlichen Podlodowski, Kapellan der neuer» Königin, zur ersten Bischofs­ stelle im ganzen Lande, nämlich zu der von Kra­ kau, befördert haben würde, wenn ihn nicht die kräftigsten Gegenvorstellungen des Erzbischofs Dzier-

59

zgowski darin gehindert hätten ♦). Dieß war das einzige, was ihnen nicht gelang; übrigens thun sie alles nach ihrem Willen. Wer zu Aemtern, Würden, Besihthümern gelangen will, an wen wendet er sich? Er geht ad fontem oninium bonorum und beugt sein Haupt vor Radziwillen. Nie wird der alte Tenczynski sein Haupt vor ihnen beugen. Ubi nam est aequalilas nostra? Zch bitte Euch also, meine Herren, wer irgend einen Einfluß auf dem Landtage hat, daß er die Gewogenheit habe, meinen Vorschlag zu unterstützen und auf­ recht zu erhalten, damit das erwähnte Ehebündniß Seiner Majestät des Königs mit Barbara Radziwilowna für ungültig erklärt werde, und Seine Majestät der König sich eine andere Gemahlin aus einem Königlichen Geblüte erwähle, weil ich lieber (hiebei sprach er ereifert) den Sultan Soliman in Krakau, als Barbara auf dem polnischen Throne sehen will •) **)." Damit endigte er, und eine lebhafte Rithe trat auf das Gesicht des Greises. Einige Augenblicke herrschte Stillschweigen; man sah, daß der junge •) Geschichtlich. Siehe Gornicki S. 320. Man. Ausg.

••) Geschichtlich.

40

Tenczynsti durch diese Rede betrübt wurde* und daß sein Freund Zamoysti, ihm gleich in Zähren, nur mit Mühe die Lust darauf zu antworten in sich unterdrückte; denn die Zugend hatte in jenen Zeiten vor einem grauen Haupte große Ehrfurcht. Endlich ließ der alte Tarnowfti, Burggraf von Kra­ kau und Kron-Oberfeldherr, sich also vernehmen: „Nicht das erste Mal hören wir aus dem ver­ ehrten Munde des Herrn Wojewoden von Sandomirien fervidum pro libertates nostras zelum. Zhr dürftet Euch nicht ad Imagines Eurer Vorfah­ ren wenden. Euer eignes Leben, ehrwürdiger Wojewode, tarn in toga quam in sago, omnium virtutum insigne nobis praebuit exemplum. (Hier machte der alte Tenczynski mit seinem schneeweißen Haupte eine Verbeugung.) Euer Eifer, sprach Tarnowsti weiter, für den Glanz und Ruhm der erhabenen Krone Polens ist gewiß gerecht. O, utinam voluissent fata, daß Seine Majestät der König, unser Allergnädigster Herr, eine Gemahlin in sGciam vitae dignam praeclarae originis suac gewählt hätte. Aber es hat dem Allerhöchsten an­ ders gefallen. Er schreibt in das Buch der Schick­ sale mit seinem heiligen Finger die Ehen ein; Regalis corona schmückte freilich die Vorfahren unserer jetzigen Frau nicht, aber die wohl eben so glänzen-

41 den Kränze des Patriotismus und der Tapferkeit zierten sie, nec tarn vilis cst Polonae nobilitas sanguis: und da es so ist, da Seine Majestät der König, Unser Allergnädigster Herr, legitimo ductus amore, sein Herz dieser hochverehrten Frau zuge­ wandt hat, so wollen wir uns in die Schickungen Gottes nicht mischen, und den ersten Nektar einer glücklichen Ehe nicht trüben, bibant purpureo ore dulcedines ejus unsere junge Königliche Herrschaft! Auf so viele andere weit wichtigere Dinge, auf so viele unserem Staate wirklich drohende Unglücks­ fälle, sollten wir vielmehr unsere Aufmerksamkeit richten. Eine seither in Europa unbekannte Macht aus Norden bedrohet uns; die Vasallen des Reichs fangen an in der Treue zu wanken, der in vielen Gegenden glückliche Muselmann kann jeden Tag auch gegen uns sein Schwert wenden; der wilde Tartar macht ungestraft in Podolien Einfälle. Sol­ len wir denn so viele Gefahren discordia civili noch vergrößern! Zch bitte also den würdigen Wojewodcn von Sandomiricn seinen Vorschlag auf dem zu eröffnenden Landtage nicht in Erwähnung zu bringen." Kaum hatte der Burggraf von Krakau geendigt, als der Burggraf Zarnowski, ein Hausfreund und Tcnczynski'n persönlich verpflichtet, das Wort ergriff.

42 und die Meinung seines Patrons kräftig unten stützte. Mir sind so viele Beweise von der Weis, heit des Herm Wojewoden von Sandomirien, der in unserem Senate immer hervorleuchtet, bekannt, ihm bin ich sehr beneficio devinctus, daß alles, was er bei Privat t oder bei öffentlichen Berathungen ausspricht, für mich beinahe als Gesetz gilt. Was sollen uns hier die Tartaren, die Türken, der Schrekken aus Norden, adhuc procul sunt a nobis haec mala; aber die Entehrung der Krone durch das um paffende Ehebündniß Seiner Majestät berührt und beleidigt uns hier; das Ansehen der Herren Radziwille, und ihr Einfluß bei Hofe, horret animus! bedrohet die Freiheit. Keiner der Getreuen des Herm Wojewoden von Sandomirien wird es bub den können, daß ein anderer neben der Krone Po,lens mehr gelten soll, als unser Herr Wojewode Tenczynski. Ich vertheidige also fortitcr die Mei­ nung dieses achtungswürdigen Herrn und füge meine Bitte bei, daß man die Türken, Tartaren und an­ dere Staatsangelegenheiten übergehe, und ante omnia in die Instruktionen unserer Abgeordneten dieß auf­ nehme, daß sie nichts anderes berühren, und ja nicht unterlassen sollen, die Aufhebung des erwähnten Ehebündnisses S. K. M. cum omni vehemenlia ac clamore zu betreiben."

43 Als der Burggraf Zarnowski geendigt hatte, ver­ neigte sich der

alte Wojewode und lächelte dabei;

sein Sohn aber sagte ganz leise zu Zamoyski'n: Die­ ser Herr Burggraf gefällt mir nicht sonderlich. —

Wird etwa noch jemand von meinen wcrthgeschätz-

tcn Herren und Brüdern seine Meinung eröffnen wollen? fragte der Wojewode. Hierauf sprachen viele

unter den bejahrten Herren, unter andern auch der Bischof Gamrat und der Wojewode Kmita; da diese aber immer auf zwei Stühlen saßen, so konnte da­

mit sowohl der Wojewode von Sandomirien, als auch Sigmund August zufrieden sein.

Was wird

uns aber unser junge gelehrte Kavalier vortragen? fragte der Wojewode, sich zu Zamoyski'n wendend. „Mit Hochachtung, antwortete Zamoyski, hörte ich

wie diejenigen vor mir sprachen, die des Alters, der

Erfahrung und

Gelehrsamkeit wegen

geschätzt zu

werden verdienen: ich würde mich gewiß nach ihnen

nicht vernehmen lassen; aber von einem ehrwürdi­

gen Senator gefragt, will ich meine Meinung mit der

Offenheit

Manne

darthun,

und einem

die

guten

einem

freidenkenden

Staatsbürger

geziemt.

Zch kann vielleicht als ein noch junger Mann ir­

ren; aber als ein wahrer Pole werde ich nicht feh­

len.

Zwei Gegenstände haben Eure Aufmerksamkeit,

würdige Vater! auf sich

gezogen:

die nicht stan-

44 dcsmäßige Ehe S- K. Majestät und die Gefahren, die unser Vaterland von Seiten der Nachbarn zu bedrohen scheinen. Was das Erste betrifft; hatte S. K. Majestät, bevor Sie das Ehebündniß schlossen, die Rathsherren um ihre Meinung über dieß Vor­ haben gefragt, welcher Pole hatte Ihm nicht eine Gattin aus einem Königlichen Hause zu wählen angerachen! Da aber Seine Majestät der König den Weg, den Ihr das Herz vorschrieb, und nicht den, der Ihrer Würde angemessen und gewöhnlich ist, befolgte, da dieses Bündniß nach Gotte« und nicht nach Menschen-Rechten geschlossen wurde, und da der Allergnädigste Herr dabei mit einer unerschütter­ lichen Standhaftigkeit beharret; so muß man sich lie­ ber in diese Nothwendigkeit fügen, und nicht ver­ langen, daß unter einem freien Volke der König al­ lein die Freiheit nicht haben soll, nach seinem Her­ zen eine Ehegattin zu erwählen. Statt daß wir ihn länger betrüben sollten, wollen wir lieber Deum Optimum Maximum bitten, ut Regem Serenissimum pulchra prole faciat parentem." „Indem wir übergehen, waS nicht mehr abgeänr dert werden kann, wenden wir nun unsere Blicke auf die Gefahren, die abgewendet werden können und müssen. Dadurch wird Polens Ruhm in sei­ nen Grundvestcn nicht erschüttert, baß der König

,45 eine seiner Staatsbürgerinnen zur Gattin erwählt die Weltbeherrschcr, die Cäsaren der Römer, zogen das bürgerliche Blut den Königskronen vor.

Unse­

rem Staate, sage ich, wird gewiß durch diese Ehe kein Schimpf angethan; aber dann zieht sich der­

selbe Schimpf und Schande zu, wenn er zulaßt, daß

die verwegenen Wallachen uns wehrlos und unvor­ bereitet überfallen, daß barbarische Völker dieses Land

der Freiheit betreten und ihre Herden an den Ge­

wässern der Weichsel tränken.

Gegen solche wesent­

liche Gefahren müssen wir uns zeitig bewaffnen. Zch wünsche daher, daß man in den Landtagsinr

struktionen ante omnia anempfehlen möge, die zur

Vertheidigung des Staates nothwendigen Steuern anzuordnen,

die Grenzen gehörig zu besehen, mit

einem Worte, vorzubeugen, ne quid Respublica detrimenti capiat."

Der

Wojewode von

Sandomirien verzog ein

wenig das Gesicht, und der junge Tenczynski, durch obige Rede aufgemuntert, sagte: „Die heilbringende

Meinung des Herrn Starosten von Krasnostaw und

meines Freundes..." — „Herr Johann, unterbrach ihn sein ehrwürdiger Vater, Zhr seid noch zu jung,

Zhr seid lange nicht mit uns beisammen gewesen, sehet erst zu, ehe Zhr zu rathen versuchet."

Der musterhafte und dem Vater mit aller Ach-

46 tung begegnende Sohn, setzte sich wieder hin und schwieg. Der alte Wojewode sprach weiter also: „Zch wollte in der jetzigen Versammlung Zhre Meiitung exquirere; nil conclusum daraus ziehen, dieß wird noch von unsern Brüdern, den Edelleuten, ab­ hangen, sie werden sich in einigen Tagen zu dem Landtage versammeln. Unsere Sache wird es sein, ihnen unsere Meinung zu eriffnen, und die ihrige, sie anzunehmen oder zu verwerfen." Hierauf sah er sich nach den hinter ihm stehenden Kammerdie­ nern um, und diese rückten sogleich seinen Sessel vom Tische ab. Die Andern standen auch auf, und so wurde die Rathsversammlung beschlossen.

47

Drittes Kapitel. Ein jeder ging nun dahin, wo es ihm am be­

sten schien.

Peter Kmita begab sich, nachdem er

den Bischof Gamrat unter den Arm gefaßt, nach dem Garten, daselbst begannen sie unter den schatti­

gen Bäumen lustwandelnd folgendes Gespräch. Zch

kann Euch nicht genug gratulari, sagte Gamrat, zu

der Gewandtheit cum quali acumine et ingenio, Zhr Eure Meinung bei der heutigen Berathung

einhülltet; ich bin fest überzeugt, daß der alte Wojewode mit derselben zuftieden ist, und der Herr Tarnowski wird gewiß dem Kinige die Nachricht

überbringen, daß Zhr für ihn gesprochen habt. —

Nicht weniger plena magnae dexteritatis war auch Euer Hochwürden Rede, antwortete Kmita, wir wollen uns aber nicht schmeicheln, daß der alte Herr Tarnowski von uns dem Kinige rin gutes Zeugniß überbringen soll.

Er sagt,

daß er uns

kenne, und wahrscheinlich irret er sich nicht.

Wir

haben wahrlich den Weg intra Scyllam et Charyb-

dim; von einer Seite ist es nicht gut, den facultatem distributivam besitzenden Herrn zu beleidigen.

48 von der andern Seite zwingen mich wichtige Fami­

lienangelegenheiten benevolentiam des Herrn Ten-

czynski für mich zu gewinnen. — Zch errathe es, un­

terbrach ihn der Bischof, ich wette, daß Euch wohl die Verbindung Eurer Schwestertochtcr mit dem

jungen Herrn Tcnczynski vorschwebt, und daß die­ ses junge Paar schon in Eurem Kopfe tanzt.

Zch sehe, daß Eurem tief durchdringenden Blicke

nichts entgehen kann, antwortete Kmita, und Zhr werdet selbst gestehen, daß dieß ein gutes Projekt

ist.

Zch bitte Euch, mir dabei bchülflich zu fein.

— Zch ersuche Euch auch um

gütige Fürsprache

in arduo negotio, versetzte Gamrat; es ist Euch

bekannt,

daß die Primaswürde vacant geworden.

Die Königin

Bona hatt« noch beim Hochseligen

Könige ausgewirkt, daß diese erste Würde im Kö­ nigreiche keinem Andern als mir zu Theil werden sollte.

Der junge König will zwar das vom Va­

ter gegebene Wort halten, aber er verlangt, daß ich

dagegen das

ungleich einträglichere Disthum von

Krakau niederlegen soll; ich möchte aber gern bei­ des haben. Hie labor, hie opus. Die früheren Ver­

pflichtungen gegen die Königliche Mutter nöthigen mich, wider die ihr verhaßte Ehe mit Barbara zu sein; die Desorgniß aber, mir den Unwillen des Kö­ nigs zuzuzirhen, und dadurch die Primaswürde oder das

49 das Bisthum von Krakau zu verlieren, beunruhiget mich und macht mich verlegen. Horret animus, wenn ich über ein so schwieriges dilemma nachdenke.

Jedoch sehe ich computatis, computandis, daß das alte Weib (die Königin Bona) nicht viel zu sagen

hat, und demnach Lst's wohl sicherer, es mit dem Könige zu halten. Indem er diese Worte endigte, hätte er beinahe an der Ecke der Lindenallee mit seinem Bauche den von der entgegengesetzten Seite kommenden Spanier

Don Alonzo Guzman di Medina Czeli umgeworfen. Dieser ging nämlich nachdenkend vor sich hin, und zeichnete etwas mit der Bleifeder aufs Pcu

pier.

Der Spanier taumelte, gewann aber bald

wieder das Gleichgewicht, erholte sich und sagte: Schiavo di Vostri Eccelenzi EccclentissimL, indem er sich vor den beiden Senatoren tief verneigte. Der Bischof Gamrat ließ sich sogleich mit dem

Spanier in ein italiänisches Gespräch ein, indem er sich nach den spanischen, zur Zeit seines Aufenu Haltes in Rom ihm bekannt gewördcnen, Kardinälen erkundigte.

Dieses Gespräch hätte lange ger

dauert, wäre nicht Trompetenschall, der das bereu tete Mittagsmahl verkündete, gehört worden. Zru

dem sie dem Schlosse zueilten, erblickten sie die

Hofsoldaten, welche ungeheure silberne Schüsseln auf I. 4

so den Tisch trugen.

Die geräumigen Zimmer war

ren mit Gasten und Hausfreunden schlechts angefüllt.

beiderlei Ge­

Der Wvjewode von Sandomi-

rien wurde auf einem Sessel mit Radern hereinge-

bracht, bald erschien auch die Wojewodin mit ihren Don Alonzo warf einen schüchternen

Töchtern.

Blick auf das Fräulein Tenczynfka, aber sogleich

ließ er ihn wieder sinken.

Das Gemurmel der

conversirenden Gaste hatte sich schon eine Weile durch

den

Truchseß

Saal verbreitet,

als

Herr

Kolyska,

von Owruck und zugleich Hofmarschall

des Wojewoden von Sandomirien, meldete, daß die

Tafel servirt wäre.

Range.

Nun ging Zeder nach dem

Als die Versammlung sich schon im Saale

befand, brachten die Kammerdiener goldene Gefäße

und reichten sie den vornehmsten Gästen zum Hän­ dewaschen hin.

Die Handtücher hatten mit Gold,

Silber und Seide gestickte Borden.

Die Wojewo­

din nahm ihren Platz zwischen dem Bischöfe von Krakau

und

dem

Oberfeldherrn

Tarnowski

ein,

und der Wvjewode zwischen der Gemahlin Kmitas

und der Frau Firleiowa.

Der Spanier gab sich

alle Mühe, wieder zur Seite des Fräulein Tenczynska zu kommen.

Sobald alle ihre Sitze einge­

nommen, erschollen sogleich von einer hohen Galle-

rie Trompeten und Pauken.

Zugleich

sah man

51 Herrn Allegro die Hand ausheben, um dem Or­ chester ein Zeichen zu geben. Schmetternd ertönte eine geräuschvolle Symphonie, nach ihr fing ein Singcchor ausgewahlte Stücke vorzuttagen an. Man hob von den Schüsseln große, rund erhabene silberne Deckel ab: sehr mannichfaltige Arten von Gerichten fingen an zu dampfen, und den Geruch von ver­ schiedenen Gewürzen, hauptsächlich von Saffran, im Saale zu verbreiten. Der Marschall, die Transchircr zerlegten und cheilten aus. Wir wollen uns bei der Beschreibung verschiedener Suppen, un­ zähliger Pasteten und anderer Gerichte, Fasanen, Pfauen, großer Hirsch- und Elend-Braten, der Marzipan-Stücke, und ungeheuer großer Pyramiden von Zucker u. dergl., nicht aufhalten. Man unter­ ließ auch nicht, dem Großfeldherrn einen Füllenbratcn vorzusetzen. Der Spanier kostete denselben und fand ihn ganz vortrefflich. Gegen die Mitte der Mahlzeit schenkte der Wojewode von Sandomiricn in einen goldenen, mit Rubinen besetzten, Pokal Malvasier ein, und trans die Gesundheit Sacrae Regiae Majestatis, ferner prosperitas Reipublicae. Alle stimmten diesem Toast unter dem Donner der Kanonen bei. Später wurden noch mehrere Ge­ sundheiten der anwesenden vornehmeren Gäste, der ganzen Familie des Hauses, und Anderer ausgc4 *

52 bracht.

Der Spanier wunderte sich sehr, daß so

viel Getränk in den Menschen Raum finden konnte; noch mehr hatte er vielleicht darüber erstaunen müs-

sen, wenn er weniger von den Gesprächen und Reizen seiner schönen Nachbarin ergriffen wordm wäre,

die, nicht ahnend, welche Gefühle sie in dem glühenden

Herzen des Jünglings aus Süden entflammt hatte, an

seiner feurigen Unterhaltung Wohlgefallen sand. Ein nicht weniger interessantes Paar saß gegenüber. Der Wojewode Kmita, ganz mit dem Projekte

beschäftigt, Fraulein Stadnicka, seine Schwestertochter, mit dem jungen Herrn Tenczynski zu vermählen,

wies ihr den Platz neben ihm an.

Sie war eine

Dame von mittlerer Größe und schönem Wuchs; ihr Gesicht weiß und rund, den kleinen Mund füllten

schöne Alabastcrzähne; die Lebhaftigkeit ihrer großen dunkelblauen Augen wurde von schwarzen Augen­ brauen ein wenig verhüllt, dabei war sie fröhlich

und

witzig, und

eincte Anmuth mit Scharfsinn.

Nach einer ziemlich langen Unterhaltung über gleich­

gültige Gegenstände, sagte Fräulein Stadnicka 511

ihrem Nachbar: Dieses so zahlreiche und geräusch­ volle Gastmahl, dieser Ueberfluß an unseren schwe­

ren sarmatischen Gerichten, muß dem, der an spa­

nische Delicatesse und Galanterie gewöhnt ist, sehr wundersam vorkommen.

53 Da ich von einem viel näheren Gegenstände an; gezogen werde, achte ich weniger auf die entfernte­

ren. —

Solche Höflichkeit konnte ich von einem

Zöglinge

der

südlichen

Galanterie

erwarten.



Nicht der erhaltene Unterricht, sondern der Anblick der Person,

brachte

diese meine Antwort hervor,

und es ist nicht meine Schuld, wenn die Wahrheit

für Höflichkeit gehalten wird. Es kommt immer besser, immer besser.

Ich sehe,

daß es vergeblich wäre, in feiner und schmeichelhaf­ ter Unterhaltung mit Euch zu wetteifern; wir wol­

len daher annehmen, Zhr hättet nun alles gesagt,

was ein junger Kavalier einer neben ihm sitzenden jungen Dame zu sagen für seine Schuldigkeit halt, und ich habe auf diese Artigkeiten mit dem Unglau­

ben und mit der Bescheidenheit geantwortet, die ein junges Frauenzimmer in ähnlichen Fällen für uner­

läßlich hält.

Wenn wir beide dieß annehmen, wo­

durch viel leere Worte erspart werden, so wollen wir uns, obgleich wir noch jung sind, wie gesetzte Leute unterhalten,

und unsere Aufmerksamkeit auf

das richten, was einem Neuangekommenen, der bei

Staatsangelegenheiten einigen von Nutzen sein kann.

Einfluß

der Bischof seine Höflichkeiten

zwischen

haben

soll,

Bemerket Zhr wohl, wie und

seine

Reden

dem Wirth und dem Oberfeldherrn Tar-

54 nowski theilt

sehet Zhr wohl, wie er mit Einem

Pokale für Beide Gesundheiten ausbringk, und wie

er die Worte zählt, um nicht zu dem Einen mehr zu reden, als zu dem Andern? Das ist ein Kenn-

Zeichen des Hofmannes, sagte Tenczynski. — Ich bitte um Verzeihung, es ist ein Zeichen der feinen Politik, ein Beweis, daß der Bischof es mit beiden Theilen hält.

Er will sich sowohl die Gunst des

Wirthes erhalten, der wider die Heirath des Kö>

nigs ist, als auch die Freundschaft des Oberfeld-

Herrn, der der Meinung ist, daß man dem Könige nicht zu nahe ttetcn, vielmehr

die Gedanken auf

das öffentliche Wohl richten soll.

Es wundert mich

sehr, erwiederte Tenczynski, daß die Männer, die

ganz entgegengesetzter Meinung sind, nicht einander meiden, sondern im Gcgenthsil gern zusammenkomr

Dieß

men.

ist

unserer Regierung

und unserm

Charakter eigenthümlich, antwortete die schöne Nach­ barin; selten erreicht öffentlicher Hader die höchste Stufe, ein jeder läßt sich ein Pförtchen zur Aus­

söhnung

offen.

Wie

viele öffentliche Entzweiun­

gen sind nicht ausgcsihnt worden durch geschloffene Ehen; durch erhaltene Gnaden bei Hofe, vermittelst derer, die dort Zuttitt haben; durch Unterstützung

gegen

einen Mächtigeren

beim Glase Wein, und

selbst durch den zur Mode gewordenen Glauben, daß

55

dir Gestirne Einfluß auf die geringen irdischen An­ gelegenheiten haben!... ES scheint mir, unterbrach Tenezynski, daß in diesem so leichten Wechsel der Meinungen ein für unsere Nation keineSwrges löb­ licher Leichtsinn liegt. DaS kann zum Theil wahr fein, versetzte Fräulein Stadnicka, es ist aber mehr die Folge unserer Regierung, denn wenn man et­ was durchsehen will, so muß man Viele für sich ha­ ben, es ist also kein Wunder, daß Einer mit dem Andern schonend umgeht, und sich nicht von einem unversihnbaren Zorne hinreißm läßt; daher sieht man zwar bei uns oftmals Wolken und Donner, aber selten Blitze und Stürme. Bewachtet die hier Versammelten, die sich das Essen und Trinken wohl schmecken lassen; bringe man sie nur zu einer öffent­ lichen Berathung zusammen, so wird man sehen, wie sie schreien und über einander hersallcn; warte man aber das Ungewitter ab, und wende Vertrau­ lichkeit und Freundschaft an, so wird man leicht die tobenden Fluchen besänftigen. Eine so gründliche KennMiß der Verhältnisse und Menschen in einer noch so jugendlichen Person setzt mich in Erstaunen, sprach Tenczynsti; es ist zu sehen, daß Zhr im Hanse eines Senators von sehr großem Ansehen, in Angelegenheiten des Königrei­ ches, erzogen worden seid. Euer Erstaunen wun-

56 dert mich nicht, versetzte Stadnicka, ich weiß, daß Euer Geschlecht dem unsrigen wenig Aufmerksamkeit zutraut, und daß Ihr glaubt, wir seien geschaffen,

um anzusehen, zu seufzen oder zu

lächeln.

So

würde es vielleicht wirklich sein, wenn ich in einem

andern Lande geboren wäre; aber so wie die Sonne

eben sowohl himmelanstrebende Eichen, als das nie­ drige Veilchen beleuchtet, so thut es auch die Erzie­

hung: die Regierungsform, die öffentliche Wohlfahrt

und Freiheit, müssen auch auf das weibliche Ge­ müth Einfluß haben.

Schon in meinen frühesten

Jahren, beim Spiel, bei Tische, beim Stickrahmen, habe ich in meinem Kopfe alle Gespräche der El­

tern, wenn sie auch nicht im geringsten vermuthe­ ten, daß ich darauf hörte, wohl geordnet.

Was

Ihr jetzt bemerket, ist nichts Seltenes: ein Geist, der gern nachdcnkt, kann jedes Wort für sich be­ nutzen.

Za wahrlich, Ihr habt auch alles

schön benutzt, sagte Tenczynski.

sehr

Welch ein Unter­

schied ist es, sich mit einer Polin zu unterhalten

und mit einer Dame aus dem Süden!... Wieder Komplimente, fiel Stadnicka ein; brechet unsern vor­

hin geschlossenen Vergleich nicht, wir haben uns zu weit in ernsthafte Betrachtungen eingelassen.

Das

Gespräch des gegenüber sitzenden Fräuleins Tenczynska. Eurer Schwester, mit dem Spanier muß viel

57 unterhaltender sein.

Mein Gefährte, sagte Tenczyn-

ski, hat sich in seiner lebhaften Einbildungskraft aus

Kastilien in unsere kalte Eiszone versetzt.' Er kennt unsere Sitten nicht, er glaubt, daß die spanische

Galanterie auch

bei uns Sitte ist, ich muß ihn

bald aus seinem Irrthum ziehen, denn es ist nichts

trauriger, als wenn man von einem Frauenzimmer,

das einem Andern schon bestimmt ist, eingenom­ men wird.

Hierauf erfolgte unter Pause.

den Sprechenden eine

Fräulein Stadnicka war die ^rste, welche

die Pause unterbrach.

Ich sehe gern Hnch so nach­

denken, sagte sie. — Wahrscheinlich befinde ich mich in derselben Lage, in welcher mein Spanier sich

auch befindet. — Die

schöne Nachbarin schwieg.

Euer Schweigen, sagte Tenczynski, deutet an, daß ich mich in meiner Muthmaßung

nicht irre. —

Obgleich unsere Bekanntschaft noch zu neu ist, als daß ich Euch. zu meinem Vertrauten machen sollte, so nöthigen mich der Charakter des Nitterstandes,

den Ihr so ruhmvoll einnehmet, Eure Denkart,

und endlich auch meine Offenherzigkeit, daß ich mich Euch, ohne Bedenken, anvertraue.

Errathet Ihr

wohl, sprach sie weiter, warum man mich neben

Euch gesetzt hat? — Zch kann gegen den Herrn

Wojewoden vott Krakau nur Dankbarkeit empfin-

58 den, baß er mich mit solcher Auszeichnung beehrte,

mir eine so angenehme und steundschastliche Gesell­ schaft zu verschaffen.

Mein Onkel, sprach Stad-

nicka, einer der vermögendsten Herren im König­

reiche, hat mich und meine Schwester, in Erman­ gelung der Nachkommen aus beiden Ehen, als Er­

ben eingesetzt, und wie es bei den Magnaten zu geschehen pflegt, will er uns mit Mannern, die dem

Range nach höher, dem Vermögen nach uns wenig­ stens gleich stehen, verbunden sehen; aber weil er bei

seinem Projekt mein Herz nicht um Rath fragte.... Dieses Hech, fügte Tenezynfli hinzu, gehört schon einem Andern? Zhr habt mir das Gestandniß er­

spart, antwortete Fräulein Stadnicka, welches einem Frauenzimmer immer Erröthen kostet.

Zch hoffe,

daß mein Geheimniß bei Euch recht gut aufbewahrt

sein wird, nur dieß muß ich noch hinzufügen, daß

mein Onkel davon gar nichts weiß, und

obgleich

sich der Gegenstand meiner Liebe Vielen weder an

Vermögen, noch an Ansehen gleich stellen kann, so steht er doch in Tugenden und in Tapferkeit keinem nach.

Zhr werdet Euch an dem mir geschenkten

Vertrauen nicht irren, sagte Tenczynski, und ich be­ neide den, der einer so vorzüglichen Dame zu gefal­

len wußte; ich

werde jedoch glücklich sein, wenn

Eure Wünsche gekrönt werden.

59 Nichts schmeichelt einem guten Herzen mehr,

nichts berührt es lebhafter, als der unläugbare Be­ weis der Achtung, nämlich das Zutrauen.

Ten-

czynski genoß ihn, und das Wohlgefallen, welches er an dem Geiste und an der Offenherzigkeit sei­

ner schönen Nachbarin empfand, verwandelte sich in eine achtungsvolle Zuneigung.

Ihre Unterhaltung

dauerte lange, wenn man ihre beiderseitige Anmuth in Anschlag bringt, die man unter Personen eines

Geschlechts vergeblich suchen würde.

Gegen das Ende der Mahlzeit winkte der Wojewode von Sandomirien seinem Sohne zu, ihm zu

folgen, und sogleich gab er den Befehl, ihn vom Tische wegzurücken und nach dem gegenüber liegen­ den größeren Saale hinzubringen, wo einige Hun­ dert mehr oder weniger bemittelte Edelleute an den

nach der Form eines Hufeisens gestellten Tischen speisten.

Wojewode

Zn der Mitte dieses Tisches blieb der

stehen, ließ sich ein Glas Ungarwein

reichen, und sagte, indem er dieses in die Höhe hob: Auf die Gesundheit meiner Herren und Brü­

der ; vivat ad aeternum das polnische Adelblut, dem nil sub sole gleichet!

Sogleich erschollen Trompe­

ten und Pauken, und dreimal wurden Kanonen ge­

löst.

Mit seinen beiden breiten Narben auf dem

Kopfe erhob sich jetzt der schon bejahrte Herr Za-

60

wisza, ein angesehener Husaren-Offizier. Stimmet mir bei, meine Herren, sagte er; und indem er ei­ nen großen mit Wein gefüllten Pokal, der die Form eines Barenkopfes hatte, in die Höhe hielt, rief er aus: Vivat praesidium et dulce decus nostrum, Seine Excellenz der Herr Wojewode von SandoMirien, heroum progenies ac ipse heros! Hier wurden auf einmal einige Hundert Becher in die Höhe gehoben und unter Zubelgeschrei geleert. Zu­ dem der Wojewode seinen herzlichsten Dank aus­ drückte, nahm er seinen Sohn an die Hand, stellte ihn Allen vor und sagte: Zch bitte Euch alle, meine Herren, diesen meinen Sohn eben mit derselben Liebe und Zuneigung beehren zu wollen, womit ich immer von Euch beehrt worden bin; er wird sich gewiß immer bemühen Eure Herzen und Gewogen­ heit zu gewinnen. Trinke auch Du, Johann, die Gesundheit Deiner Brüder, sagte Tenczynski zu sei­ nem Sohne. Der junge Tenczynski trank, und Zawisza schenkte wieder einen großen Pokal voll, und rief aus: Fortes creantur fortibus et bonis; vivat der Herr Wojewodziz! *) und wieder wur­ den unter Freudengeschrei die Becher geleert. Iterum atque iterum gralias ago, sprach der Woje-

61 wode, daß Ihr meinem Blute gewogen seid; hiebei

bitte ich Euch zugleich, meine Herren, um fernere brüderliche Gewogenheit aus dem kommenden Land­

tage, wo ich Euch res magni ponderis circa bo-

num publicum palam faciam.

Viritim werden wir

alle erscheinen, rief die schon berauschte Menge aus,

und was unser Wojewode befehlen wird, dem wol­

len wir alle beipflichten!

