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German Pages 223 [224] Year 1835
Johann vonTencM. Eine geschichtliche Erzählung aus dem Polnischen
des
3. U. Niemcewicz.
Zweite
Auflage.
Erster Theil.
Berlin, Sander's che Buchhandlung. 1834.
Vorrede des Verfassers.
ötorf ist die Hewihnung an die Arbeit; sie bau? ert fort, wmn schon die geistigen und physischen Kräfte deS Menschen merklich abnehmen. Zch erfahre es auch an mir in meinem Greisesalter. Reich an Materialien zur vaterländischen Geschichte, aber nicht an Kräften zu einer so mühsamen Arbeit, und was noch mehr ist, die Umstände berücksichtigend, wage ich nicht, mich in eine so wichtige Unternehmung einzulassen. Da ich aber nicht ohne Beschäftigung bleiben kann, wählte ich eine meinen abnehmenden Kräften angemessenere Arbeit, und dieß ist ein histor rischer Roman. Nachdem ich erwogen, wie seit meh reren Zähren Werke solcher Art in allen Ländern be gierig gelesen werden, beschloß ich, meinen Landsleu ten mit einem ähnlichen zu dienen. Es werden auch viele mit mir darin übereinstimmen, daß diese Schreib art Annehmlichkeit und Vergnügen mit Nutzen ver bindet. Sie ist, so zu sagen, eine erklärende Vervoll ständigung der schmucklosen und ernsten Geschichte. Die Geschichte stellt uns die wichtigeren Bege benheiten der Reiche dar, führt die Befehle der Mo narchen, die Thaten vorzüglicher Untergewalthaber und Feldherren, die Bewegungen an den Htftn der
IV Herrscher an; immer auf einem hohen Pfade schwe bend, laßt sie sich nicht bis zu Privatgesellschaften herab, tritt nicht in die niedrigen Lehmhütten des Volkes. Der geschichtliche Roman hat zum Ziel die Dar stellung des geselligen Lebens unter irgend einem Volke, zu einer vom Verfasser gewählten Zeit. Zndem der Schriftsteller dabei in die Gnzelhriten ein geht, die für einm Geschichtschreiber gar zu gering sind, stellt er uns Menschen jedes Standes und Ranges vor. — Alle Personen in diesem Drama sollen uns nicht blos durch ihre Thaten, sondern auch durch ihre Gespräche zu erkennen geben, wie das gesellige Leben, die politische Lag» des Landes, seine Aufklärung, die Meinungen, die Leidenschaften, ja selbst wie die Vorurtheile beschaffen waren; sollen uns in jmr Zeit, in ihre Mitte versehen; mit einem Wort«, sollm uns mit ihnen leben und umgehen lassen. Zch wählte dir Zeit Sigmund Augusts in der Mitte des sechszehntrn Jahrhunderts, als eine der glänzendsten Epochen unserer Vaterlandsgeschichte. Eine weise Regierung des Vaters machte dem Sohne den Frieden gewiß, die Grenzen des Rei ches wurden, durch freiwillige Vereinigung Litthauens und Lieflands mit der Krone Polens, vergrißert. Die Station war glücklich und geachtet, der Bürger verlebte in häuslicher Ruhe stohe Tage. So wie der Maler auf einer Leinwand, eine rotte läustige Landschaft abbildend, in derselben Burgen, Flüsse, Felsen, Auen und Wälder vorstellt; so wollte ich auch in einem Roman, neben den vorzüglichsten Ereignissen jener Regierung, die ausgezeichnetesten Männer zur Zeit des Friedens und des Krieges während derselben aufnehmen, das Bild von dem Zustande der Gesellschaft in jenem Jahrhunderte beibehalten, mit einem Worte, den Polen in die
Mitte des sechszehnten Jahrhunderts versehen und bewirken, daß er mit seinen Urvätern lebe. Alle politische, in diese Erzählung verwebten eignisse, sind aus der Geschichte Polens und Schwe dens entnommen, von der Glaubwürdigkeit derselben kann sich jeder überzeugen, der jene nachliest. Da ich alle wichtigeren Vorfälle mit einander verwebt in einer Reihe darstellte, war es schwierig, die Zahresordnung beizubehalten; demnach sind die geschicht lichen Begebenheiten in diesem Werke manchmal früher, manchmal später angeführt. Hinsichts der handelnden Personen in diesem Drama, suchte ich die Sitten des Jahrhunderts, die Charaktere, die Eigenschaften, mit denen sie uns die Geschichtschrei ber bezeichneten, beizubehalten. Don der Liebe Zohann Tenczynfki's zu der Königlichen Prinzessin Cäcilie von Schweden zeugen sowohl unsere als die schwedischen Chroniken, es zeugen die Verse des gleich zeitig lebenden Johann Kochanowski, endlich auch die geprägte Denkmünze davon; ferner die auf diese Vorfälle Bezug habenden Briefe des Königs Sig mund August, wie auch das Gedicht Kochanowski'S auf den Tod des Grafen Johann Tenczynfti. Die Prinzessin Cäcilie entging der Berschwärzung und Verleumdung, gleich vielen andern mit schönen Eigenschaften ausgestatteten Personen, nicht. Die Schweden unwillig, weil sie zum katholischen Glauben überging, haben ihren guten Ruf, haupt sächlich in den Memoiren, sehr angegriffen. Doch fand sie bei Lebzeiten ihre Vertheidiger; der gleichzei tig lebende Möllerns, ein berühmter schwedischer Dich ter, schrieb für sie folgendes Gedicht: Fertur in Idaeo soboles Priameia colle Uni Divarum postposuisse duas. Ast ego te praestans Gustavi filia Regis, Cecilia summo praefero jure tribus
VI
Namque tibi cedunt splendoribus, indole, forma Inno potens, solers Pallas, eburnea Venus; Si tu nie placido defendas unica nutu Ambitiosa trium me nihil ira movet.
Ceciliae speciem Svecis ex Regibus ortae, Haec spectabilibus monstrat imago notis, Ut nix frons candet, rutilant ut Phoebus ocelli, Vincunt ridentes blanda labelia rosas, Caesarius aurum superat Charitumque venustas Et decus ex nitidis emicat omne genis; Haec bona natura pulcherrima pulchrior ornat Virtutum praestans est quibus ipsa chorus. loh. Messanii Theatrum Nobilitatis Svecanae, Holmiae 1616.
Johann von Tenczyn. Line geschichtliche Erzählung.
Erstes Kapitel.
vlur drei Meilen sind wir von Hause entfernt, sagte Johann Tenczynski, der Sohn des silberhaa rigen Wojewodcn von Sandomirien, wie angenehm wird es mir sein, nach so vielen Zähren die väter liche Schwelle zu betreten, wie süß, meine ehrwür digen Eltern zu sehen. Ein Seufzer hemmte seine Worte. Ich freue mich sehr darüber, ließ sich sein Reisegefährte, Don Alonzo Ferdinande; Zuan Zoseppe di Medina Czeli, in spanischer Sprache ver nehmen ; denn welch' eine Strecke ist's aus Madrid nach Polen, durch wie viele Länder sind wir gefah ren, wie viel verschiedene Völker, Sitten, Naturerzeugnisse haben wir nicht gesehen! Dieß befriedigt zwar die Wißbegierde, bereichert mit Erkennmiß und Erfahrung den Geist, heilt von so manchen Vorurtheilcn; inzwischen lassen sich nach so langer Zeit die Beschwerden des beständigen Reisens auch in jun;
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gen Gliedern fühlen. Doch gut, wir sind unserem Ziele nahe, und es wird mir viel Freude machen, meinen Landsleuten nach der Rückkehr von den Merkwürdigkeiten und Wunderdingen, die ich auf meiner Reise sah, zu erzählen. Ich hoffe, Freund, unterbrach ihn Tenczynski, daß, wenn Du ein Tage: buch Deiner Reise führst, Du nicht manche Auelanr der nachahmen wirst, die, entweder aus Undankban keit für die empfangene Gastfreundschaft, oder ohne Ueberlegung und leicht hin, nach einem Hause das ganze Land, nach einer Person, die ganze Nation beurtheilen, und von Polen ganz unglaubliche Mahn chen schreiben. Ein Kastilianer, antwortete Don Alonzo Ferdinandez di Medina Czeli, wird sich wn der so undankbar, noch so leichtsinnig zeigen, (on; dern nichts anderes als Wahrheit schreiben. Indessen rollte der Wagen der Reisenden auf ebenem Wege dahin. Der Kutscher, ein alter Hochr länder, sang ein Lied von Kasimiren dem Mönch: „A witay/.e nam gospodynie mity" (Willkommen uns geliebter Herr). Der Klang dieser varerlandü schen Weise rührte Tenczynski's Herz. — In Öc; danken vertieft betrachtete er den ihn umgebenden Horizont; in der Ferne verbreitete die Ringmauer des Rabschtiner Schlosses einen Silberglanz; die Thürme des reichen Olkusch, dann auch der Felsen
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verloren sich in grauem Gewölk; der mit Thälern lind Hügeln abwechselnden Gegend gaben die Eichen lind Buchen-Walder eine angenehme Schattirung, und die weißen Landhäuser, die spitzigen Thürme vieler Dorfkirchcn bildeten einen lieblichen Kontrast. Dieser Landstrich scheint mir, sagte Don Ferdinan de;, mehr bevölkert und besser bebaut zu sein, als viele unserer spanischen Provinzen. So siehst Du denn doch, antwortete Tenczynfli, daß nicht das Gold au« Potosi, sondern Ackerbau und Freiheit dir Lander volkreich machen und in Wohlstand ver setzen. Wahrend sie so zusammen sprachen, entzog sich allmahlig da« Sonnenlicht ihren Augen. Schwarze Wolken stiegen am Horizonte aus, über dm Seen erfüllten schwebend« Möwen die Luft mit ihren kläg lichen Lauten, majestätische Adler, und große Haufen von Digcln verschiedener Art, eilten in verdoppel tem Fluge ihren Wohnsitzen zu. Nicht ohne Grund zwei ungeheure Donnerschläge krachten über die er bebende Flur, der schwcfelhauchende Blitz fuhr im Zickzack daher und spaltete mit seinen Pfeilen die schwarzen Wolken, strömend ergoß sich das Wasser vom Himmel. Was ist das für ein Regenguß, sagte Tenczynski, wo soll man nun Obdach finden? Indem er noch redete, bemerkte er ein weißes höl-
6 zerneS Haus nicht wett vom Wege, unter einer aus-
gebreiteten Ulme.
Wenn ich nicht irre, so sind wir
schon in bett Grenzen der Grasschaft Tenczyn.
ließ
Er
den Kusscher vor dieses Haus fahren, aber
alles war verschlossen; vor diesem schrecklichen Re
gengüsse verbargen sich nicht nur die Wirthsleute
und das Gesinde, sondern auch der Hund und die
Kahr suchten ihr Obdach.
Erst nachdem sie eine
Weile geklopft hatten, hörten sie drinnen eine Frau
befehlen: „Geh doch, Katharine, und mache die
Thür auf, man muß dem Nächsten in der Noth die Aufnahme nicht versagen."
Katharine machte
auf, die Reisenden sprangen in's Haus, und sie wurde mit dem Wasserstrome, der von den Kleidern der Eintretenden floß, ganz durchnäßt. benthür wurde geöffnet.
Die Sm-
Auf der Schwelle stand
eine Frau, ungefähr vierzig Zahre alt, die noch recht frisch und munter aussah. Sie trug ein bunt
kattunenes Kleid, auf dem Kopfe eine schwarzsam-
tnetne mit Feldblumen gezierte Binde. willkommen, meine Herren!
Seid mir
rief sie fröhlich aus,
dieser Zufluchtsort ist zwar eng, doch da .es draußen
so stark, gießt, so nehmet damit vorlieb, denn bis zum Schlosse sind es noch zwei Meilen.
Nun,
Ddttter, wen» Zhr es erlaubt, sagte Tenczynski, so wollen wir uns hier abttocknen und warten bis der
7 Regen vorüber ist. Der Himmel ist sehr bezogen, sagte Theodorowa, das wird wohl so dm ganzm Tag und die ganze Nacht anhalten. Geh einmal, Katharine, und laß die Pferde und die Kalesche in den Kuhstall bringen, denn in unserem kleinen Pferr bestalle werden sie nicht Raum haben. Mein armer Mann ging, wie gewöhnlich, mit der Flinte und mit seinem Hunde nach dem Walde, um in seinem Revier nachzusehen, ob irgend wo Schaden gemacht wordm ist, und dabei auch, wenn sich gerade etwas trifft, zu schießen. Indem sie dieß sagte, brachte der Kammerdiener des Grafen trockene Kleider für die Herren. Lange und mit unverwandten Blicken betrachtete Theodorowa bald diesen, bald den Gra fen, auf einmal rief sie, vor Freude beinahe außer sich: Ach, das ist ja mein Herr! und bald um faßte sie seine Knie, bald sprang sie auf und fiel ihm um den Hals. Nachdem Tenczynski lange die Frau angesehen, erkannte er sie, und rief freudig aus: Ach, das ist ja Theodorowa, meine liebe Amme! und indem er sie herzlich drückte, sagte er: ich habe Dich wahrlich in den ersten Augenblicken nicht er kannt. Das ist schon wahr, sprach Theodorowa, die Mütter, und auch die Ammen haben «in befferes Gedächmiß als die Kinder. — Mache mir diesen Vorwurf nicht, daß ich Dich vergessen hatte, aber
8 so viele Zähre, seit ich Dich nicht gesehen, die Anstrmgung der Reise, diese vom Regen nassen Au gen. — Das ist das Wmtgstr, aber wie glücklich bin ich jetzt Euch zu sehen; das Beste, was ich nur in meinem Hause finden kann, soll mein liebes Zohannchm haben. Hierauf befahl sie der Katha rine, Feuer zu machen und Wasser in Tipstn beizur sehm, sie selbst aber lief ungeachtet des starken Re gens auf dm Hof hinaus, indem sie dm Oberrock über dm Kopf schlug. Die Reismdm warm mit dem Wechseln ihrer Kleider noch nicht fertig, als Theodorowa schon zurückkam, und zwei Paar Hüh ner, ein Bund Petersilie, Porree und Sellerie mit brachte. Mein Zohannchm muß sich doch erquicken, er soll eine vortreffliche Suppe und einen guten Eierkuchen haben, und wenn mein Mann aus dem Walde zurück kommt und Wildpret mitbringt, ob gleich es für den Hof bestimmt ist, so kann man doch dem Sohne unsers Herrn etwas davon mittheilm, aber für viel Geld würde ich es keinem Andern geben. — Wozu jedoch diese Anstalten, wir sind ja noch heute zu Mittag auf dem Schlosse. — Zch verstehe mich besser auf das Wetter als der Wetterhahn auf dem Dache; von Westen her wal zen sich die Wolken in großen Massen hinter einan der, und es ist die Frage, ob Zhr werdet morgen
9 fahrm sinnen; es wird bald Nacht, und überbieß, rote sollte ich mein Zohannchen davon lassen, ohne ihn gesättigt zu haben. Ein ganzes Jahr lang und sechs Wochen habt Ihr keine andere Nahrung ge kannt, als die aus diesen Brüsten. Hier treten ihr Thränen in die Augen; Tenczynski gerührt um armte sie noch einmal. Sage mir doch, Mutter, fragte der Graf, roie sieht's mit meinen Eltern aus? — Der alte Herr ist merklich im Alter vor gerückt, besonders versagen ihm die Füße ben Dienst, aber das ist auch kein Wunder. Das hohe alter und die verschiedenen Kriege in der Jugend, — doch Gott sei Dank er ist dabei noch immer mun ter. Das wird Euch wohl bekannt sein, daß Eure Schwester, Fraulein Sophie, mit dem Starosten von Schydloro Herrn Zbororoski verlobt, und die andere mit dem Burggrafen von Lanckoron vermählt ist; schöne und tugendhafte Damen. Ihr werdet sie wahrscheinlich beide in Tenczyn finden. Sie sind zum Namenstage der gnädigen Frau Mutter gekom men. — Mit welcher Freude werde ich sie dort alle sehen! Indem die Wirthin mit der Zubereitung des Abendbrotes beschäftigt war, sahen sich die Rei senden, nachdem sie sich auf eine lange Dank hin gesetzt hatten, in der sauber eingerichteten Stube um. Sie war ziemlich geräumig, wohl übertüncht.
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in einer Ecke nicht weit von der Thür war der Kamin. An der Wand hing ein Bild der Atutter Gottes von Czenstochau, daneben eine große, ge malte und rund herum vergoldete, mit himmelblauen und rothen Bändern bepuhte, geweihte Wachskerze, von der andern Seite ein kleines Lorettaner-Glöck chen und mehrere Kränzchen von geweihten Krau tern. Zn einen Querbalken war der Name Zesus und das Jahr 1525 eingeschnitten. Ueber dem Tische war eine Decke ausgebreilet; am Ofen saß die siebenjährige Agnes auf einer niedrigen Dank, die Tochter der Frau Theodorowa und spielte mit einer jungen Katze, die alte Katze schlief unter der Bank; die ganze Stube war mit Kalmus ausgestreut. Theodorowa hatte die jungen Hühner in den.Topf gelegt, Porree und Sellerie noch in der Hand haltend, sagte sie: In meiner Kindheit kann ten wir diese wälschen Kräuter nicht. Die Königin Dona brachte sie aus ihren Ländern, welche jenseits des Meeres liegen sollen, und Gott weiß, wie sie da heißen. Aus den Königlichen Gärten verbreite ten sie sich in der ganzen Gegend von Krakau und noch weiter; denn die alte Königin hat großes Wohlgefallen an Gärten, überall läßt sie solche an legen, läßt sehen, pflanzen und pfropfen. Man sagt, daß sic in Czcrsk und aus ihren andern Gü-
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tern Weinberge angelegt habe. Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, als ein schrecklicher Donner und der nicht weit davon eingeschlagene Blitz alle in Schrecken setzte. „Das Wort wurde Fleisch, und wohnte unter uns!" rief Theodorowa aus, indem sie sich kreuzigte und aus ihre Knie fiel. Tenczynfki und der Spanier knieten auch in Demuch vor dem Lenker der Blitze nieder. Nachdem Theoborowa ein wenig zu sich gckommen war, rief sie ihrer kleinen Tochter zu: Agnes! nimm einmal das Lorettaner Glöckchen, gehe hinaus, und laute damit um das ganze Haus herum. Liebe Mutter, ließ sich Tenczynski vernehmen, wie kannst Du das arme Mädchen mitten unter dem starken Donner und einem so heftigen Regengüsse der Gefahr aussehen! Das ist noch unschuldig, antwortete Theodorowa, dem wird nichts Leides geschehen. Agnes lief auch wirklich um das ganze Haus herum, lautete aus vollen Kräften, und es geschah ihr auch nichts, außer daß sie durch und durch naß wurde. Währ rend dieser Zeit räucherte Theodorowa mit geweih ten Kräutern. Als das Gewitter ein wenig nach gelassen hatte, hörte man an der Thür klopfen. Das wird wohl mein Mann sein! rief sie fteubtg aus; indem sie die Thür öffnete, sagte sie: Weißt Du, mein Lieber, was wir für einen Gast in unserm
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Hause haben? Unsern jungen Herrn, der aus den überseeischen Landern kommt, aus Deutschland glaube ich. Aber, Du armer Schelm, Du bist wohl ganz fadennaß geworden. Das thut nichts, sagte er, und als er in die Stube trat, stellte er geschwind sein Gewehr in den Winkel und wollte Tenczynfti'n zu Füßen fallen; aber dieser hob ihn auf, und sagte: Sei mir herzlich willkommen, mein lieber Theodor, ich freue mich, daß dieses Gewitter mid) in Dein Haus gebracht hat, und daß Du gesund bist. Zch wußte nicht, daß Du in diesem Hause wohnst; ich habe Dich als Kammerdiener verlassen. Za, lieber Herr, antwortete Theodor, als aber die Försterstelle erledigt wurde, erhielt ich dieselbe von Eurem gnä digen Herrn Vater, wahrscheinlich als Gnadenbe zeigung, weil diese Frau Euch genährt hat, und er sehte für mich einen guten Gehalt, nebst reich lichem Deputat an Lebensmitteln fest, so daß wir an allem Uebcrfluß haben; der liebe Gott segne ihn dafür! Nachdem er dieß gesagt, warf er seine schwere Zagdtasche und vier Hasen aus die Erde hin. Seine Frau griff sogleich nach derselben, nahm zwei Reb hühner heraus und sagte: Diese sind für mein Zohannchen und für den Herrn da, der gar nichts spricht; der wird wohl ein Deutscher sein. Für einen solchen Gast muß man sie schon geben, sagte
13 Theodor, obgleich in Tenczyn morgen eine Meng« Gäste erwartet wird, und der Herr Schaffner Spi-
zarski hat mir befohlen, so viel Wildpret herbeizu schaffen, al« ich nur bekommen kann.
Gestern kam
noch der Bischof Gamrat, und jeden Augenblick
erwartet man den Großfcldherrn Tarnowski, den Herrn Peter Kmita, den Herrn Melrcki, den Herrn Firley, den Herrn Starosten Zamoyski und noch viele andere. Ihr seid gerade zu rechter Zeit gekom
men, den Namenstag der gnädigen Frau Mutter
in der Versammlung so vieler Gaste mitfeiern zu
können. — Lieber hätte ich es gesehen, meine Eltern und Schwestern allein zu finden, als unter einer so großen Menge von Fremden. Unsere Gefühle, nach
einer so langen Trennung, unsere Gespräche, unsere Freuden, brauchen keine Zeugen.
Theodor entfernte sich nach der anstoßenden Kammer, um seine Kleider zu wechseln; die Suppe war auch bald bereitet; die Wirthin nahm daher aus
einem Schlüsselbunde, das an einen Rehfuß befestigt war, einen großen Schlssüel, schloß damit einen un
geheuern mit Eisen beschlagenen Kasten auf, und langte aus demselben ein in Podgorz *) verfertig
tes Tischzeug und zinnerne Löffel hervor. )
Eine Stadt unweit Krakau.
Messer
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und Gabeln legte man zu jener Zeit nicht hin, denn Zeder war damit versehen. Darauf nahm sie aus dem Schranke zinnerne Schüsseln und Teller, welche so rein gescheuert waren, daß sie wie silberne aussahen, und nachdem sie den Tisch gedeckt, setzte sie darauf eine Schüssel mit Suppe, einen Eier kuchen und zwei gebratene Rebhühner; das Brot war von grobem Roggenmehl, doch dabei weiß und schmackhaft. Als sie mit allem fertig geworden, wendete sie sich zu Tenczynski'» und zum Spanier, und bat sie, sich zu Tische zu setzen, dabei sah sie sich mit Wohlbehaglichkeit dieses appetitliche Mahl an. Du hast uns einen guten Bissen bereitet, liebe Mutter, sagte Tenczynski; aber es wird uns nicht schmecken, wenn Du nicht mitissest. Und warum sollte ich das nicht, versetzte sie, ich würde gern mitessen, aber heute ist Montag, und da habe ich mir strenges Fasten auf Lebenszeit gelobt. Hier habe ich Bier mit Kümmel und Baumöl, und dazu ein Stück geröstet Brot, dieß wird mir schon für den ganzen Tag hinlängliche Nahrung geben. Die Ka valiere setzten sich zu Tische, und sowohl das Mahl, als auch die Offenherzigkeit und die Gastfreundschaft der Wirthin, gefielen dem Spanier. Tenczynski ver dolmetschte ihm alle ihre Gespräche. Die Suppen schüssel war geleert, als der Wirth aus der Kam-
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wer in die Stube trat, in einer Hand einm Krug mit Bier und in der andern eine Kruke mit Mech haltend. Das Beste, was ich nur in meinem Hause habe, sagte er, bringe ich Euch. Es ist zwar kein Warker Bier, aber es ist gut, der Meth aber ist so alt als meine AgneS, und ich genieße ihn nur an großen Festtagen-, und könnte wohl ein anderer größerer sein als der, an welchem ich Euch in meiner Wohnung sehe! Ich danke Dir, guter Theodor, sagte Tenczynsky, Du trinkst unsere Gesundheit, und wir trinken die Deinige und die Deiner guten Frau. Hier auf goß er die Glaser voll und trank die Gesundheit der Wirthsleute. Don Alonzo Ferdinande; Juan Zoseppe di Medina Czeli war sehr erstaunt, so guten Malaga unter einem Strohdache anzutreffen. Dieß ist ein wahrer Malaga unsers Landes, sagte Tenczynski, und ist um desto merkwürdiger, da er nicht aus Trauben verfertigt wird. Und woraus denn? fragte der Spanier. Tenczynski mußte ihm lange erklären, wie die Bienen Honig machen, und wie der Meth daraus bereitet wird. Dieß alles war für den Spanier eine große Neuigkeit. Auch die Wir thin trank einen kleinen Becher Meth aus, und nachdem sie die Hände über einander geschlagen, sah sie Tenczynski an und sagte: Mein Gott, wie schön ist das gewachsen, aber es ist auch wahr, cs war
16 immer schön und gut wie ein Engelchen. Und frisch wie ein Fisch, fuhr nun Theodor fort; es war kaum
drei Zahre alt, da kam es schon und bat, man sollte es auf ein Pferd setzen, und obgleich die gnä
dige Frau es verbot, so konnten wir ihm doch diese
Bitte nicht abschlagen, und setzten es auf den Zel ter des Herrn Wojewoden, und da hättest Du sehen
sollen, wie vergnügt das Knäblein war.
Und ge
denkt der Herr Graf noch, wie Euer würdiger Va
ter die Tartaren schlug und einige Hundert gebun den mitbrachte? Ach, wäs waren das für Schreck
bilder! sie hatten kleine Augen, längliche, platte und schwarze Gesichter.
Vor Angst verbargen sich die
Fräulein, obgleich sie älter waren; Zohannchen aber
hatte gar keine Furcht, und ging mit seinem hölzer nen Säbelchen ihnen entgegen.
Dieß freute den
Herrn Vater sehr, er nahm ihn auf seine Arme, küßte ihn und sagte: Brav, mein Hans, wisse nie mals was Furcht ist, ich habe Hoffnung zu Gott,
Du wirst auch die Tartaren schlagen.
Die Wirths-
leute hätten noch länger von den stüheren Zeiten erzählt, wenn der Spanier, dem die fremde Sprache keine Unterhaltung gewährte, nicht angefangen hätte,
recht ordentlich zu gähnen.
Ueberdieß war es schon
ziemlich spät, die dunkele Nacht und der zwar nicht
mehr herabströmende, doch noch immer dicht herabfal
lende
17 lende Regen, waren die Ursache, daß an die Abreise gar nicht gedacht werden konnte.
also zur Ruhe an.
Man schickte sich
Die Wirthsleute begaben sich
mit Agnes in die Kammer,
und
überließen die
Kaum hatte der Hahn
große Stube den Gasten.
den Tag verkündigt, so war schon alles in der Kam mer rege.
Theodorowa fing nebst ihrem Manne,
Agnes und Katharinen ganz leise ihre Stundengebete
an zu singen, nachher sagte sie ein wenig lauter zu
Katharinen: Sobald Du nur bemerkst, daß sie aufge wacht sind, so mache gleich Feuer an und sehe einen Mache es mit Schmant,
großen Topf Bier bei.
Eiern und Käse zurecht, damit sie doch etwas vor ihrer Abreise genießen.
Nachher sah sie durch ein
kleines Fenster der Kammer hinaus und sagte: Nach einem so stürmischen Wetter, welch ein schöner Tag
für mein Zohannchen.
Gott sei gepriesen, daß er
ihn so schön und so frisch erhalten hat.
Was wird
das für Freude im Schlosse sein, sobald er sich dort
nur sehen läßt! Der Schlaf derer,
eine
ein
die
außerordentliche Freude
nahes Glück oder
erwarten,
pflegt ge
wöhnlich kurz zu sein; nur ein von schwerem Kum mer gedrückter Mensch
der
Vergessenheit
durch
mag gern den
die Augenblicke
Schlaf verlängern.
Tenczynski wachte noch vor Tagesanbruch auf; Ka-
I.
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18 tharine war noch nicht mit der Zubereitung des Biers
fertig, als
er sich schon angekleidet hatte.
Wie angenehm war ihm das seit so vielen Zähren nicht genossene vaterländische Frühstück!
nerte ihn an seine Kinderjahre.
Es
erin
Don Alonzo Fer-
dinandez di Medina Czeli machte gleich beim ersten Löffel ein saures Gesicht und bat sich ein Gläschen
von dem gestrigen Malaga und ein Stückchen Brot aus.
Die Bedienten, eben so wie ihre Herren unge
duldig, hatten in einem Nu alles eingepackt und der Wagen stand reisefertig da.
Abschied von den Wirthsleuten.
Rührend war der
Tenczynski
ver
sprach, seine gute Amme recht oft zu besuchen, und beim Wegfahrcn drückte er ihr fünf große spanische
Goldstücke in die Hand.
Ach, mein Zohannchen, da
durch stört Zhr nur mein Glück, sagte Theodvrowa.
Wenn das Herz einen Gast aufnimmt, so muß das Herz allein lohnen. — Wenn Du es für Dich selbst,
liebe Mutter, nicht annehmen willst, so nimm es
als Mitgift für Deine Agnes an. Tenczynski konnte kaum auf diese Weise die gute Frau dazu bewegen, dieses Geschenk zu behalten.
Noch hatte die Sonne ihr Antlitz nicht gezeigt, und nur eine
blasse Nöthe zerfloß
am gewölbten
Himmel, als Tenczynski mit seinem Reisegefährten
sich schon auf dem Wege nach Tenczyn befand.
Die
19 Sträucher und Blumen, durch den letzten Regen er
frischt,
verbreiteten
einen angenehmen Duft;
die
schäumenden Ströme stürzten von den Hügeln mit brausendem Getöse herab.
