Das Kreuz an der Ostsee, Teil 1: Die Brautnacht [2. Aufl., Reprint 2021]
 9783112511664, 9783112511657

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DAS

KREUZ AN DER OSTSEE.

EIN

T R A U E R S P I E L VON

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Erster mm

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Theil:

A&ÜIIPJMCÖIRÜ^

So sind w i r n u n , lieben B r ü d e r , niclit d e r Magd K i n d e r , sondern der Freien. Ep. a. d. G a l a l e r . Cap. 4 » 31.

Zweite BERLIN, IN

DEH

SANUERSCHEN

Auflage, 1823. BUCHHANDLUNG.

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I I I S T 0 I I I S C II E R

V o t t B E U I C I I T .

P r e u s s c n s Urväter an den Küsten der Ostsee w a r e n so roli, als die Natur um sie her. Der Auerochse, das Elenn, Nebel und Schnee, w a r e n ihre Umgebun • gen, von denen Jahrhunderte bis jetzt nur die ersteren zu tilgen vermochten. Mehr I c h t h y o p h a g e n als N o m a d e n , wurden sie in der Völkergeschichte erst durch den Bernstein bekannt, welchen sie Glas nannten, den sie beim Nordwestwinde am Strande fischten, und den R ö m e r n , die ihn von dort abholten, gegen Waffen, gefärbte Kleider u. dergl. — denn Geld kannten sie noch nicht — vertauschten. Diese Handelsverhältnisse lehrten sie früh schon eine Gewandtheit im geselligen Verkehr, welche mehrere Chronikenschreiber des sogenannten Mittelalters b e w o g , die Preussische T r e u e der Punischen zu vergleichen. Auiserdem hatten sie mit allen w i l den Völkern Einfalt der Sitten, Muth bei gleicher, und List bei überwiegender Gegenkraft, mit den nordischen insbesondere, Tapferkeit und Trunkliebe gemein. •k

II

Ihre religiösen Mythen verriethen Scandinatfischen Ursprung. Ihre Hauptgötter: P e r c n n o s , P i c o l l o s , P o t r y m p o s , waren höchst wahrscheinlich nur eine vergröberte Nachbildung des O d i n s , des T h o r ' s und der F r e y a . Sie wurden zu R o m o v e verehrt; einem Orte im jetzigen Alt-Ostpreussen, dessen Name jedoch jetzt eben so wenig mehr, als seine eigentliche Lage, bekannt ist. Dort war ein heiliger Eichenhain; die Brustbilder der drei genannten Götter standen unter einem ungeheuern Eichenbaum , angeblich von mehr als zwanzig Ellen im Umkreise, waren mit Vorhängen bedeckt, und mit eigenen Attributen versehen. P e r c u n o s ( d e r L u f t und Donnergott) war im männlichen Alter abgebildet, und stand mit einem rothen, zornigen Gesichte, Flammen um das Haupt, in der Mitte; P i c o l l o s (der Krieges- und Todtengott), in der Gestalt eines bleichen, langbärtigen Greises, das Haupt mit einem Tuche umwunden, zur Rechten; P o t r y m p o s (der E r d - und Wassergott), als ein lächelnder, unbärtiger, mit Kornähren gekrönter Jüngling, zur Linken. Dem ersten war ein beständig unterhaltenes Feuer, dem zweiten Menschen-und Thierschädel, dem dritten eine Schlange geheiligt, die, in einem von Garben bedeckten Topfe, mit Milch gefüttert wurde. In diesem heiligen Haine durfte kein Holz gefällt werden; ihm durfte kein Christ, bei Lebensstrafe, sich nahen. Er war der beständige Aufenthaltsort des Oberpriesters, C r i w e C r i w a y t o (Herr der

III

Herren) genannt, welcher, als oberster Richter in geistlichen und weltlichen Dingen, von allen Preussischen Völkerstämmen fast göttlich verehrt ward. Das ganze Land stand unter seiner priesterlichen Oberherrschaft; ihn einmal gesehen zu haben, wurde für ein grofses Glück geachtet, und wenn er einen Priester mit seinem Stabe im Lande herumsandte — was nur bei wichtigen Gelegenheiten geschah — so wurde dieser als göttlich verehrt. Die andern Priester, wieWOlll jede Klasse ihren hasondern Manien führte, hiefsen überhaupt W a i d e l o t t e n , und wohnten tlieils zu R o m o v e , w o sie das heilige Feuer unterhielten, theils im Lande zerstreut. Charakteristisch ist es, da Ts fast alle Feste von diesen Priestern damit eröffnet wurden, dafs sie sich in Meth berauscht e n , aus dessen Schaume sie auch die künftigen Schicksale wahrsagten. Auch bei diesen rohen Völkern findet man übrigens schon das Schicksal personificirt. Sie dachten es sich, unter dem Namen L a i r n a , als ein Weib, welches auf einem Rocken das Leben jedes Menschen, Glück oder Unglück, nachdem er es verdiente, in Fäden ausspann. Aufser dieser, der Griechischen Parze sehr ähnlichen, Untergottheit, hatten sie noch den W e l lengott B a n g p u t t i s , den sie sich als einen geflügelten Riesen auf dem Meere wandelnd dachten, wie er mit gewaltigen Flügeln W i n d und Wellen aufregt; sie glaubten von ihm, dafs er ihnen den Bernstein durch die Wellen an den Strand spülen liefse. * i

IV

Selbst die Idee von Orakeln fehlte ihnen nicht gänzlich; sie unternahmen keine wichtige Handlung, ohne zuvor das Loos zu werfen, und nie giengen sie in den Krieg, ehe sie nicht die Götter um Rath gefragt hatten. Zu diesem Zwecke ließen sie einen ihrer gefangenen Feinde an einen Tannenbaum binden, und ihn durch den Priester mit einem Spiefse durchbohren; sprang das Blut hoch empor, so deuteten sie es auf einen glücklichen, rieselte es nur schwach hervor, auf einen unglücklichen Erfolg. Ihre Sitten waren so einfach, wie ihre Sprache. Für Magen und Seele hatten sie — wie noch die heutigen Litthauer und Financiers — ein und dasselbe, für Tugend und Laster gar kein Wort. Auch für Stunde und Minute hatten sie, wie noch der Litthauer, keine besondere Namen. Jedoch scheint die Eintheilung der Zeit in Jahre und Monate ihnen nicht unbekannt gewesen zu seyn; die Benennungen der letzteren, die sich noch bei den heutigen Litthauern erhalten haben, sind nicht ohne Sinn ans den Ereignissen der Natur entlehnt, als z. B. B a l a n d i n n i s M e n o (Taubenmonat), die Zeit, wo die wilde Taube kommt; S u l t e k y s M e n o (Saftmonat), die Zeit, wo das Birkenwasser läuft u . s . w . (Auch die Monatsnamen der heutigen Polen sind zum Theil diesen ähnlich, und mit vieler Zartheit gebildet). Eine Zeitfolge von Tagen bestimmten sie nach Sonnenuntergängen, und prägten solche, da sie des Schreibens ganz unkundig waren, durchschnitte

V

iin Kerbstock, oder Knoten im Gürtel, ihrem Gedächtnisse ein. Aufserordentlich war ihr natürliches Talent für Poesie. Es zeigt sich noch bei dem gemeinen Letten, der (so lange er nicht lesen und schreiben kann!) als ein geborner Improvisadore jeden Gegenstand, oft mit eben so viel Witz als Zartheit, aus dem Stegereife besingt. In Kleidung und Sitten ist noch der jetzige Litthauische Bauer ein getreues Nachbild der Urpreussen, und seine festlichen Gebräuche tragen fast noch ganz ihr altheidnisches Gepräge. Am auffallendsten äußert sich in den Litthauischen Hochzeitsgebräuchen diese Aehnlichkeit mit den Altpreussischen, die in Pregolla's Erzählung (siehe den ersten Akt dieses Theils, S. 72 u. f . ) s e h r t r e u gezeichnet sind. Die Mädchen machten, sobald sie mannbar wurden, solches durch Glöckchen, die sie an den Gürtel hängten, den Jünglingen symbolisch bekannt. Der Jüngling mufste sein Mädchen ihren Eltern abkaufen; dann liefs er sie durch einen seiner Freunde, d e r , von dem W a gen, worin er die Braut abholte, Wagenführer genannt w a r d , und die Stelle des Possenreißers vertrat, gleichsam gewaltsam rauben, Das schöne Klagelied, das die Mädchen bei Abführung ihrer Gespielin sangen, habe ich, wie es mir Hartknoch *) u. a. überlieferten, treu wieder zu geben gesucht. *)

I l a r t k i i o t l i s alles u n d n e u e s P r e u s s e n .

VI

Auch der scherzhafte Kampf der tferheiratheten Weiber mit den Mädchen, die von ihrer Gespielin nicht lassen wollen, um die Braut, ehe sie in's Brautbett geführt wird; ferner die Aufsetzung der linnenen Haube, statt des bräutlichen Kranzes, ist zum Theil noch ein schöner, sinniger, Polnischer Nationalbrauch, nur mit dem Unterschiede, dafs bei den etwas derben Urpreussen die Braut wirklich in das Brautbette hinein geprügelt wurde, und die linnene Haube so lange tragen m u f s t e , bis sie einen Sohn gebar. Nur dann erst hörte sie auf Jungfrau zu seyn. Die Töchter wurden noch ausdrücklich als „aus ihrem Fleische erzeugt« betrachtet, und thaten ihrer Jungfrauschaft keinen Eintrag. Der Mann nannte seine Geliebte, wie noch der Lette: weifses Liebchen ( B a 11 a l i g a v i n n a ) . Uebrigens behandelten die Preussen ihre Weiber nichts weniger, als human. Sie waren Sclavinnen der Männer, durften nie mit ihnen essen, mufsten ihnen und ihren Gästen die Füfse waschen, sie beim Mahle bedienen, u. s. w. Rüstungen und eigentliche Waffen kannten die Urpreussen vor der Ankunft des Ordens so wenig, als Geld und Bier. Alle diese Artikel ihnen beliebt zu machen, war erst einer spätem Zeit aufbehalten. Ihre einzigen Waffen waren damals grofse, voll Blei gegossene Keulen; kleinere, eben so bereitete, die sie am Gürtel trugen, und damit sehr geschickt in der Ferne zu treffen wufsten; endlich längliche, an der einen Seite geschär fte Pfeile — wie man sie nur kürz-

VII

lieh noch in Grabhügeln gefunden hat — zu gleichem Zwecke. Ihre Lieblingsbeschäftigungen waren Jagd und Fischfang; späterhin Waarentausch und Krieg. Ihre Gesetze waren sehr strenge, und wurden, wie bei allen ungebildeten Völkern, auch wirklich befolgt. Ein Dieb w a r d das erste Mal mit Ruthen, das zweite M a l mit Knitteln geschlagen, und, wenn man ihn zum dritten Male ertappte — verbrannt. Ein Ehebrecher ward fern von den Göttern verbrannt, und es stand, sonderbar genug, nicht nur im Willen des Mannes, sein Weib, wenn es ihm die eheliche Pflicht versagte, sondern auch im Willen einer Ehefrau oder Jungfrau, denjenigen, der sich ein unkeusches Betragen gegen sie erlaubte — zu v e r b r e n n e n ! Auch von diesen Gebräuchen haben einige sich zum Theil noch erhalten. W a s die Staatsverfassung betrifft, so war Preussen in eilf Provinzen getheilt, deren jede ihr besonderes Oberhaupt (regulus, Sczupan, lies Stschupan) hatte. Diese eilf Distrikte, nur durch das Band der priesterlichen Oberherrschaft des Criwe lose zusammen gehalten , standen übrigens unter einander in gar keiner Verbindung, und eine sah ruhig zu, wenn der Deutsche Orden die andere unterjochte: eine Seelenruhe, die noch ein charakteristischer Zug dieser Staaten und einiger ihrer Gränznachbaren ist. — Die innere Verfassung näherte sich zwar dadurch, dafs die Acltesten der Völkerstämme ihre Stimme bei Krieg

VIII

und Friedensschlüssen und andern wichtigen Begebenheiten hatten, schon etwas der Feudalverfassung; doch blieb den Sczupanen, nächst der executiven Gewalt und dem Oberkommando im Kriege, noch immer eine sehr ausgezeichnete Macht, selbst das Recht über Leben und Tod. Auch bekamen sie theils für sich, theils Namens der Götter, den gröfsern Theil der Beute, Abgaben von den Feldfrüchten, dem Bernstein u. s. w . W i e sie ihre Untergebenen zu behandeln verstanden, beweist schon d e r Zug, dafs die geringeren Preusäen unter Hollunderbäumen ihrem Waldgotte P u s c h k a i t i s opferten, damit er sich für sie bei M a r c o p o l , dem Gotte der Sczupanen, dahin verwenden möge, dafs sie von diesen weniger geplackt würden. Diesen geschichtlichen Datis fügen Chronikenschreiber noch die, meinem Trauerspiele hauptsächlich zum Grunde gelegte, Tradition bei: dafs ein A l a n e , W a i d e w u t h i s , als ein anderer N u m a , obigen Anwohnern der Ostsee ihre Götter, Gesetze, Gebräuche, kurz alles gegeben habe, was ein Volk braucht, sobald es so weit gesunken ist, Glückseligkeit zu s u c h e n . Dieser W a i d e w u t h soll erster König der Preussen gewesen seyn, und sich die Krone durch das, von mir treu nacherzählte, Bieneninährchen erworben haben, was seit seiner Zeit häufig zu gleichem Zwecke gebraucht ist. Er soll zwölf Söhne gehabt haben, von denen zehn in mehreren Schlachten gefallen, der eilfte, S a m o , dem jetzigen

IX Samlande, und der zwölfte, W a r m i o ,

dem durch

liebliche Wallfahrtsörter und Weiber gesegneten Ermelande den Namen gegeben haben soll.

Nach S a -

m o ' s Gattin, P r e g o l l a , soll der an mehreren Stellen flache Pregel-Flufs benannt worden seyn, der Königsberg Warmio

in Preussen zum Theil

einschliefst.

soll des Herzogs C o n r a d von der M a -

s a u Tochter geheirathet haben, und, durch sie zum christlichen Glauben bekehrt, Veranlassung zur Ausrottung des Heidenthums in Preussen geworden seyn. Der alte W a i d e w u t h aber soll, nach achtjähriger Regierung, das Land unter seine Söhne getheilt, sich als Oberpriester ( C r i w e ) nach R o m o v e zurückgezogen, und dort im Traume von seinen Göttern die Offenbarung erhalten haben, dais sie sich gegen den Gott der Christen nicht vertheidigen könnten, und der Götterglaube von dem christlichen — wie bald darauf geschehen — würde verdrängt werden.

Ei-

nige Fabeln sagen, er sey durch seine Götter sogar zur Annahme des Christenthums vermocht worden. Das Wahre an der Sache ist, dafs die Sarmaten, als Gränznachbaren der Preussen, schon lange Zeit vor Ankunft des Deutschen Ordens in Preussen, durch eine Böhmische Fürstin D o m b r o w a , Gemahlin M i n c i s l a u s I . , zum Christenthume bekehrt, um letzteres nach Preussen zu verpflanzen, unaufhörliche Fehden führten, in denen sie oft siegten, öfters unterlagen.

Auch gelindere Mittel wurden nicht gespart;

mehrere Missionarien predigten den Heiden an der

X

Ostsee das Evangelium, und waren wunderlich genug, Leben und irdische Glückseligkeit der Erreichung dessen aufzuopfern, was ihnen heiligste Wahrheit schien. Durch hartnäckige Verfolgung dieser Idee (die jetzt selten jemandem einen Mittagsschlaf raubt) zeichnete sich vorzüglich ein wackrer Mann, der Böhme A d a l b e r t aus, der als Bischof von Prag mehrere Reisen nach P a l ä s t i n a und Rom gethan hatte, dann nach Polen gieng, und von dort aus, durch den König B o l e s l a u s C h r o b r i unterstützt, eine ganz unblutige Kreuzfahrt nach Preussen unternahm. Er wurde anfänglich von den gastfreien Preussen liebreich aufgenommen, las an mehreren Orten die Messe, und taufte ganze Schaaren Ungläubiger. Dessen ungeachtet ward er von einem heidnischen Pfaffen, der ihn wahrscheinlich aus Brodtneid halste, mit einem Spiefse durchbohrt, und angeblich unweit des jetzigen Städtchens F i s c h h a u s e n , zwischen der Ostsee und dem frischen Haffe, beerdigt. Noch wird erzählt, dafs der König B o l e s l a u s den Preussen in der Folge seinen Leichnam abgekauft, und dieser, da der König ihn nach seinem Gewichte bezahlen sollen, wunderbarer Weise kaum eine Unze gewogen habe; auch sollen an seinem Grabe mehrere Wunder geschehen seyn. Wiewohl nun beides billiger Weise zu bezweifeln steht, so kann man ihm doch d a s Wunder nicht absprechen, dafs er, nach seinem Tode selbst, dem, an die Stelle der heidnischen und katholischen Verketzerungssucht getretenen, fast so

XI schwer als Adalberts Leichnam wiegenden, Protestantismus gegen alles Kräftige, das Zeugnifs abgenöthigt hat: er habe gewufst, was er gewollt, und sey wenigstens das, was er seyn wollte, ganz, mithin doch etwas,

etwas wirklich existirendes



mit

einem

Worte, etwas, theils jenem Protestantismus*), theils der heutigen Bildung überhaupt gerade entgegengesetztes gewesen. Mehrere Märtyrer nach A d a l b e r t hatten ein gleiches Schicksal, da der Preusse, so willig er sich taufen liefs, doch jedes Unglück, das ihm -widerfuhr, gleich auf Rechnung der Christengottheit schob, neben derselben s e i n e Götter und heiligen

Bäume

schlechterdings behalten wollte, und Jeden, der sich an letzteren vergriff, sich des schleunigsten, auf gute oder böse Art, vom Halse schaffte; welche Manier sich übrigens in jenem Lande, wenn gleich unter verschiedenen Formen, bis in die spätesten Zeiten erhalten hat.

(S. des Ostpreussen H e r d e r s A d r a -

s t e a u. a. m . ) *)

Es

giebt n o c h einen P r o t e s t a n t i s m u s ,

Praxis d a s , was die Kunst in der T h e o r i e ,

der in der

i s t , und

den

irli so t i e f verehre, dafs ich ihm sogar die Kunst, w i e die T h e o r i e der Praxis überhaupt, nachsetze. der heilige Adalbert und

I n ihm a b e r sind

der heilige L u t h e r —

Kollegen;

und w e n n Gott, warum ich ihn täglich bitte, uns L u t h e r n noch v o r dem jüngsten T a g e w i e d e r auferweckte, so w ü r d e er gewifs

nichts Eiligeres

zu thun h a b e n ,

dem w a h r e n Protestantismus

als gegen die,

untergeschobene,

Abart dem-

selben , auf seine etwas derbe A r t t u protestiren.