Noch einmal machte der

Wojewode seine Verbeugung und

ließ sich wieder

Als er hinaus gegan­

an seinen Tisch hinbringen.

gen war, setzte man am grauen Ende *) unter an­

dern

auch

einen mit Zwiebeln

reichlich

gespickten

Braten hin; sogleich fielen einige Adelsbrüder über

denselben her, als sie aber kaum einige Bissen hin­

untergeschluckt hatten, hörte man plötzlich Jagdhör­ nergetön,

Peitschen-Knallen

Gelächter erfolgte.

und

ein allgemeines

Nur denen, die diesen Brauch

nicht kennen, dürfte man's wohl erklären, was dieß zu bedeuten hatte; diejenigen aber, die der fröhlichen

Scherze unserer Vorfahren eingedenk sind, werden sogleich errathen, daß jenes Blasen anzeigen sollte,

daß der vorgesetzte Braten ein Wolssbraten ein gewöhnlicher

Scherz

unserer früheren

war:

Spaß­

macher. *) Deshalb so genannt, weil an diesem Ende der kleine Adel saß, der in graue Röcke gekleidet war.

62 Das Mahl nm herrschaftlichen Tische war be­ endigt; man kehrte nach dem Seitensaale zurück. Zu der Zeit kannte man weder Kaffee noch Liqueure; aber unter einigen aufgeregten Geistern kreisten die Decher noch herum. Die Zünglinge hingegen be­ gaben sich nach dem Schloßplätze. Tenczynski raunte dem Spanier einige Worte zu, und dieser entfernte sich mit ihm zugleich. Auf einmal wurde seine Schwester gewahr, daß ihr an einem Aermel eine himmelblaue Kokarde fehle; sie ging sich eine andere zu holen, und dabei erblickte sie die versammelten Jünglinge mit Dogen, ferner aufgesteckte Ringe und Scheiben. Von diesem Anblicke überrascht, rief sie ihre Gefährtinnen zusammen, und alle ver­ sammelten sich auf einer Gallerte. Das Bogenschie­ ßen begann. Die Jünglinge, welche sich in dieser Kunst übten, hatten auf dem Daumen große silberne Ringe, damit die zu spannende Sehne nicht die Haut verletzte. Einige Dogen waren so groß, daß man Hinknieen mußte, um sie zu spannen. Die stärksten Pfeile durchbohrten die Scheibe, mit den kleineren Bogen wurde nach den Ringen geschossen; die Pfeile derselben flogen pfeifend durch diese hin, oft blieben sie mit den aufgekraustrn Federn in den engen Rin­ gen stecken. Einige Zünglinge trafen so gut, daß sie die schnell fliegenden Schwalben aus der Luft her-

63

unterholten. Hierauf folgte das Pistolenschießen, wobei eben solche Geschicklichkeit bewiesen wurde, wie vorher. Eben verließen die munteren Zünglinge, nach beendeten Uebungen, den Platz, als die Schranken geöffnet wurden. Man Hirte Trompeten erschallen, und in diesem Augenblicke erschienen vier Ritter in Turnierrüstung, mit Lanzen in der Hand. Es war der junge Tenczynski, unser Spanier, Podlodowski und Gorka. Behend und mit Anmuth ritten sie in den Schranken herum, und als sie an der Gallerie vorbeikamen, senkte Zeder von ihnen seine Lanze zur Ehr« der Damen. Nicht gering war das Erstaunen des Fräuleins Tenczynska, als sie beim Spar nier an der Spitze des Helmes ihre blaue Kokarde erblickte. Der narrische Spanier! jagte sie leis« ihrer Schwester in's Ohr, was muß der im Kopfe haben! Sage ihm doch, daß er diese Kindereien unr terlassen möge. Unterdessen stürzten die Ritter im raschen Lauf auf einander los, und brachen mit sel­ tener Geschicklichkeit die Lanzen an ihren Schildern. Nachdem sie sich Mann gegen Mann vertheiltrn, stießen Tenczynski und Gorka mit gleicher Geschick­ lichkeit zusammen, ohne jedoch einer dem andern Vortheil abzugewinnm. Der Spanier hob den Schild mit beiden Händen auf, und nachdem er

64

seine Blicke zu der Gallerie gewendet, spornte er sein Roß, stürzte auf Podlodowski los, und stieß so heftig gegen ihn, daß der beim Schmause Berauschte vom Pferde herabglitt und auf die Erde fiel. Don Alonzo, stolz auf seinen Sieg, setzte ihm schon den Fuß auf die Brust und wollte ihm die Rüstung ab­ reißen. Da springt Podlodowski auf und zieht sein Schwert. Gorka kam herbeigesprengt, und rief: Das Schwert zu ziehen, wäre wider unsere Verab­ redung; es wurde nur ein leichtes Ringrennen und Lanzenbrechen verabredet. Euer Schwanken, Herr Podlodowski, ist nur zufällig, und macht Euch keine Schande; erlaubt mir mit Eurem Gegner zusammenzutreffcn! Volonticri, versetzte Don Alonzo di Medina Czcli, und somit standen sie schon an den beiden Enden der Schranken. Auf ein gegebenes Zeichen, ließ der hagere und behende Spanier sei­ nem Rosse die Zügel schießen, stieß an das unge­ heure Schild Gorka's, und die Lanze zersplitterte mit Krachen in hundert Stücke; indem er aber sei­ nem Gegner ausweicht, wirst Gorka seine Lanze weg, faßt den Spanier oben an die Rüstung, hebt ihn mit seinem kräftigen Arme aus dem Sattel, und setzt ihn langsam auf die Erde hin. Dieser Beweis seiner Stärke und Geschicklichkeit erwarb ihm allgemeines Beifallklatschen. Der junge Tcm czynski

65 czynski eilt herbei, bezeigt Gorka'n und dem Spa­ nier durch Händedruck seine Freude, und wünscht Beiden Glück zu einem so schönen Kampf; und als der Spanier das Rennen noch einmal zu eröffnen

begehrte, gab der Wojewode ein Zeichen, daß das

Lanzenbrechen nun beendet sei.

Hierauf rief er den

Spanier und Gorka'n zu sich und überreichte je­

dem einen goldenen Becher als Belohnung.

Zetzt

sich auch die Sonne hinter die dunklen

verbarg

Walder, hinter die Berge von Czerni, und vergol­ dete mit ihren schräg blitzenden Strahlen die Zin­

nen des Tempels und des Klosters der dortigen Einsiedler; die Abendröthe verbreitete ehren Purpur­

glanz und verblich langsam in

ein sanftes Blau.

Der Himmel war mit Millionen flimmernder Sterne

besäet.

Die Burg Tenczyn stand in voller Beleuch­

tung da.

Hier und da sah man durch die mit Flor

verhangenen Fenster manche Schöne ihre Toilette endigen, den Kopf und Busen mit duftenden Blu­

men

schmücken.

Bald nahm auch die Zahl der

in dem Saale sich versammelnden Gäste zu; schon hörte man das Stimmen der Instrumente.

Die

Kleidcrpracht der Kavaliere und Damen erweckte Staunen und Entzücken. Don Alonzo trug ein weiß­

seidenes spanisches Gewand, einen sammetenen mit Silber gestickten Mantel, eine breite aus Braban-

I.

5

66 ter Kanten verfertigte Krause umzog seinen Hals, auf dem schwarzen umgekrämpten Hute wehten Strauß­ federn, die von einer diamantenen Schleife zusammen­ gehalten wurden. Sein schlanker Wuchs, das brü­ nette Gesicht, große, schwarze, durch lange Wimpern etwas verdunkelte Augen und seine sehr schönen wei­ ßen Zahne, verschafften ihm ein angenehmes und anmuthiges Wesen. Viele Augen waren auf ihn gerichtet, nur die nicht, die er hauptsächlich auf sich zu richten wünschte. Diese Gleichgültigkeit verbrei­ tete auf seinem Gesichte eine wehmüthige Düsterheit, die gefährlicher zu sein schien, als eine zerstreute Fröhlichkeit. Die Musik fing rauschend an. Zuerst stellten sich die ehrwürdigen Senatoren und Matronen, diesen folgten die jungm Leute; der Tanz be­ gann, und jedes vorübergehende Paar hielt beim al­ ten, aus dem Stuhle neben seiner Gemahlin sitzen­ den Wojewoden an, und machte ihm eine Verbeu­ gung. Dieser Tanz dauerte ziemlich lange; weil der Spanier ihn nicht kannte, gettaute er sich nicht sich in denselben einzulassen, und sah Tomicki, der mit dem Fräulein Sophie tanzte, mit neidischem Auge an. Als sich zum zweiten Mal ein Kreis bildete, wagte der Spanier sich Sophien zu nähern und sie zum Tanze aufzufordern, aber sie war schon mit Maciejowski, dem Brudrrsfohn« de» Bischofs, verr

67 sprechen.

Nicht mit sonderlicher Lust, forderte er

das neben ihr stehende Fraulein Stadnicka auf, die

Schwestertochter des Wojewoden Kmita.

Ob sie

gleich, ihrer Anmuth, ihrer Lebhaftigkeit, ihrer Hei­

terkeit und ihres Witzes wegen, zu den dort ver­

sammelten ersten Schönheiten gezahlt werden konnte, so war jedoch das schon eingenommene Herz des

Spaniers weniger aufmerksam auf so viele Vorzüge und Reize.

Er war zwar artig, bemühete sich aber

nicht zu gefallen.

Unser Tanz muß einem Südlän­

der gar zu langsam vorkommen, sagte das Fraulein Stadnicka. Er ist gravitätisch, antwortete der Spa­ nier.

Sind denn hier keine anderen Tänze üblich?

O ja, sagte Fräulein Stadnicka, Zhr wisset doch,

daß die Mutter unserer verwittweten Königin eine Spanierin war, ihre Tochter, die Königin Bona, führte bei uns den Tanz famlango i Volero ein;

viele unserer Damen tanzen denselben.

Und die

Verlobten? fragte Don Atonzo. ... Diese tanzen

nur Polonaise.

Der Spanier schwieg. — Nach

einer Pause sagte sie zu ihm: Vielleicht würdet Zhr

gern Euren Nationaltanz

aufführen wollen, und

wenn es beliebt, so würde ich dienen.

Die Artig­

keit, oder auch die Lust sich hierin zu produciren,

erlaubten ihm. nicht dieses Anerbieten abzuschlagen.

Nach der Beendigung der Polonaise ging Frau5 *

68 (ein Stadnicka zu ihrer Tante, der Wojewodin Knw towa, hin, und bat sie um Erlaubniß, mit dem Spar nier Volero zu tanzen. Recht gern, antwortete die ehrwürdige Matrone, und küßte ihr die Stirn, nur nimm Dich in Acht, daß Du Dich nicht zu sehr erhitzest. Zch werde nicht, liebes Tantchen, und mit zwei Pas, die sie mit ihren niedlichen Füßen machte, war sie am andern Ende des Saales. Der Spa/ niet eilte auch, um seine Stellung einzunehmen. Herr Kapellmeister Allegro fing nun mit Degleir tung der Bratsche und des Fagotts den Volero zu spielen an. Das muntere Paar tanzte mit Leichtigr feit und einer Grazie, durch welche es Aller Augen auf sich zog. Nur der alte Offizier Zawisza strich seinen grauen Schnurrbart, und sagte: Was doch die Deutschen nicht alles ersinnen! Der Ball dauerte bis um Mitternacht, und würde vielleicht noch langer gewahrt haben, wäre nicht Stanczyk, als er sah, daß der greisige Wirth ermüdet war, und daß der Schlaf auch die Wojer wodin an seine Rechte mahnte, in die Mitte des Saales getreten, und hatte, seine Mütze abnehmend, gesagt: Gute Nacht, alle meine Herren und Damen. Tanzet noch länger, wenn Zhr wollt, ich aber will, auf meine Schönheit wohlbedacht, morgen keine blauen Ränder unter den Augen haben, nicht blaß ausser

69 hen, nicht gähnen, noch wie ein ausgewässerter Hä­ Zch empfehle mich Euch.

ring aussehen.

Verstand hat, thut so wie ich thue.

Wer

Stanczyk hat

Recht, sagte der Wojewode lächelnd, ich folge sei­

nem

Rathe.

Hierauf ließ

Schlafzimmer hinbringen.

er

sich nach

seinem

Diesem Beispiele folgte

die Wojewodin, ein Gleiches thaten auch die Uebrigen. Die Lichter verschwanden allmählig im Schlosse, die Musik tönte aber noch immer in den Ohren der

jungen Leute, denn sobald ließ sich das schnell flie­ ßende Blut in ihren Adern nicht durch einen süßen

Endlich versank alles in tiefe

Schlaf beruhigen. Ruhe.

Nack so lautem Gewühl erfolgte ein stum­

mes Schweigen:

nur die Schloßglocke unterbrach

es, als sie die zweite Stunde nach Mitternacht

verkündete.

Keiner

von den Gästen hörte diese

Stunde, außer Don Atonzo Guzman di Medina

Czeli.

Herz

Zu tief war das Bild Sophiens in sein gedrungen,

in

seiner

entflammten

Phan­

tasie hatte er sie immer vor sich gehabt, fruchtlos hatte der Schlaf ihn mit seinen Flügeln sanft um­

fächelt.

Lange ging er, bald mit schnellen, bald mit

langsamen Schritten, in seinem Gemache umher, als er endlich seine Unruhe nicht mindern konnte, nahm er die Guitarre, ging hinaus und stellte sich unter

70 das Fenster der von ihm angebeteten Schönheit. Süße Ruhe herrschte in der ganzen Natur; wohin er seine Blicke wendete, war alles in nächtlichen Schlummer versunken. Zeder genoß der Ruhe und vergaß des Tages-Kummers und Sorgen; der Reiche und der Arme, der Einsiedler in Czerni auf seiner harten Haardecke, und die lilienweiße Jungfrau auf ihrem Pflaum. Zerstreute Sterne funkelten am Him­ mel; die Berge von Czerni warfen ihre Schatten in einer langen Reihe, und verdoppelten den Glanz des Mondes, der sich in den klaren Gewässern spiegelte; mit erquickendem Duft füllten Pomeranzenbaume und Zasminensträuche die Luft. Lange labte sich der Züngling an diesem feierlichen Schauspiele, end­ lich griff er in die Saiten und sang folgende Worte: Wo unter Heldenschwert der Maure fiel, Sah meine erste Jugend ich verfließen; Jetzt, unbewußt, zu welchem schönen Ziel Ließ mich mein Stern Sarmatiens Flur begrüßen!

An Tago's Ufern, an des Ebro Rand Sah ich der Schönheit holde Töchter blühen; Doch, mit der Liebe völlig unbekannt, Vermocht' ihr Reiz mein Herz nicht zu durchglühen.

Hier, hat die Liebe mir ein Ziel gestellt, OeS Herzens hehre Stunde hat geschlagen: Dich sah ich, und die ganze weite Welt Kann ohne dich mir keine Freude tragen.

71 Der Flamme, die dein Bild hat angefacht,

Mißtraue nicht; o glaub' den ersten Trieben?

Vertraue deiner Reize Zaubermacht, Wer kann dich sehn, und dich nicht ewig lieben!

Wer kann dir nahe sein als freier Mann? Dir in das Auge schauen unbezwungen? O dreimal selig wer dein Herz gewonnen,

Oer hat des LebenS bestes Ziel errungen. Jetzt bannet Luna jeden rohen Laut,

Ihr milder Schein nur und mein Herz sind Zeugen,

Drum sprich zu dem, der deiner Milde traut! Laß deinen Blick zu ihm herab sich neigen!

Hier schwieg der verliebte Spanier, in der Hoff: nung, daß sich die Dame seiner Gedanken ihm zei: gen würde. Es schien ihm auch, als sahe er die schwarzen Locken an den Fensterjalousien; aber lei: der war es nur der mit dem Mondschein spielende Schatten von den Lindenblattern. — Wiederum hielt er sein Ohr hin, vermeinend ihre Stimme zu hören. Nur ein leichter Wind, der mit den rau: schenden Blattern spielte, trug ihm über die Po: meranzcnbaume hinüberstreisend einen lieblichen Blü: thenhauch zu. Nach einer Pause setzte er seinen Gesang in folgenden Worten fort: O hartes Herz, das meiner Sehnsucht lacht!

Nie kann der Gram in meiner Brust verhallen.

72 Das Leben hast du werthlos mir gemacht.

Mag auf den Todten deine Thräne fallen.

Gebunden schleppt der mörderische Tartar Matron' und Jungfrau hin nach fernem Lande;

Es treff' mein Arm den blutenden Barbar, Und zeig' mich werth für deiner Freundschaftbande.

Auch nach diesen Strophen ließ sich keine Stimme vernehmen. Der Spanier wiederholte noch einmal: Jetzt bannet Luna jeden rohen Laut, :c. :c.

Da der bekümmerte Liebhaber keine Antwort ver­ nahm, blieb er in Gedanken vertieft auf derselben Stelle stehen, bis die Morgenröthe den Himmel überzog: dann erst entfernte er sich voll Kummer und Trauer. Als der junge Tenczynski am andern Morgen eben aufstand und sich ankleidete, kam ein Kammerdiener von der Wojewodin, seiner Mutter, und bat ihn, so bald als möglich zu der gnädigen Frau zu kommen. Der gehorsame Sohn eilte so­ gleich zu seiner Mutter hin, und als er in ihr Ge­ mach hinein trat, sagte sie zu ihm: Mein lieber Johann, was muß denn im Kopfe Deines Spa­ niers spuken! Die ganze Nacht sang er, Gort weiß was für Lieder, unter Sophiens Fenstern, und spielte auf einer Laute dazu. Sage ihm doch, daß er diese Narrheiten unterlassen, und uns im Schlafe nicht stören möge. Es ist sein Glück, daß Sophiens

73

Verlobter den Tartaren nachsehc, denn wäre er hier zugegen, so würde er diesen Ausländer schon lehren, was das heiße, unter den Fenstern eines verlobten Frauenzimmers zu singen. Liebe Mutter, erwiederte ihr der Züngling, mag Euch das nicht beleidigen. Zn Spanien ist es so Sitte, daß die jungen Leute sich dem Dienste einer erwählten Dame gänzlich widmen, ohne irgend einen tadelhaften Zweck dabei zu haben. — Zch danke dem Herrn! Meine Tochter hat genug an ihrer eigenen Bedienung; sie braucht keine fremde, und am wenigsten solche, welche sie in der Nacht nicht schlafen laßt. Als Tenczynski merkte, daß die Mutter die unüberlegten Liebeleien des Spaniers für Ernst aufnähme, so versprach er ihr, seinen Gefährten zu warnen, von seinen LiebesExkursionen abzustehen, sich von Sophien entfernt zu halten und ihr mit gebührender Achtung zu be­ gegnen. Die der Wojewodin zu Ehren versammelte Ge­ sellschaft nahm in den folgenden Tagen zusehends ab. Viele von den Herren und Edelleuten aus dem Kreise begaben sich nach ihrem Wohnorte, oder auf den Landtag. Der grauhaarige Wojewode selbst be­ rieth sich mit seinen vertrauten Freunden, wer aus jedem Kreise als Deputirrer gcwählr werden solle. Die Seeretaire unb Hofleute schrieben Circulaire

74 und Verordnungen an die vornehmsten Beamten des Kreises aus. Der Haushofmeister des Wojewoben, Herr Kolyska, war mehr als alle übrigen beschäftigt; er expedirte nämlich große Wagen mit Mundvorräthrn, Getränken, Tafelgeräthen, Tischen, Stühlen und andern Geräthschastcn. Zwölf Kameele trugen Zelte und andere Lasten; dieses alles wurde unter der Bedeckung einer Escadron Reite­ rei und eines Regiments von Heiducken, die dem Wojewoden gehörten, vorausgeschickt. Diese Zurüstungen, diese Unruhen im Schlosse, unterbrachen das tiefe Nachdenken Don Alonzo's di Medina Czeli auf einige Augenblicke. Mit der größten Sanftmuth setzte ihm Tenczynfti der Jün­ gere das Unschickliche seiner Liebeleien mit Sophien aus einander, stellte ihm vor, daß solche in Polen gar nicht üblich wären, und daß seine Schwester ihren Verlobten unaussprechlich liebe; daß endlich das nächtliche Singen unter den Fen­ stern, und die übergroße Aufmerksamkeit, von seiner ehrwürdigen Mutter nicht gern gesehen würden, und im Hause nur Unannehmlichkeiten verursachen könnten. Genug! rief der Spanier aus, indem er plötzlich wie aus einem tiefen Schlummer auffuhr; nie wird Don Alonzo Guzman di Medina Czeli in ein bcfteundetcs Haus, in ein Haus, wo er

75 wahre Gastfreundschaft genießt, Unfrieden bringen.

Zch weiß sicher, daß

ich aller Hoffnung beraubt

bin, und daß mir nichts als Verzweiflung übrig

Zch habe beschlos­

bleibt und ein ruhmvoller Tod.

sen zu sterben; sage mir daher, setzte er hinzu, ge­ gen welchen Feind zieht dieses Kriegsheer, dieses

Fußvolk, diese Reiterei, diese Kameele, diese Karavane? Gewiß gegen die Ungläubigen.

Viel Mühe

kostete es Tenczynski'n, ehe er den Spanier über­ zeugt hatte,

daß das aus Tenczyn herausgehende

Kriegshcer und die Wagen nicht gegen einen Feind bestimmt waren, sondern sie zögen nur zur steten

Wahl der neuen National - Repräsentanten.

Lange

konnte der Spanier es nicht fassen, warum bei der

freien Wahl

müsse.

eine bewaffnete Macht zugegen sein

Um dieser Unterhaltung ein Ende zu ma­

chen, sagte ihm Zamoyski, der dabei stand: Wenn Du Dir durchaus vorgenommen hast, im Kampfe

Ruhm zu erwerben, so bietet sich Dir die beste Ge­ legenheit dar; unser Oberseldherr Tarnowski bricht gerade mit der Armee zu den Grenzen auf, ich will

Dir einen Brief an ihn mitgcbcn, und da sollst Du erfahren, was Tartaren sind.

sendmal Alonzo.

dafür

verbunden

Zch werde Dir tau­

sein,

antwortete Don

Zch werde mich auch glücklich schätzen,

fügte Tenczynski hinzu, wenn mir mein Vater er-

76

laubte, Dich auf dieser Reise zu begleiten; lieber wäre mir offener Kampf mit dem Feinde, als die Streitigkeiten auf dem Landtage, wo vielleicht mehr Selbstsucht als wahre Vaterlandsliebe statt findet. — Du predigst nur immer von der Liebe zum Baten lande; glücklich bist Du, daß Du eine andere nicht kennst: und so weißt Du auch nicht von den Qualen und Unruhen, von denen das Herz ganz verdorret und das Leben hinwelkt. Ein tiefer Seufzer erlaubte ihm nicht, weiter zu reden. Don Alonzo war jedoch nicht so unglücklich als er glaubte. Welches Frauenzimmer wird den Ein­ druck nicht gewahr werden, den seine Reize auf uns machen? Die schöne Sophie vernahm seine Lie­ besgesänge wohl, und obgleich ihr Herz ganz dem Verlobten gehörte, so hatte sie kein Frauenzimmer sein müssen, wenn eine so heftige Liebe ihr nicht hätte schmeicheln, und wenn auch nicht Gegenliebe wecken, doch jene Gefühle in ihr erregen sollen, die das weibliche Geschlecht Dankbarkeit und Mitleiden zu nennen pflegt. Sie würde freilich keinen Schritt gethan haben, den ihr Anbeter für eine Aufmunte­ rung hätte annehmen können; gleichgültig hätte es ihr aber nicht sein können, wenn die ausgebrochenen Flammen zu erlöschen angefangen hätten, und noch weniger wenn sie zu einer andern Schönheit über-

77 gegangen waren.

Sie mied zwar den Fremdling;

wenn sie aber seinen Gesprächen nicht ausweichen

konnte, so bemerkte man in ihrem Tone keinen lltv willen, sondern vielmehr Zerstreuung und Wehmuth. Zn dieser Zeit ritt der junge Tenczynski oft nach

den zu Tenczyn gehörigen Besitzungen aus.

Ange-

nehm war es ihm, die Stellen wieder zu sehen, die er in seiner Kindheit besucht, wo er oft glückliche

Augenblicke seiner frühesten Jugend verlebt hatte.

Unter diesen war das Haus seiner Amme das ge­

wöhnliche Ziel, wenn er spazieren ritt.

Als er

eines Morgens dort die Thür aufmachte, fand er ein Frauenzimmer, dessen Gestalt ihm nicht wenig auffiel.

Es war eine Frau, die schon über vierzig

Zahre alt sein mochte. Sie war groß; ihren brau­

nen Teint belebte nicht die geringste Nöthe, und ihre großen schwarzen Augen, so wie auch die schwar­

zen sich fast berührenden Augenbrauen, gaben ihrem

Gesichte einen ganz besonderen Ausdruck, der aus dem Gedächtnisse derer, die sie einmal gesehen, nicht sobald verschwand.

Sie trug eine schwarzsammetne

Zuppe und ein ähnliches, mit goldenen, schon ab­ genutzten Tressen besetztes Unterkleid.

Unter diesem

guckte noch ein hochrother Anzug hervor. Um den langen hageren Hals hing eine goldene Kette. Sie

stand beim Hereintreten des Zünglings einen Au-

78

genblick auf, und während der ganzen Zeit seiner Unterhaltung mit der Amme, hatte sie ihre durchs dringenden Augen auf sein Gesicht geheftet. Als die Amme sich entfernte, um ihrem Zöglinge dicke Milch zu bringen, ließ sich die sonderbare Frau mit dem jungen Tenczynski in ein Gespräch ein, und gab sich alle Mühe, ihm seine Lebensverhältnisse zu ent­ locken. Tenczynski, in seinen Antworten immer vor­ sichtig, befriedigte ihre Neugierde nicht sehr. Zhr seid so verschlossen gegen mich, sagte ihm die selt­ same Frau, aber darin thut Ihr Unrecht; bemerket Ihr denn nicht, daß ich Euch gewogen bin? Wie befindet sich jener Ausländer, Euer Gefährte? Ist er nach dem nächtlichen Singen nicht heiser gewor­ den? Tenczynsti sah sie mit Verwunderung an. — Was er sich doch denkt, fügte sie mit einem grin­ senden Lachen hinzu, einer so tugendhaften Jungfrau die Cour zu machen, die ihren Zborowsti über alles liebt.... aber schwer ist es, seiner Bestimmung zu entgehen. Und Zhr, mein Herr, setzte sie ihre Rede fort, habt Zhr etwa von der Fürstin d'Abrantes einen Brief erhalten? Tenczynski schwieg lange, in­ dem es ihm unbegreiflich war, woher diese Frau, die er in seinem Leben nicht gesehen, so viele Nachrich­ ten haben konnte. Er dachte eben nach, was er ihr antworten sollte, als sich die Thür öffnete und

79

Theodorowa ein« große Schüssel mit Milch auf den Tisch hinsehte. Voll Zerstreuung labte sich der Jüng­ ling ein wenig. Als die Unbekannte sah, daß er nicht leicht zu einem Gespräche zu bewegen wäre, ver­ neigte sie sich vor den Anwesenden und ging weg. Sobald die Thür wieder geschlossen war, fragte der junge Tenczynski seine Amme: Mein« Liebe! sage mir doch, was ist das für ein sonderbares Geschtpf, das fremde Angelegenheiten so sehr interesiiren? Die Amme legte «inen Finger auf den Mund, wodurch sie ein Zeichen gab, als dürfe sie nichts sa­ gen, dann öffnete sie ganz langsam die Thür, ging in den Hausflur, auf den Hof, machte die Runde um bas ganze Haus, und nachdem sie sich überzeugt hatte, daß niemand da wäre, kehrte sie wieder in die Stube zurück, und machte die Thür hinter sich fest zu. Man kann nicht vorsichtig genug sein vor sol­ chen Kreaturen. Das Frauenzimmer, welches Ihr jetzt, liebes Zohannchen, gesehen habt, ist etwas Uebermenschliches: die Leute nennen es Wahrsagerin; ich sage aber geradezu (hier sprach sie leise), daß es eine Hexe ist. Man sagt, daß sie aus Dlonie bei Warschau gebürtig sei *). Sie hat überall Zu­ tritt und großes Ansehen. Sie besucht oft heim) Geschichtlich.

80 tich alle Herrschaften, und selbst die Königliche Far mitte. Man sagt, daß sie unserm Könige und Allen gnädigsten Herrn etwas eingegeben habe, wonach er sich in die schöne Litthauerin verliebte, und heute giebt sie derselben wieder Getränke und Kräuter, damit sie schwanger werden soll. Hol der Henker alle solche Mittel! Wenn das Ehepaar jung ist und sich gegenseitig liebt, dann braucht man keine Kräuter. Indem sie ihre Stimme wieder sinken ließ, sagte sie: Dieses Weib muß mit dem Teufel Ger schäfte treiben. Unser Nachbar, der Zimmermann Fer lix, erzählt, daß er einmal durch's Ofenloch gesehen hat, wie sie sich an einem Donnerstage gerade um Mitternacht ganz fadennackt auszog, und nachdem sie sich mit einer Art von Oehl beschmierte, setzte sie sich auf eine Schaufel, und pra! pra! flog sie zum Schornsteine auf den Kahlenberg*) hinaus, um mit den Teufeln Schmaus und Tanz zu halten. Dort lernt sie von ihnen die teuflischen Kunststücke, bekommt Salbe und Kräuter, und erfahrt alles; denn wie sollte sie sonst zum Henker alles wissen können, was in der Welt vorgeht! sie weiß doch alles. Dieß hätte ich sonst Niemanden gesagt, aber meinem Zohannchen sage ich es, damit er auf seir ner *) Polens Blocksberg.

81 ner Hut sein möge.

Nur erbarmt Euch und saget

es ja Niemand, sonst würdet Zhr mir den Zorn

dieser Hexe zuziehcn.

Sie könnte mein Hab und

Gut, und vielleicht auch mich selbst, meinen Mann

und meine Agnes verrufen, denn mit den Hexen

ist nicht zu scherzen. Der junge Tenczynfki

beruhigte sie durch das

Versprechen ihr Geheimniß wohl zu bewahren; hier­

auf nahm er von ihr Abschied und ging weg.

Er

fand sein Pferd und seinen Bedienten erst hinter

dem Thorwege,

und es kam ihm vor, als ob er

wieder dieselbe Unbekannte gesehen und sie sich bei seinem Erscheinen sehr schnell von dem Stallknechte entfernt hatte.

I.

6

82

Viertes Kapitel. Obgleich der junge Tenczynfki von allen Vorurtheilen und jedem Aberglauben frei war, so be­

schäftigten ihn doch die Gestalt des Frauenzimmers,

ihre Sprache, ihre Kenntniß von allen Dingen, die er geheim glaubte, den ganzen Weg nach dem Schlosse

Tenczyn.

Als

er zu Hause anlangte,

erhielt

er

bestätigende Nachrichten, daß Nikolaus Sieniawski

in Kurzem sein Kriegsheer nach der Wallachei hin. führen werde,

und obgleich

er

dem Vater seinen

Wunsch, diesen Feldzug mitzumachen, schon einmal eröffnet, jedoch nur unbestimmte Antwort erhalten

hatte, so wünschte er nun seinen entscheidenden Wil­ len darüber zu wissen.

An diesem Tage war aber

der alte Wojewode mit Vorkehrungen zu dem be­ vorstehenden Landtage so sehr beschäftigt, daß er seine

Audienz auf den folgenden Tag verlegen mußte. Den Tag darauf begab er sich frühmorgens, um

die Zeit, wo er den Vater sprechen zu können glaubte, auf einer geheimen Wendeltreppe nach seinem Schloß­ gemache; aber wie groß war sein Erstaunen, als er

die Thür sich öffnen und jenes räthselhafte Frauen-

83 zimmer herauskommen sah.

Sie warf einen 6c;

deutsamen und durchdringenden Blick auf den Züng;

ling, und schnell hinuntergehend sagte sie zu ihm: Zch zweifle, daß es gelingen wird. das Weib hier beim Vater zu junge Tenczynski.

Was hat denn

thun? dachte der

Hierauf trat er in das Zimmer

des Wojewoden und wiederholte seine Ditte, ihm

zu ertauben, mit Nikolaus Sieniawski den Feldzug

nach der Wallachei mitzumachen.

Ich lobe Deinen

ritterlichen Sinn, mein Zohann, sagte ihm der ehr; würdige Vater, ich sehe, daß Dich dieselbe Sehn;

sucht nach Kampf und Ruhm anfeuert, welche Deine

Vorfahren begeisterte; aber heut zu Tage non eadem

res et mens.

Du weißt, daß Du und Dein jun;

gerer Bruder die einzigen Stützen des Tenczynski; schen Stammbaumes seid; ich muß Euch daher so

wie meinen Augapfel hüten. Staate

eine

Gefahr

drohen,

Sollte jedoch dem

so würde ich kein

Bedenken tragen, Dich ihm ganz zu widmen; aber die Expedition des Herrn Sieniawski geschieht ohne

Vorwissen der Stände, und kann uns noch in ei; nen unwillkommenen Krieg mit den Muselmännern

verwickeln *).