Verschiedene Chöre von
Vögeln begrüßten den Schöpfer mit ihren Gesängen. Ein angenehmes, entzückendes Gefühl, wie man es
nur in der Zugend erfahren kann, bemeisterte sich Tenczynski's ganzen Daseins, er empfand in sich eine
Fülle des Glückes und des Lebens, fest heftete er seine Blicke auf die Gegend seines Geburtsortes,
und als ihm die goldenen Thurmspitzen des Schlos ses Tenczyn in der Lust entgegenstrahltcn, wurde
sein Herz von den größten und lebhaftesten Empfin dungen durchdrungen.
Ze näher er kam, desto leb
hafter erinnerte ihn jeder Strauch, jedes Haus, selbst jeder Stein, an seine schönen Zugendjahre.
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Zweites Kapitel.
Eben ging die Sonne auf, als Tenczynfli sich dem Stammgute seines Vaters näherte. Langscu men Schrittes gingen die Herden aus dem Dorfe nach den naheliegenden Triften hin. Die Hirten,flöte begleitete den Gesang der Vögel, der treue Hund holte die sich verlaufenden Lämmer ein und hielt sie in Ordnung, die Luft war still, duftig und frisch, hier und da erhob sich der Rauch von den niedrigen Herden der erwachten Landleute, und stieg in geraden Säulen empor. Da Tenczynski die Bewohner des Schlosses nicht stören wollte, ließ er nicht weit vom Thore seinen Wagen anhalten. Alles schien dort noch in tiefen Schlaf versunken. Gelehnt an eine Ulme, berrach,tete er das schon seit so vielen Zähren nicht gesehene Schloß. Es war ein großes viereckiges Gebäude, mit runden Thürmen an den Ecken, mit einem tiefen Graben umgeben, und einem größtenrheils aus Feldsteinen aufgethürmten Walle, welchen die durch eine lange Reihe von Zähren darauf wach,senden Feldgewächse undurchdringlich gemacht hatten.
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Vier Thore führten nach dem großen Schloßplätze. Sie waren aus ungeheuren Quadersteinen aufge führt, auf ihren Spitzen sah man das Tenczynskische Wappenschild, ein Beil und das Zahr 1332. Ueber.all waren Schießscharten; zehn Kanonen standen auf den Wällen aufgepflanzt. Das ist wahrlich ein alterthümliches Schloß, waren die Worte des Spa niers, mit denen er den in Gedanken vertieften Tenczynski unterbrach. Das ist das Haus meines Stammes schon seil vielen Jahrhunderten, antwor tete Tenczynski, und schwieg wieder; bald darauf drang aber eine die Stundengebete singende Stimme in sein Ohr. Er blickte seitwärts und sah einen ehr würdigen, in graue Czamarka gekleideten Greis, der sich auf einen Stab stützte, und in der Hand den Rosenkranz hielt. Nachdem sich die Augen des Jünglings und des Greises begegnet hatten, änder ten sic schon ihre Richtung nicht mehr. Der Greis kam ein Paar Schritte näher, blieb stehen und be trachtete ihn lange. Täuschen mich ettva meine Au gen, rief er aus, nein, wahrlich nicht, das ist ja mein junger Herr! Wie geht's, Herr Kolyfka, rief ihm Tenczynski zu, ich freue mich, daß die Person, die ich zuerst erblicke, mein alter Freund ist! Za, sagte der Greis, und eine Freudenkhränc rollte aus seinen Augen auf den silberhaarigen Bart, der ist es,
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der Euch oft auf seinen Armen getragen. Tenczynski stellte dem Spanier in lateinischer Sprache den Freund und Haushofineister seines Vaters vor. Herr Kolyska begrüßte Don Zuan di Medina Czcli in einem vortrefflichen Latein. Zm Schlosse schlaft noch alles, sprach Herr Kolyska zu Tenczynski. Zch will Niemanden aufwecken, erwiederte der Züngling, laßt uns unterdessen in den Garten gehen, und bann nach so langer Trennung zusammen reden. Hierauf begaben sie sich nach dem Schloßplätze. Am Thore stand ein nach Art der Flamländer ge kleideter Fuß-Soldat. Nachdem sie über eine etwas tiefer liegende Gallerie gegangen warm, befanden sie sich im Garten. Dieser war in verschiedene Gange abgetheilt, und mit hundertjährigen Eichen, Linden und Rothlannen beseht; von Duchsbaum umfaßte Dlumen-Quartiere waren zierlich mit Sand und kleinen Steinen ausgestreut. Hyacinthen, Lilien, Rosen und andere Blumen standen in Gefäßen, das von Hügeln herabgeleitete klare Wasser bildete in vielen Biegungen Kanäle. Zwei Seiten des Gar tens nahmen verschiedene Arten der Obstbäume ein, und ganz tief im Hintergründe derselben hatte man die prächtigste Aussicht nach den bunkelgrauen Ber gen, nach den schwarze«» Felsen, nach der Kirche und nach dem Kloster in Czerni. An dieser prächtigen
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Aussicht weidete Tenczynskt seine Augen, und rich tete fortwährend Fragen an Herrn Kolyska, nach seinen Eltern, nach den Verwandten und nach dem Vaterlande. AlS sie im Zurückgehen sich dem Schlosse näherten, sagte Herr Kochst«: Es sind so viele Gäste zum Namenstage der gnädigen Frau zusammengekommen, daß beinahe alle Zimmer, ob gleich daS Schloß groß und geräumig ist, besetzt sind; in diesem Zimmer, wo Zhr die karmoismror then Fenstervorhänge sehet, wohnt der Bischof Gamr rat. Nach dem gestrigen Abendbrote wird er nicht sobald aufwachen; alle andere Begierden haben sich bei ihm gelegt, aber in Intriguen und Gastmählern ist er immer noch derselbe Mann wie stüher. Zn dem Zimmer gerade über steht der Oberfeldherr Tarr nowski; er leidet keine Vorhänge, da er an das Kricgsleben gewöhnt ist, und er lebt immer so wie unter einem Zelte. Zch hatte meine Noth, bis ich zum heutigen Miltagsmahle ein Füllen auftrriben konnte; denn Zhr müßt wissen, daß man immer bei großen Gastmählern dem polnischen Oberfeld herrn einen Füllenbraten vorsctzt. Was sagt er? fragte der Spanier. Tenczynsti setzte ihm das alles aus einander, und groß war die Verwunderung des Don Alonzo Ferdinandez. Das wird wohl die Sitte der alten Scythen sein, sagte er. Tenczynsti
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bewies ihm, baß die Polen nicht von den Scythen, sondern von den Sarmaten abstammen. An dem rechten Flügel, sprach Kolyfka weiter, wohnt der Wojewode von Krakau, Herr Peter Kmita, ein un ruhiger, gieriger und es mit allen Partheien halten der Mann. Ueber ihm ist der junge Herr Johann Zamoyski, und links der Königliche Unterschahmeir ster, Herr Spytek von Tagliczyn. Diese für Ten, czynski'n so angenehme Gespräche hätten noch kein Ende gehabt, wenn die Pflichten des Haushofmeisters, überhaupt am Tage einer so zahlreichen Ver sammlung, Herrn Kolyska nicht abgerufen hätten. Nachdem er zwei ihnen entgegenkommmde Zwerge erblickte, sagte er zu ihnen: Unterhaltet nun Euren jungen Herrn, und er selbst eilte nach dem Schlosse hin. Che cosa sono ’sti vecchj Bambini. Was sind das für alte Kinder? fragte der Spanier mit großer Verwunderung. Tenczynski mußte ihm wie der erklären, daß man in unserem Lande solche kleine Geschöpfe findet. Zn ein ganz sonderbares Land bin ich gekommen, sagte Don Ferdinandez di Medina Czeli, alle Augenblicke stoße ich auf etwas Wunderbares. Der alte Wojewode Tenczynski stand, so wie Andere seines Alters, sehr zeitig auf; seine Fenster laden waren die ersten, die sich im Schlosse iffnc-
25 ten.
Dieses bemerkte einer von den Zwergen, und
da er durch Hinterbringung einer so freudigen Nach richt bei seinem alten Herrn sich einschmeicheln wollte, lief er, was er nur laufen konnte, ihm zu melden,
daß sein Sohn «»gekommen wäre.
Man kann sich
leicht denken, wie glücklich und erfreut der Greis
war; cs verflossen kaum fünf Mnuten, so kam schon Signor Allegro, der Kapellmeister des Wojewoden, den Sohn nach dem Schloss« zu bitten.
Tenczynr
ski'n war es lieb, daß er seinen Gefährten, den Spa nier, mit dem Italiener zurücklaffen konnte, und er
selbst eilte nun zu seinem Vater hin.
Beim Ein
tritt in das Zimmer fand er ihn auf einem großen Stuhle, in einen atlassenen Schlafrock eingehüllt,
sitzen, ein dichter silberfarbiger langer Bart bedeckte ihm die etwas entblößte, rauhe Brust; seine Phy
siognomie war ernst und angenehm, die Haare ver
schnitten, nur ein Büschel ragte auf dem Kopfe her vor.
Der Jüngling fiel dem Vater zu Füßen, und
der Greis legte auf ihn die schwachen Hande und
rief gerührt aus: Dank sei dem Höchsten, daß er mir
vergönnt hat. Dich noch einmal vor meinem Ende zu sehen! indem ich Dich gesund und munter sehe,
empfinde ich, daß auch meine Kräfte an Festigkeit zunehmen.
Ich war auch einst so wie Du jetzt bist.
Hier folgten unter Freudcnthräncn die herzlichsten
26 Viele Dinge haben
Umarmungen.
sich verändert,
setzte er hinzu, seit den fünf Zähren, baß ich Dich nicht gesehen.
Gott sei Dank,
die Mutter und
die Schwestern findest Du gesund, bald sollst Du sie sehen.
Aber unser alter König und Herr hat schon
seinen Sitz im Himmel aufgeschlagen, und der junge scheint es nicht sonderlich klug anzufangen.
Du hast
es wohl gehört, daß er sich mit der Radziwill, Gastolds jungen Wittwe, vermahlt hat.
Er wird die
Regierung nicht führen, sondern die Brüder
des
Vaters seiner Frau, und soll denn Tenczynski das mit ansehen?... Da der Sohn bemerkte, daß der
Vater zornig wurde, und einem zog
er seine Gedanken von
unangenehmen Gegenstände ablenken wollte,
er aus
dem Dusen einen Brief von Kaiser
Karl V. hervor und überreichte ihm
denselben *).
Beim Anblicke desselben heiterte sich die Stirn des
Wojewoden auf, denn er diente in den Heeren die
ses Monarchen und
genoß
viele Gunstbezeigungen
von ihm; indem er ihn las, betrachtete der junge
Tenczynski das Zimmer seines Vaters.
Zn einer
Ecke desselben sah er eine niedrige, schmale, harte Lagerstätte, vor dieser eine große weiße Bärenhaut ausgebreitet, und, statt einer kostbaren Decke, eine graue von Filz.
') Geschichtlich.
An den Wanden hingen die Bild-
27 Nisse von Sigmund I. und Sigmund August, dieser in seinen Zugendjahren mit einem Papagei in der Hand, und rund umher hingen Schilde, Ringel panzer, Bogen, Kicher; auch spanische Büchsen mit verschiedenen Verzierungen von Silber, Gold und Perlmutter. Zn der Ecke saß auf einer hohen Stange ein Sperber. Es freut mich sehr, sagte der Greis, nachdem er den Brief durchgelesen hatte, daß Dir Seine Majestät der Kaiser ein ehrenvolles Zeugniß giebt, und daß er meine früheren Dienste nicht vergessen hat. Was macht der ehrwürdige Herr? Leben auch der Fürst Medina Sidonia, der Markgraf di Luna d'Albukerk, Don Zuan di Vaseonczellos noch? Als der junge Tenczynski alle beantwortet hatte, wurde die Thür geöffnet, und die Gattin des Wojewoden, in der Hand eine Schale mit Wcinsuppe haltend, erschien mit ihren beiden Töchtern. Beim Anblick ihres Sohnes hatte sie kaum Zeit, die Schale auf den Tisch zu sehen. Schon drückte sie ihn in ihre Arme, schon benetz ten ihre Freudenchranen des ZünglingS Wangen. Siehe, meine Traute! sagte der Greis, Zohann hat sich selbst zum Angebinde Deines Namenstages mit gebracht. Nach den herzlichsten Umarmungen der Mutter folgten die Begrüßungen der Schwestern. Wie viele Herzen waren jetzt mit Wonne erfüllt!
28 Recht weit bist Du in der Welt umhergereist, sagte die Mutter, nun mußt Du auch sehr ermüdet
sein.
Er sieht etwas elend aus.. . .
gar, unterbrach der Vater, er
Warum nicht
sieht munter und
kräftig wie Herkules aus, aber die Mütter finden immer ihre Kinder elend.
Sei es dem wie es wolle,
sagte Frau Tenczynska, wir wollen für ihn sorgen;
jene Zimmer, die nach dem Garten zu liegen, soll er bewohnen, dort ist kein Lärmen, und da kann er mir
recht gut ausschlafen.
Die Zeit des Ausschlafens
wird nicht lange währen, sagte der Wojewode, nach einigen Tagen muß er zum Landtage nach Preszowiz
fahren, er soll dort die vornehmen Landsaffen km-
nen lernen, und überdieß werden da wichtige Dinge verhandelt.
Komm doch, lieber Johann, ich will
Dich nach Deinen Zimmern hinbringen! indem die
Wojewodin
dieß sagte, nahm
sie ihren Sohn an
die Hand und ging hinaus; der Wojewode fing an
sich anzukleiden. Lange währten die Fragen der Mutter und der Schwestern, ßungen.
lange ihre zärtlichen Herzens-Ergier
Vermeide, so viel Du kannst, sagte Ten,-
czvnska, die geringste Erwähnung von Radziwillen. Dein Vater kann das durchaus nicht ertragen, daß sie, und hauptsächlich der geistliche Herr Nikolaus,
Mundschenk von Litthauen, solche Auszeichnung und
29
jetzt einen solchen Einfluß am Hofe haben. Ich werde vorsichtig sein, antwortete der Jüngling, und werde mir Mühe geben, seinen Unwillen nicht nur nicht zu reizen, sondern vielmehr zu mindern, denn nichts kann dem allgemeinen Besten schädlicher sein, als diese Privatstreitigkeiten unter den Mächtigen. Nachdem Tenczynski von seiner Mutter wegge gangen, war er unruhig wegen des Spaniers, und fragte die Vorübergehenden, ob sie ihn nicht gesehen hätten. Wir sahen ihn, war die Antwort, nach den Wällen zugehen; er eilte dort hin und sah ihn mit Herrn Allegro in einem lebhaften Gespräche vertieft bei einem Haufen Tartaren, die an der Ausbesse rung einer beschädigten Mauer arbeiteten *). Als er Tenczynski'n gewahr wurde, sagte er: Ich wußte nicht, daß Polen auch in Amerika Besitzungen hat. Ich sehe hier Indianer, welche denjenigen ganz ähn lich sind, die uns unser Pizarro aus Mexiko zuge führt. Das ist dasselbe Mördergesicht, dieselben klei nen Augen, und dieselbe Farbe ihrer Haut. Es ko stete Tenczynski'n viel Mühe, ihn zu überzeugen, daß •) 3« früheren Jahrhunderten war es in Polen eine allgemeine Sitte, daß man zur Aufführung großer Ge bäude und Veste, die tartarischen und türkischen Gefan
genen gebrauchte; — auf diese Art wurde auch Willanow erbaut. 5
30
Polen keine Besitzungen in Amerika habe, und daß die Menschen, die er für Indianer hielt, Tartaren, Muhamedaner von der Halbinsel Krimm waren. Während dieser Gespräche hörte man das Lau ten der Schloßglocke, welche die Bewohner zur Messe rief. Tenczynski und Don Ferdinande; Juan di Medina Czeli begaben sich nach der Kirche, oder vielmehr nach der Schloßkapelle. Sie fanden sie schon angefüllt. Zn der mit rothem Sammet und goldenen Borten ausgeschlagenen Loge erblickten sie di« Eltern und Schwestern. Sophie winkte ihrem Bruder zu, er solle heraufkommen; da er aber sei nen Gefährten nicht verlassen wollte, und übcrdieß Johann Zamoyski bemerkte, mit dem er in Padua Freundschaft geknüpft hatte, so blieb er in der Dank sitzen. Herr Gamrat, Bischof von Krakau, saß zur Seite unter einem Baldachin, andere angesehene Gäste saßen entweder mit der Herrschaft in der Loge, oder auch unten in den Bänken. Der Geist liche Kobylanski, Domherr aus Krakau und Probst des Ortes, las die Messe. Signor Allegro führte eine Symphonie seiner Komposition auf. Nach der Messe begab sich die ganze Versammlung nach dem Saale, um das aufgetragene Frühstück einzunehmen. Tenczynski stellte nun seinen ausländischen Gefähr den den Eltern und den Gästen vor. Der alte
31 Wojewode reichte ihm die Hand und sagte:
Salve
grate hospes, opto, ut domus mea, sit tibi quam
jiicundissima.
Auf dem Tische standen große sil-
berne Schüsseln mit Zrazen ^), Ragouts, Bratwür sten und verschiedenem geräucherten Fleische.
Große
Pokale waren mit Meth, Wein und Bier gefüllt,
Chi e questo Monsignore, fragte der Spanier, ehe mangia come un Lupe? Wer ist der Monsignor, der
alles wie ein Wolf verzehrt? E Monsignor Gamrato Vescovo di Cracovia, antwortete Tenczynski.
Che dio lo benedica come si e conservato grasso, fresco, ma come mangia! Gott segne ihn, wie dick
und fett er aussieht! aber wie ißt er auch! Die Ver
wunderung des Ausländers war natürlich; Gamrat
schluckte beinahe ganze Bratwürste hinunter, machte die mit Ragout gefüllten Teller ganz rein, und stürzte volle Becher Meth und Warker-Dier hinunter. Solch
ein Essen hinterließ auch Spuren an seinem wohl
genährten Körper; die Backen Seiner Hochwürden
bildeten, wie der Vollmond, einen mächtigen Kreis,
der von Rothe und einem firnißähnlichen Glanze strotzte.
Der Prälat unterbrach sich oft bei seinen
•) Lies Grasen: kleine gehackte, aber nicht zerhackte Fleischschnitte, die mit verschiedenen Gewürzen und Zwie
beln bestreut und zusammengerollt, nachher mit Butter,
Citronensäure u. s. w gedämpft werden.
32 schmackhaften Bissen durch scherzhafte Erzählungen,
ost redete er auch in italiänischer Sprache den Spa,' nier an; mit einem Worte, er erheiterte und belebte die ganze Gesellschaft.
Das Frühstück war beinahe
beendet, als man eine recht dicke Mannsperson in
einem wunderlichen Anzuge hereintreten sah. Mann
trug einen bunten Zupan,
Dieser
einen Oberrock
von Zobel-, Kaninchen- und Bärenfellen, alles un ter einander gemischt; auf dem Kopfe einen Kolpak,
auf welchem sich beinahe ellenlange Pfauenfedern er
hoben.
Fröhlichkeit und Offenherzigkeit malten sich
auf seinem Gesichte ab.
Nachdem er seinen Kol
pak geschüttelt, setzte er sich dem Bischöfe Gamrat
gegenüber,
und sagte:
Wie geht's, lieber Pfaffe?
Und nachdem er sich gegen den alten Herrn Wojewoden
und
gegen
den Großfeldherrn Tarnowski
ehrerbietigst verneigt, fing er recht mit Appetit zu essen an.
Wer ist der Mann? fragte der Spanier
seinen Gefährten.
Das ist der Hofnarr des Hoch
seligen Königs, antwortete ihm Tenczynski; er heißt Stanczyk,
ein
sehr witziger Mann.
Er erinnert
mich an unsern Grazioso *), erwiederte Don Fer
dinande;.
*) Zn jenen Jahrhunderten hatten die Könige und vornehmen Herren Graziosos hießen.
in Spanien ihre Possenreißer,
die
33 dinandez.
Indessen wollte Gamrat seinem Gegner
keine Antwort schuldig bleiben, und sagte: Was wird
nun heute der einstmals so viel geltende Spaßvogel machen?
da.
Leider! unser alter König ist nicht mehr
Was er immer gemacht hat, antwortete Stan-
czyk,
eher wird es der Welt an Königen als an
Narren fehlen.
Es ist kein Wunder, daß mich un
ser alter Herr gern sah, er hörte nämlich, wie ich Euch oft solche Wahrheiten sagte, die er Euch zu sa
gen nicht wagte; er wußte, daß ich ihn unterhielt, und Ihr kranktet ihn; habe ich nicht Recht, Herr
Bischof, Herr Kmita, Herr Taszycki?—Stanczyken
ist alles erlaubt, sagte Kmita. — Das ist auch nicht mehr als billig, unterbrach ihn der Possenreißer, denn
Stanczyk macht von brauch.
dieser Freiheit keinen Miß
Ich sollte das wohl nicht wissen, setzte er
hinzu, weshalb Ihr alle
hier zusammengekommen
seid? Um Euch zu berathschlagen, auf welche Weise
Ihr den
unwissenden Adel
auf dem Landtage zu
Proszowiz bethören, und wie Ihr denselben gegen
den Sohn aufhchen sollt, so wie Ihr ihn gegen den
Vater aufgewiegelt habt.
Ihr werdet schreien, daß
die Freiheit deshalb verloren gehe, weil noch ein Schatten der Gewalt
beim
Könige übrig geblie
ben. — Das Gleichgewicht in unserm Staate intra majestatem et libertatem, sprach Taszycki, ist
I.
3
34
nichtg. Unsere Herren halten es, und sind gleich sam der Ballast in einem Schiffe. — Das ist wahr, unterbrach Stanczyk, nur daß dieser Ballast ans dem Vorder« und nicht auf dem Hintertheile des Schiffes liegt, und was soll man davon erwarten? Das ganze Schiff schlägt bei dem geringsten Sturme um, schleudert die Schuldigen und Unschuldigen in den grundlosen Schlund des Meeres, und dann wird unser Muthwille mit Knechtschaft vergolten. Es ist kein Wunder, sagte Gamrat, daß Stanczyk, der sich an das Hosieben gewöhnte, und mit Ge schenken der Könige überhäuft wurde, ein Feind der Freiheit ist. Zm Gegentheile, verfehle Stancznk, ob ich gleich nicht mit einer Bischofsmütze beklei det, nicht mit Gnadenbezeigungen überhäuft worden, so bin ich doch ein eiftigerer Beschützer derselben, als Zhr alle seid; ich bin aber ein Feind der Hof fart, der Rangsucht und der zügellosen Umtriebe, denn diese werden uns früh oder spät zerstückeln und unsern Nacken unter's Hoch bringen; daher will ich nicht, daß unsere Nachkommen büßen sol len, weil wir jetzt übermüthig werben. Dir Wortstreitigkeiten würden noch länger ge dauert haben, hätte nicht der Spanier rin Gläs chen Malvasier eingeschenkt und die Gesundheit der Damen in Vorschlag gebracht. Wenn es auch bei
35
uns, sagte Zamoyski, nicht üblich ist, beim Frühstück einen Toast auszubringen, so wird doch wohl ein je der gern in diesen Vorschlag eingehen. Zch glaubte, daß dieß ein Mittagsmahl wäre, sagte der Spanier lächelnd, obgleich er nur ein wenig Reis mit Milch zu sich genommen hatte. Er saß zwischen Sophien Trnczynska und ihrem Bruder. Die ganze Zeit un terhielt er sich mit seiner Nachbarin, welche, weil sie lange Zeit am Hofe der Ktnigin Dona gewesen war, recht fertig italiänisch sprach. Don Guzman di Medina Czeli ergötzte sich sehr an ihren Gesprä chen und an ihrem Witze, noch mehr aber an ihrem süßen Lächeln und an den dunkelblauen Augen, die einen ausnehmendm Glanz über die rosigen Wangen verbreiteten. Per Dio Santo, sprach er begeistert zum jungen Tenczynski, beide Kastilien können solche Schönheit, als Eure Schwester ist, nicht aufweisen. Das kann Euch zu nichts nützen, sagte ihm sein Freund, 6 promessa, verlobt. 0 Dio! seufzte Don Ferdinandez Guzman di Medina Czeli. Das Geräusch der vom Tische aufstehenden Gäste unterbrach den Spanier in seinen Entzückungen; eine Flügelthür öffnete sich, alle gingen in einen großen, prächtig geschmückten Saal, wo sich die heute Ge feierte, die Frau Wojewodin Trnczynska, von einem Zirkel Edeldamen umgeben, fand. Zeder tret nach 3»
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der Reihe zu ihr hin, und legte seine Wünsche zu ihren Füßen nieder. Zuerst begann der Bischof mit scherzhaften Glückwünschen. Hierauf der ehrwürdige Großfeldherr Johann Tarnowski in wenigen Worten. — Die Wünsche eines Helden, sagte ihm Frau Tenczynska, sind mir immer die angenehmsten. Nun traten Andere hinzu, Senatoren, ferner Zbigniew Ossolinski, Unterkämmerer von Sandomirien, im Namen der ganzen Wojewodschaft, endlich Prioren, Guardiane des heiligen Franciekus- und Antonius.' Ordens und der Dominikaner Ordensrath. Da diese viele lateinische Brocken in ihre Reden mischten, so wurden sie von der Wojewodin nicht recht verstanden. Der gleichfalls vorgestellte Don Alonzo Guzman di Medina Czeli sagte ihr einige verbind liche Worte und küßte ihr die Hand. Nach der geendigten Ceremonie der Glückwün sche, gingen Alle nach ihren Zimmern zurück; die Damen, um ihren Puh zum Mittagsmahle und zum Tanze zu ordnen; die Jünglinge, um ihre Rosse, Reitzeug, Dogen und andere Rüstung zu mustern. Die Männer und Greise sammelten sich zu einer gemeinschaftlichen Derathschlagung. Don Alonzo be gab sich nach dem Garten, und unter der Wilbung uralter Linden lustwandelnd, versank er in tiefe Ge danken.
37 Indessen versammelten sich die ehrwürdigen Dar ter und einige der vornehmeren Hausfreunde in einem, mit Bildnissen der Ahnen des Hauses Tenczynski ausgeschmückten Saale. Als Alle ihre Ptahe eingenommen, begann der alte Wojewode mit folgen den Worten: „Hochgeborne Herren, und meine viel geliebten Freunde und Brüder! Non esset bono publico idoneum, wenn diese ad colendam hanc festam diem versammelten, erleuchteten Manner blos den Vergnügungen nachgehen, Rem publicam und die Sache libertatis nostrae praeterire voluissent. Es ist Euch bekannt, daß nach Verlauf einer Woche der Landtag einfallt, auf diesen opor tet im voraus berathschlagen, und uns gegen alles Ungemach bewaffnen, das dem Staate lediglich we gen des schlechten Rathes der Umgebung unsers Herrn, imminent. Es wird wohl auch für Euch kein Geheimniß sein, daß Seine Königliche Maje stät die auf eine hinterlistige Weise vollzogene und geheim gehaltene Verbindung für ein gültiges Eher bündniß erklärt; ja noch mehr, diese Frau, als Königin von Polen, mit der Krone der Hedwig zu schmücken beschlossen hat. O pudor, o dolor! Das solltet Zhr erdulden? Ach, ich kann's nicht; hier diese Bildnisse meines uralten Stammes, die uns gleichsam mit finsterm Blicke ansehen, erdul-
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dm es auch nicht. Sie, sie haben mit ihrer Brust unsere Grenzen gedeckt, mit dem Schwerte sie erweitert, durch offenen und fest entschlossenen Rath unsere Freiheit vertheidigt. — Betrachtet, sagte er, auf des Scibors Bildniß weisend, das sich un ter der Zahl der zwölf Wojewoden befand, betrach tet diese geharnischten Ritter, die dem Könige Ludwig zwölf Fahnen von schwer bewaffneten Lanzenträgern mitbrachten, betrachtet diesen Zegota, der durch seinen Rath, Einfluß und durch .seine Standhaftigkeit den ersten Zagiello auf dem Throne erhalten hat. Sie rufen uns zu: non patiamini opprobrium tantum. Wie! wir sollen eine dem Range nach uns gleiche Frau in hac sede regali sehen, auf dem nur Kaiser- und Königs-Töchter gesessen haben! Dieser Schimpf ist noch nicht Alles. Ihr sehet schon die Folgen der Verbindung. Die Herren Radziwille, Brüder, Vetter und Verwandten Barbarens, führen überall das Regiment, und erheben sich über Alle. Zhr habt selbst gesehen, wie der Wojewode von Troki, Barbarens Bruder, den Geistlichen Podlodowski, Kapellan der neuer» Königin, zur ersten Bischofs stelle im ganzen Lande, nämlich zu der von Kra kau, befördert haben würde, wenn ihn nicht die kräftigsten Gegenvorstellungen des Erzbischofs Dzier-
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zgowski darin gehindert hätten ♦). Dieß war das einzige, was ihnen nicht gelang; übrigens thun sie alles nach ihrem Willen. Wer zu Aemtern, Würden, Besihthümern gelangen will, an wen wendet er sich? Er geht ad fontem oninium bonorum und beugt sein Haupt vor Radziwillen. Nie wird der alte Tenczynski sein Haupt vor ihnen beugen. Ubi nam est aequalilas nostra? Zch bitte Euch also, meine Herren, wer irgend einen Einfluß auf dem Landtage hat, daß er die Gewogenheit habe, meinen Vorschlag zu unterstützen und auf recht zu erhalten, damit das erwähnte Ehebündniß Seiner Majestät des Königs mit Barbara Radziwilowna für ungültig erklärt werde, und Seine Majestät der König sich eine andere Gemahlin aus einem Königlichen Geblüte erwähle, weil ich lieber (hiebei sprach er ereifert) den Sultan Soliman in Krakau, als Barbara auf dem polnischen Throne sehen will •) **)." Damit endigte er, und eine lebhafte Rithe trat auf das Gesicht des Greises. Einige Augenblicke herrschte Stillschweigen; man sah, daß der junge •) Geschichtlich. Siehe Gornicki S. 320. Man. Ausg.