XIT Sanfter und weltkluger, als alle seine Vorgänger in diesem Geschäfte, war Bischof C h r i s t i a n von C u l m , ein geborner Pommer und Freund Herzogs C o n r a d von der M a s a u , unter dem der Orden in's Land kam. Dieser C o n r a d , den ich der Geschichte buchstäblich nachgeschildert habe, war wirklich ein Ideal von Schlechtheit. Er hatte seine Regierungsrolle damit angefangen, dafs er seinem Freunde, Oheim und Vormund (einem Manne, den die Preussen selbst so achteten, dafs sie ihn den Herrgott der Polen nannten), seiner gerechten Vorwürfe überdrüfsig, erst die Augen ausstechen, dann ihn ermorden liefs. Er machte sich durch seine schwache, ohnmächtige Regierung verächtlich, durch seine Laster verhafst. Beides gab den Preussen gewonnen Spiel, die ihn unaufhörlich in seinem eigenen Bezirke belagerten, und Tribut von ihm erprefsten. W i e er sich dabei benahm, zeigt die (S. 49.) erzählte Anekdote, die buchstäblich wahr ist, und den Charakter des Fürsten, seiner Unterthanen und seiner Zeiten, gleich lebhaft versinnlicht. Um ihm zu helfen und den Preussischen Bekehrungsplan durchzusetzen, veranstaltete der Bischof C h r i s t i a n , unter Vermittelung das Pabstes, einen Kreuzzug nach Preussen, an dem auch der kurz zuvor in Liefland errichtete Orden der Schwerdtritter Theil nahm; aber letztere fanden bald an der Ostsee ihr Grab, und alle Versuche waren nach wie vor fruchtlos. Da wandte sich Bischof C h r i s t i a n an den Deutschen

XIII

Orden * ) , dem der Verlust von Damiette und die schlechte Lage der Kreuzfahrer im Orient, wo er kurz vorher gestiftet worden, bewiesen hatte, dais sein Glück dort nicht blühe. Der Ordensmeister H e r m a n n v o n S a l z a ergriff daher die ihm von C h r i s t i a n angebotene Gelegenheit mit Freuden, da sich eben an der Ostsee, wo schon so viele Schwächere gescheitert waren, diesem ausgezeichneten Geiste ein Feld für seine kühnsten Entwürfe zeigte. Dieser Meister H e r m a n n , den uns die Geschichte als einen der edelsten Helden, weisesten Staatsmänner und kräftigsten Menschen, des an solchen Gestalten reichen sogenannten Mittelalters schildert, war nebst seinem Busenfreunde, Kaiser F r i e d r i c h I I , von keinem seiner Zeitgenossen erreicht. Beide grofse Geister überflügelten ihr Zeitalter, und wenn F r i e d r i c h das Glück hatte, selbst unter seinen Nachfolgern fast einzig dazustehen, so blieb es, durch eine sonderbare Laune des Schicksals, nur der gegenwärtigen entarteten Zeit vorbehalten, in einem der s p ä t e s t e n Nachfolger des grofsen Hoch- und Deutschmeisters H e r m a n n seine Trefflichkeit auch unsrer Mitwelt zu versinnbilden **).

*) Seine Mitglieder wurden Brüder des Deutschen Hauses Sanct Maria zu J e r u s a l e m , auch manchmal K r e u z h e r r e n genannt. **) Bei wclchcm Deutschen bedürfte es -wohl einer N o t e , wenn vom Deutschen Helden K a r l die Rede ist?

XIV Hell stand der Gedanke, einen Ritterstaat, geschützt von den Flügeln der Kreuzesfahne,

mitten

unter den nordischen Heiden zu errichten, vor H e r m a n n ' s S e e l e , und die Natur hielt seinem Genius W o r t ; der idealische Staat ward bald wirklich.

Ob

die Natur jetzt in einem ähnlichen Falle auch durch T r e u ' und Glauben sich von unserm Zeitgeiste auszeichnen würde — ich weife es nicht;

aber das ge-

traue ich mir zu behaupten, dafs ein ähnlicher Fall, nicht sowohl der Heiden — an denen wir keinen Mangel haben — als der Ritter wegen, eine schwierige Aufgabe seyn dürfte. Doch es ist Zeit diesen vielleicht zu trocknen Vorbericht zu schliefsen. zuge

aus

dem

gröfseren

Ich thue es mit einem Aushistorischen W e r k e

des

hochverdienten Preussischen Geschichtschreibers v o n B a c z k o , der, wenn der Kampf ächter Seelengröfse mit einem eisernen Schicksal tragisch ist, schon seit manchem Jahre ein wirklich Griechisches Trauerspiel, wiewohl fast ohne alle Chöre spielt.

Die Stelle sei-

nes W e r k s , die mir zugleich das Gestelle des meinigen gab, ist wörtlich f o l g e n d e * ) : „ U m vom Lande selbst die erforderlichen Nachr i c h t e n einzuziehen, und mit Herzog C o n r a d und Bis c h o f C h r i s t i a n in nähere Unterhandlungen zu tre„ten, wurden um's Jahr 1226 zwei Ritter des Deutschen „Ordens, C o n r a d v o n L a n d s b e r g und O t t o v o n ' ) B a c z k o Gcjcliichte Prcusscnj, Bd.I. S. 110 —112.

XV „ S a l e i d e n , nach Plotzko 'gesandt, und in Abwes e n h e i t des Herzogs von seiner Gemahlin Agaphia „(Sophia) als willkommene Gäste empfangen. Ger a d e in diesem Zeitpunkte erfolgte ein neuer Ein„ fall der Preussen; die Herzogin und der Feldhaupt„ mann der Masovier baten nunmehr die beiden Ritt e r , die Anführung des Heeres zu übernehmen, und „ d i e Stellung desselben anzuordnen. Die Ritter, wil„ lig hiezu, wie es Ritterpflicht und die Aufforderung „einer Dame ihnen gebot, ordneten das Heer in vers c h i e d e n e Haufen, wovon nur einige kämpfen, die ,andern indefs r u h e n , und dann ihre Gefährten im „ K a m p f e ablösen sollten. Die Preussen litten viel, u n d ,, da der Kampf bis in die Dämmerung gewährt, dran„ g e n sie mit erneuertem G r i m m unter wildem Ge„ heul auf die Masovier ein. Diese flohen, ihr Haupt„ mann wurde gefangen, die Ritter blieben, mit W u n „ d e n bedeckt, auf dem Schlachtfelde liegen. Die „Preussen hinderte ihr starker Verlust, den Sieg zu verfolgen; nach Plünderung des Schlachtfeldes zo„ g e n sie sich zurück. Die Herzogin bestimmte den „Rittern ein feierliches Begräbnifs, und liefs deshalb „ i h r e Körper aufsuchen. M a n fand in ihnen noch „Spuren des Lebens, brachte sie nach Plotzko, sorgte „ f ü r ihre Heilung, und beide erfüllten, nach wied e r e r h a l t e n e r Gesundheit, den Zweck ihrer Sen„dung.« „ D e n n im Jahr 1228 fertigte Herzog C o n r a d „ z w e i Urkunden aus, in deren erster er dem Deutschen

XVI „Orden das Culmische Land und die Stadt O r i a u „in C u j a v i e n ; „Dobrin,

in der zweiten

aber das

Schloß

nebst dem dazu gehörigen Gebiete und

„einigen andern Oertern, für sich und seine Nachk o m m e n abtrat, auch dem Orden die Zollfreiheit „ z u Wasser und zu Lande ertheilte. stian

Bischof C h r i -

leistete Verzicht auf den Zehenden in die-

„sen abgetretenen Ländereien.

Die Ritter begaben

„sich nun zum Hochmeister zurück, der die Anstal„ t e n zur Bekriegung Preussens machte, und solche „endlich im Jahr 1230 unternahm." Der Krieg



endigte sich bekanntlich

mit

dem

Siege des Ordens und des Christenthums über den heidnischen Götterglauben in Preussen, und diese geschichtliche Angaben mähides.

sind der Grund meines Ge-

W i e ich die Figuren drappirt, die Lich-

ter vertheilt habe, bedarf keiner Erklärung für Einige, und belohnt keiner für Andere. — Meinen wenigen gekannten und ungekannten Freunden jedoch werde ich auf jedes W O , wann und wie, keine Antwort schuldig bleiben. Schliefslich bemerke ich, dafs der zweite und letzte Theil dieses Werks, spätestens binnen Jahresfrist, vielleicht auch noch eher, erscheinen wird. DER

VERFASSER.

DIE

1

P E R S O N E N .

(

Die heilige Kunst als Prologus. Preussische Sczupane ( Unterkönige ) , Söhne des Waidevvuthis, sonstigen Königes und Gesetzgebers, dermaligen Oberpriesters (Crive) der Preussen.

SLLXO,

1

GLAPPO,

J

V Preussische Feldherren.

ein alter Preussischer Priester als Bote des Crive. x

LESSGEWANG,

Ein Waidelolte (Preussischer Opfer^riester). OLLO,

ein alter Preusse.

Ein alter Zitterspielmann (der Geist des heiligen Bischofs und Märtyrers Adalbert, ersten Apostels der Preussen). C O N R A D V O N L A N D S B E R G , "L O T T O VON S A L E I D E N ,

Ritter des Deutschen

j

Ordens.

Ein Herold des Deutschen Ordens. WILHELM,

Bischof

ein Schweizer, Ordensknappe.

CHRISTIAN

Hettmann

von Culm.

LASSOZKI

von der Masau.

FALENSKI,

Castellan zu Plozk.

STEPHANI,

ein Jude.

Gemahlin

AGAPHIA,

des Wohvoden

(Herzogs)

Conrads von der Masau. deren Tochter, Warmio's eben ange-

MALGOSA,

traute Braut. Samo's Gattin.

PKEGOLLA,

ein Polnisclies Fischermädchen.

DOBOTKA,

Vier Preussische Jünglinge. Einige Aelteste der Preusslschen Stämme. Lanzknechte des Deutschen Ordens. Polnische Magnaten, Priester, Edelknaben und Bedienten. Preussische und Polnische Krieger, Preussische und Polnische Männer,

Weiber

und

Kinder.

Der

erste zweite

Aufzug

spielt

in

der dritte

e r s t in P l o z k ,

auf

kleinen

einer

Handlung Morgens

fällt an

Insel

in's

und

drei W o c h e n

an und

endigt

dann in

Jahr

endigt

welcher

Ende

Ostpreussen

Strande,

am W e i c h s t i l u f e r ,

der Weichsel. 1226.

gegen

Der

der

der

endlich

Die Zeit

erste

Mittag,

später spielt —

um Mitternacht,

derselben N a c h t ,

am

t h e i l s in P l o z k s e l b s t ,

tlieils in d e r N ä h e v o n P l o z k ,

der

Akt

der fängt

zweite



fängt gegen Abend dritte

und schliefst mit

begreift

das

Sonnenaufgang.

I/VW/VW/AA^

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P R O L O G .

Die

Eröffnung sondern sehr

der nur

starke

Sccric

durch Töne

wird

drei

durch

keine

Ouvertüre,

unmittelbar

mehrerer

-vorhergehende,

Posaunen

im

Unisono,

angekündigt. Der Hintergrund

und

sten Morgenrothe andere hoher,

-4uf grün

sammen oben des

dem

laufender

mit

als

eine

Vorgrunde

bemooster,

Palmenbäumen,

Fels,

unten

in der

wie

Bühne

reine des

oben fast

Sonnenwenden

Felsens

der

erleuchteten

Gegenstände,

spective.

und

die Seitenwände stark

umpflanzt,

hellkeine

blaue

Luft - Per-

Theaters

steht

pyramidalisch

mit einer

Mitte

vom

zeigen

ein zu-

Dornenhecke

mit weifsen

Rosen,

sluf

Spitze

der

erscheint:

Die H E I L I G E

K U N S T

in einem blutrothen Ge-

w ä n d e , in der Rechten ein rothes Kreuz emporhaltend, und sich mit der Linken auf einen goldnen Anker stützend.

Sie ist mit

einer

Myrten-

krone, auÄ der drei weifse Lilien emporragen, gekrönt. Ich

bin d i e h e i i ' g e K u n s t ! —

Des Himmels

Bläue

L o c k t mich v o m T h a l , w o s c h w e i g e n d ich gesessen, D e s L e b e n s heitre H ö h e n zu besteigen. Habt I h r das K r e u z des G l a u b e n s auch v e r g e s s e n ,

6 So wird der Hoffnung Anker doch, der treue, Der Liebe Lilie sich bekannt Euch zeigen. — Ich will mich zu Euch neigen, Ich Ewige, in Eurer Brust zu wohnen. O, selig seyd Ihr, wenn Ihr mich besonnen, Mit Freiheit wählt, gewonnen Ist Euch das Heil, denn herrlich kann ich lohnen! — Doch wird das Heilige nur dem verbunden, Den, wie des Aethers Blau, es rein erfunden. Ich will heut den Versuch beginnen lassen: Die Lichtwelt Euch im Spiele vorzubilden, Auf dafs Ihr einstens mögt den Ernst vernehmen. — Erblicken werdet ihr ein Volk von Wilden, Die Bessern drängt's, was göttlich, zu umfassen, Und möchten sie die Christen wohl beschämen; Doch ach! — ich sag's mit Grämen! — Die Mehrzahl seh' ich hier, wie dort, erliegen Dem Zeitengeist, der sie mit tausend Schlingen .— Was auch die Bessern ringen — Durch Kraft und List versuchet zu besiegen. Umgarnet von den höllischen Dämonen Kann Liebe nicht in ihren Herzen thronen.

7 Er selbst, der Götter diesem Volk gegeben, Der Waidewuth, ist Diener der Gewalten, Die in der Dunkelheit dem Dünkel fröhnen; Aus Gottverfluchten Götter zu gestalten, Gab Formen er der Kräfte regem Leben, Um frech die Menschenkraft durch sie zu höhnen Den Sunder zu versöhnen Ereilt ihn Laima, die er selbst ersonnen, Die Schicksals-Göttin, die voll böser Tücke Die menschlichen Geschicke, So fabelt er, in Fäden ausgesponnen; Doch Wahrheit ist im Trug: — das Schicksal spinnet Auch Euer Loos — zu Gott der Faden rinnet! — Noch führ' ich Euch nicht zu Romovens Haine, Wo er, der Preussens Volk in Fesseln legte * Als Oberpriester ruht bei seinen Göttern; Wo Höllen-Fürsten, deren Dienst er pflegte, Die drei am Eichbaum stehn im Dämmerscheine, Und kraftlos dröhn den Himmel zu zerschmettern. Percunos der, in Wettem, Das Haupt vom Blitz umzuckt, der Luft gebietet, Potrympos der, dais Wasser Erd' befruchte,

8 Es leitet — der verruchte Picoll, der T o d , der in den Schlachten wüthet, Noch dürft die Nachtumhüllten Ihr nicht sehen; Doch wird ihr Grausen Euch vorüber wehen. — Jetzt sollt ein buntes Leben Ihr erblicken, Wie Eure Väter, durch Gewinn verblendet, Den Kindern gleich, nach Spielwerk emsig trachten; Dem Wellengott Bangputtis zugewendet, Vertraun sie sich des wilden Meeres Rücken, Das Leben, was sie schänden, zu verachten. — Die Hügel schon umnachten, Sie strebten, so wie Ihr, nach eitlen Freuden, Sie hatten Unschuld, so wie Ihr, verloren; Doch, der uns all' erkoren, Er führte sie sich zu durch bittre Leiden. Das Kreuz, das liebend jetzt zu Euch sich neiget, In Qualen ward es Jenen einst erzeuget. Als Bote dessen wird sich dar Euch stellen Der Geist des Märtyrers, den sie erwürget, Weil ihren Götzendienst er einst verdammet. In Einfalt, die die hohe Kraft verbürget,

9 Naht er Euch spielend auf Gesanges Wellen; Im Sange glüht's, was hell im Glauben flammet! — Dem Orient entstammet, Geleitet er ein Chor von Kreuzesbrüdern, Die mit Sarmaten, welche Christum nennen, Doch wenig noch ihn kennen, Zum Untergang der Götzen sich verbrüdern. Zwar wüthen diese mit vergebnem Streiten, Doch müssen sie sich selbst den Fall bereiten. Ein liebend Paar wird sich der Herr erkiesen, Mit seinem Abglanz hat er sie durchdrungen, Durch seinen Märtyrer sie treu gehütet; Nachdem mit Welt und Sünde sie gerungen Und ihm, dem T r e u e n , sich getreu erwiesen, So siegen sie, ob auch die Hölle wüthet. — Genug für jetzt! — Es brütet Das Heilige in Schmerzen und in Scherzen, Und ob Ihr dessen auch Euch mögt entschlagen, Doch wird sie endlich tagen, Die Bildung in verbildet rohen Herzen. M a g auch des Kreuzes Zeichen untergehen, Doch siegend ttiufs sein Urbild auferstehen!

10 Und nun — lebt wohl, Ihr Lieben, Und zürnet nicht auf den, der mich gesendet, Der, selber schwach, zu stärken Euch gewähnet Was er so treu gesehnet, Geahndet hat er's wohl, doch nicht vollendet! Ach! — kann die Aeolsharfe wiederklingen, Was Sterne glühn und Seraphinen singen? —

D e r Vorhang fallr.

Die Ouvertüre beginnt.

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Küste der Ostsee in jilt- Preussen. Hinten Hütten im Vordergründe. Es ist früher

das Meer. Morgen.

P R E U S S E N , am Meere mit dem Bernsteinfange beschäftigt;

ANDRE

in v e r s c h i e d e n e n H a u f e n

gru-ppirt;

W E I BEB. und M Ä D C H E N an der Küste kochen F i s c h e , ein W A I D E L O T T E

mit e i n e r S c h a l e M e t h

auf d e r Spitze e i n e s H ü g e l s . WAIDELOTTE.

B a n g p u t t i s , Bangputtis, Bangputtis! Erhöre den Opfergesang!

(er trinkt.)

GESANG.

Auf den Stürmen, In den W e l l e n , Die sich thürmen Und zerschellen, Schreitest prächtig, Wühlst allmächtig Sie mit Flügeln auf, Bangputtis!

12 GEGENGESANG.

Nährst in Schlünden Blanke Fische, Hauchst in Winden Lebensfrische ; Trägst die Kühnen, Die dir dienen, Schnell auf leichtem K i e l , Bangputtis! WAIDELOTTE.

Erhöre den Opfergesang! EINE

(er trinkt.) STIMME.

Glas aus der Sonnen Sterne geronnen, Fliefsende Wonnen Spühl' an den Strand! EINE

ANDRE.

Kommen auf Wogen Fremdling' gezogen; Tauschen uns Bogen, Buntes Gewand! EINE

WEIBLICHE

Gelbe Corallen, Männern gefallen,

STIMME.

13 Schmücken uns allen Busen und Hand! WAIDELOTTE.

Erhöre den Opfergesang!

(trinkt.)

H A U F E N DER

MÄNNER.

Meth und Bocksblut sollen dir rinnen, Lafs uns den flüchtigen Lichtglanz gewinnen! HAUFEN

DER

WF.IBER.

Glänzend bepanzerte Fische verzehren Gluthen, dich, Wellenbezwinger, zu ehren! BEIDE

HAUFEN.

Segne die Arbeit der rüstigen Hand, Spühl' uns geronnene Sonnen ans L a n d ! — WAIDELOTTE

( m i t gesangartigem

Pathos).

Im Abend und in Mitternacht, Hat er den W i n d schon angefacht; Dafs er das Flehn erhöre, Die Opferschal' ich leere !



Ha! wie der Gischt Emporzischt! W i e tropfende Perlen Im Methschaum' querlen! Die Tropfen gerannt, Gleich den Wogen am Strand,

(er

trinkt.)

14 Dem Riesen Bangputtis aus mächtiger Hand ! — Was befruchtet Meer und Land, Knochen uns mit Fleisch verband, Was den stärksten Zauber bannt, Auf uns löst des Schmerzens Band, Dafs die dumpfe Trauer schwand, Freud' und Muth in uns entbrannt; — Flüssigkeit wird es genannt! — Wasser, Meth und Opferblut Löst den Schmerz, des Feuers Glnih, Habt Yertraun und hohen Muth! — Gelingen wird es •— gelingen! Ich höre den Köcher des Gottes erklingen, Ich höre die Wellen ihm Loblieder singen; Die rüstigen Diener Bangputtis, sie bringen Das Sonnen - und Wasser - geborene Gut! ( e r s p r i n g t , w ä h r e n d d e r letzten V e r s e , h a l b b e r a u s c h r , m i t s e l t s a m e n G e b e r d e n , auf d e m H ü g e l . ) ALLE

(in lärmend freudigem Gesänge).

Die klingenden Wellen, sie schäumen, sie bringen Das Sonnen- und Wasser - entronnene Gut! S l L K O , I I H G E ter h ä n g t ,

G L A P P O

mit Keulen, und V I E R

JÜNG-

m i t W u r f s p i e f s e n , an w e l c h e n W i l d p r e t h e r u n treten

auf.