Uebrigens ist das für uns ein unbe;

*) So war es wirklich; Sieniawski brachte Alexandcrn in die Wojewodschaft Wallachei herein, der eine

6*

84

deutender Feind; ich habe Dich zu einem andern Behufe bestimmt, mein Johann, et in toga eben quam in sago kann man seinem Vatertande dienen. Mein Wille ist es, Dich auf den Landtag nach Proszowiz mitzunehmen und mit den verbrüderten Edelleuten bekannt zu machen, damit Du ihre Gewogenheit erlangen, nach meinem Tode die Wojer wodschast, so wie ich, regieren und auf dem Reiche tage Gewicht und Einfluß haben kannst. Sic erat mos antiquissimae ac clarissimae gentis nostrae. Der junge Tenczynski antwortete darauf mit Ehrerbietung: Die Angelegenheit, um welche auf dem Land- und Reichstage Streit geführt werden soll, nämlich die Ehe des Königs, scheint mir nicht von so großer Wichtigkeit zu seyn, daß ich nicht das Feld des Ruhmes, wo ich mich vielleicht meinen Landsleuten als Held zeigen könnte, betreten sollte. Das kommt Dir nur so vor, versetzte der alte Ten; czynski, es ist eine Sache von großer Wichtigkeit, sich zeitig der Ritterschaft vorzustcllen, und früh muß man lernen, wie man ihre Meinungen für sich gewinnen kann; dadurch allein können wir selbst geraume Zeit sich in Polen aufbielt, der Honig wollte

aber den Türkenkrieg vermeiden und zog die polnische

Armee wn dort zurück.

85 Thronen furchtbar werden.

Ich war

ntcht mehr

als fünfzehn Jahre alt, als mich mein Vater auf

den Landtag mitnahm und mich lehrte, wie man den Edelleuten die Hände drücken und mit ihnen tritt'

ken müsse.

Du mußt das auch können;

überdieß

habe ich noch andere Gründe, derenthalben ich Dich in den Krieg nicht mitziehen lasse: omnia et prae-

stigia non sunt tibi propitia, ich bitte Dich also, lieber Johann, vor mir davon nichts mehr zu w

wähnen.

Da der junge Tenczynski den festen End

schluß seines Vaters hörte, wagte er nicht, ihn tvev ter darum zu ersuchen, verbeugte sich und ging trau,'

rig weg.

Im Garten traf er Don Alonzo in Ger

danken vertieft und machte ihm den Willen seines Vaters bekannt, daß er nämlich diesen Feldzug nicht

mitmachen könnte.

Also auch diese Freude ist für

mich nun dahin, sagte ihm der Spanier, ich hegte

die Hoffnung, daß,

wenn ich diesen Ort verließe,

ich an Dir einen lieben Waffenbruder, einen Zeugen meines Muthes, meiner Verzweiflung im Kampfe,

m jedem Augenblicke einen Vertrauten meiner Lei,' den haben würde.

Auch für mich wird die Trem

nung sehr schmerzhaft sein, antwortete Tenczynski, und um so mehr, da ich Dich von einem großen

Kummer gedrückt sehe.

Ach Du kennst die Liebes,'

quälen nicht, sagte der Spanier, Deine Liebschaft

86 mit der Fürstin Medina Sidonia y Abrantes kann

nur ein artiger und frihlicher Zeitvertreib genannt

werden; Du hast Dich gern mit ihr unterhalten, Du hast mit ihr gern getanzt und gescherzt, aber sobald

sie Dir aus den Augen verschwand, so bliebst Du,

selbst wenn man ihrer erwähnte, dabei so kalt, als wenn man einer schönen Blume erwähnt hatte, die

wir irgend wo gesehen hatten.

Das ist wahr, sagte

Tenczynfki, daß mich der Himmel bis jetzt vor die­ sen gewaltsamen Gefühlen bewahrt hat, von welchen

ich Dich jetzt überwältigt sehe; doch glaube nicht,

daß

mein Herz

Schönheit

oder

nicht fähig sei, die Gewalt der

der Tugend mächtig zu

0 möchte doch diejenige,

fühlen.

die mir der Himmel be­

stimmt hat, deren Traumbild sich oft meiner feuri­

gen Einbildungskraft darstcllet, wenn sie die reinen Flammen meines Herzens

theilt, auch alle meine

Lebcnsschicksale ttculich theilen!

sche kann ich

nicht hegen!

Ach, solche Wün­

rief Don Alonzo aus.

Diejenige, die ich liebe, kann niemals die meinige werden.

Desto mehr Ursache findest Du also, dieß

ungerechte Feuer in Deinem Herzen zu ersticken, sagte Tenczynski, und Du solltest lieber Deine Huldigung

an eine andere Person ivenbtn,

welche Dich mit

ihrer Hand, ohne Verletzung des Gewissens und der Tugend, auf immer beglücken kann.

Zch sehe, daß

87 Du nie geliebt hast, sagte der Spanier, wenn Du

glaubst, daß man dem Herzen gebieten könne, und daß es eben so leicht sei, sich zu entlieben als zu

verlieben.

Hierauf folgte unter den beiden Freun­

den eine Pause, welche der Spanier mit folgenden Worten unterbrach: Freund, sage mir wenigstens,

ob Deine Schwester die ganze Macht meiner Liebe gegen sich kennt, ob sie weiß, daß ich, selbst der Hoff­ nung und der Gegenliebe beraubt, durch mein gan­ zes Leben an sie denken, ihr Glück wünschen, ja,

wenn es möglich wäre,

tausend Mal mein Leben

für sie hingeben würde, und daß dieses allein mein

ganzes Dasein ausmacht?

denke,

daß mir in

Zch erröthe, wenn ich

meiner Fantasie nur schwache

Bilder meines Landes, meiner Verwandten, meiner Freunde, der Lieblingsplätze meiner Kindheit und aller andern Gegenstände, die mir früher angenehm waren, jetzt vorschweben; ach, ich Unglücklicher! sie hat alle

meine Gefühle verschlungen. — Wie sehr bemitleide

ich Dich, sagte ihm Tenczynski; ich zweifle nicht,

daß eine so reine, uneigennützige Neigung, wenn sie von meiner Schwester bemerkt wurde, in ihr die

Dankbarkeit und jenes Mitleidcn

erwecken werde,

das ein, wenn gleich für einen Andern schlagendes, Herz immer für diejenigen fühlet,

mend

wohlwollen.

Wenn

die ihm theilneh-

dem so

ist, fiel Don

88

Alonzo dt Medina Czelt ein, wenn Du mit mir Mitleiden hast, so wirke mir eine einzige Gunstbe­ zeigung aus; glaube, baß derjenige, welcher aus Ver­ zweiflung in den Kampf geht, selten aus demselben sein Leben davon trägt. Zch werde sie vielleicht nie sehen, so möchte ich wenigstens unter Sophiens Symbol, unter ihrer Farbe sterben; wirke mir dieß aus, daß sie mich, wenn ich in den blutigen Kampf ziehe, mit einer Schärpe ihrer Farbe beehre. — Freund, meine Fürsprache versage ich Dir nicht, ich hoffe, daß dieser unschuldige Beweis der Achtung, den Du begehrst, ohne im Geringsten die strengste Tugend zu schmälern. Dir zu Theil werden kann. Der junge Tenczynski kannte die strengen Grund­ sätze seiner Mutter, und deshalb wollte er auch in dieser Hinsicht keinen Schritt ohne ihr Mitwisscn thun. Deshalb begab er sich zu ihr, und legte ihr den Wunsch Don Alonzo's, so behutsam wie er nur konnte, vor. Was sind denn das wieder für Dinge! ries die Matrone aus, meine schon verlobte Sophie soll ihm eine blaue Binde geben, als wenn er sie bei den Juden nicht bekommen könnte; übrigens, wenn er sie durchaus aus der Hand eines Frauen­ zimmers erhalten will, so mag er sich an irgend ein Fräulein wenden, deren er hier viele und schöne fin­ det. Vergeblich suchte der Sohn seine Dritter zu

89 überzeugen, daß die Ueberretchung eines solchen Ge­ schenkes nicht im Geringsten dem guten Rufe seiner

Schwester schaden dürfte, da man in allen Landern

die Sitte angenommen hat, daß die Damen den in

das Turnier und in den Krieg ziehenden Rittern ihre Farben, ertheilen.

Die ehrwürdige Frau Ten-

czynffa fand diese Sitte tadelhaft.

Schon fing der

Jüngling in seiner Hoffnung an zu wanken, als die

Thür geöffnet wurde und der ernste Wojewode auf

seinem Stuhle in das Gemach seiner Ehegattin Herr eingebracht wurde. Worüber streitet Ihr denn hier? fragte der Wo-

jewode. Ueber die lächerliche Schwärmerei des Spa­

niers, antwortete die Wojewodin; es ist ihm wieder

eingefallen,

daß

unsere Tochter Sophie ihm eine

blaue Schärpe geben soll, weil er in den Krieg zieht.

Das ist ein sonderbares Begehren, und zeigt mehr

von Vertraulichkeit als Bekanntschaft.

Er kommt,

singt unter unsern Fenstern Lieder, läßt uns nicht

schlafen und will noch mit Binden ausgeputzt wer­ den. — Meine Gütige, sprach der Wojewode, schon

darum, weil der verliebte Fremdling unter unsern

Fenstern singt, sollten wir froh sein, wenn wir sei­

ner auf eine feine Weise los werden können; dabei begeht man keine Sünde, wenn man ihm die Schärpe giebt, es ist dieß so Sitte im Auslande. Ich habe

90

selbst in meiner Jugend in Madrid die Farben der Fürstin von Alba getragen; mit denselben geschmückt brach ich beim Turnier die Lanzen, und ich kann es Dir, meine Traute, betheuern, daß dabei gar nichts BösrS Statt fand, und daß ich außer Dir, mein Herzchen, keine Andere geliebt habe. Bei die­ sen Worten warf die Wojewodin einen süßen Blick auf ihren Gatten. Zch werde Sophien selber sa­ gen, fügte der Wojewode hinzu, daß sie ihm die er­ betene Schärpe gebe; es ist besser, daß er in den Krieg zieht, als daß er sich länger quälen, unnütz seufzen und Sophien mit schmachtenden Blicken an­ sehen sott. Aus offener Galanterie wahrer Ritter muß man keinen Argwohn schöpfen, nur ein gewand­ ter und versteckter Verführer ist gefährlich. Erst nach vielem Zureden gelang es dem Wojewoden, seine Tochter dahin zu bringen, diesen ritterlichen Ge­ brauch in Anwendung zu bringen, und nur die völ­ lige Ueberzeugung, daß ein so achtungswerthcr Mann und wahrer Verehrer des Anstandes und der Tu­ gend nicht Böses meinen könne, vermochte sie, diesen Schritt zu thun. Don Alonzo di Medina Czeli konnte sich vor Freude nicht fassen, als ihm sein Freund den glücklichen Erfolg seiner Fürsprache kund that, und daß der folgende Abend, den er selbst zu seiner Abreise bestimmt hatte, auch die Zeit sein

81 sollte, zu welcher sein Wunsch in Erfüllung gehen würde.

Von wahrhaft Verliebten

wird die geringste

Gefälligkeit, schon ein freundliches Wort, für eine

unschätzbare

Gunstbezeigung

angenommen.

Don

Alonzo wußte zwar, daß seine Flammen ihm nicht

erwiedert würden, doch gab er sich alle mögliche Mühe, wenigstens noch einmal die von ihm Ver­

götterte zu sehen, und ihre in seinem Herzen so an­ genehm tönende Stimme zu hören.

Ueberall ging

er Sophiens Spur nach, und weil er wußte, daß

sie die schattigen Stellen des Gartens am liebsten besuche, so verweilte er dort den ganzen Tag.

Oft

wenn er im Sande die Spuren eines kleinen Fußes ausgcdrückt fand, glaubte er, sie sei es gewesen, und verfolgte dieselben vergeblich; oft meinte er, wenn

ihm der Wind den Geruch von Rosen und Jas­

min zutrug, daß dieß der Duft ihrer dunklen Haare sei, der ihn anwehe.

Zn seiner Hoffnung immer

getäuscht, fing er an dem Erfolge seiner Bestrebun-

-gen zu zweifeln an, verließ den dunklen Hain und

bemerkte den Krystall eines klaren Wassers.

Roth-

tannen, Lennen und Birken senkten ihre biegsamen Zweige in's Wasser und verschütteten das Ufer des

See's.

Die Mewen ließen ihre Klagctöne hören,

ruderten in der Luft und stürzten sich dann blitz-

92 schnell in das kräuselnde Gewässer. Der gewölbte Himmel mit seinem prachtvollen Blau, eine durch nichts unterbrochene Stille, versenkten den verliebten Züngling in tiefes Nachdenken. Wie wenig stimmt doch di« Stille mit dem Sturme überein, der in meinem Herzen tobt! sprach er zu sich selbst. Zudem er lange von dieser einsamen Zauberstelle hin und her schaute, wurde ihm auf einmal zwischen den Blat­ tern eines Strauches ein weißes Gewand sichtbar. Leise schleicht er sich hin unh sieht mit stark klopfen­ dem Herzen, daß es Sophie ist. Sie saß auf einer Dank von rothem Granit, und hatte ihre Blicke auf ein kleines Gemälde geheftet. Don Alonzo hielt den Athem an sich, sah sic lange an und beneidete den, dessen Bild sie mit erfreuten und lieblichen Blicken betrachtete; darauf wendete sich Sophie um und bemerkt den hinter ihr Stehenden. Voll Bestür­ zung springt sie von ihrem Sitze aus, verbirgt das Bild hinter den Schleier, der ihren schneeweißen Dusen deckte, und eilt davon. Der Spanier ver­ doppelte seine Schritte und rief ihr ängstlich nach: Warum entfernst Du Dich von mir, schöne Sophie? Es ist das letzte Mal, daß ich einen Laut von Dei­ nen purpurnen Lippen vernehmen kann. Sophie langte das Bild aus ihrem Dusen hervor und sagte: Dieses meinem Herzen und meinen Gedanken gegen-

93

wartige Bild mahnt mich, Eurer Rede kein Gehör zu geben. — Wenn der hier gegenwärtig wäre, des­ sen Bild Du trägst, versetzte der Spanier, so könnte er, ohne erzürnt oder beleidigt zu werden, den Aus­ druck dieser Empfindungen anhiren, die Du in mein Herz geflößt hast; ich weiß, schöne Sophie, sprach er weiter, daß ein Anderer, welcher der Glücklichste unter den Sterblichen ist, Deine Seele füllt; ich weiß es, daß es für mich nur ein eitler Wunsch wäre, wenn ich begehrte, von Dir geliebt zu werden; aber da ich nun von hier scheide, da nach wenigen Ta­ gen nicht mehr Dein Engelton, sondern der Tod ver­ kündende Kanonmdonner vor meinen Ohren hallet; da vielleicht ein Pfeil meiner Verzweiflung und mei­ nen Qualen ein Ende macht, willst Du Dich in die­ sem Augenblicke weigern, mir zu sagen, daß Du den Scheidenden nicht hassest, daß Dir mein Andenken nicht zur Last wird, und daß Du, wenn der unter deinen Farben wider die Ungläubigen kämpfende un­ glückliche Ritter auf dem Kampfplatze bleibt, einge­ denk, mit welch' einer reinen und heiligen Flamme er gegen Dich entbrannte, seinen Tod mit einem Seufzer ehren werdest? Ein Thränenstrom unter­ brach seine fernere Rede. Ganz unwillkührlich ent­ schlüpften der gerührten Sophie folgende Worte: Laßt uns von diesen Gesprächen abbrechen; obgleich

94

ich nicht begreifen kann, durch welche Zauberkraft Euer Herz von so gewaltigen Gefühlen ergriffen wor­ den ist, so kann doch der Euch drückende Kummer nur ein inniges Mitleid in mir erwecken. Der Himmel gebe Euch Eure Ruhe wieder, wache über Euch im blutigen Kampfe und lasse Euch mit ruhm­ vollen Thaten überhäuft den vaterländischen Boden betreten. Glaubt mir, daß ich Euch von ganzem Herzen alles Gute wünsche. Sophiens angenehmer Ton gab diesen Worten einen weit größeren Werth, als sie sonst wirklich hatten. Don Alonzo wollte weiter sprechen, als er den jungen Tenczynski und Johann Zamoyski hcrzukommcn sah. Tenczynski bemerkte nicht mehr die vorige Düsterheit auf der Stirn seines Gefährten. Schwester, sagte er zu Sophien, die Stunde, in welcher Du diesem Rit­ ter Dein Symbol geben sollst, nahet heran; ich ver­ sichere Dich, daß er unter demselben kämpfen wird. Unser Vater verlangte es so, antwortete Sophie; ich wünsche, daß es dem Ritter Glück mitbringen möge. Das Gespräch wurde allgemein und bald befand sich diese kleine Gesellschaft auf dem Schlosse. Gegen Abend, als der Wojcwode mit seiner Fami­ lie und seinen Gästen im Erker Platz genommen hatte, wurden die Schranken geöffnet, und Don Alonzo di Medina Czeli erschien in seiner ganzen

95

Rüstung auf einem muthtgen Rosse; ihm zur Seite der junge Tenczynski und Johann Zamoysti, gleich sam als Waffengefährten. Don Alonzo stieg ab, knieete vor Sophie Tenczynska hin und sagte: Da ich in den Krieg gegen die Ungläubigen ziehe, so wagte ich, nach altem Rittergebrauche, Euch zur Dame meiner Gedanken zu wählen; mein Schwert widme ich von nun an Gott, dem heiligen Glauben und Euch, und bitte Euch, mich mit Eurem Symbol zu beehren. Schüchtern antwortete Sophie: Ritter, dem Willen meines Vaters und der übli­ chen Sitte folgend, überreiche ich Euch diese Schärpe und hoffe, daß sie unbefleckt bleiben wird. Kämpfet glücklich, kommt als Sieger zurück. Dieß sagend, band sie ihm die Schärpe um. Don Alonzo küßte ihr die Hand. Tief gerührt begab er sich zum Wojewoden. Ihr seid durch Eure Tapferkeit auch in meinem Lande bekannt, der Segen eines achtungs­ vollen Kriegers wird mir Glück bringen, ich bitte Euch, mir diesen zu ertheilen. Der alte Tenczynski legte seine Hände auf die Schultern des Ritters und sagte: Im Namen Gottes und des heiligen Georgs! Kämpfe für den Glauben, für Tugend und für das schöne Geschlecht. — Don Alonzo wollte schon weggehen, als ihn der alte Wojewode noch zurückhielt. Es ziemet nicht, daß Ihr das Haus

96 eines alten Ritters ohne ein Freundschaftsgeschenk verlassen solltet; nehmet diesen Schild, diesen Helm und diese zwei persische Renner.

Man führte eben

zwei muthige Rosse vor, an deren Geschirr Tür-

kisse und Perlen glänzten.

Don Alonzo bankte für

die Geschenke, umarmte den jungen Tenczynfti und Zamoyfti herzlich, schwang sich leicht auf eines von

den beiden Rossen, und nachdem er die Runde um die Schranken noch einmal gemacht, senkte er die

Lanze vor Sophien, und verschwand bald vor Aller

Augen.

Glücklich ist er, sagte der junge Tenczynfti;

er eilt nun dahin, um mit den Feinden zu kämpfen, und ich muß hier bleiben, um mich mit meinen

Landsleuten in Streitigkeiten einzulassen. Endlich erschien der Tag, an welchem der Wo-

jcwode seine Reise zum Proszowizer Landtage an­ treten sollte.

Vor Tagesanbruch fuhr der Quar-

ttcrmeister, um Fütterungsplätze und Nachtlager zu

bestellen.

Aus den Krügen wurden die Zudcn ver­

jagt, die Stuben auSgeräumt, gereinigt und mit

Teppichen behangen, und weil es im Hause an Raum fehlte, so wurde in Scheunen an langen Tischen ge­ tafelt; unter freiem Himmel wurde gekocht und ge­ braten.

Als der Tcnczyncr Hof nach Proszowiz

kam, fand er dort schon die Höfe seiner Freunde

und seiner Gegner, die in der Stadt und in verschic-

97 schieden«, Klöstern ihre Wohnung aufgeschlagen hat­

Der Wojewode von Sandomirien nahm mit

ten.

seinem Sohne und mit seinem Hofe das Quartier Auf den naheliegenden

im Bernhardiner-Kloster.

Hügeln und den zur Stadt gehörigen Triften bivouaquirten die Hossoldaten

des Wojewoden von

Sandomirien, des Kmita, des Firley, des Szydlowjecki und a. m.

Ueberall ragten fast zehn Ellen

lange Lanzen hervor;

das Gemurmel der großen

Menschenmenge, das Wiehern der Pferde hörte man

wohl eine Meile weit.

Die Einwohner entfernter

Gegenden brachten Futter, Heu und verschiedene an­

dere Nahrungsmittel, und es wurden überall Kund­ schafter ausgeschickt; überall herrschte die größte Vor­ sicht unter den Gegenparteien, gerade so wie zur Zeit eines Krieges. Man stattete gegenseitige Besuche ab.

Gegen

die Gegner selbst wurde die größte Artigkeit beob­ achtet.

Drei Tage lang vor dem Landtage bewir­

theten die Parteihäupter ihre Anhänger.

Die Lan­

desbeamten und die gewöhnlichen Schläger saßen bei

den Magnaten zu Tische.

Für den kleinen Adel

wurden lange Tische in den Krügen, unter Zelten,

selbst auch auf Hofplähcn gesetzt, zinnerne Schüsseln und Teller,

und große,

ebenfalls

zinnerne,

mit

Bier, Meth, ja sogar mit Wein angefüllte Kannen I.

7

98

prangten darauf; Messer und Löffel hatte ein jeder bei sich. Bei solchen Gastmahlern brachten die Edel­ leute unter lautem Zubel die Gesundheit aus, näm­ lich jede Partei die ihres Principals. Mit Dro­ hungen gegen seine Gegner war man nicht karg. Endlich kündigten die Glocken aller Kirchen die Stunde des Landtages an. Zeder eilte nun mit seiner Partei nach der Kirche hin; der infulirte Prälat sang die Messe de spiritu sancto, und trug nach beendeter Andacht das Sanctissimum in die Sakristei. Zn der Mitte der Kirche stellte man für di« Senatoren und Beamten einen mit grünem Tuch bedeckten Tisch und Stühle hin. Ein Abge­ ordneter des Königs las das Universal *), die Pro­ positionen des Throns vor, und bat Alle, Einttacht befördern zu wollen. Als er endigte, entstand unter der dichtgepfropften Menge ein Gemurmel. Man sahe einen Ocean von Köpfen, der nach der Gewaltsamkeit ihrer Bewegungen mehr oder weni­ ger nach einer Seite hm wankte; einige darunter waren kahl geschoren, andere mir langen Haaren be­ deckt, und noch andere nach Art der Flamländer zu­ recht gemacht. Auch in der Klciderttacht fand ein *) Ein allgemeines Schreiben des Königs an die Senatoren «nd an den versammelten Adel.

99 ähnlicher Unterschied statt: einige waren in Czama-

ren *) gekleidet, andere hatten über ihren Zupan **) einen Oberrock, dessen Aermel nur bis an die Ellenbogen reichten; die Vornehmeren trugen lange Ober­

röcke, welche an dem linken Arm mit mehr oder we­ niger kostbaren Klammern

zusammengehalten

wur­

den; an der Seite hatte jeder einen Säbel oder eine Karabete f), und in der Hand einen Czekan ff).

In den schnurrbärtigen Gesichtern

malte

Ausdruck der Würde und der Tapferkeit.

sich

der

Von der

Königlichen Partei wurde Herr Pelka zum LandtagsMarschall vorgeschlagen; nie pozwalamy! (wir stim­

men dem nicht bei!) riefen Tenczynfki's Niemira soll Marschall sein!

terbrach sie der junge Johann Zamoyski,

Mehrheit der Stimmen erwählen wird; also Stimmen sammeln.

Freunde,

Der wird es sein, un­ den die

laßt uns

Was haben wir erst nö­

thig Stimmen zu sammeln, rief Herr Dembinski, man darf ja nur aufsehen, um zu bemerken, aufwel-

*) Cz. lies wie Tsch, also Tschamaren, lange Röcke

mit langen Aermeln bis auf die Erde. **) Lies nach französischer Weise joupan, ein Un­

terkleid.

•f) Ein Sabel

ohne Bügel; der Griff war ge­

meiniglich aus einem kostbaren Steine. ff) Eine Art von Streitkolben.

100 cher Seite eine größere Anzahl ist; wir können Euch

alle da mit unseren Mühen bedecken! — Das wäre keine freier Menschen würdige Art zu berathschla­

gen. — Wir bitten sehr, ließen sich mehrere Stim­

men verlauten, mit größerer Achtung von uns zu sprechen; wir sind nicht Menschen; wir sind Edel­ leute; wir wollen uns von den Bakalaureen aus Pa,

dua keine Gesetze vorschreiben lassen! — Noch von

den spanischen

und portugiesischen Dons,

welche

sich selbst über die Majestät erheben wollen! hörte

man von der Königlichen Partei rufen.

Keiner er­

hebt sich hier über die Gleichheit, über das Jedem ertheilte Gesetz, sagte der junge Tenczpnski.

Der

Marschall soll uns hier den kleinsten Kummer ma­ chen;

wenn nur die Abgeordneten solche Männer

sind, die, das Privatgut aus

der Acht lassend, für

das allgemeine Beste Rath schaffen wollen.

Ganz

recht, das allgemeine Beste und nicht das Königliche,

sprach einer von der Partei Tenczynski's.

Wehe

dem Lande, ließ sich der junge Tenczynski ferner ver­ nehmen, wo man das Wohl des Königs von dem Wohle des Landes trennt! Es giebt Fälle, sagte Samuel Zebrzydowski, wo

diese Interessen einander ganz

entgegengesetzt sind.

Seine Majestät der König findet sein Wohl in je­ ner Litthauerin, die er, ohne seine Würde zu berück-

101 sichtigen, als Gattin zu besitzen glaubt; aber wir

finden darin nur einen Anstoß. Majestät

der

König eine

Mag sich Seine

des polnischen Thrones

würdige Gattin wählen. — Er hatte noch nicht aus­ gesprochen, so fing schon eine große Menge vom klei­

nen Adel in den Flügeln der Kirche und unter dem Chore, beinahe zur Betäubung, zu schreien an: Weg

mit dieser Litthauerin! Man schicke sie nach Litthauen zurück! — Laßt uns mit größerer Achtung von der

Gemahlin Seiner Majestät des Königs sprechen, ließ

sich Johann Zamoyski mit großem Eifer vernehmen, und wenn sie auch dieß nicht wäre, so stammt sie

doch aus einem ansehnlichen und achtungswürdigen

Hause, und das ist genug.

Kein rechtlicher Mann

läßt zu, daß sie so beschimpft werde.

Hiebei wurde

der alte Wojewvde Tenczynski vor Zorn und Un­ geduld unwillig; dieß bemerkten seine besten Schlä­ ger, griffen zu den Säbeln und rückten schon gegen Zamoyskin, als der junge Tenczynski sein Schwert

zog und ihn mit seiner Brust deckte.

Die Schlä­

ger wollten den Sohn ihres Principals nicht be­ leidigen und zogen sich zurück. Unter ähnlichem Streit und Geschrei vergin­

gen einige Stunden.

Die Hitze unter den Parteien

erreichte solchen Grad, daß es beinahe zum Blut­ vergießen kam; es wurde sogar ein Ohr gespalten,

102 als Stanczyk, der Hofnarr de« hochseligcn Königs,

zugleich Edelmann und Gutsbesitzer aus dem Kreise

Proszowiz,

auf einen nahestehenden Altar sprang

und mit lauter Stimme rief: „Quis Furor o cives! was für tolle Streiche macht Ihr denn! Zhr führt

Euch ja nicht wie vernünftige Edelleute aus, sondern

Zhr fallet wie wilde Thiere über einander. Die Berathschlagungen sind noch nicht angegangen, noch ist

der Marschall nicht gewählt,

und Zhr zankt und

schlagt Euch! Was schadet's Euch, daß sich der Kö­

nig eine Gattin nach seinem Wohlgefallen gewählt hat?

Zhr habt sie gewiß nicht gesehen; ich bin fest

überzeugt, daß Zeder, der sie sicht, dabei denken wird: Ach, wenn meine Frau auch so schön wäre!

Und

was ist's denn für ein Wunder, baß dem jungen

Herrn diese wunderschöne Augen, dieses Antlitz, die­ ses Lächeln, diese unzähligen Reize gefallen haben?

Und würde Polen etwas dadurch gewonnen haben,

wenn man unserm August ein Frahengesicht aus Ztalien oder aus Deutschland

hergebracht

hätte?

Wir haben dergleichen hier viele gehabt, und wie war es damals?

Alan kam zu einer solchen Dame

hin mit einer demüthigen Bitte, und sie verstand

einen nicht, und wenn sie antwortete, so antwortete

sie in ihrer ausländischen Sprache, und man ver­ stand sie auch nicht, und endlich wendete sie sich da

103 zu einem Deutschen, der hinter

ihr die Schleppe

trug, und lachte einen noch aus.

Zst es also nicht

besser, aus unserm eigenen Neste eine Gebieterin zu

haben, die an uns gewöhnt ist, die uns und unsere

Sitten kennt, die Dich versteht und die Du auch

verstehen kannst; die nicht in's Ausland die in Po­ len gehausten Schatze hinausbringt, sondern sie un­ ter ihre verdienten und benöthigtrn Landsleute »er­ theilt ?

(Hierin machte er eine Anspielung auf die

Königin Dona, und sah den Bischof Gamrat an.)

Euer Hochwürden werden mir verzeihen, sagte er, daß ich mich so ausdrücke."

Ein Gelächter ent­

stand unter Allen. — Stanezyk fuhr so fort: „Zhr habt in Allem Unordnung hervorgebracht; der Mar­

schall

und

die Abgeordneten

sind

noch

nicht

ge­

wählt, und Ihr streitet schon um Znstruktionsarti-

kel, Zhr beladet den Wagen und wisset nicht, wer ihn ziehen wird.

Uebrigens, beruhet denn die ganze

Sicherheit und das Wohl des Staates

Verbindung des Königs?

auf jener

Es ist gleich viel, ob sich

der König eine Polin oder eine Deutsche erwählt;

wenn Zhr aber keine Steuer zum Unterhalt der Ar­ mee erleget, wenn Zhr solche nicht nach Podolien

und Ukraine hinschickt, so wird der wilde Tartar Eure Häuser plündern und niederbrennen, er wird

sich mit Euren Frauen und Töchtern verbinden, was

104 sage ich, verbinden? er wird sie in die schimpflichste

Gefangenschaft den Türken verkaufen.

Solche Co-

pulation vermeidet vielmehr, sichert die Grenzen Eu­

res Landes, verthut nicht die Zeit mit wechselseiti­

gem Zanken und Schlagen, und höret auf, unsern jungen Herrn unnütz zu erbittern.

Wenn er unse­

rer Freiheit Gewalt anthäte, uns, ohne die Stände

zu Rathe zu ziehen, nach seiner Willkühr in's Ge­ fängniß schleppte, uns mit Abgaben drückte, so würde ich auch meine Stimme gegen ihn erheben; da ich

aber sehe,

daß bei Euch mehr Muthwille ist, als

Mißbrauch der Gewalt beim Könige, so will ich

meinen König vertheidigen." Ein ungeheures Lärmen und Schreien erlaubte

Stanczyl-n nicht weiter zu reden: Possenreißer sol­ len uns hier nicht Klugheit lehren! ließen sich meh­

rere Stimmen vernehmen. — Desto schlimmer, ver­ setzte Stanczyk, wenn Zhr so wenig Klugheit be­ sitzet, daß Euch Possenreißer daran erinnern müssen.

Herunter mit ihm vom Altare, hauet ihn in Stücke! hörte man von allen Seiten rufen. — Ehret in ihm die freie Stimme eines polnischen Edelmanns! rie­

fen Andere; und als jene große Menge in Bewe­ gung gcrieth, stellten sich der junge Tenezynski, Za-

moyski und viele Andere Stanczyken zu decken.