••) Geschichtlich.
40
Tenczynsti durch diese Rede betrübt wurde* und daß sein Freund Zamoysti, ihm gleich in Zähren, nur mit Mühe die Lust darauf zu antworten in sich unterdrückte; denn die Zugend hatte in jenen Zeiten vor einem grauen Haupte große Ehrfurcht. Endlich ließ der alte Tarnowfti, Burggraf von Kra kau und Kron-Oberfeldherr, sich also vernehmen: „Nicht das erste Mal hören wir aus dem ver ehrten Munde des Herrn Wojewoden von Sandomirien fervidum pro libertates nostras zelum. Zhr dürftet Euch nicht ad Imagines Eurer Vorfah ren wenden. Euer eignes Leben, ehrwürdiger Wojewode, tarn in toga quam in sago, omnium virtutum insigne nobis praebuit exemplum. (Hier machte der alte Tenczynski mit seinem schneeweißen Haupte eine Verbeugung.) Euer Eifer, sprach Tarnowsti weiter, für den Glanz und Ruhm der erhabenen Krone Polens ist gewiß gerecht. O, utinam voluissent fata, daß Seine Majestät der König, unser Allergnädigster Herr, eine Gemahlin in sGciam vitae dignam praeclarae originis suac gewählt hätte. Aber es hat dem Allerhöchsten an ders gefallen. Er schreibt in das Buch der Schick sale mit seinem heiligen Finger die Ehen ein; Regalis corona schmückte freilich die Vorfahren unserer jetzigen Frau nicht, aber die wohl eben so glänzen-
41 den Kränze des Patriotismus und der Tapferkeit zierten sie, nec tarn vilis cst Polonae nobilitas sanguis: und da es so ist, da Seine Majestät der König, Unser Allergnädigster Herr, legitimo ductus amore, sein Herz dieser hochverehrten Frau zuge wandt hat, so wollen wir uns in die Schickungen Gottes nicht mischen, und den ersten Nektar einer glücklichen Ehe nicht trüben, bibant purpureo ore dulcedines ejus unsere junge Königliche Herrschaft! Auf so viele andere weit wichtigere Dinge, auf so viele unserem Staate wirklich drohende Unglücks fälle, sollten wir vielmehr unsere Aufmerksamkeit richten. Eine seither in Europa unbekannte Macht aus Norden bedrohet uns; die Vasallen des Reichs fangen an in der Treue zu wanken, der in vielen Gegenden glückliche Muselmann kann jeden Tag auch gegen uns sein Schwert wenden; der wilde Tartar macht ungestraft in Podolien Einfälle. Sol len wir denn so viele Gefahren discordia civili noch vergrößern! Zch bitte also den würdigen Wojewodcn von Sandomiricn seinen Vorschlag auf dem zu eröffnenden Landtage nicht in Erwähnung zu bringen." Kaum hatte der Burggraf von Krakau geendigt, als der Burggraf Zarnowski, ein Hausfreund und Tcnczynski'n persönlich verpflichtet, das Wort ergriff.
42 und die Meinung seines Patrons kräftig unten stützte. Mir sind so viele Beweise von der Weis, heit des Herm Wojewoden von Sandomirien, der in unserem Senate immer hervorleuchtet, bekannt, ihm bin ich sehr beneficio devinctus, daß alles, was er bei Privat t oder bei öffentlichen Berathungen ausspricht, für mich beinahe als Gesetz gilt. Was sollen uns hier die Tartaren, die Türken, der Schrekken aus Norden, adhuc procul sunt a nobis haec mala; aber die Entehrung der Krone durch das um paffende Ehebündniß Seiner Majestät berührt und beleidigt uns hier; das Ansehen der Herren Radziwille, und ihr Einfluß bei Hofe, horret animus! bedrohet die Freiheit. Keiner der Getreuen des Herm Wojewoden von Sandomirien wird es bub den können, daß ein anderer neben der Krone Po,lens mehr gelten soll, als unser Herr Wojewode Tenczynski. Ich vertheidige also fortitcr die Mei nung dieses achtungswürdigen Herrn und füge meine Bitte bei, daß man die Türken, Tartaren und an dere Staatsangelegenheiten übergehe, und ante omnia in die Instruktionen unserer Abgeordneten dieß auf nehme, daß sie nichts anderes berühren, und ja nicht unterlassen sollen, die Aufhebung des erwähnten Ehebündnisses S. K. M. cum omni vehemenlia ac clamore zu betreiben."
43 Als der Burggraf Zarnowski geendigt hatte, ver neigte sich der
alte Wojewode und lächelte dabei;
sein Sohn aber sagte ganz leise zu Zamoyski'n: Die ser Herr Burggraf gefällt mir nicht sonderlich. —
Wird etwa noch jemand von meinen wcrthgeschätz-
tcn Herren und Brüdern seine Meinung eröffnen wollen? fragte der Wojewode. Hierauf sprachen viele
unter den bejahrten Herren, unter andern auch der Bischof Gamrat und der Wojewode Kmita; da diese aber immer auf zwei Stühlen saßen, so konnte da
mit sowohl der Wojewode von Sandomirien, als auch Sigmund August zufrieden sein.
Was wird
uns aber unser junge gelehrte Kavalier vortragen? fragte der Wojewode, sich zu Zamoyski'n wendend. „Mit Hochachtung, antwortete Zamoyski, hörte ich
wie diejenigen vor mir sprachen, die des Alters, der
Erfahrung und
Gelehrsamkeit wegen
geschätzt zu
werden verdienen: ich würde mich gewiß nach ihnen
nicht vernehmen lassen; aber von einem ehrwürdi
gen Senator gefragt, will ich meine Meinung mit der
Offenheit
Manne
darthun,
und einem
die
guten
einem
freidenkenden
Staatsbürger
geziemt.
Zch kann vielleicht als ein noch junger Mann ir
ren; aber als ein wahrer Pole werde ich nicht feh
len.
Zwei Gegenstände haben Eure Aufmerksamkeit,
würdige Vater! auf sich
gezogen:
die nicht stan-
44 dcsmäßige Ehe S- K. Majestät und die Gefahren, die unser Vaterland von Seiten der Nachbarn zu bedrohen scheinen. Was das Erste betrifft; hatte S. K. Majestät, bevor Sie das Ehebündniß schlossen, die Rathsherren um ihre Meinung über dieß Vor haben gefragt, welcher Pole hatte Ihm nicht eine Gattin aus einem Königlichen Hause zu wählen angerachen! Da aber Seine Majestät der König den Weg, den Ihr das Herz vorschrieb, und nicht den, der Ihrer Würde angemessen und gewöhnlich ist, befolgte, da dieses Bündniß nach Gotte« und nicht nach Menschen-Rechten geschlossen wurde, und da der Allergnädigste Herr dabei mit einer unerschütter lichen Standhaftigkeit beharret; so muß man sich lie ber in diese Nothwendigkeit fügen, und nicht ver langen, daß unter einem freien Volke der König al lein die Freiheit nicht haben soll, nach seinem Her zen eine Ehegattin zu erwählen. Statt daß wir ihn länger betrüben sollten, wollen wir lieber Deum Optimum Maximum bitten, ut Regem Serenissimum pulchra prole faciat parentem." „Indem wir übergehen, waS nicht mehr abgeänr dert werden kann, wenden wir nun unsere Blicke auf die Gefahren, die abgewendet werden können und müssen. Dadurch wird Polens Ruhm in sei nen Grundvestcn nicht erschüttert, baß der König
,45 eine seiner Staatsbürgerinnen zur Gattin erwählt die Weltbeherrschcr, die Cäsaren der Römer, zogen das bürgerliche Blut den Königskronen vor.
Unse
rem Staate, sage ich, wird gewiß durch diese Ehe kein Schimpf angethan; aber dann zieht sich der
selbe Schimpf und Schande zu, wenn er zulaßt, daß
die verwegenen Wallachen uns wehrlos und unvor bereitet überfallen, daß barbarische Völker dieses Land
der Freiheit betreten und ihre Herden an den Ge
wässern der Weichsel tränken.
Gegen solche wesent
liche Gefahren müssen wir uns zeitig bewaffnen. Zch wünsche daher, daß man in den Landtagsinr
struktionen ante omnia anempfehlen möge, die zur
Vertheidigung des Staates nothwendigen Steuern anzuordnen,
die Grenzen gehörig zu besehen, mit
einem Worte, vorzubeugen, ne quid Respublica detrimenti capiat."
Der
Wojewode von
Sandomirien verzog ein
wenig das Gesicht, und der junge Tenczynski, durch obige Rede aufgemuntert, sagte: „Die heilbringende
Meinung des Herrn Starosten von Krasnostaw und
meines Freundes..." — „Herr Johann, unterbrach ihn sein ehrwürdiger Vater, Zhr seid noch zu jung,
Zhr seid lange nicht mit uns beisammen gewesen, sehet erst zu, ehe Zhr zu rathen versuchet."
Der musterhafte und dem Vater mit aller Ach-
46 tung begegnende Sohn, setzte sich wieder hin und schwieg. Der alte Wojewode sprach weiter also: „Zch wollte in der jetzigen Versammlung Zhre Meiitung exquirere; nil conclusum daraus ziehen, dieß wird noch von unsern Brüdern, den Edelleuten, ab hangen, sie werden sich in einigen Tagen zu dem Landtage versammeln. Unsere Sache wird es sein, ihnen unsere Meinung zu eriffnen, und die ihrige, sie anzunehmen oder zu verwerfen." Hierauf sah er sich nach den hinter ihm stehenden Kammerdie nern um, und diese rückten sogleich seinen Sessel vom Tische ab. Die Andern standen auch auf, und so wurde die Rathsversammlung beschlossen.
47
Drittes Kapitel. Ein jeder ging nun dahin, wo es ihm am be
sten schien.
Peter Kmita begab sich, nachdem er
den Bischof Gamrat unter den Arm gefaßt, nach dem Garten, daselbst begannen sie unter den schatti
gen Bäumen lustwandelnd folgendes Gespräch. Zch
kann Euch nicht genug gratulari, sagte Gamrat, zu
der Gewandtheit cum quali acumine et ingenio, Zhr Eure Meinung bei der heutigen Berathung
einhülltet; ich bin fest überzeugt, daß der alte Wojewode mit derselben zuftieden ist, und der Herr Tarnowski wird gewiß dem Kinige die Nachricht
überbringen, daß Zhr für ihn gesprochen habt. —
Nicht weniger plena magnae dexteritatis war auch Euer Hochwürden Rede, antwortete Kmita, wir wollen uns aber nicht schmeicheln, daß der alte Herr Tarnowski von uns dem Kinige rin gutes Zeugniß überbringen soll.
Er sagt,
daß er uns
kenne, und wahrscheinlich irret er sich nicht.
Wir
haben wahrlich den Weg intra Scyllam et Charyb-
dim; von einer Seite ist es nicht gut, den facultatem distributivam besitzenden Herrn zu beleidigen.
48 von der andern Seite zwingen mich wichtige Fami
lienangelegenheiten benevolentiam des Herrn Ten-
czynski für mich zu gewinnen. — Zch errathe es, un
terbrach ihn der Bischof, ich wette, daß Euch wohl die Verbindung Eurer Schwestertochtcr mit dem
jungen Herrn Tcnczynski vorschwebt, und daß die ses junge Paar schon in Eurem Kopfe tanzt.
Zch sehe, daß Eurem tief durchdringenden Blicke
nichts entgehen kann, antwortete Kmita, und Zhr werdet selbst gestehen, daß dieß ein gutes Projekt
ist.
Zch bitte Euch, mir dabei bchülflich zu fein.
— Zch ersuche Euch auch um
gütige Fürsprache
in arduo negotio, versetzte Gamrat; es ist Euch
bekannt,
daß die Primaswürde vacant geworden.
Die Königin
Bona hatt« noch beim Hochseligen
Könige ausgewirkt, daß diese erste Würde im Kö nigreiche keinem Andern als mir zu Theil werden sollte.
Der junge König will zwar das vom Va
ter gegebene Wort halten, aber er verlangt, daß ich
dagegen das
ungleich einträglichere Disthum von
Krakau niederlegen soll; ich möchte aber gern bei des haben. Hie labor, hie opus. Die früheren Ver
pflichtungen gegen die Königliche Mutter nöthigen mich, wider die ihr verhaßte Ehe mit Barbara zu sein; die Desorgniß aber, mir den Unwillen des Kö nigs zuzuzirhen, und dadurch die Primaswürde oder das
49 das Bisthum von Krakau zu verlieren, beunruhiget mich und macht mich verlegen. Horret animus, wenn ich über ein so schwieriges dilemma nachdenke.
Jedoch sehe ich computatis, computandis, daß das alte Weib (die Königin Bona) nicht viel zu sagen
hat, und demnach Lst's wohl sicherer, es mit dem Könige zu halten. Indem er diese Worte endigte, hätte er beinahe an der Ecke der Lindenallee mit seinem Bauche den von der entgegengesetzten Seite kommenden Spanier
Don Alonzo Guzman di Medina Czeli umgeworfen. Dieser ging nämlich nachdenkend vor sich hin, und zeichnete etwas mit der Bleifeder aufs Pcu
pier.
Der Spanier taumelte, gewann aber bald
wieder das Gleichgewicht, erholte sich und sagte: Schiavo di Vostri Eccelenzi EccclentissimL, indem er sich vor den beiden Senatoren tief verneigte. Der Bischof Gamrat ließ sich sogleich mit dem
Spanier in ein italiänisches Gespräch ein, indem er sich nach den spanischen, zur Zeit seines Aufenu Haltes in Rom ihm bekannt gewördcnen, Kardinälen erkundigte.
Dieses Gespräch hätte lange ger
dauert, wäre nicht Trompetenschall, der das bereu tete Mittagsmahl verkündete, gehört worden. Zru
dem sie dem Schlosse zueilten, erblickten sie die
Hofsoldaten, welche ungeheure silberne Schüsseln auf I. 4
so den Tisch trugen.
Die geräumigen Zimmer war
ren mit Gasten und Hausfreunden schlechts angefüllt.
beiderlei Ge
Der Wvjewode von Sandomi-
rien wurde auf einem Sessel mit Radern hereinge-
bracht, bald erschien auch die Wojewodin mit ihren Don Alonzo warf einen schüchternen
Töchtern.
Blick auf das Fräulein Tenczynfka, aber sogleich
ließ er ihn wieder sinken.
Das Gemurmel der
conversirenden Gaste hatte sich schon eine Weile durch
den
Truchseß
Saal verbreitet,
als
Herr
Kolyska,
von Owruck und zugleich Hofmarschall
des Wojewoden von Sandomirien, meldete, daß die
Tafel servirt wäre.
Range.
Nun ging Zeder nach dem
Als die Versammlung sich schon im Saale
befand, brachten die Kammerdiener goldene Gefäße
und reichten sie den vornehmsten Gästen zum Hän dewaschen hin.
Die Handtücher hatten mit Gold,
Silber und Seide gestickte Borden.
Die Wojewo
din nahm ihren Platz zwischen dem Bischöfe von Krakau
und
dem
Oberfeldherrn
Tarnowski
ein,
und der Wvjewode zwischen der Gemahlin Kmitas
und der Frau Firleiowa.
Der Spanier gab sich
alle Mühe, wieder zur Seite des Fräulein Tenczynska zu kommen.
Sobald alle ihre Sitze einge
nommen, erschollen sogleich von einer hohen Galle-
rie Trompeten und Pauken.
Zugleich
sah man
51 Herrn Allegro die Hand ausheben, um dem Or chester ein Zeichen zu geben. Schmetternd ertönte eine geräuschvolle Symphonie, nach ihr fing ein Singcchor ausgewahlte Stücke vorzuttagen an. Man hob von den Schüsseln große, rund erhabene silberne Deckel ab: sehr mannichfaltige Arten von Gerichten fingen an zu dampfen, und den Geruch von ver schiedenen Gewürzen, hauptsächlich von Saffran, im Saale zu verbreiten. Der Marschall, die Transchircr zerlegten und cheilten aus. Wir wollen uns bei der Beschreibung verschiedener Suppen, un zähliger Pasteten und anderer Gerichte, Fasanen, Pfauen, großer Hirsch- und Elend-Braten, der Marzipan-Stücke, und ungeheuer großer Pyramiden von Zucker u. dergl., nicht aufhalten. Man unter ließ auch nicht, dem Großfeldherrn einen Füllenbratcn vorzusetzen. Der Spanier kostete denselben und fand ihn ganz vortrefflich. Gegen die Mitte der Mahlzeit schenkte der Wojewode von Sandomiricn in einen goldenen, mit Rubinen besetzten, Pokal Malvasier ein, und trans die Gesundheit Sacrae Regiae Majestatis, ferner prosperitas Reipublicae. Alle stimmten diesem Toast unter dem Donner der Kanonen bei. Später wurden noch mehrere Ge sundheiten der anwesenden vornehmeren Gäste, der ganzen Familie des Hauses, und Anderer ausgc4 *
52 bracht.
Der Spanier wunderte sich sehr, daß so
viel Getränk in den Menschen Raum finden konnte; noch mehr hatte er vielleicht darüber erstaunen müs-
sen, wenn er weniger von den Gesprächen und Reizen seiner schönen Nachbarin ergriffen wordm wäre,
die, nicht ahnend, welche Gefühle sie in dem glühenden
Herzen des Jünglings aus Süden entflammt hatte, an
seiner feurigen Unterhaltung Wohlgefallen sand. Ein nicht weniger interessantes Paar saß gegenüber. Der Wojewode Kmita, ganz mit dem Projekte
beschäftigt, Fraulein Stadnicka, seine Schwestertochter, mit dem jungen Herrn Tenczynski zu vermählen,
wies ihr den Platz neben ihm an.
Sie war eine
Dame von mittlerer Größe und schönem Wuchs; ihr Gesicht weiß und rund, den kleinen Mund füllten
schöne Alabastcrzähne; die Lebhaftigkeit ihrer großen dunkelblauen Augen wurde von schwarzen Augen brauen ein wenig verhüllt, dabei war sie fröhlich
und
witzig, und
eincte Anmuth mit Scharfsinn.
Nach einer ziemlich langen Unterhaltung über gleich
gültige Gegenstände, sagte Fräulein Stadnicka 511
ihrem Nachbar: Dieses so zahlreiche und geräusch volle Gastmahl, dieser Ueberfluß an unseren schwe
ren sarmatischen Gerichten, muß dem, der an spa
nische Delicatesse und Galanterie gewöhnt ist, sehr wundersam vorkommen.
53 Da ich von einem viel näheren Gegenstände an; gezogen werde, achte ich weniger auf die entfernte
ren. —
Solche Höflichkeit konnte ich von einem
Zöglinge
der
südlichen
Galanterie
erwarten.
—
Nicht der erhaltene Unterricht, sondern der Anblick der Person,
brachte
diese meine Antwort hervor,
und es ist nicht meine Schuld, wenn die Wahrheit
für Höflichkeit gehalten wird. Es kommt immer besser, immer besser.
Ich sehe,
daß es vergeblich wäre, in feiner und schmeichelhaf ter Unterhaltung mit Euch zu wetteifern; wir wol
len daher annehmen, Zhr hättet nun alles gesagt,
was ein junger Kavalier einer neben ihm sitzenden jungen Dame zu sagen für seine Schuldigkeit halt, und ich habe auf diese Artigkeiten mit dem Unglau
ben und mit der Bescheidenheit geantwortet, die ein junges Frauenzimmer in ähnlichen Fällen für uner
läßlich hält.
Wenn wir beide dieß annehmen, wo
durch viel leere Worte erspart werden, so wollen wir uns, obgleich wir noch jung sind, wie gesetzte Leute unterhalten,
und unsere Aufmerksamkeit auf
das richten, was einem Neuangekommenen, der bei
Staatsangelegenheiten einigen von Nutzen sein kann.
Einfluß
der Bischof seine Höflichkeiten
zwischen
haben
soll,
Bemerket Zhr wohl, wie und
seine
Reden
dem Wirth und dem Oberfeldherrn Tar-
54 nowski theilt
sehet Zhr wohl, wie er mit Einem
Pokale für Beide Gesundheiten ausbringk, und wie
er die Worte zählt, um nicht zu dem Einen mehr zu reden, als zu dem Andern? Das ist ein Kenn-
Zeichen des Hofmannes, sagte Tenczynski. — Ich bitte um Verzeihung, es ist ein Zeichen der feinen Politik, ein Beweis, daß der Bischof es mit beiden Theilen hält.
Er will sich sowohl die Gunst des
Wirthes erhalten, der wider die Heirath des Kö>
nigs ist, als auch die Freundschaft des Oberfeld-
Herrn, der der Meinung ist, daß man dem Könige nicht zu nahe ttetcn, vielmehr
die Gedanken auf
das öffentliche Wohl richten soll.
Es wundert mich
sehr, erwiederte Tenczynski, daß die Männer, die
ganz entgegengesetzter Meinung sind, nicht einander meiden, sondern im Gcgenthsil gern zusammenkomr
Dieß
men.
ist
unserer Regierung
und unserm
Charakter eigenthümlich, antwortete die schöne Nach barin; selten erreicht öffentlicher Hader die höchste Stufe, ein jeder läßt sich ein Pförtchen zur Aus
söhnung
offen.
Wie
viele öffentliche Entzweiun
gen sind nicht ausgcsihnt worden durch geschloffene Ehen; durch erhaltene Gnaden bei Hofe, vermittelst derer, die dort Zuttitt haben; durch Unterstützung
gegen
einen Mächtigeren
beim Glase Wein, und
selbst durch den zur Mode gewordenen Glauben, daß
55
dir Gestirne Einfluß auf die geringen irdischen An gelegenheiten haben!... ES scheint mir, unterbrach Tenezynski, daß in diesem so leichten Wechsel der Meinungen ein für unsere Nation keineSwrges löb licher Leichtsinn liegt. DaS kann zum Theil wahr fein, versetzte Fräulein Stadnicka, es ist aber mehr die Folge unserer Regierung, denn wenn man et was durchsehen will, so muß man Viele für sich ha ben, es ist also kein Wunder, daß Einer mit dem Andern schonend umgeht, und sich nicht von einem unversihnbaren Zorne hinreißm läßt; daher sieht man zwar bei uns oftmals Wolken und Donner, aber selten Blitze und Stürme. Bewachtet die hier Versammelten, die sich das Essen und Trinken wohl schmecken lassen; bringe man sie nur zu einer öffent lichen Berathung zusammen, so wird man sehen, wie sie schreien und über einander hersallcn; warte man aber das Ungewitter ab, und wende Vertrau lichkeit und Freundschaft an, so wird man leicht die tobenden Fluchen besänftigen. Eine so gründliche KennMiß der Verhältnisse und Menschen in einer noch so jugendlichen Person setzt mich in Erstaunen, sprach Tenczynsti; es ist zu sehen, daß Zhr im Hanse eines Senators von sehr großem Ansehen, in Angelegenheiten des Königrei ches, erzogen worden seid. Euer Erstaunen wun-
56 dert mich nicht, versetzte Stadnicka, ich weiß, daß Euer Geschlecht dem unsrigen wenig Aufmerksamkeit zutraut, und daß Ihr glaubt, wir seien geschaffen,
um anzusehen, zu seufzen oder zu
lächeln.
So
würde es vielleicht wirklich sein, wenn ich in einem
andern Lande geboren wäre; aber so wie die Sonne
eben sowohl himmelanstrebende Eichen, als das nie drige Veilchen beleuchtet, so thut es auch die Erzie
hung: die Regierungsform, die öffentliche Wohlfahrt
und Freiheit, müssen auch auf das weibliche Ge müth Einfluß haben.
Schon in meinen frühesten
Jahren, beim Spiel, bei Tische, beim Stickrahmen, habe ich in meinem Kopfe alle Gespräche der El
tern, wenn sie auch nicht im geringsten vermuthe ten, daß ich darauf hörte, wohl geordnet.
Was
Ihr jetzt bemerket, ist nichts Seltenes: ein Geist, der gern nachdcnkt, kann jedes Wort für sich be nutzen.
Za wahrlich, Ihr habt auch alles
schön benutzt, sagte Tenczynski.
sehr
Welch ein Unter
schied ist es, sich mit einer Polin zu unterhalten
und mit einer Dame aus dem Süden!... Wieder Komplimente, fiel Stadnicka ein; brechet unsern vor
hin geschlossenen Vergleich nicht, wir haben uns zu weit in ernsthafte Betrachtungen eingelassen.
Das
Gespräch des gegenüber sitzenden Fräuleins Tenczynska. Eurer Schwester, mit dem Spanier muß viel
57 unterhaltender sein.
Mein Gefährte, sagte Tenczyn-
ski, hat sich in seiner lebhaften Einbildungskraft aus
Kastilien in unsere kalte Eiszone versetzt.' Er kennt unsere Sitten nicht, er glaubt, daß die spanische
Galanterie auch
bei uns Sitte ist, ich muß ihn
bald aus seinem Irrthum ziehen, denn es ist nichts
trauriger, als wenn man von einem Frauenzimmer,
das einem Andern schon bestimmt ist, eingenom men wird.
Hierauf erfolgte unter Pause.
den Sprechenden eine
Fräulein Stadnicka war die ^rste, welche
die Pause unterbrach.
Ich sehe gern Hnch so nach
denken, sagte sie. — Wahrscheinlich befinde ich mich in derselben Lage, in welcher mein Spanier sich
auch befindet. — Die
schöne Nachbarin schwieg.
Euer Schweigen, sagte Tenczynski, deutet an, daß ich mich in meiner Muthmaßung
nicht irre. —
Obgleich unsere Bekanntschaft noch zu neu ist, als daß ich Euch. zu meinem Vertrauten machen sollte, so nöthigen mich der Charakter des Nitterstandes,
den Ihr so ruhmvoll einnehmet, Eure Denkart,
und endlich auch meine Offenherzigkeit, daß ich mich Euch, ohne Bedenken, anvertraue.
Errathet Ihr
wohl, sprach sie weiter, warum man mich neben
Euch gesetzt hat? — Zch kann gegen den Herrn
Wojewoden vott Krakau nur Dankbarkeit empfin-
58 den, baß er mich mit solcher Auszeichnung beehrte,
mir eine so angenehme und steundschastliche Gesell schaft zu verschaffen.
Mein Onkel, sprach Stad-
nicka, einer der vermögendsten Herren im König
reiche, hat mich und meine Schwester, in Erman gelung der Nachkommen aus beiden Ehen, als Er
ben eingesetzt, und wie es bei den Magnaten zu geschehen pflegt, will er uns mit Mannern, die dem
Range nach höher, dem Vermögen nach uns wenig stens gleich stehen, verbunden sehen; aber weil er bei
seinem Projekt mein Herz nicht um Rath fragte.... Dieses Hech, fügte Tenezynfli hinzu, gehört schon einem Andern? Zhr habt mir das Gestandniß er
spart, antwortete Fräulein Stadnicka, welches einem Frauenzimmer immer Erröthen kostet.
Zch hoffe,
daß mein Geheimniß bei Euch recht gut aufbewahrt
sein wird, nur dieß muß ich noch hinzufügen, daß
mein Onkel davon gar nichts weiß, und
obgleich
sich der Gegenstand meiner Liebe Vielen weder an
Vermögen, noch an Ansehen gleich stellen kann, so steht er doch in Tugenden und in Tapferkeit keinem nach.
Zhr werdet Euch an dem mir geschenkten
Vertrauen nicht irren, sagte Tenczynski, und ich be neide den, der einer so vorzüglichen Dame zu gefal
len wußte; ich
werde jedoch glücklich sein, wenn
Eure Wünsche gekrönt werden.
59 Nichts schmeichelt einem guten Herzen mehr,
nichts berührt es lebhafter, als der unläugbare Be weis der Achtung, nämlich das Zutrauen.
Ten-
czynski genoß ihn, und das Wohlgefallen, welches er an dem Geiste und an der Offenherzigkeit sei
ner schönen Nachbarin empfand, verwandelte sich in eine achtungsvolle Zuneigung.
Ihre Unterhaltung
dauerte lange, wenn man ihre beiderseitige Anmuth in Anschlag bringt, die man unter Personen eines
Geschlechts vergeblich suchen würde.
Gegen das Ende der Mahlzeit winkte der Wojewode von Sandomirien seinem Sohne zu, ihm zu
folgen, und sogleich gab er den Befehl, ihn vom Tische wegzurücken und nach dem gegenüber liegen den größeren Saale hinzubringen, wo einige Hun dert mehr oder weniger bemittelte Edelleute an den
nach der Form eines Hufeisens gestellten Tischen speisten.
Wojewode
Zn der Mitte dieses Tisches blieb der
stehen, ließ sich ein Glas Ungarwein
reichen, und sagte, indem er dieses in die Höhe hob: Auf die Gesundheit meiner Herren und Brü
der ; vivat ad aeternum das polnische Adelblut, dem nil sub sole gleichet!
Sogleich erschollen Trompe
ten und Pauken, und dreimal wurden Kanonen ge
löst.