S i l k o t r ä g t einen e r l e g t e n B ä r e n ,

Glappo e i n e n F u c h s auf d e r K e u l e .

15 SLLKO.

Hört ihr sie schrei'n, die Thoren? — Im Meere suchen sie, was sie verloren, Das Heil, nach dem sie rennen! GLAPPO.

Sie fischen Bernstein, wie's die Fremden nennen. SILKO.

Lafst hier am Baum euch nieder, Und ruht vom Jagen aus die matten Glieder! Hieher! — mich graut zu schauen Dies Volk von Kräften baar und von Vertrauen! E r , Glappo und die Jünglinge lagern sich, den R ü k ken nach dem M e e r e gewandt> u n t e r einen Baum im V o r g r u n d e . OLLO (ein

alter

Freusse,

aus

der

gegenüber

stehenden

mit seinen Hausgenossen h e r a u s t r e t e n d ) .

Wenn erwacht der Morgen munter, Geht auch schlafen schon die Ruhe! — Seht ihr, wie dort in den Fluthen Sonnenglas sie iischen muthig? — Ich mufs auch vom klaren Gute Füllen Säcke mir und Truhen! —. ( z u seinen K n e c h t e n )

Du kommst mit! — Du treibst zum Grunde, Dort die Schafe mit den Kühen, Und du führst den Stier am Pfluge

Hütte

16 Nach des Geistenackers Furchen! — Weiber, ihr bleibt hier zum Schatze, Riegelt fest mir zu die Hütte; Denn nach fremdem Eigentliume Ist der nackte Räuber lüstern! Vor des bösen Diewes * ) Wiithen Steckt am Zaune Weidenruthen. .— Müfst euch rühren — sorglich hüten, Jeder treu das Seine thue, So gefällt er dem Percunos! ( g e h t ab mit seinem G e s i n d e . ) G L AP PO ( z u

Silko).

Hörst den alten, reichen Ollo? — Stets erjagt er neue Armut!)! — SlLKO.

Lafs mich mit dem platten Volke! -— Schau, wie blutroth dort die Sonne Steigt und feuerflammt im Morgen, Und die Geister auf den Wolken Aus wie klarer Gluth gewoben! —. Ha ! es mufs doch herrlich oben Sich im Jagdgetümmel toben, So, *)

So h i e ß e n die bösen E r d g e i s t e r der A l t p r e u s s e n , die

sie d u r c h W e i d e n r u t h e n b e s c h w ö r e n zu können glaubten.

_ J 7 __ S o , auf wilden F e u e r r o t e n , A u f - und abwärts unverdrossen, Zielin mit glühenden Geschossen! — Brust und Herz sind mir erhoben! — Ist's euch auch nicht so, Genossen? EIN

JÜNGLING.

Immer möcht' ich so mit Keulen Schlagen, dafs es Funken sprühte; Nach dem Eber ziehn mit Pfeilen, Bären ihre Jungen rauben — Dann das Balgen und das Schnauben, Zwischen drein der Hunde Heulen! — W i e der Sau das Aug' heut' glühte, Als ich, pressend ihr die Keulen, Auf den feisten Wanst ihr kniete: Zwar sie schlug mir manche Beulen, Doch ich dessen mich nicht mühte —. Jägerbeulen schnell sich heilen! EIN

ANDERE*.

Vielfach ist des Menschen Sinnen! — Sonsten mocht.' ich auch das Jagen Stets mit neuer Lust beginnen. Aber einst, als durch die Fluren Früh ich zog auf Wildes Spuren, W o im Thal die Bächlein rinnen, Sah' ich was im Grase ragen — /.

2

18 Schier vergingen mir die Sinnen! — W a s ich sah? — ich will's nicht sagen! — Nackte Mädchen flohn von hinnen. — Besser: Mädchen aufznjagen, Als das schönste W i l d gewinnen! EIN

DRITTER.

W i e die bunten Nebel fliegen Ueber Meer und Feld und Heide Ist auch Fliegen mein Vergnügen! Tags im Forst herum zu rauschen, Nachts die Geister zu belauschen, Hingestreckt im Grase liegen, W e n n auf blauer Himmelsweide Sie sich drehn in hellen Zügen! Ha! dann träum' ich von der Freude, An mein Mädchen mich zu schmiegen! Hör' den Dudelsack uns beide Schon in süfsen Schlummer wiegen! EIN

VIERTER.

So einmal auf muntern Auen Jag' ich auch wohl mit zum Spiele; Aber — vor sich muis man schauen! Zäunen w i l l ich meinen Garten, Dort der Kräuter fleifsig warten, Und mein eigen Hüttchen bauen; Vater hat der Heerden viele,

19 Eine wird er mir vertrauen. So komm' ich gemach zum Ziele, Kauf' mir Ollo's Kind zur Frauen, Und lafs, schnarchend auf der Diehlo, Mir von ihr im Kopfe krauen. SII.KO.

Stockfisch du! — GLAI'I'O

( z u m vierten

Jüngling;).

Zeuch gen Romoven! Schön wird dich der Ciive loben, Kriegst ein Bündel heil'ger Ruthen, Dort vom heil'gen Waidewuilien! SILKO.

Schweig von dessen schnödem .Namen, Der den Willen uns getüdtet! E i n i g e M ä d c h e n treten a u s d e m H a u f e n V o l k im H i n tergründe schüchtern der K r i e g e r g r u p p e näher,

um

w e l c h e sich n a c h u n d n a c h m e h r e r e F r e u s s e n

ver-

sammeln. ElX

MÄDCHEN

( l e i s e z u dem

andern).

Siehst du die vom Jagen kamen, Wie sie dort im Schatten ruh'n! — Wie sich Silko's Wange röLhet, K o m m , wir wollen näher gelta! ZWEITER

JÜSCLIXÜ

(ZU d e m

Siehst du jene — beim Perkun! Wie sie lüstern auf uns sehn? — o *

andern).

20 (laut)

Näher, shcone Mädchen, tretet! EIN

MÄDCHEN;

Nein, ich mag nicht! EIN

ANDERES.

Ich w i l l auch nicht. — EIN

DRITTES

(ZU dem J ü n g l i n g ) .

Bist doch nicht der Bärenzwinger, Nicht der Heldenniederringer, — Bist der Silko nicht! — EIN (schüchtern

zu Silko

VIERTES

tretend,

der s i e ,

im N a c h s i n n e n v e r -

l o r e n , nicht b e m e r k t ) .

Fürwahr, Ganz durchnäßt bist du vom Thaue, Feucht sind Schultern dir und Haar! DAS

DRITTE

(eben

so).

W i e ihm Stirn und Wange glühn! DAS

VIERTE

(eben

so).

Trockne dich in Vaters Hütte — Dorten liegt sie auf der Aue! SILKO

(auffahrend).

Brecht die Zäune — schleift die Hütten, Stellt euch in des Forstes Mitten, W o die Auerochsen ziehn! Lauft sie an mit raschen Schritten,

21 Stofst sie nieder stark und kühn! — O, dann braucht ihr nicht mit Bitten Leben euch zu flehn vom Sczupan, Braucht der Aecker nicht und Hütten; — Kriecben's nicht bedarf der Mann, Der noch kräftig schreiten kann! GLAPPO.

Silko! — machst die Mädchen zittern! SILKO ( i n d e m er die scheu zurückgetretenen M ä d c h e n

gewahr

wird).

Mädchen? — Ha! ich hatt's vergessen! — (zu

ihnen)

Könnt ihr schon mein Wildpret wittern? — Kommt, ihr lebt j a , um zu essen; Nehmte was ich im Forst gewann; Ich mir Neues holen kann! — ( E r w i r f t den e r l e g t e n B ä r e n u n t e r s i e h i n ) .

Fort! — Es warten Küh' und Rinder, Futtert alt1 und junge Sünder! EIN

JÜNGLING.

Aengste nicht die armen Kinder! EIN

MÄDCHEN

( l i e b e v o l l ZU S i l k o ) .

Zürnst du, Heldenüberwinder? SILKO.

Nicht diesen schönen Namen!

22 Ich kann ihn nicht erhalten, noch verdienen. — Gestorben sind die Kühnen, Verschwunden ist der alte Heldensaamen! — Sie, die vom Himmel kamen, Die W e l t in Obhut nahmen — Ihr, schnödes Menschenvolk, vergleicht euch ihnen? — Und dennoch kriecht und bettelt ihr bei i h n e n , Die aus der Ferne kamen, Und euch in Fesseln nahmen, Euch, die sich nichts al? graben, wuchern, dienen Und — stehlen noch — erkühnen! — Bewahrt die Aecker, weibisch sä't den Samen; Doch nimmer stehlt ihr euch den Heldennamen! EIN (äus

mehreren,

PREUSSE

unterdefs

hinzugetretenen,

halblaut).

Was w i l l der Murrkopf? EIN

ANDERER

(eben

so).

Lais ihn — er ist stark! GLAPPO

(helmlich

7,u

Silko).

Sie lauschen um uns — willst du Händel fangen? SlLKO. Ja — denn das Hera ist mir mal aufgegangen, Und in iiiir riihi t sich meiner "Väter M a r k ! DRITTER

JUNGLINC.

Es war doch schön zu alter Väter Jahren, Als keine Hütten noch und Zäune w a r e n !

23 SlLKO. Sie Hütten und Zäune? —• W a r ihnen die Bläue Der Luft nicht gewölbet zum herrlichen Dach?



Auch ohne Vereine Geeinet durch T r e u e , So zogen sie fröhlich dem Keulenspiel nach! Legt einer sich hin — was kümmert ihn morgen ? V o r quälenden Sorgen, Durch Stärke geborgen, W a r jeglicher T a g ein Freudengelag! Die Männin dem Krieger Nicht sklavisch gekettet, Sie war ihm im Jagen ein munt'rer Gesell; Nicht Gräber, noch Pflüger, In Höhlen gebettet, Erkämpften sie Nahrung und tranken am Quell; Kein heiliger Hain ! — selbst waren sie Götter! —Sie tobten, wie Wetter, Des Vaterlands Retter, Und Leben durchzuckte sie sprudelnd und hell ! — Und jelzo — ! Glappo. Hält verschlossen Ein jeder Hof und Haus,

24 Zieht wohl auch unverdrossen Bepelzt auf's Feld hinaus, Und schenket Gott Potrympel Den Erbsen nur Gedeih'n, So schachert unser Gimpel Sich bunte Kleider ein. Behängt mit bunten Lappen, Lehrt ihren treuen Claus, Im Näh'n und Kinderpappen Sein liebes Weibchen aus; Gekuppelt gleich den Hunden, Ergähnt man sich das Brot; Verwahrt vor Todeswunden, Sind wir lebendig todt! ERSTER

JÜNGLING.

Ha! lieber wollt' ich doch verkrüppelt sterben, Als so ein Todesleben mir erwerben! SlLKO

( i h m die H a n d r e i c h e n d ) .

»Mein Freund! — DRITTER

JÜNGLING.

Warum die erste Pflugschar nur Nicht in das Herz des alten Frevlers fuhr, Als e r , die Mutter Erde zu verwunden, Uns Wunden schlug, wovon wir nie gesunden! ERSTER

JÜNGLING.

O , kennt' ich ihn — ich forderte sein Blut!

25 SlLKO.

Geh' nach Romove — frag1 den Waide wuth, So Last du jenen Frevler schon gefunden! WAIDELOTTE

(voll dem Hügel

schreiend).

Der Silko lästert! SlLKO

( z u dem Waidelotten

emporblickend).

Kannst du mehr, als trinken? EIN

MÄDCHEN

( d i e w ä h r e n d d e s s e n s c h ü c h t e r n bei S i l k o

gestanden).

Wie dir die Locken brennen, Feindbesieger! SlLKO

( a u f den W a i d e l o t t e n

zeigend).

Verliafst ist mir die Schaar der Völksbetrüger; Denn alle folgen sie den schnöden Winken Des Oberpfaffen, der die wackern Krieger "Vom Waffenglanz geführt zum Sensenblinken, Lind jetzt, nachdem er uns genug betrogen, Sich in den heil'gen Hain zurückgezogen. WAIDELOTTE.

Er lästert! EIN

MÄncnss,

Waidelot.t, da trink einmal! ( S i e s p r i n g t a u f den H ü g e l , eine S c h a l e M e l h ,

und r e i c h t d e m W a i d e l o t t e n

d i e er b e g i e r i g

ZWEITER

ausleert).

JÜKGUSC.

Ob auch das Bienenmährlein wohl mag wahr sein, Womit er, sagen sie, die Krone stahl?

EIN

MÄDCHER.

Ein M ä h r l e i n , lieber S i l k o ? Eis

ANDERES.

O , ein M ä h r l e i n ! Mehrere Weiber, zu

und

Mädchen und Kinder drängen

gruppiren

sich

um

den J ü n g l i n g e n gelagerten

den

mit Glappo

sich und

Silko.

WAIDELOTTE ( a u f dem Hügel s p r i n g e n d mit lauter

Stimme).

B a n g p u ü i s ! B a n g p u l t i s ! es ist uns g e l u n g e n ! D i e schäumenden W e l l e n , sie brausten, sie Sprüngen, S i e führen zum S t r a n d e das brennende G l a s ! EIN

WF.IB

(

z u

Silko

freudig).

E i n M ä h r l e i n , S i l k o ? — O , erzähl' uns d a s ! SlLKO

(heiter).

Auch d u willst's hören ? — W i e ihr mich b e d r ä n g t ! — Ihr habt d i e V o r z e i t in m i r a u f g e s u n g e n ! — S o hört's, ihr M u t t e r , sagt es euren J u n g e n , D a m i t sie l e r n e n , w i e man Hasen f ä n g t ! DIE (durch

einander,

indem

WEIBER sie,

sich

Speise und Trank

um

ihn

drängend,

ihm

reichen).

N u n , S i l k o , nun — n i m m diesen Fjsch — den Bissen! Da, trink e i n m a l ! — lafs uns das M ä h r l e i n w i s s e n ! SILKO.

Hört d e n n a l s o ! — E u r e V ä t e r — W ü r g e sie, Picoll, die Thoren! —

27 Safsen einst — seitdem das her ist, Ist wohl aclitzigmal o t>geschmolzen Sclion der Schnee auf unsern Bergen; — Safsen, plapperten und sannen, W i e sie wohl der Christenhunde, Jener iibermiith'gen Polen, Die schon damals uns bedrängten, Männlich sich erwehren möchten. Rath zu halten! — o , der Narren! Hatten sie nicht Keule, Bogen, Könnt' sich Jeder selbst nicht rathen? EIN

MÄDCHEN.

Weiter! — SlLKO.

Da erhob sich plötzlich Waidewuthis, der Alane, Jetzo jener Pfaffen Obrer, Kaum einmal ein Junge damals! W A I DELOTTE

(von dem Hügel

schreiend)»

Silko lästert! EIN

JÜNGLING

(ZU i h m d r o h e n d h i n a u f b l i c k e n d ) .

Still dort oben! SILKO.

Er erhob sich also: Brüder, Sprach e r , hört ihr dort im Forste Jene Bienenschwärme summen ?

!28

Klein Gewürm, es scheint ihr Toben Würdig nicht, dafs man es achte. Aber neckt sie einmal spottend, Ihr zieht straflos nicht von dannen. Darum ist's, da Ts Einer sorgsam Jeden ihrer Schritte leitet, Den zum König sie erkohren, Alle stehend für den Einen. —. Drauf führt' er die Leicht-Bethörten Hin zu einem Bienenbaue, Zeigend, wie so fein gewoben, Jede dieser kleinen Zellen Von den kleineren Bewohnein, W i e in jeder eine Biene, W a s sie künstlich sich erworben, Abgesondert von den andern, Wartet ihres eig'nen Honigs, Und wie durch der Einz'len Fleifs Sich des Ganzen Bau erhoben. Als die Alten drob erstaunet, Die, im Kampf mit Auerochsen, Nie der Bienen noch geachtet, Rief e r : seht, das macht der König, Der sie alle hält zusammen; E r , der alles leitend ordnet,

129 Scheinbar herrscht und allen dienet' Denn ein König ist kein Obrer, Nur ein Vater seiner Brüder, Glücklich, wer dem Weisern folget, Wie die Bienen ihrem Weiser. Alä er so mit glatten Worten Schlau sie eingelullet — schwieg er — Reden that er nicht, doch hob er — Stark ist er ja noch und zierlieh ! — Sich empor, und — zählte Wolken! — Sinnend schwiegen auch die Alten; Doch die Jungen angezogen Von der Kraft des Wagenführers, Trauend dem, was er gesprochen: König sei! so riefen Alle. —. Listig, als er dies vernommen, Stellt' er sich, als sei's sein Wunsch nicht. Sei wohl gar noch drob erschrocken ; Sprechend, es giebt ält're Leute, Bin der Mann nicht — fremd geboren — Und was sonst er noch geplappert! — Greise sahen scheel — doch drohend Schrien die Jungen — jene murrten, Diese tobten, wie die W o g e n ; Also ward der Fremde König,

30 Der uns um die Macht zu wollen Und um unsre Kraft betrogen ! — EIN

KNABE

(verwundernd).

Menschen ! — Bienen ? — S I L K O.

Wohlgesprochen! Nein, wir sind kein schwach Gewürme! EIN

W I M .

Nun,' was that der neue König? o GUPPO.

Der König —- er that? — Geht hin nach Romove, Da riecht ihr von ferne schon, was er gethan! —. Er nahm einen Eichbavim, und schnitzelte eilig Drei Fratzen, die Götter er nannte, daran: Den alten Percun, der blitzet in Wettern, Der junge Potrympos zeigt Wellen die Bahn, Picollos, der luget, als lag' er im Grabe — 's ist alles ein fabelhaft närrischer Wahn ! WAIDELOTTE

und

MF.HRE.KE

AUS

DKM

VOLK

( schreiend).

Er lästert.

Den Tod ihm ! SLLKO

( d i e Keule

erhebend).

's ist Wahrheit, sprich welter! EIN

JÜNGLING.

Sey's L ü g e , es hört sich so fröhlich doch an

31 GLAPPO.

Dann theilt' er nach M a ß e n die Aecker und Felder, W a s Allen gemein w a r , den Einzelnen zu; Er lehrt' sie umpfählen und zäunen die F e l d e r , Da scheucheten Sorgen die nächtliche R a h ' ; Der freundliche König liefs J e d e m nur w e n i g , Doch J e d e r bedankt sich und küfst ihm den Schuh. ERSTER

JUNGLING.

O, Vaterland! GLAPPO.

W o l l t ihr noch weiter es w i s s e n , W i e schön er den Pflug uns zu führen gelehrt; W i e J e d e r , der kiihnlich wollt' Alles geniefsen, W a s Erde und M e e r doch für Alle bescheert, — W a r d sänftlich als Räuber von Hunden zerrissen, Nur Einer vom Raube des Ganzen sich nährt, W i e e r euch die A e c k e r , die Garben, die Töpfe Beschnüffelt? — Zieht M ä u l e r ihr, kratzt euch die Köpfe? — Ist's w a h r , w a s ich sage, ihr duldsamen T r ö p f e ? EIN

WEIB

( h e i m l i c h zu dein

andern).

W i e hämisch er lächelt! EIN

ANDERES

(eben

so).

W r ie er uns beschielt! — EIN

DRITTES

(eben

so).

Der häfsliche Glappo, ich kann ihn nicht, l e i d e n !

EIN

AI,TF.R

PRET;SSE.

Recht hat. er; doch was so ein König befiehlt, MuPs einer wie Regen und Hagelschlag leiden! GLAPPO.