»m

den Altar herum,

Des alten Wojewodcn Ge-

105

sicht drückte wieder Unwillen über seinen Sohn au«. Lange hatte Kmita, der Wojervode von Krakau, ver­ geblich klingeln und klopfen müssen, um Ruhe wie­ der herzustellen. Wie bei einer großen Feuersbrunst, oder wie in einer mit Sturm eingenommenen Stadt, ließen sich die unterdrückten Stimmen des entflamm­ ten Zorne« hören. Dieses Getümmel dauerte über zwei Stunden, als Stanczyk mit einer durchdrin­ genden Stimme rief: Silentium! Entweder Ermü­ dung, oder Neugierde, was Stanczyk sagen würde, bewirkten, daß Alle auf einmal still wurden. „Mali ominis, insaustaque haec dies, sprach der Possen­ reißer , Hochgeborne, Hochwohlgeborne Herren Se­ natoren, Prälaten, Beamte und du hungrige Menge! seht Ihr denn nicht, daß schon sieben Stunden ver­ flossen sind, daß Zhr hier sitzt und schreit und doch zu nichts kommen könnet?"

„Glaubt ihr durch Sitzen zu erkämpfen Frieden? Nicht» als Ermüden." „Sehet Zhr nicht, daß die durch Euer Geschrei betäubte und ermüdete Sonne sich zur Ruhe ber giebt? — Und wie sieht es mit Euch aus? Zhr keichet, Zhr schnappet nach Luft, Zhr gähnet, weil Euer Magen leer ist. Die Dämpfe der an den Spie­ ßen sich drehenden Brawn werden Euch von den Lüften bis zu dieser heiligen Stätte zugeweht; der

106 Rausch des brausenden MethS, des Dters und des Weines hallet angenehm an Euren Ohren. O meine lieben, meine geliebten Brüder! da der heutige Tag infaustus est, cras dabit meliora Deus, folget mei­ nem Rathe, nunc vino pellite curas Cm ingeni iterabimus aequor.

Gehet essm und trinkm, und ich hebe die Session auf bis morgm um neun Uhr." Wie leicht geht dir überlegungslose Menge von einer Uebertreibung zur andern über! Dieseloen von Zorn entbrannten Haufen, die Stanczyken vor einer Weile mit ihren Säbeln in Stücke zerhauen wollten, wurden durch seine scherzhafte Rede aufgcheilert und zum Lachen gebracht. Zuerst ließen sich einige Stimmen hören: Der Rath des Herrn Stanczyk ist nicht übel, es ist schon spat, wir wollen lie­ ber die Session auf morgen verlegen. Nach die­ sen Worten gingen erst Einige, dann Mehrere, und endlich strömten sie haufenweise aus der Kirche, so daß die Wojcwvden und die ersten Matadore, als sie sich umsahen, die Kirche schon fast leer fanden; sie mußten selbst auch weggehen, um bei den ange­ nehmeren Berathschlagungcn zu präsidiren, nämlich beim reichlichen und ftöhlichen Mahle. Am folgenden Tage stand der junge Zamovsti

107 früh aus, ging um die Stadt herum, und dachte über die gestrigen Ereignisse nach.

Sollte es mög­

lich sein, dachte er bei sich, daß die durch Geburt

und Vermögen ausgezeichneten Männer ihr Wohl­ gefallen daran sanden,

den verblendeten Adel irre

zu führen; daß sie, statt ihren Einfluß zur Aufrecht­

erhaltung einer rechtmäßigen Freiheit,

der Sicher­

heit der Grenzen, des Ansehens der Nation, anzu­

wenden, einen so elenden Schein ergreifen, um ent­ weder ihrer Eitelkeit, oder ihrem Vortheil zu stöh­

nen, nichtswürdige Streitigkeiten mit dem auf den

Thron gestiegenen König führen sollten?

Als er

eben so nachdachte und nicht errieth, daß er selbst

künftig diesen Adel als Werkzeug gebrauchen würde, begegnete er dem jungen Tenczynski.

Zch komme

von meinem Vater, sagte Tenczynski, er gab mir gute Lehren wegen meines Lautseins auf dem gestri­

gen Landtage und wegen der Vertheidigung Stanczynks, doch war er weniger erzürnt, als ich fürch­ tete.

Wiederum bin ich der aus seiner Stube kom­

menden räthselhasten Wahrsagerin begegnet, die sich

auch auf die Zimmer in Tenczyn einschlich.

Das

ist ein gutes Zeichen, sagte Zamoyfki fröhlich, ich weiß, daß sie vom Bischöfe Maciejowski zum Kmita hin und her ging, und wenn sie bei Eurem Vater war, so kann man sich gewiß versprechen, daß zwt-

108

schm dem Hofe und der Gegenpartei Vergleiche getroffen worden sind. — Und was soll dmn die alte Frau mit den Vergleichen zu thun haben? — Mehr als Zhr glaubt, versetzte Zamovski; den Glau­ ben an die Sterne, die vermeinte Fertigkeit die Zu­ kunft zu enthüllen, fängt man auch bei uns, so wie in andern Landern, hochzuschatzen an. Die Köni­ gin Bona führte diese Lehre in Polen ein; sie hat damit den Geist Augusts, so wie auch den unserer vornehmeren Herren und Damen angesteckt. Euer Vater, Radziwill, Kmita und unsere junge Königin glauben sicher daran. Kluge Leute, die an dem Steuerruder der öffentlichen Angelegenheiten stehen, wissen diese Schwachheit zu benutzen, unter diesen der Geistliche Macicjowski, der mit weitumsasscnder Aufklärung einen wahrhaft frommen Sinn ver­ bindet. Zch bin überzeugt, daß er selbst die Wahr­ sagerin Apollonia Herkommen ließ. Gehörig von ihm bezahlt, geht sie von einem Magnaten zu den» andern; sie schrecket oder schmeichelt mit einer gün­ stigen oder ungünstigen Stellung der Gestirne, bis sie einen jeden dahin gebracht, wo es nöthig ist. — Zch begreife nicht, sagte Tcnczynski, welche Verbin­ dung der Proszowizer Landtag mit dem Laufe der Gestirne haben sollte, und ich glaube nicht, daß der Wojewode Kmita ein großes Vertrauen zu der

109 Sterndeuterei habe.

Das ist wohl wahr, antwortete

Zamovski, für den Herrn Kmita und für viele An­ dere ihm ähnliche, ist die beste Weissagung eine gute

Starostei. — Als sie bei dem Bernhardiner-Kloster

vorbeigingen, wo der Wojewode von Sandomirien

logirte, und daselbst eine Menge Hofleute verschie­

dener Herren sahen, sagte Zamoyfki: meine Muthmaßungen

gehen

Sehet Ihr,

in Erfüllung.

Die

Matadore sind jetzt bei Eurem Vater, um vorläufige Verhandlungen zu unterschreiben, um einig zu wer­ den, wer Marschall, wer Abgeordneter sein soll, was

in den Instruktionen einzutragcn und was wegzu­

lassen sei.

Als er eben dieß sagte, sahen sie Beide

die Vertrauten der Wojewoden von Krakau, von Sandomirien, von Szydlowicz und

des Bischofs

Maeiejowski aus der Wohnung des alten Tcnczynski kommen.

selben.

Lukas Gornicki war an der Spitze der­ Sie zerstreuten sich alle unter den Haufen

der vor der Stadt im Lager befindlichen Edelleute.

Was bedeutet denn das? fragte der junge Tenczynsti.

Es bedeutet, antwortete Zamoyski,

daß unter den

christlichen Herren Friede zu Stande gekommen ist.

Diese Vertrauten

eilen nun mit den Zetteln

der

Kandidaten, für welche sie stimmen sollen, zu dem

kleinen Adel hin.

Unterdeß fingen auf Hunderten

von hingestellten Tischen Tausende von Bratwürsten

110 zu dampfen an, Branntweinflaschen glanzten dane­ ben.

Damit aber die Köpfe, welche nicht brausen,

sondern bejahen sollten, nicht gar zu sehr erhitzt wür­

den, so riefen bald die Kirchenglocken die Gläubigen zusammen.

Zeder, der politische Versammlungen

kennt, weiß, daß wenn auch bei denselben eine zahl­ reiche Menge da ist,

wenn auch Alle ein gleiches

Recht genießen, so entscheidet doch überall nur die Meinung der Vermögenden und Gewandteren.

Zn

Proszowiz haben wir davon den klaren Beweis ge­ habt.

Die gestern so drohenden, so stürmischen Par­

teien schienen heute, nachdem ihre Patrone einig geworden, nur von einem und demselben Geiste be­ seelt.

Alle hatten die an sie vertheilte Zettel, und

so stimmten sie alle mit gegenseitiger Verwunderung

für dieselben Kandidaten.

Der die Königliche Ehe

betreffende Artikel wurde gestrichen.

Gamrat wollte

ihn zwar, dem gegebenen Worte der Königin treu, noch eindrangen, als er aber den wider ihn entste­

henden Lärm bemerkte und wohl daran dachte, daß

die Vertheilung der Gnadenbeweise in den Händen des jungen Königs sei, und daß der durch das Ver­

sprechen der Sandomirer Srarostei gewonnene Kmita schwieg, so wollte er sich allein ferneren Unannehm­ lichkeiten nicht aussetzen.

Alle Herren, die bis jetzt

in ihren Meinungen so uneinig waren, wurden heute

111

ausgesöhnt und brachen nach Krakau auf. Die Wo­ jewodin aber trat die Reise mit ihren Töchtern nach Pobolien an, wo die Hochzeitfeier Zborowski's mit Sophien begangen werden sollte.

112

Fünftes Kapitel.

Sehet Euch, Krakauer Herr! sagte Sigmund August zum alten Zohann Tarnowski, als er in das

Königliche Zimmer eintrat; setzet Euch; wer so viel und so ausgezeichnet für sein Vaterland gearbeitet

hat, der kann auch vor dem Könige ausruhen.

Tar-

nowski rückte einen mit karmoisinrothem Sammet

und mit goldenen Tressen beschlagenen Stuhl heran und setzte sich darauf.

Seit langer Zeit, fuhr der

König weiter fort, war ich in meinem Herzen nicht

so sroh, nicht so ruhig, als heute.

Die Königin,

meine Mutter, hat sich endlich, nach vielen mir unnöthig verursachten Unannehmlichkeiten, nach so lan­

ger Verfolgung meiner Frau, mit ihr ausgcsohnt. Gott gebe, daß es von langer Dauer sei!

Ich weiß,

baß meine schöne, meine gute Barbara, ihr nie zu neuem Unwillen Veranlassung geben wird; ich will

auch auf alle mögliche Weise gutes Einverstandniß unter ihnen zu erhalten suchen.

Was nützte mir

das große Reich, die goldene Krone, wenn ich das

allererste Gut nicht haben soll, nämlich Glück und

Ruhe in meinem Hause!

Auch der Zorn meiner Raths-

113

RathSherren hat sich schon abgekühlt. Sie beden­ ken nicht, daß sie so viele Freiheit genießen und nur ihren König wollen sie in Fesseln legen, indem sie ihm selbst das nicht ginnen, was jeder Dauer be­ sitzt, nämlich die Freiheit, sich eine Lebensgefährtin nach dem Herzen zu wählen. Das ist mehr als wahr. — Allergnädigster König und Herr! sagte der alte Tarnowski, Eure Königliche Majestät sind Selbst Zeuge, wie ich mir die ganze Sache habe an­ gelegen sein lassen; ich freue mich von ganzem Her­ zen, daß die Gegner den Weg der Mäßigung und der Vernunft wieder eingeschlagm sind. Wie feurig sollten wir wünschen, daß unser geliebte Stamm der Zagiellonen wieder blühen möge! Traurig blickt jeder auf die Ueberreste seines Geschlechts. Auch mir ist nur ein Sprößling geblieben; wenn mein Johann ohne männliche Nachkommen einst scheidet, so wird Tarnow mit allen Verdiensten des Tarnowskischen Stammes vom Schwerte auf den Spinn­ rocken übergehen. — Hier seufzte sowohl der Kö­ nig, als auch Tarnowski tief *). Ich weiß wohl. *) Don den Nachkommen Tarnorvski'S erzählt Niesiecki und nach ihm Okolski also: Habuit duas conjuges: Barbaram a Tcnczyn, ex qua susceperat Ioannem

Canonicum Crac. Altera conjux Sophia de Szydtowice

I.

8

114 sprach der König August, was Ich Euch und den: Geistlichen Samuel schuldig bin *), gewiß hat sich nur durch Eure Unterhandlungen der Herr Kmita, der sich Mir so dreist entgegenstellte, ja was noch mehr, der auf eine so ungebührende Weise auch An­ dere aufwiegelte, jetzt so dienstfertig und ehrerbietig gezeigt, und war bei Uns in Niepolomice; er bat daß Wir und Barbara ihn in Wischniz besuchen möchten **). Seine Aeußerungen waren Uns ange­ nehm, Wir sind bei Unsern Beleidigungen nicht un­ versöhnlich; wahrhaftig, wer sich nur an Uns wen­ det, der findet leicht in Unserem Herzen Aufnahme. Um diesen für Mich so frohen Tag, diesen Tag der Aussöhnung zu feiern, gebe ich in Meinem Schlosse einen Abendschmaus; Zch höre schon, daß man sich Versammelt. Aber wie mag sich Unser GeistlicherSamuel befinden? Seit seiner Rückkehr aus Petrikau, antwortete Tarnowski, nicht zum Besten. Zch ex qua susccpcrat loanncm Christ. Castel. Wagniensem, qui habuit Annam Odrowaz, scd sterilitcr dccedendo rcliquit omnia ct innumerabilia bona sorori suae conjugi Duci$ in Ostrog Constantini.

') So nannte der König den Geistlichen Samuel Maciejowski, welcher Großkanzler der Krone und Bi­ schof von Krakau war.

Alles geschichtlich.

115 habe Vogelverdern, meinen Arzt, zu ihm geschickt, sagte Sigmund August, Zch hoffe zu Gott, daß er

ihn Uns erhalten wird; er ist wahrlich ein tugend­ hafter und kenntnißvoller Mann, einen ihm gleichen

Staatskanzler wird Polen so bald nicht wieder ha­

ben.

Zch erhielt Nachrichten aus Nom, daß die

aus Polen geschriebenen Briefe in der apostolischen

Kanzelei als Muster der Klarheit und des vortreff­

lichen Lateins aufbewahrt werden. seine Werke*).

Diese alle sind

Zch will, wenn er besser wird, ihn

und Euch, Krakauer Herr, morgen oder übermorgen zu Mir laden, um über öffentliche Angelegenheiten,

und über die Krönung Zhrer Majestät der Königin zu berathen; sehr gern ziehe Zch den Rath solcher Männer ein, die mit ihrer Geneigtheit zu Mir,

wahren Eifer für das Wohl des Königreiches ver­

binden.

Welcher wahre Pole könnte diese Gefühle

trennen! sagte Tarnowfki, und als er eben diese Worte

gesprochen, trat der Fürst Nikolay Radziwill herein.

Er verbeugte sich vor dem Könige und meldete, daß die eingeladenen Herren, der ganze Hof und die

*) Geschichtlich. Hicronimus Gyuntuir Cardinalis Sencn. Praepositus Signaturae Sanct.ae affirmabat; mihi non aliunde litterae Romanae mittentur quam a Rege Poloniae. Ann. Orichovii.

116 fremden Gesandten, auf die Ankunft des KinigS warteten. Sigmund August stand auf und ging in das Zimmer, wo ihn der ganze Hof und die Minister erwarteten.

Nachdem er sich mit ihnen eine kurze

Zeit unterredet hatte, und sich

den Flügelthüren

näherte, die nach dem großen Saale im Krakauer Schlosse führen, öffnete der Hofmarschall dieselben

und rief: Seine Majestät der König!

Bei diesen

Worten hörten die lautgewordenen Gespräche der wr; sammelten Gäste auf; die Minister, die hohen Reichst

beamten, die Hofteute gingen paarweise und reiheten sich an der Thür zu beiden Seiten.

Endlich erschien

auch der König in spanischer Tracht mit seinen vor­ angehenden Marschällen.

Er trug ein karmoisinro-

thes, mit Streifen von Silberstoff und Perlen be­ setztes Unterkleid, einen kurzen schwarzsammetenen,

mit einer breiten Goldstickerei besetzten Mantel; auf

dem Kopfe einen Hut mit drei Straußfedern, die durch eine mit großen Diamanten besetzte Agraffe zu­

sammen gehalten wurden; auf der Brust hing der mit kostbaren Edelsteinen geschmückte Orden des goldenen

Vließes. Dieser junge Herr, erst 29 Zahr alt, war von lebhaftem Temperamente, von schönem Wüchse;

sein schönes Gesicht war ausdrucksvoll, sein Haar

blond, die großen Augen himmelblau, der nicht lange

117 Bart theilte sich von der Mitte an in zwei zuge­ spitzte Enden; bei jedem Schritte, bei jedem Worte, folgten ihm Anstand und ein angenehmes Wesen. Nachdem der König mit einer anmuthigen Verbeu­ gung des Kopfes die Anwesenden begrüßt hatte, wandt« er sich zum Herzoge d'Alba, dem Gesandten des Königs Karl V., und unterhielt sich mit ihm einige Augenblicke in italiänischer Sprache. Darauf ging er zum Markgrafen von Brandenburg und zum Herzoge Albrecht von Preußen, seinen Vasal­ len. Beide Fürsten wiederholten ihre Bitten, der eine um die Hand der Königstochter Sophie, der andere um Katharinens Hand. Zch hätte nichts dagegen, sagte der König, aber die Bischöfe sind wider die Verbindungen mit Fürsten anderen GlaubenSbekenntniffeS *). Noch hatte der König dir Worte nicht geendigt, als die große gegenüberstehende Thür geöffnet wurde, und man sahe auS derselben herauSkommcn: die bei­ den Fürstinnen Rabziwill, die eine Wojewodin von Wilna, die andere Wojewodin von Troki, Gemah­ linnen der Brüder der Königin; ferner die Frau *) Sieh« die Chronik Orzechowski's S. 25.

Di« Bi­

schöfe willigten in diese Ehebündniffe nicht «in, und der Herzog von Preußen vermählte sich bald darauf mit der Tochter de» Herzogs von Braunschweig.

118 Szydlowiecka aus Krakau, die Frau Kmitowa, die

Frau

Sieniawska, die Fürstin Marianna Czartor

ryska, Gurkowa, Dembinska, Leszczynska, Mielecka und Andere.

Hinter ihnen schritt gravitätisch die

Königin Bona, die Mutter des Königs; zu ihrer

Rechten hatte sie die regierende Königin Barbara, zur Linken die Königin Zsabella, Wittwe des un­ garischen Königs Zohann von Zapola, diese hielt' ihren achtjährigen Sohn Sigmund an der Hand.

Eine so glänzende Gesellschaft zog Aller Augen auf sich.

Die' Königin

Dona,

eine

schon

bejahrte

Dame, trug eine schwarzsammetene Kleidung, mit einem Schleier, der vom Kopfe bis zu den Füßen

reichte *), auf dem Kopfe eine Haube von den vor­ züglichsten Brabanter Kanten; ihren Hals umgab

ein kostbarer Schmuck

von Rubinen und Perlen.

Der junge Andreas Firley, Sohn des Wojewodcn von Reußen, trug die lange Schleppe ihr nach; er

war so geschmackvoll und reich gekleidet, daß Zohann Ocinski, ein scherzhafter und durch seine Sti­ cheleien bekannter Mann, ganz leise zu dem neben ihm stehenden Oxa Rey sagte:

Baba stroi Firleie

(die Alte putzt ihn sich heraus).

Diese Worte

sind nachher zum Sprichworte geworden.

*) Eine gewöhnliche Tracht der Wittwen.

Die Kö-

119 nigin Bona, obgleich schon in Zähren vorgerückt

und corpulent, trug dennoch Spuren ihrer früheren Schönheit an sich.

Ihre große schwarze Augen

hatten mehr Feuer als Anmuth, ihr Teint war fein, aber blaß; in ihrem Gesichte malten sich die ger mischten Züge der spanischen und italiänischen Na­

tion: obgleich ihr Blick stolz und gebieterisch war, so konnte sie ihren Worten doch, wenn es nöthig war, Reiz und Anmuth geben.

Die Königin Zsa-

bella trug ein enganschließendes, dunkelviolettes un­

garisches Kleid mit Silberpalmen, einen hellcitronfarbenen, mit Zobel gefütterten und mit Perlen bc-

sehten Doloman; eine lange Perlenschnur mit Qua­ sten diente als Schleift; auf dem Kopfe hatte sie einen nicht großen Kolpak von Zobeln mit Federn

und unten mit einer Binde von schönen Diamanten versehen.

Zhr kleiner Sohn, der Prinz Sigmund,

war nach ungarischer "Art gekleidet, und hatte am Kolpak einen

diamantenen Busch; dieser war ein

vom Sultan Soliman an dem Tage vcrehrtts Ge­ schenk, als der junge Prinz unter seinen Schutz ge­

geben wurde.

Zu einer andern Zeit hatte sowohl

dieser seiner Krone beraubte Prinz, als auch die

beiden Königlichen Wittwen

Aller Aufmerksamkeit

auf sich gezogen, aber jetzt waren Aller Augen der regierenden Königin Barbara zugcwandt; man über-

120

sah den Reichthum beS Putzes, um nur auf di« entzückende Schinheit ihrer Person zu sehen. Sie stand im 23sten Zahre ihres Alters. Ihre Gestalt war groß und über alle Beschreibung schön; bei je» der Bewegung, bet jedem Worte, bet jedem Lächeln zeigte sie eine unbegreifliche Anmuth. Ihre Wangen waren zart und weiß, alle Gesichtszüge vollkommen, die Augen groß und himmelblau, von unaussprechlichem Reiz, die Augenwimpern so lang, daß der Schatten derselben an ihren weißen Wangen zurück» strahlte, die schwarzen Augenbrauen stark, die Stirn schmal, die Form ihres Arm« hinreißend. Die Kinigin Barbara trug ein weißseidenes, ganz mit silbernen Halbmonden übersäetes Kleid; an ihrer Schul­ ter erhob sich ein hoher Kragen von den kostbarsten Kanten; drei Reihen großer Perlen schmückten ihren Hals; die Haare waren zierlich geflochten, und durch einen Adler von weißen Diamanten zusammcngehalten. Als sie sich zur Königin Zsabella wandte, blen­ dete sie mit ihrem weißen Halse, und indem sie ihren Mund lächelnd austhat, schimmerten ihre Zahne her­ vor, die weißer und gleichförmiger waren als orien­ talische Perlen. Zetzt sagte Peter Boratynski, sonst der größte Gegner der Königin, zu Kmita, dem Wojewoden von Krakau: Man muß wahrlich, Herr Wojewode, wenn man diese Dame ansieht, dem Könige

121 verzeihen, daß er sich von diesen zauberischen Netzen hat verleiten lassen.

Zndem sich der König August

zuerst der Königin Bona näherte, sagte er: Madame, der heutige Tag ist der glücklichste in meinem

Leben; welche Freude, die Mutter ihrer Schwieger« tochter, meiner geliebten Gemahlin, freundschaftlich

die Hand reichen zu sehen!

Madame, ich bin fest

überzeugt, daß wenn Zhr sie näher werdet kennen lernen, so werdet Zhr die besten Eigenschaften ihrer

Seele antreffen, Zhr werdet sie lieben.

schon,

Es genügt

daß sie meinen Sohn beglückt, antwortete

Dona mit gezwungener Sanftmuth, wenn sie mir theuer und werth sein soll.

Hier ist noch eine an»

bere Person, fügte die Königin hinzu, die der Bru­ derliebe und Unterstützung Eurer Königlichen Maje­

stät bedarf; ihr Wittwenstand, der Verlust des Rei­

ches, die Erwägung, daß sie in einem Königs-Hause geboren ist, alles dieß spricht für sie.

Zch habe schon

daran gedacht, antwortete Sigmund August, und ihr

den Opolfkier Kreis, Sanok in Reußen und Krzepice in Sieradz angewiesen *).

Zch will dieser Freigebig­

keit auch nicht nachstehen, sagte Dona, und überlasse ihr von meiner Ausstattung Wielun.

Dank sei Euch,

werthgeschätzte Mutter und Bruder, sagte die Köni-

) Geschichtlich.

122 gin Isabella, für Eure großmüthige Versorgung; ich weiß lebhaft diese Gnadenbezeigungen zu empfinden,

aber in meiner beweinenswerthen Lage wäre für mich die einzige Freude, mit Euch in Polen, in Krakau zu leben, an den Stellen, wo ich geboren und erzogen bin, wo so vieles mir angenehme Erinnerungen zu­

führt. Diese Worte brachte die Königin Isabella mit Thränen hervor.

Weine nicht, meine liebe Mutter,

ließ sich der Prinz Sigmund vernehmen, erinnerst Du Dich wohl, daß, als man mir befahl die Krone

von Ungarn Ferdinanden zu übergeben, mir ein klei­

nes Kreuz von derselben in dem Schlosse zurückblicb,

und weißt Du auch noch, was ich zu der Zeit sagte,

— daß zum Kreuze auch die Krone zurückkehren

wird?*) Ich habe Hoffnung, daß diese Wahrsa­ gung in Erfüllung gehen wird, und dieser Pallasch, fügte er hinzu, indem er an seinen kleinen Sabel

mit der Hand schlug, wird sie ausführcn.

Gott

helfe Dir, mein munterer Knabe, sagte der König, und küßce ihm die Stirn; hieraus wandte er sich zu der Königin Mutter und sagte:

Madame, Ihr er­

laubt wohl, daß wir die Lustbarkeit eröffnen.

Wie

es Eurer Königlichen Majestät beliebt, antwortete

Bona, aber Ihr erlaubet, daß ich mich zeitig ent-

) Geschichtlich.

123 fernen darf, denn morgen möchte ich nach Masovien

reisen, um zu sehen, wie weit die von mir angelegte

Gärten gediehen sind. Zch ließ eine große Menge von Weinstöcken aus Ztalien kommen, die ich in Czersk pflanzen will; ich habe Polen schon mit unbekannten

Küchengewächsen bereichert, und möchte auch gern den Polen die Weintraube schenken *), nur ist es

Schade, daß die hiesige Sonnenwärme sie nicht sehr begünstigt.

Ich hoffe, sagte der König, daß diese

für mich immer schmerzhafte Entfernung nicht lange dauern wird. Hierauf nahm er die Königin von Ungarn an

die Hand, und gab dem auf einer hohen Gallerte befindlichen Musikchor ein Zeichen, daß es anfangen

sollte.

Sogleich ließ sich die Königin Bona auf einen

für sie zubereitetcn Sih nieder; der Markgraf von

Brandenburg nahm die Königin Barbara, der Her­ zog von Preußen

die Fürstin Radziwillowa, Ge­

mahlin des Bruders der Königin, und Herren

nahmen

Frauen zum Tanz.

die Senatoren

die Hofdamen

und

andere

Als der König den ersten Kreis

machte, hielt er ein wenig im Tanze an, und ver­

beugte sich vor seiner Mutter, dieß thaten auch die Anderen. — Schon

) Geschichtlich.

waren einige Tänze beendet.

124

als die Thür an der großen Treppe geöffnet, und der alte Tenczynfli, Wojewode von Sandomirien, auf einem großen Stuhle hereingebracht wurde. Dieser ehrwürdige Mann konnte sich schon nicht mehr auf seinen Füßen halten, und ließ sich selbst nach den» Senate hinbringen. Er trug einen dunkelblauen sammelenen Oberrock, der mit einem großen Carbunkel zugekn-pst ward, einen Zupan von Goldbrokat, einen reichen persischen Paß, und in demselben einen mit kostbaren Edelsteinen besetz­ ten Dolch. Neben ihm stand sein junger Sohn, Johann Tenczynski, der nicht längst vom Hofe des Kaisers Karl V. zurückgekommen war. Seine sehr schine Gestalt erhihete eine reiche und prächtige spanische Kleidung; auf der Brust hatte der Jüng­ ling rin Medaillon mit dem Bildnisse des Kaisers, welches jener ihm bei der Abreise schenkte, und ihn zugleich mit einem Empfehlungsschreiben an den Kö­ nig von Polen beehrte. DaS Erscheinen dieses ZünglingS verursachte ein angenehmes Gemurmel unter den Damen. Die Zungfrauen, die von der Seite auf ihn blickten, zischelten sich etwas in'S Ohr; man.kann wohl schließen, daß ihre Bemerkun­ gen, wenn er sie gehört hätte, unsem jungen Ritter nicht beleidigt haben würden. Und eS war wirklich schwer einen Jüngling zu finden, der reichlicher von

125 der Natur ausgestattet worben wäre. Ein hoher und schlanker Wuchs, ein männliches Gesicht, durchs dringende Augen voller Anmuth, ein scharfsinniger Witz, eine weit umfassende Bildung, Welt-Kenntniß, seltene Annehmlichkeit im Umgänge, Gewandtheit beim Turnier, Tapferkeit im Kampfe, hatten ihn auch schon in stemden Landern ehrenvoll ausgezeich­ net. Der junge Tenczynski, fast gleichen Alters mit Zohann Zamoyski, hatte denselben in Padua kennen gelernt; die unter ihnen geschlossene Freundschaft war eben so innig als dauerhaft. Als ihn Zamoyski erblickte, kam er, sobald er nur den Tanz mit Frau­ lein Mielecka, der Tochter des Wojewoden und Feld­ herrn von Podolien, geendigt hatte, sogleich zu ihm heran, und Beide unterhielten sich über den neulichen Landtag; und sie hatten sich gern noch lange unter­ halten, wenn nicht die Königin Bona Tenczynski'n mit der Hand ein Zeichen gegeben hatte, naher zu ihr zu kommen. Diese Dame that an ihn viele Fragen nach der Gesundheit Karls V., nach dem Znfanten, seinem Sohne, spater Philipp II. Ver­ spricht dieser junge Fürst, fragte sie, die Macht sei­ nes Vaters zu erhalten? Es ist schwer zu errathen, erwiederte Tenczynski, was er verspricht, und was er halten wird; der junge Znfant scheint verborgm und undurchdringlich zu sein. Das ist gerade eine

126

sehr schöne Eigenschaft an den Regierenden, fügte Bona hinzu, und indem sie dem Gespräche eine andere Wendung gab, fing sie an zu scherzen, ber hauptrnd, daß der junge Tenczynsti am Madrider Hofe unter so vielen Schönheiten sein Herz schon werde verloren haben. Man bemerkte, daß sich die Königin Dona wahrend der ganzen Unterhaltung angenehm zu machen suchte, und daß sie, als der junge Tenczynsti wegging, ihm die Hand zum Kusse hinreichte, die sie noch weiß und schön erhalten hatte. Der König hörte zeitig auf zu tanzen, ging dann umher und unterredete sich mit den vornehmerm Herren und mit den fremden Gesandten; freundlich, heiter und herablassend zog er die Herzen Aller an sich. Bei seiner Meinung fest beharrend, grollte er nie gegen solche, die anders gesinnt wa­ ren, und da er wußte, wie der alte Tenczynsti sich öffentlich hatte verlauten lassen, daß er lieber den Sultan Soliman in Krakau, als Barbara Radziwillowna auf dem polnischen Throne sehen wollte *), so näherte er sich ihm lächelnd. Da der Wojewode allein nicht aufstehen konnte, so hielt er sich mit einer Hand an seinem Sohne, mit der andern an ) Geschichtlich.

127 dem ihm zur Seit« stehenden jungen Zamoyski, um

vor seinem Könige zu stehen.

Bleibet sitzen, Herr

Wojewode, sagte August,

und auf die im Tanze

kreisende Königin zeigend.

Gestehet jetzt selbst, daß

es wohl angenehmer ist, auf diese schöne Frau in Krakau, als auf einen langbärtigen türkischen Sul­ tan zu sehen. — Allergnädigster Herr und König,

was ich gesagt habe, entsprang nur aus der tiefsten

Verehrung für die Person Eurer Königlichen Ma-

jestat und für Hichstderselben Königliche Würde. Die Kühnheit der Polen in ihrer Rede ist eine Bürgschaft aufrichtiger Zuneigung zu ihrem Herrn;

wenn Eure Majestät sie uns nicht erlaubte, wenn

Höchstdieselbe sich von uns entfernte, wie sollet Ihr, Allergnädigster Herr, erfahren, was in Eure»» Kö­ nigreiche Gutes oder Böses geschieht. Heute, Aller­

gnädigster Herr, da Eure Majestät mit Eurem Kö­ niglichen Herzen an dieser schönen Dame fest und

unbeweglich hangen, so will ich mich auch bekehren,

und ich wünsche nichts feuriger, als daß Eure Kö­ nigliche Majestät sich lange, lange Zeit dieser schö­

nen Gemahlin erfreuen und den schon ausgehenden, uns theuren Zagiellonenstamm mit emporschießenden

Sprößlingen wieder erneuern mögen.

Mein Wojer

wode, sagte der König, ich danke Euch herzlich für

Eure Wünsche.