Mit seinen beiden breiten Narben auf dem
Kopfe erhob sich jetzt der schon bejahrte Herr Za-
60
wisza, ein angesehener Husaren-Offizier. Stimmet mir bei, meine Herren, sagte er; und indem er ei nen großen mit Wein gefüllten Pokal, der die Form eines Barenkopfes hatte, in die Höhe hielt, rief er aus: Vivat praesidium et dulce decus nostrum, Seine Excellenz der Herr Wojewode von SandoMirien, heroum progenies ac ipse heros! Hier wurden auf einmal einige Hundert Becher in die Höhe gehoben und unter Zubelgeschrei geleert. Zu dem der Wojewode seinen herzlichsten Dank aus drückte, nahm er seinen Sohn an die Hand, stellte ihn Allen vor und sagte: Zch bitte Euch alle, meine Herren, diesen meinen Sohn eben mit derselben Liebe und Zuneigung beehren zu wollen, womit ich immer von Euch beehrt worden bin; er wird sich gewiß immer bemühen Eure Herzen und Gewogen heit zu gewinnen. Trinke auch Du, Johann, die Gesundheit Deiner Brüder, sagte Tenczynski zu sei nem Sohne. Der junge Tenczynski trank, und Zawisza schenkte wieder einen großen Pokal voll, und rief aus: Fortes creantur fortibus et bonis; vivat der Herr Wojewodziz! *) und wieder wur den unter Freudengeschrei die Becher geleert. Iterum atque iterum gralias ago, sprach der Woje-
61 wode, daß Ihr meinem Blute gewogen seid; hiebei
bitte ich Euch zugleich, meine Herren, um fernere brüderliche Gewogenheit aus dem kommenden Land
tage, wo ich Euch res magni ponderis circa bo-
num publicum palam faciam.
Viritim werden wir
alle erscheinen, rief die schon berauschte Menge aus,
und was unser Wojewode befehlen wird, dem wol
len wir alle beipflichten!
Noch einmal machte der
Wojewode seine Verbeugung und
ließ sich wieder
Als er hinaus gegan
an seinen Tisch hinbringen.
gen war, setzte man am grauen Ende *) unter an
dern
auch
einen mit Zwiebeln
reichlich
gespickten
Braten hin; sogleich fielen einige Adelsbrüder über
denselben her, als sie aber kaum einige Bissen hin
untergeschluckt hatten, hörte man plötzlich Jagdhör nergetön,
Peitschen-Knallen
Gelächter erfolgte.
und
ein allgemeines
Nur denen, die diesen Brauch
nicht kennen, dürfte man's wohl erklären, was dieß zu bedeuten hatte; diejenigen aber, die der fröhlichen
Scherze unserer Vorfahren eingedenk sind, werden sogleich errathen, daß jenes Blasen anzeigen sollte,
daß der vorgesetzte Braten ein Wolssbraten ein gewöhnlicher
Scherz
unserer früheren
war:
Spaß
macher. *) Deshalb so genannt, weil an diesem Ende der kleine Adel saß, der in graue Röcke gekleidet war.
62 Das Mahl nm herrschaftlichen Tische war be endigt; man kehrte nach dem Seitensaale zurück. Zu der Zeit kannte man weder Kaffee noch Liqueure; aber unter einigen aufgeregten Geistern kreisten die Decher noch herum. Die Zünglinge hingegen be gaben sich nach dem Schloßplätze. Tenczynski raunte dem Spanier einige Worte zu, und dieser entfernte sich mit ihm zugleich. Auf einmal wurde seine Schwester gewahr, daß ihr an einem Aermel eine himmelblaue Kokarde fehle; sie ging sich eine andere zu holen, und dabei erblickte sie die versammelten Jünglinge mit Dogen, ferner aufgesteckte Ringe und Scheiben. Von diesem Anblicke überrascht, rief sie ihre Gefährtinnen zusammen, und alle ver sammelten sich auf einer Gallerte. Das Bogenschie ßen begann. Die Jünglinge, welche sich in dieser Kunst übten, hatten auf dem Daumen große silberne Ringe, damit die zu spannende Sehne nicht die Haut verletzte. Einige Dogen waren so groß, daß man Hinknieen mußte, um sie zu spannen. Die stärksten Pfeile durchbohrten die Scheibe, mit den kleineren Bogen wurde nach den Ringen geschossen; die Pfeile derselben flogen pfeifend durch diese hin, oft blieben sie mit den aufgekraustrn Federn in den engen Rin gen stecken. Einige Zünglinge trafen so gut, daß sie die schnell fliegenden Schwalben aus der Luft her-
63
unterholten. Hierauf folgte das Pistolenschießen, wobei eben solche Geschicklichkeit bewiesen wurde, wie vorher. Eben verließen die munteren Zünglinge, nach beendeten Uebungen, den Platz, als die Schranken geöffnet wurden. Man Hirte Trompeten erschallen, und in diesem Augenblicke erschienen vier Ritter in Turnierrüstung, mit Lanzen in der Hand. Es war der junge Tenczynski, unser Spanier, Podlodowski und Gorka. Behend und mit Anmuth ritten sie in den Schranken herum, und als sie an der Gallerie vorbeikamen, senkte Zeder von ihnen seine Lanze zur Ehr« der Damen. Nicht gering war das Erstaunen des Fräuleins Tenczynska, als sie beim Spar nier an der Spitze des Helmes ihre blaue Kokarde erblickte. Der narrische Spanier! jagte sie leis« ihrer Schwester in's Ohr, was muß der im Kopfe haben! Sage ihm doch, daß er diese Kindereien unr terlassen möge. Unterdessen stürzten die Ritter im raschen Lauf auf einander los, und brachen mit sel tener Geschicklichkeit die Lanzen an ihren Schildern. Nachdem sie sich Mann gegen Mann vertheiltrn, stießen Tenczynski und Gorka mit gleicher Geschick lichkeit zusammen, ohne jedoch einer dem andern Vortheil abzugewinnm. Der Spanier hob den Schild mit beiden Händen auf, und nachdem er
64
seine Blicke zu der Gallerie gewendet, spornte er sein Roß, stürzte auf Podlodowski los, und stieß so heftig gegen ihn, daß der beim Schmause Berauschte vom Pferde herabglitt und auf die Erde fiel. Don Alonzo, stolz auf seinen Sieg, setzte ihm schon den Fuß auf die Brust und wollte ihm die Rüstung ab reißen. Da springt Podlodowski auf und zieht sein Schwert. Gorka kam herbeigesprengt, und rief: Das Schwert zu ziehen, wäre wider unsere Verab redung; es wurde nur ein leichtes Ringrennen und Lanzenbrechen verabredet. Euer Schwanken, Herr Podlodowski, ist nur zufällig, und macht Euch keine Schande; erlaubt mir mit Eurem Gegner zusammenzutreffcn! Volonticri, versetzte Don Alonzo di Medina Czcli, und somit standen sie schon an den beiden Enden der Schranken. Auf ein gegebenes Zeichen, ließ der hagere und behende Spanier sei nem Rosse die Zügel schießen, stieß an das unge heure Schild Gorka's, und die Lanze zersplitterte mit Krachen in hundert Stücke; indem er aber sei nem Gegner ausweicht, wirst Gorka seine Lanze weg, faßt den Spanier oben an die Rüstung, hebt ihn mit seinem kräftigen Arme aus dem Sattel, und setzt ihn langsam auf die Erde hin. Dieser Beweis seiner Stärke und Geschicklichkeit erwarb ihm allgemeines Beifallklatschen. Der junge Tcm czynski
65 czynski eilt herbei, bezeigt Gorka'n und dem Spa nier durch Händedruck seine Freude, und wünscht Beiden Glück zu einem so schönen Kampf; und als der Spanier das Rennen noch einmal zu eröffnen
begehrte, gab der Wojewode ein Zeichen, daß das
Lanzenbrechen nun beendet sei.
Hierauf rief er den
Spanier und Gorka'n zu sich und überreichte je
dem einen goldenen Becher als Belohnung.
Zetzt
sich auch die Sonne hinter die dunklen
verbarg
Walder, hinter die Berge von Czerni, und vergol dete mit ihren schräg blitzenden Strahlen die Zin
nen des Tempels und des Klosters der dortigen Einsiedler; die Abendröthe verbreitete ehren Purpur
glanz und verblich langsam in
ein sanftes Blau.
Der Himmel war mit Millionen flimmernder Sterne
besäet.
Die Burg Tenczyn stand in voller Beleuch
tung da.
Hier und da sah man durch die mit Flor
verhangenen Fenster manche Schöne ihre Toilette endigen, den Kopf und Busen mit duftenden Blu
men
schmücken.
Bald nahm auch die Zahl der
in dem Saale sich versammelnden Gäste zu; schon hörte man das Stimmen der Instrumente.
Die
Kleidcrpracht der Kavaliere und Damen erweckte Staunen und Entzücken. Don Alonzo trug ein weiß
seidenes spanisches Gewand, einen sammetenen mit Silber gestickten Mantel, eine breite aus Braban-
I.
5
66 ter Kanten verfertigte Krause umzog seinen Hals, auf dem schwarzen umgekrämpten Hute wehten Strauß federn, die von einer diamantenen Schleife zusammen gehalten wurden. Sein schlanker Wuchs, das brü nette Gesicht, große, schwarze, durch lange Wimpern etwas verdunkelte Augen und seine sehr schönen wei ßen Zahne, verschafften ihm ein angenehmes und anmuthiges Wesen. Viele Augen waren auf ihn gerichtet, nur die nicht, die er hauptsächlich auf sich zu richten wünschte. Diese Gleichgültigkeit verbrei tete auf seinem Gesichte eine wehmüthige Düsterheit, die gefährlicher zu sein schien, als eine zerstreute Fröhlichkeit. Die Musik fing rauschend an. Zuerst stellten sich die ehrwürdigen Senatoren und Matronen, diesen folgten die jungm Leute; der Tanz be gann, und jedes vorübergehende Paar hielt beim al ten, aus dem Stuhle neben seiner Gemahlin sitzen den Wojewoden an, und machte ihm eine Verbeu gung. Dieser Tanz dauerte ziemlich lange; weil der Spanier ihn nicht kannte, gettaute er sich nicht sich in denselben einzulassen, und sah Tomicki, der mit dem Fräulein Sophie tanzte, mit neidischem Auge an. Als sich zum zweiten Mal ein Kreis bildete, wagte der Spanier sich Sophien zu nähern und sie zum Tanze aufzufordern, aber sie war schon mit Maciejowski, dem Brudrrsfohn« de» Bischofs, verr
67 sprechen.
Nicht mit sonderlicher Lust, forderte er
das neben ihr stehende Fraulein Stadnicka auf, die
Schwestertochter des Wojewoden Kmita.
Ob sie
gleich, ihrer Anmuth, ihrer Lebhaftigkeit, ihrer Hei
terkeit und ihres Witzes wegen, zu den dort ver
sammelten ersten Schönheiten gezahlt werden konnte, so war jedoch das schon eingenommene Herz des
Spaniers weniger aufmerksam auf so viele Vorzüge und Reize.
Er war zwar artig, bemühete sich aber
nicht zu gefallen.
Unser Tanz muß einem Südlän
der gar zu langsam vorkommen, sagte das Fraulein Stadnicka. Er ist gravitätisch, antwortete der Spa nier.
Sind denn hier keine anderen Tänze üblich?
O ja, sagte Fräulein Stadnicka, Zhr wisset doch,
daß die Mutter unserer verwittweten Königin eine Spanierin war, ihre Tochter, die Königin Bona, führte bei uns den Tanz famlango i Volero ein;
viele unserer Damen tanzen denselben.
Und die
Verlobten? fragte Don Atonzo. ... Diese tanzen
nur Polonaise.
Der Spanier schwieg. — Nach
einer Pause sagte sie zu ihm: Vielleicht würdet Zhr
gern Euren Nationaltanz
aufführen wollen, und
wenn es beliebt, so würde ich dienen.
Die Artig
keit, oder auch die Lust sich hierin zu produciren,
erlaubten ihm. nicht dieses Anerbieten abzuschlagen.
Nach der Beendigung der Polonaise ging Frau5 *
68 (ein Stadnicka zu ihrer Tante, der Wojewodin Knw towa, hin, und bat sie um Erlaubniß, mit dem Spar nier Volero zu tanzen. Recht gern, antwortete die ehrwürdige Matrone, und küßte ihr die Stirn, nur nimm Dich in Acht, daß Du Dich nicht zu sehr erhitzest. Zch werde nicht, liebes Tantchen, und mit zwei Pas, die sie mit ihren niedlichen Füßen machte, war sie am andern Ende des Saales. Der Spa/ niet eilte auch, um seine Stellung einzunehmen. Herr Kapellmeister Allegro fing nun mit Degleir tung der Bratsche und des Fagotts den Volero zu spielen an. Das muntere Paar tanzte mit Leichtigr feit und einer Grazie, durch welche es Aller Augen auf sich zog. Nur der alte Offizier Zawisza strich seinen grauen Schnurrbart, und sagte: Was doch die Deutschen nicht alles ersinnen! Der Ball dauerte bis um Mitternacht, und würde vielleicht noch langer gewahrt haben, wäre nicht Stanczyk, als er sah, daß der greisige Wirth ermüdet war, und daß der Schlaf auch die Wojer wodin an seine Rechte mahnte, in die Mitte des Saales getreten, und hatte, seine Mütze abnehmend, gesagt: Gute Nacht, alle meine Herren und Damen. Tanzet noch länger, wenn Zhr wollt, ich aber will, auf meine Schönheit wohlbedacht, morgen keine blauen Ränder unter den Augen haben, nicht blaß ausser
69 hen, nicht gähnen, noch wie ein ausgewässerter Hä Zch empfehle mich Euch.
ring aussehen.
Verstand hat, thut so wie ich thue.
Wer
Stanczyk hat
Recht, sagte der Wojewode lächelnd, ich folge sei
nem
Rathe.
Hierauf ließ
Schlafzimmer hinbringen.
er
sich nach
seinem
Diesem Beispiele folgte
die Wojewodin, ein Gleiches thaten auch die Uebrigen. Die Lichter verschwanden allmählig im Schlosse, die Musik tönte aber noch immer in den Ohren der
jungen Leute, denn sobald ließ sich das schnell flie ßende Blut in ihren Adern nicht durch einen süßen
Endlich versank alles in tiefe
Schlaf beruhigen. Ruhe.
Nack so lautem Gewühl erfolgte ein stum
mes Schweigen:
nur die Schloßglocke unterbrach
es, als sie die zweite Stunde nach Mitternacht
verkündete.
Keiner
von den Gästen hörte diese
Stunde, außer Don Atonzo Guzman di Medina
Czeli.
Herz
Zu tief war das Bild Sophiens in sein gedrungen,
in
seiner
entflammten
Phan
tasie hatte er sie immer vor sich gehabt, fruchtlos hatte der Schlaf ihn mit seinen Flügeln sanft um
fächelt.
Lange ging er, bald mit schnellen, bald mit
langsamen Schritten, in seinem Gemache umher, als er endlich seine Unruhe nicht mindern konnte, nahm er die Guitarre, ging hinaus und stellte sich unter
70 das Fenster der von ihm angebeteten Schönheit. Süße Ruhe herrschte in der ganzen Natur; wohin er seine Blicke wendete, war alles in nächtlichen Schlummer versunken. Zeder genoß der Ruhe und vergaß des Tages-Kummers und Sorgen; der Reiche und der Arme, der Einsiedler in Czerni auf seiner harten Haardecke, und die lilienweiße Jungfrau auf ihrem Pflaum. Zerstreute Sterne funkelten am Him mel; die Berge von Czerni warfen ihre Schatten in einer langen Reihe, und verdoppelten den Glanz des Mondes, der sich in den klaren Gewässern spiegelte; mit erquickendem Duft füllten Pomeranzenbaume und Zasminensträuche die Luft. Lange labte sich der Züngling an diesem feierlichen Schauspiele, end lich griff er in die Saiten und sang folgende Worte: Wo unter Heldenschwert der Maure fiel, Sah meine erste Jugend ich verfließen; Jetzt, unbewußt, zu welchem schönen Ziel Ließ mich mein Stern Sarmatiens Flur begrüßen!
An Tago's Ufern, an des Ebro Rand Sah ich der Schönheit holde Töchter blühen; Doch, mit der Liebe völlig unbekannt, Vermocht' ihr Reiz mein Herz nicht zu durchglühen.
Hier, hat die Liebe mir ein Ziel gestellt, OeS Herzens hehre Stunde hat geschlagen: Dich sah ich, und die ganze weite Welt Kann ohne dich mir keine Freude tragen.
71 Der Flamme, die dein Bild hat angefacht,
Mißtraue nicht; o glaub' den ersten Trieben?
Vertraue deiner Reize Zaubermacht, Wer kann dich sehn, und dich nicht ewig lieben!
Wer kann dir nahe sein als freier Mann? Dir in das Auge schauen unbezwungen? O dreimal selig wer dein Herz gewonnen,
Oer hat des LebenS bestes Ziel errungen. Jetzt bannet Luna jeden rohen Laut,
Ihr milder Schein nur und mein Herz sind Zeugen,
Drum sprich zu dem, der deiner Milde traut! Laß deinen Blick zu ihm herab sich neigen!
Hier schwieg der verliebte Spanier, in der Hoff: nung, daß sich die Dame seiner Gedanken ihm zei: gen würde. Es schien ihm auch, als sahe er die schwarzen Locken an den Fensterjalousien; aber lei: der war es nur der mit dem Mondschein spielende Schatten von den Lindenblattern. — Wiederum hielt er sein Ohr hin, vermeinend ihre Stimme zu hören. Nur ein leichter Wind, der mit den rau: schenden Blattern spielte, trug ihm über die Po: meranzcnbaume hinüberstreisend einen lieblichen Blü: thenhauch zu. Nach einer Pause setzte er seinen Gesang in folgenden Worten fort: O hartes Herz, das meiner Sehnsucht lacht!
Nie kann der Gram in meiner Brust verhallen.
72 Das Leben hast du werthlos mir gemacht.
Mag auf den Todten deine Thräne fallen.
Gebunden schleppt der mörderische Tartar Matron' und Jungfrau hin nach fernem Lande;
Es treff' mein Arm den blutenden Barbar, Und zeig' mich werth für deiner Freundschaftbande.
Auch nach diesen Strophen ließ sich keine Stimme vernehmen. Der Spanier wiederholte noch einmal: Jetzt bannet Luna jeden rohen Laut, :c. :c.
Da der bekümmerte Liebhaber keine Antwort ver nahm, blieb er in Gedanken vertieft auf derselben Stelle stehen, bis die Morgenröthe den Himmel überzog: dann erst entfernte er sich voll Kummer und Trauer. Als der junge Tenczynski am andern Morgen eben aufstand und sich ankleidete, kam ein Kammerdiener von der Wojewodin, seiner Mutter, und bat ihn, so bald als möglich zu der gnädigen Frau zu kommen. Der gehorsame Sohn eilte so gleich zu seiner Mutter hin, und als er in ihr Ge mach hinein trat, sagte sie zu ihm: Mein lieber Johann, was muß denn im Kopfe Deines Spa niers spuken! Die ganze Nacht sang er, Gort weiß was für Lieder, unter Sophiens Fenstern, und spielte auf einer Laute dazu. Sage ihm doch, daß er diese Narrheiten unterlassen, und uns im Schlafe nicht stören möge. Es ist sein Glück, daß Sophiens
73
Verlobter den Tartaren nachsehc, denn wäre er hier zugegen, so würde er diesen Ausländer schon lehren, was das heiße, unter den Fenstern eines verlobten Frauenzimmers zu singen. Liebe Mutter, erwiederte ihr der Züngling, mag Euch das nicht beleidigen. Zn Spanien ist es so Sitte, daß die jungen Leute sich dem Dienste einer erwählten Dame gänzlich widmen, ohne irgend einen tadelhaften Zweck dabei zu haben. — Zch danke dem Herrn! Meine Tochter hat genug an ihrer eigenen Bedienung; sie braucht keine fremde, und am wenigsten solche, welche sie in der Nacht nicht schlafen laßt. Als Tenczynski merkte, daß die Mutter die unüberlegten Liebeleien des Spaniers für Ernst aufnähme, so versprach er ihr, seinen Gefährten zu warnen, von seinen LiebesExkursionen abzustehen, sich von Sophien entfernt zu halten und ihr mit gebührender Achtung zu be gegnen. Die der Wojewodin zu Ehren versammelte Ge sellschaft nahm in den folgenden Tagen zusehends ab. Viele von den Herren und Edelleuten aus dem Kreise begaben sich nach ihrem Wohnorte, oder auf den Landtag. Der grauhaarige Wojewode selbst be rieth sich mit seinen vertrauten Freunden, wer aus jedem Kreise als Deputirrer gcwählr werden solle. Die Seeretaire unb Hofleute schrieben Circulaire
74 und Verordnungen an die vornehmsten Beamten des Kreises aus. Der Haushofmeister des Wojewoben, Herr Kolyska, war mehr als alle übrigen beschäftigt; er expedirte nämlich große Wagen mit Mundvorräthrn, Getränken, Tafelgeräthen, Tischen, Stühlen und andern Geräthschastcn. Zwölf Kameele trugen Zelte und andere Lasten; dieses alles wurde unter der Bedeckung einer Escadron Reite rei und eines Regiments von Heiducken, die dem Wojewoden gehörten, vorausgeschickt. Diese Zurüstungen, diese Unruhen im Schlosse, unterbrachen das tiefe Nachdenken Don Alonzo's di Medina Czeli auf einige Augenblicke. Mit der größten Sanftmuth setzte ihm Tenczynfti der Jün gere das Unschickliche seiner Liebeleien mit Sophien aus einander, stellte ihm vor, daß solche in Polen gar nicht üblich wären, und daß seine Schwester ihren Verlobten unaussprechlich liebe; daß endlich das nächtliche Singen unter den Fen stern, und die übergroße Aufmerksamkeit, von seiner ehrwürdigen Mutter nicht gern gesehen würden, und im Hause nur Unannehmlichkeiten verursachen könnten. Genug! rief der Spanier aus, indem er plötzlich wie aus einem tiefen Schlummer auffuhr; nie wird Don Alonzo Guzman di Medina Czeli in ein bcfteundetcs Haus, in ein Haus, wo er
75 wahre Gastfreundschaft genießt, Unfrieden bringen.
Zch weiß sicher, daß
ich aller Hoffnung beraubt
bin, und daß mir nichts als Verzweiflung übrig
Zch habe beschlos
bleibt und ein ruhmvoller Tod.
sen zu sterben; sage mir daher, setzte er hinzu, ge gen welchen Feind zieht dieses Kriegsheer, dieses
Fußvolk, diese Reiterei, diese Kameele, diese Karavane? Gewiß gegen die Ungläubigen.
Viel Mühe
kostete es Tenczynski'n, ehe er den Spanier über zeugt hatte,
daß das aus Tenczyn herausgehende
Kriegshcer und die Wagen nicht gegen einen Feind bestimmt waren, sondern sie zögen nur zur steten
Wahl der neuen National - Repräsentanten.
Lange
konnte der Spanier es nicht fassen, warum bei der
freien Wahl
müsse.
eine bewaffnete Macht zugegen sein
Um dieser Unterhaltung ein Ende zu ma
chen, sagte ihm Zamoyski, der dabei stand: Wenn Du Dir durchaus vorgenommen hast, im Kampfe
Ruhm zu erwerben, so bietet sich Dir die beste Ge legenheit dar; unser Oberseldherr Tarnowski bricht gerade mit der Armee zu den Grenzen auf, ich will
Dir einen Brief an ihn mitgcbcn, und da sollst Du erfahren, was Tartaren sind.
sendmal Alonzo.
dafür
verbunden
Zch werde Dir tau
sein,
antwortete Don
Zch werde mich auch glücklich schätzen,
fügte Tenczynski hinzu, wenn mir mein Vater er-
76
laubte, Dich auf dieser Reise zu begleiten; lieber wäre mir offener Kampf mit dem Feinde, als die Streitigkeiten auf dem Landtage, wo vielleicht mehr Selbstsucht als wahre Vaterlandsliebe statt findet. — Du predigst nur immer von der Liebe zum Baten lande; glücklich bist Du, daß Du eine andere nicht kennst: und so weißt Du auch nicht von den Qualen und Unruhen, von denen das Herz ganz verdorret und das Leben hinwelkt. Ein tiefer Seufzer erlaubte ihm nicht, weiter zu reden. Don Alonzo war jedoch nicht so unglücklich als er glaubte. Welches Frauenzimmer wird den Ein druck nicht gewahr werden, den seine Reize auf uns machen? Die schöne Sophie vernahm seine Lie besgesänge wohl, und obgleich ihr Herz ganz dem Verlobten gehörte, so hatte sie kein Frauenzimmer sein müssen, wenn eine so heftige Liebe ihr nicht hätte schmeicheln, und wenn auch nicht Gegenliebe wecken, doch jene Gefühle in ihr erregen sollen, die das weibliche Geschlecht Dankbarkeit und Mitleiden zu nennen pflegt. Sie würde freilich keinen Schritt gethan haben, den ihr Anbeter für eine Aufmunte rung hätte annehmen können; gleichgültig hätte es ihr aber nicht sein können, wenn die ausgebrochenen Flammen zu erlöschen angefangen hätten, und noch weniger wenn sie zu einer andern Schönheit über-
77 gegangen waren.
Sie mied zwar den Fremdling;
wenn sie aber seinen Gesprächen nicht ausweichen
konnte, so bemerkte man in ihrem Tone keinen lltv willen, sondern vielmehr Zerstreuung und Wehmuth. Zn dieser Zeit ritt der junge Tenczynski oft nach
den zu Tenczyn gehörigen Besitzungen aus.
Ange-
nehm war es ihm, die Stellen wieder zu sehen, die er in seiner Kindheit besucht, wo er oft glückliche
Augenblicke seiner frühesten Jugend verlebt hatte.
Unter diesen war das Haus seiner Amme das ge
wöhnliche Ziel, wenn er spazieren ritt.
Als er
eines Morgens dort die Thür aufmachte, fand er ein Frauenzimmer, dessen Gestalt ihm nicht wenig auffiel.
Es war eine Frau, die schon über vierzig
Zahre alt sein mochte. Sie war groß; ihren brau
nen Teint belebte nicht die geringste Nöthe, und ihre großen schwarzen Augen, so wie auch die schwar
zen sich fast berührenden Augenbrauen, gaben ihrem
Gesichte einen ganz besonderen Ausdruck, der aus dem Gedächtnisse derer, die sie einmal gesehen, nicht sobald verschwand.
Sie trug eine schwarzsammetne
Zuppe und ein ähnliches, mit goldenen, schon ab genutzten Tressen besetztes Unterkleid.
Unter diesem
guckte noch ein hochrother Anzug hervor. Um den langen hageren Hals hing eine goldene Kette. Sie
stand beim Hereintreten des Zünglings einen Au-
78
genblick auf, und während der ganzen Zeit seiner Unterhaltung mit der Amme, hatte sie ihre durchs dringenden Augen auf sein Gesicht geheftet. Als die Amme sich entfernte, um ihrem Zöglinge dicke Milch zu bringen, ließ sich die sonderbare Frau mit dem jungen Tenczynski in ein Gespräch ein, und gab sich alle Mühe, ihm seine Lebensverhältnisse zu ent locken. Tenczynski, in seinen Antworten immer vor sichtig, befriedigte ihre Neugierde nicht sehr. Zhr seid so verschlossen gegen mich, sagte ihm die selt same Frau, aber darin thut Ihr Unrecht; bemerket Ihr denn nicht, daß ich Euch gewogen bin? Wie befindet sich jener Ausländer, Euer Gefährte? Ist er nach dem nächtlichen Singen nicht heiser gewor den? Tenczynsti sah sie mit Verwunderung an. — Was er sich doch denkt, fügte sie mit einem grin senden Lachen hinzu, einer so tugendhaften Jungfrau die Cour zu machen, die ihren Zborowsti über alles liebt.... aber schwer ist es, seiner Bestimmung zu entgehen. Und Zhr, mein Herr, setzte sie ihre Rede fort, habt Zhr etwa von der Fürstin d'Abrantes einen Brief erhalten? Tenczynski schwieg lange, in dem es ihm unbegreiflich war, woher diese Frau, die er in seinem Leben nicht gesehen, so viele Nachrich ten haben konnte. Er dachte eben nach, was er ihr antworten sollte, als sich die Thür öffnete und
79
Theodorowa ein« große Schüssel mit Milch auf den Tisch hinsehte. Voll Zerstreuung labte sich der Jüng ling ein wenig. Als die Unbekannte sah, daß er nicht leicht zu einem Gespräche zu bewegen wäre, ver neigte sie sich vor den Anwesenden und ging weg. Sobald die Thür wieder geschlossen war, fragte der junge Tenczynski seine Amme: Mein« Liebe! sage mir doch, was ist das für ein sonderbares Geschtpf, das fremde Angelegenheiten so sehr interesiiren? Die Amme legte «inen Finger auf den Mund, wodurch sie ein Zeichen gab, als dürfe sie nichts sa gen, dann öffnete sie ganz langsam die Thür, ging in den Hausflur, auf den Hof, machte die Runde um bas ganze Haus, und nachdem sie sich überzeugt hatte, daß niemand da wäre, kehrte sie wieder in die Stube zurück, und machte die Thür hinter sich fest zu. Man kann nicht vorsichtig genug sein vor sol chen Kreaturen. Das Frauenzimmer, welches Ihr jetzt, liebes Zohannchen, gesehen habt, ist etwas Uebermenschliches: die Leute nennen es Wahrsagerin; ich sage aber geradezu (hier sprach sie leise), daß es eine Hexe ist. Man sagt, daß sie aus Dlonie bei Warschau gebürtig sei *). Sie hat überall Zu tritt und großes Ansehen. Sie besucht oft heim) Geschichtlich.