Yor Allen sind doch noch die Weiber zu neiden, Für die hat er väterlich Sorge getragen! — Der Starke, geschaffen zu brünstigen F r e u d e n , An Eine wird er wie ein Nagel geschlagen. W i r jagen entkuppelt die Hunde zur Heiden, Und sollen gekuppelt uns Freude erjagen; U n d wollen des Ehejochs Ketten wir trennen, So laist er uns gnädigst zu Asche verbrennen. W E IBER

( d u r c h e u i a n d e r so'tu'eiend )•

Heil unserm Crive! J Ü IT G L I N G E .

F o r t , lose W e i b e r , — Zum Küchenfeuer! — Glappo hat Recht! Die Weiber

fliehen

erschrocken

in d e n

und beschäftigen sicV wieder beim

Hintergrund, Kochen.

GLAPPO.

Merkt's euch, ihr trägen, nervlosen Leiber, Erst war't ihr Herren, jetzt seyd ihr Knecht'! Silko. Alte Knechte vieler Jungen, Seid ihr unter's Joch gezwungen. Sonsten w a r er's doch allein; Jelit

33 Jetzt sind's dreie im Verein. Nun er's Reich getheilt den Söhnen, Die als Sczupans uns verhöhnen, Sinnt er, wie der Dachs im Loch, Zu Romove Unheil noch. — Männer, Schafen gleich, zu theilen, O, die Wunde kann nicht heilen! GLAPPO.

Kann der Kuckuck nicht mehr schrein, Pfeift er's seinen Jungen ein! EIN

PREUSSE.

Schlecht war von den Söhnen allen Keiner — sind nicht zehn gefallen, Rühmlich in der Schlacht Gewühl? Samo, Warmio, die beiden, Die noch übrig sind, sie weiden Uns zu unsres Glückes Ziel. SILKO ( m i t seinen G e f ä h r t e n von dem Boden a u f s p r i n g e n d ) .

Beide zu viel! Leide, wer's will. Werd' ich gekniffen, ich halte nicht still! EIN

ALTER

PREUSSE.

Können sich Glieder regen und schauen, Wenn sie nicht weise beherrschet das Haupt? I.

3

34 SlLKO.

Hat denn das Haupt Nägel und Klauen, Hat's euch das Mark aus den Knochen geraubt? EIN

ANDERER

PREUSSE.

Schwer ist zu einen Menschliches Meinen; Jeglicher Mann Thut, was er will und kann. Reiben sie feindlich sich, kann nur vereinen Alle des Einen Macht, das ist der Sczupan! SLLKO.

Männliches Meinen Soll sich nicht einen; T h u , was er will und kann, Jeglicher Mann ! Geht es zur Schlacht — o, dann vereinen Starke mit Starken sich ohne den Sczupan! MEHRERE

PREÜSSEN.

Ohne den Sczupan? SLLKO.

Warum ein Sczupan, Warum die ganze Brut? Hat er nicht Fleisch und Blut, Ist er, wie wir, nicht vom Weibe genommen? — Küfst er sein Weib nicht, — wenn ihn die Nessel sticht,

35 Juckt es ihn nicht? — W a s kann er uns frommen, Was ist er mehr, als w i r ? W Ä I D E L O T T E ( b e r a u s c h t auf dem H ü g e l s p r i n g e n d ) .

Heisa, sie kommen, Kommen geschwommen, Bringen die Schätze Der schäumenden Fluth! A l l e , a u f s e r Silko und G l a p p o , l a u f e n nach der S e e . G L A P P O (ZU S i l k o , indem B e i d e a u f s t e h e n ) .

Sagt' ich nicht dir? — Fischlein im Netze, Hält sie gefangen der W a i d e w u l h ! — Kannst du die Sonne herunter dir langen? — Eben so hoch steht der Sczupane Brut! Sey auf der Hut, Das Volk ist ihm gut, Hört es der Sczupan, es kostet dein Blut! SILKO.

Sklaven befürchten, was sie verschulden. Spinnt Laitna Tod mir, kann ich ihn dulden; Schändliche Knechtschaft erdulde ich nicht! GLAPPO.

Immer zw tollkühn — nimmer besonnen, Leicht ist's zu murren, schwerer zu scherzen. Merk' es, nur spielend spielst du mit Herzen,, So hab' ich Hasen und — Männer gewonnen.

36 SlLKO.

Klägliche Kunst — ich mag sie nicht wissen, Ist mir die Brust vom Kummer zerrissen, Sprudel' ich aus, was im Herzen mir spricht! G L APPO.

Folg' deinen Grillen, ich folge meinen. — Nachdem der Wind kommt, red' ich und schweige, Morgen verbergend, was heut' ich zeige, Bis sich mein Wunsch und Gelegenheit einen. SlLKO.

Willst du den Sczupans sklavisch noch dienen, Willst du sie stürzen? — Rede als Mann! G L APPO.

Mein ist die Herrschaft, schmeichle ich ihnen — Wollen, das werd' ich, wenn ich erst kann. SlLKO.

Jetzt oder niemals! GLAPPO.

Mach' mich nicht lachen! — Zwei gegen Tausend! SlLKO.

Höre mich an! Kann dir die Nachricht den Muth nicht erfachen, Wohl, so geht Jeder die eigene Bahn! — Der von der Masau, Herzog der Pohlen, Reiste nach Krauk, sich Völker zu holen.

37 Preussen erlieget der feindlichen Macht, Nimmt es sein Heil nicht bei Zeiten in Acht. GLAPPO.

Konrad der Schwächling! SILKO.

Männer besiegen Kann er nicht, welche des Kampfes gewöhnt, Doch auch dem Schwächlinge — Memmen erliegen! — Wenn Jeder ängstlich dem Eigenthum fröhnt, Alle für Einen nicht muthig sich stellen, Wird uns die Streitaxt des Schwächlinges fällen. GLAPPO.

Du also willst — SLLKO.

Aus dem Wege sie schaffen, Die uns geschmiedet in schnöden Verein. GLAPPO.

Und wenn sie todt sind? SILKO.

Erwürgen den Pfaffen, Der uns in schimpflichen Schlummer wiegt ein. GLAPPO.

Und dann nun weiter? SILKO.

Schleifen die Hütten, Allen verstatten, was Allen gemein,

38 Bis wir dann fröhlich geschwungen die Keulen, Strafend die nahenden Feinde ereilen, GLAPPO.

Wer soll dann Herr seyn? SILKO.

Alle und Keiner! GLAPPO.

Bist du von Sinnen? SILKO.

Ein freier Mann! GLAPPO.

Glaubst du, dafs dieser Finken wohl einer Jemals des Lockers entbehren kann? — Dem, der sie blenden kann, werden sie fröhnen, Läfst er sie hungern, werden sie gähnen, Und wenn er Leim hat, so kleben sie an. SILKO.

Lockst du? — GLAPPO.

Mein Pfeifchen ist noch nicht verloren. SILKO.

Vor war dein Ton denn doch anders gestimmt! GLAPPO.

Wenn mich es lüstert, den täppischen Thoren Mal wieder weidlich den Esel zu bohren, Pfeif' ich — sie hören's, und keiner vernimmt.

39 SIL K

o.

Willst vor der Rache des Sczupans mich warnen, Lästerst ja selber ihn offen und laut! GLAPPO.

Alles kann wagen, wem alles vertraut. SlLKO.

Denkst du auch mich so, wie ihn, zu umgarnen? Falscher, ich kenne dich — wahr' deiner Haut! GLAPPO.

Silko, mein Bruder! SILKO.

Gemeinsam erzogen Mit dir im fröhlichen Keulengewühl, W a r ich dir lange als Bruder gewogen; Aber jetzt seh' ich dein schändliches S p i e l !



Hast du am Busen mir, Schlange, gesogen, Doch ich zertrete dich, bin ich am Ziel! — Schmeichle dem Sczupan, äffe die T h o r e n , Aber bei mir ist dein Aeffen verloren!



Nicht wie ein Lüftchen vom Winde gezogen, Steh' ich ein Felsen im Wellengewühl; Kann ich gleich noch nicht ebnen die W o g e n , Denn ganz allein verlor' ich das Spiel. Doch von der Helden weit Brüsten gesogen, Streb' ich rastlos zum herrlichen Ziel;

40 Wie sie auch schwanken und brüten die Thoren, Nie geht der eiserne Wille verloren! Silko

geht

in d e n H i n t e r g r u n d ,

lagert

sich

an

dem

H ü g e l , u n d s t a r r t in d i e S e e . GLAPPO

(ihm

nachsehend).

Mancher wird immer nach oben gezogen, Doch er verliert sich im Wolkengewühl; Mancher ersäuft sich in schlammigen W o g e n , Seehunden, Hechten, zum lustigen Spiel; Mancher, der auch wohl an Brüsten gesogen, Bleibt auf der Erde und schleichet zum Ziel! Wenn sie dann fliegen und tauchen die Thoren, Fischt er im Trüben, was beide verloren! E r g e h t nach dem von den W e i b e r n verlassenen F e u e r , n i m m t den auf seinem Rücken hängenden,

erlegten

an, ihn, indem

Fuchs

an der K e u l e h e r a b herunter,

und

fängt

er ihn beim F e u e r a u f h ä n g t ,

abzu-

ziehen. P r e u s s e n jedes Geschlechts und Alters, die mit Bernsteinsäcken kommen. und

im

fröhlichen

Die Weiber

Tom

Meere

e i l e n w i e d e r a n das

Getümmel

Feuer,

kochen. EIN

PREUSSK.

EIN

ANDERER.

Da ist der Fang!

Wellengott — Dank!

41 EIN

DRITTER.

Brauchen nun ferner nicht Opfergesang! EIN

VIERTER

( d e n Sack

aufhebend).

W e l c h ein G e w i c h t ! MEHRERE

STIMMEN

(durch

einander).

Haben nun Glas — K a u f e n bunte Jacken! — Fest zu verpacken Eilen wir das! — W e i b e r zum Schmaus — Kuchen u n d Fische 'raus — Meth zum Erfrischen — Lachen ßangputtis aus! — W a s wir ihm stahlen, das m a g er nun

fischen!

Ein K R I E G E R tritt auf. KRIEGER

(laut).

Räumet den Platz — kriecht in die H ü t t e n , D e n n es nahet mit fliegenden Schritten Eilend heran D e r hohe Sczupan, Heimgekehrt von der Sudauer J a g d ! PREUSSEN

(durch

einander).

Nahend d e r Sczupan — schreckliche Botschaft! W e n w i r d e r strafen — sein ist die K r a f t ! —

42 Fort zum Hollunder, Zündet mit Zunder, Opfer zu sühnen des Furchtbaren Macht! Viele Preussen laufen f o r t ; andere bleiben. GLAPPO. ( d a s F e u e r , bei d e m e r den F u c h s a b g e z o g e n hat, verlassend).

Nahend der Sczupan! — Fort, ihm entgegen! F r eilt von d e r B ü h n e . SlLKO (der

u n t e r d e s s e n a u f g e s t a n d e n u n d in den V o r d e r g r u n d getreten ist, vor sich).

Glühend knirsch' ich, und kann mich nicht regen! — O, von den Ketten "Will ich mich retten Oder vergehen — in wiithender Schlacht! HEREINDRINGENDES

VOLK.

Platz für den Sczupan — Segen dem Sczupan! SlLKO

( T o r sich).

Brat' ihn, Picollos ! VOLK.

Sie nnli'n heran! SAMO,

PREGOILA,

FOLGE

GLAPPO

VON K K I E G E R N SAMO.

Seyd gegrüfset, Kampfgenossen!

UND G E -

trelen auf.

43 VOLK.

Heil dem Sczupan! SAMO.

Viel gefischt? E I »

PREUSSE.

Hundert Maafs und d'rüber. SAMO.

Wohl! — Siebzig mein und des Bangputtis, Dreifsig Euer — wer gestohlen, Tödtet ihn mit Keulen, — geht! — Ein T h e i l d e s V o l k s Terliert s i c h . SAMO.

Waidelotte! WAIDELOTTE.

Hoher Obrer ! SAMO.

Ruf zum Stämmerath die Alten, Wicht'ges gilt es — alle kommen! — ( n a c h d e m der Waidelotte

abgegangen)

Glappo, erster meiner Freunde, Silko, den die Helden loben! Warum seyd ihr mit uns, B e i d e , Nicht zur Bärenjagd gezogen ? SILKO.

J a g ' ich — lass' ich mich nicht jagen!

44 GLAPPO.

Nur zu spät erfuhr ich's, Hoher! Sonsten hält' ich meiner Pflichten Mich gewifs nicht überhoben. SAMO

(ZU andern P r e u s s e n ) .

Ihr da — Matten für die Herrin! Ruh' im Schatten dich, Pregolla ! PREGOLLA.

Ich danke dir, Gebieter! Zwar fühl' ich mich ermüdet, Doch nicht vom Jagdgetümmel. SAMO.

Dein Auge lächelt trübe? PREGOLLA.

Ich leugne nicht, ich fühle So etwas Banges, Düstres In meinem Herzen flüstern, So wie des Nachts in Büschen, Die Stoppelfeuer, glühend Durch dürre Blätter knistern, Wenn das verscheuchte Käuzlein In fernen Höhlen heulet. SAMO

( h a l b l e i s e zu i h r ) .

In deinen Augen Thränen? — Des Sczupans Frau dem Volke Den Anblick! — Weib, was machst du P

45 WAIDELOTTE

(hereintretend).

Der Stämme Väter kommen! MEHRERE

ALTE

PREOOLLA

TRETE« auf.

(ZU S a m o ) .

Vergönne m i r , mein Herrscher, Da Ts ich mich jetzt entferne — Verzeih' es meiner Schwäche, Allein so schwer, beklemmt, S o bleiern drückt's im Herzen, S o leer und doch so enge! — Soll ich dir heut die Füfse, Nach meiner Pflicht, benetzen, Beim Malile dich bedienen? SAMO.

D u sollst nicht — du bist m ü d e ! PREGOLLA.

D u schenkst mir also R u h e ? Sie thut mir N o t h ! SAMO.

Sie sey dir! Leit' Einer sie zur Hütte. P r e g o l l a g e h t , von einem K r i e g e r b e g l e i t e t , ab. ( z u den W e i b e r n , die im H i n t e r g r ü n d e k o c h e n )

Indefs, ihr andern Weiber, Das Gastmahl uns bereitet,

46 Backt aus den feinsten Kleien Die Kuchen, füllt in Eile Mit Meth die Schädel — heute Ein Todtenmahl zu feiern. — So lagert Euch, ihr Greise, Im ernsten Trauerkreise! Samo,

Silko,

Glappo

und

die Allen

lagern

sich

Kreise. EIN

AJJTER

(ZU d e m a n d e r n ,

heimlich).

Was mufs der Sczupan wollen? EIN

ANDERER

(eben

so).

So finster starrt er nieder! EIN

DRITTER

(ZU

Samo).

Du riefst uns, Herr des Bogens, Wir kommen, doch wir zittern Yor deiner Stirne Wolken! SAMO.

Ich rief Euch, und die Schale Des Kummers reich' ich Euch zum Trauermahle, Um meinen Miterzeugten, Vor dem sich knieend einst die Stämme beugten. SILKO

(hastig).

Dein Bruder todt? GLAPPO.

Der Sczupan ?

im

47 SAMO.

O , war' er todt! — Doch das, was Laima spann, Ist Unheils Saat uns Allen; In Feindes Hand ist Warmio gefallen! — Sitzt gefangen von den Polen, Auf des Conrads Veste Plozko; Yon Verräthern dort bethöret, Hat er — o , ich sag' es schaudernd! — Warmio, der Held des Bogens, Sohn des Crive, Bruder Samo's, O , er hat den schnöden Glauben Der Christianer angenommen! EIN

ALTER.

Er — entsetzlich! EIN

ANDERER.

Nicht zu glauben! SlLKO. Hört er nun der Laima Rocken Schnurren — unser heil'ger Crive? SAMO.

Nicht möglich, da Ts verblendet, Mein Bruder so zum Abfall sich gewendet; Vielleicht nahm, sich zu retten, Er nur zum Schein des fremden Glaubens Ketten; Vielleicht hat nur zum Scheine —

48 (von seiner bisher gewaltsam verbissenen W u t h überwältigt)

Gebt Meth, ich muls sonst sticken! — (nachdem er getrunkeu)

Es meldet mir der Bote: Dafs Warmio entschlossen, Sich mit des Masau's Tochter — Der christlichen Malgona — In's Eheband — die Hochzeit Schon näh — verdammter Kittel, Schnürst du mich auch noch! Er z e r r e i f s t w ü t h e n d sein G e w a n d . SlLKO.

Wahrlich, Ein schönes Ehverlöbnifs Für einen Sohn des Crive! SAMO.

Jetzt keinen Laut des Spottes! Jetzt nicht, ich duld' ihn jetzt nicht! Selbst — sey auch stark dein Bogen — Von dir nicht, Feldherr Silko! H i e r ist nur eine Wunde! ( a u f das H e r z

zeigend.)

GLAEPO.

Gelassen, theurer Sczupan! SAMO.

Ich danke dir! — Zur Sache! Leicht

49 Leicht ist der Entsclilufs — Hülfe gilt's und Rache! — T o d jenen Christenheeren, Die sich, wie Ameishaufen, schnell vermehren, Und uns'rer Küste Söhnen Am reichen Weichselufer schimpflich höhnen! Nur Entschlufs ist vonnöthen, Wir können sie mit einem Schritt zertreten! SILKO.

Dafs sie dich nur nicht stechen, junger Sczupan! SAMO.

Dein Scherz ist lästig, allzukühner Mann! ( z u den

Greisen)

Doch, Ihr seyd meiner Meinung, will ich hoffen, Ihr wifst, wie wenig jener Conrad kann, Wie oft ihn unsre Keulen schon getroffen, Als Glappo neulich seinen Gau berann, D a blieb ihm nur noch T o d und Schande offen, E r wählte — Schande!

Für sein kläglich Leben

Mufst' er den schimpflichsten Tribut uns geben! D u , Glappo, weifst es — GLAPPO.

Willst d u , dafs wir lachen, Beim Trauerfeste — so erzähl' ich's Euch. Wir heischten Kleider, Rosse, nebst Geschirren, Der arme Wicht sah unsre Keulen schwirren, D a ward ihm Brust und Rücken windelweich.

I.

4

50 Schon glaubt' er seinem Teufel sich im Rachen, Da fiel ihm schleunig noch ein Mittel bei, Was sich im Lande fand von reichen Affen, Die Castelläne, dicken Christenpfaffen, Die lud nach Plozk er ein zur Gasterei. Dort sucht' er bald besoffen sie zu machen, Dann zog er ihnen Pelz und Jacken aus; Die reichen Gürtel wufst' er wegzuputzen, Sogar der Pfaffen Kreuze und Kapuzen, Am Morgen trabten baarfufs sie nach Haus W i r nahmen alles! SAMO.

Der am eig'nen Volke So schändlich handelt, der dem eig'nen Ohm, Um Herr zu seyn, die Augen ausgestochen, Der Schwächling spricht der Küste Söhnen Hohn! Soll er uns spotten — unsers Crive Sohn Gefangen nehmen — ihn, an seinem Thron Gekettet, taufen — dann, zum schnöden Lohn, Ihm seine Tochter geben — ungerochen? SILKO.

Wahrlich, schlimm für Sohn und Vater! Doch, was kann das uns verschlagen, Sind wir Häute, die zu gerben, Wenn man Euer Fell Euch balget? Mag der Sczupan immer fallen,

51 Beten mag der Oberpfaffe; Schon zu viel des Sczupans haben Wir an dir, uns d'ran zu laben! ( a u f s p r i n g e n d und die K e u l e

SAMO

erhebend).

Verwegner! SlLKO

(desgleichen).

Hier bin ich! EIN

ALTER.

Mein Sczupan! EIN

ANDERER.

Held Silko! ( S i e fallen j e n e n Beiden in die A r m e . ) GLAPPO

( l e i s e zu den um ihn sitzenden

Allen).

Lafst Ihr sie gewähren, sind Beide wir los! EIN

ALTER.