Der alle Tenczynffi ergriff des

128 K-nigS Hand, und als er sie küßte, rief der König seiner Gemahlin mit folgenden Worten zu: Komm, Barbchen, und versöhne Dich mit dem Wojewoden! Die schöne Königin näherte sich; der Wojewode wollte wieder aufstehen, da er es aber nicht konnte, so küßt« er mit Hochachtung ihre schneeweiße Hand. Zch habe keinen Groll gegen Euch, sagte die Köni­ gin; leicht vergißt die, die Euch niemals beleidigt hatte. Zum Beweise, sagte der König, daß diese Versöhnung dauerhaft sein wird, müßt Ihr mir, Wojewode, eine Bürgschaft geben, und zwar in der Person Eures Sohnes; ich nehme ihn an meinen Hof. Der junge Tenczynsti verbeugte sich titf, und der Vater sagte: Alle Polen, sowohl die Vater als di« Söhne, sind zu Diensten Eurer Königlichen Majestät. Einer der Kammerer kam dem Könige zu mel­ den, daß die Tafel servirt sei. Zudem dir Königin Dona dieß sah, verließ sie ihren Sih. Der König August eilte ihr nach, führte sie bis an die Thür, und küßte ihr die Hand. Bona ging demnach her­ aus, eine Hofdame und Firley hinter ihr. Die Flügelthür nach dem Speisesaale wurde geöff­ net. Sobald der König mit der regierenden Köni­ gin und der Königin Zsabella hineinttat, kamen zwei Hosleute ihm entgegen; der eine hielt «in massiv gcl-

129 goldenes Waschbecken und eine gleich große, mit sel­ tenen Medaillons gezierte Kanne, der andere ein

langes mit Gold gesticktes Handtuch.

Der König

zog die Ringe von den Fingern ab,

und gab sie

einem Hofinanne, und nachdem er sich gewaschen hatte, setzte er sich mit seiner Gemahlin, Schwester,

Fürsten und mit den fremden Gesandten zur Tafel. 2ltt eine andere große Tafel setzten sich die Senato­ ren und Damen.

Man hörte abwechselnd Vocal-

und Instrumental-Adusik, die von Wazlaw Szamotulfki, dem Königlichen Kapellmeister, dirigirt wurde.

Wir wollen uns über die Pracht dieses Mahles nicht

weitläufig auslassen;

Witz, Aufgeräumtheit

und Fröhlichkeit gesellten sich zu demselben.

Doch

darf man einen kleinen besonderen Tisch, an wel­ chem eine Gesellschaft von witzigen und fröhlichen

Männern saß, nicht übergehen.

Hier befanden sich

der junge Johann Zamoyski, Königlicher Secrctair; Bartolomäus Paprocki, Verfasser vieler Werke; Ni­ kolaus Rey von Naglowicz, Sccretair der Königin Bona; Klemens Zanicki; Johann Kochanowski; La­

zarus Andryszowicz, der Urheber einer schönen Buch­

druckerei in Krakau; Stanislaw Orzechowski, Dom­ herr aus Przemysl, und Lukas Gornicki.

Man fing wie gewöhnlich ein allgemeines Ge­ spräch an, während dessen Nikolaus Rey, der einen I.

9

ISO mit Tigerfell gefütterten Oberrock trug, und um den Hals «ine goldene Kette, in die Pasteten ein­ hieb, und keinem Gerichte Pardon gab *). Nach­ dem er sich ziemlich gesättigt hakte, rief er, heiter und scherzhaft, wie er immer zu sein pflegte, der viel sprechenden Menge hastig zu: Lcnitc clamorera sodalcs

Et cubito remanete presso!

Zugleich schenkte er einen goldenen Decher voll Weins, leerte ihn ganz aus, und sagte: Siccis omnia nam dura Deus proposuit, neque Mordaces aliter diflugiunt sollicitudines.

Denke daran, sagte er weiter, sich zu Zanicki wem dend: neu miserabiles decantes Eiegos! Du hast einen Rebhuhnfuß und ein Stückchen in Wein mit Wasser getauchten Biscuit gegessen; kann man sich denn wundern, daß Du nachher traurige und klar gende Verse dichtest? Anders haben es Deine leib; tichen Brüder, Tibullus, Catullus, Propertius ge; macht; sie schrieben so wie Du, aber zugleich trän; ken und liebten sie auch. Es ist Jammerschade, daß ein so vortrefflicher Dichter so wenig ißt und trinkt. Bei diesen Worten hob Zanicki seine dun; kelblauen Augen auf, sein blasses Gesicht wurde leb;

131 Hafter, er sagte mit einem anmuthigen Lächeln*): Herr von Naglowicz, nichtAlles ist Allen gegeben, selten schreibt jemand so leicht und ißt mit solchem Wohlgeschmack als Zhr; Ihr habt auch Kräfte darnach, mir hat Gott eine schwache Hülle der Seele gegeben; überdieß steckt der schwer erlittene Verlust noch in meinem matt schlagenden Herzen; ich bin vielleicht mehr nur da als ich lebe **). Weg mit diesen düstern Gedanken, ließ sich Johann Kochanowski vernehmen. Du wirst mit uns und in der Nachwelt lange leben; Du singst in einer Allen gemeinsamen Sprache, uns werden nur die Slavonier kennen. Das ist auch noch sehr ungewiß, sprach Lazarus Andryszowicz, ein berühmter Buch­ drucker aus Krakau, wenn Zhr so lange mit dem *) Janicki beschreibt sich in stium also:

der

7ten Elegie Trl-

Invalidum mihi corpus erat viresque pusillac Prangeret cxiguiis quasque rrpentc lahor.

Forma decora satis, vultus non tnstis in ore, Non dubia ingenii signa pudous erant. Linguae usus sacilis, vox clara, coloris iniago Candida, et ad jus tu in facta statura modum; Cor subitum ad lacrymas, misercri melle gerebam etc.

**) Funcre patroni mca mens labcfacta senescit

. . . Spcs iuea ine postquarn et tulela reliquit Abjcci primae tristia Fi la lirae.

132 Sammeln und Herausgeben Eurer Schriften zögert; warum wollet Ihr sie mir nicht lieber anver-

trauen? Zhr sollet sehen, wie schön ich sie drucken werde.

Nach meinem Tode, sagte Kochanowski, kön-

net Zhr Euch mit meiner Frau darüber vergleichen, sie sammelt sorgfältig meine Brocken....

Wessen

Gesundheit werden wir trinken? unterbrach wieder

Rey von Naglowicz, nachdem er mit einem tüchtig

gen Stücke Hirschbraten fertig geworden.

Des Bi-

schoss Maciejowski, sagte Johann Kochanowski, er

ist ein wahrer Beschützer der Musen.

Recht gern,

rief der junge Zohann Zamoyski, wir wollen aber

noch die Gesundheit des Geistlichen Peter Myszkowfki hinzufügen! Das ist schön von Euch, unterbrach der Geistliche Orzechowski, daß Zhr für das lang­ wierige Pensum,

welches

Euch der

das Kron-Archiv zu ordnen*),

geistliche Unterkanzler aufgetra­

gen, dafür, daß er Euch durch diese schwere Arbeit Eure Gesundheit verkürzt,

trinken wollt.

noch seine Gesundheit

Sehet, fügte er, auf den jungen Za-

moyski weisend, hinzu, wie dieser junge Herr über

den Pergamenten blaß geworden ist! Zch preise die Geduld, sagte Rey von Naglowicz und langte mit

•) Geschichtlich. Sich' die Lebensbeschreibung I. moyski's.

133

der Gabel nach einem fetten gebratenen Kapaun, ich preise die Geduld, aber ich beneide sie nicht; über den vermoderten und bestaubten Büchern zu sihen, die Ausdünstungen von tausend Milben hinunterzuschlucken, dafür bedanke ich mich ganz ergebenst. Der Geistliche Bischof Kromer von Ermland hat dieß ohne Erfolg versucht. Es ist wahr, sagte Johann Zamoyski, daß dieß keine unterhaltende Arbeit ist, aber sie kann doch einmal nühen. Ueberdieß enthalten diese alte Schriften die frühesten Begebenheiten unserer Vorfahren; das zu wissen, was in unserm Geburrslande vor Jahrhunderten geschah, intereffirt mehr, und ergreift lebhafter, als die gewiß glänzen­ deren, aber fremden, am Tiber, Skamander, Eu­ phrat vorgefallenen Begebenheiten. Zch bin auch dem Herrn Zamoyski Dank schuldig, ließ sich Bartolomaus Paprocki hiren, daß er mir zu diesen merkwürdigen Sammlungen Zutritt erlaubt; ich war so glücklich, viele Nachrichten von den bedeutend­ sten Familien für mein Wappcnbuch auszuziehen. Zndem sieht Nikolaus einen Königlichen Bedien­ ten auf einer silbernen Schale einen großen Marzi­ pankuchen tragen, und ruft ihm zu: Her zu mir! hierauf nahm er ein Messer, schnitt die größte Halste davon ab, und sagte dann: Der Rest wird diese Her­ ren über und über sättigen. Zn einem Augenblicke

134 verschwand die Zuckermasse, und nachdem Rey einen

Decher Wein darüber gegossen hatte, sagte er zu Zar moyfli; Gestehet nur, daß dieß viel angenehmer schmeckt als der glücklichste Erfolg Leszko's des Weir

sen.

Zch liebe keine andere Arbeit, als solche, die

mich ergötzt, und zu der Zeit, wenn ich dazu gerade veniam habe. Zn solcher Zeit ergreife ich die Feder;

ein Paar hundert Verse in einer Stunde, das ist nichts für mich. Johann Kochanowski strich seinen

Schnurrbart, und sah mit unmerklichem Lächeln Zar Nicki an.

Ein jeder von uns, ließ sich Zanicki

vernehmen, arbeitet nach dem ihm von Gott verlier henen Talente. Zhr z. B. schöpfet mit einem imge; hcuren Kruge aus der Hippocrene; Herr Kochanow­ ski erhebt über Alles Davids Hymnen und die

Thaten unserer Ritter, in einer so schönen, bis jetzt

noch ungehörten Dichtung; der Geistliche Orzechow-

ski donnert mit der Feder des Demosthenes auf die Ketzereien des Stemkart; Herr Paprocki entwickelt

die verwickelten Knauel der adelichen Geschlechter; der Bischof Kromer verbreitet durch den Styl des

Livius die vaterländischen Ereignisse unter die Seinigen und unter die Fremden; eine mit ihnen ge­

meinschaftliche, aber viel schwierigere Arbeit, hat der junge Zamoyski über sich genommen. Zch von Euch

allen an Kräften der schwächste, schon nahe der Li-

135

bitina, besinge mit schwacher Stimme mein Leiden, und meine Dankbarkeit gegen Krzycki, gegen Kmita, die mich Verlassenen mit ihren Flügeln deckten. Glück­ lich bin ich, daß mir Gott vergönnt hat zur Zeit Au­ gustus geboren zu werden, wo, nach einem langen Ge­ klirre der Waffen, süße Gesänge der Musen ertönen. Tolle Polone, caput! satis est jacuisse malignis Hactenus in tencbris: tolle Polone caput! Bello clarus eras tantum, studiumque Gradivi, Inter vicinos, laus tua tota fecit. Iam nunc, pacificis Musarum ex artibus acceptum Incipis a Cricio nomen habere tuo *).

Hier hob sich August vom Stuhle auf, und mit ihm auch die Anderen, auch unsere Gelehrten stan­ den auf. Nikolaus aber fand noch Zeit, um das, was auf den Schüsseln geblieben war, rein aufzu­ räumen.

) I. Zanicki's Elegien.

136

Sechstes Kapitel. Schon hatte die Schloßglocke die siebente Mor­ genstunde angekündigt; der Lärm der Käufer und Verkäufer auf dem Markte von Krakau wurde im­ mer größer; auf dem Schloßplätze wurden große Wagen mit Geräthschaften der nach Masovien rei­ senden Königin Dona beladen. Der Wojewode von Sandomirien, Johann Tenczynski, der wie alle sei­ nes Alters früh aufstand, hob sich mit Hülfe seiner Waffenttäger und Vestarien von seinem Bette auf, knieete vor das Bild der Mutter Gottes, welches von Leonard de Vinczi verfertigt war, und betete lange. Nachdem er sein Gebet geendet, setzte er sich zu der mit Weinsuppe gefüllten silbernen Schale hin. Während er dieselbe einnahm, trat Herr Kor lyska, sein Hofmarschall, herein. Was giebt's, Herr Anton, fragte der Wojewode, hat mein Sohn Be­ quemlichkeit gehabt? Er schlaft wohl noch nach dem gestrigen Feste? Er ist schon aufgestanden, antwor­ tete Kolyska, eben ist Herr Francisko Lismanini von der Königin Mutter gekommen, mit der Bitte, daß er sich zu ihr hinbegeben möchte. Und wozu! ries

137 der Wojewode, ist etwa Firley zum Ueberdruß ge­ worden? Au solchem Dienste habe ich meinen Sohn nicht erzogen. Viele Herren, fügte der Marschall hinzu, haben sich schon in den Zimmern versammelt. Gebet mir meinen Rock! rief der Wojewode; und als er angezogen war, ließ er sich nach dem Saale hinbringen. Er fand dort einige Senatoren, viele Kreiebeamten, grißtentheils Sandomirer, eine Menge Hofleute, Kammerdiener und Waffenträger. Diese ersuchten ihn, ihnen zu Aemtern beim Könige zu verhelfen, jene zu Starosteien, andere endlich stell­ ten ihm ihre jungen Söhne vor, daß er sie an sei­ nen Hof nehmen möchte. Der Wojewode unterre­ dete sich mit Allen sehr freundlich. Allen zeigte er den Willen, dienstfertig zu sein; die vorgestellten Jünglinge nahm er an seinen Hof. Nach langen Gesprächen wollte er schon nach seinen Gemächern zurückkehren, als sein Sohn Johann Tenczynski er­ schien. Sogleich nahm ihn der ehrwürdige Greis an die Hand, und indem er ihn der ganzen Ver­ sammlung vorstellte, sagte er: Meine Herren, ich empfehle meinen Sohn Eurer brüderlichen Zunei­ gung, er diente im Auslande beim Kaiser Karl V. einzig deshalb, um sich zu dem Dienste seines Vater­ landes vorzubereiten; er wird sich bemühen. Eures Wohlwollens würdig zu erscheinen. Dieß sagend.

138 entfernte er sich und gab seinem Sohne ein Zeichen, ihm zu folgen. Sobald sich der Wojewode entfernte, lud sein Hofmarschall Kolyska alle Anwesenden zum Früh­ stück ein. Man machte die Thür nach einem noch größeren Saale aus, in welchem die Tafel für mehr denn hundert Personen gedeckt war, und sogleich von den Gasten und Hofleuten besetzt wurde. Die übrige Zeit des Tages wurde unter Vor­ kehrungen zu der Reise nach Wiszniz zugebracht. Heut zu Tage würde das kaum eine Stunde Zeit erfordern, aber in den Jahren, wo alles mit Pracht angeschickt wurde, wo ein Gewölk von Hofleuten nicht nur an den König, sondern auch an die vor­ nehmeren Herren sich anhing, machten die klein­ sten Besuche eine wichtige Vorbereitung nothwendig. Noch den Tag vor der Abreise des Königs nach Wiszniz schickte Karwicki, Königlicher Quartiermei­ ster, erst Wagen und Gerathschasten dahin ab, fer­ ner auch zwölf Gespann Pferde aus dem Königli­ chen Stalle zum Vorlegen auf den Stationen. End­ lich brach auch der König mit feinet Gemahlin un­ ter Freudengeschrei einer unzähligen Volksmasse auf. Außer den Senatoren und Kronbeamten ritt noch vor, hinter und bei dem Königlichen Wagen, auf muthigen Rossen, eine Menge von Hofleuten, Was-

139 fenträgern und reich gekleideten Pagen.

Die Köni­

gin Barbara, obgleich sie ein wenig unpäßlich war, begleitete doch den König auf dieser Reise, weil sie

fürchtete, daß der Wojewode Kmita ihr Nichter­ scheinen für Erinnerung an die früheren Beleidi­

gungen aufnchmen könnte.

Sobald sich die fünf

vergoldeten Thürme des Schlosses Wiszniz

sehen

ließen, erblickte man eine große Menge Reiter und

kostbare Kutschen, die dem Könige entgegen kamen. Es war Kmita, der Wojewode von Krakau und

Großhofmarschall der Krone, mit seiner Gemahlin aus dem Hause Herbut, Tochter des Zohann Herbut von Dobromil; Barza's und Stadnicki's, Schwester-

Söhne und Töchter vom Wojewoden; diese waren

in besondern Kaleschen und jene zu Pferde.

Die

umgebende Menge von Freunden, Hofleuten und Ritterschaft des Wojewoden, glich beinahe der Die­

nerschaft des Königs. Kmita, in einem ponceaurothen, durch eine mit

kostbaren Steinen

Oberrock, einem

besetzte

Schleife

festgehaltenen,

und in einem Kolpak von Zobel mit

dimnantenen Busche,

ritt

einen arabischen

Renner; das Hauptgestell desselben, der Sattel, der Sturzriemen, die Schabracke waren mit Perlen und

kostbaren Steinen beseht, die Steigbügel waren von Gold, von dem Kehlrtemen hing unter einem gol-

140

denen Monde eine lange von weißen Haaren und in Gold gefaßte Troddel. Nicht weniger kostbar war das Sattelzeug der Schwester-Söhne des Wojewoben und seiner vornehmeren Freunde. Einer der­ selben hielt aus der mit einem Handschuh von Elendthierhaut überzogenen Hand einen schincn Falken mit goldenem Ringe und goldener Kette. Als sich der Wojewode der Königlichen Kalesche näherte, stieg er vom Pferde ab, bewillkommete den König und die Königin, indem er ihnen die Hande küßte. Auch die Wojewodin kam heran und stattete der König­ lichen Herrschaft ihre Ehrerbietung ab, indem sie Höchstderselben zugleich ihre Schwester-Töchter und die Fräulein aus den ersten Häusern im Königreiche verstellte *). Die Bcwillkommungsreden dauerten so lange, daß schon die Roscnwolken der untergehcndcn Sonne erloschen. Schon brach eine dichte Dämmerung ein, als der König in die Thore des Schlosses Wijzniz einfuhr. Hier überraschte der Glanz der unzähligen funkelnden Lichter Aller Augen. Vier Flügel dieses *) Lies darüber Kromer, de Republica et Magistrat« Poloniae: nec pudendum aut dcdccori est hoc genus servitutis, sagt er, scd liberale ac sociabile: nec rara est in co vicissitudo, ita ut cum, quis habeat in ministerio, ejus parentibus ipse servirCL

141 großen Gebäudes, die Thürme, die Thore, die Ge­ simse waren mit Lampen erleuchtet; die Namenzüge

des Königs und der Königin, Sinnbilder und dazu

passende Ausschriften, brannten in verschiedenen Far­

ben.

Der Schloßplatz war mit einer Menge Rit­

terschaft und Volk angefüllt; das Glockengeläute,

der Trompeten- und Pauken-Schall, das Jubelge-

schrei, der an den hin und her wehenden dichten Hclmfedern und an der glänzenden Ritterrüstung zurückprallende Fackelschein, bemeisterte sich mit leb­

haftem Entzücken aller Sinne.

Die Treppen, die

Zimmer im Schlosse, waren mit den aus benachbar­

ten Wojewodschaften eingeladenen vornehmen Gasten vollgepropft.

Aller Augen wandten sich auf die

schöne Königin, als sie die Treppe betrat und mit

einem

grüßte.

anmuthigen Lächeln

die Versammelten

be­

Die über ihrem Gesichte verbreitete Blässe

einte mit dem Entzücken über ihre Reize ein inni­ ges und rührendes Mitleid.

Nachdem der Wojer

wode die beiden Majestäten in die für sie prächtig

eingerichteten Zimmer eingeführt hatte, geleitete er ebenfalls die Fürsten Radziwille, den Wojewoden

von Wilna und den von Troki, nach den ihrigen; der eine war ein leiblicher und der andere ein Halb-

Bruder der Königin. — Dem muntern Johann Tenczynski, ob er gleich seines jugendlichen Alters

142 wegen nicht viel Ansprüche aus Auszeichnungen zu haben schien, wurden sie doch mit großer Zuvorkom­

menheit zu Theil.

Aus fernem Südlande, sagte

Kmita, kam die Kunde Eurer Tapferkeit, durch

welche Zhr Euch sowohl im Kriege, als auch beim

Turnier rühmlichst hervorthatet, auch bis nach um serm Norden.

Der Kavalier, den Seine Majestät

der Kaiser Karl selbst zum Ritter geschlagen, hat das Recht auch Andern diese Auszeichnung zu er­

theilen. Zch erdreiste mich daher Euch zu bitten, im Beisein des Königs, unsers Allergnädigsten Herrn, meine beiden Schwester-Söhne, den Herren Darza

und Stadnicki, zu Rittern zu schlagen; es sind alle

dazu

nöthigen

Vorbereitungen

getroffen.

Möge

dieß Werk zum Bunde zwischen uns dienen, den

ich gern immer enger zu sehen wünsche! Tenczynski errieth nicht, keiten,

wohin diese Herzlich­

diese schmeichelhaften Reden zielten;

aber

der in Zähren vorgerückte Wojewode, der von zwei

Frauen, von

denen die erste Tochter des Eorka,

Burggrafen von Posen, und die andere Herbutowna war, keine Nachkommen hatte, gründete seine ganze Hoffnung auf seine Schwester-Söhne und Töchter,

nämlich auf Darza's und Stadnicki's: er wünschte also gern, daß die ältere, Hedwig Stadnicka, mit Tenczynsti in eheliche Verbindung treten möchte.

143 Als die beiden Majestäten ein wenig ausgeruhet hatten, begaben sie sich zum Abendessen nach einem dazu eingerichteten Saale.

Ihnen gingen die Groß-

marschälle, Kmita und Mielecki, mit ihren Stäben

voran.

Der König und die Königin sammt den

Senatoren saßen an einer besonderen Tafel;

der

Tisch bog sich unter dem vergoldeten Silberzeuge

und unter den goldenen großen Pokalen. Die Knappen und Kammerdiener des Wojewoden warteten

auf.

Beim Dessert überreichte die Wirthin der Er­

lauchten Herrschaft einen Marzipankuchen und pries ihn an, weil er von ihrer Schwester-Tochter gebacken sei.

Kmita, der auch ein Held beim Glase war,

füllte einen massiv goldenen Pokal mit Malvasier und leerte ihn auf die Gesundheit der Königlichen Herrschaften aus.

Als dieß auch die Anderen tha­

ten, so bebten die Schloßfeyster vom Knalle der

Kanonen, der Pauken, Ausruf der Anwesenden.

der Trompeten und vom

Der König trank mit

einem kleinen Glase die Gesundheit des Wojewoden. Nach geendigter Abendmahlzeit näherte sich der schon ein wenig berauschte Kmita dem Könige ehr­

erbietigst und sagte:

Allergnädigster Herr, ich wage

Eurer Königlichen Majestät eine Bitte vorzutragen.

— Und worin besteht sie? fragte der König. —

Eure Königl. Majestät

wollen

allergnädigst

dem

144 Herrn Tenczynski erlauben, meine beiden SchwesterSöhne, den Barza und Stadnicki, zu Rittern zu schlagen. — Sind sie auch dazu vorbereitet? — Vollkommen, versetzte der Wojcwode, die letzten Ce­ remonien werden sie diese Nacht verrichten. — Recht gern, antwortete der König; mag dieß mor­ gen geschehen. Kmita rief seine Schwester-Söhne herbei, und diese küßten des Königs Hand. Nachdem die beiden Zünglinge einige Tage vor­ her mit Beten und Buße zugebracht hatten, gingen sie in Gesellschaft der Pathen, dir man wie bei der Taufe erbittet, nach der Kapelle, beichteten dort und nahmen das heilige Abendmahl. Um zehn Uhr er­ schienen beide Königliche. Majestäten und der ganze Hof in einer zu dieser Feierlichkeit ausgcschmückten Loge; auf einem erhöheten Stuhle der Loge gegen­ über saß Johann Tenczynfli in reicher Kleidung und nur in leichter Rüstung. Der Weihbischof von Krakau, Podlodowski, las die heilige Messe. Als diese geendigt wurde, sah man zwei Zünglinge in weißer Kleidung und mit um den Hals Hangenden Schwertern sich dem Hochaltar nähern und dem Geistlichen Podlodowski die Schwerter überreichen; nachdem er sie geweiht hatte, hing er sie Barza und Stadnicki um den Hals, welche mit gehaltenen Händen und mit andächtig niedergcsenkten Augen vor

145 vor den jungen Tenczynski hinknieeten, und ihm ihre Schwerter überreichten, bittend sie zu Rittern zu

schlagen.

Warum verlangt Zhr diese Ehre? fragte

Tenczynski.

Um würdig den heiligen Glauben, das

Vaterland, den Kinig und die bedrängte Unschuld zu vertheidigen.

Entsaget Zhr auch, fragte Tcn-

czynski, allen Thaten, die die Ehre der Ritterschaft

beflecken könnten: der Feigheit im Kampfe, der Un­ ehre im Frieden, der Heuchelei, der Schmeichelei und dem schändlichen Handwerke eines Zwischenträ­

gers? Wir entsagen diesem Allen, riefen die Jüng­ linge aus.

Hier reichten die Hofdamen die Rüstung

nach der Reihe, zuerst den linken Sporn, darauf den Panzer, die Armspangen, den Hände- und Bein-

Harnisch, endlich die Schwerter.

Alsbald hob sich

Tenczynski vom Sitze auf, und nachdem er den De­

gen gezogen hatte, schlug er die Kniecnden dreimal auf die Schultern mit der flachen Seite und einmal

mir der flachen Hand auf die Wangen.

Dieß sollte

nämlich bedeuten, daß wenn sie würdig die Pflichten

ihres Standes erfüllen wollten, so sollten sic sich

zum geduldigen Ausdauern aller Widerwärtigkeiten vorbereiten.

Tenczynski,

sie noch einmal mit dem

Degen berührend, sagte zu jedem: Zm Namen Got­

tes, des heiligen Michaels und des heiligen Georgs, sei tapfer, muthig und treu. Sogleich reichten ihnen

l.

10

146

die Waffenträger den Helm, den Schild und die Lanze. Auf dem Schloßplätze standen reich ange, schirrte tartarische Pferde, auf welche die Zünglinge, ohne den Fuß in den Steigbügel zu sehen, hinaufsprangen, und stolz auf die neue Würde, tummelten sie ihre Rosse, schwenkten die Lanzen und die scharr fen Schwertklingen in der Luft*). Kmita hatte ein Turnier veranstaltet, da aber Sigmund August es ebenfalls auf die in kurzem statt findende Krönung der Königin Barbara angekündigt hatte, so bat er, daß dieses Spiet zugleich abgehalten werden sollte. Die übrige Tageszeit brachte der König mit der Besichtigung der inneren Gemacher im Schlosse Wiszniz zu. Ueberall blihten ungeheure Stöße von Silberzeug und Gold, silberne Wannen, Zubern, Perlenmuscheln auf Gestellen von kostbaren Steinen, goldene hohlgearbeitete Statüen, und verschiedene andere merkwürdige theure Sachen. Am längsten verweilte der König bei den Bildnissen und Gemählden, die an alte be­ rühmte Polen und an die durch sie errungene Siege erinnerten. Man sah dort das Dildniß des Goworek, eines unzertrennlichen Freundes von Leszko dem Weißen; ein Bild des Dodzanta, Erzbischofs ) Sieh die memoires von der alten Ritterschaft.

147 von Gnesen, der den Urgroßvater des Königs zum Könige von Polen gekrönt hatte; des Zbigniew Ole-

snicki, dem derselbe König in der Schlacht bei Grün­ wald sein Leben zu verdanken hatte; des durch Helden­

thaten weltbekannten schwarzen Zawisza.

Die Ge­

mählde der Siege waren nicht weniger interessant;

sie

stellten den ruhmvollen Sieg über die Kreuzritter bei Pilawce vor.

Das Fußvolk, wie es ganz aus­

gerüstet, in zehn gedrängten Kolonnen, mit langen

Spießen gegen den Feind vorrückte; die nicht nur bepanzert war,

die Reiterei,

sondern auch ihre

Pferde, deren Köpfe und Brüste Eisenblech umzog. Auf einem solchen Rosse war der König Wladislaw

Lokietck (der Ellenlange) abgcbildet, der mitten unter dem schrecklichen Gemetzel den Comthur der Kreuzrit­

ter mit seiner Lanze vom Pferde zu Boden warf. Die Königin Barbara überging in Eile diesen mörderischen Anblick, und heftete lange ihre Augen

auf ein Gemählde, welches die Hochzeit des Wla­ dislaw Zagiello mit der schönen Hedwig vorstellte. Es übertraf auch wirklich durch

die

schöne

alle andere Gemählde

Zusammenstellung

der

Figuren,

durch den Ausdruck der verschiedenen Gemüthsbe­

wegungen in den Gesichtern,

durch die Lebendig­

keit der Farben, durch Reichthum und prächttge Kleidung,

und endlich

durch

die ganze Darstel-

10 *

148 ist

lung dieser Scene.

Wie schön

Hedwig!

leise Barbara

sagte ganz

die Königin

zu

Sigmund

Nicht schöner als mein Därbchcn, flüsterte

August.

der König, ihr

die Hand

drückend.

Gott gebe,

fügte die Königin hinzu, daß Du mich langer behal­ ten möchtest, als Wladislaw seine Hedwig!

Wozu

diese traurige Gedanken, sagte ihr Sigmund August

innig gerührt, quäle mich doch nicht immer damit;

daß alle

denke,

unsere Widerwärtigkeiten

beendet

sind, baß Gott der Allerhöchste uns von nun an eine

Reihe

heiterer

Tage

zu

genießen

vergönnt.

Gebe Gott! antwortete Barbara mit Seufzen.

Hier meldete Peter Baranowski,

schenk von Petrikau

woden, faßte

daß die Tafel servirt wäre.

seine

sich nach

Gemahlin

der

Mund­

und Hofinarschall des Woje-

an

dem Speisesaale.

der Hand

Der König

und

begab

Das prächtige

Mahl

dauerte beinahe bis gegen Abend.

Der Wojewode,

selbst fleißig dem Glase zusprechend, forderte recht

häufig Alle zum Trinken auf;

er wandte sich oft

zum jungen Tenczynski, neben welchen er absichtlich

seine Schwester-Tochter gesetzt hatte, in der Hoff­

nung, daß der durch den Wein erglühte Jüngling sich ihr mit Freuden und

der

Geist

erklären

werde.

dieses Fräuleins

Die Reize

bedurften solcher

Hinterlist nicht; aber diese jungen Leute hatten sich

149 gelernt, und sich gegenseitig ihre Gefühle

kennen

anvertraut.

Indessen trat der recht ordentlich be­

rauschte Kmita, niemals freigebiger als am Ende eines Gastmahles, näher zum Könige, beugte sein Knie und bat August, ein

kleines Geschenk zum

Andenken, daß er seine Schwellen beehrt hätte, an­ zunehmen.

Es war dieß ein Pokal von Zaspis,

worauf die Namenzüge

der Königin, B. R. mit

einer Krone darüber, die aus großen Diamanten zu­

sammengesetzt, eingegraben standen.

Darauf wandte

er sich zur Königin und sagte: Auch Zhr, Erlauchte Frau, nach unseren Reichs-Gesetzen Polens Königin und nach Euren Reizen Beherrscherin von Cypros,

geruhet von Eurem Diener dieses Andenken anzu­ nehmen. einen

Hier legte er vor die Königin Barbara

von großen Saphiren mit Perlen besetzten

Halsschmuck, der in der Mitte einen Onyx mit dem recht gut getroffenen gravirten Bildnisse des Königs hatte.

Die beiden Majestäten sahen sich an, denn

diese Geschenke brachten sie in Verlegenheit, indem sie aber den vom Wein brausenden Wojewoden nicht

beleidigen wollten, nahmen sie dieselben an.

Hie-

mit hatte die Freigebigkeit des Wirthes noch kein Ende; alle Herren und Königlichen Hofleute erhiel­

ten

von ihm Andenken.

Einige Pferde,

andere

Ringe, noch andere Ketten, Goldbrocat und ähn-

150 liche Sachen. Tenczynfti mußte die ganze Rüstung und den Helm, die einst einem Ahnherrn Kmita's, Zawisza dem Schwarzen, gehörte, annchmen; diese ganze Rüstung war mit schwarzem Schmelz, und dicht mit Sternen von orientalischen Perlen über­ säet *). Keinem wird wohl, sagte er, diese Rüstung mehr zukommen, als Euch, denn Zhr seid der Zar wisza unserer Zeit. Nachmittag sehte sich der König an den Spiel­ tisch, und man spielte Fluß, **) wobei drei Könige nöthig waren, um zu gewinnen. Der scherzhafte Herr zeigte deren zwei, und sagte: Ich habe ge­ wonnen. Allergnadigster Herr, sagte der mit ihm spielende Spytek von Zatliczyn, Unterschatzmcistcr der Krone, ich sehe aber nur zwei Könige. Soll ich denn für nichts gelten? versetzte August, ich bin ja der dritte ***). *) Convivia crebra, sumptuosa, scd ebria cgit, in bis dclcctabatur convivas vino obrucre ebriosquc sa-

ccre, paribus cum eis certarc poculis. Inter quae donare solebat militaribus viris, equos: vestes, annulos, lorques, pccuniam et caetera id gcnus donaria, quae orationis suac jucunditate acceptissima illis faciebat. Vita Petri Kmitac. p. 270. cdit. Dobromil.