80 tich alle Herrschaften, und selbst die Königliche Far mitte. Man sagt, daß sie unserm Könige und Allen gnädigsten Herrn etwas eingegeben habe, wonach er sich in die schöne Litthauerin verliebte, und heute giebt sie derselben wieder Getränke und Kräuter, damit sie schwanger werden soll. Hol der Henker alle solche Mittel! Wenn das Ehepaar jung ist und sich gegenseitig liebt, dann braucht man keine Kräuter. Indem sie ihre Stimme wieder sinken ließ, sagte sie: Dieses Weib muß mit dem Teufel Ger schäfte treiben. Unser Nachbar, der Zimmermann Fer lix, erzählt, daß er einmal durch's Ofenloch gesehen hat, wie sie sich an einem Donnerstage gerade um Mitternacht ganz fadennackt auszog, und nachdem sie sich mit einer Art von Oehl beschmierte, setzte sie sich auf eine Schaufel, und pra! pra! flog sie zum Schornsteine auf den Kahlenberg*) hinaus, um mit den Teufeln Schmaus und Tanz zu halten. Dort lernt sie von ihnen die teuflischen Kunststücke, bekommt Salbe und Kräuter, und erfahrt alles; denn wie sollte sie sonst zum Henker alles wissen können, was in der Welt vorgeht! sie weiß doch alles. Dieß hätte ich sonst Niemanden gesagt, aber meinem Zohannchen sage ich es, damit er auf seir ner *) Polens Blocksberg.
81 ner Hut sein möge.
Nur erbarmt Euch und saget
es ja Niemand, sonst würdet Zhr mir den Zorn
dieser Hexe zuziehcn.
Sie könnte mein Hab und
Gut, und vielleicht auch mich selbst, meinen Mann
und meine Agnes verrufen, denn mit den Hexen
ist nicht zu scherzen. Der junge Tenczynfki
beruhigte sie durch das
Versprechen ihr Geheimniß wohl zu bewahren; hier
auf nahm er von ihr Abschied und ging weg.
Er
fand sein Pferd und seinen Bedienten erst hinter
dem Thorwege,
und es kam ihm vor, als ob er
wieder dieselbe Unbekannte gesehen und sie sich bei seinem Erscheinen sehr schnell von dem Stallknechte entfernt hatte.
I.
6
82
Viertes Kapitel. Obgleich der junge Tenczynfki von allen Vorurtheilen und jedem Aberglauben frei war, so be
schäftigten ihn doch die Gestalt des Frauenzimmers,
ihre Sprache, ihre Kenntniß von allen Dingen, die er geheim glaubte, den ganzen Weg nach dem Schlosse
Tenczyn.
Als
er zu Hause anlangte,
erhielt
er
bestätigende Nachrichten, daß Nikolaus Sieniawski
in Kurzem sein Kriegsheer nach der Wallachei hin. führen werde,
und obgleich
er
dem Vater seinen
Wunsch, diesen Feldzug mitzumachen, schon einmal eröffnet, jedoch nur unbestimmte Antwort erhalten
hatte, so wünschte er nun seinen entscheidenden Wil len darüber zu wissen.
An diesem Tage war aber
der alte Wojewode mit Vorkehrungen zu dem be vorstehenden Landtage so sehr beschäftigt, daß er seine
Audienz auf den folgenden Tag verlegen mußte. Den Tag darauf begab er sich frühmorgens, um
die Zeit, wo er den Vater sprechen zu können glaubte, auf einer geheimen Wendeltreppe nach seinem Schloß gemache; aber wie groß war sein Erstaunen, als er
die Thür sich öffnen und jenes räthselhafte Frauen-
83 zimmer herauskommen sah.
Sie warf einen 6c;
deutsamen und durchdringenden Blick auf den Züng;
ling, und schnell hinuntergehend sagte sie zu ihm: Zch zweifle, daß es gelingen wird. das Weib hier beim Vater zu junge Tenczynski.
Was hat denn
thun? dachte der
Hierauf trat er in das Zimmer
des Wojewoden und wiederholte seine Ditte, ihm
zu ertauben, mit Nikolaus Sieniawski den Feldzug
nach der Wallachei mitzumachen.
Ich lobe Deinen
ritterlichen Sinn, mein Zohann, sagte ihm der ehr; würdige Vater, ich sehe, daß Dich dieselbe Sehn;
sucht nach Kampf und Ruhm anfeuert, welche Deine
Vorfahren begeisterte; aber heut zu Tage non eadem
res et mens.
Du weißt, daß Du und Dein jun;
gerer Bruder die einzigen Stützen des Tenczynski; schen Stammbaumes seid; ich muß Euch daher so
wie meinen Augapfel hüten. Staate
eine
Gefahr
drohen,
Sollte jedoch dem
so würde ich kein
Bedenken tragen, Dich ihm ganz zu widmen; aber die Expedition des Herrn Sieniawski geschieht ohne
Vorwissen der Stände, und kann uns noch in ei; nen unwillkommenen Krieg mit den Muselmännern
verwickeln *).
Uebrigens ist das für uns ein unbe;
*) So war es wirklich; Sieniawski brachte Alexandcrn in die Wojewodschaft Wallachei herein, der eine
6*
84
deutender Feind; ich habe Dich zu einem andern Behufe bestimmt, mein Johann, et in toga eben quam in sago kann man seinem Vatertande dienen. Mein Wille ist es, Dich auf den Landtag nach Proszowiz mitzunehmen und mit den verbrüderten Edelleuten bekannt zu machen, damit Du ihre Gewogenheit erlangen, nach meinem Tode die Wojer wodschast, so wie ich, regieren und auf dem Reiche tage Gewicht und Einfluß haben kannst. Sic erat mos antiquissimae ac clarissimae gentis nostrae. Der junge Tenczynski antwortete darauf mit Ehrerbietung: Die Angelegenheit, um welche auf dem Land- und Reichstage Streit geführt werden soll, nämlich die Ehe des Königs, scheint mir nicht von so großer Wichtigkeit zu seyn, daß ich nicht das Feld des Ruhmes, wo ich mich vielleicht meinen Landsleuten als Held zeigen könnte, betreten sollte. Das kommt Dir nur so vor, versetzte der alte Ten; czynski, es ist eine Sache von großer Wichtigkeit, sich zeitig der Ritterschaft vorzustcllen, und früh muß man lernen, wie man ihre Meinungen für sich gewinnen kann; dadurch allein können wir selbst geraume Zeit sich in Polen aufbielt, der Honig wollte
aber den Türkenkrieg vermeiden und zog die polnische
Armee wn dort zurück.
85 Thronen furchtbar werden.
Ich war
ntcht mehr
als fünfzehn Jahre alt, als mich mein Vater auf
den Landtag mitnahm und mich lehrte, wie man den Edelleuten die Hände drücken und mit ihnen tritt'
ken müsse.
Du mußt das auch können;
überdieß
habe ich noch andere Gründe, derenthalben ich Dich in den Krieg nicht mitziehen lasse: omnia et prae-
stigia non sunt tibi propitia, ich bitte Dich also, lieber Johann, vor mir davon nichts mehr zu w
wähnen.
Da der junge Tenczynski den festen End
schluß seines Vaters hörte, wagte er nicht, ihn tvev ter darum zu ersuchen, verbeugte sich und ging trau,'
rig weg.
Im Garten traf er Don Alonzo in Ger
danken vertieft und machte ihm den Willen seines Vaters bekannt, daß er nämlich diesen Feldzug nicht
mitmachen könnte.
Also auch diese Freude ist für
mich nun dahin, sagte ihm der Spanier, ich hegte
die Hoffnung, daß,
wenn ich diesen Ort verließe,
ich an Dir einen lieben Waffenbruder, einen Zeugen meines Muthes, meiner Verzweiflung im Kampfe,
m jedem Augenblicke einen Vertrauten meiner Lei,' den haben würde.
Auch für mich wird die Trem
nung sehr schmerzhaft sein, antwortete Tenczynski, und um so mehr, da ich Dich von einem großen
Kummer gedrückt sehe.
Ach Du kennst die Liebes,'
quälen nicht, sagte der Spanier, Deine Liebschaft
86 mit der Fürstin Medina Sidonia y Abrantes kann
nur ein artiger und frihlicher Zeitvertreib genannt
werden; Du hast Dich gern mit ihr unterhalten, Du hast mit ihr gern getanzt und gescherzt, aber sobald
sie Dir aus den Augen verschwand, so bliebst Du,
selbst wenn man ihrer erwähnte, dabei so kalt, als wenn man einer schönen Blume erwähnt hatte, die
wir irgend wo gesehen hatten.
Das ist wahr, sagte
Tenczynfki, daß mich der Himmel bis jetzt vor die sen gewaltsamen Gefühlen bewahrt hat, von welchen
ich Dich jetzt überwältigt sehe; doch glaube nicht,
daß
mein Herz
Schönheit
oder
nicht fähig sei, die Gewalt der
der Tugend mächtig zu
0 möchte doch diejenige,
fühlen.
die mir der Himmel be
stimmt hat, deren Traumbild sich oft meiner feuri
gen Einbildungskraft darstcllet, wenn sie die reinen Flammen meines Herzens
theilt, auch alle meine
Lebcnsschicksale ttculich theilen!
sche kann ich
nicht hegen!
Ach, solche Wün
rief Don Alonzo aus.
Diejenige, die ich liebe, kann niemals die meinige werden.
Desto mehr Ursache findest Du also, dieß
ungerechte Feuer in Deinem Herzen zu ersticken, sagte Tenczynski, und Du solltest lieber Deine Huldigung
an eine andere Person ivenbtn,
welche Dich mit
ihrer Hand, ohne Verletzung des Gewissens und der Tugend, auf immer beglücken kann.
Zch sehe, daß
87 Du nie geliebt hast, sagte der Spanier, wenn Du
glaubst, daß man dem Herzen gebieten könne, und daß es eben so leicht sei, sich zu entlieben als zu
verlieben.
Hierauf folgte unter den beiden Freun
den eine Pause, welche der Spanier mit folgenden Worten unterbrach: Freund, sage mir wenigstens,
ob Deine Schwester die ganze Macht meiner Liebe gegen sich kennt, ob sie weiß, daß ich, selbst der Hoff nung und der Gegenliebe beraubt, durch mein gan zes Leben an sie denken, ihr Glück wünschen, ja,
wenn es möglich wäre,
tausend Mal mein Leben
für sie hingeben würde, und daß dieses allein mein
ganzes Dasein ausmacht?
denke,
daß mir in
Zch erröthe, wenn ich
meiner Fantasie nur schwache
Bilder meines Landes, meiner Verwandten, meiner Freunde, der Lieblingsplätze meiner Kindheit und aller andern Gegenstände, die mir früher angenehm waren, jetzt vorschweben; ach, ich Unglücklicher! sie hat alle
meine Gefühle verschlungen. — Wie sehr bemitleide
ich Dich, sagte ihm Tenczynski; ich zweifle nicht,
daß eine so reine, uneigennützige Neigung, wenn sie von meiner Schwester bemerkt wurde, in ihr die
Dankbarkeit und jenes Mitleidcn
erwecken werde,
das ein, wenn gleich für einen Andern schlagendes, Herz immer für diejenigen fühlet,
mend
wohlwollen.
Wenn
die ihm theilneh-
dem so
ist, fiel Don
88
Alonzo dt Medina Czelt ein, wenn Du mit mir Mitleiden hast, so wirke mir eine einzige Gunstbe zeigung aus; glaube, baß derjenige, welcher aus Ver zweiflung in den Kampf geht, selten aus demselben sein Leben davon trägt. Zch werde sie vielleicht nie sehen, so möchte ich wenigstens unter Sophiens Symbol, unter ihrer Farbe sterben; wirke mir dieß aus, daß sie mich, wenn ich in den blutigen Kampf ziehe, mit einer Schärpe ihrer Farbe beehre. — Freund, meine Fürsprache versage ich Dir nicht, ich hoffe, daß dieser unschuldige Beweis der Achtung, den Du begehrst, ohne im Geringsten die strengste Tugend zu schmälern. Dir zu Theil werden kann. Der junge Tenczynski kannte die strengen Grund sätze seiner Mutter, und deshalb wollte er auch in dieser Hinsicht keinen Schritt ohne ihr Mitwisscn thun. Deshalb begab er sich zu ihr, und legte ihr den Wunsch Don Alonzo's, so behutsam wie er nur konnte, vor. Was sind denn das wieder für Dinge! ries die Matrone aus, meine schon verlobte Sophie soll ihm eine blaue Binde geben, als wenn er sie bei den Juden nicht bekommen könnte; übrigens, wenn er sie durchaus aus der Hand eines Frauen zimmers erhalten will, so mag er sich an irgend ein Fräulein wenden, deren er hier viele und schöne fin det. Vergeblich suchte der Sohn seine Dritter zu
89 überzeugen, daß die Ueberretchung eines solchen Ge schenkes nicht im Geringsten dem guten Rufe seiner
Schwester schaden dürfte, da man in allen Landern
die Sitte angenommen hat, daß die Damen den in
das Turnier und in den Krieg ziehenden Rittern ihre Farben, ertheilen.
Die ehrwürdige Frau Ten-
czynffa fand diese Sitte tadelhaft.
Schon fing der
Jüngling in seiner Hoffnung an zu wanken, als die
Thür geöffnet wurde und der ernste Wojewode auf
seinem Stuhle in das Gemach seiner Ehegattin Herr eingebracht wurde. Worüber streitet Ihr denn hier? fragte der Wo-
jewode. Ueber die lächerliche Schwärmerei des Spa
niers, antwortete die Wojewodin; es ist ihm wieder
eingefallen,
daß
unsere Tochter Sophie ihm eine
blaue Schärpe geben soll, weil er in den Krieg zieht.
Das ist ein sonderbares Begehren, und zeigt mehr
von Vertraulichkeit als Bekanntschaft.
Er kommt,
singt unter unsern Fenstern Lieder, läßt uns nicht
schlafen und will noch mit Binden ausgeputzt wer den. — Meine Gütige, sprach der Wojewode, schon
darum, weil der verliebte Fremdling unter unsern
Fenstern singt, sollten wir froh sein, wenn wir sei
ner auf eine feine Weise los werden können; dabei begeht man keine Sünde, wenn man ihm die Schärpe giebt, es ist dieß so Sitte im Auslande. Ich habe
90
selbst in meiner Jugend in Madrid die Farben der Fürstin von Alba getragen; mit denselben geschmückt brach ich beim Turnier die Lanzen, und ich kann es Dir, meine Traute, betheuern, daß dabei gar nichts BösrS Statt fand, und daß ich außer Dir, mein Herzchen, keine Andere geliebt habe. Bei die sen Worten warf die Wojewodin einen süßen Blick auf ihren Gatten. Zch werde Sophien selber sa gen, fügte der Wojewode hinzu, daß sie ihm die er betene Schärpe gebe; es ist besser, daß er in den Krieg zieht, als daß er sich länger quälen, unnütz seufzen und Sophien mit schmachtenden Blicken an sehen sott. Aus offener Galanterie wahrer Ritter muß man keinen Argwohn schöpfen, nur ein gewand ter und versteckter Verführer ist gefährlich. Erst nach vielem Zureden gelang es dem Wojewoden, seine Tochter dahin zu bringen, diesen ritterlichen Ge brauch in Anwendung zu bringen, und nur die völ lige Ueberzeugung, daß ein so achtungswerthcr Mann und wahrer Verehrer des Anstandes und der Tu gend nicht Böses meinen könne, vermochte sie, diesen Schritt zu thun. Don Alonzo di Medina Czeli konnte sich vor Freude nicht fassen, als ihm sein Freund den glücklichen Erfolg seiner Fürsprache kund that, und daß der folgende Abend, den er selbst zu seiner Abreise bestimmt hatte, auch die Zeit sein
81 sollte, zu welcher sein Wunsch in Erfüllung gehen würde.
Von wahrhaft Verliebten
wird die geringste
Gefälligkeit, schon ein freundliches Wort, für eine
unschätzbare
Gunstbezeigung
angenommen.
Don
Alonzo wußte zwar, daß seine Flammen ihm nicht
erwiedert würden, doch gab er sich alle mögliche Mühe, wenigstens noch einmal die von ihm Ver
götterte zu sehen, und ihre in seinem Herzen so an genehm tönende Stimme zu hören.
Ueberall ging
er Sophiens Spur nach, und weil er wußte, daß
sie die schattigen Stellen des Gartens am liebsten besuche, so verweilte er dort den ganzen Tag.
Oft
wenn er im Sande die Spuren eines kleinen Fußes ausgcdrückt fand, glaubte er, sie sei es gewesen, und verfolgte dieselben vergeblich; oft meinte er, wenn
ihm der Wind den Geruch von Rosen und Jas
min zutrug, daß dieß der Duft ihrer dunklen Haare sei, der ihn anwehe.
Zn seiner Hoffnung immer
getäuscht, fing er an dem Erfolge seiner Bestrebun-
-gen zu zweifeln an, verließ den dunklen Hain und
bemerkte den Krystall eines klaren Wassers.
Roth-
tannen, Lennen und Birken senkten ihre biegsamen Zweige in's Wasser und verschütteten das Ufer des
See's.
Die Mewen ließen ihre Klagctöne hören,
ruderten in der Luft und stürzten sich dann blitz-
92 schnell in das kräuselnde Gewässer. Der gewölbte Himmel mit seinem prachtvollen Blau, eine durch nichts unterbrochene Stille, versenkten den verliebten Züngling in tiefes Nachdenken. Wie wenig stimmt doch di« Stille mit dem Sturme überein, der in meinem Herzen tobt! sprach er zu sich selbst. Zudem er lange von dieser einsamen Zauberstelle hin und her schaute, wurde ihm auf einmal zwischen den Blat tern eines Strauches ein weißes Gewand sichtbar. Leise schleicht er sich hin unh sieht mit stark klopfen dem Herzen, daß es Sophie ist. Sie saß auf einer Dank von rothem Granit, und hatte ihre Blicke auf ein kleines Gemälde geheftet. Don Alonzo hielt den Athem an sich, sah sic lange an und beneidete den, dessen Bild sie mit erfreuten und lieblichen Blicken betrachtete; darauf wendete sich Sophie um und bemerkt den hinter ihr Stehenden. Voll Bestür zung springt sie von ihrem Sitze aus, verbirgt das Bild hinter den Schleier, der ihren schneeweißen Dusen deckte, und eilt davon. Der Spanier ver doppelte seine Schritte und rief ihr ängstlich nach: Warum entfernst Du Dich von mir, schöne Sophie? Es ist das letzte Mal, daß ich einen Laut von Dei nen purpurnen Lippen vernehmen kann. Sophie langte das Bild aus ihrem Dusen hervor und sagte: Dieses meinem Herzen und meinen Gedanken gegen-
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wartige Bild mahnt mich, Eurer Rede kein Gehör zu geben. — Wenn der hier gegenwärtig wäre, des sen Bild Du trägst, versetzte der Spanier, so könnte er, ohne erzürnt oder beleidigt zu werden, den Aus druck dieser Empfindungen anhiren, die Du in mein Herz geflößt hast; ich weiß, schöne Sophie, sprach er weiter, daß ein Anderer, welcher der Glücklichste unter den Sterblichen ist, Deine Seele füllt; ich weiß es, daß es für mich nur ein eitler Wunsch wäre, wenn ich begehrte, von Dir geliebt zu werden; aber da ich nun von hier scheide, da nach wenigen Ta gen nicht mehr Dein Engelton, sondern der Tod ver kündende Kanonmdonner vor meinen Ohren hallet; da vielleicht ein Pfeil meiner Verzweiflung und mei nen Qualen ein Ende macht, willst Du Dich in die sem Augenblicke weigern, mir zu sagen, daß Du den Scheidenden nicht hassest, daß Dir mein Andenken nicht zur Last wird, und daß Du, wenn der unter deinen Farben wider die Ungläubigen kämpfende un glückliche Ritter auf dem Kampfplatze bleibt, einge denk, mit welch' einer reinen und heiligen Flamme er gegen Dich entbrannte, seinen Tod mit einem Seufzer ehren werdest? Ein Thränenstrom unter brach seine fernere Rede. Ganz unwillkührlich ent schlüpften der gerührten Sophie folgende Worte: Laßt uns von diesen Gesprächen abbrechen; obgleich
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ich nicht begreifen kann, durch welche Zauberkraft Euer Herz von so gewaltigen Gefühlen ergriffen wor den ist, so kann doch der Euch drückende Kummer nur ein inniges Mitleid in mir erwecken. Der Himmel gebe Euch Eure Ruhe wieder, wache über Euch im blutigen Kampfe und lasse Euch mit ruhm vollen Thaten überhäuft den vaterländischen Boden betreten. Glaubt mir, daß ich Euch von ganzem Herzen alles Gute wünsche. Sophiens angenehmer Ton gab diesen Worten einen weit größeren Werth, als sie sonst wirklich hatten. Don Alonzo wollte weiter sprechen, als er den jungen Tenczynski und Johann Zamoyski hcrzukommcn sah. Tenczynski bemerkte nicht mehr die vorige Düsterheit auf der Stirn seines Gefährten. Schwester, sagte er zu Sophien, die Stunde, in welcher Du diesem Rit ter Dein Symbol geben sollst, nahet heran; ich ver sichere Dich, daß er unter demselben kämpfen wird. Unser Vater verlangte es so, antwortete Sophie; ich wünsche, daß es dem Ritter Glück mitbringen möge. Das Gespräch wurde allgemein und bald befand sich diese kleine Gesellschaft auf dem Schlosse. Gegen Abend, als der Wojcwode mit seiner Fami lie und seinen Gästen im Erker Platz genommen hatte, wurden die Schranken geöffnet, und Don Alonzo di Medina Czeli erschien in seiner ganzen
95
Rüstung auf einem muthtgen Rosse; ihm zur Seite der junge Tenczynski und Johann Zamoysti, gleich sam als Waffengefährten. Don Alonzo stieg ab, knieete vor Sophie Tenczynska hin und sagte: Da ich in den Krieg gegen die Ungläubigen ziehe, so wagte ich, nach altem Rittergebrauche, Euch zur Dame meiner Gedanken zu wählen; mein Schwert widme ich von nun an Gott, dem heiligen Glauben und Euch, und bitte Euch, mich mit Eurem Symbol zu beehren. Schüchtern antwortete Sophie: Ritter, dem Willen meines Vaters und der übli chen Sitte folgend, überreiche ich Euch diese Schärpe und hoffe, daß sie unbefleckt bleiben wird. Kämpfet glücklich, kommt als Sieger zurück. Dieß sagend, band sie ihm die Schärpe um. Don Alonzo küßte ihr die Hand. Tief gerührt begab er sich zum Wojewoden. Ihr seid durch Eure Tapferkeit auch in meinem Lande bekannt, der Segen eines achtungs vollen Kriegers wird mir Glück bringen, ich bitte Euch, mir diesen zu ertheilen. Der alte Tenczynski legte seine Hände auf die Schultern des Ritters und sagte: Im Namen Gottes und des heiligen Georgs! Kämpfe für den Glauben, für Tugend und für das schöne Geschlecht. — Don Alonzo wollte schon weggehen, als ihn der alte Wojewode noch zurückhielt. Es ziemet nicht, daß Ihr das Haus
96 eines alten Ritters ohne ein Freundschaftsgeschenk verlassen solltet; nehmet diesen Schild, diesen Helm und diese zwei persische Renner.
Man führte eben
zwei muthige Rosse vor, an deren Geschirr Tür-
kisse und Perlen glänzten.
Don Alonzo bankte für
die Geschenke, umarmte den jungen Tenczynfti und Zamoyfti herzlich, schwang sich leicht auf eines von
den beiden Rossen, und nachdem er die Runde um die Schranken noch einmal gemacht, senkte er die
Lanze vor Sophien, und verschwand bald vor Aller
Augen.
Glücklich ist er, sagte der junge Tenczynfti;
er eilt nun dahin, um mit den Feinden zu kämpfen, und ich muß hier bleiben, um mich mit meinen
Landsleuten in Streitigkeiten einzulassen. Endlich erschien der Tag, an welchem der Wo-
jcwode seine Reise zum Proszowizer Landtage an treten sollte.
Vor Tagesanbruch fuhr der Quar-
ttcrmeister, um Fütterungsplätze und Nachtlager zu
bestellen.
Aus den Krügen wurden die Zudcn ver
jagt, die Stuben auSgeräumt, gereinigt und mit
Teppichen behangen, und weil es im Hause an Raum fehlte, so wurde in Scheunen an langen Tischen ge tafelt; unter freiem Himmel wurde gekocht und ge braten.
Als der Tcnczyncr Hof nach Proszowiz
kam, fand er dort schon die Höfe seiner Freunde
und seiner Gegner, die in der Stadt und in verschic-
97 schieden«, Klöstern ihre Wohnung aufgeschlagen hat
Der Wojewode von Sandomirien nahm mit
ten.
seinem Sohne und mit seinem Hofe das Quartier Auf den naheliegenden
im Bernhardiner-Kloster.
Hügeln und den zur Stadt gehörigen Triften bivouaquirten die Hossoldaten
des Wojewoden von
Sandomirien, des Kmita, des Firley, des Szydlowjecki und a. m.
Ueberall ragten fast zehn Ellen
lange Lanzen hervor;
das Gemurmel der großen
Menschenmenge, das Wiehern der Pferde hörte man
wohl eine Meile weit.
Die Einwohner entfernter
Gegenden brachten Futter, Heu und verschiedene an
dere Nahrungsmittel, und es wurden überall Kund schafter ausgeschickt; überall herrschte die größte Vor sicht unter den Gegenparteien, gerade so wie zur Zeit eines Krieges. Man stattete gegenseitige Besuche ab.
Gegen
die Gegner selbst wurde die größte Artigkeit beob achtet.
Drei Tage lang vor dem Landtage bewir
theten die Parteihäupter ihre Anhänger.
Die Lan
desbeamten und die gewöhnlichen Schläger saßen bei
den Magnaten zu Tische.
Für den kleinen Adel
wurden lange Tische in den Krügen, unter Zelten,
selbst auch auf Hofplähcn gesetzt, zinnerne Schüsseln und Teller,
und große,
ebenfalls
zinnerne,
mit
Bier, Meth, ja sogar mit Wein angefüllte Kannen I.
7
98
prangten darauf; Messer und Löffel hatte ein jeder bei sich. Bei solchen Gastmahlern brachten die Edel leute unter lautem Zubel die Gesundheit aus, näm lich jede Partei die ihres Principals. Mit Dro hungen gegen seine Gegner war man nicht karg. Endlich kündigten die Glocken aller Kirchen die Stunde des Landtages an. Zeder eilte nun mit seiner Partei nach der Kirche hin; der infulirte Prälat sang die Messe de spiritu sancto, und trug nach beendeter Andacht das Sanctissimum in die Sakristei. Zn der Mitte der Kirche stellte man für di« Senatoren und Beamten einen mit grünem Tuch bedeckten Tisch und Stühle hin. Ein Abge ordneter des Königs las das Universal *), die Pro positionen des Throns vor, und bat Alle, Einttacht befördern zu wollen. Als er endigte, entstand unter der dichtgepfropften Menge ein Gemurmel. Man sahe einen Ocean von Köpfen, der nach der Gewaltsamkeit ihrer Bewegungen mehr oder weni ger nach einer Seite hm wankte; einige darunter waren kahl geschoren, andere mir langen Haaren be deckt, und noch andere nach Art der Flamländer zu recht gemacht. Auch in der Klciderttacht fand ein *) Ein allgemeines Schreiben des Königs an die Senatoren «nd an den versammelten Adel.
99 ähnlicher Unterschied statt: einige waren in Czama-
ren *) gekleidet, andere hatten über ihren Zupan **) einen Oberrock, dessen Aermel nur bis an die Ellenbogen reichten; die Vornehmeren trugen lange Ober
röcke, welche an dem linken Arm mit mehr oder we niger kostbaren Klammern
zusammengehalten
wur
den; an der Seite hatte jeder einen Säbel oder eine Karabete f), und in der Hand einen Czekan ff).
In den schnurrbärtigen Gesichtern
malte
Ausdruck der Würde und der Tapferkeit.
sich
der
Von der
Königlichen Partei wurde Herr Pelka zum LandtagsMarschall vorgeschlagen; nie pozwalamy! (wir stim
men dem nicht bei!) riefen Tenczynfki's Niemira soll Marschall sein!
terbrach sie der junge Johann Zamoyski,
Mehrheit der Stimmen erwählen wird; also Stimmen sammeln.
Freunde,
Der wird es sein, un den die
laßt uns
Was haben wir erst nö
thig Stimmen zu sammeln, rief Herr Dembinski, man darf ja nur aufsehen, um zu bemerken, aufwel-
*) Cz. lies wie Tsch, also Tschamaren, lange Röcke
mit langen Aermeln bis auf die Erde. **) Lies nach französischer Weise joupan, ein Un
terkleid.
•f) Ein Sabel
ohne Bügel; der Griff war ge
meiniglich aus einem kostbaren Steine. ff) Eine Art von Streitkolben.
100 cher Seite eine größere Anzahl ist; wir können Euch
alle da mit unseren Mühen bedecken! — Das wäre keine freier Menschen würdige Art zu berathschla
gen. — Wir bitten sehr, ließen sich mehrere Stim
men verlauten, mit größerer Achtung von uns zu sprechen; wir sind nicht Menschen; wir sind Edel leute; wir wollen uns von den Bakalaureen aus Pa,
dua keine Gesetze vorschreiben lassen! — Noch von
den spanischen
und portugiesischen Dons,
welche
sich selbst über die Majestät erheben wollen! hörte
man von der Königlichen Partei rufen.
Keiner er
hebt sich hier über die Gleichheit, über das Jedem ertheilte Gesetz, sagte der junge Tenczpnski.
Der
Marschall soll uns hier den kleinsten Kummer ma chen;
wenn nur die Abgeordneten solche Männer
sind, die, das Privatgut aus
der Acht lassend, für
das allgemeine Beste Rath schaffen wollen.