Wie könnt Ihr Euch, da feindlich Das Land bedrängt, entzweien, Die, nach den Göttern, Beide Allein uns Schutz verleihen! — Steht auf — reicht Euch die Hände! S

AMO.

Ich thät's vielleicht — wenn er will! ( a u f Silko z e i g e n d . ) SlLKO

( i h m die Hand

bietend).

Die Hand will ich dir reichen, Dem Vaterland zum Heile;

4*

52 Doch kann ich meine Zunge Zum leichtbewegten Fähnlein Für deinen Kahn nicht leihen! S ( d e r sich unterdessen,

AMO

nebst

den A n d e r n ,

wieder

gesetzt h a t ) .

Wir sollen also sitzen Und warten, bis sie unser Blut versprätzen, Bis sie das Land uns trennen, Uns Heerden rauben, Dörfer uns verbrennen, Uns Weib und Kinder tödten? — Abwarten sollen wir's, und nicht erröthen? SlLKO.

W i r — und erröthen? S

AMO.

Jene Christenpfaffen, Was haben sie mit unserm Land zu schaffen? — Sie sollten uns regieren Das Volk, zu fremder Sklaverei uns führen? SILKO.

Fremd' oder eig'ne! SAMO

( m i t losbrechender U n g e d u l d ) .

Nun, so redet denn, Ihr Alten — gehn wir kühn dem Feind' entgegen, Wie — oder wollen wir kein Glied bewegen, Und wehrlos fallen Mann für Mann?

53 GLAPFO

(ZU S i l k o

heimlich).

Ein Loch im Plan, führt er die Völker an! ( z u d e m n e b e n ihm s i j z e n d e n Alten e b e n s o , auf

Silko

deutend )

Er leidet's nicht — nra Beide ist's gethan! ( v o r sich )

Wie gut, wer fliegen — schwimmen kann ! SiMO.

Nun, Freund Glappo? GLAPPO.

'S gilt, sollt' ich meinen ! Klauen an Händen, Flügel an Beinen, Ficht uns der Teufel ja selber nicht a n ! SAMO.

Also für Angriff? — GLAPPO.

Laufen wir an! SAMO

(

z u

Silko).

Lenker des Bogens! SILKO.

Führet die Krieger, Wen sie geprüft und bewähret als Sieger, Dann — so dächt' ich — zeigen wir aus, Sonsten bleiben wir lieber zu Haus. SAMO.

Führer der Völker ist nur der Sczupan!

54 SlLKO.

Ein neuer Kittel schliefst selten gut an! SAMO

( u n g e d u l d i g zu d e n A n d e r n ) .

Schweigt jedermann? — EIN

ALTER.

Schnöd' sind die Christen — doch haben sie Götter, Die, wie Percunos, blitzen im Wetter; Fürchtet die Starken — es kann Euch mißlingen! EIN

ANDERER

ALTER.

Als unsre "Väter den Adalbert fingen, Und ihn ersclilugen am Meeresstrand, Tönt' aus den Wogen ein wunderlich Klingen, Blitze durchkreuzeten Himmel und Land. — Schwer ist's, mit mächtigen Göttern zu ringen! GLAPPO.

Hast du's gesehn? DER

ALTE.

Sein blutig Gewand Schauen die Fischer bei nächtlicher Kühle Oefters noch drohend im Wogengewühle. SAMO

(ungeduldig).

Also kein Krieg? ZWEITER

ALTER.

Denket an Laima! EIN

DRITTER.

T o d allen Christen, wie Jenem geschah!

55 Welche den Glauben des Kreuzes uns lehren, Müsse Percunos mit Blitzen verzehren! DER

ZWEITE.

Lästre nicht, e r war ein heiliger Mann! DER

DRITTE.

Der ChristenpfafFe — was geht er uns an? GLAPPO.

Könnt' er nicht bleiben im Böhmer-Land? Beulen er suchte, Beulen er fand! S A MO.

Kein unnütz Plaudern — was meint Ihr Andern? — Ollo? OLLO.

Wir warten Acker und Haus, Ist das bestellt, stecken wir Pfähle aus, Zäunen die Gränze, und gucken heraus. SAMO

(vor sich).

-Gieb mir Geduld! VIERTER

ALTER.

Potrympos verhüte! — Erbsen und Hafer stehn in der Blüthe, Und wir zögen auf blutigen Straufs! SLLKO

(zu

Samo).

Dank' es dem Väterchen, der an den Pflug uns band, Und uns die Keule tückisch entwand!

56 FÜNFTER

ALTER.

Herb' ist der Tod, süfse das Leben, Thöricht, sich in Gefahren begeben; Komme, was kommen kann, Was gehn mich Andre an? Hab' ich nur Dach und Fach, Sitz' ich gemach! '•SECHSTER

ALTER.

Lieb' Weib und Kinder sollen wir Hiehn, Sollen entgegen dem Feinde ziebn? — Haben's hier besser — bleiben zu Haus' Sendet Perkun mal ein Paar Blitze 'raus, Macht er ohn' uns wohl den Feinden 's Garaus! SIEBENTER

ALTER.

Greift nicht die Polen an, Fürchtet den Christian, Sie heifsen Bischof ihn, kühn ist sein Muth; Ein Hexenmeister Lenkt er die Geister, Flammen im Munde bespricht er die W u t h ! SAMO.

G'nug des Geplappers — Krieg oder Frieden? EINIGE

ALTE.

Krieg. MEHRERE

(durch

einander).

Frieden — bleiben zu Haus!

57 SLLKO.

Laßt Ihr in engere Fesseln Euch schmieden, So zieht nur lieber auf Hasen aus! SAMO ( z u den h i n t e n am K o c h f e u e r b e s c h ä f t i g t e n W e i b e r n ) .

Meth und Speisen her — sind w i r gesättigt, Sind auch die Geister zum Muthe geweckt, Schalen hinweg — bringet uns Schädel, Daraus der Trank nur erquickend uns schmeckt! Glappo, zu dir ! G L APPO.

Methspender, Dank! SAMO.

Waidelott — Weiber — auf zum Gesang! Indefs s i e das M a h l v e r z e h r e n ,

singt

der Waidelotte

u n d d i e W e i b e r , w e l c h e u m die S i t z e n d e n stehen. GESANG.

Heisa, hu! Menschentödter d u ! Trinken aus den Schädeln Dir, Picollos, zu! WAIDELOTTE

(singend).

Schlugen mit Keulen, Schossen mit Pfeilen

herum-

58 Wunden und Beulen; Sahst du uns zu? EIN

WEIB

(singend).

Saht ihr den Schönen ? Warmio! Hört ihr ihn stöhnen? Warmio ! Von uns gezogen Der Held vom Bogen, Liegt er in Ketten, Warmio, Warmio! WAIDELOTTE

(singend).

Auf! ihn zu retten, Der uns geraubt, Jeder um Feindes Haupt Schwinge die Keule froh! Holen bald wieder dich, Rächen dich blutig, Fürchterlich, fürchterlich! Warmio, Warmio! ALLE

(singend).

Heisa, hu! Menschentödter d u ! Trinken aus den Schädeln Dir, Picollos, zu!

59 P R E G O L L A

vom Hiigel h e r u n t e r eilend, S A MO.

Pregolla, so eilig den Hügel herab? So athemlos, Liebe? PREGOLLA.

Ein Bote des Crive — Ich sah ihn schwingen Den blendenden Stab; In furchtbaren Ringen Ihn Schlangen umwinden. Er will sie Euch künden Die Botschaft des Todes — sie brausen, sie klingen, Die Wellen — es harret das wogige Grab! ( e i l t nach dem e n t g e g e n gesetzten H i i g e l ,

und sinkt

e r s c h ö p f t am JFufse desselben n i e d e r . ) EIN

ALTER

(erstaunt;.

Ein Bote mit des Crive Stabe? — EIN

ANDERER.

Bedeutungsvoll! — EIN

DRITTER.

Er nahet — schaut! ( A l l e stehen a u f . ) E l N

G R E I S

( d e r Bote des Crive) erscheint mit einem

w e i i s e n , mit Schlangen u m w u n d e n e n Stabe. i h m , k n i e e n n i e d e r , auch Unwillens.

Silko,

doch

Alle,

aufser

mit Zeichen

des

60 S.\MO (knieend). Wir ehren dich ob deinem Stabe, Den dir der Götter Sohn vertraut, Und nah'n in Demuth uns dem Stabe. DER

BOTE

( m i t gräfslich e r h o b e n e r S t i m m e ) .

Ich schwing' ihn, kündend laut, Greis und Mann und Jüngling, Mutter, Weib und Braut! Höret was der Herr der Herren, voll der Gottheit, angeschaut! So spricht durch mich sein Mund: Ich lag auf meinem Lager um die dunkle Stund' Des ersten Hahngeschrei's, von Sorgen auszuruh'n, Da war's, als tönte mir Percunos hoher R u f , Er selber stand vor mir, mit Blut bedeckt die Brust, Erlöscht im Antlitz war der Wangen Feuerglut, Und schwach nur glomm der Strahl, der ihm das Haupt umzuckt. D'rauf nahte hold und ernst ein Weib in fremder Tracht, Mit einer Perlenkron' bedeckt das goldne Haar, Mit Sternen reich geziert ihr himmelblau Gewand; Zu Füfsen wölbt' sich ihr des Mondes Feuerglanz, Ein zartes Knäblein trug sie auf dem rechten Arm, Und einen Lilienzweig umschlofs die linke Hand, Auf welchem traulich safs ein weifses Taubenpaar.

61 Das Götterweib war hehr und herrlich von Gestalt, Das Kindlein schöner noch, als Schnee im Abendroth, Halb ein gemeines Kind, halb schrecklich als ein Gott, Zu lächeln schien der Mund, doch sprühte hoher Zorn Aus seinem Augenpaar, ein doppelt Blitzgeschofs, Dais sich geblendet stets mein Blick zu ihm erhob. Doch Percunos nahte schnaubend ihm mit wildem Dräun, Fröhlich stürzten sich die Tauben in die Flamm' auf seinem Haupt; Aber mit dem Lilienstengel rührt das Weib ihn kaum, Als die Glut erlosch und hinschwand in den öden Raum. Und der Gott versank in Asche, schrecklich fuhr die Windsbraut Durch den heil'gen Hain — es packte eisern mich der Traum, Ich entschüttelt' ihn, und furchtbar deckte mich des Dunkels Graun! SILKO ( d e r u n t e r d e s s e n , wie die Andern, sich w i e d e r e r h o b e n hat, vor sich).

Lügenbold! SAMO.

Was heischt der Crive?

62 BOTE.

Also spricht / W \ i J y w S -T W

/;".

Mtwm®*

IDUMMNEBIB

E R S T E Ein anderer

Saal auf der Vesta Plozk.

eine offene, die man

doppelte,

lehr

in perspektivischer

mit einem Altar berts erblickt, hängende

Altar

steht,

Rücken

und

mit

gegen

dem Haupte,

in

wird.

von

Bischofs• hält.

Rechts

gewendet,

der die

des

Wartthurms

eine

Treppe von innen

im Hintergrunde

mit

Inful

ist die untere

offenen

Thür,

heraufführt,

eine geöffnete

M A L GONA,

sich

durch

zu sehen; Seitenthür, eine

Vorvor

Pilgerkleidung

Tische

stab.

die links

im

und neben ihr der S P I E L M A N N der Muschelhut

des

Lichtern,

Auf

liegen

auf

Mauer

anlegend, dein

den. Bischof

PRIESTER

ein Tisch mit zwei brennenden

welchem

dem

einer den Hirtenstab

im Saale der

her-

Vor

selbigem,

Pontificalibus, denen

Adal-

nach

und hinter ihm knieende

in Chorhemden,

durch Capelle

des heiligen

Gesichte

die Zuschauer

CHRISTIAN

eine

eine, über selbigem

erleuchtet

dem

Hintergrunde

Entfernung

durch

Ampel

Im

breite Flügelthür e,

dem Bilde

welches

unter

grunde

SCENE.

und

steht. Pilger-

192 Es

ist noch Die

dieselbe

Nacht,

wild-kriegerische

des zweiten schallt

und

während

Glockengeläute nen dumpf

Aufzuges

dieser

Scene

Preussen

und

Geschrei

C H R I S T I A N , und D I E

Morgan,

Zwischenraum

ausgefüllt

ununterbrochen

zuweilen

gegen

pausenweise;

Hurnertönen

heraufgellenden

gernden

schon die den

dritten dauert

monotonen

doch

Musik,

fort, dem

der die

hat, nur mit

erdas fer-

von

unten

Veste

bela-

untermischt. PR * IESTER

(singend).

i i o c h bedrängt sind wir in Nöthen, Feind und Hölle will uns tödten, Wollest uns bei Gott vertreten, Hochgelobter Adalbert! S P I E L M A N N (halb leise und sehr ruliig zu Malgonen).

Jetzo noch das Muschelkoller



(indem er es ihr umlegt)

So! — es decket dir die Locken, Und verhüllet züchtig oben Dir der Wangen glühend Roth. MALGONA.

W e r d ' ich ihn noch sehn? SPIELMANN.

Du sollst es, Aber schnell! die Stunden rollen ; V o r dem Auferstehn der Sonne Bleichet schon der trübe Mond. WACH-

193 WÄCHTERS

STIMME

( d u r c h ein Sprachrohr oben von dem T h u r m e h e r a b ) .

Gnäd'ge Frau — wir brauchen Bolzen! AGAPHIENS

STIMME

( a u s dem N e b e n z i m m e r , sehr l a u t ) .

Gleich — sogleich! — W i e steht es, Wächter? — Hörst du nicht? WÄCHTERS

STIMME.

Die Preussen toben Schrecklich an dem Wasserthore! — Hilft nicht Gott — sind wir verloren! (Einige Edelknaben eilen mit Bolzen aus dem Nebenzimmer über den Hintergrund der Bühne die T h u r m treppe h e r a u f . ) CHRISTIAN

und

DIE

PRIESTER

(singend).

Wer kann, Herr, vor dir bestehen, Wenn des Zornes Flammen wehen? Denk' der Schuld nicht — wir vergehen! — Eil' Erbarmen uns zu flehen, Heil'ger Vater Adalbert! (Stärkere« Geheul der belagernden Preussen von u n t e n . ) SPIELMANN

( d e r unterdessen den Pilgerhut auf Malgonens Haupte befestigt h a t ) .

Jetzt den Stab — I.

(Er reicht ihn ihr.) 13

194 M A L G O N A.

O sag', du Guter! Lebt er noch? SPIELMANN.

Er lebt — er duldet! — MALGONA.

O , so komm! — ( Sie eilt ein Paar Schritte v o r , bleibt dann aber plötzlich s t e h e n . )

Ich soll nichts fürchten? Du bleibst mir? — SPIELMANN.

In Nacht und Gluti MALGONA.

Schon will der Friede Mich wieder gewinnen — Aber im Innern noch Tob't es und lodert's, Preßt es und wüthet's! — Klar ist es oben!

(auf das Haupt)

Hier — ( auf die Brust z e i g e n d )

ist's noch Hölle! — Ha! wie sie reissen Hölle und Himmel! Am wunden, blutenden,

195 Starrenden Herzen — ! War's dir einst auch so? SPJELMANN.

Auch mir war's so, Als ich noch wallte auf Pfaden des Pilgers, Irr und beklommen in stürmender Nacht! — WÄCHTERS

STIMME

( w i e o b e n , vom T h u r m ) .

Gnäd'ge Frau, am linken Flügel Weicht der Feind! — AGAPHIENS

STIMME

(aus d e m offenen S e i t e n z i m m e r ) .

Gelobt sey Gott! — Siehst die Ritter auch — die Deutschen? WÄCHTERS

STIMME.

Eine weifse Fahne leuchtet In dem dicksten Trupp der Feinde, Hell im blassen Mondenscheine! — Jetzo seh' ich auch zwei weifse Männer neben ihr. AGAPHIA

( a u ß e r h a l b der S c e n e )

Sio sind es! WÄCHTERS

STIMME.

Schrecklich hau'n sie in die Heiden, Die des Ausfalls nicht vermuthend, Heulend, unser Heer im Nacken, Kämpfen mit geschwung'nen Keulen! 13 *

196 CHRISTIAN

und D I E

PRIESTER

(«ingend;.

Lafs ihn noch vorüber gehen, Deinen Würgeengel — sehen Lafs uns Heil von deinen Höhen, Hör* der jungen Kirche Wehen, Lafs sie siegend auferstehen! Bitte für uns, Adalbert! — SPIELMANN

(ZU M a l g o n e n ) .

Jetzt ist's hohe Zeit! — MALGONA.

O, lafs mich Nur noch einmal zur Capelle! — SPIELMANN.

W e i b , der Sand verrinnt! MALGONA.

Nur einmal Lafs mich an der heil'gen Stätte, W o so oft mir Gott geredet, Lafs mich nur noch einmal beten — Lafs mich i h n noch einmal sehen, Der mich träumend oft umwehte, Dessen Bild ich kindlich hegte, Der, vom Marterthum gekrönet, Mir im Tode wies das Leben; Lafs die Fürbitt' mich erflehen Meines heilten © Adalberts!

197 SPIELMANN

( i o r n i g »ie z u r ü c k h a l t e n d ) .

Nichts vermag er — Gott ist heilig, Fleh' zn ihm! — Was kann der Sünder! MALGONA («Ich entsetzt von ihm, der sie beim A r m e hall, l o s r e i f s e n d ) .

Mann — du glüh'st, wie Höllenfeuer! — SPIELMANN

(sanft).

Arme, erdgeborne Schwester, Nicht verzweifle! — Trau' dem Heiland, Und empfang' sein Bundespfand! ( r e i c h t ihr eine M o n s t r a n z ,

die er unter dem G e w ä n d e

hervorzieht.) MALGONA ( s i e m i t I n b r u n s t e r g r e i f e n d u n d a n die B r o s t d r ü c k e n d ) .

O , himmlischer Friede! Wie selig beschwichtigt Die bebende Seele! — Ich eile zur Insel! — Durch T o d und Gefahren Zum treuen Yerlass'nen, W o Myrten der Liebe Der Mittler mir flicht! S P I E L M ANST.

Erst siehst du die Mutter! M

ALGONA.

O Gott, meine Mutler!

198 Verlassen — allein! Dort zieht es — hier drängt's mich — SPIELMANN.

Und Warmio ?! — M A L O Ö N A.

Heiland! — Der Gatte — die Mutter! — O, woll'st mich erleuchten! — Entsetzlich Gericht! SPIELMANN.

Nur Einer ist Vater, Nur Eine ist Mutter! — Verhörst du die Stimme Der heiligen Minne? Der Mutter von Staube Entreifst sie die Männin, Und führt sie im Manne Zum Vater, dein Licht! — M ALGONA ( d i e Monstranz mit Inbrunst k ü s s e n d ) .

Er ruft mir — ich folge! — Mit brechendem Herzen! ( S i e v e r b i r g t die M o n s t r a n z im B u s e n . ) SPIELMANN.

Erliegst du der Prüfung, So. bleibst du dem Staube; Lafs brechen das Herze,

199 Nur brechend erklimmt es Den Gipfel, wo Liebe Nicht wanket, noch bricht! A G A P H I A

tritt a u s d e m S e i t e n z i m m e r , n e b s t

El)IiJ,-

d i e , K ö r b e mit w a r m e n S p e i l e a ,

Getränke,

K N A B E N ,

und W a f f e n g e r ä t h t r a g e n d , ihr f o l g e n . MALGONA

(bei Agaphlens Anblick).

Gott! — AGAPHIA (zu d e n E d e l k n a b e n , o h n e d e n s e i t w ä r t s s t e h e n d e n S p i e l m a n n u n d M a l g o n e n zu b e m e r k e n ) .

Lauft und bringt das den Belagerten! — ( E d e l k n a b e n eilen in den T h u r m a b . ) AGAPHIA

( a u f einen Sessel s i n k e n d ) .

Gottlob, auch das wär' fertig — Matt zum sterben! — Ich fühl' die Glieder nicht — ( a l s sie M a l g o n e n erblickt, zu dem S p i e l m a n n )

Was will der Pilger? SPIELMANN.