Oer Fluß im Kartenspiele, besonders im Piquet, alle auf einander folgenden Blätter in einer Farbe. ••e) Diese Anecdote hat und Kochanowski in seinen Apophtegmatcn aufbcwahrt.

151

Eben senkte die Sonne ihr« lehten Strahlen, als ein Schein von vielen tausend brennenden Lich­ tern von den Fensterscheiben des Schlosses Wiszniz abprallte. Nachdem der Kinig und die Königin dieß erblickten, eilten sic sogleich nach dem Garten hin. Welch ein Anblick überraschte ihre Augen! Der ganze Lust- und der daranstoßende Thiergar­ ten brannten in unzähligen Feuern. Die Gewässer, die sich durch diese Haine schlängelten, waren in allen ihren Biegungen von mehren strahlenden Lampenreihen umgeben. Dieses Feuer, die lazurblaue Wölbung des Himmels mit Tausenden von funkeln­ den Sternen übersäet, an dem reinen Kristall der Gewässer zurückprallend, stellte den staunenden Augen ein flimmerndes Feld von Saphiren und Diamanten dar. Zn den vielfarbigen Lampen, die an den Bäumen hingen und verschiedene Früchte verstellten, glänzten ponceaurothe Granaten, goldene Pomeranzen und andere brennende Gaben Pomona's. Die Gewinde von Zasmin und frischen Ro­ sen, die eine lange Reihe großer Pomeranzenbäume vereinigten, füllten die Luft mit einem sehr ange­ nehmen Dust. Hier und da hingen Schilder im dichten Feuer, die die Namenszüge des Königs und der schönen Königin führten. Am Ende einer un­ übersehbaren Allee von Lcrchenbäumcn, am Ufer kla-

152 rer Bäche, erhob sich ein runder korinthischer Tem­

pel, der ganz von brennenden Lampen bedeckt war. In der Mitte desselben sah man ein durchsichtiges

Gemählde in natürlicher Größe mit den Bildnissen

Sigmund Augusts und der Königin Barbara; eine allegorische Göttin, die das Land Polen vorstellte,

vereinigte ihre Hände, Und unten las man folgende Inschrift: Euch, von Liebe durchglüht, vom Heimathsbande um­ schlungen,

Wahret das treue Volk, fühlt hoch sich beglückt. Höher schlage Dein Herz, o König, als je eS geschlagen,

Jeglicher Pole ist Deiner Kinder ja eins.

Za, sagte der König mit Rührung, ich sehe in Euch meine Kinder; aber möget auch Ihr mich als Euren Vater betrachten, und mir als Eurem Va­ ter vertrauen? Hier kamen den beiden Königlichen Majestäten muntere Jungfrauen und junge Knaben,

weiß gekleidet, mit himmelblauen Bändern gegürtelt, entgegen; über ihnen schwebten auf silbernen Flü­ geln Kinder, in Gestalt der Engel, warfen duftende

Blumen herab, und sangen folgende Strophen: Kommt, den

Hohen

laßt

uns singen, Ihn, den

Mächtigen, laut erheben,

Der mit seltner Herrschertugend Nationen fest umschlingt;

153 Freudig eilen wir entgegen, Huld'gungsopfer Ihm zu

weihen, Wie die Lieb' sich ihrer freut, wie die Treue gern sie

bringt.

Wo die Morgensonne strahlet'und die Abenddämme­

rung schaltet, Bringen mächt'ge Fürsten gerne Dir, dem Herrn, ihren

Zoll; Preußens Heere, Pommerns Mannen, und der Moldau

freie Sassen Beugen vor Dir, mächtiger König, ihre Knie ehrfurchtvoll. Wie die Palme hoch erhaben, wie die zarte Lilie blendend,

Wie die Rose voller Reize, sichert Dir das. beste Glück,

Heiter wandelnd an der Seite, holde Anmuth ringsum spendend,

Die Erkohrne Deines Herzens, Hoheit strahlend, Huld ,

im Blick.

Wandelt lange, wandelt heiter durch die Reihe fer­

ner Jahr',

Und nichts hemme Eure Schritte auf des Glückes rossger Bahn!

Neues Leben fühlt der Schwache, Heil und Glück er­ faßt ihn ahnend,

Blickt zu Euch, von Hoffnung trunken, froh hinauf der Unterthan.

Nie sollst beugen Deine Aeste, niemals dorren an

der Krone, Du, deß Scheitel Wolken theilet, edler Jagiellonen Stamm;

154 Neu erblüh' ein hehrer Sprößling, angestammter Tu­

gend Erbe, Sei der Enkel sichre Waffe, Unheilswogen fester Damm.

Heute naht in milden Tönen Deines Volkes sanfte Freude,

Aber mächt'ger wird erklingen der Drommete starker Ton, Wenn, deS Siegers Ruhm zu preisen, sich die weiten

Schaaren sammeln,

Und gebunden Feinde beben vor deS mächt'gen Herrschers Thron.

Herr der Zeiten, dessen Rechte sicher deckt den Freund der Tugend,

Hüll' in Deines Schutzes Flügel treulich die Getreuen ein!

Laß des Unglücks Schauertiefen und die Schlingen des DerratheS

Fern von unserm Daterlande und vom theuern König sein!

Dem Tempel gegenüber wurde ein reiches tür­ kisches Zelt aufgeschlagen, welches mit Perlen und Gold gestickt war, seine aufgehobenen Seiten zeig­ ten einen für die Erlauchte Herrschaft bereiteten Tisch. Die Chöre schwiegen, beide Majestäten setz­ ten sich auf eine crhöhete Stelle; in der Ferne ließ sich die Musik von Blase-Instrumenten hören. Alle überließen sich der Fröhlichkeit, als plötzlich das durchsichtige Bild, dem Tempel gegenüber, von Flam-

155 men ergriffen wurde.

Von allen Seiten eilte man

um es zu retten; man rettete nur eine Hälfte, die

andere, die das Bildniß der Königin darstellte, lo­ derte in Flammen auf.

Als dieß die Königin Bar­

bara bemerkte, wurde sie ohnmächtig, und ließ ihr

blasses Gesicht in die Arme des Königs sinken. Die allgemeine Freude wurde in Bestürzung verwandelt. Der König war zuerst um seine Gemahlin geschäftig,

sie zu sich zu bringen; die Aerzte sprangen herbei, und durch Hülfe derselben öffnete die Königin Barbara ihre

schönen Augen. Ach, alles, sagte sie seufzend, bestätigt

die traurige Ahndung meines nahen Endes!—Die­

ser Vorfall unterbrach ein so glänzend vorbereitetes

Fest. Beide Majestäten begaben sich zeitig nach ihren

Gemachern zurück, wo gefühlvolle Sorgen Sigmund Augusts die traurigen Eindrücke der Königin Bar­

bara zum Theil beruhigten, und ein wohlthätiger Schlaf ihre ermatteten Kräfte wieder stärkte.

156

Siebentes Kapitel. Die gestrige Schwachheit der Königin berücke sichtigend, brachte der König den folgenden Tag noch in Wiszniz zu. Kmita, reich am Erfinden neuer Vergnügungen, unterhielt seine versammelten Gäste, obgleich mit weniger lauten als am vorhergehenden Tage, doch mit nicht weniger angenehmen Ergötzlichkeiten. Der König zeigte sich selten, in seinen Gemächern eingeschlossen mit Johann Tarnowski, mit andern vertrauten Senatoren und Bischöfen, (auch Kmita wurde zugelassen), berathschlagte er über die Krönung der Königin Barbara. Es schien Augusten, daß zu seinem Glücke noch etwas fehle, so lange er die Stirne deren, die alle Gefühle fei; ner Seele ganz eingenommen hatte, nicht mit einer Königlichen Krone geschmückt sehe. Wegen der nach den letzten Unruhen noch nicht besänftigten Gemüther, hielten es die Ratheherren nicht für gut, dieser Angelegenheit halber einen Reichstag zusam­ men zu rufen, und erklärten es für besser, eine andere Feierlichkeit zu diesem Zwecke zu benutzen. Nach alten Gebräuchen, sagte Tarnowski, müssen

157 die Lehnsherren bei der Thronbesteigung jedes Kö­ der verwalteten Provinzen, Huldi­

nigs, Namens

gung abstatten.

Diese Fürsten wurden davon in

Kunde gesetzt, und einige sind schon in Krakau an­

gekommen, auch die Statthalter der Provinzen sind

Wir wollen die Gelegenheit zur

zusammenberufen.

Krönung der Königin, Unserer Allergnädtgsten Frau,

benutzen.

Alle stimmten der

des Kra­

Meinung

kauer Herrn bei, und der König war höchlich dar­

über erfreut. Man schickte sogleich nach Krakau ab, um die nöthigen Vorkehrungen zu diesem Tage zu

beschleunigen. Als der König

den Tag darauf nach Krakau

abreiste, und dem Wojewoden für seine gastfreund­

schaftliche Aufnahme dankte, überreichte er ihm ein in

ponceaurothen

Sammet

eingebundenes Perga­

ment mit einem großen in goldener Kapsel Hangen­ den

Siegel;

dieß

war das Privilegium

reiche Starostei von Przemysl.

für die

Barbara in dersel­

ben Zeit von der Wirthin Abschied nehmend, be­ schenkte sie mit einem großen Ringe, der einen kost­

baren citronensarbigen Diamant enthielt.

Mit Ehr­

furcht, sagte Frau Kmitowa, nehme ich diese Gabe an, sie wird mich und meine Nachkommen daran erinnern, daß Wiszniz das Glück hatte seine Köni­

gin zu besitzen.

Doch um noch

etwas Größeres

158 wage ich zu bitten: Wollet, Durchlauchtige Frau,

gnädigst geruhen, unsere Schwester-Tochter, Fraulein

Stadnicka, an Euren Hof zu nehmen. antwortete die Königin Barbara.

Recht gern,

Ihr könnt ver­

sichert sein, daß ich für sie wachsame Sorgfalt tra­

gen werde, und ich möchte sie jetzt

gleich mit­

nehmen.

Nach Ankunft der Erlauchten Herrschaft in der Residenz, bestimmte man einen Tag zur Krönung

Die ganze volkreiche und

der Königin Barbara. begüterte Stadt war

gung.

in außerordentlicher Bewe­

Die Lehnsfürsten

bereiteten sich vor;

die

Ritter, welche beim Turnier wetteifern sollten, po-

lirten

ihre Rüstung und

ihr

reiches Sattelzeug;

ansehnliche Läden der italiänischen, flamländischen, türkischen, schotttschen Kaufleute konnten die Menge derer, welche Gold- und Silber-Stoff, Sammet, Perlen und kostbare Steine begehrten, nicht fassen.

Diese so bedeutende Versammlung wurde noch durch die Ankunft des Erzherzogs Ferdinand, Bruders des Königs von Ungarn, so wie auch durch die

Gesandten ftemder Monarchen, der deutschen, ita­ liänischen, venetianischcn und anderer Fürsten, ver­ größert.

Endlich rückte auch

der feierliche Tag heran.

Zn der Kirche versammelten sich die Rathshcrrcii,

159 die Geistlichkeit, die auswärtigen Gesandten und die Vornehmsten beiderlei Geschlechtes aus dem ganzen

Königreiche.

Der König Sigmund August erschien

mit der Krone auf dem Haupte mit den ihm vor­ angehenden Senatoren, Neichsbeamten und Groß­

marschallen, und führte die Königin Barbara an

der Hand. Bei diesem Anblick ließ sich das Gemur­

mel einer angenehmen Verwunderung unter der ver­ sammelten Menge hören.

Die Königin trug einen

sammetenen Krönungsmantel, mit Hermelin gefüt­

tert; unter demselben sah ein Kleid von Silberstoff

hervor.

Schwarze Haarlocken, die auf die entblöß­

ten Schultern herabfielen, waren die ganze Zierde ihres Hauptes.

Zn ihrem

blassen und traurigen

Gesichte bemerkte man eine ungewöhnliche Bewe­

gung, und sogar eine stille Thräne entquoll öfters den durch lange Wimpern verdunkelten Augen auf

die zarten Wangen herab.

Diese innere Rührung,

die Bescheidenheit, und überhaupt die für die Tage der schönen Königin Bcsorgniß

erregende Blasse,

machten sie allen Herzen über allen Ausdruck werth und theuer.

Beide Majestäten ließen sich auf einen für sie zu­

bereiteten Thron nieder. Die heilige Stätte war mit

lieblichen Weihrauch-Düften angefüllt, der Dampf

stieg bis an die alterthümlichen Gewölbe, und an die

160 lazurblau und ponccauroth schimmernden Fenster; ein entzückender Gesang von ausgesuchten Stimmen ließ

sich auf dem Chore hören, als der Erzbischof Pri­

mas Dzierzgowski die Messe anstimmte.

Nach Be­

endigung derselben stieg der ehrwürdige Priester an

der Spitze der gesammten Geistlichkeit die Stufen des Altars hinab; jetzt reichte der Erzherzog Ferdi­

nand der Königin die Hand und führte sie vom Throne herunter.

Der Primas salbte sie an ihren

schneeweißen Schultern mit geweihtem Oehle, und

setzte auf ihre Stirn die Krone der Königin Hed­ wig.

in

Innere Bewegung und Erschütterung hatten

diesem Augenblicke Darbarens schwache Kräfte

erschöpft, so daß sic, ohne die ihr schleunigst gereich­

ten Wohlgerüche, ohnmächtig geworden sein würde. Die nahe stehenden Herren kamen sogleich hcrbeigc-

eilt und führten sie auf den Thron.

Sigmund Au­

gust, einerseits von Freude durchdrungen, daß dieß

höchste Zeichen der Königlichen Würde seine vielge­ liebte Gemahlin bekränzte, andererseits beunruhigt, daß

eine solche Erschütterung für sic schlimme Folgen ha­

ben könnte, umarmte sie unter herzlichen Thränen.

Bei diesem Anblick erscholl der ganze Tempel vom

Ausruf: Es lebe der König und die Königin! Die­ ses Frcudcngcschrci ermunterte die schwache Barbara

ein wenig. Nach

161 Nach beendeter Krönungs-Ceremonie, trat zuerst

ein Herold in seiner ganzen Rüstung aus, und rief mit starker Stimme: Die Fürsten und Lehnsherren des Königreiches Polen mögen zur Ablegung des

Eides der Treue naher treten!

Sogleich machten

die den Thron umgebenden Reichsbeamten und vor­ nehmen Herren Platz.

Albrecht der Herzog von

Preußen schritt voran.

Er trug ein atlassenes, mit

goldenen Gittern gesticktes, eng anliegendes Unterkleid,

über demselben einen rothsammetenen mit Hermelin gefütterten und mit breiter

Mantel;

Goldstickerei gezierten

in der Hand hielt er einen hohen umge-

krämptcn Hut mit Straußfedern und einer diaman­ tenen Agraffe. knieete

er

Als der Herzog naher getreten war,

auf die Stufen

des Thrones

nieder.

Maciejowsti, Bischof von Krakau, reichte ihm das

heilige Evangelium hin, worauf der Herzog Albrecht

die Hand legte und schwur, daß er als wahrer Un­ terchan seinem Herrn, dem Könige von Polen, treu und gehorsam sein wolle.

Nach diesem abgelegten

Eide küßte der Herzog dem Könige Sigmund Au­

gust das Knie,

und dieser hing ihm eine goldene

Kette um den Hals.

Weiter traten vor-, der Her­

zog von Pommerellen, der von Kurland und der Wojewode von der Wallachei, und legten auf eben die­

selbe Weise ihren Eid ab, nur mit dem Unterschiede,

I.

11

162

daß dem Hospodar von der Wallachei der Erzbischof von Lemberg nach der bei den Griechen gebräuchlichen Weise den Eid vorlas. Der Donner des Geschützes, Paukens und Trompeten - Schall, beschlossen diese Feierlichkeit, nach welcher die Fürsten, die auswär­ tigen Gesandten und die polnischen Magnaten zu einem glänzenden Gastmahle auf das Schloß von Krakau eingeladen wurden. Diesen Abend wurde auch das ritterliche Tur­ nier in geschlossenen Schranken auf dem Markte der Stadt eröffnet. Der Markt stellte zu dieser Zeit einen angenehmen Anblick dar. Alle Gallerten und Fenster waren mit kostbaren Teppichen geziert, und mit einer Menge Zuschauer, vorzüglich des weibli­ chen Geschlechts, angefüllt. Die sehr mannichfaltigen reichen Kleider, die auf den Gesichtern der munteren Jungfrauen sich lebhaft malenden Bewe­ gungen, welche an dem Erfolge der Ritter Theil nahmen, zogen auch den minder Aufmerksamen an sich. Auf einer erhabenen Gallerte des Rathhauses saß der König Sigmund August mit seiner schönen Gemahlin und mit den Königlichen Prinzessinnen, seinen Schwestern. Etwas tiefer die Kampfrichter. Wir wollen uns bei den Einzelnheiten dieser rit­ terlichen Uebungen nicht aufhalten. Es wurde Tur­ nier mit scharfen Waffen und ein Ringel-Rennen

163 gehalten. Wolski mit Kiezgal, einem angesehenen Edelmanne aus Litthauen, brachen Lanzen, und be­ gegneten einander tapfer; das Ringel-Rennen hielt Kosmowski mit dem Stallmeister des Herzogs von Preußen*); Zohann Tenczynffi kämpfte mit einem unbekannten Ritter in schwarzer Rüstung mit ge­ schlossenem Visir. Das Turnier begann in Masse; 48 Ritter, in zwei gleiche Parteien getheilt, sie sowohl als ihre Rosse gerüstet, stürzten in vollem Galopp gegen einander. Da hörte man das Kra­ chen der an den Rüstungen und Schilden brechenden Lanzen. Die Ritter gerieten unter einander, und ihre farbigen Helmfedern neigten und beugten sich wie ein Wald von verschiedenartigen Bäumen, wenn ihn die Winde bewegen. Die Pferde einiger Rit­ ter stürzten beim starken Aneinandertreffen hin, so daß die Erde zitterte. Vor Schrecken schrieen die auf das blutige Treffen Hinschauenden Jungfrauen, und als der Kampf immer hitziger wurde, gaben Trompeten das Zeichen des Waffenstillstandes. Un­ ter allen Rittern erhielt Johann Tenczynski und der schwarze Ritter den ersten Dank, die Andern erhielten weniger kostbare Geschenke, sie bestanden in Kränzen von theuren Steinen, schönen Rüstungen, großem Pokale u. s. w. e) L. Gornicki S. 346.

164

Wahrend dieses ernsten Kampfes erweckte der unbekannte schwarze Ritter die meiste Neugierde. Er kämpfte mit geschlossenem Helme, und führte auf dem Schilde zwei unter Sturm und Blitz sich er­ fassende Hande, mit der Ausschrift: Es ist vor­ über ohne sie getrennt zu haben. Der Ritter war von schöner Gestalt, und in der That hatte auch manche Dame ihre Augen auf ihn gerichtet. Zch möchte viel darum geben, sagte Fraulein Tomicka, wenn ich wüßte, wer dieser Ritter ist. Gewiß ist es ein Ausländer, antwortete Fraulein Drohoiewssa-, man sagt, daß er sich seit einigen Tagen heimlich in Krakau aufhalt. Er ist meiner Kundschaft nicht ent­ gangen, ließ sich der hinter den Damen stehende Herr Szperalsti (Spürer) verlauten; ich weiß, daß er in einem besonderen Hause auf der Wesole wohnt, und mehrere Hofleute um sich hat, die ihm mit der größten Ehrerbietung begegnm; sie reden eine der deutschen ähnliche Sprache. Habt Zhr wohl be­ merkt, ließ sich die junge Wittwe Latalska verneh­ men, wie er, das Pferd tummelnd, immer seine Au­ gen auf den König gerichtet hatte? Daraus darf man wohl schließen, daß er ein souverainer Fürst jenseits des Meeres sein muß; dieß zeigt auch das Symbol seines Schildes. Und wie er beim Empfang des mit Diamanten besetztm Kranzes sich vor den Prim

165 zessinnen Anna und Sophie verbeugte! Auch die Dürgerstauen von Krakau sparten ihre Demerkungen nicht. Die Frau Dürgemeisterin und Schippen-Frauen trugen Zuppan, reiche Kontusche, Kolpake von Zo­ beln und dreimal um beit Hals geschlungene goldene Ketten. Zch muthmaße, sagte die Frau des Syn­ dikus, wer dieser heimliche schwarze Ritter ist; ge­ wiß Antonio Zechini, der Sohn des reichsten Banquiers in Venedig, des Corresponbemen meines Mannes; von ihm erhalten wir die schönsten Sei­ denzeuge. In seinem letzten verzweiflungsvollen Briefe schreibt er meinem Manne, daß sein Sohn, Antonio Zechini, sein Comptoir verlassen, und mit­ hin auch die Hoffnungen auf die größten Reichthü­ mer, den Helm und die Lanze genommen habe und in die weite Welt gegangen sei, um ritterlichen Ruhm zu erwerben. Der Unbesonnene! als wenn es nicht besser wäre, durch Handel die Kisten mit Golbscubis zu füllen, als einige grüne Blätter für die nicht selten blutige Stirn zu gewinnen. Ach bin ganz anderer Meinung, sprach Aungfer Wicrzynkowna, mir würde ein Ritter, der sein Roß schön tummelt, die Ringe gewandt herunterholt, wacker die Lanzen bricht und murhig die bewaffne­ ten Glieder des Feindes durchschneidet, immer mehr

166 gefallen, als ein goldgieriger, dicker Kaufmann in

seinem Comptoir, der Sinn für Nichts hat. könnt in Gottes Namen auf den Herrn

Ihr

Zechini

warten, unterbrach sie ein wenig zornig die corpm

lenke Frau Blawacka, bis er einen Lorberkranz zu Euren Füßen niederlegt, — für meine Agnes wünr sche ich keinen Andern, als einen jungen Mann von

der Handlung.

Ein reiches Comptoir gilt bei mir

mehr, als ein hundert Ahnen zählendes Geschlecht.

Du hast ganz Recht, mein Herzchen, ließ sich ihr

Eheherr, der seinen Schnurrbart strich, verlauten; hätten wir nicht Schiffe in Danzig, und Handel

in Venedig, würden wir denn wohl diese Pracht, die so herrlich, sowohl auf der Königlichen Gallerte, als auch in den Schranken glänzet, sehen?

Und

was würde aus Euren Schiffen, aus Eurem Ham

del werden, sagte Herr Snopkowski (Garben) ein

Gutsbesitzer aus Sandomirien, wenn unser Weihen wäre? Zm Acker, im

Acker, edle Herren,

steckt unser ganzer Reichthum.

Ackerbau und Han,-

nicht

del, antwortete Herr Sklepkowski (Laden), reichen einander gegenseitig und hülfreich die Hände.

Als

sie diese Worte gesprochen, sah man die Kronmar-

schälle ihre Stäbe aufl)eben. neigte mit Würde

Der König erhob sich,

sein Haupt;

die Königin und

Infantinnen standen auch auf, und

begaben sich.

167 unter Pauken- und Trompeten-Schall und unter Freudenbezeigungen der ganzen Versammlung, nach dem Schlosse.

Am Tage nach dem Turnier, als sich eben der

junge Tenczynskt angekleidet hatte, trat der Secretair des Bischofs Maciejowski zu ihm herein, mit der

Bitte, sich zu seinem Herrn zu begeben.

Wir lassen

Euch, Kavalier, nach Euren Reisen nicht ausru­ hen, sagte der Kanzler.

unser

gnädigster Herr,

Seine KLnigl. Majestät, haben

geruhet

auf Euch

sein Augenmerk zu einer wichttgm Gesandtschaft zu

richten.

Wir erhalten aus Stockholm die traurige

und bestürzende Nachricht, daß der König Erich, un­ fehlbar in Sinnesverwirrung, seinen Bruder, den

Herzog Johann von Finnland, den Gemahl unserer Infantin Katharine, hat in's Gefängniß werfen las­

sen*); und obgleich er, nach Wiedererlangung sei­

nes Verstandes, wieder zur Besinnung gekommen ist, und ihn in Freiheit gesetzt hat, so fürchtet er doch,

dieses Schrittes wegen, sowohl den Zorn des Königs,

unsers Herrn, als auch die Empörung des Volkes, und schickte deshalb seinen Gesandten Sten Brahe

mit dem Anerbieten schuldiger Genugthuung hieher. Da nun Seine Majestät der König für die Unver-

1) Geschichtlich.

168 lehbarkeit der Anfantin, seiner Schwester, besorgt,

eine genaue Nachricht von dem Hergänge der Sache haben,

überdieß

verschiedene Mißverständnisse zwi-

schen beiden Kronen ausgleichen will, so bestimmte er Euch zu dieser Gesandtschaft. — Der Ritter, mit

dem Ihr gestern gekämpft habt, ist kein anderer, als der schwedische Gesandte Sten Drahe.

Er war bei

mir mit dem franzisischen Gesandten, seinem Ver­

trauten.

Er wollte sich nicht eher offen zeigen, bis

er sich überzeugt hätte, daß Seine Majestät der Ki-

nig ihn gnädig aufnähme.

Unser guter Herr ver­

sprach, dem Gesandten eine öffentliche Audienz auf dem

Schlosse zu ertheilen.

Wahrlich, fügte der Geistliche

Maciejowski hinzu, in der Zeit, wo ein bis jetzt un­

bekannter Riese im Norden sein furchtbares Haupt

erhebt,

wäre

die Freundschaft

und Eintracht mit

Schweden sehr zu wünschen; wir müssen uns daher weniger beleidigt zeigen, als zu jeder andern Zeit. Ach bin Euer Hochwürden sehr dankbar, sagte der junge Tenczynski, für diese unverdiente Meinung

von mir; ich finde mich aber nicht ganz tüchtig, eine so wichtige Gesandtschaftestclle zu bekleiden, und über-

dieß weiß ich nicht, wie die Gesinnung meines Va­ ters hierüber sein wird.

Dieß mag Euch nicht küm­

mern, sagte der Bischof Maciejowski: der Herr Wojewode von Sandomiricn ist schon davon unterrich-

169 tct, und willigt gern in diesen glänzenden Anfang Eurer Laufbahn als Staatsmann ein. Und was die Fähigkeit anbetrifft, so erlaubt, wenn Ihr der­ selben nicht trauet, daß wir für dieselbe bürgen; ein Kavalier, mit solchen Talenten wie Ihr geboren, der am Hofe Kaisers Karl V. erzogen worden, in Ge­ sellschaft mit berühmten Diplomatikern in Madrid gelebt hat, alle Sprachen versteht, gelehrt, jung, thä­ tig und von einnehmender Gestalt ist, nur solch ein Kavalier ist zu diesem Auftrage passend. Machet Euch nur recht bald zu dieser Reise bereit, ich werde Euch unterdessen die nöthigen Instructionen ausfertigcn. Sobald der junge Tenczynsti nach Hause zurück­ kehrte, begab er sich zu seinem Vater. Er fand ihn mit dem Domherrn und Doctor Miechowita, einem zu der Zeit berühmten krakauischen Alirologen. Auf dem Tische standen vor dem Wojewoden Himmels­ kugeln, lagen Papiere mit gezeichneten Sternen und Linien, welche jene nach verschiedenen Richtungen durchschnitten. Miechowita erklärte die Stellung der Sterne. Sie waren beide bei der Arbeit so vertieft, daß sie den hereintretenden Jüngling nicht bemerkten. Ahr habt mir bewiesen, sagte zuerst der Wojewcde, daß Mars und Venus den Fischen gewogen sind, unter welchen mcui Sohn geboren ist,

170 und daß der Polarstern, zu dem er hineitcn soll, auf Als der ehrwürdige Vater

ihn lächelnd herabsieht.

seinen Sohn erblickte, sagte er zu ihm: Man läßt mich nicht die Freude genießen. Dich bei mir zu sehen, man schickt Dich nach den nördlichen Län-

dern; ich verhehle es zwar nicht, daß diese Tren-

nung, sowohl mir, als auch Deiner Mutter und Deinen Schwestern sehr schwer wird, aber wenn ich

andererseits bedenke, welche Ehre durch diese Gesandt­ schaft unserm schon glänzenden Hause zu Theil wird,

wenn ich die Versicherung erfahrener Astrologen er­ wäge, daß Dir bei dieser Gesandtschaft Conjunctio Stellarum nicht einen geringen Erfolg verspricht, so willige ich, premcndo cordis darin, und habe für

Dich Anstalten zu einer unserer Familie würdigen Reiseexpedition getroffen.

Der Wojewode hatte auch

wirklich fünfzig von seinen vornehmsten Hofleuten dazu bestimmt; vier Züge Pferde, dreißig türkische

und arabische Handpfcrde, übcrdicß Silberzeug und kostbare Kleider.

Darauf ließ er seine Chatoulle

bringen, und nahm aus derselben einen schönen dia­

mantenen Busch mit einer großen daran Hangenden Birne von Perlen.

Dieß wirst Du an Deinem

Kolpak von Zobel tragen, denn ich wünsche cs sehr und befehle, daß Du Dich in polnischer Tracht zei­

gest.

Zch litt den spanischen Mantel, so lange Du

171 ohne Amt warst; heut aber, da Du den König von Polen und das Königreich Polen reprasentirst, ist es billig, daß Du in der Nationaltracht erscheinest.

— Würdig das mir anvertraute Amt zu bekleiden, sagte der Züngling, wird immer meine erste Sorge

sein.

So geziemet es auch für einen Tenczynski,

antwortete der Wojewodc.

Tages darauf um die sechzehnte Stunde erschien der schwedische Gesandte Sten Drahe mit einem zahlreichen Gefolge auf dem Schlosse von Krakau.

Der Großmarschall der Krone, Kmita, nahm ihn in

einem mit Gemählden aus der polnischen Geschichte geschmückten Saale auf.

Das eine davon stellte

den Sieg des Königs Lokietet über die Kreuzritter bei Pilawce vor; das zweite die Trauung Wlar

dislaw Zagiello's mit ter Königin Hedwig; dritte

den

Sieg

bei

Grünwald;

das

das

vierte die

Vereinigung Preußens mit Polen und die Huldir gung des Herzogs.

Die Decke war ganz mit ver-

goldctcm Schnihwerk vexiert, unter dessen Wölbung Gesichter hcrvorkamcn, die verschiedene Charaktere ausdrückten.

Nach ciiiqcm Verweilen öffnete sich

die Flügelthür nach einem andern Saale, in welchen

der schwedische Gesandte cingeführt wurde; dort er-

blickte

er im Hintergründe den

schon

sitzenden

König,

der

von

auf dem Throne

den

Ministern,

172 Nathsherren, Reichsbeamten und von einer Menge von Hofleuten umgeben war. Sten Drahe wurde von diesem Anblick der Würde und Pracht über; rascht. Zn drei tiefen Verbeugungen näherte er sich dem Throne, und bezeigte in seiner Rede dem Könige sein Bedauern über die traurigen Ereignisse, die Verhaftnehmung des Herzogs Johann von Finnland betreffend, erklärte, daß der König die Freiheit der Gemahlin desselben durchaus nicht verletzen wollte *), daß sie aber mit einer heroischen (Ent; schlossenheit das Schicksal ihres Gemahls zu theilen begehrte. Er bat den König, da der Prinz schon frei sei, dieses Ereigniß der Vergessenheit zu über; geben, und als naher Verwandter und Nachbar innige Freundschaft zwischen beiden Reichen aufrecht zu erhalten. Der Kanzler Maciejowsti antwortete mit Würde, indem er bezeugte, daß obgleich der Schritt gegen den Herzog von Finnland dae Herz des Königs betrübt hatte, so überließe Seine Kö­ nigliche Majestät, als ein gnädiger und christlicher Herr, die Neue Seiner Majestät des Königs von Schweden berücksichtigend und in Zukunft ein schick; liches Betragen erwartend, dieses Ereigniß ganz der Vergessenheit und werde die früheren Freundschasts; bündnisse mit Schweden nicht verletzen. e) Geschichtlich.