Ganz
recht, das allgemeine Beste und nicht das Königliche,
sprach einer von der Partei Tenczynski's.
Wehe
dem Lande, ließ sich der junge Tenczynski ferner ver nehmen, wo man das Wohl des Königs von dem Wohle des Landes trennt! Es giebt Fälle, sagte Samuel Zebrzydowski, wo
diese Interessen einander ganz
entgegengesetzt sind.
Seine Majestät der König findet sein Wohl in je ner Litthauerin, die er, ohne seine Würde zu berück-
101 sichtigen, als Gattin zu besitzen glaubt; aber wir
finden darin nur einen Anstoß. Majestät
der
König eine
Mag sich Seine
des polnischen Thrones
würdige Gattin wählen. — Er hatte noch nicht aus gesprochen, so fing schon eine große Menge vom klei
nen Adel in den Flügeln der Kirche und unter dem Chore, beinahe zur Betäubung, zu schreien an: Weg
mit dieser Litthauerin! Man schicke sie nach Litthauen zurück! — Laßt uns mit größerer Achtung von der
Gemahlin Seiner Majestät des Königs sprechen, ließ
sich Johann Zamoyski mit großem Eifer vernehmen, und wenn sie auch dieß nicht wäre, so stammt sie
doch aus einem ansehnlichen und achtungswürdigen
Hause, und das ist genug.
Kein rechtlicher Mann
läßt zu, daß sie so beschimpft werde.
Hiebei wurde
der alte Wojewvde Tenczynski vor Zorn und Un geduld unwillig; dieß bemerkten seine besten Schlä ger, griffen zu den Säbeln und rückten schon gegen Zamoyskin, als der junge Tenczynski sein Schwert
zog und ihn mit seiner Brust deckte.
Die Schlä
ger wollten den Sohn ihres Principals nicht be leidigen und zogen sich zurück. Unter ähnlichem Streit und Geschrei vergin
gen einige Stunden.
Die Hitze unter den Parteien
erreichte solchen Grad, daß es beinahe zum Blut vergießen kam; es wurde sogar ein Ohr gespalten,
102 als Stanczyk, der Hofnarr de« hochseligcn Königs,
zugleich Edelmann und Gutsbesitzer aus dem Kreise
Proszowiz,
auf einen nahestehenden Altar sprang
und mit lauter Stimme rief: „Quis Furor o cives! was für tolle Streiche macht Ihr denn! Zhr führt
Euch ja nicht wie vernünftige Edelleute aus, sondern
Zhr fallet wie wilde Thiere über einander. Die Berathschlagungen sind noch nicht angegangen, noch ist
der Marschall nicht gewählt,
und Zhr zankt und
schlagt Euch! Was schadet's Euch, daß sich der Kö
nig eine Gattin nach seinem Wohlgefallen gewählt hat?
Zhr habt sie gewiß nicht gesehen; ich bin fest
überzeugt, daß Zeder, der sie sicht, dabei denken wird: Ach, wenn meine Frau auch so schön wäre!
Und
was ist's denn für ein Wunder, baß dem jungen
Herrn diese wunderschöne Augen, dieses Antlitz, die ses Lächeln, diese unzähligen Reize gefallen haben?
Und würde Polen etwas dadurch gewonnen haben,
wenn man unserm August ein Frahengesicht aus Ztalien oder aus Deutschland
hergebracht
hätte?
Wir haben dergleichen hier viele gehabt, und wie war es damals?
Alan kam zu einer solchen Dame
hin mit einer demüthigen Bitte, und sie verstand
einen nicht, und wenn sie antwortete, so antwortete
sie in ihrer ausländischen Sprache, und man ver stand sie auch nicht, und endlich wendete sie sich da
103 zu einem Deutschen, der hinter
ihr die Schleppe
trug, und lachte einen noch aus.
Zst es also nicht
besser, aus unserm eigenen Neste eine Gebieterin zu
haben, die an uns gewöhnt ist, die uns und unsere
Sitten kennt, die Dich versteht und die Du auch
verstehen kannst; die nicht in's Ausland die in Po len gehausten Schatze hinausbringt, sondern sie un ter ihre verdienten und benöthigtrn Landsleute »er theilt ?
(Hierin machte er eine Anspielung auf die
Königin Dona, und sah den Bischof Gamrat an.)
Euer Hochwürden werden mir verzeihen, sagte er, daß ich mich so ausdrücke."
Ein Gelächter ent
stand unter Allen. — Stanezyk fuhr so fort: „Zhr habt in Allem Unordnung hervorgebracht; der Mar
schall
und
die Abgeordneten
sind
noch
nicht
ge
wählt, und Ihr streitet schon um Znstruktionsarti-
kel, Zhr beladet den Wagen und wisset nicht, wer ihn ziehen wird.
Uebrigens, beruhet denn die ganze
Sicherheit und das Wohl des Staates
Verbindung des Königs?
auf jener
Es ist gleich viel, ob sich
der König eine Polin oder eine Deutsche erwählt;
wenn Zhr aber keine Steuer zum Unterhalt der Ar mee erleget, wenn Zhr solche nicht nach Podolien
und Ukraine hinschickt, so wird der wilde Tartar Eure Häuser plündern und niederbrennen, er wird
sich mit Euren Frauen und Töchtern verbinden, was
104 sage ich, verbinden? er wird sie in die schimpflichste
Gefangenschaft den Türken verkaufen.
Solche Co-
pulation vermeidet vielmehr, sichert die Grenzen Eu
res Landes, verthut nicht die Zeit mit wechselseiti
gem Zanken und Schlagen, und höret auf, unsern jungen Herrn unnütz zu erbittern.
Wenn er unse
rer Freiheit Gewalt anthäte, uns, ohne die Stände
zu Rathe zu ziehen, nach seiner Willkühr in's Ge fängniß schleppte, uns mit Abgaben drückte, so würde ich auch meine Stimme gegen ihn erheben; da ich
aber sehe,
daß bei Euch mehr Muthwille ist, als
Mißbrauch der Gewalt beim Könige, so will ich
meinen König vertheidigen." Ein ungeheures Lärmen und Schreien erlaubte
Stanczyl-n nicht weiter zu reden: Possenreißer sol len uns hier nicht Klugheit lehren! ließen sich meh
rere Stimmen vernehmen. — Desto schlimmer, ver setzte Stanczyk, wenn Zhr so wenig Klugheit be sitzet, daß Euch Possenreißer daran erinnern müssen.
Herunter mit ihm vom Altare, hauet ihn in Stücke! hörte man von allen Seiten rufen. — Ehret in ihm die freie Stimme eines polnischen Edelmanns! rie
fen Andere; und als jene große Menge in Bewe gung gcrieth, stellten sich der junge Tenezynski, Za-
moyski und viele Andere Stanczyken zu decken.
»m
den Altar herum,
Des alten Wojewodcn Ge-
105
sicht drückte wieder Unwillen über seinen Sohn au«. Lange hatte Kmita, der Wojervode von Krakau, ver geblich klingeln und klopfen müssen, um Ruhe wie der herzustellen. Wie bei einer großen Feuersbrunst, oder wie in einer mit Sturm eingenommenen Stadt, ließen sich die unterdrückten Stimmen des entflamm ten Zorne« hören. Dieses Getümmel dauerte über zwei Stunden, als Stanczyk mit einer durchdrin genden Stimme rief: Silentium! Entweder Ermü dung, oder Neugierde, was Stanczyk sagen würde, bewirkten, daß Alle auf einmal still wurden. „Mali ominis, insaustaque haec dies, sprach der Possen reißer , Hochgeborne, Hochwohlgeborne Herren Se natoren, Prälaten, Beamte und du hungrige Menge! seht Ihr denn nicht, daß schon sieben Stunden ver flossen sind, daß Zhr hier sitzt und schreit und doch zu nichts kommen könnet?"
„Glaubt ihr durch Sitzen zu erkämpfen Frieden? Nicht» als Ermüden." „Sehet Zhr nicht, daß die durch Euer Geschrei betäubte und ermüdete Sonne sich zur Ruhe ber giebt? — Und wie sieht es mit Euch aus? Zhr keichet, Zhr schnappet nach Luft, Zhr gähnet, weil Euer Magen leer ist. Die Dämpfe der an den Spie ßen sich drehenden Brawn werden Euch von den Lüften bis zu dieser heiligen Stätte zugeweht; der
106 Rausch des brausenden MethS, des Dters und des Weines hallet angenehm an Euren Ohren. O meine lieben, meine geliebten Brüder! da der heutige Tag infaustus est, cras dabit meliora Deus, folget mei nem Rathe, nunc vino pellite curas Cm ingeni iterabimus aequor.
Gehet essm und trinkm, und ich hebe die Session auf bis morgm um neun Uhr." Wie leicht geht dir überlegungslose Menge von einer Uebertreibung zur andern über! Dieseloen von Zorn entbrannten Haufen, die Stanczyken vor einer Weile mit ihren Säbeln in Stücke zerhauen wollten, wurden durch seine scherzhafte Rede aufgcheilert und zum Lachen gebracht. Zuerst ließen sich einige Stimmen hören: Der Rath des Herrn Stanczyk ist nicht übel, es ist schon spat, wir wollen lie ber die Session auf morgen verlegen. Nach die sen Worten gingen erst Einige, dann Mehrere, und endlich strömten sie haufenweise aus der Kirche, so daß die Wojcwvden und die ersten Matadore, als sie sich umsahen, die Kirche schon fast leer fanden; sie mußten selbst auch weggehen, um bei den ange nehmeren Berathschlagungcn zu präsidiren, nämlich beim reichlichen und ftöhlichen Mahle. Am folgenden Tage stand der junge Zamovsti
107 früh aus, ging um die Stadt herum, und dachte über die gestrigen Ereignisse nach.
Sollte es mög
lich sein, dachte er bei sich, daß die durch Geburt
und Vermögen ausgezeichneten Männer ihr Wohl gefallen daran sanden,
den verblendeten Adel irre
zu führen; daß sie, statt ihren Einfluß zur Aufrecht
erhaltung einer rechtmäßigen Freiheit,
der Sicher
heit der Grenzen, des Ansehens der Nation, anzu
wenden, einen so elenden Schein ergreifen, um ent weder ihrer Eitelkeit, oder ihrem Vortheil zu stöh
nen, nichtswürdige Streitigkeiten mit dem auf den
Thron gestiegenen König führen sollten?
Als er
eben so nachdachte und nicht errieth, daß er selbst
künftig diesen Adel als Werkzeug gebrauchen würde, begegnete er dem jungen Tenczynski.
Zch komme
von meinem Vater, sagte Tenczynski, er gab mir gute Lehren wegen meines Lautseins auf dem gestri
gen Landtage und wegen der Vertheidigung Stanczynks, doch war er weniger erzürnt, als ich fürch tete.
Wiederum bin ich der aus seiner Stube kom
menden räthselhasten Wahrsagerin begegnet, die sich
auch auf die Zimmer in Tenczyn einschlich.
Das
ist ein gutes Zeichen, sagte Zamoyfki fröhlich, ich weiß, daß sie vom Bischöfe Maciejowski zum Kmita hin und her ging, und wenn sie bei Eurem Vater war, so kann man sich gewiß versprechen, daß zwt-
108
schm dem Hofe und der Gegenpartei Vergleiche getroffen worden sind. — Und was soll dmn die alte Frau mit den Vergleichen zu thun haben? — Mehr als Zhr glaubt, versetzte Zamovski; den Glau ben an die Sterne, die vermeinte Fertigkeit die Zu kunft zu enthüllen, fängt man auch bei uns, so wie in andern Landern, hochzuschatzen an. Die Köni gin Bona führte diese Lehre in Polen ein; sie hat damit den Geist Augusts, so wie auch den unserer vornehmeren Herren und Damen angesteckt. Euer Vater, Radziwill, Kmita und unsere junge Königin glauben sicher daran. Kluge Leute, die an dem Steuerruder der öffentlichen Angelegenheiten stehen, wissen diese Schwachheit zu benutzen, unter diesen der Geistliche Macicjowski, der mit weitumsasscnder Aufklärung einen wahrhaft frommen Sinn ver bindet. Zch bin überzeugt, daß er selbst die Wahr sagerin Apollonia Herkommen ließ. Gehörig von ihm bezahlt, geht sie von einem Magnaten zu den» andern; sie schrecket oder schmeichelt mit einer gün stigen oder ungünstigen Stellung der Gestirne, bis sie einen jeden dahin gebracht, wo es nöthig ist. — Zch begreife nicht, sagte Tcnczynski, welche Verbin dung der Proszowizer Landtag mit dem Laufe der Gestirne haben sollte, und ich glaube nicht, daß der Wojewode Kmita ein großes Vertrauen zu der
109 Sterndeuterei habe.
Das ist wohl wahr, antwortete
Zamovski, für den Herrn Kmita und für viele An dere ihm ähnliche, ist die beste Weissagung eine gute
Starostei. — Als sie bei dem Bernhardiner-Kloster
vorbeigingen, wo der Wojewode von Sandomirien
logirte, und daselbst eine Menge Hofleute verschie
dener Herren sahen, sagte Zamoyfki: meine Muthmaßungen
gehen
Sehet Ihr,
in Erfüllung.
Die
Matadore sind jetzt bei Eurem Vater, um vorläufige Verhandlungen zu unterschreiben, um einig zu wer den, wer Marschall, wer Abgeordneter sein soll, was
in den Instruktionen einzutragcn und was wegzu
lassen sei.
Als er eben dieß sagte, sahen sie Beide
die Vertrauten der Wojewoden von Krakau, von Sandomirien, von Szydlowicz und
des Bischofs
Maeiejowski aus der Wohnung des alten Tcnczynski kommen.
selben.
Lukas Gornicki war an der Spitze der Sie zerstreuten sich alle unter den Haufen
der vor der Stadt im Lager befindlichen Edelleute.
Was bedeutet denn das? fragte der junge Tenczynsti.
Es bedeutet, antwortete Zamoyski,
daß unter den
christlichen Herren Friede zu Stande gekommen ist.
Diese Vertrauten
eilen nun mit den Zetteln
der
Kandidaten, für welche sie stimmen sollen, zu dem
kleinen Adel hin.
Unterdeß fingen auf Hunderten
von hingestellten Tischen Tausende von Bratwürsten
110 zu dampfen an, Branntweinflaschen glanzten dane ben.
Damit aber die Köpfe, welche nicht brausen,
sondern bejahen sollten, nicht gar zu sehr erhitzt wür
den, so riefen bald die Kirchenglocken die Gläubigen zusammen.
Zeder, der politische Versammlungen
kennt, weiß, daß wenn auch bei denselben eine zahl reiche Menge da ist,
wenn auch Alle ein gleiches
Recht genießen, so entscheidet doch überall nur die Meinung der Vermögenden und Gewandteren.
Zn
Proszowiz haben wir davon den klaren Beweis ge habt.
Die gestern so drohenden, so stürmischen Par
teien schienen heute, nachdem ihre Patrone einig geworden, nur von einem und demselben Geiste be seelt.
Alle hatten die an sie vertheilte Zettel, und
so stimmten sie alle mit gegenseitiger Verwunderung
für dieselben Kandidaten.
Der die Königliche Ehe
betreffende Artikel wurde gestrichen.
Gamrat wollte
ihn zwar, dem gegebenen Worte der Königin treu, noch eindrangen, als er aber den wider ihn entste
henden Lärm bemerkte und wohl daran dachte, daß
die Vertheilung der Gnadenbeweise in den Händen des jungen Königs sei, und daß der durch das Ver
sprechen der Sandomirer Srarostei gewonnene Kmita schwieg, so wollte er sich allein ferneren Unannehm lichkeiten nicht aussetzen.
Alle Herren, die bis jetzt
in ihren Meinungen so uneinig waren, wurden heute
111
ausgesöhnt und brachen nach Krakau auf. Die Wo jewodin aber trat die Reise mit ihren Töchtern nach Pobolien an, wo die Hochzeitfeier Zborowski's mit Sophien begangen werden sollte.
112
Fünftes Kapitel.
Sehet Euch, Krakauer Herr! sagte Sigmund August zum alten Zohann Tarnowski, als er in das
Königliche Zimmer eintrat; setzet Euch; wer so viel und so ausgezeichnet für sein Vaterland gearbeitet
hat, der kann auch vor dem Könige ausruhen.
Tar-
nowski rückte einen mit karmoisinrothem Sammet
und mit goldenen Tressen beschlagenen Stuhl heran und setzte sich darauf.
Seit langer Zeit, fuhr der
König weiter fort, war ich in meinem Herzen nicht
so sroh, nicht so ruhig, als heute.
Die Königin,
meine Mutter, hat sich endlich, nach vielen mir unnöthig verursachten Unannehmlichkeiten, nach so lan
ger Verfolgung meiner Frau, mit ihr ausgcsohnt. Gott gebe, daß es von langer Dauer sei!
Ich weiß,
baß meine schöne, meine gute Barbara, ihr nie zu neuem Unwillen Veranlassung geben wird; ich will
auch auf alle mögliche Weise gutes Einverstandniß unter ihnen zu erhalten suchen.
Was nützte mir
das große Reich, die goldene Krone, wenn ich das
allererste Gut nicht haben soll, nämlich Glück und
Ruhe in meinem Hause!
Auch der Zorn meiner Raths-
113
RathSherren hat sich schon abgekühlt. Sie beden ken nicht, daß sie so viele Freiheit genießen und nur ihren König wollen sie in Fesseln legen, indem sie ihm selbst das nicht ginnen, was jeder Dauer be sitzt, nämlich die Freiheit, sich eine Lebensgefährtin nach dem Herzen zu wählen. Das ist mehr als wahr. — Allergnädigster König und Herr! sagte der alte Tarnowski, Eure Königliche Majestät sind Selbst Zeuge, wie ich mir die ganze Sache habe an gelegen sein lassen; ich freue mich von ganzem Her zen, daß die Gegner den Weg der Mäßigung und der Vernunft wieder eingeschlagm sind. Wie feurig sollten wir wünschen, daß unser geliebte Stamm der Zagiellonen wieder blühen möge! Traurig blickt jeder auf die Ueberreste seines Geschlechts. Auch mir ist nur ein Sprößling geblieben; wenn mein Johann ohne männliche Nachkommen einst scheidet, so wird Tarnow mit allen Verdiensten des Tarnowskischen Stammes vom Schwerte auf den Spinn rocken übergehen. — Hier seufzte sowohl der Kö nig, als auch Tarnowski tief *). Ich weiß wohl. *) Don den Nachkommen Tarnorvski'S erzählt Niesiecki und nach ihm Okolski also: Habuit duas conjuges: Barbaram a Tcnczyn, ex qua susceperat Ioannem
Canonicum Crac. Altera conjux Sophia de Szydtowice
I.
8
114 sprach der König August, was Ich Euch und den: Geistlichen Samuel schuldig bin *), gewiß hat sich nur durch Eure Unterhandlungen der Herr Kmita, der sich Mir so dreist entgegenstellte, ja was noch mehr, der auf eine so ungebührende Weise auch An dere aufwiegelte, jetzt so dienstfertig und ehrerbietig gezeigt, und war bei Uns in Niepolomice; er bat daß Wir und Barbara ihn in Wischniz besuchen möchten **). Seine Aeußerungen waren Uns ange nehm, Wir sind bei Unsern Beleidigungen nicht un versöhnlich; wahrhaftig, wer sich nur an Uns wen det, der findet leicht in Unserem Herzen Aufnahme. Um diesen für Mich so frohen Tag, diesen Tag der Aussöhnung zu feiern, gebe ich in Meinem Schlosse einen Abendschmaus; Zch höre schon, daß man sich Versammelt. Aber wie mag sich Unser GeistlicherSamuel befinden? Seit seiner Rückkehr aus Petrikau, antwortete Tarnowski, nicht zum Besten. Zch ex qua susccpcrat loanncm Christ. Castel. Wagniensem, qui habuit Annam Odrowaz, scd sterilitcr dccedendo rcliquit omnia ct innumerabilia bona sorori suae conjugi Duci$ in Ostrog Constantini.
') So nannte der König den Geistlichen Samuel Maciejowski, welcher Großkanzler der Krone und Bi schof von Krakau war.
Alles geschichtlich.
115 habe Vogelverdern, meinen Arzt, zu ihm geschickt, sagte Sigmund August, Zch hoffe zu Gott, daß er
ihn Uns erhalten wird; er ist wahrlich ein tugend hafter und kenntnißvoller Mann, einen ihm gleichen
Staatskanzler wird Polen so bald nicht wieder ha
ben.
Zch erhielt Nachrichten aus Nom, daß die
aus Polen geschriebenen Briefe in der apostolischen
Kanzelei als Muster der Klarheit und des vortreff
lichen Lateins aufbewahrt werden. seine Werke*).
Diese alle sind
Zch will, wenn er besser wird, ihn
und Euch, Krakauer Herr, morgen oder übermorgen zu Mir laden, um über öffentliche Angelegenheiten,
und über die Krönung Zhrer Majestät der Königin zu berathen; sehr gern ziehe Zch den Rath solcher Männer ein, die mit ihrer Geneigtheit zu Mir,
wahren Eifer für das Wohl des Königreiches ver
binden.
Welcher wahre Pole könnte diese Gefühle
trennen! sagte Tarnowfki, und als er eben diese Worte
gesprochen, trat der Fürst Nikolay Radziwill herein.
Er verbeugte sich vor dem Könige und meldete, daß die eingeladenen Herren, der ganze Hof und die
*) Geschichtlich. Hicronimus Gyuntuir Cardinalis Sencn. Praepositus Signaturae Sanct.ae affirmabat; mihi non aliunde litterae Romanae mittentur quam a Rege Poloniae. Ann. Orichovii.
116 fremden Gesandten, auf die Ankunft des KinigS warteten. Sigmund August stand auf und ging in das Zimmer, wo ihn der ganze Hof und die Minister erwarteten.
Nachdem er sich mit ihnen eine kurze
Zeit unterredet hatte, und sich
den Flügelthüren
näherte, die nach dem großen Saale im Krakauer Schlosse führen, öffnete der Hofmarschall dieselben
und rief: Seine Majestät der König!
Bei diesen
Worten hörten die lautgewordenen Gespräche der wr; sammelten Gäste auf; die Minister, die hohen Reichst
beamten, die Hofteute gingen paarweise und reiheten sich an der Thür zu beiden Seiten.
Endlich erschien
auch der König in spanischer Tracht mit seinen vor angehenden Marschällen.
Er trug ein karmoisinro-
thes, mit Streifen von Silberstoff und Perlen be setztes Unterkleid, einen kurzen schwarzsammetenen,
mit einer breiten Goldstickerei besetzten Mantel; auf
dem Kopfe einen Hut mit drei Straußfedern, die durch eine mit großen Diamanten besetzte Agraffe zu
sammen gehalten wurden; auf der Brust hing der mit kostbaren Edelsteinen geschmückte Orden des goldenen
Vließes. Dieser junge Herr, erst 29 Zahr alt, war von lebhaftem Temperamente, von schönem Wüchse;
sein schönes Gesicht war ausdrucksvoll, sein Haar
blond, die großen Augen himmelblau, der nicht lange
117 Bart theilte sich von der Mitte an in zwei zuge spitzte Enden; bei jedem Schritte, bei jedem Worte, folgten ihm Anstand und ein angenehmes Wesen. Nachdem der König mit einer anmuthigen Verbeu gung des Kopfes die Anwesenden begrüßt hatte, wandt« er sich zum Herzoge d'Alba, dem Gesandten des Königs Karl V., und unterhielt sich mit ihm einige Augenblicke in italiänischer Sprache. Darauf ging er zum Markgrafen von Brandenburg und zum Herzoge Albrecht von Preußen, seinen Vasal len. Beide Fürsten wiederholten ihre Bitten, der eine um die Hand der Königstochter Sophie, der andere um Katharinens Hand. Zch hätte nichts dagegen, sagte der König, aber die Bischöfe sind wider die Verbindungen mit Fürsten anderen GlaubenSbekenntniffeS *). Noch hatte der König dir Worte nicht geendigt, als die große gegenüberstehende Thür geöffnet wurde, und man sahe auS derselben herauSkommcn: die bei den Fürstinnen Rabziwill, die eine Wojewodin von Wilna, die andere Wojewodin von Troki, Gemah linnen der Brüder der Königin; ferner die Frau *) Sieh« die Chronik Orzechowski's S. 25.
Di« Bi
schöfe willigten in diese Ehebündniffe nicht «in, und der Herzog von Preußen vermählte sich bald darauf mit der Tochter de» Herzogs von Braunschweig.
118 Szydlowiecka aus Krakau, die Frau Kmitowa, die
Frau
Sieniawska, die Fürstin Marianna Czartor
ryska, Gurkowa, Dembinska, Leszczynska, Mielecka und Andere.
Hinter ihnen schritt gravitätisch die
Königin Bona, die Mutter des Königs; zu ihrer
Rechten hatte sie die regierende Königin Barbara, zur Linken die Königin Zsabella, Wittwe des un garischen Königs Zohann von Zapola, diese hielt' ihren achtjährigen Sohn Sigmund an der Hand.
Eine so glänzende Gesellschaft zog Aller Augen auf sich.
Die' Königin
Dona,
eine
schon
bejahrte
Dame, trug eine schwarzsammetene Kleidung, mit einem Schleier, der vom Kopfe bis zu den Füßen
reichte *), auf dem Kopfe eine Haube von den vor züglichsten Brabanter Kanten; ihren Hals umgab
ein kostbarer Schmuck
von Rubinen und Perlen.
Der junge Andreas Firley, Sohn des Wojewodcn von Reußen, trug die lange Schleppe ihr nach; er
war so geschmackvoll und reich gekleidet, daß Zohann Ocinski, ein scherzhafter und durch seine Sti cheleien bekannter Mann, ganz leise zu dem neben ihm stehenden Oxa Rey sagte:
Baba stroi Firleie
(die Alte putzt ihn sich heraus).
Diese Worte
sind nachher zum Sprichworte geworden.
*) Eine gewöhnliche Tracht der Wittwen.
Die Kö-
119 nigin Bona, obgleich schon in Zähren vorgerückt
und corpulent, trug dennoch Spuren ihrer früheren Schönheit an sich.
Ihre große schwarze Augen
hatten mehr Feuer als Anmuth, ihr Teint war fein, aber blaß; in ihrem Gesichte malten sich die ger mischten Züge der spanischen und italiänischen Na
tion: obgleich ihr Blick stolz und gebieterisch war, so konnte sie ihren Worten doch, wenn es nöthig war, Reiz und Anmuth geben.
Die Königin Zsa-
bella trug ein enganschließendes, dunkelviolettes un
garisches Kleid mit Silberpalmen, einen hellcitronfarbenen, mit Zobel gefütterten und mit Perlen bc-
sehten Doloman; eine lange Perlenschnur mit Qua sten diente als Schleift; auf dem Kopfe hatte sie einen nicht großen Kolpak von Zobeln mit Federn
und unten mit einer Binde von schönen Diamanten versehen.
Zhr kleiner Sohn, der Prinz Sigmund,
war nach ungarischer "Art gekleidet, und hatte am Kolpak einen
diamantenen Busch; dieser war ein
vom Sultan Soliman an dem Tage vcrehrtts Ge schenk, als der junge Prinz unter seinen Schutz ge
geben wurde.
Zu einer andern Zeit hatte sowohl
dieser seiner Krone beraubte Prinz, als auch die
beiden Königlichen Wittwen
Aller Aufmerksamkeit
auf sich gezogen, aber jetzt waren Aller Augen der regierenden Königin Barbara zugcwandt; man über-
120
sah den Reichthum beS Putzes, um nur auf di« entzückende Schinheit ihrer Person zu sehen. Sie stand im 23sten Zahre ihres Alters. Ihre Gestalt war groß und über alle Beschreibung schön; bei je» der Bewegung, bet jedem Worte, bet jedem Lächeln zeigte sie eine unbegreifliche Anmuth. Ihre Wangen waren zart und weiß, alle Gesichtszüge vollkommen, die Augen groß und himmelblau, von unaussprechlichem Reiz, die Augenwimpern so lang, daß der Schatten derselben an ihren weißen Wangen zurück» strahlte, die schwarzen Augenbrauen stark, die Stirn schmal, die Form ihres Arm« hinreißend. Die Kinigin Barbara trug ein weißseidenes, ganz mit silbernen Halbmonden übersäetes Kleid; an ihrer Schul ter erhob sich ein hoher Kragen von den kostbarsten Kanten; drei Reihen großer Perlen schmückten ihren Hals; die Haare waren zierlich geflochten, und durch einen Adler von weißen Diamanten zusammcngehalten. Als sie sich zur Königin Zsabella wandte, blen dete sie mit ihrem weißen Halse, und indem sie ihren Mund lächelnd austhat, schimmerten ihre Zahne her vor, die weißer und gleichförmiger waren als orien talische Perlen. Zetzt sagte Peter Boratynski, sonst der größte Gegner der Königin, zu Kmita, dem Wojewoden von Krakau: Man muß wahrlich, Herr Wojewode, wenn man diese Dame ansieht, dem Könige
121 verzeihen, daß er sich von diesen zauberischen Netzen hat verleiten lassen.
Zndem sich der König August
zuerst der Königin Bona näherte, sagte er: Madame, der heutige Tag ist der glücklichste in meinem
Leben; welche Freude, die Mutter ihrer Schwieger« tochter, meiner geliebten Gemahlin, freundschaftlich
die Hand reichen zu sehen!
Madame, ich bin fest
überzeugt, daß wenn Zhr sie näher werdet kennen lernen, so werdet Zhr die besten Eigenschaften ihrer
Seele antreffen, Zhr werdet sie lieben.
schon,
Es genügt
daß sie meinen Sohn beglückt, antwortete
Dona mit gezwungener Sanftmuth, wenn sie mir theuer und werth sein soll.