Er ist mein Freund von Kindesbeinen an, Er hat mir stets gefolgt — wir zieh'n jetzt weiter! AGAPHIA.

Auch du willst fort? — SPIELMANN.

Es treibt mich in das Freie, — Lebt wohl! —

200 ( E r zieht M a l g o n e n b e i m A r m e f o r t , die i h r e M u t t e r , der sie sich n i c h t e n t d e c k e n d a r f , mit dem t i e f s t e n B l i c k e der v e r h a l t e n e n W e h m u t h , im ciiifserstea S e e lenkampfe anblickt.) A G A P H I A.

Ihr kommt nicht fort, die Heiden stürmen Um's Burggeheg'

— SPIELMANN.

Die Zitter fuhrt den Pilger, Dann ficht kein Sturm ihn an! — AGAPHIA.

Du redest Wahnsinn, W o willst du hin bei Nacht? — S P I E L MANN.

Ihn leiten Durch Nacht und Graus und Dämmerschein, Ein Lager ihm in Glut bereiten, Und, wenn er aufwacht, um ihn seyn! Ilm bergen in der Sonnenlaube, W o , fiinfgerölirt, der Quell entsprieist, D e r , rosenrotli, aus grünem Staube In's ew'ge Weltmeer sich ergiefst. ÄGAPHIA

(aufspringend).

So geht — nur quält den armen Kopf mir nicht, Ich bin schon selbst halb wahnsinnig — Malgona! — Aucli sie verläfst mich jetzt —

(in

die S c e n e

rufend)

201 Malgona — Kincl! M ALGONA

(von Schmerz überwältigt, halb leise).

O , meine Mut . . . ( w i l l vor ihr auf die Kniee s i n k e n ;

der Spielmann hall

sie gewaltsam. WÄCHTERS

STIMME

( v o m T h u r m , s e h r schnell u n d l a u t ) .

D e r HeUmann ist gefangen; Schon schleppen ihn die Heiden fort! AGAPHIA.

Wie — wo? — ( Sie eilt d u r c h die T h u r m t h ü r e d i e n a c h o b e n f ü h r e n d e Treppe herauf.) SPIELMANN.

Jetzt oder nie! — ( M a l g o n e n umfassend, und forttragend.) MALGONA ( d e n K o p f auf seine Schultern g e l e g t , mit dahin s t e r b e n d e r Stimme).

Bist du der T o d — ? — SPIELMANN.

Sey furchtlosi ( E r eilt, Malgonen auf dem A r m e ,

schnell durch

die

Seitenthür ab.) AGAFHIF.NS

STIMME

( o b e n vom T h u r m ) .

U m Gotteswillen — o ! — ich halt's nicht aus, Das blut'ge Schauspiel! — o , helft mir herunter !

202 ( S i e w a n k t , von zwei E d e l k n a b e n g e l e i t e t , die T r e p p e h e r u n t e r a u f die S ü h n e , u n d stürzt e r s c h ö p f t in einen Sessel.) WÄCHTERS

( V O noben).

STIMME

O weh! — sie sinkt — die Kreuzesfaline! — mit ihr Der Ritter, der sie führte — weh! Die Heiden — Sie tödten ihn — sie dringen ein! — Sie stürmen! — ( A g a p h i a sinkt mit verzweiflungsvoll g e r u n g e n e n Händen a u f die K n i e e . ) CHRISTIAN

und D I E

PRIESTER

( f o r t d a u e r n d im H i n t e r g r u n d e am Altar d e r Capelle k n i e e n d ) .

Miserere,

miserere, WÄCHTERS

miserere,

Dominel

STIMME

(vomThurme).

F r a u , rettet Euch! — die äufs're Mauer ist Erstiegen. — Weh! sie dringen schon an's Burgthor Auf Leichen der Erschlag'nen — wehe! wehe! Um Gotteswillen — rett't Euch! — AGAPHIA.

Komm herunter! WÄCHTERS

STI-MME (von

oben).

Ich bin ein Polack! — sterb' auf meinem Platz! CHRISTIAN (ohne Melodie

Kyrie

Eleison

und D I E

PRIESTER

durch einander

! Kyrie.'

Miserere

schreiend).

1

203 HEREINDRINGENDES

VOLK.

Jesus, Maria! ( z u Agaphien) Helft uns! —

Rettet,

rettet! Wir sind verloren! AGAPHIA

(aufspringend).

Oh! DIE

P R I E S T E R ( i m m e r lauter und stärker s c h r e i e n d ) .

Kyrie

Eleison l

A G A P H I A (in gröfster Angst, hin und her laufend).

W o Rettung — Ha! — der unterird'sche Gang! — Eröffnet — liier der Schlüssel — nehmt! (Sie giebt einem Edelknaben den Schlüssel.) EINIGE

POLEN.

Umsonst! — Der Feind ist auch am Wasserthor! •—• AGAPHIA.

Auch das! — (mit R u h e )

So sterben wir! (sinkt langsam auf die Kniee, und betet in stiller Ergebung.) HEREINDRINGENDE HÜLP,

DIE

WEIBER

MIT

KINDERN.

— Rettung!

PRIESTER

(aufschreiend).

Kyrie

Eleison l

204 WEIBE».

O , Unsre armen Kinder — weh ! — die Teufel Erwürgen sie! PNIESTER

Kyrie

(aufschreiend).

Eleison!

WÄCHTERS

STIMME

(TON oben).

Wehe! Ein Feuerglanz! —. die Burg brennt! DIE

PRIESTER

( m i t stärkster E r h e b u n g der Stimme s c h r e i e n d ) .

Ex DAS

profundis!



VOLK

(Verzweiflung«voll a u f die K n i e e s t ü r z e n d ) .

Mutter Gottes! — EINZELNE

STIMMEN.

O , Heiland! DIE

PRIESTER

( j a m m e r n d durch einander schreiend).

Miserere,

Kyrie!

WÄCHTERS

STIMME.

Der Glanz wird stärker — was ist das? — EINIGE

AUS D E M

VOLK

(trostlo« h e r a u f r u f e n d ) .

Sie brennt! WÄCHTERS

Noch nicht

STIMME.

sie brennt nicht! — Ha! — ein Wunder! VOLK.

Was?



205 WÄCHTERS

STIMME.

Die Heiden weichen! — stürzen von der Mauer! P o LEN

(aufspringend}.

Um Gotteswill'n! WÄCHTERS

STIMME.

Sie fliehen! — AGAPHIA

und V O L K

(freudig auffahrend;.

Flieh'n? WÄCHTERS

STIMME.

Mit Heulen Entflieh'n sie, wie von Gottes Schwert verscheucht! CHRISTIAN

und D I E

PRIESTER

( m i t n o c h immer l a u t e r , a b e r r u h i g e r e r

Christa

Stimme).

Eleison\ WÄCHTERS

STIMME.

H a ! — der Glanz wird stärker, Hell ist es, wie am Mittag! — Gott, was seh' ich! — Ein langer, grauer M a n n , mit einer Zitter! AGAPHIA.

Der Spielmann! — WÄCHTERS

STIMME.

Siattlich schreitet er einher V o m Wasserthore — einen Pilger trägt er Auf seiner Schulter! — I h m entfließt der Glanz, Dem hehren Greise — heulend flieh'n die Heiden! — Er wandelt langsam hin durch ihre Reih'n! —

206 Und wo er schreitet, stürzt der Feinde Schaar, Getroffen, wie vom Blitz, zu Boden! — AGAPHIA.

Jesus! WÄCHTERS

STIMME.

Ein Engel ist's! — zur Rettung uns gesandt! Sie werfen ihre Keulen fort — die Heiden! Die Unsern sammeln sich — sie dringen ein! Sie hauen in den Feind — den fliehenden! — Das Kreuzpanier! — es flattert wieder — hoch! — Die braven Deutschen mit dem ält'sten Ritter! — Sie siegen! — Ha! — die Feinde sind zerstreut! — CHRISTIAN,

PRIESTER

und

VOLK

(mit sehr lauter, jubelnder Stimme).

Gelobt sey Gott! — WÄCHTERS

STIMME.

Der Glanz erlischt — der Greis Wankt langsam fort zum Ufer! — Wie sie fliehn, Die Heiden! — Klein, wie Mücken, schwärmen sie Am monderhellten Horizont — schon jagen Die Polnischen Schwadronen jauchzend heim, Und langsam, in geschloss'nen Reihen, schreitet Das Ordensvolk mit Chorgesang. 'HEREINDRINGENDE

POLEN.

Der Herold, Der Deutsche Ordensherold! —•

207 AOAPHIA.

Gott der Stärke! ORNENSHEROLD

(herantretend).

Herr Landsberg Infst Euch grüßen — Herzogin! Ich künd' Euch Sieg! Geschlagen ist der Feind! Durch Gottes Engel, nicht durch uns! —

Das

Schlachtfeld Der Heiden — Leichen decken's! — AOAPHIA

(auf den Knieen). Gott der Gnade!

V O L K ( f r e u d i g jauchzend

Gelobt sey Gott! AOAPHIA.

Gott segne sie — die Ritter! Sie leben? — Unser Hettmann? — HEROLD.

Ist gefangen; Viel Volk erschlagen — theuer war der Sieg! (Trompeten

und der Chorgesang der Ordensreisigen

tönen dumpf von unten herauf immer näher und stärker, und dauern mit den Glockenklängen, welche die ganze Scene hindurch getönt h a b e n , fort. VOLK.

Trompeten! HEROLD.

Unser Volk! —

208 A G A P H I A.

Entgegen ihnen!



( S i e eilt von der B ü h n e . ) BISCHOF

CHRISTIAN

( a m A l i a r d e r Capelle, v o r dem e r z u l e t z t g e k n i e t hat, n e b s t d e n andern P r i e s t e r n , a u f s t e h e n d ,

indem e r sich n a c h

dem V o l k e k e h r t , und den B i s c h o f s t a b einem Priester, d e r s o l c h e n h i e l t , aus den Händen r e i f s t , mit f e i e r l i c h e r h a bener Stimme).

Ave

Maria!



f o l g t m i r in d e n

Dom!

Gott Zebaoth ertöne das Te Deurn l ( s c h r e i t e t l a n g s a m mit den Priestern

ab;

die a n d e r n

f o l g e n ihm in f r ö h l i c h e m G e t ü m m e l . )

Z W E I T E

Ufer

der

Hinler

Weichsel, dem

der ans

Ufer

die

Strom, lehnt,

eine

mit

ein

Wachtfeuer,

Bäumen

bezeichnet,

Strome,

E.

Hintergrunde ein

vorheißiefst. kleiner

Kahn ,

sich in malerischer

dicht blnfs

schwach

etwas nach

eine Fischerhütte.

C E N

welchem

zeigt

der dem

im

auf

tive

Punkte

S

dem

Mondhelle,

umwachsene durch

einige

empor glimmt, Vordergrunde bestirnte

PerspekInsel,

von

funkelnde Links

vor

seitwärts, Nacht.

D O R O T K A ( a l l e i n , v o r der Hütte sitzend und ein N e t z strickend ; n e b e n ihr l i e g t ein mit bunten B ä n d e r n g e s c h m ü c k t e s R u d e r ) .

Da sitz' ich alleine So

209 So trübe und leer, Und harre und harre, Und Keiner kommt her! — Es kommt nicht der Vater — Auch Mütterchen kommt nicht — Sie zogen zum Fischfang Doch gestern schon aus! — Der Kahn ist bereitet, Das Ruder geschmücket, Der Pilger kommt auch nicht, Fiir den er bestellt! Der Alte — hält' er wohl gelogen? Er sah so treu — so ehrlich d'rein, Mit seiner Zitter — ganz allein War' ich mit ihm — zehn Meilen weit gezogen! Den Kahn — er hat ihn doch gemiethet. Ausdrücklich doch gesagt hat e r : Zur Nacht noch kommt ein junger Pilger Zu dir an's Weichselufer her! — Führst du ihn nach der Insel über * ) , So wirst du glücklich, froh und reich! — *)

D i e g r ö f s t e der bei P l o z k ' i n d e r Weichsel liegenden

Inseln ist ä u f s e r s t romantisch, und dicht mit Bäumen b e w a c h s e n . M a n setzt nur a u f sehr kleinen K ä h n e n h e r ü b e r , bei denen o f t kleine F i s c h e r m ä d c h e n , die s o l c h e äufserst geschickt zu lenken w i s s e n , die Stelle der G o n d o l i e r e vertreten.

I.

14

210 Und reich! — so sagt' er — O , du lieber, Du gold'ner Greis! — O , käm' er gleich! Doch bleib' ich alleine So trübe und leer, Ich harre und harre, Und keiner kommt her! — Nacht ist auch doch bald vergangen; Denn den Riesen dort aus Funken, Taumelnd seh' ich ihn und trunken Unten schon am Himmel hangen! Allmählig — allmählig, Und tiefer — und tiefer — Wankt er, und — plautsch! — Hopst er in's Wasser, Und trinkt sich recht satt! — Er sieht doch närrisch aus — dort oben — Der lange, dünne, blanke Tropf, Mit seinem kleinen, kleinen Kopf, Die Schultern breit hervorgeschoben! Was müssen die erst laden können! — Auch trägt er solchen prächt'gen Pafs, Wo funkelnd ohne Unterlafs Drei gold'ne, liebe Sterne brennen! — Die langen Storchen beine dann, Die stolz sich aus einander spreiten, Und doch nur taumeln, statt zu schreiten —

211 Der Kerl ist wohl ein Edelmann! — Die andern Sternlein nur mich dauern, Sie zieh'n sich so betrübt herum, Sie blinken gegen ihn so dumm, — Er ist wohl Woiwod — sie nur Bauern! — Bauern! — Wie kann man ein Bauer seyn! —• Der Bursch' da mißfallt mir — man — schläft bei ihm ein! — Stets guckt er mich an — das alte Gesicht, Und — redet doch auch kein Wörtchen nicht! — Und des Morgens schon besoffen! Nein — da lob' ich unsre Herren, Wenn sie Morgens ausgenüchtert. Nennen sie mich: liebes Kind! — Heüt' haben sie wieder des Nachts recht getobt, Die Glocken vom Dome — sie brummten und klangen, Im Burggeheg' schrie'n sie, und heulten und sungen —. Ach, heut' ward die Fürstin dem Heiden verlobt! — Und ich noch ledig — mufs mich schämen! Der Mann im Mond guckt auch so griefs mich an, Der hat's wohl nun das Längste schon gethan, Er wird mich auch nicht nehmen! — (verdriefslich) Entsetzlich wird die Zeit mir lang, Ich mufs vergehn, ich werde krank — Vor — (gähnend) Langerweile! — 14 *

212 (schnell aufstehend)

Mufs ich allein denn gähnen, Wenn oben da und unten — Sich Alles freut und spielet — Da , in dem weifsen Striche Am Himmel, schwärmt's, wie Mücken, Von kleinen, bunten Sternlein, Froh mit einander dahlend, Als zögen sie zum Ablaß! — Ihr kleinen, blanken Wellchen, Auch ihr seyd immer fröhlich, Ihr spielt — ich will's verwetten — Kämmerchen zu vermiethen * ) ! Denn eine hascht die andre, Und jagt sie von dem Platze! — Nur mich jagt Niemand — trüb' ist's und leer, Und Keiner kommt her! — Ach, wenn ich doch erst dreizehn war'! —. Ich mufs nur singen

's juckt mir schon im Auge,

Das Singen pflegt ein Wcilchen doch zu helfen. (singt)

„ G e h ' nicht nach dem Städtchen, „ K n a b e n dort dich haschen; „ B i s t ein schön jung Mädchen,

*)

Komorka do nniecia,

ein P o l n i s c h e s

Kinderspiel.

213 „ K n a b e n gerne n a s c h e n , „ K n a b e n naschen g e r n ! "



W i l l s t wohl selbst mich lieben, F i s c h e n selbst i m

Trüben?

L a i s dir's n u r v e r g e h e n , H a b ' schon meinen L i e b e n , Ilab' mein Liebchen schon! — B i n ein g r o f s e s

Fräulein,

C r a c a u heifst mein Städtlein ; E l f J a h r bin ich s c h o n u n d d ' r ü b e r , U n d n o c h ein J u n g f r ä u l e i n , U n d noch Jungfräulein * ) ! —

Das L i e d ! — Wie dank' ich's unserm jungen Herrn Pater, dafs er's mich gelehrt! — Es ist so recht auf mich gesungen! — Zwölf Jahre bin ich alt auf heil'gen Juschu, Jung bin ich und schön, und ein Fräulein dazu! — Mein Vater ist adlich, verkauft er gleich Fische, Mein Großvater diente als Jäger bei Tische, Jetzt hockt er am Ofen — sonst hat er gejagt, Und gar — ich erlaub's nicht * * ) — am Reichstag' ogesagt! ö #

)

D i e s e s L i e d ist e i n e m wirklichen

Polnischen

l i e d e m ö g l i c h s t treu n a c h g e b i l d e t , w i e w o h l e s m i r

Volks-

unmöglich

w a r , d i e Z a r t h e i t u n d L i e b l i c h k e i t d e s O r i g i n a l s 7,u e r r e i c h e n . *')

Das

bekannte:

Jlie

pozwntam,

was

ehemals

alle

R e i c h s t a g s v e r l i a n d l u n g e n h e m m e n k o n n t e , wenn es auch n u r der geringste Edelmann aussprach.

214 Ich kann auch als Woiwodin Einst mich blähn und winden, Komm' ich nur zum Woiwod hin- — 'S Andre wird sich finden. — War' vielleicht der Pilgersmann Woiwod! — Ha! er kommt schon an! — Pfui — es ist ein Jude! — S T E P H A N I

kommt

im

Vorgrunde

des

Theaters

in

jüdischer Tracht hereingeschlichen. S T E P H A N I ( v o r « i c k , ohne Dorotka zu bemerken)«

Nun — frisch zum alten Schacher! — 'S ist verdammt! Schon träumt' ich mich ein Edelmann — und nun! — So geht's mit unsern Leuten! — Hoch hinauf, W i r möchten's gern, und purzeln tief herunter! DOROTKA

(vorsieh).

Was will der Mauschel? — S T E P H A N I ( v o r sich).

Die verdammten Deutschen, Sie haben mir den ganzen Kram verdorben; Denn ohne sie und ihren Hexenmeister Von Spielmann, wäre Samo Herr der Burg Und mein der Lohn — D O R OTKA ( l a u t zu ihm r u f e n d ) .

Was wollt Ihr?

215 (entsetzt).

STEPHAWI

Sie henken mich! —

H a ! sie kommen, Ein

(indem er Dorotken erblickt)

Mädchen — eine Hütte! DOROTKA

( n ä h e r a u f ihn z u t r e t e n d ) .

Nun? — STEFHANI

(vorsieh).

Recht erwünscht! — (laut) Gott grüfs' Euch, liebe Jungfer! ÜOROTKA

(verächtlich).

Hm, Jungfer! — Fräulein, J u d e ! — STEPHANI.

Liebes Fräulein, Könnt Ihr mich nicht an's and're Weichselufer Herüber führen? — Ich bezahl's! DOROTKA.

Der Kahn Ist schon bestellt — doch, wenn Ihr warten wollt, In einer Stunde kömmt mein Vater wohl Vom Fischfang heim, der kann Euch übersetzen. STEPHANI.

Schon gut —

(geht auf die Hütte z u . )

D O R O T K A ( s i c h v o r d i e Hütte I t e l l f l n d ) .

Zur Hütte nicht — !

216 S F E T H ANI.

Ihr fürchtet doch Mich etwa nicht? — DOROTKA

(verächtlich).

'Nen Juden •— ich ? ! STEPHANI.

Nun — ( w i l l in d i e H ü t t e . ) D o ROTKA (¡hn zurückstoßend).