173

Die Ernennung des jungen Tenczynski zur Ger sandtschaft nach Schweden, verbreitete sich in eint; gen Tagen überall, und verursachte ein nicht geringes Aussehen. Solch ein junger Mann und schon Ge; sandter! sagten die Neider, welche keinen andern Fehler finden konnten. Der König ist jung, sagten die Alten, es ist kein Wunder, daß er lauter Mitch; barte gebraucht; das wird ein hübsches Regiment in unserm Staate werden! Johann Zamoyfti war der Einzige, der seinem Freunde Glück zu dieser er; langten Würde wünschte. Um ihn mit den Ver; Haltnissen des Königreichs Schweden bekannt zu machen, öffnete er ihm das ganze Kronarchiv und zeigte ihm alle Unterhandlungen, welche zwischen dem Königreiche Schweden und Polen, seit frühe; sten Zeiten, Statt gefunden. TenczynstL benutzte diese Gefälligkeit und machte bedeutende Auszüge. Als er einmal in den gewölbten Gemachern allein eingeschlosscn bei den alten Pergamenten vertieft saß, hörte er die Thür öffnen, und sahe Sten Brahe hereintrcten. Der Gesandte Seiner Maje; stat des Königs von Schweden hub also an: Das schon bekannte traurige Ereigniß mit dem Herzoge von Finnland, ist die Veranlassung meiner Ankunft; ich hoffe, daß diese augenblickliche Heftigkeit die gute Freundschaft zwischen zweien verwandten und bcnach;

174 barten Mächten nicht zerreißen wird.

Da ich er­

fuhr, daß Zhr zum Gesandten nach Schweden be­

stimmt seid, so komme ich Euch zu bitten, gemein­ schaftlich mit mir an der Erhaltung der Einigkeit

zwischen beiden Höfen zu arbeiten; ihr Unterpfand mag die Freundschaft sein,

die ich Euch anbicte.

Dieß sagend reichte er Tenczynsti'n die Hand. Die

Freundschaft eines so ausgezeichneten Mannes, ant­

wortete Tcnczynski, wird für mich große Ehre sein; ich hoffe, daß die Vortheile beider Reiche mit un­ serm Sweben sich vereinigen werden.

Dann unter­

redeten sie sich über die Angelegenheiten beider Kro­

nen, und die an diesem Tage geschlossene Freund­

schaft wurde nie wankend gemacht. Nach

langen Conftrenzen mit Kanzler Macie-

jowski, kam endlich der Tag heran, an welchem der junge Tenczynski beim Könige Abschiedsaudicnz und seine letzten Befehle von ihm erhielt.

Zn ein Eck-

Cabinet, Hühnerfuß genannt, hineingeführt, fand er

Sigmund Augusten an einem kleinen Tische sitzen.

Unsere Bekanntschaft ist zwar kurz, sagte der

König, da mir aber der Geistliche Samuel so viel Gutes von Euch erzählt. Euren Verstand und Eure Fähigkeit so hoch empfohlen hat, so trage ich kein Bedenken

Euch

die Geschäfte zu

übertragen, dic

nicht minder das Wohl der Krone, als auch nici

175 nes eignen Hauses betreffen.

was in

Schweden

Es ist Euch bekannt,

geschehen; meine,

in Person

meiner Schwester und meines Schwagers verletzte Würde, hätte zu andern Zeiten eine lautere Genug­

thuung gesucht.

Da aber ein fürchterlicherer Feind

als Schweden auftritt, da

bei uns größere Lust

zum Kampfe als zu Abgaben herrscht, da der schwe­

dische König seine Reue bezeigt; so verzeihen Wir ihm diese Verschuldung als ein christlicher Herr.

Zedoch liegt Uns die Gesundheit und die Unver­

letzbarkeit Unserer Königlichen Schwester Katharine sehr am Herzen.

Wir senden Euch also nach Stock­

holm hin, um gewiß zu werden, ob Wir ruhig sein können, daß sich wiederholentlich eine solche Beleidig

gung nicht ereignen werde, und was man von dem Könige, dessen Verstand zuweilen irre zu sein scheint, zu befürchten hat.

Was die andern Angelegenheiten

zwischen den beiden Reichen anbetrifft, so wird Euch der Geistliche Samuel in nöthige Kenntniß davon setzen.

Allergnadigster König und Herr, sagte der junge Tenczynski, sich tief verbeugend, der Beweis des Zu­

trauens, das ich zu verdienen noch nicht im Stande war, durchdringt mein Herz mit der rührendsten

Dankbarkeit.

Um desselben werth zu erscheinen, sol­

len alle Fähigkeiten meiner Seele und mein ganzes

176

Streben dahin gerichtet sein, daß ich die mir an­ vertraute Gesandtschaftsstelle zur Zufriedenheit Euer Königlichen Majestät, zur Ehre Eures Königlichen Hauses und zum Nutzen der Länder Euer Königli­ chen Majestät bekleide. Hier streckte der König die Hand aus. Als Tenczynski dieselbe küßte, wurde eine Seitenthür geöffnet und die Königin Barbara trat in das Cabinet ein. Sie war in ihrem Mor­ genanzuge. Ein citronfarbener seidener Oberrock be­ deckte nachläßig ihre schöne Taille; eine Menge sich kräuselnder, einen Theil ihres schneeweißen Dusens bedeckender Haarlocken, schienen den Glanz ihrer großen blauen Augen zu vergrößern; sie hielt auf dem Credenzteller eine goldene Schale. Mit dem reizenden Lächeln, das Aller Herzen anzieht, trat sie herein, aber nachdem sie unverhofft Tenczynski'n er­ blickte, zog sie sich bestürzt zurück. Bleibe, mein Därbchcn, sagte der König, auf sie mit Wohlgefal­ len hinschauend, mag Herr Tenczynski auch von Dir Abschied nehmen. Von so vielen Reizen er­ griffen, küßte Tenczynski die Hand der Königin und empfahl sich. Als die Königin Barbara sich allein sahe, sagte sie-. Hier ist das Getränk, mein lieber Gemahl, das mir jene Wahrsagerin aus Blonie zubereitet hat. Der Geistliche Doctor Miechowita, der dieses Ge­ tränk

177

trank untersuchte, sagte, daß eS aus Krautern berei­ tet sei, die nichts Schädliches in sich enthalten; aber die Gaukeleien, die das Weib darüber machte, ängsti­ gen mich. Sie tauchte darein eine kleine goldene Figur, gebot mir, mich dreimal in die Runde zu drehen und Sonnen-Aufgange zugekehrt es auszu­ trinken. Zch kann es nicht verbergen, daß mir dieß Angst verursachte. Zch fürchtete darin bise Geister zu finden, als ich aber dreimal das Kreuz darüber geschlagen, und keins der Herenwesen her­ ausflog, und als ich erwog, daß mir dieses nicht nur die von Dir gewünschte Gesundheit wiedergeben, sondern auch mich fruchtbar machen solle, und daß dieses Getränk dazu Deine und Polens feu­ rigste Wünsche erfülle, wenn es Dir einen Sohn und Polen einen König gäbe; so verschwand alles Wanken, und ich wünschte nur diesen kostbaren Trank vor Deinen Augen auszuleeren. Dieß sa­ gend, drehete sie sich dreimal auf ihrem kleinen Fuße herum und teerte die Schale aus. O daß Du, über alles geliebtes Därbchen, sagte Sigmund, sie herzlich an seine Brust drückend, daß Du in diesem Getränke Deine Kräfte und Gesund­ heit wieder fandest! Das Uebrige ist in der Gewalt des Allerhöchsten, fürchte nichts; undurchschaulich sind die Geheimnisse der Natur. Der Allmächtige läßt I. 12

178 vieles seine Auserwählten errathen und erkennen. Nicht nur bei uns, in allen andern Landern schenkt man solchen Personen Glauben, und gestattet ihnen Zuttitt zu der Königlichen Schwelle. Die Königin Kachanne de Medicis gebraucht sie in Frankreich, meine in den aufgeklärtesten Ländern erzogene Mut­ ter bedient sich ihrer auch. Bei dieser Erwäh­ nung verdunkelte sich Darbarens Stirn. Meine Geliebteste, sagte Sigmund, die Mutter hat sich mit Dir ausgesöhnt, und es soll meine beständige Aufmerksamkeit, meine beständige Sorge sein, Dich glücklich und unverletzt zu erhalten. Gott gebe es! antwortete Barbara seufzend; übrigens sind meine Ahndungen immer traurig. Zn diesem Augenblicke besann sie sich und sagte gerührt und zärtlich: Zn Deiner Nähe schwinden diese Ahndungen. Am Tage seiner Abreise begab sich Tenczynski früh Morgens zum Kanzler Maciejowski, um die letzten Znstruktionen zu erhalten. Am Eingänge begegnete er Karwickin, einem Königlichen Hof­ manne, der ihm, im Namen seines Herrn, Goldund Silber-Stoffe, Sammt zu Kleidern, ein Zim­ mer von Zobelfellen und eine goldene Kette über­ reichte *). Es war die Sitte dieses Zeitalters, daß man nicht nur den Hofleuten, sondern auch auswärtigen Gesandten

179

Zu denen, welche mit dem Gefühle der Verwandtschaft oder der Freundschaft die Abreise Tenczynski's betrauerten, zählten sich auch Kmita, der Wojewode von Krakau; er hatte aber andere Ursachen seines Schmerzes. Es ist dem Leser bekannt, daß er über dem Plane brütete, seine Schwestern Tochter, Fraulein Stadnicka, mit dem jungen Tenn czynsti zu verheirathen. Mit großer Freude sah er das Wohlgefallen, mit dem sich diese jungen Leute gern begegneten und mit einander unterhielten. Weit davon entfernt, die Ursache dieser Vertraulichkeit zu errathen, glaubte er, daß die gegenseitige Liebe sich beider Herzen bemächtigt hatte. Mit Trauer sah er nun auf die Trennunq, und um den jungen Leuten Gelegenheit zu geben, so lud er Tenczynfli's zu einem Abschiedsmahle ein. Die Wojewodin aber hatte sich schon mit ihren Tichtern nach Podolien entfernt. Auch diesem Gastmahle fehlte der bei reiche Zeuge und Kleider schenkte, und so lesen wir in den Rechnungen Bonars, Unterschatzmeisters Sigmund I.: loanni dc Tarnow ad mandataria M. Regiae, dedi adamasci nigri flurentini melioris ulnas 20 per gr. 45. Item Duci Prussiae veluti nigri Veneti. ulnas 26. Item oratori Regis Angliae veluti nigri ulnas 24. Item An­ tonio Rincovio oratori regis Galliae adamasci Veneti pracoptimi ulnas 20. Item Rozdrazewski oratori re­ gis Hungariae veluti nigri Genuensis ulnas 20 etc.

12 *

180

Kmita gewihnliche Glanz nicht. Er versäumte nicht, dem jungen Gesandten bei seiner SchwesterTochter dm Platz anzuweism. Sie unterhielten sich mit einer Leichtigkeit, die nur bei einem vollkomme­ nen Zutrauen gelingt. Ach, wie erzürnt wäre mein Oheim, sagte Fräulein Sladnicka, wenn er wüßte, daß nur eine süße und zufriedene Freundschaft den Znhalt unseres Gespräches ausmacht. — Die Freund­ schaft und das Zutrauen einer so liebenswürdigen und achmngswerthen Person zu gewinnen, ist das nicht ein großes Glück? — Warum entfernet Ihr Euch, sagte die junge Dame, gerade zu der Zeit, wo Euer Rath mir so behülflich wäre? Die Ent­ fernung, antwortete Tenczynfti, kann eine unbestän­ dige Liebe wankend machen, aber niemals die Freund­ schaft. Mit Zuversicht stütze ich mich auf dieselbe, sagte Fräulein Stadnicka, und wenn auch die mei­ nige für Euch irgend einen Werth hat, so glaubet, daß sie unveränderlich sein wird. Wenn die Freund­ schaft für einen Mann theuer ist, ach wie ungleich theurer wird sie für unser schwaches, so vielen Schlingen ausgesetztes und so wenig wahrhafte Un­ terstützung findendes Geschlecht! Hier erhob sich der Wojewode von Krakau und brachte diese Gesundheit aus: Glückliche Reise und allen erwünschten Erfolg unserm Gesandten! grau:

181

(ein Stadnicka nahm ein Glas Malvasier utö sagte: Diese Gesundheit trinke ich auch von ganzem Herr zen; dann fügte sie hinzu: die schnellste Rückkehr zu uns! O fände ich doch, antwortete Tenczynski, bei meiner Rückkehr, alle Eure Wünsche erfüllt! Hier wurde gemeldet, daß das Pferd und Gefolge Tenczynsti's auf ihn vor der Halle warteten. Rührend war die Trennung des jungen Gesandten von sei­ nem Vater. Der ehrenwerthe Greis überreichte ihm im Namen der Mutter, an einer goldenen Kette, ein mit kostbaren Steinen besetztes Kreuz, mit dem Anempfehlen, daß er es wider die Hexe­ rei und wider alle Schlingen des Satans auf der Brust tragen solle. Mit Rührung umarmte Teuczynfti seinen Freund Zamoysti. Als er Hinausger gangen war und fein reich geschirrtes Roß bestieg, zeigte sich noch einmal der Wojewode Kmita, und brachte mit einem großen Glase den Toast des Steigbügels aus; auch unser junger Gesandte er­ wiederte denselben und verließ Krakau unter fteundlichen Wünschen des Volkes.

182

Achtes Kapitel.

Indem der junge Tenczynfkt mit feinem zahl­

reichen Gefolge feine weite Reife antritt, fei es uns vergönnt, unsere Aufinerksamkeit auf den reisenden Ritter Don Alonzo Ferdinandez

di Medina Czeli

Er verließ das Schloß Tenczyn, wie

zu richten.

wir wissen, zwar seiner Hoffnung beraubt, dennoch

verliebt.

Er ritt ein schönes Pferd, und zwei an­

dere hatte er bei der Hand; mit ihm waren: sein

Knappe, ein Spanier und ein Bedienter vom jun­ gen Tenczynfki, der Don Alonzo als Dolmetscher

dienen konnte, weil er während des Aufenthaltes in Spanien mit seinem Herrn die Sprache des Landes erlernt hatte.

Ganz in seinen Liebesgcdankcn ver­

sunken, welche nur die Hoffnung, sich bald einen

ritterlichen Ruhm zu

erwerben,

dann und wann

unterbrach, sprach er selten, was noch wunderbarer

war, weil ihm doch alles

in unserem Lande neu

vorkam und seine Neugierde weckte.

Er hielt un­

sere Juden für Araber, und wäre über sie herger fallen, wenn er sie nicht wehrlos angctroffen hätte; um doch seinen Unwille» zu zeigen, begnügte er sich

183 damit, daß er ihnen die Fuchsmühen mit seiner Lanze abhob, in die Höhe schwang und auf den Boden warf. Er hielt sich nicht in Gasthäusern auf; ein grüner Rasenplatz am Ufer eines DacheS diente ihm als Lager, und als Obdach eine ausgebreitete Eiche. Den dritten Tag gegen Abend, als er schon lange durch einen dunkeln Wald ritt, und das im­ mer heller werdende Licht schon nahe Triften ver­ sprach, Hirte er den Klang einer Cither und länd­ liche Gesänge. Bald erblickte er ein weites, vom dunkeln Walde umgrenztes, mit Hügeln abwechseln­ des Feld, ein nicht, prächtiges, aber ordentliches Ger hifte, neben welchem sich eine Linde stolz erhob. Nicht weit davon, an einem Hügel, belustigte sich eine Gesellschaft von Lanbleuten. Ein Mann von schinem Wüchse, mit fröhlichem Gesichte, der sich mehr durch seine edle Gestalt, als durch Reich­ thum des Anzuges von den Andern unterschied, flößte allen Lust und Vergnügen ein, indem er öfters den Becher kreisen ließ. Als dieser Mann den Ritter bei seinem Thorwege vorbeireiten sah, trat er zu ihm näher und sagte: Niemand reitet meinem Hause vorbei, ohne darin das Brot der Gastfreundschaft mit mir genossen zu haben. Was sagt er? fragte der Spanier seinen Dolmetscher.

184 Johann Kochanowski (denn er war e- selber) merkte, daß der Ritter ein Ausländer sei, und wie­ derholte seine Einladung in einem schönen Latein. Don Alonzo konnte seiner zuvorkommenden und aufrichtigen Artigkeit nicht widerstreben, stieg vom Pferde ab, sagte wer er wäre und ging in'S Haus. Dieß war eine Wohnung von Lerchenholz, mit ei­ nem kleinen Lehmhause an der Seite. Nach Osten zu hatte es «nm Balkon mit Danken zum Sitzen. Die Hausflur war geräumig; an der Wand dersel­ ben hingen rund herum Kränze von Weihen mit Schneeballbeeren durchflochten. Linker Hand war eine ziemlich geräumige Stube mit Tapeten beschlagm, die MoseS in der Wüste vorstellten, wie er mit seinem Stabe an einen Felsen schlug, aus welchem Wasser herausquillt. Ueber dem Kamin hing das Dildniß des Königs Sigmund L, über der Thür zwei Porttaits der Bischöfe Tomicki und Macicr jowfti. Am Fenster saß bei einem großen Stickrah­ men Frau Kochanowska und ihre Schwester-Tochter Anna. Ursula, ihre Tochter, war schon seit zwei Zähren im Grabe. Frau Kochanowska, die ein we­ nig corpulent, ohne besondere Reize, aber ziemlich munter war, trug einen dicht anliegenden saphirfar­ bigen Kapot, auf dem Kopfe ein Käppchen, durch ein Band von ähnlicher Farbe zusammengebundc».

185

Anna war in einer saladinfarbigen Zuppe mit einer hohen Halsfraise; schwarze Haarflechten umgaben ihren Kopf, rothe Febernelken zierten ihre Stirn. Als sie beide den Fremden hereintreten sahen, standen sie auf; Anna ließ ihre dunkelblaue Augen sinken. Dieß war ein ganz verschiedenes Zeitalter von dem unsrigen; heut zu Tage reden unsere liebe Damen alle Sprachen außer der ihrigen; zu jener Zeit ver­ standen dir Polinnen keine andere als ihre Mut­ tersprache. Es war daher kein Wunder, daß sie, als Don Alonzo sie italiänisch anredete, ein wenig in Verle­ genheit geriethen, und Anna über und über roth wurde. Kochanowski stellte den Damen den Ritter vor, und sich in der Sprache des Letztem erkärcnd, sagte er dem Spanier, daß diese Damen, seine Frau und seine Schwester-Tochter waren. Bald entfernte sich Frau Kochanowska, wie die Geschichtschreiber meinen, um einen Kuchen und etwas zum Abend­ brote zu bereiten. Man fing ein Gespräch vom ländlichen Leben, von ältern und zu» jetziger Zeit lebenden Dichtern in Italien, an. Auf dem mit einem Teppich über­ spreiteten Tische lagen zwei Lieblingsbücher Kochar nowski's, Davids Psalmen und Horaz. Der Spa­ nier nahm sie in die Hand und sagte: Das sind

186 große Dichter. Meiner Meinung nach die größten, antwortete Kochanowski, und fing sogleich an einige schine Stellen aus beiden lateinisch zu declamiren. Zhr declamirt die Verse mit solchem Feuer und Gefühl, sagte der Spanier, daß ich wetten möchte, Zhr selbst seid ein Dichter. Diele halten mich da­ für, sagte Kochanowski, nur ich nicht; denn wer könnte sich, sagte er weiter, auf die liegmden Bü­ cher weisend, neben den göttlich Begeisterten für einen Dichter halten. Nur procul vestigia sequor. Ich bedaure, sagte der Spanier, daß ich Eure Sprache nicht verstehe, ob ich gleich überzeugt bin, daß Zhr auch lateinisch schreibet. Kochanowski declamirte ihm von seinen lateinischen Versen vor. Nachdem er geendigt hatte, sagte er: Zch hoffe, daß Zhr Gleiches mit Gleichem vergelten werdet. Der Spanier nahm die Cither und sang spanisch wie folgt: Don dichten Wäldern rings umschattet, Rollt sanft des Lebens Bach dir hin; Wenn Andre eitles Thun ermattet, Ist FlakkuS Umgang dir Gewinn. Don Stolz und Habsucht weggewendet, Liebst du nur Rechtthun und dein Feld; Und Flora und Pomona sendet, WaS ihren Freund zufrieden stellt.

187 Wenn Andre Träume nur erjagen, Sinnst du am stillen Wiesenquell,

Wie froh man Vielem kann entsagen, Ist nur das Herz stets rein und hell.

Du fühlst dich wohl und immer munter, Wenn tief des Lasters Dorn sie sticht; Dir geht so schön die Sonne unter, 1

Als dich umfließt ihr Morgenlicht.

Hörst du die gold'nen Saiten beben,

Dann schmeckt- das Herz die höchste Lust; Des Landes Wohl, des Königs Leben

Und Davids Hymne füllt die Brust. Oes Herrschers stolze Macht vergehet,

An seinem Ruhm nagt Grab und Neid;

Doch SängerS Lied stets neu erstehet,

Verbürgend die Unsterblichkeit. Mit Vergnügen hörten Kochanowski und Anna die süßtraurige Stimme Don Ferdinandez an.

Der

polnische Dichter stattete ihm seinen herzlichen Dank ab,

und sich darauf zu Anna wendend, sagte er:

Dieser Ritter wird glauben,

daß

wir in unserer

Sprache keine Gesänge besitzen; zeige ihm, daß wir

auch nicht Spreuen haben, und singe was Du selbst

willst. — Aber lieber Onkel....

ich

habe keine

Stimme, die Heiserkeit.... ich kann wahrlich nichts

auswendig. — Zch erwartete, sagte Kochanowski, diese allen Frauenzimmern eigenthümliche Ausrede,

188

aber wenn Du mich liebst, so singst Du. Dieß sagend, küßte er ihr die Stirn und gab ihr die Cither in die Hand. Anna sang nicht ohne lebhaft tes Errithen, anfangs mit schüchterner, dann mit einer stärkeren Stimme folgende Reime: Sanft fließt mein Jugendlenz dahin

In diesem ruhigen Asyle,

Bei Lerchensang und heiterm Sinn Und dieser Linden schatt'ger Kühle.

Wie treu für mich der Gute sorgt? Wie folgt sein Aug' stets meinen Wegen?

Mein Herz, das seiner Lehre horcht, Empfängt von ihm so reichen Segen.

£> könnt' um seiner Tochter Tod Ich meines OheimS Schmerz ermildern; Die Lieb' ersetzen, die sie bot,

Sie, deren Huld kein Wort kann schildern. Wo auch mein Auge fernhin eilt,

Seh Anmuth ich den Landsitz grenzen. Wie Frieden an der Schwelle weilt! Don Fruchtbarkeit die Auen glänzen!

Der Pole hört erfreut Sein Lied, Zn spätsten Zeiten wird Er leben.

O Ehre die mir Gott beschied,

Ich fühl' sein Blut auch in mir beben. Beim Lorbeerbaum, der für ihn blüht,

Vergönnt dem Veilchen eine Stelle,

189 So wird beim Ruhm, der ihn umglüht. Auch Anna's dunkler Namen Helle.

Bei Erwägung der Tochter Ursula, rollte eine stille Thräne die Wangen des geschätzten Dichters hinunter; er trocknete sie und nahm eine ruhige Miene an. Die Melodie des polnischen Liedes, die andern nicht ähnlich ist, machte einen angenehmen Eindruck auf den Fremdling, aber die Ruhe, der frohe Sinn des Mannes, und die herzliche Anhänglichkeit, mit der er Anna und Allen, die ihn umgaben, begeg­ nete, erweckte eine noch größere Freude in ihm. Ach sehe, daß Ahr glücklich seid, sagte der Spanier, und ich gestehe, daß Ahr auch würdig seid, glücklich zu sein. Ach klage mein Schicksal nicht an, ant­ wortete Kochanowski, mens sana in corpore §ano, dieß ist's, wofür ich dem Allerhöchsten danke. Der Spanier sah aus seine blaue Schärpe und seufzte.... Ueberdieß, fügte der polnische Dichter hinzu, hängt unser Glück von uns selbst mehr ab, als wir glauben. Mit Wenigem zufrieden sein, sich gegen die im menschlichen Leben unvermeidlichen Widerwärtigkeiten bewaffnen, überhaupt nil consclre Sil»,, genüget einem Weisen. Das werdet Ahr mir doch einräumen, sagte der Spanier, daß es außer-

190

liche Umstände giebt, die zu unserem Glücke oder Unglücke beitragen. Solche, antwortete Kochanowski, die von uns nicht abhangen, raume ich gewiß ein. Es hängt nicht von uns ab, unter einer freun oder unter ei­ ner willkührlichen Ober-Herrschast geboren zu wer­ den, und doch hat die Ober-Herrschaft großen Ein­ fluß auf das Glück jedes Menschen. Das stand­ hafteste Gemüth wird aufgebracht, die heiterste Stirn umfinstert unter Druck, Gewalt und Ungerechtigkeit; weder seines Eigenthums, noch seiner selbst gewiß sein zu können, ist traurig. Qm metuens vivit, liber mihi non ent unquam. Das stnd Worte des Horaz, meines Lieblings. Zch danke Gott, daß ich von solchen Regierungen nur aus dem Tacitus und Suetonius weiß; daß der Allerhöchste mich in Polen unter unsern Zagiellonen geboren werden ließ. Es ist mir angenehm, mein Vaterland unter andern Völkern der Macht und des Kriegsruhms wegen geachtet zu sehen, ein kleiner Strahl seines Ruhmes geht auch auf mich über; obgleich bescheiden, em­ pfinde ich doch einen Stolz, wenn ich aus den Glanz und die Herrlichkeit, die den Thron meines Königs umgeben, blicke, wenn ich so viele Lehnsfürsten sehe, die vor ihm ihre Knie beugen. Der em­ pfindet gewiß diese hohen Gefühle nicht, der sein

191 Vaterland erniedrigt ober von einem harten Zepter bedroht sieht.

Zch sehe, unterbrach Don Ferdinan-

dez, baß Zhr das Glück nur als Staatsmann be­

trachtet. — Kann denn ein freier Mann es anders betrachten? — Doch giebt es, sagte der Spanier, per­

sönliche, von dem allgemeinen Unglück ganz abgeson­ derte Dinge, welche unsere Ruhe leicht ausheben

können.

Zch bin zum Beispiel ein Unterthan des

mächtigsten Monarchen in der Welt, eines Monar­

chen, in dessm Landern die Sonne nicht untergeht,

und kann doch nicht sagen, daß ich

glücklich bin.

Dieß sagend, seufzte er tief. — Zch errathe schon,

sagte Kochanowffi, Zhr habt die Herzenskrankhejt,

Zhr leidet an dem, Eurem Alter nicht ungewöhn­ lichen Liebesfieber.

Die Zeit wird Euch zerstreuen,

die Feldbeschwerden werden Euch von dieftr Krank­ heit heilen.

Niemals! niemals! rief der Spanier

Zch dachte auch so, sagte Kochanowski, als

aus.

ich zwanzig Zahre alt war.

Eben kam die Gattin

des Wirthes herein, und gab ihrem Manne ein Zei­

chen, daß das Abendbrot auf dem Tische wäre. Das Speisezimmer auf der andern Seite des

Hauses, in welches die Gesellschaft trat, war- ziem­ lich

geräumig.

schrein

Zn einer Ecke stand ein Credenz-

von Nußholz, mit Gitterthüren.

Durch

diese konnte man silberne Becher und Pokale, große

192 und kleine Gläser,

etwas

tiefer

große

zinnerne

Schüsseln, Mittelschüsseln und Teller wahrnehmen, die aber alle so sauber und glanzend waren, daß man sich darin spiegeln konnte; an der Seite stand

ein kupferner verzinnter Wasserkrug.

Zn der Mitte der Stube stand ein rein gedeck­

ter, langer, schmaler Tisch; auf den untergelegten

Strohtcller wurden sechs Mittelfchüsseln und eine

große Schüssel geseht.

Die Gesellschaft wurde durch

das sich dort aufhaltende Fraulein Dluzewska, durch

eine dienende Jungfer und durch drei Mannsperso­

nen, von kräftiger und schöner Körperbildung, ver­ mehrt. Der eine von ihnen war der Verwalter des

Ortes, die beiden Anderen Kochanowski's Hofleute. Der Wirth segnete das Mahl.

Die stark gewürz­

ten und mit Safran reichlich erhöhten Gerichte ge­ wannen den Fremdling nicht sehr für sich; aber in

hohem Maaße befremdete ihn der gute Appetit der drei Herren.

speer

Die Graupensuppe, Zrazen, Ripp­

und Kuchen,

verschwanden

Schnelligkeit in ihrem Halse.

mit unerhörter

Weil Don Ferdi

nandcz durch seine Enthaltsamkeit die Wirthsleute

nicht beleidigen wollte, nahm er den Flügel von einem jungen Birkhahn, eine Birne, die Kochanowski

veredelt hatte, und ein Stückchen Torte, welche die Wirthin selbst und Anna gebacken hatten. Hinsichts

'

der

193 der Getränke zog der

Spanier

den Meth

dem

Weine vor, den er nicht aufhörte für vortrefflichen

Malaga zu halten.

Als der Wirth bemerkte, daß

der Fremde mit Verwunderung auf die mit so gro­

ßem Appetit essenden Edelleute seine Augen heftete, sagte er: Zhr wundert Euch wohl über den Appe­

tit dieser jungen Edelleute; jeder ißt wohl gewiß so viel als zehn Spanier und zwanzig Ztaliäner; der

Unterschied des Klima's und der Lebensart erklären

es leicht.

Unsere Luft ist unweit schärfer, und un­

sere Lebensart in beständiger Bewegung; bei Euch hält die brennende Hitze des Himmels, außer im

Kriege und zuweilen bei'm Turnier, die Menschen in Unthatigkeit, bei uns ist jeder Mann in immer­

währender Bewegung, immer in freier Luft, und man kann sagen, daß das Obdach ihm nur in der

Nacht nöthig ist, um zu «schlafen.

Zum Beweise

will ich diese Züngliyge fragen, wie ste den heuti­

gen Tag zugebracht haben. Damit der Spanier ihre Antwort verstände, fragte er ste lateinisch:

Quid nunc ambo fecistis

hac Iota die? Post matutinam orationem, antwor­ tete einer von ihnen, bibimus crematum, et manducavimus butulum cum brassica acetosa et multo

pane, postea incedimus equos, et per sex horas usque ad horam prandii agitavimus lepores. —

I.

13

194 Et post prandium ? fragte Kochanowskt wieder. Omne tempus usque ad coenam, antwortete der Andere, impendebamus exercitationibus bellicis cum lancea, pileo, gladio, parvisque bombardis *). Zhr hiret es nun, sagte Kochanowfti, sich zum Spanier wendend; und kann man sich also wun­ dern, daß sie mit so gutem Appetit essen? Zch rathe oft den Herren, fugte Kochanowski hinzu, sich zu­ weilen über ein Buch herzumachen, aber sehr selten nehmen sie den Livius oder den Tacitus in die Hand; Waffen und Windhunde sind ihnen angeneh­ mer. Zch muß aber auch diesen Herren die Gerech­ tigkeit widerfahren lassen, daß es ihnen an Kriegs­ muth nicht fehlt; denn sobald sie erfahren hatten, daß die Tartaren in unsere Grenzm eingebrochen, baten sie mich sogleich, ihnen zu erlauben, an diesen ihre Kräfte zu versuchen, sie schicken sich auch wirk­ lich auf morgen zu dieser Expedition an. Da mir sowohl mein körperliches Befinden, als auch meine •) WaS habt Ihr heute den ganzen Tag gemacht?

Nach dem verrichteten Morgengebete tranken wir Brannt­ wein, aßen Bratwurst mit Sauerkohl und viel Brot, dann bestiegen wir die Pferde, und haben sechs Stunden lang

bis gegen Mittag Hasen gehetzt. — Und nach Mittag? Die ganze Zeit bis gegen Abendbrot brachten wir mit Kriegsübungen zu, mit der Lanze, dem Säbel und Pi­

stolen.

195 Corpulenz und die Liebe zum ruhigen ländlichen Le­ ben Feldstrapazen nicht erlauben, so sehe ich recht gern, daß jemand aus meinem Hause mit tapferer

Brust die Grenzen des Landes decket.

Wir nehmen

also einen und denselben Weg, sagte Don Ferdinandez.

Si dominatio vestra permittet, sprach einer

von diesen Hofleuten, nos in eo certamine esse socios eins, terque, quaterque beatos nos putaLimus.

Der Spanier willigte gern ein.

Schon

wurde Stanislaw Cikowski aus dem Stammhause Radwan und Zohann Gierlatowski, so hießen jene Jünglinge, ungeduldig, um vom Tische aufzustehcn

und sich zu der Reise geschwind anzuschickcn, als man das Stampfen der Pferde auf dem Hosplatze

hörte, und bald traten Prokop Sieniawfli, Bern­

hard Prytwitz und Zohann Herburt in voller Rü­ stung in die Stube herein.

Kochanowski nahm sie

mit einer ihm angebornen Herzlichkeit auf.