Hier ist noch eine an»
bere Person, fügte die Königin hinzu, die der Bru derliebe und Unterstützung Eurer Königlichen Maje
stät bedarf; ihr Wittwenstand, der Verlust des Rei
ches, die Erwägung, daß sie in einem Königs-Hause geboren ist, alles dieß spricht für sie.
Zch habe schon
daran gedacht, antwortete Sigmund August, und ihr
den Opolfkier Kreis, Sanok in Reußen und Krzepice in Sieradz angewiesen *).
Zch will dieser Freigebig
keit auch nicht nachstehen, sagte Dona, und überlasse ihr von meiner Ausstattung Wielun.
Dank sei Euch,
werthgeschätzte Mutter und Bruder, sagte die Köni-
) Geschichtlich.
122 gin Isabella, für Eure großmüthige Versorgung; ich weiß lebhaft diese Gnadenbezeigungen zu empfinden,
aber in meiner beweinenswerthen Lage wäre für mich die einzige Freude, mit Euch in Polen, in Krakau zu leben, an den Stellen, wo ich geboren und erzogen bin, wo so vieles mir angenehme Erinnerungen zu
führt. Diese Worte brachte die Königin Isabella mit Thränen hervor.
Weine nicht, meine liebe Mutter,
ließ sich der Prinz Sigmund vernehmen, erinnerst Du Dich wohl, daß, als man mir befahl die Krone
von Ungarn Ferdinanden zu übergeben, mir ein klei
nes Kreuz von derselben in dem Schlosse zurückblicb,
und weißt Du auch noch, was ich zu der Zeit sagte,
— daß zum Kreuze auch die Krone zurückkehren
wird?*) Ich habe Hoffnung, daß diese Wahrsa gung in Erfüllung gehen wird, und dieser Pallasch, fügte er hinzu, indem er an seinen kleinen Sabel
mit der Hand schlug, wird sie ausführcn.
Gott
helfe Dir, mein munterer Knabe, sagte der König, und küßce ihm die Stirn; hieraus wandte er sich zu der Königin Mutter und sagte:
Madame, Ihr er
laubt wohl, daß wir die Lustbarkeit eröffnen.
Wie
es Eurer Königlichen Majestät beliebt, antwortete
Bona, aber Ihr erlaubet, daß ich mich zeitig ent-
) Geschichtlich.
123 fernen darf, denn morgen möchte ich nach Masovien
reisen, um zu sehen, wie weit die von mir angelegte
Gärten gediehen sind. Zch ließ eine große Menge von Weinstöcken aus Ztalien kommen, die ich in Czersk pflanzen will; ich habe Polen schon mit unbekannten
Küchengewächsen bereichert, und möchte auch gern den Polen die Weintraube schenken *), nur ist es
Schade, daß die hiesige Sonnenwärme sie nicht sehr begünstigt.
Ich hoffe, sagte der König, daß diese
für mich immer schmerzhafte Entfernung nicht lange dauern wird. Hierauf nahm er die Königin von Ungarn an
die Hand, und gab dem auf einer hohen Gallerte befindlichen Musikchor ein Zeichen, daß es anfangen
sollte.
Sogleich ließ sich die Königin Bona auf einen
für sie zubereitetcn Sih nieder; der Markgraf von
Brandenburg nahm die Königin Barbara, der Her zog von Preußen
die Fürstin Radziwillowa, Ge
mahlin des Bruders der Königin, und Herren
nahmen
Frauen zum Tanz.
die Senatoren
die Hofdamen
und
andere
Als der König den ersten Kreis
machte, hielt er ein wenig im Tanze an, und ver
beugte sich vor seiner Mutter, dieß thaten auch die Anderen. — Schon
) Geschichtlich.
waren einige Tänze beendet.
124
als die Thür an der großen Treppe geöffnet, und der alte Tenczynfli, Wojewode von Sandomirien, auf einem großen Stuhle hereingebracht wurde. Dieser ehrwürdige Mann konnte sich schon nicht mehr auf seinen Füßen halten, und ließ sich selbst nach den» Senate hinbringen. Er trug einen dunkelblauen sammelenen Oberrock, der mit einem großen Carbunkel zugekn-pst ward, einen Zupan von Goldbrokat, einen reichen persischen Paß, und in demselben einen mit kostbaren Edelsteinen besetz ten Dolch. Neben ihm stand sein junger Sohn, Johann Tenczynski, der nicht längst vom Hofe des Kaisers Karl V. zurückgekommen war. Seine sehr schine Gestalt erhihete eine reiche und prächtige spanische Kleidung; auf der Brust hatte der Jüng ling rin Medaillon mit dem Bildnisse des Kaisers, welches jener ihm bei der Abreise schenkte, und ihn zugleich mit einem Empfehlungsschreiben an den Kö nig von Polen beehrte. DaS Erscheinen dieses ZünglingS verursachte ein angenehmes Gemurmel unter den Damen. Die Zungfrauen, die von der Seite auf ihn blickten, zischelten sich etwas in'S Ohr; man.kann wohl schließen, daß ihre Bemerkun gen, wenn er sie gehört hätte, unsem jungen Ritter nicht beleidigt haben würden. Und eS war wirklich schwer einen Jüngling zu finden, der reichlicher von
125 der Natur ausgestattet worben wäre. Ein hoher und schlanker Wuchs, ein männliches Gesicht, durchs dringende Augen voller Anmuth, ein scharfsinniger Witz, eine weit umfassende Bildung, Welt-Kenntniß, seltene Annehmlichkeit im Umgänge, Gewandtheit beim Turnier, Tapferkeit im Kampfe, hatten ihn auch schon in stemden Landern ehrenvoll ausgezeich net. Der junge Tenczynski, fast gleichen Alters mit Zohann Zamoyski, hatte denselben in Padua kennen gelernt; die unter ihnen geschlossene Freundschaft war eben so innig als dauerhaft. Als ihn Zamoyski erblickte, kam er, sobald er nur den Tanz mit Frau lein Mielecka, der Tochter des Wojewoden und Feld herrn von Podolien, geendigt hatte, sogleich zu ihm heran, und Beide unterhielten sich über den neulichen Landtag; und sie hatten sich gern noch lange unter halten, wenn nicht die Königin Bona Tenczynski'n mit der Hand ein Zeichen gegeben hatte, naher zu ihr zu kommen. Diese Dame that an ihn viele Fragen nach der Gesundheit Karls V., nach dem Znfanten, seinem Sohne, spater Philipp II. Ver spricht dieser junge Fürst, fragte sie, die Macht sei nes Vaters zu erhalten? Es ist schwer zu errathen, erwiederte Tenczynski, was er verspricht, und was er halten wird; der junge Znfant scheint verborgm und undurchdringlich zu sein. Das ist gerade eine
126
sehr schöne Eigenschaft an den Regierenden, fügte Bona hinzu, und indem sie dem Gespräche eine andere Wendung gab, fing sie an zu scherzen, ber hauptrnd, daß der junge Tenczynsti am Madrider Hofe unter so vielen Schönheiten sein Herz schon werde verloren haben. Man bemerkte, daß sich die Königin Dona wahrend der ganzen Unterhaltung angenehm zu machen suchte, und daß sie, als der junge Tenczynsti wegging, ihm die Hand zum Kusse hinreichte, die sie noch weiß und schön erhalten hatte. Der König hörte zeitig auf zu tanzen, ging dann umher und unterredete sich mit den vornehmerm Herren und mit den fremden Gesandten; freundlich, heiter und herablassend zog er die Herzen Aller an sich. Bei seiner Meinung fest beharrend, grollte er nie gegen solche, die anders gesinnt wa ren, und da er wußte, wie der alte Tenczynsti sich öffentlich hatte verlauten lassen, daß er lieber den Sultan Soliman in Krakau, als Barbara Radziwillowna auf dem polnischen Throne sehen wollte *), so näherte er sich ihm lächelnd. Da der Wojewode allein nicht aufstehen konnte, so hielt er sich mit einer Hand an seinem Sohne, mit der andern an ) Geschichtlich.
127 dem ihm zur Seit« stehenden jungen Zamoyski, um
vor seinem Könige zu stehen.
Bleibet sitzen, Herr
Wojewode, sagte August,
und auf die im Tanze
kreisende Königin zeigend.
Gestehet jetzt selbst, daß
es wohl angenehmer ist, auf diese schöne Frau in Krakau, als auf einen langbärtigen türkischen Sul tan zu sehen. — Allergnädigster Herr und König,
was ich gesagt habe, entsprang nur aus der tiefsten
Verehrung für die Person Eurer Königlichen Ma-
jestat und für Hichstderselben Königliche Würde. Die Kühnheit der Polen in ihrer Rede ist eine Bürgschaft aufrichtiger Zuneigung zu ihrem Herrn;
wenn Eure Majestät sie uns nicht erlaubte, wenn
Höchstdieselbe sich von uns entfernte, wie sollet Ihr, Allergnädigster Herr, erfahren, was in Eure»» Kö nigreiche Gutes oder Böses geschieht. Heute, Aller
gnädigster Herr, da Eure Majestät mit Eurem Kö niglichen Herzen an dieser schönen Dame fest und
unbeweglich hangen, so will ich mich auch bekehren,
und ich wünsche nichts feuriger, als daß Eure Kö nigliche Majestät sich lange, lange Zeit dieser schö
nen Gemahlin erfreuen und den schon ausgehenden, uns theuren Zagiellonenstamm mit emporschießenden
Sprößlingen wieder erneuern mögen.
Mein Wojer
wode, sagte der König, ich danke Euch herzlich für
Eure Wünsche.
Der alle Tenczynffi ergriff des
128 K-nigS Hand, und als er sie küßte, rief der König seiner Gemahlin mit folgenden Worten zu: Komm, Barbchen, und versöhne Dich mit dem Wojewoden! Die schöne Königin näherte sich; der Wojewode wollte wieder aufstehen, da er es aber nicht konnte, so küßt« er mit Hochachtung ihre schneeweiße Hand. Zch habe keinen Groll gegen Euch, sagte die Köni gin; leicht vergißt die, die Euch niemals beleidigt hatte. Zum Beweise, sagte der König, daß diese Versöhnung dauerhaft sein wird, müßt Ihr mir, Wojewode, eine Bürgschaft geben, und zwar in der Person Eures Sohnes; ich nehme ihn an meinen Hof. Der junge Tenczynsti verbeugte sich titf, und der Vater sagte: Alle Polen, sowohl die Vater als di« Söhne, sind zu Diensten Eurer Königlichen Majestät. Einer der Kammerer kam dem Könige zu mel den, daß die Tafel servirt sei. Zudem dir Königin Dona dieß sah, verließ sie ihren Sih. Der König August eilte ihr nach, führte sie bis an die Thür, und küßte ihr die Hand. Bona ging demnach her aus, eine Hofdame und Firley hinter ihr. Die Flügelthür nach dem Speisesaale wurde geöff net. Sobald der König mit der regierenden Köni gin und der Königin Zsabella hineinttat, kamen zwei Hosleute ihm entgegen; der eine hielt «in massiv gcl-
129 goldenes Waschbecken und eine gleich große, mit sel tenen Medaillons gezierte Kanne, der andere ein
langes mit Gold gesticktes Handtuch.
Der König
zog die Ringe von den Fingern ab,
und gab sie
einem Hofinanne, und nachdem er sich gewaschen hatte, setzte er sich mit seiner Gemahlin, Schwester,
Fürsten und mit den fremden Gesandten zur Tafel. 2ltt eine andere große Tafel setzten sich die Senato ren und Damen.
Man hörte abwechselnd Vocal-
und Instrumental-Adusik, die von Wazlaw Szamotulfki, dem Königlichen Kapellmeister, dirigirt wurde.
Wir wollen uns über die Pracht dieses Mahles nicht
weitläufig auslassen;
Witz, Aufgeräumtheit
und Fröhlichkeit gesellten sich zu demselben.
Doch
darf man einen kleinen besonderen Tisch, an wel chem eine Gesellschaft von witzigen und fröhlichen
Männern saß, nicht übergehen.
Hier befanden sich
der junge Johann Zamoyski, Königlicher Secrctair; Bartolomäus Paprocki, Verfasser vieler Werke; Ni kolaus Rey von Naglowicz, Sccretair der Königin Bona; Klemens Zanicki; Johann Kochanowski; La
zarus Andryszowicz, der Urheber einer schönen Buch
druckerei in Krakau; Stanislaw Orzechowski, Dom herr aus Przemysl, und Lukas Gornicki.
Man fing wie gewöhnlich ein allgemeines Ge spräch an, während dessen Nikolaus Rey, der einen I.
9
ISO mit Tigerfell gefütterten Oberrock trug, und um den Hals «ine goldene Kette, in die Pasteten ein hieb, und keinem Gerichte Pardon gab *). Nach dem er sich ziemlich gesättigt hakte, rief er, heiter und scherzhaft, wie er immer zu sein pflegte, der viel sprechenden Menge hastig zu: Lcnitc clamorera sodalcs
Et cubito remanete presso!
Zugleich schenkte er einen goldenen Decher voll Weins, leerte ihn ganz aus, und sagte: Siccis omnia nam dura Deus proposuit, neque Mordaces aliter diflugiunt sollicitudines.
Denke daran, sagte er weiter, sich zu Zanicki wem dend: neu miserabiles decantes Eiegos! Du hast einen Rebhuhnfuß und ein Stückchen in Wein mit Wasser getauchten Biscuit gegessen; kann man sich denn wundern, daß Du nachher traurige und klar gende Verse dichtest? Anders haben es Deine leib; tichen Brüder, Tibullus, Catullus, Propertius ge; macht; sie schrieben so wie Du, aber zugleich trän; ken und liebten sie auch. Es ist Jammerschade, daß ein so vortrefflicher Dichter so wenig ißt und trinkt. Bei diesen Worten hob Zanicki seine dun; kelblauen Augen auf, sein blasses Gesicht wurde leb;
131 Hafter, er sagte mit einem anmuthigen Lächeln*): Herr von Naglowicz, nichtAlles ist Allen gegeben, selten schreibt jemand so leicht und ißt mit solchem Wohlgeschmack als Zhr; Ihr habt auch Kräfte darnach, mir hat Gott eine schwache Hülle der Seele gegeben; überdieß steckt der schwer erlittene Verlust noch in meinem matt schlagenden Herzen; ich bin vielleicht mehr nur da als ich lebe **). Weg mit diesen düstern Gedanken, ließ sich Johann Kochanowski vernehmen. Du wirst mit uns und in der Nachwelt lange leben; Du singst in einer Allen gemeinsamen Sprache, uns werden nur die Slavonier kennen. Das ist auch noch sehr ungewiß, sprach Lazarus Andryszowicz, ein berühmter Buch drucker aus Krakau, wenn Zhr so lange mit dem *) Janicki beschreibt sich in stium also:
der
7ten Elegie Trl-
Invalidum mihi corpus erat viresque pusillac Prangeret cxiguiis quasque rrpentc lahor.
Forma decora satis, vultus non tnstis in ore, Non dubia ingenii signa pudous erant. Linguae usus sacilis, vox clara, coloris iniago Candida, et ad jus tu in facta statura modum; Cor subitum ad lacrymas, misercri melle gerebam etc.
**) Funcre patroni mca mens labcfacta senescit
. . . Spcs iuea ine postquarn et tulela reliquit Abjcci primae tristia Fi la lirae.
132 Sammeln und Herausgeben Eurer Schriften zögert; warum wollet Ihr sie mir nicht lieber anver-
trauen? Zhr sollet sehen, wie schön ich sie drucken werde.
Nach meinem Tode, sagte Kochanowski, kön-
net Zhr Euch mit meiner Frau darüber vergleichen, sie sammelt sorgfältig meine Brocken....
Wessen
Gesundheit werden wir trinken? unterbrach wieder
Rey von Naglowicz, nachdem er mit einem tüchtig
gen Stücke Hirschbraten fertig geworden.
Des Bi-
schoss Maciejowski, sagte Johann Kochanowski, er
ist ein wahrer Beschützer der Musen.
Recht gern,
rief der junge Zohann Zamoyski, wir wollen aber
noch die Gesundheit des Geistlichen Peter Myszkowfki hinzufügen! Das ist schön von Euch, unterbrach der Geistliche Orzechowski, daß Zhr für das lang wierige Pensum,
welches
Euch der
das Kron-Archiv zu ordnen*),
geistliche Unterkanzler aufgetra
gen, dafür, daß er Euch durch diese schwere Arbeit Eure Gesundheit verkürzt,
trinken wollt.
noch seine Gesundheit
Sehet, fügte er, auf den jungen Za-
moyski weisend, hinzu, wie dieser junge Herr über
den Pergamenten blaß geworden ist! Zch preise die Geduld, sagte Rey von Naglowicz und langte mit
•) Geschichtlich. Sich' die Lebensbeschreibung I. moyski's.
133
der Gabel nach einem fetten gebratenen Kapaun, ich preise die Geduld, aber ich beneide sie nicht; über den vermoderten und bestaubten Büchern zu sihen, die Ausdünstungen von tausend Milben hinunterzuschlucken, dafür bedanke ich mich ganz ergebenst. Der Geistliche Bischof Kromer von Ermland hat dieß ohne Erfolg versucht. Es ist wahr, sagte Johann Zamoyski, daß dieß keine unterhaltende Arbeit ist, aber sie kann doch einmal nühen. Ueberdieß enthalten diese alte Schriften die frühesten Begebenheiten unserer Vorfahren; das zu wissen, was in unserm Geburrslande vor Jahrhunderten geschah, intereffirt mehr, und ergreift lebhafter, als die gewiß glänzen deren, aber fremden, am Tiber, Skamander, Eu phrat vorgefallenen Begebenheiten. Zch bin auch dem Herrn Zamoyski Dank schuldig, ließ sich Bartolomaus Paprocki hiren, daß er mir zu diesen merkwürdigen Sammlungen Zutritt erlaubt; ich war so glücklich, viele Nachrichten von den bedeutend sten Familien für mein Wappcnbuch auszuziehen. Zndem sieht Nikolaus einen Königlichen Bedien ten auf einer silbernen Schale einen großen Marzi pankuchen tragen, und ruft ihm zu: Her zu mir! hierauf nahm er ein Messer, schnitt die größte Halste davon ab, und sagte dann: Der Rest wird diese Her ren über und über sättigen. Zn einem Augenblicke
134 verschwand die Zuckermasse, und nachdem Rey einen
Decher Wein darüber gegossen hatte, sagte er zu Zar moyfli; Gestehet nur, daß dieß viel angenehmer schmeckt als der glücklichste Erfolg Leszko's des Weir
sen.
Zch liebe keine andere Arbeit, als solche, die
mich ergötzt, und zu der Zeit, wenn ich dazu gerade veniam habe. Zn solcher Zeit ergreife ich die Feder;
ein Paar hundert Verse in einer Stunde, das ist nichts für mich. Johann Kochanowski strich seinen
Schnurrbart, und sah mit unmerklichem Lächeln Zar Nicki an.
Ein jeder von uns, ließ sich Zanicki
vernehmen, arbeitet nach dem ihm von Gott verlier henen Talente. Zhr z. B. schöpfet mit einem imge; hcuren Kruge aus der Hippocrene; Herr Kochanow ski erhebt über Alles Davids Hymnen und die
Thaten unserer Ritter, in einer so schönen, bis jetzt
noch ungehörten Dichtung; der Geistliche Orzechow-
ski donnert mit der Feder des Demosthenes auf die Ketzereien des Stemkart; Herr Paprocki entwickelt
die verwickelten Knauel der adelichen Geschlechter; der Bischof Kromer verbreitet durch den Styl des
Livius die vaterländischen Ereignisse unter die Seinigen und unter die Fremden; eine mit ihnen ge
meinschaftliche, aber viel schwierigere Arbeit, hat der junge Zamoyski über sich genommen. Zch von Euch
allen an Kräften der schwächste, schon nahe der Li-
135
bitina, besinge mit schwacher Stimme mein Leiden, und meine Dankbarkeit gegen Krzycki, gegen Kmita, die mich Verlassenen mit ihren Flügeln deckten. Glück lich bin ich, daß mir Gott vergönnt hat zur Zeit Au gustus geboren zu werden, wo, nach einem langen Ge klirre der Waffen, süße Gesänge der Musen ertönen. Tolle Polone, caput! satis est jacuisse malignis Hactenus in tencbris: tolle Polone caput! Bello clarus eras tantum, studiumque Gradivi, Inter vicinos, laus tua tota fecit. Iam nunc, pacificis Musarum ex artibus acceptum Incipis a Cricio nomen habere tuo *).
Hier hob sich August vom Stuhle auf, und mit ihm auch die Anderen, auch unsere Gelehrten stan den auf. Nikolaus aber fand noch Zeit, um das, was auf den Schüsseln geblieben war, rein aufzu räumen.
) I. Zanicki's Elegien.
136
Sechstes Kapitel. Schon hatte die Schloßglocke die siebente Mor genstunde angekündigt; der Lärm der Käufer und Verkäufer auf dem Markte von Krakau wurde im mer größer; auf dem Schloßplätze wurden große Wagen mit Geräthschaften der nach Masovien rei senden Königin Dona beladen. Der Wojewode von Sandomirien, Johann Tenczynski, der wie alle sei nes Alters früh aufstand, hob sich mit Hülfe seiner Waffenttäger und Vestarien von seinem Bette auf, knieete vor das Bild der Mutter Gottes, welches von Leonard de Vinczi verfertigt war, und betete lange. Nachdem er sein Gebet geendet, setzte er sich zu der mit Weinsuppe gefüllten silbernen Schale hin. Während er dieselbe einnahm, trat Herr Kor lyska, sein Hofmarschall, herein. Was giebt's, Herr Anton, fragte der Wojewode, hat mein Sohn Be quemlichkeit gehabt? Er schlaft wohl noch nach dem gestrigen Feste? Er ist schon aufgestanden, antwor tete Kolyska, eben ist Herr Francisko Lismanini von der Königin Mutter gekommen, mit der Bitte, daß er sich zu ihr hinbegeben möchte. Und wozu! ries
137 der Wojewode, ist etwa Firley zum Ueberdruß ge worden? Au solchem Dienste habe ich meinen Sohn nicht erzogen. Viele Herren, fügte der Marschall hinzu, haben sich schon in den Zimmern versammelt. Gebet mir meinen Rock! rief der Wojewode; und als er angezogen war, ließ er sich nach dem Saale hinbringen. Er fand dort einige Senatoren, viele Kreiebeamten, grißtentheils Sandomirer, eine Menge Hofleute, Kammerdiener und Waffenträger. Diese ersuchten ihn, ihnen zu Aemtern beim Könige zu verhelfen, jene zu Starosteien, andere endlich stell ten ihm ihre jungen Söhne vor, daß er sie an sei nen Hof nehmen möchte. Der Wojewode unterre dete sich mit Allen sehr freundlich. Allen zeigte er den Willen, dienstfertig zu sein; die vorgestellten Jünglinge nahm er an seinen Hof. Nach langen Gesprächen wollte er schon nach seinen Gemächern zurückkehren, als sein Sohn Johann Tenczynski er schien. Sogleich nahm ihn der ehrwürdige Greis an die Hand, und indem er ihn der ganzen Ver sammlung vorstellte, sagte er: Meine Herren, ich empfehle meinen Sohn Eurer brüderlichen Zunei gung, er diente im Auslande beim Kaiser Karl V. einzig deshalb, um sich zu dem Dienste seines Vater landes vorzubereiten; er wird sich bemühen. Eures Wohlwollens würdig zu erscheinen. Dieß sagend.
138 entfernte er sich und gab seinem Sohne ein Zeichen, ihm zu folgen. Sobald sich der Wojewode entfernte, lud sein Hofmarschall Kolyska alle Anwesenden zum Früh stück ein. Man machte die Thür nach einem noch größeren Saale aus, in welchem die Tafel für mehr denn hundert Personen gedeckt war, und sogleich von den Gasten und Hofleuten besetzt wurde. Die übrige Zeit des Tages wurde unter Vor kehrungen zu der Reise nach Wiszniz zugebracht. Heut zu Tage würde das kaum eine Stunde Zeit erfordern, aber in den Jahren, wo alles mit Pracht angeschickt wurde, wo ein Gewölk von Hofleuten nicht nur an den König, sondern auch an die vor nehmeren Herren sich anhing, machten die klein sten Besuche eine wichtige Vorbereitung nothwendig. Noch den Tag vor der Abreise des Königs nach Wiszniz schickte Karwicki, Königlicher Quartiermei ster, erst Wagen und Gerathschasten dahin ab, fer ner auch zwölf Gespann Pferde aus dem Königli chen Stalle zum Vorlegen auf den Stationen. End lich brach auch der König mit feinet Gemahlin un ter Freudengeschrei einer unzähligen Volksmasse auf. Außer den Senatoren und Kronbeamten ritt noch vor, hinter und bei dem Königlichen Wagen, auf muthigen Rossen, eine Menge von Hofleuten, Was-
139 fenträgern und reich gekleideten Pagen.
Die Köni
gin Barbara, obgleich sie ein wenig unpäßlich war, begleitete doch den König auf dieser Reise, weil sie
fürchtete, daß der Wojewode Kmita ihr Nichter scheinen für Erinnerung an die früheren Beleidi
gungen aufnchmen könnte.
Sobald sich die fünf
vergoldeten Thürme des Schlosses Wiszniz
sehen
ließen, erblickte man eine große Menge Reiter und
kostbare Kutschen, die dem Könige entgegen kamen. Es war Kmita, der Wojewode von Krakau und
Großhofmarschall der Krone, mit seiner Gemahlin aus dem Hause Herbut, Tochter des Zohann Herbut von Dobromil; Barza's und Stadnicki's, Schwester-
Söhne und Töchter vom Wojewoden; diese waren
in besondern Kaleschen und jene zu Pferde.
Die
umgebende Menge von Freunden, Hofleuten und Ritterschaft des Wojewoden, glich beinahe der Die
nerschaft des Königs. Kmita, in einem ponceaurothen, durch eine mit
kostbaren Steinen
Oberrock, einem
besetzte
Schleife
festgehaltenen,
und in einem Kolpak von Zobel mit
dimnantenen Busche,
ritt
einen arabischen
Renner; das Hauptgestell desselben, der Sattel, der Sturzriemen, die Schabracke waren mit Perlen und
kostbaren Steinen beseht, die Steigbügel waren von Gold, von dem Kehlrtemen hing unter einem gol-
140
denen Monde eine lange von weißen Haaren und in Gold gefaßte Troddel. Nicht weniger kostbar war das Sattelzeug der Schwester-Söhne des Wojewoben und seiner vornehmeren Freunde. Einer der selben hielt aus der mit einem Handschuh von Elendthierhaut überzogenen Hand einen schincn Falken mit goldenem Ringe und goldener Kette. Als sich der Wojewode der Königlichen Kalesche näherte, stieg er vom Pferde ab, bewillkommete den König und die Königin, indem er ihnen die Hande küßte. Auch die Wojewodin kam heran und stattete der König lichen Herrschaft ihre Ehrerbietung ab, indem sie Höchstderselben zugleich ihre Schwester-Töchter und die Fräulein aus den ersten Häusern im Königreiche verstellte *). Die Bcwillkommungsreden dauerten so lange, daß schon die Roscnwolken der untergehcndcn Sonne erloschen. Schon brach eine dichte Dämmerung ein, als der König in die Thore des Schlosses Wijzniz einfuhr. Hier überraschte der Glanz der unzähligen funkelnden Lichter Aller Augen. Vier Flügel dieses *) Lies darüber Kromer, de Republica et Magistrat« Poloniae: nec pudendum aut dcdccori est hoc genus servitutis, sagt er, scd liberale ac sociabile: nec rara est in co vicissitudo, ita ut cum, quis habeat in ministerio, ejus parentibus ipse servirCL
141 großen Gebäudes, die Thürme, die Thore, die Ge simse waren mit Lampen erleuchtet; die Namenzüge
des Königs und der Königin, Sinnbilder und dazu
passende Ausschriften, brannten in verschiedenen Far
ben.
Der Schloßplatz war mit einer Menge Rit
terschaft und Volk angefüllt; das Glockengeläute,
der Trompeten- und Pauken-Schall, das Jubelge-
schrei, der an den hin und her wehenden dichten Hclmfedern und an der glänzenden Ritterrüstung zurückprallende Fackelschein, bemeisterte sich mit leb
haftem Entzücken aller Sinne.
Die Treppen, die
Zimmer im Schlosse, waren mit den aus benachbar
ten Wojewodschaften eingeladenen vornehmen Gasten vollgepropft.
Aller Augen wandten sich auf die
schöne Königin, als sie die Treppe betrat und mit
einem
grüßte.
anmuthigen Lächeln
die Versammelten
be
Die über ihrem Gesichte verbreitete Blässe
einte mit dem Entzücken über ihre Reize ein inni ges und rührendes Mitleid.
Nachdem der Wojer
wode die beiden Majestäten in die für sie prächtig
eingerichteten Zimmer eingeführt hatte, geleitete er ebenfalls die Fürsten Radziwille, den Wojewoden
von Wilna und den von Troki, nach den ihrigen; der eine war ein leiblicher und der andere ein Halb-
Bruder der Königin. — Dem muntern Johann Tenczynski, ob er gleich seines jugendlichen Alters
142 wegen nicht viel Ansprüche aus Auszeichnungen zu haben schien, wurden sie doch mit großer Zuvorkom
menheit zu Theil.
Aus fernem Südlande, sagte
Kmita, kam die Kunde Eurer Tapferkeit, durch
welche Zhr Euch sowohl im Kriege, als auch beim
Turnier rühmlichst hervorthatet, auch bis nach um serm Norden.