Fort da! (geheimnisvoll)

Die liebe Frau von Czenstochau *) — dort hängt sie! — ( i n die H ü t t e z e i g e n d )

Sie' nahm' es übel, liefs ich einen Juden Zu ihr hinein — STEPHANI.

Was soll ich denn? *)

Das

majestätische,

auf

dem sogenannten

b e r g e liegende, befestigte Kloster C z e n s t o c h a u , n e m w u n d e r t h ä t i g e n , g l e i c h d e m zu L o r e t t o ,

Ciarenmit sei-

schwarzbraunen

M a r i e n b i l d e , ist n o c h e i n v o n d e n S a r m a t e n u n d B ö h m e n e b e n s o b e s u c h t e r W a l l f a h r t s o r t , als s o n s t das a n m u t h s v o l l e K l o s t e r zur h e i l i g e n

Linde

im E r m e l a n d e ,

mit seinen schönen

F r e s k o g e m ä l d e n , seiner auf silbernen Lindenblättern r u h e n d e n Sternenkönigin, und der reizenden U m g e b u n g seines friedlichen W ä l d c h e n s , ein V e r e i n i g u n g s p u n k t g e s e l l i g e r A n d a c h t w a r .

217 D O R O T K A ( a u f e i n e n k l e i n e n H ü g e l am U f e r z e i g e n d ) .

Hier sitzen, Zehn Schritt von mir — nicht mucksen! — ( n a c h d e m sich S t e p h a n i a u f d i e S t e l l e g e s e t z t h a t ) SO!



S T E P H A N I ( l ü s t e r n vor sich).

Ein M ä d e l , W i e eine R ü b e ! — D O R O T K A (freudig aufschreiend).

Ah — der Pilgersmann! — M A L G OHA

tritt,

als Pilger

gekleidet,

im

Vorgrunde

der Bühne auf. M A L G O N A ( o h n e d i e A n d e r n zu b e m e r k e n ) .

W o ist der alte Spielmann hingeschwunden? W a r u m erlosch der Glanz in Rosenschimmer ? — Ich fass' es nicht; doch wühlt und lodert immer Der süfse Schmerz, der mir die Brust umwunden. Hätt' ich den Kahn — das Mädchen nur gefunden! — W o h l blinkst du tröstend, heil'ges Sterngeflimmer; Doch Mitternacht der Angst verläßt mich nimmer, Und weinend fliehn die kurzen Freudenstunden! ( d i e M o n s t r a n z a u s dem B u s e n h e r v o r z i e h e n d , und sfe küssend)

D u , der du treu am Herzen mir gelegen, O, lals der Liebe Lilien mir entbliihen,

218 Lafs, ewig treu, dem Treuen mich vereinen! Und führst du mich zu ihm auf dunkeln Wegen, So schwör' ich, ihn zum Opfer dir zu reinen, Dafs unbefleckt wir Beide dir nur glühen! DOROTKA

(scheu hervortretend zu Malgonen, mit sanftem, einschmeichelndem T o n e ) .

Herr Pilger! — MAIGONA

(erschrocken).

Ah! ( r c r b i r g t schnell die Monstranz in ihrem Gewände.) DOROTKA.

Wollt Ihr nicht überfahren? MALGONA.

Du bist — ? D O R O T K A (sich schalkhaft neigend).

Dorotka! — Alles ist bereit! MALGONA.

SO komm! DOROTKA.

Ihr wollt doch nach der Insel fahren? M A L G O N A (mit Sehnsucht über den Strom zeigend).

O, nach der Insel! —

(sich fassend)

Es ist hohe Zeit!

D O R O T K A ( s e h r schmeichelnd).

Seyd Ihr mir gut, so will ich gern Euch fahren! —

219 MALGONA.

Ja — führe du mich, holde Kindlichkeit! —. DOROTKA.

Die Wellen lieben mich — lafst Euch nicht grauen! MALGONA.

O , Warmio!

Dich werd' ich wieder schauen!

( S i e g e h e n an's U f e r ; u n d indem D o r o t k a in den K a h n tritt und ihn mit dem R u d e r ausschöpft» setzt M a l g o n a sich a u f einen vom U f e r etwas entfernten Stein nieder.) STEPHANI ( d e r das l e t z t e G e s p r ä c h a u f m e r k s a m b e h o r c h t hat, v o r «ich, indem e r , von den M ä d c h e n u n b e m e r k t , a u f s t e h t ) .

Sie ist's — beim Himmel! — die Gestalt — die Sprache — Der Ausruf: Warmio! — 's ist die Prinzessin! — H a ! — jetzt wird's klar! — Er war es, der Gefang'ne, Den in der Nacht zur Insel sie geführt! .—. Die arme Taube eilt ihm nach — zur Brautnacht! — Bis morgen kann sie's nicht verschieben! — Holla! Wenn ich sie finge — Samo würde mir Es ewig lohnen! — Fangen? — Nein — das geht nicht! — Lebendig oder — todt! —. Die Axt hier — ( i n d e m er eine unter dem M a n t e l h e r r o r z i e h t )

Göttlich! —

220 Ich morde Beide — werf mich in den Kahn, Vor morgen noch gewinn' ich's and're Ufer, Und meld' es Samo'n, dafs ich ihn gerächt — Dann ist mein Loos gemacht. — Ha! — frisch an's Werk!' Wer überlegt, thut nichts! _ Zwei Mädchenseelchen! _ 'S sind ja die ersten nicht! — D OROTKA

( z u Malgonen aus dem Kahn rufend).

Nun — kommt nur, Pilger! Der Kahn ist ausgeschöpft — STEPHANI ( i n d e m er h e r v o r t r i t t , u n d M a l g o n e n , die n a c h d e m K a h n gehen will, gewaltsam zurück reifst).

Zurück d a ! — DOROTKA ( a u s dem Kahn springend und auf Beide zueilend).

Was? — STEPHANI

(ZU M a l g o n e n , mit a u f g e h o b e n e m B e i l ) .

Ihr müßt ein Bifschen sterben, jnnger Freund! DOROTKA

( Z u Stephani).

Bist du von Sinnen, Mauschel? STEPHANI

(ZU M a l g o n e n ) .

Kniet nur nieder, Und betet noch ein Avechen — doch rasch — Die Zeit ist golden! — Kniet! ( E r drückt M a l g o n e n gewaltsam n i e d e r . )

221 MALGOKA

(mit gebrochener Stimme, indem sie auf die Kniee sinkt).

O Warmio! — (Sie bleibt in ihrer knieenden Stellung, und sinkt ohnm ä c h t i g , mit zurückgebogenem H a u p t e , auf

den

Stein, wo sie, während des ganzen folgenden Ges p r ä c h s , bewufstlos liegen bleibt.) D O R O T K A (zweifelnd zu Stephan!).

Ist's Ernst, Herr Kaufmann? — STEFHANI.

Ganz verdammter Ernst! D OROTKA ( a u f Malgona zeigend).

O , lafst ihn leben doch, den armen Jungen — Mein Bräut'gam ist's! — STF. P H A N I .

Ich will Euch trau'n — (indem er D o r o t k e n , die ihm in den W e g tritt, f o r t s t ü f s t )

Hinweg! — DOROTKA

( d e m Stephan! zu Füfsen fallend und sie umschlingend).

O, lafst ihn leben, gnäd'ger Wohlthäter! — Seht — Alles, was ich lieb hab' — uns're Frau Von Czenstochau — dies Heil'genbein — den Ring — ( s i e reifst sich ein Amulet vom B u s e n , und ihren Ring vom F i n g e r )

Die neuen Schuh sogar — ich schenk' Euch Alles — Nur lafst ihn leben! —

222 STEPHAITI. ' S hilft nicht»



DOROTKA ( z o r n i g a u f s p r i n g e n d und in d r o h e n d e r S t e l l u n g ) . Jude!



STEPHANI ( z u M a l g o n e n , i n d e m e r die A x t ü b e r s i e s c h w i n g t ) . Stirb!



DOROTKA ( i n d e m sie in ä u f s e r s t e r A n g s t mit e i n e r H a n d s e i n e a u f g e h o b e n e R e c h t e e r g r e i f t , und sich mit dem A r m um ihn schmiegt, sehr schmeichelnd). O,

Lieber!



STEPHANI

( s i c h v o n ihr l o s w i a d e n d ) .

' Fort —

ich sag's!

DOROTKA



(in voriger Stellung).

Mein

Gold —

mein K ö n i g !



(nach einiger Besinnung) Latet wenigstens ihn noch v o r seinem E i n Schlückchen !

Letzten



( m a c h t die P a n t o m i m e des T r i n k e n s , dann a u f M a l g o n a zeigend) Seht — Er

a u s D u r s t ist e r

entschlummert!

muls d o c h l a n g ' g e n u g n u n fasten — STEPHANI

!



(nach einigem B e s i n n e n ) . Sey's!

Bring her —

mich dürstet auch!





223 D O R O T K A (noch Immer in obiger Stellung). U n d so lang' laßt Ihr Ihn leben

—? STEPHANI.

Ja! D O R O T K A (wie vorher). S o w a h r Ihr Gott liebt * ) ? S T E P H A N I (halb ungeduldig, halb besänftigt). Ja!



D O R O T K A (sich von ihm losreißend, sehr schnell). W o h l a n — ! ( v o r s i e h ) M a r i a , hilf!



(springt in die Hütte.) S T E P H A N I (zu Malgonen). Hast d a gebetet?



(indem er näher hinzutritt, vor sich) S i e liegt in Ohnmacht —

nimmer zu e r w a c h e n !

W i e schön sie da liegt —

Ha! —

E s scheint zu glänzen. —

Possen! —



ihr Angesicht, Fast

gereut's

mich, Allein d e r L o h n !

— DOROTKA

(ein Fälschen in den Händen, schnell aus der Hütte tretend). D a bin ich w i e d e r !



*) Jak Boga kocham! so wahr ich Gott liebe! Eine gewöhnliche Betheuerungsform der Polnischen niedern Volksklasse.

224 S T F . P H A N I (halb abgewandl)-

Gut — S o reich's i h m ! —

(auf Malgona zeigend.) DOROTKA.

Nein — Ihr mürst's ihm selber nippen! — 'S schickt sich nicht anders — ! ( S t e p h a n i ' n das Fäfschen r e i c h e n d )

Trinkt — Ihr seyd ja durstig! —. Ich griff in Eil' das ganze Fäfschen — legt Die Axt so lang' nur hin — sie läuft nicht fort! — STEPHANI.

Wohlan — gieb her! — (indem er die Axt an den Boden l e g t , und das Fäfschen mit beiden Händen e r g r e i f t , vor s i c h )

Ich mufs mir Muth antrinken! (zu Malgonen, welche, aus ihrer Ohnmacht erwachend, eben die Augen aufschlägt, mit grinsender Freundlichkeit, indem er sich über sie hinbiegt)

Nun, Pilger — Glück zur Reise! — (Er setzt das Fäfschen lächelnd an den Mund, und trinkt mit zurückgebogenem L e i b e . ) DOROTKA

(in demselben Augenblick das Beil ergreifend, und Stephani'n aus allen Kräften mit solchem vor den Kopf schlagend).

Bautz! — STE-

225 STTPHANI ( f a s t zu g l e i c h e r Z e i t , i n d e m e r das F ä l s c h e n f a l l e n läfst, lind t a u m e l n d n i e d e r s i n k t , s e h r schnell mit E n t s e t z e n ) .

Schwarz Jahr * ) ! — DOROTKA (die noch halb ohnmächtige Malgona gewaltsam fortreifsend).

Kommt, Pilger! — Seht — da liegt er! — ( a u f den betäubt am Boden liegenden Stephan! zeigend.) MALGONA ( s i c h e r m u n t e r n d , zu D o r o i k e n , i n d e m s i e m i t d e m h ö c h s t e n A u s d r u c k d e s S c h r e c k e n s auf d e n l i e g e n d e n S t e p h a n i b l i c k t ) .

Gott! — was that'st du? DOROTKA

( s e h r gleichgültig).

'S ist ja ein Jude nur! — (Malgonen fortziehend)

In'n Kahn — geschwind! — (Sie s c h i e b t M a l g o n e n schnell v o r sich in d e n K a h n u n d s i n g t , i n d e m sie l e t z t e r e n v o m U f e r a b s t u f s t )

Untreu', die zappelt noch oben, Treu' läuft schon unten davon * * ) !

*)

Auf e i n e g a n z ä h n l i c h e A r t r e t t e t e n u r n o c h v o r we-

n i g J a h r e n ein e n t s c h l o s s e n e s , e l f j ä h r i g e s P o l n i s c h e s M ä d c h e n zwei N o n n e n aus den m ö r d e r i s c h e n H ä n d e n eines Polnischen Juden. **)

Ist f o l g e n d e r Stelle e i n e s P o l n i s c h e n V o l k s l i e d e s :

Inlry°a idzic do Zasluga upada, I.

Gory, 1 f>

226 ( D e r Kahn, in welchem Malgona sitzt und Dorotka rudernd steht, wird allmälilig von den Wellen fortgetrieben.

Man h ö r t Dorotkens Gesang noch einige M o -

m e n t e immer entfernter, bis er endlich ganz aufhört.) S A M O wild auf die Bühne stürzend; hinter ihm

KO,

G L A P P O, ein T R U P P

K)II-

PREUSSEIS,

einige mit Fackeln. S AMO.

'Ne Fähre! — Laima siegt! — 'ne Fähre! Der Feuer-Ries' im Nacken uns! — 'Ne Fähre — beim Picoll! — GLAPPO.

Den Göttern Sey's Dank — der Höllengeist verschwand! SILKO.

Ein schrecklich Bild — in meinem Leben Zum ersten Male zittert' ich! S AMO. Und Warmio! — O, könnt' ich ihn nur Zerfleischen! — Ha! — (Indem er von der Bühne eilen will, tritt er auf Stephani'n.)

etwas frei nachgebildet, die, mit einem gräfslichen Volkswitze, zur letzten Revolutionszeit in W a r s c h a u , u n t e r eben dem Galgen gesungen w u r d e , auf welchem das Volk seine Verräther in demselben Augenblick hinaufzog.

227 STF.PHANI.

Au well! — SAMO

(sich

umwendend).

Wer ruft? STEPHANI.

Au weh! — S A M O ( S l e p h a n i ' n c r b l i c k e n d , mit E n t s e t z e n ) .

Ein Geist der Rache! — G L APPO.

Fackeln! — ( i n d e m er Stepliani'n beleuchtet)

Ein Jude ist's! — STEPHANI

(mit gebrochener Stimme).

Stephani! — SAMO.

Du? — STF.PHANI

( n a c h der Insel zeigend).

Der Prinz — Malgona — dort — zur Insel! — Verwundet — ich! SAMO.

Zur Insel? — STEPHANI.

Ja! — O , helft — ! SAMO.

Zur Insel! — Dank, Picollos! — 15 *

228 Zwei Opfer weih' ich dir — nur fort! — Fäll't Eichen uns zur Fähre — fangen, Tod oder lebend, mufs ich sie! — S T E P H ANI.

0 , helft mir! — GLAPPO

(indem er ihn mit einer Hand beim Kragen aufhebt, und in die Weichsel w i r f t ) .

Da — dir ist geholfen! SILKO.

Wie er's verdient —! S AMO.

Zur Insel — fort! (Alle eilen a b . )

D R I T T E Insel

mit Bäumen

dicht

dem Hintergründe bedachte,

gemauerte

S C E N E.

bewachsen.

zu,

eine

Nische,

rienbild.

Der Hintergrund

zwischen

welchen

die

Weichsel

ein

Wachtfeuer.

W A R M I O schlummernd

man

sieht.

gefesselt

worin

offene

nach

und

ein steinernes

ist mit durch

Auf

In der Mitte,

kleine,

eine

Hügeln

oben Mabedeckt,

kleine

Ocffnung

einem, der Hügel,

seitwärts,

Morgendämmerung. im Vorgrunde

hingestreckt,

dem

Rasen

den Kopf auf einem

auf

Stein;

229 W I L H E L M SCHER

und

ein A N D E R E R

LANZKNECHT,

letzterer

DEUTschlafend'

sind auf dem Hügel malerisch gruppirt. WILHELM ( b l ä s t auf einer R o h r p f e i f e einige traurige T o n e aus dem Schweizer K u h r e i g e n ; dann lehnt e r sich hin, und schaut auf den F l u f s hinab ). WARMIO ( d e r über die Musik erwacht ist, nach einer kleinen Pause zu W i l h e l m ) .

Hüter, ist die Nacht bald hin? WILHELM



( a u f dem H ü g e l ) .

J a — der Mond sinkt in die Fluthen, Und im Osten künden Gluthen, Die im Wasser träumend ruhten, Hoffend, liebend, lichtentzündet, Aller Wonnen Königin!



WARMIO.

Spricht die L u f t dir auch?



WILHELM.

Ich liebe! ( E r spielt wieder einige sanfte T ö n e . ) WARMIO.

O , hör' auf — denn diese T ö n e Winden sich um's Herz, wie Schlangen, Saugen gierig mir das Leben



230 Aus der dumpf erstarrten, wunden Brust — WILHELM

(!N sich v e r l o r e n ) .

Mathilde —• schlummerst du? Oder weckt das siifse Alphorn Dich? — WARMIO.

W o ist dein Liebchen? — WILHELM.

Ferne! — W o der Riese Rhein noch spielend, Wie ein Kind durch Felsen schlüpfet; W o des Schreckhorns Blumenauen Sich im hohen Dom verlieren, Der, vom ew'gen Schnee gekrönet, Rosenroth, in nie erlosch'nem Strahle — wie durch Unschuld, Liebe Kühn zum Glauben — sich erhebt. WARMIO.

Armer Junge! — Fern dein Mädchen? — WILHELM.

Dort im holden Alpenlande, Fern wie Eures — welkt sie hin! W A RMIO

(verzweifelnd aufspringend).

Schrecklicher, woran inich mahnen? —. Jammernd seil' ich sie — verlassen —

231 Ihrer Rosen Roth erblassen — Seh' vom T o d e sie umfassen! — Nacht das Auge mir umdüstert, Und ein Dämon zu mir flüstert. Grausig Ahnen! — Ha! ich seh' des Bruders K e u l e , Blitzend gleich empörten Wettern, Ihr das Lilienhaupt zerschmettern! — ( v o r dem M a r i e n b i l d e n i e d e r s t ü r z e n d )

Herrin du von allen Göttern, Machtlos knirsch' ich hier in Ketten, Eile du sie zu erretten, E i l e , eile! — ( E r sinkt m i t dem G e s i c h t a u f den B o d e n . ) WILHELM.

Flimmerst, Königin, du in dem Sterne, Welcher dort in Rosengluthen schwebet, O , so trockne meinem holden Mädchen Das bethränte Auge — wenn sie sehnend, Ach! des Frühgeschiedenen gedenket, Dafs du, Gnadenmutter, Trost ihr spendest! —

Der

S P I E L M A N N

ten Hügel

knieend.

erscheint

a u f dem

Seine Gestalt

ist

entgegengesetz-

mit D u f t

umhüllt,

s o dafs nur die Umrisse dunkel s i c h t b a r sind, und e r den Augen der Mitspielenden v e r b o r g e n

bleibt.

232 S P I E L M A N N ( a u f dem andern H ü g e l ) .

O, nimm sie wieder In deinen Schoofs zurück, dreieinig Wesen, Was sie seyn sollten, sind sie schon gewesen! Hüll' ihres kurzen Lebens bittre Stunden, O Herr, in deine Wunden — lafs entfalten Die Bliithe sich — nicht walten die Gebieter Der Finsternifs — sey ihrer Unschuld Hüter! WARMIO

(aufstehend).

Schon wallt's freyer mir im Busen, Und es kommt mir auf den Wogen Gold'ne Hoffnung zugeflogen, Lispelst mir, o Göttin, du, Holde Tröstung schmeichelnd zu? — WILHELM

(SPIELT;.

WARMIO.