Was

hat man für Nachrichten aus Podolien? fragte er.

Wir haben mehrere Horden Tartaren zurückgetrie­

ben, sagte Sienjawski, aber es sollen sich ihrer grö­ ßere Schaaren zeigen; sie richten ihre Gedanken auf Peramira, wo sich Wiszniowiecki verschlossen hat *).

Kochanowski stellte dem Spanier die neu am

•) Dielski S. 535.

Bohomolzens Ausgabe.

13*

196 gekommenen Ritter vor, und erzählte ihm, welche Nachrichten sie mitgebracht hattm. Per Deum om­ nipotentem, rief Don Ferdinande;, wie froh bin ich, daß sie sich wieder in großen Schaaren zeigen! Zch will keinen Augenblick verlieren; es ist eine heitere Nacht, der Mond scheint hell, sogleich sehe ich mich auf's Pferd. Vergeblich' waren alle Der mühungen der Wirthsleute, ihn noch diese Nacht bei sich zu behalten, in Zeit von einer halben Stunde war der Spanier und seine neuen Gefähr­ ten schon unterweges. Wir wollen unserm Ritter nicht Schritt vor Schritt folgen, nicht mit ihm die seltsamen Burgen im südlichen Polen besuchen, in die Schlösser ein­ kehren, in die man ihn wider seinen Willen zog. Zn dem Zustande, in welchem sich eine der Liebe ganz ergebene Seele befindet, waren Geselligkeit, Pracht und Mahlzeiten für ihn ohne allen Reiz. Die Natur und ihre unzähligen Reize enthüll­ ten ihm größere Annehmlichkeiten. Gewöhnt an den schwülen Himmel Zberiens, an schroffe und fin­ stere Felsen, an tief gelegene Haine, Auen und Ge­ filde, überraschten ihn jetzt grüne Triften, reiche ftuchtbare Felder, mit dem Auge nicht zu ermessende Flächen Podoliens und der Ukraine durch ihre neue und ergreifende Schönheit. Bald hob er die Augen

197 zu dem schönen Blau des Himmels, das nur hier und da mit einem leichten weißen Gewölk überzo­ gen war, bald ließ er sie auf den Boden sinken, und labte sich an einem nicht weniger entzückenden Anblicke. Hier waren abdachende Hügel mit hun­ dertjährigen Eichen; durch die Oeffnungen ihrer aus­ gebreiteten dicken Acstc erblickte man unübersehbare Triften und Auen, unten murmelten Bäche kalten und klaren Wassers; nirgend aber waren Gebäude, nirgend ländliche Wohnungen zu sehen, nur die Stimme des sich in den Wolken verlierenden Ad­ lers oder der pfeilschnelle Lauf wild umher tum­ melnder Pferde, unterbrach zuweilen das tiefe Schweigen. Uebrigens feierliche Stille, so wie am Schöpfungstage, als schon alle Schönheiten und Produkte der Natur geschaffen waren, ehe Gott dem Menschen zu leben befahl. Hier und da zeug­ ten wirklich Hügel voll kleiner Seemuscheln, daß dieses Land vielleicht vor nicht gar vielen Zahrhundcrten von der Fläche des Oceans bedeckt gewesen; vielleicht in den Jahrhunderten, wo das jetzt schmale Baltische Meer mit den Gewässern des schwarzen und Kaspischen Meeres vereinigt floß: hier grub man Elephanten- und Nashorn-Gerippe aus; auch die Veränderung der Erdzone' beweist ebenfalls große Umwälzungen. Vielleicht, sprach der Spanier zu

198 sich selbst, erhoben sich in diesen wüsten schweigenden Steppen, wo keine menschliche Stimme wiederhol-

let, einst mächtige Burgen

voll lebendiger Wesen,

aus ihren bronzenen Thoren gingen bewaffnete Rei­

hen hervor;

Elephanten trugen Thürme auf ihren

Rücken und mit Bogen bewaffnete Manner.

Auf

den -ffentlichen Plätzen standen Bildsäulen der Mo­ narchen und ihrer stolzen Stellvertreter.

Thoren!

sie dachten, daß sie ewig leben würden; wo ist nun ihre Unsterblichkeit!

Gott berührte mit seinem Fin­

ger diese vergängliche Erdkugel; ihre Gleicher und Pole nahmen eine entgegengesetzte Richtung; da wo

Meere waren, drangen mühsam Länder hervor, wo sich Länder ausdrhnten, ergoß

sich ein bodenloser

Ocean; alte Menschenstämme gingen mit Wissen­ schaften, Künsten, ihren Werken und ihrer Erfah­

rung, mit den Früchten so vieler Jahrhunderte ver­

loren, und ein neues Menschengeschlecht mußte sich wieder von seiner Wiege an hervorarbriten.

Und

was giebt es denn Dauerhaftes in dieser Welt?

In solchen Betrachtungen war der Ritter ver­ sunken, als er an den Grenzen des Horizonts hier und da Rauchsäulen cmporsteigen, und Funken einer

beinahe verlöschendm

Feuersbrunst

auffliegcn sah.

Sieh da, sagte einer von den Gefährten des Spa­ niers, ein Werk der Tartaren!

Wo sind sie?!

rief

199 Don Alonzo auS, und gab seinem Rosse die Spor

ren.

Halte Deinen Eifer zurück! rief sein Freund

aus. Du kennst die Art, wie die Tartaren Krieg führen, nicht. Sie sind vielleicht schon dreißig Meir len von hier entfernt; laß uns nur dicht beisammen

bleiben und erst Kunde einziehen.

Der Spanier

mäßigte seinen Schritt, und als er einige Stadien geritten war, Hirte er von Ferne ländliche Klagelieder.

Es schien, daß sie von den Oertern herkämen,

wo man den Rauch emporsteigen sah.

Die Stimr

men ließen sich zusammen und wieder einzeln hören. Ihr Inhalt war folgender: Im Chor.

Auf den Trümmern unsrer Hütten

Bleibt der Jammer immer wach. Wer fühlt mit, was wir gelitten? Hin ist Habe, Ruh' und Dach. OeS Tartaren gist'ge Pfeile

Und sein blutgetränktes Schwert

Treiben hin in größter Eile

Ach! die Unsern von dem Herd. Eine Stimme.

Wer wird dich, Marie, leiten? Hab' ich dazu dich gehegt,

Um die Decke auszubreiten, Wo der Muselmann sich pflegt!

200 Zweite Stimme. Sorglos folgte ich dem Pfluge,

Da stahl dich die Räuberhand. Wüthend spur’ ich nach dem Zuge,

Führ' er auch in FeindeS Land!

Eine Frauenstimme. Schon längst wollt’ der Uhu uns sagen,

Was Schreckliches jetzt uns geschah;

Oft rief er in nächtlichen Klagen: „Seid wachsam, ein Unglück ist nah!"

Und neulich versank an der Quelle

Die Sonne in drohendem Roth,

Mein Leben wird niemals mehr Helle,

DaS Glück ist verwandelt in Noth. Felder, traget keine Aehren,

Und du Baum bring’ keine Frucht; Solltet ihr den Feind noch nähren, Oer unS zu verderben sucht! Sprüht, ihr Funken, raucht, ihr Hütten,

Denn ein Rächer ist hier nicht! Dort erst endet, was wir litten,

Wo das Herz am Grabstein bricht.

Unser Fremdling verstand kein Wort von diesem Gesänge, jedoch herrscht in unsern ukrainischen Lie­ dern eine eigene Melodie, eine rührende Traurigkeit, welche gleich dem matten Schein an einem Herbst-

201

tage der untergehenden Sonne unsere Herzen süß bewegt. Unsere Ritter sprengten auf der Stelle dort hin, von wo sich die Stimmen hören ließen. Welch ein traurig« Anblick! Aus der glühenden Asche ragten die Ueberreste des in Flammen aufgelodertm Dorfes hervor. Einige Greise mit weißen Barten saßen auf dem Schutte und betrachteten dieß Alles mit düsterem Schweigen; bejahrte Frauen, den eigenen Schmerz erstickend, drückten die von den Müttern verlassenen Säuglinge an ihre Brust, im dem diese vergeblich durch Weinen um Nahrung bat ten. Unsere Zünglinge durch einen so jammernswerr then Anblick gerührt, boten den Unglücklichen GeldUnterstützung an. Behaltet diese Gaben, sagten sie, was sollen wir mit dem Gelde machen! Uns ist Speise nöthig, und rund umher ist alles wie hier aufgezchrt und verbrannt. Es war ein Glück, daß in diesem Augenblicke ein zehnjähriger Knabe einige im Dickicht versteckt gehaltene melkende Kühe heranttieb. Die Hoffnung, von ihren angeschwollenen Eutern Labung zu bekom­ men, ttöstete ein wenig den bekümmerten Hausen. Diesen Augenblick der Freude benutzend, bat un­ ser junge Spanier einen von seinen Gefährten, die unglücklichen Landleute zu fragen, auf welche Weise dieser Anfall geschehen wäre? Nach einer Pause

202

fing eine von den alten Frauen, nachdem sic sich die Thränen abgetrocknrt, also zu sprechen an: Gestern, als eben die Sonne aufging, sprang ich von meinem Lager auf, und nachdem ich mein Gebet vor Gott verrichtet hatte, weckte ich meine Töchter Alane und Eustachia auf, um das Vieh auf's Feld zu tteiben. Darauf gehe ich hinter den Kuhstall, wo noch jene Eiche raucht, und sehe mehrere Reiter den Hügel linker Hand heraufkommen. Ihre weißen, umgekehrten Pelze, Mühen von Schaft­ fellen, di« über die Schultern emporragendcn Dogen, kleine Pferde, deren Mähnen bis auf die Erde reich­ ten, überzeugten mich, daß dieß Tartaren waren. Durch diesen Anblick erschreckt, rief ich meinen Töch­ tern zu; wir eilen alle drei nach dem Dorfe, und wecken mit durchdringender Stimme die Nachbarn auf. Alle rafften sich aus ihrem Schlummer, und nachdem sie die Ursache des Schreckens erfahren, zerstreuten sich Männer und Frauen, ihre kleinen Kinder an die Hand nehmend oder die Säuglinge an ihren Dusen drückend, nach allen Richtungen hin; aber alle wurden vom Feinde gefunden. Denn die Tartarcn, nachdem sie sich in kleine Haufen zer­ streut hatten, rückten aus kleinen Entfernungen zu einem Kreise an, und griffen jeden, dem sic begegne­ ten, auf. Wir Greise allein, denen das Alter die

203 Kräfte genommen, erwarteten auf den Schwellen un­ serer Wohnungen das Schicksal, welches uns unser Herr Gott bestimmt hatte.

Auch hier fiel ein Haufe

der Barbaren ein, raubte und brannte; lange h-rten wir, obgleich fernes, doch die Luft durchschneidendes

Jammern und Weinen unserer jungen Leute.



Aber die Sonne ist schon zum zweiten Male auf­

gegangen

und wir hören nichts;

unsere Thränen

fließen umsonst, unser Stöhnen und Klagen ver­

hallt nur in den -den Steppen.

Unsere Töchter

und unsere Söhne sind nicht mehr da; nie werden

wir sie wiedersehen! —

Schluchzen und Thränen

unterbrachen die Stimme der Sprechenden.

Unsere Ritter auf's Lebhafteste von dem beweis nenswerthen Zustande dieser verwaiseten Landleute

ergriffen, warfen ihnen ansehnliche Geldunterstühungcn hin, und entfernten sich.

Ach! was möchte ich

darum geben, sagte der Spanier, indem er seinem Pferde die Sporen gab, wenn wir diese Sarazenen tinholen, ihren Raub wegnchmcn und den unglück­ lichen

Eltern

könnten!

ihre

entrissene

Kinder

wiedergebcn

— Das wäre wahrlich eine eines Cyd

würdige That, würdig christlicher Ritter.

Ehe wir an das Abnchmen des Raubes denken, sagte P. Denisko, müssen wir

Hut sein.

selbst auf unserer

Das Gesindel lauert und spürt überall.

204

ES ist nichts leichter, als in ihre Hände zu fallen. Viele sollen erst den Sand mit ihren Zähnen beißen, antwortete Don Ferdinandez, ehe sie uns wen den fangen können. Das ist gewiß, sagte Anselm Gostomsti, daß wir alle unS gleich gut vertheidigen wollen, aber Einige gegen Hunderte müssen endlich unterliegen. Wir müssen uns nach Miendzyborz zu wenden, wo der Herr P. Zazlowiecki mit einer an­ sehnlichen Abtheilung der Viertelsöldlinge *) steht. Mit solchen Gesprächen, über di« Art der Tartarcn Krieg zu führen, brachten die Ritter den übrigen Theil deS Tages zu. Gegen Abend, als sie an einem klaren Dache einen schönen Eichenwald an­ trafen, stiegen sie von den Pferden ab, und nach­ dem sie sich mit kalten Speisen gesättigt, ihre Rosse auf die Weide gelassen, sich selbst die Sattel unter den Kopf gelegt und die Bedienten auf die Lauer gestellt hatten, versanken sie in einen süßen Schlummer. Der Glanz von den rosigen Strahlen der ausge­ henden Sonne berührte ihre Augcnlicder und weckte sie auf. Die lauten Lieder der ihren Schöpfer •) Eine Anne«, welche von der Viertelsteuer (einer Abgabe des vierten Theiles der Einkünfte von einem ver­ liehenen Kammergute) unterhalten wurde.

205

begrüßenden Vögel, die an den Feldblumen und Blattern Hangenden Thautropfen, ein sanfter Wind, welcher liebliche Düfte mit sich führte, die ganze Natur in tausend Reize gekleidet, erregten in den Jünglingen heitere und liebliche Empfindungen. „Alle Kinder der Natur glücklicher bei Tagesanbruch, Fühlen mit dem jungen Tage auch «in neues frischres Leben." Wer gedenkt nicht jener lebhaften Entzückun­ gen im Lenze seines Lebens, wenn der Mensch die Wonne des Daseins doppelt fühlt, wenn sein Herz mit einem unbegreiflichen Froh-Sinne erfüllt ist, wenn vor ihm die Zukunft ausgedehnt und weit da liegt! wer gedenkt nicht, wie der Anblick der aus­ gehenden Sonne, die Reize der erwachenden Natur, unsere Seele aus dem tiefen Schooße der Erde zu entreißen und sie nach höheren Regionen hinüberzu­ tragen scheinen! Voll solcher Empfindungen standen unsere Jüng­ linge auf, nachdem sie inbrünstige Gebete dem All­ mächtigsten dargebracht hatten. Als sie aber ihren Weg weiter fortsetzen wollten, wurden sie gewahr, daß ihre Pferde verschwunden waren. Sogleich suchten sowohl die Lauernden, die der Schlaf in der Nacht überwältigt hatte, als auch sie selbst in dem ganzen Eichenwalde umher, aber vergeblich.

206

Als sie so zerstreut herumirren, hören sie auf ein­ mal das Pstifen schnell fliegender Pfeile, einer da­ von durchbohrte die Armschiene des Spaniers und versetzt ihm eine leichte Wunde. Don Alonzo Ferdinandcz zieht das Schwert, eilt in vollem Laufe nach dem Dickicht, von wo die Pfeile Herausflor gen, stößt auf einen Haufen Tartaren, und da diese der dichten Baume wegen ihre Bogen nicht gebrau­ chen können, suchen sie ihn von allen Seiten zu umzingeln. Das Geschrei der rings umher Käm­ pfenden zeigte an, daß auch die Gefährten des Spaniers sich in ähnlicher Gefahr befanden. Wie ein Blitz blinken die Schwerter der Ritter, die Muselmänner fallen unter denselben, schreckliche Flüche ausstoßend; der Kampf dauert beinahe eine Stunde, bis endlich die Schwerter aus den von der langen Arbeit ermatteten Händen sinken, und die Zünglinge umringt und immer durch neue Hau­ fen bedrängt, gefangen und gefesselt wurden. Man kann sich leicht ihren Schmerz und ihre Schmach denken, da sie ein Raub der Barbaren wurden. Mit Trauern sahen sie, wie die vorneh­ meren Murzen *) ihre muthigen Rosse tummelten, sie selbst hingegen wurden, mit auf den Rücken

207 gebundenen Händen, aus tartarische Hanbpferde ge­ setzt, in die Mitte genommen. Zn diesem Aufzuge kamen sie bald aus dem Walde heraus, und als sie auf dem weiten Felde waren, wurden sie im schnel­ len Trabe mit fortgerissen. Alle zwei Stunden hielt diese Horde an, um die Pferde verschnaufen zu lassen und sich selbst zu erquicken. Auch den Gefan­ genen reichte man in großen Liffeln Stutenmilch. Der Spanier schauderte anfangs mehr als unsere Polen vor dieser Nahrung zurück, aber der Hun­ ger, der Durst, die Noth überwältigten diesen Ab­ scheu. Den dritten Tag bemerkte der dieser Gegenden kundige Denisko, daß sie sich auf unfruchtbaren Fel­ dern befanden. Man verdoppelte den Marsch nach Süden zu. Die unabsehbaren Steppen schienen nie­ driger zu werden: man sahe Rauch neben brennen­ dem Feuer; man vernahm das Gemurmel schmau­ senden Barbarenvolkes, das Wiehern von Pferden, und ein ungeheures Lannen der Zinken *) und Pau­ ken kam immer naher. Endlich hielt die Horde, welche unsere Ritter lei­ tete, in einem Thale an, wo die anderen nach verschiedenen Gegenden ausgeschickten Horden zusam-

208 men gekommen waten, um sich in die Beute zu theilen. Ein unzählbarer Haufen dieser Räuber bil­ dete einen ungeheuren Kreis, und da sie in weiße Pelze gekleidet waren, so stellten sie den Anblick einer sehr großen Herde vor. Mitten unter den dicht geschlossenen Gliedern saßen Frauen, Kinder und Jünglinge, welche gefangen genommen waren. Zhr Jammern und ihre klagenden Stimmen durch­ schnitten die Luft. Ein durchdringendes Freudenge­ schrei der ihre neu ankommenden Gefährten begrü­ ßenden Tartaren unterdrückte dieses Jammern auf einen Augenblick. Zn der Mitte saß auf einem ausgebreiteten Teppiche, die Füße über's Kreuz ge­ legt, der Chan, in einem atlassenen Kaftan; darüber hatte er eine mit Marder gefütterte Schaube von gleichem Stoffe, eine spitzige Mütze, ponceaurothe Pumphosen und rothsaffianene Stiefel. Er war ein siebzigjähriger Greis, mit grauem Schnurrbarte und einem langen herabhängenden Barte; ein Auge war ihm ausgeschoffen. Zn seinem Angesichte, ob­ gleich durch Alter matt geworden, drückte sich die in den Lagern erlangte Sttenge und Wildheit aus. Obgleich gering in den Augen des Sultans, war er doch gegen seinen Untergebenen streng und stolz, duldete auch die mindeste Widersetzlichkeit gegen sei­ nen Willen nicht. Die

209 Die um

ihn, in einiger Entfernung, sihenden

Murzen waren weniger zierlich gekleidet; einige aber

trugen Panzer.

Hier und da lagen krepirte ab;

gedeckte Pferde,

die das Barbarenvolk zerriß und

Für den Chan und für die Murzen wur­

staß.

den bessere Leckerbissen bereitet; nämlich, Seiten des todten Viehes, die vom Pferdeschweiße unter dem

Sattel erweicht wurden, und mit Mehl und Pfer­ deblut gefüllte Würste.

Als Getränk diente eine

aus Hirse verfertigte, dicke und berauschende Brühe;

an Wein und Branntwein, die ihnen durch Raub

zu Theil wurden, fehlte es auch nicht. Murza brachte unsere Ritter zum Chan,

Ein

und stand mit auf der Brust verschränkten Armen, und aus den Boden gesenkten Blicken, einige Zeit

vor ihm.

Was bringst Du, elender Sclave? fragte

der Chan mit einem Tone der Verachtung.

Der

Murza erzählte in einigen Worten den glücklichen

Erfolg

seines Ausfalles, stellte unsere Ritter vor,

welche, obwohl mit gebundenen Händen, in ihrem

Blicke, sich

als unerschrockene und

freie Männer

zeigten.

Indem der Chan die stattlichen Kleider und die

Rüstung der Gefangenen betrachtete, sagte er: Man

führe

sie nach Bachezuseray *) hin, ihr Lösegeld

•) Hauptstadt von der Krimm.

I.

210 wird in Gold nach ihrem Gewichte bestimmt.

Als

er nachher das muthige Roß des Spaniers, wel­ ches der alte Tenczynski demselben verehrte, gewahr

wurde, sagte er: Dieses Pferd und die beiden an­

deren führe man zu den meinigen hin; dieser Troß aber (auf das unglückliche Landvolk zeigend) mag

zur allgemeinen Theilung gehen.

Dieses willkühr-

liche Urtheil, das die Eigenthümer um ihre kost­ barste Beute brachte, schien, statt eine Widersetzlich­

keit oder wenigstens doch Gegen-Vorstellungen, in

diesem Sclaven Freude und Dankbarkeit zu erwekkcn; er küßte ihm die Hand, und sich bückend, be­

rührte er die Erde. So weit erstickt das Zoch der Sclaverei in dem Menschen die Gefühle feiner Würde. Unterdessen klatschte der Chan in die Hande, und sogleich stellte man vor ihn einen niedrigen

kleinen Tisch.

Die Czausen (Höflinge) besetzten

denselben mit dem vom Pferdeschweiße gedampften

Fleische auf geraubten silbernen Bratenschüsseln; mit Begierde verschlang es Krim Gierey und trank seine

starke Hirsenbrühe dazu. Als er sich hinlänglich ge­ sättigt und sich einen ordentlichen Rausch angetrun­

ken hatte, ließ er unsern drei Rittern die Hände losbinden, und schickte ihnen selbst drei Schalen Stutenmilch hin.

Man setzte auch den anderen

211 Gefangenen Speisen vor; aber diese besprengten sie

mit ihren Thränen und rührten sie nicht an. Bald

eröffnete

der

Chan

seine

gewöhnlichen

gunst- und gnadenvvllen Belustigungen;

er

nahm

halb benagte Knochen und blutige Pferdeeingeweide,

und warf sie den rund

um ihn sitzenden Murzen

zu, diese griffen sie bei geöffnetem Munde' mit ihren

Zahnen, oder auch mit den Handen auf, und wenn einer verfehlte, so lachte der Chan, daß

Hangebauch schüttelte.

ihm sein

Als Krim Gierey von die­

sem seiner Würde angemessenen

Vergnügen müde

war, und einen Blick auf sein Lager geworfen hatte,

bemerkte er, daß von dem

aufgezehrten Aase nur

weiße Knochen da lagen, deshalb rief er:

würdige Hunde!

Nichts­

Ihr habt Euch nun gehörig ge­

sättigt, es ist Zeit zur Theilung zu schreiten;

da

wir nicht weiter zu ziehen brauchen, mag Achmed

Und Ali dafür sorgen, daß dieß ordnungsmäßig ge­

schehe. Auf der Stelle zerstreute sich der den Chan um­

gebende Kreis, und es zeigten sich ungeheure Stöße von verschiedenen auf einen Haufen zusammen ge­ tragenen Gegenständen.

Wer hätte da zählen kön­

nen! Kleidungsstücke, Manns- und Frauen-Pelze, silberne Pokale und Becher, Mittelschüffeln, Frauen­

schmuck, Panzer, Helme, Pferde und Heerden ohne

14 *

212

Zahl. Die bestimmten Murzen theilten dieß mit der größten Gewissenhaftigkeit. Aber welch ein trau­ riges Schauspiel folgte dann, als man zur Theilung der Gefangenen schritt. Diese saßen haufenweise, so wie sie mit fortgeschleppt waren. Es kam der Au­ genblick, wo das theuerste Blut und die theuersten Bündnisse getrennt werden sollten. Man trennte Frauen von ihren Männern, Kinder von ihren Müttern; diese sollten nach Stambul, jene nach Natolien, andere nach der Krimm gehen. Das Weinen und Zammern Aller, und das ge­ waltige Loswinden der Mütter aus den Händen der Barbaren, um ihre Kinder noch einmal zu her­ zen, stellte die schmerzlichste Scene dar. Umsonst hallte in den wilden Steppen der Jammer der Ver­ zweiflung und des Schmerzes, Gott nahm ihn als Lisegeld für die Sünden dieser Sterblichen an; aber außer unsern Rittern wurde durch dieß Alles kein menschliches Herz erweicht. Mitten unter einem so durchdringenden Geschrei wurde man zwei Murzen gewahr, die ein anmuthiges, sich sträubendes Frauenzimmer mit Gewalt fort schleppten. Seine Gestalt war erhaben, in al­ len Gliedern eine vollkommene Bildung. Ein seide­ nes, obschon zerfetztes Kleid zeigte den hohen Stand an; ein schwarzer Schleier verdeckte ganz das Ge-

213 sicht, nur dunkeles unter demselben in dichten Lokken hervorkommendes Haar bedeckte ihre schneeweiße

Schultern.

Die tüchtig berauschten Murzen schlepp,

tcn diese Unglückliche vor das Tribunal des Chan.

Einer von ihnen, Namens Hassan, fing mit folgen­

de» Worten zu reden an:

Du, nach dem Stell­

vertreter unseres Propheten, Allermächtigster Mo­ narch in der Welt, Drudersohn der Sonne, Vetter des Mondes, Schaffner der Gerechtigkeit, Du Ein­

ziger von Ur- und Großvätern, rechtmäßiger Be­ sitzer unseres Vermögens, unseres Lebens und unse­

rer Seelen, Du, von dem ein Haar größeren Werth hat als alle Bewohner der ganzen Krimm, Aller­

größter, Allerschönsier, Allerverständigster unter den Lieblingen Mahomeds! zu Dir komme ich, um Ge­

rechtigkeit zu finden.

Die ungläubige Hündin, die

Du vor Dir siehst, ist durch mich zuerst ergriffen worden, mir gehört sie mit dem unläugbaren Rechte,

doch macht mir Musselin sie streitig, und hält diese

Hündin für sein Eigenthum.

O, Du holder Stern

der Weisheit, übe Gerechtigkeit aus und befiel, sie mir wieder zu geben!

Als Hassan endigte, ließ Musselin sich also ver­ nehmen:

Wunderbarer, mit Nichts zu vergleichen­

der, Allwaltender, Vermehrer der tartarischen Ma­

jestät, dessen

Glanz

unsere Augen nicht ertragen

214

können, Allergrößter, Allerschinster, Allerverständigster! Hassan lügt, wenn er sagt, daß diese ungläu­ bige Hündin ihm angehöre. Es ist wahr, er war der Erste, der sie ergriff und schon wegführte; aber mag er selbst sagen, kamen denn nicht ihre Ver­ wandte und Freunde, haben sie sie nicht wieder ent­ rissen, sie schon wieder nach Hause geführt, und hätten sie sie auch nicht völlig weggeführt, hätte Ich, nachdem ich den Entführern nachjagte, dieselben nicht verwundet und zerstreut, mit einem Worte, hätte ich diese ungläubige Hündin nicht wieder ab­ genommen, und wäre ich nicht ihr wahrhafter Be­ sitzer und Herr geworden, wo wäre sie denn ohne mich? Daß sie hier ist, dieß hat nur mein Arm und mein Säbel bewirkt. Sie ist eine Beute, setzte er hinzu, die man nicht leicht abtteten kann, sie ist eine Schönheit, Deiner, o Herr, würdig, würdig des Sultans selbst! Nach diesen Worten riß Musse­ lin den schwarzen Schleier von dem Gesichte der unglücklichen Gefangenen, und in demselben Augen­ blicke hörte man ein durchdringendes Geschrei von der Gegend her, wo die vor einer Stunde gefan­ genen Ritter geweilt hatten. Die Tartaren selbst waren von dem Glanze solcher Schönheit und sol­ cher Reize überrascht. Nur der Chan Krim Gierey allein ward nicht gerührt, sondern schien in einem

215

tiefen Nachdenken versunken zu sein. Alle erwarte­ ten das Urtheil des Allwaltenden, und priesen ihn, daß er mit solcher Ucberlegung und Mühe auf der Schale seiner Weisheit alle Umstande dieses Strei­ tes abwöge. Es herrschte ein langes Stillschwei­ gen. Die jungen Murzen konnten ihre Augen von der schönen Gefangenen nicht losreißen; diese, fast ohnmächtig, mit halb geschlossenen Augen, stellte den Anblick der von einem Pfeile durchbohrten Tochter der schönen Niobe dar. Endlich wachte der Chan Krim Gieren auf, der nicht in Nachdenken über diese Angelegenheit, son­ dern in einen festen Schlaf versunken war, und als er die Murzen und die Gefangene vor sich stehen sah, fragte er: was dieß zu bedeuten habe? Die Parteien wiederholten ihre Einleitungen, und als sie geendigt hatten, ließ sich der alte Chan, der während ihres Sprechens seine Augen an den Rei­ zen der schönen Sklavin geweidet hatte, also verneh­ men: Während der ganzen Zeit dieser obwaltenden Sache, war ich in der Verzückung bis in den sie­ benten Himmel versetzt, wo unser heiliger Prophet befahl, daß ich. Eure Streitigkeiten schlichtend, diese Gefangene keinem zuerkennen, sondern sie für mich nehmen soll, und so nehme ich sie nun. Nur dem Sultan trete ich sie ab! rief der von Zorn ergriffene

216 Hassan aus. — Der Sultan

braucht solche Ge­

schenke nicht, versetzte der Chan, er hat deren Tau­ sende; es stimmt auch mit unserm Interesse nicht,

ungläubige Hündinnen dem Padischah als Kebsweiber zu geben.

Gedenket Ihr noch, als die Polin

Roxolana das Herz Solimans beherrschte? da war

es uns ausss Strengste verboten, die Grenzen Po­

lens zu überfallen; wie viele Jahre hindurch

sah

man in der Krimm weder einen Gefangenen, noch eine Gefangene, es glänzte bei uns kein den Un­ gläubigen entrissener Silberbecher!

Zeiten nicht wieder zurückrufen. er seinen Dienern zu;

Laßt uns diese Dieß sagend, rief

Nehmet diese Sklavin und

führet sie in mein Lager! — Du nimmst also das, was für den Sultan bestimmt war! schrie der schon

wüthende Hassan.

Schweige, Du schwacher Staub,

antwortete Krim Gierey, indem er ihn zu enthaup­ ten drohet«.

Obgleich der Stufen der menschlichen

Geduld unzählbare sind, so giebt es doch eine letzte,

hinter welcher die Verzweiflung wohnt, und Gleich­

gültigkeit

gegen Alles.

Das

Ucberschreiten

des

Maßes in Ungerechtigkeit und Gewalt erweckte diese Verzweiflung.

Der von Kindheit auf an das Joch

der niedrigsten Sklaverei gewöhnte Hassan fühlte sich

nun als Mensch, und indem er sah, daß man ihm

dieses so schöne Weib entriß, rief er, von Liebe und

217 Zom ganz betäubt, aus: Wenn es so ist, so soll keiner von uns beiden dieses Weib haben! Dieß sagend, zog er seinen Dolch hinter dem Gürtel Herr vor, und indem er ihn aufhebt und nach der Brust der ohnmächtigen Gefangenen zielt, springt Don Alonzo di Medina Czeli unter der Wache hervor, und reißt Hassan den Dolch aus den Händen, aber beim Ausreißen wird er selbst damit am Arme leicht verwundet. Er rächte diese Wunde, versenkte seine Waffe in den Tartar, dieser fiel und wälzte sich auf dem Boden. Don Ferdinandez nimmt die ohnmächtige Sophie (denn sie war es) in seine Arme. Schon blinken tausend Schwerter in der Luft über dem verwegenen Ritter, als ein Schall naher Trom­ peten und Pauken, und der Anblick des in vollem Galopp ankommenden polnischen Heeres die Tartaten in die grißte Bestürzung und Verwirrung verseht. Ende deS ersten Theils.

Verbesserungen. S. 31 Z. 4 von unten lieS: Schlüssel. — 71 — 7 v. oben lieS: gewann, statt: gewonnen. — 85 — 7 V. 0. L: omina et praesagia, fl.: omnia et praestigia. — 113 — 1 v. u. l.: Szydlo wice, fl.: Szydtowice. — 118 — 5 v. u. l.: Ocieski, st.: Ocinski. — 119 —13 v. o. I.: Dolman, st.: Ooloman. — 122 —12 v. o. l.: Schooße, st.: Schlosse. — 129 — 1 v. o. L: gleiche, st., gleich. ■— 134 — 7 v. 0. l.: venam, st.: veniara. — 140 — 9 v. o. L: bewillkommnete, st-: be­ willkommete. — 150 — 4 v. u. L: Zakliczyn, st.: Zatliczyn. — 154 — 9 v. o. l.: gebundne, st.: gebunden. — 200 — 5 v. o. l.: Führt', st.: Fähr'.