Töne wieder lieblich klingen, Wiederkehrt das alte Ringen! Wieder lieb' ich nun das Leben, S i e wird mir zurück gegeben, Werd' aus ihren Himmelsaugen Frischen Lebensathem saugen! WILHELM

(spielt).

WARMIO.

O, ich werd' ein Knabe wieder, Wild und milde, fromm und kühn,

233 Wieder hör' ich Opferlieder Durch Romovens Haine ziehn; Die drei alten Gottgestalten, Die im Waldesdunkel walten, Seh' ich unter'm heil'gen Baum — O, entfleuch nicht, Göttertraum! ( g e h t , im Nachsinnen verloren, u m l i e r . ) S P I E L M A N N ( V o n dem H ü g e l ) .

Scheuch die dunklen Nacht-Dämonen, Lais sie nicht im Busen thronen, Den die Liebe zu bewohnen Naht, mit ihren Dornenkronen, Aus des ew'gen Wassers Schaum! W I L H E L M (auf den Strom z e i g e n d ) .

Gaukelt dort ein Nachen, Wellen ihn umplätschern, Vom brennenden Frühroth So kindlich geröthet. — 'S klingt aus ihm ein Liedchcn, So lieblich hold von ferne; Schon schaukelt er näher, Es führt ihn ein Mädchen! — WARMIO

(schnell).

Ein Mädchen? — O, sage, Vielleicht ist's Malgona! —

234 WILHELM.

Ein Kind noch — so scheint es, Es rudert so fröhlich — Im Nachen — ein Pilger! Es röthet ihm golden Der Erstling der Sonne Das bleiche Gesicht! — WARMIO.

Nicht Malgona? — O, zerronnen Ist dann aller Hoffnungsschimmer, Irrend und verlassen immer Schaudr' ich bei dem Licht der Sonnen! — O, du Göttin aller Wonnen, Kann mein Flehn nicht zu dir dringen? — Nur noch einmal sie umschlingen, Dann vergehn im Freudenbronnen! WILHELM ( y o n dem H ü g e l , auf welchem er bisher gesessen, a u f s p r i n g e n d ).

Der Nachen — er landet! — .Verrath vielleicht — ich eile! — ( e i l t den H ü g e l h e r u n t e r mit g e z ü c k t e m S c h w e r t von der Bühne.) WARMIO.

Er landet schon! — Wclch zuckendes Beben,

235 Sie ist es, mein Leben — S i e landet schon! W I L H E L M ,

der die

als r ü g e r

verkleidete

M a L -

G O N A schnell hereinführt. WILHELM

( z u Warmio).

Dein Wunsch ist erfüllet, Als Pilger verhüllet —• Erkennst du sie nicht? ( E r entreifst ihr den H u t ; in demselben Augenblick entfallen W a r m i o die F e s s e l n , und beide Liebende sinken einander In die Arme. —

Feierliche Pause.)

SplELMANN ( a u f dem Hügel mit a u s g e b r e i t e t e s A r m e n , doch immer knieend).

H e r r , die mir vertrauet, Sie haben geschauet Den Vater —. das Licht!



WARMIO ( M a l g o n e n mit trunkenen Blicken im Arme h a l t e n d ) .

Bist du erstanden mir aus Todesbanden? MALGONA.

Ein Wunder eint uns — Dank der ew'gen Liebe! — W A R M i o ( a u f seine entfesselten Arme b l i c k e n d ) .

W o sind die Ketten hin, die mich umwanden?



M A I - O O N A.

Ein Wunder brach sie — Dank der ew'gen Liebe!

236 WARMIO

( n a c h dem Marienbilde b ü c k e n d ) .

O, Göttervveib, du hast mich doch verstanden! MALGONA.

Verstehst du nun den Glauben und die Liebe? WARMIO ( W i l h e l m e n mit dem f r e u d i g s t ® ! Entzücken u m h a l s e n d , und jauchzend mit ausgebreiteten A r m e n ü b e r die Bühne laufend).

O Hüter, Wasser, Luft, lafst euch umarmen! W i L H E L M ( m i t tliränendem Auge)*

Ich neid' Euch nicht! — SPIELMANN

( g e h t langsam a b . )

(auf Wilhelm zeigend).

Auch ihn umschliefs, Erbarmen! WARMIO

(zu Malgonen).

Aber — sage mir, mein Leben, Ist die Burg nicht eingenommen, Wie bist du allein entkommen? — MAIGOMA.

Ich bin wieder dir gegeben, Um, mit dir vereint, zu streben Hin, wo Liebe Palmen flicht, Nach dem andern — forsche nicht! — Was ich diese Nacht erfahren, Heilig mufs ich es bewahren, Bis der Tod das Schweigen bricht!

237 WARMIO.

Du liebst doch mich? MALGONA.

Liifst das sich sagen? WARMIO.

Der Mond entwich, Schon seh' ich's tagen! Die Brautnacht eilt Und Strahlen blühen, W o Liebe weilt; — O , fühlst du's in dir nicht entglühen? MALGONA.

Was ich gefühlt, Ich sag's mit Thränen, — Ach, in mir wühlt Ein mächtig Sehnen, Zu glühn an dir, Dich einzusaugen, Und wüthend hier

( a u f das Herz zeigend)

Entlodert die Gluth deiner Augen! — Doch hab' ich es in dieser Nacht, W o mir der Gottheit dunkle Spur Sich klar erhellt in hoher Pracht, Gelobt mit einem heil'gen Schwur: Unsre Blüthen Ihm zu opfern,

238 Fromm zu hüten, Dafs den reinen Quell der Liebe Nichts uns trübe, Und wir rein dem Licht uns einen! WARMIO.

W e i b , ich fass' dich nicht! M ALGONA.

Die Blume Süfser Liebe welkt so früh, Unverwelklich duftet ,-ie In-der Unschuld Heiligthume! — Lafs uns nach dem hohen Ruhme Rein und treu, w i e Engel, ringen, Ihm das schönste Opfer bringen; Lafs in's heil'ge Land uns fliehen, Und der Herr wird mit uns ziehen. Bruder, komm — es w i r d gelingen! W A R MIO ( s i e glühend umschlingend).

H a ! — länger noch mich foltern! — Gluth — sie verzehrt mich! — Holde! — D u , Böse! — MALGONA.

Sieh den Himmel, W i e er in Flammen lodert! Und dennoch ist sein Feuer

239 So rein — nicht wahr, mein Bruder, Wir folgen ihm? — WARMIO.

Verschließen Den Kelch der Lust, nach so viel Marterstunden?— Nein — mir bist du verbunden! — Sieh — Luft und Wasser in einander fließen, Von einem Strahl umwunden! — O , lafs auch mich gesunden, Vereint in Freudenwogen uns ergiefsen! MALGONA ( i n sehr traulichem, f a s t kindlichem T o n e , indem s i e sich a u f den H a s e n s e t z t ) .

Weifst du noch im Paradiese — Was so oft ich dir gelehret —. Wie sich Adam, Eva liebten, Hast du das denn schon vergessen? WARMIO ( d e r sich indefs zu ihr g e s e t z t und i h r e H ä n d e in den seinigen hält, sehr schmeichelnd).

Lieblich ist dein süfses Kosen; Doch die Rosen duften süfser, Die auf deines Busens Wölbung Mir entblühn, die langerwünschten! MALGONA.

Als dem Chaos schon der Himmel

240 Und die junge Erd' entschwebet, Adam kindlich zwischen ihnen, Pflanze halb und halb ein Stern! WARMIO.

Ihm Und Ihre Dafs

war auch das Herz erhoben, die Sehnsucht spannte munter Flügel auf, die gold'nen, er Lust und Liebe trunken. MALGONA.

Ja, da kamen die Gestirne, Thiere, Pflanzen ihm entgegen, Ob er d'raus sich ein Gebilde Schalifen möchte — doch vergebens! W A R M I O (sie küssend). D a , du Schwätzerin, du Holde, Schuf der Herr ihm die Gehülfin, Und da lebten Mond und Sonne,, Ström' und Pflanzen um ihn auf. MALGONA.

Schuf sie Fleisch von seinem Fleische, Schuf sie Herz von seinem Herzen, Und des Herren sanfte Stimme Lehrte sie den Mann vernehmen. Und so ward das Weib der Mittler Ihres Schöpfers und des seinen, Und

241 Und die Gluti), von ihm entglommen, Nährt sie treu als Priesterin. WARMIO

( M a l g o n e n u m s c h l i n g e n d ).

Er umschlang sie! MALGONA

(aelir ernsl).

Und verletzte Des gerechten Herrn Gebot, Und die Frucht verbol'nen Labsals War der — T o d ! SPIELMANN (mit donnernder Stimme vom Hügel herunter r u f e n d ) .

Der Tod! der T o d ! — MALGONA

( v o n ihrem Sitze Aufspringend

Was war das? — Es klang so grausend! WARMIO

(eben

so).

Nur ein Echo war's — Geliebte, Leg' dein Köpfchen mir am Busen, Und des Todes spotten wir! MALGONA.

Auch des Schwurs, den ich geschworen, Heute meinem Herrn und Retter, Treu zu bleiben ihm und Jungfrau? —. O , die Strafe trifft! SPIELMANN

(wie oben).

Sie trifft! I.

16

242 M A L G O N A ( s i c h furchtsam an seiner B r u s t v e r b e r g e n d ) .

Warmio! WARMIO.

Wieder schallt's vom Hügel! Liebend ist der Gott der Götter. Liebend er zu süfser Liebe Seiner Kinder Busen schuf! MALGONA (indem sie kraftlos sich i h m , der sie fest umklammert > zu entwinden s u c h t ) ,

O , lafs ab! ich fühle Feuer Schon in meinen Adern wüthen! — WARMIO.

Schöner blfihn der Wangen Blüthen, Fest umschlingt dich dein Getreuer! ( Er küfst sie f e u r i g . ) MALGONA.

O , mich ziehn der Hölle Geister — Welcher Gluthkufs, welches Beben! WARMIO.

Dich belebt ein frisches Leben, Liebe, aller Leben Meister! MALGONA (indem s i e , von Warmio umschlungen, zu dem Marienbilde schwankt).

Höre, du Segnende,

243 Sündern Begegnende, Mutter der Gnaden, mich, Blitze entladen sich, Treffen mich zündend hier, Sünd', ich erliege dir! WARMIO.

Liebe lächelt im Gebilde, Selbst der hohen Götterbraut, Sie bedeckt mit starkem Schilde Den, der kühn sich ihr vertraut; Lafs ihr zu Füfsen Blumen entsprießen, Dafs liebend sie ihr Blick bethaut! SPIF.LMANN ( m i t weit a u s g e b r e i t e t e n Armen a u f d e m H ü g e l , mit äufserster Inbrunst).

Vater des Lichtes, Herr des Gerichtes, Die Prüfung — sie erliegen ihr! — Die du erkohren, Sie sind verloren, Sie sinken — du befahlst sie mir! — Höre mein Schreien, Wollst sie befreien, Zu dir fleh' ich — zu dir, zu dir! ( K r sinkt knieend mit verhülltem A n g e s i c h t auf den C o d e n . )

16 *

244 MALOOH A ( i n d e m s i e in W a r m i o ' s A r m e n i e d e r s i n k t , r.u d e m Muttergottesbilde, sehr schwach).

O, zürne nicht der Sünderin! — ( i b r e n t f ä l l t d i e M o n s t r a n z a u s d e m B u s e n ; e n t s e t z t f ä h r t .via a u f )

W a s war das! WARMIO

(sie

küssend).

Ein Altarkelch, mein holdes Liebchen! M

AL60JIA

( b e g e i s t e r t sich von ihm l o s r e i f s e n d , i n d e m sie die M o n s t r a n z mit Inbrunst e r h e b t ) .

Winkest da mir, M i r , der Verlornen, Sel'ger Friede, Ewiges Zeichen der heiligen Unschuld! — Brausend, Wüthend, Schrecklich tobend Zuckten im Busen mir Flammen der Hölle! — Die wogende Fluth Schäumt noch und thürmt sich, Fort drängt es gewaltsam zur Sünde mich hin, Zur Sünde, der ich lang' durch dich entflohn! — ( d i e M o n s t r a n z mit beiden A r m e n an »ich d r ü c k e n d )

Dicli drück' ich an mein Herz, Du kennst die bange Qual,

245 Auch d u hast trostlos gerungen! — Ich Sünderin! (auf die Kniee niederfallend) O , rette mich — Es leuchte mir Dein Antlitz wieder! Es leucht' mir im wühlenden Getümmel, O, zeuch mir freudig zum Siege voran! — O, lafs mir erscheinen die heilige Liebe, Sich reinen, vereinen die feindlichen Triebe, Und frei ist mein Herz, Und siegt der Sünde, Du giebst mir Stärke! — WARMIO.

Holde! — MALGONA.

O, ich hab' ihn w i e d e r , Frieden, der mich lang' verliefs, Sünde fährt zur Hölle nieder, Frommer Unschuld leises Sehnen Tilgt im Bade süfser Thränen Meine Sünd', es lächelt wieder mir das Paradies! — Warniio — den Kufs des Friedens! ( « i e u m s c h l i e f s t ihu k ü s s e n d m i t d e r l i n k e n , u n d h ä l t i h m mit der rechteil Hand die Monstranz v o r )

Sieh, der Heiland reicht ihn d i r !

246 WARMIO.

J a , ich fühl' sein leises Schweben, Und in meiner Brust erbeben Nie empfund'ne reine Wonnen — sey du Schwester mir! SPIELMANN (vom Hügel).

Dank, dafs du sie neu geboren, Herrscher auf dem ew'gen Thron, Hulderfüllter Gottessohn, Der uns vom Beginn erkohren! Ohne dich sind wir verloren, Doch aus deiner Gnaden Bronnen Ist uns Lieb' und Macht entronnen! — Ihre Seelen sind gewonnen, Wenn des Fleisches eitle Wonnen, Staub im Staube sich verloren! MALGONA ( z u W a r m i o , ihn umschlingend, sehr sanft und h e i t e r , fast tändelnd).

Liebst mich, Bruder? WARMIO

(ebenso).

Holder Friede! — Schwester du? MALGONA.

O, Seligkeit!

247 PREUSSF.N ( h i n t e r d e r Bühne mit kriegerischer H ö r n e r m u s i k ) .

Heisa, hu! hohahahu! — Picollos, Picollos, Picollos, herzu! W I L H E L M

UND E I N

K N A P P E

Schwertern

stürzen

auf

Wachtfeuer

entschlummerte

D R I T T E KNAP PE

die

mit

Bühne,

gezogenen

indefs

und vom Geschrei zu

ihnen

von

der

am

erweckte

dem

Hügel

h e r u n t e r eilt. KNAPPEN.

Der Feind — der Feind! — WlLHELM

( m i t gezücktem S c h w e r t e ) .

Maria, hilf siegen! — (Eilt mit den b e i d e n K n a p p e n ü b e r die B ü h n e nach der Seite z u , von w o das Geschrei d e r Freussen h e r tönt.) P R E U S S E N ( n ä h e r und s t ä r k e r lärmend von d r a u f s e n ) .

Picollos, Picollos, Picollos, herzu! — WARMIO ( m i t M a l g o n e n v o r dem Marienbilde s t e h e n d ) .

Mein Bruder, o Waffen! MALGONA ( i h n u m k l a m m e r n d , und ihm gewaltsam die H ä n d e h a l t e n d ) .

Hast je mich geliebet, Bleib' rein mir vom Blute und traue auf ihn! ( n a c h o b e n hin z e i g e n d . )

'2AH

PREUSSF.N

Picollos u n d R a c h e !

( g a n z nahe und heulend). —

(Heftiges Lanzengeklirre und Gefecht aufser der Bübne.) SPIELMANN

( f e i e r l i c h , mit gen Himmel gerichteten Augen, rom Hügel). D u segnest i m Z o r n e , D u leitest den S ü n d e r , d u züchtigst d e n T h o r e n , A u s F r e v e l u n d Bufse w i r d F r i e d e g e b o r e n , Es steiget d i e K i r c h e aus b l u t i g e m B o r n e !



( W i l h e l m und die beiden andern Knappen, im Kampf mit einem starken T R U P P unter

ihnen

S A M O ,

alle mit Keulen kämpfend, gründe der Bühne.) W I L H E L M

und

DIE

PBEUSSEN,

S L L K O ,

G L A P P O ,

erscheinen

im Vor-

LANZKNECHTH

(zu den mit ihnea kämpfenden Preussen). Zurück!

— P R E U S S E N ( a u f sie e i n d r i n g e n d ) .

P i c o l l , dein O p f e r !



WILHELM

( z u Warmio und Malgonen, da er ihnen, der eindringenden TJebermacht der Preussen kämpfend weichend, näher Kommt). Entflieht! — M ALGONA (nach oben zeigend). E r schützt!

249 WARMIO

( w i l l «ich g e w a l t s a m von itir l o s r e i ß e n } .

O , lafs mich! — MALGONA

(ihn aufs heftigste umklammernd).

Bleib' rein vom Bruderblute, U m Jesu will'n!

— SPIELMANN

( a u f d e s s e n H a u p t e sich e i n s c h n e l l v e r l ö s c h e n d e s F i ä m m c h e n entzündet, vom Hügel).

Erbarmen! Nimm sie zu dir — die Armen! ( a u f die k ä m p f e n d e n K n a p p e n z e i g e n d . ) E R S TEH K N A P P E

(tüdllich verwundet hinfallend).

O Herr — zu deinem Throne! (Ueber

(stirbt.)

s e i n e r L e i c h e e r g l i m m t o b e n io d e r L u f t

ein

F l ä m t n c h e n , und l o d e r t , b i s d e r V o r h a n g f ä l l t . ) SPIELMANN

(vom

Schon einer ist gekrönet! ZWEITER O

Mutter,

hilf d e m

(Ueber

Hügel).



KNAPPE

Sohne!

seiner Leiche

(sinkt). (stirbt).

entlodert

ein F l ä m m c h e n ,

wis

vorher.) SPIELMANN

Auch dieser ist versöhnet! WILHELM

(vom Hügel).

— (sinkend).

Mathilde — in den reinen Gefilden w i r uns »inen!

(stirbt.)

( U e b e r ihm ein F l ä m m c h e n , w i e v o r h e r . )

250 SPIELMANN

(vom Hügel),

Drei Märtyrer zusammen Entglühn in Opferflammen! S A M O ( a u f die Liebenden eilend).

Picoll, ein doppelt Opfer! Sterbt! — MALGONA ( m i t f e i e r l i c h e r E r h a b e n h e i t v o r t r e t e n d , und Samo'n die Hostie entgegen haltend).

Dreimal Heil'ger, schirme! ( S a m o u n d die P r e u s s e n f a h r e n mit Entsetzen z u r ü c k , und bleiben, gruppirt

und Malgonen

anstarrend,

stehen.) S P I E L M A N N (vom Hügel).

Es thürm'en sich der Hölle Fluthen, Noch einmal, Heiland, willst du bluten, Dann breitet über Nacht und Graus Dein Siegspanier sich freudig aus! S L L K O ( a u f W a r m i o und M a l g o n e n e i n d r i n g e n d ) .

Was — sind wir Memmen? — SAMO ( i h n u n d die P r e u s s e n z u r ü c k s t o f s e n d , indem e r M a l g o n e n bei den H a a r e n e r g r e i f t , ihr die Hostie aus der H a n d s c h l ä g t , und sie mit Füfsen t r i t t ) .

Mir die Opfer! — So tödt' ich deinen Gott und dich! —

251 MALGONA

(entsetzt).

Jesus! — ( E i n e sehr

s t a r k e F l a m m e entzündet sich ü b e r

dem

H a u p t e des Spielmanns, u n d verlöscht gleich wieder.) SAMO (zu dem Spielmann h i n a u f s t a r r e n d , indem e r M a l g o n e n bei den Haaren fortschleppt).

Du? — H E U L E N D E S T I M M E I S D E R D Ä M O N E N (von u n t e n ) .

Samo, komm! zum Lohne! S A M O (zu Malgonen).

Stirb!