Der Kavalier, den Seine Majestät
der Kaiser Karl selbst zum Ritter geschlagen, hat das Recht auch Andern diese Auszeichnung zu er
theilen. Zch erdreiste mich daher Euch zu bitten, im Beisein des Königs, unsers Allergnädigsten Herrn, meine beiden Schwester-Söhne, den Herren Darza
und Stadnicki, zu Rittern zu schlagen; es sind alle
dazu
nöthigen
Vorbereitungen
getroffen.
Möge
dieß Werk zum Bunde zwischen uns dienen, den
ich gern immer enger zu sehen wünsche! Tenczynski errieth nicht, keiten,
wohin diese Herzlich
diese schmeichelhaften Reden zielten;
aber
der in Zähren vorgerückte Wojewode, der von zwei
Frauen, von
denen die erste Tochter des Eorka,
Burggrafen von Posen, und die andere Herbutowna war, keine Nachkommen hatte, gründete seine ganze Hoffnung auf seine Schwester-Söhne und Töchter,
nämlich auf Darza's und Stadnicki's: er wünschte also gern, daß die ältere, Hedwig Stadnicka, mit Tenczynsti in eheliche Verbindung treten möchte.
143 Als die beiden Majestäten ein wenig ausgeruhet hatten, begaben sie sich zum Abendessen nach einem dazu eingerichteten Saale.
Ihnen gingen die Groß-
marschälle, Kmita und Mielecki, mit ihren Stäben
voran.
Der König und die Königin sammt den
Senatoren saßen an einer besonderen Tafel;
der
Tisch bog sich unter dem vergoldeten Silberzeuge
und unter den goldenen großen Pokalen. Die Knappen und Kammerdiener des Wojewoden warteten
auf.
Beim Dessert überreichte die Wirthin der Er
lauchten Herrschaft einen Marzipankuchen und pries ihn an, weil er von ihrer Schwester-Tochter gebacken sei.
Kmita, der auch ein Held beim Glase war,
füllte einen massiv goldenen Pokal mit Malvasier und leerte ihn auf die Gesundheit der Königlichen Herrschaften aus.
Als dieß auch die Anderen tha
ten, so bebten die Schloßfeyster vom Knalle der
Kanonen, der Pauken, Ausruf der Anwesenden.
der Trompeten und vom
Der König trank mit
einem kleinen Glase die Gesundheit des Wojewoden. Nach geendigter Abendmahlzeit näherte sich der schon ein wenig berauschte Kmita dem Könige ehr
erbietigst und sagte:
Allergnädigster Herr, ich wage
Eurer Königlichen Majestät eine Bitte vorzutragen.
— Und worin besteht sie? fragte der König. —
Eure Königl. Majestät
wollen
allergnädigst
dem
144 Herrn Tenczynski erlauben, meine beiden SchwesterSöhne, den Barza und Stadnicki, zu Rittern zu schlagen. — Sind sie auch dazu vorbereitet? — Vollkommen, versetzte der Wojcwode, die letzten Ce remonien werden sie diese Nacht verrichten. — Recht gern, antwortete der König; mag dieß mor gen geschehen. Kmita rief seine Schwester-Söhne herbei, und diese küßten des Königs Hand. Nachdem die beiden Zünglinge einige Tage vor her mit Beten und Buße zugebracht hatten, gingen sie in Gesellschaft der Pathen, dir man wie bei der Taufe erbittet, nach der Kapelle, beichteten dort und nahmen das heilige Abendmahl. Um zehn Uhr er schienen beide Königliche. Majestäten und der ganze Hof in einer zu dieser Feierlichkeit ausgcschmückten Loge; auf einem erhöheten Stuhle der Loge gegen über saß Johann Tenczynfli in reicher Kleidung und nur in leichter Rüstung. Der Weihbischof von Krakau, Podlodowski, las die heilige Messe. Als diese geendigt wurde, sah man zwei Zünglinge in weißer Kleidung und mit um den Hals Hangenden Schwertern sich dem Hochaltar nähern und dem Geistlichen Podlodowski die Schwerter überreichen; nachdem er sie geweiht hatte, hing er sie Barza und Stadnicki um den Hals, welche mit gehaltenen Händen und mit andächtig niedergcsenkten Augen vor
145 vor den jungen Tenczynski hinknieeten, und ihm ihre Schwerter überreichten, bittend sie zu Rittern zu
schlagen.
Warum verlangt Zhr diese Ehre? fragte
Tenczynski.
Um würdig den heiligen Glauben, das
Vaterland, den Kinig und die bedrängte Unschuld zu vertheidigen.
Entsaget Zhr auch, fragte Tcn-
czynski, allen Thaten, die die Ehre der Ritterschaft
beflecken könnten: der Feigheit im Kampfe, der Un ehre im Frieden, der Heuchelei, der Schmeichelei und dem schändlichen Handwerke eines Zwischenträ
gers? Wir entsagen diesem Allen, riefen die Jüng linge aus.
Hier reichten die Hofdamen die Rüstung
nach der Reihe, zuerst den linken Sporn, darauf den Panzer, die Armspangen, den Hände- und Bein-
Harnisch, endlich die Schwerter.
Alsbald hob sich
Tenczynski vom Sitze auf, und nachdem er den De
gen gezogen hatte, schlug er die Kniecnden dreimal auf die Schultern mit der flachen Seite und einmal
mir der flachen Hand auf die Wangen.
Dieß sollte
nämlich bedeuten, daß wenn sie würdig die Pflichten
ihres Standes erfüllen wollten, so sollten sic sich
zum geduldigen Ausdauern aller Widerwärtigkeiten vorbereiten.
Tenczynski,
sie noch einmal mit dem
Degen berührend, sagte zu jedem: Zm Namen Got
tes, des heiligen Michaels und des heiligen Georgs, sei tapfer, muthig und treu. Sogleich reichten ihnen
l.
10
146
die Waffenträger den Helm, den Schild und die Lanze. Auf dem Schloßplätze standen reich ange, schirrte tartarische Pferde, auf welche die Zünglinge, ohne den Fuß in den Steigbügel zu sehen, hinaufsprangen, und stolz auf die neue Würde, tummelten sie ihre Rosse, schwenkten die Lanzen und die scharr fen Schwertklingen in der Luft*). Kmita hatte ein Turnier veranstaltet, da aber Sigmund August es ebenfalls auf die in kurzem statt findende Krönung der Königin Barbara angekündigt hatte, so bat er, daß dieses Spiet zugleich abgehalten werden sollte. Die übrige Tageszeit brachte der König mit der Besichtigung der inneren Gemacher im Schlosse Wiszniz zu. Ueberall blihten ungeheure Stöße von Silberzeug und Gold, silberne Wannen, Zubern, Perlenmuscheln auf Gestellen von kostbaren Steinen, goldene hohlgearbeitete Statüen, und verschiedene andere merkwürdige theure Sachen. Am längsten verweilte der König bei den Bildnissen und Gemählden, die an alte be rühmte Polen und an die durch sie errungene Siege erinnerten. Man sah dort das Dildniß des Goworek, eines unzertrennlichen Freundes von Leszko dem Weißen; ein Bild des Dodzanta, Erzbischofs ) Sieh die memoires von der alten Ritterschaft.
147 von Gnesen, der den Urgroßvater des Königs zum Könige von Polen gekrönt hatte; des Zbigniew Ole-
snicki, dem derselbe König in der Schlacht bei Grün wald sein Leben zu verdanken hatte; des durch Helden
thaten weltbekannten schwarzen Zawisza.
Die Ge
mählde der Siege waren nicht weniger interessant;
sie
stellten den ruhmvollen Sieg über die Kreuzritter bei Pilawce vor.
Das Fußvolk, wie es ganz aus
gerüstet, in zehn gedrängten Kolonnen, mit langen
Spießen gegen den Feind vorrückte; die nicht nur bepanzert war,
die Reiterei,
sondern auch ihre
Pferde, deren Köpfe und Brüste Eisenblech umzog. Auf einem solchen Rosse war der König Wladislaw
Lokietck (der Ellenlange) abgcbildet, der mitten unter dem schrecklichen Gemetzel den Comthur der Kreuzrit
ter mit seiner Lanze vom Pferde zu Boden warf. Die Königin Barbara überging in Eile diesen mörderischen Anblick, und heftete lange ihre Augen
auf ein Gemählde, welches die Hochzeit des Wla dislaw Zagiello mit der schönen Hedwig vorstellte. Es übertraf auch wirklich durch
die
schöne
alle andere Gemählde
Zusammenstellung
der
Figuren,
durch den Ausdruck der verschiedenen Gemüthsbe
wegungen in den Gesichtern,
durch die Lebendig
keit der Farben, durch Reichthum und prächttge Kleidung,
und endlich
durch
die ganze Darstel-
10 *
148 ist
lung dieser Scene.
Wie schön
Hedwig!
leise Barbara
sagte ganz
die Königin
zu
Sigmund
Nicht schöner als mein Därbchcn, flüsterte
August.
der König, ihr
die Hand
drückend.
Gott gebe,
fügte die Königin hinzu, daß Du mich langer behal ten möchtest, als Wladislaw seine Hedwig!
Wozu
diese traurige Gedanken, sagte ihr Sigmund August
innig gerührt, quäle mich doch nicht immer damit;
daß alle
denke,
unsere Widerwärtigkeiten
beendet
sind, baß Gott der Allerhöchste uns von nun an eine
Reihe
heiterer
Tage
zu
genießen
vergönnt.
Gebe Gott! antwortete Barbara mit Seufzen.
Hier meldete Peter Baranowski,
schenk von Petrikau
woden, faßte
daß die Tafel servirt wäre.
seine
sich nach
Gemahlin
der
Mund
und Hofinarschall des Woje-
an
dem Speisesaale.
der Hand
Der König
und
begab
Das prächtige
Mahl
dauerte beinahe bis gegen Abend.
Der Wojewode,
selbst fleißig dem Glase zusprechend, forderte recht
häufig Alle zum Trinken auf;
er wandte sich oft
zum jungen Tenczynski, neben welchen er absichtlich
seine Schwester-Tochter gesetzt hatte, in der Hoff
nung, daß der durch den Wein erglühte Jüngling sich ihr mit Freuden und
der
Geist
erklären
werde.
dieses Fräuleins
Die Reize
bedurften solcher
Hinterlist nicht; aber diese jungen Leute hatten sich
149 gelernt, und sich gegenseitig ihre Gefühle
kennen
anvertraut.
Indessen trat der recht ordentlich be
rauschte Kmita, niemals freigebiger als am Ende eines Gastmahles, näher zum Könige, beugte sein Knie und bat August, ein
kleines Geschenk zum
Andenken, daß er seine Schwellen beehrt hätte, an zunehmen.
Es war dieß ein Pokal von Zaspis,
worauf die Namenzüge
der Königin, B. R. mit
einer Krone darüber, die aus großen Diamanten zu
sammengesetzt, eingegraben standen.
Darauf wandte
er sich zur Königin und sagte: Auch Zhr, Erlauchte Frau, nach unseren Reichs-Gesetzen Polens Königin und nach Euren Reizen Beherrscherin von Cypros,
geruhet von Eurem Diener dieses Andenken anzu nehmen. einen
Hier legte er vor die Königin Barbara
von großen Saphiren mit Perlen besetzten
Halsschmuck, der in der Mitte einen Onyx mit dem recht gut getroffenen gravirten Bildnisse des Königs hatte.
Die beiden Majestäten sahen sich an, denn
diese Geschenke brachten sie in Verlegenheit, indem sie aber den vom Wein brausenden Wojewoden nicht
beleidigen wollten, nahmen sie dieselben an.
Hie-
mit hatte die Freigebigkeit des Wirthes noch kein Ende; alle Herren und Königlichen Hofleute erhiel
ten
von ihm Andenken.
Einige Pferde,
andere
Ringe, noch andere Ketten, Goldbrocat und ähn-
150 liche Sachen. Tenczynfti mußte die ganze Rüstung und den Helm, die einst einem Ahnherrn Kmita's, Zawisza dem Schwarzen, gehörte, annchmen; diese ganze Rüstung war mit schwarzem Schmelz, und dicht mit Sternen von orientalischen Perlen über säet *). Keinem wird wohl, sagte er, diese Rüstung mehr zukommen, als Euch, denn Zhr seid der Zar wisza unserer Zeit. Nachmittag sehte sich der König an den Spiel tisch, und man spielte Fluß, **) wobei drei Könige nöthig waren, um zu gewinnen. Der scherzhafte Herr zeigte deren zwei, und sagte: Ich habe ge wonnen. Allergnadigster Herr, sagte der mit ihm spielende Spytek von Zatliczyn, Unterschatzmcistcr der Krone, ich sehe aber nur zwei Könige. Soll ich denn für nichts gelten? versetzte August, ich bin ja der dritte ***). *) Convivia crebra, sumptuosa, scd ebria cgit, in bis dclcctabatur convivas vino obrucre ebriosquc sa-
ccre, paribus cum eis certarc poculis. Inter quae donare solebat militaribus viris, equos: vestes, annulos, lorques, pccuniam et caetera id gcnus donaria, quae orationis suac jucunditate acceptissima illis faciebat. Vita Petri Kmitac. p. 270. cdit. Dobromil.
Oer Fluß im Kartenspiele, besonders im Piquet, alle auf einander folgenden Blätter in einer Farbe. ••e) Diese Anecdote hat und Kochanowski in seinen Apophtegmatcn aufbcwahrt.
151
Eben senkte die Sonne ihr« lehten Strahlen, als ein Schein von vielen tausend brennenden Lich tern von den Fensterscheiben des Schlosses Wiszniz abprallte. Nachdem der Kinig und die Königin dieß erblickten, eilten sic sogleich nach dem Garten hin. Welch ein Anblick überraschte ihre Augen! Der ganze Lust- und der daranstoßende Thiergar ten brannten in unzähligen Feuern. Die Gewässer, die sich durch diese Haine schlängelten, waren in allen ihren Biegungen von mehren strahlenden Lampenreihen umgeben. Dieses Feuer, die lazurblaue Wölbung des Himmels mit Tausenden von funkeln den Sternen übersäet, an dem reinen Kristall der Gewässer zurückprallend, stellte den staunenden Augen ein flimmerndes Feld von Saphiren und Diamanten dar. Zn den vielfarbigen Lampen, die an den Bäumen hingen und verschiedene Früchte verstellten, glänzten ponceaurothe Granaten, goldene Pomeranzen und andere brennende Gaben Pomona's. Die Gewinde von Zasmin und frischen Ro sen, die eine lange Reihe großer Pomeranzenbäume vereinigten, füllten die Luft mit einem sehr ange nehmen Dust. Hier und da hingen Schilder im dichten Feuer, die die Namenszüge des Königs und der schönen Königin führten. Am Ende einer un übersehbaren Allee von Lcrchenbäumcn, am Ufer kla-
152 rer Bäche, erhob sich ein runder korinthischer Tem
pel, der ganz von brennenden Lampen bedeckt war. In der Mitte desselben sah man ein durchsichtiges
Gemählde in natürlicher Größe mit den Bildnissen
Sigmund Augusts und der Königin Barbara; eine allegorische Göttin, die das Land Polen vorstellte,
vereinigte ihre Hände, Und unten las man folgende Inschrift: Euch, von Liebe durchglüht, vom Heimathsbande um schlungen,
Wahret das treue Volk, fühlt hoch sich beglückt. Höher schlage Dein Herz, o König, als je eS geschlagen,
Jeglicher Pole ist Deiner Kinder ja eins.
Za, sagte der König mit Rührung, ich sehe in Euch meine Kinder; aber möget auch Ihr mich als Euren Vater betrachten, und mir als Eurem Va ter vertrauen? Hier kamen den beiden Königlichen Majestäten muntere Jungfrauen und junge Knaben,
weiß gekleidet, mit himmelblauen Bändern gegürtelt, entgegen; über ihnen schwebten auf silbernen Flü geln Kinder, in Gestalt der Engel, warfen duftende
Blumen herab, und sangen folgende Strophen: Kommt, den
Hohen
laßt
uns singen, Ihn, den
Mächtigen, laut erheben,
Der mit seltner Herrschertugend Nationen fest umschlingt;
153 Freudig eilen wir entgegen, Huld'gungsopfer Ihm zu
weihen, Wie die Lieb' sich ihrer freut, wie die Treue gern sie
bringt.
Wo die Morgensonne strahlet'und die Abenddämme
rung schaltet, Bringen mächt'ge Fürsten gerne Dir, dem Herrn, ihren
Zoll; Preußens Heere, Pommerns Mannen, und der Moldau
freie Sassen Beugen vor Dir, mächtiger König, ihre Knie ehrfurchtvoll. Wie die Palme hoch erhaben, wie die zarte Lilie blendend,
Wie die Rose voller Reize, sichert Dir das. beste Glück,
Heiter wandelnd an der Seite, holde Anmuth ringsum spendend,
Die Erkohrne Deines Herzens, Hoheit strahlend, Huld ,
im Blick.
Wandelt lange, wandelt heiter durch die Reihe fer
ner Jahr',
Und nichts hemme Eure Schritte auf des Glückes rossger Bahn!
Neues Leben fühlt der Schwache, Heil und Glück er faßt ihn ahnend,
Blickt zu Euch, von Hoffnung trunken, froh hinauf der Unterthan.
Nie sollst beugen Deine Aeste, niemals dorren an
der Krone, Du, deß Scheitel Wolken theilet, edler Jagiellonen Stamm;
154 Neu erblüh' ein hehrer Sprößling, angestammter Tu
gend Erbe, Sei der Enkel sichre Waffe, Unheilswogen fester Damm.
Heute naht in milden Tönen Deines Volkes sanfte Freude,
Aber mächt'ger wird erklingen der Drommete starker Ton, Wenn, deS Siegers Ruhm zu preisen, sich die weiten
Schaaren sammeln,
Und gebunden Feinde beben vor deS mächt'gen Herrschers Thron.
Herr der Zeiten, dessen Rechte sicher deckt den Freund der Tugend,
Hüll' in Deines Schutzes Flügel treulich die Getreuen ein!
Laß des Unglücks Schauertiefen und die Schlingen des DerratheS
Fern von unserm Daterlande und vom theuern König sein!
Dem Tempel gegenüber wurde ein reiches tür kisches Zelt aufgeschlagen, welches mit Perlen und Gold gestickt war, seine aufgehobenen Seiten zeig ten einen für die Erlauchte Herrschaft bereiteten Tisch. Die Chöre schwiegen, beide Majestäten setz ten sich auf eine crhöhete Stelle; in der Ferne ließ sich die Musik von Blase-Instrumenten hören. Alle überließen sich der Fröhlichkeit, als plötzlich das durchsichtige Bild, dem Tempel gegenüber, von Flam-
155 men ergriffen wurde.
Von allen Seiten eilte man
um es zu retten; man rettete nur eine Hälfte, die
andere, die das Bildniß der Königin darstellte, lo derte in Flammen auf.
Als dieß die Königin Bar
bara bemerkte, wurde sie ohnmächtig, und ließ ihr
blasses Gesicht in die Arme des Königs sinken. Die allgemeine Freude wurde in Bestürzung verwandelt. Der König war zuerst um seine Gemahlin geschäftig,
sie zu sich zu bringen; die Aerzte sprangen herbei, und durch Hülfe derselben öffnete die Königin Barbara ihre
schönen Augen. Ach, alles, sagte sie seufzend, bestätigt
die traurige Ahndung meines nahen Endes!—Die
ser Vorfall unterbrach ein so glänzend vorbereitetes
Fest. Beide Majestäten begaben sich zeitig nach ihren
Gemachern zurück, wo gefühlvolle Sorgen Sigmund Augusts die traurigen Eindrücke der Königin Bar
bara zum Theil beruhigten, und ein wohlthätiger Schlaf ihre ermatteten Kräfte wieder stärkte.
156
Siebentes Kapitel. Die gestrige Schwachheit der Königin berücke sichtigend, brachte der König den folgenden Tag noch in Wiszniz zu. Kmita, reich am Erfinden neuer Vergnügungen, unterhielt seine versammelten Gäste, obgleich mit weniger lauten als am vorhergehenden Tage, doch mit nicht weniger angenehmen Ergötzlichkeiten. Der König zeigte sich selten, in seinen Gemächern eingeschlossen mit Johann Tarnowski, mit andern vertrauten Senatoren und Bischöfen, (auch Kmita wurde zugelassen), berathschlagte er über die Krönung der Königin Barbara. Es schien Augusten, daß zu seinem Glücke noch etwas fehle, so lange er die Stirne deren, die alle Gefühle fei; ner Seele ganz eingenommen hatte, nicht mit einer Königlichen Krone geschmückt sehe. Wegen der nach den letzten Unruhen noch nicht besänftigten Gemüther, hielten es die Ratheherren nicht für gut, dieser Angelegenheit halber einen Reichstag zusam men zu rufen, und erklärten es für besser, eine andere Feierlichkeit zu diesem Zwecke zu benutzen. Nach alten Gebräuchen, sagte Tarnowski, müssen
157 die Lehnsherren bei der Thronbesteigung jedes Kö der verwalteten Provinzen, Huldi
nigs, Namens
gung abstatten.
Diese Fürsten wurden davon in
Kunde gesetzt, und einige sind schon in Krakau an
gekommen, auch die Statthalter der Provinzen sind
Wir wollen die Gelegenheit zur
zusammenberufen.
Krönung der Königin, Unserer Allergnädtgsten Frau,
benutzen.
Alle stimmten der
des Kra
Meinung
kauer Herrn bei, und der König war höchlich dar
über erfreut. Man schickte sogleich nach Krakau ab, um die nöthigen Vorkehrungen zu diesem Tage zu
beschleunigen. Als der König
den Tag darauf nach Krakau
abreiste, und dem Wojewoden für seine gastfreund
schaftliche Aufnahme dankte, überreichte er ihm ein in
ponceaurothen
Sammet
eingebundenes Perga
ment mit einem großen in goldener Kapsel Hangen den
Siegel;
dieß
war das Privilegium
reiche Starostei von Przemysl.
für die
Barbara in dersel
ben Zeit von der Wirthin Abschied nehmend, be schenkte sie mit einem großen Ringe, der einen kost
baren citronensarbigen Diamant enthielt.
Mit Ehr
furcht, sagte Frau Kmitowa, nehme ich diese Gabe an, sie wird mich und meine Nachkommen daran erinnern, daß Wiszniz das Glück hatte seine Köni
gin zu besitzen.
Doch um noch
etwas Größeres
158 wage ich zu bitten: Wollet, Durchlauchtige Frau,
gnädigst geruhen, unsere Schwester-Tochter, Fraulein
Stadnicka, an Euren Hof zu nehmen. antwortete die Königin Barbara.
Recht gern,
Ihr könnt ver
sichert sein, daß ich für sie wachsame Sorgfalt tra
gen werde, und ich möchte sie jetzt
gleich mit
nehmen.
Nach Ankunft der Erlauchten Herrschaft in der Residenz, bestimmte man einen Tag zur Krönung
Die ganze volkreiche und
der Königin Barbara. begüterte Stadt war
gung.
in außerordentlicher Bewe
Die Lehnsfürsten
bereiteten sich vor;
die
Ritter, welche beim Turnier wetteifern sollten, po-
lirten
ihre Rüstung und
ihr
reiches Sattelzeug;
ansehnliche Läden der italiänischen, flamländischen, türkischen, schotttschen Kaufleute konnten die Menge derer, welche Gold- und Silber-Stoff, Sammet, Perlen und kostbare Steine begehrten, nicht fassen.
Diese so bedeutende Versammlung wurde noch durch die Ankunft des Erzherzogs Ferdinand, Bruders des Königs von Ungarn, so wie auch durch die
Gesandten ftemder Monarchen, der deutschen, ita liänischen, venetianischcn und anderer Fürsten, ver größert.
Endlich rückte auch
der feierliche Tag heran.
Zn der Kirche versammelten sich die Rathshcrrcii,
159 die Geistlichkeit, die auswärtigen Gesandten und die Vornehmsten beiderlei Geschlechtes aus dem ganzen
Königreiche.
Der König Sigmund August erschien
mit der Krone auf dem Haupte mit den ihm vor angehenden Senatoren, Neichsbeamten und Groß
marschallen, und führte die Königin Barbara an
der Hand. Bei diesem Anblick ließ sich das Gemur
mel einer angenehmen Verwunderung unter der ver sammelten Menge hören.
Die Königin trug einen
sammetenen Krönungsmantel, mit Hermelin gefüt
tert; unter demselben sah ein Kleid von Silberstoff
hervor.
Schwarze Haarlocken, die auf die entblöß
ten Schultern herabfielen, waren die ganze Zierde ihres Hauptes.
Zn ihrem
blassen und traurigen
Gesichte bemerkte man eine ungewöhnliche Bewe
gung, und sogar eine stille Thräne entquoll öfters den durch lange Wimpern verdunkelten Augen auf
die zarten Wangen herab.
Diese innere Rührung,
die Bescheidenheit, und überhaupt die für die Tage der schönen Königin Bcsorgniß
erregende Blasse,
machten sie allen Herzen über allen Ausdruck werth und theuer.
Beide Majestäten ließen sich auf einen für sie zu
bereiteten Thron nieder. Die heilige Stätte war mit
lieblichen Weihrauch-Düften angefüllt, der Dampf
stieg bis an die alterthümlichen Gewölbe, und an die
160 lazurblau und ponccauroth schimmernden Fenster; ein entzückender Gesang von ausgesuchten Stimmen ließ
sich auf dem Chore hören, als der Erzbischof Pri
mas Dzierzgowski die Messe anstimmte.
Nach Be
endigung derselben stieg der ehrwürdige Priester an
der Spitze der gesammten Geistlichkeit die Stufen des Altars hinab; jetzt reichte der Erzherzog Ferdi
nand der Königin die Hand und führte sie vom Throne herunter.
Der Primas salbte sie an ihren
schneeweißen Schultern mit geweihtem Oehle, und
setzte auf ihre Stirn die Krone der Königin Hed wig.
in
Innere Bewegung und Erschütterung hatten
diesem Augenblicke Darbarens schwache Kräfte
erschöpft, so daß sic, ohne die ihr schleunigst gereich
ten Wohlgerüche, ohnmächtig geworden sein würde. Die nahe stehenden Herren kamen sogleich hcrbeigc-
eilt und führten sie auf den Thron.
Sigmund Au
gust, einerseits von Freude durchdrungen, daß dieß
höchste Zeichen der Königlichen Würde seine vielge liebte Gemahlin bekränzte, andererseits beunruhigt, daß
eine solche Erschütterung für sic schlimme Folgen ha
ben könnte, umarmte sie unter herzlichen Thränen.
Bei diesem Anblick erscholl der ganze Tempel vom
Ausruf: Es lebe der König und die Königin! Die ses Frcudcngcschrci ermunterte die schwache Barbara
ein wenig. Nach
161 Nach beendeter Krönungs-Ceremonie, trat zuerst
ein Herold in seiner ganzen Rüstung aus, und rief mit starker Stimme: Die Fürsten und Lehnsherren des Königreiches Polen mögen zur Ablegung des
Eides der Treue naher treten!
Sogleich machten
die den Thron umgebenden Reichsbeamten und vor nehmen Herren Platz.
Albrecht der Herzog von
Preußen schritt voran.
Er trug ein atlassenes, mit
goldenen Gittern gesticktes, eng anliegendes Unterkleid,
über demselben einen rothsammetenen mit Hermelin gefütterten und mit breiter
Mantel;
Goldstickerei gezierten
in der Hand hielt er einen hohen umge-
krämptcn Hut mit Straußfedern und einer diaman tenen Agraffe. knieete
er
Als der Herzog naher getreten war,
auf die Stufen
des Thrones
nieder.
Maciejowsti, Bischof von Krakau, reichte ihm das
heilige Evangelium hin, worauf der Herzog Albrecht
die Hand legte und schwur, daß er als wahrer Un terchan seinem Herrn, dem Könige von Polen, treu und gehorsam sein wolle.
Nach diesem abgelegten
Eide küßte der Herzog dem Könige Sigmund Au
gust das Knie,
und dieser hing ihm eine goldene
Kette um den Hals.
Weiter traten vor-, der Her
zog von Pommerellen, der von Kurland und der Wojewode von der Wallachei, und legten auf eben die
selbe Weise ihren Eid ab, nur mit dem Unterschiede,
I.
11
162
daß dem Hospodar von der Wallachei der Erzbischof von Lemberg nach der bei den Griechen gebräuchlichen Weise den Eid vorlas. Der Donner des Geschützes, Paukens und Trompeten - Schall, beschlossen diese Feierlichkeit, nach welcher die Fürsten, die auswär tigen Gesandten und die polnischen Magnaten zu einem glänzenden Gastmahle auf das Schloß von Krakau eingeladen wurden. Diesen Abend wurde auch das ritterliche Tur nier in geschlossenen Schranken auf dem Markte der Stadt eröffnet. Der Markt stellte zu dieser Zeit einen angenehmen Anblick dar. Alle Gallerten und Fenster waren mit kostbaren Teppichen geziert, und mit einer Menge Zuschauer, vorzüglich des weibli chen Geschlechts, angefüllt. Die sehr mannichfaltigen reichen Kleider, die auf den Gesichtern der munteren Jungfrauen sich lebhaft malenden Bewe gungen, welche an dem Erfolge der Ritter Theil nahmen, zogen auch den minder Aufmerksamen an sich. Auf einer erhabenen Gallerte des Rathhauses saß der König Sigmund August mit seiner schönen Gemahlin und mit den Königlichen Prinzessinnen, seinen Schwestern. Etwas tiefer die Kampfrichter. Wir wollen uns bei den Einzelnheiten dieser rit terlichen Uebungen nicht aufhalten. Es wurde Tur nier mit scharfen Waffen und ein Ringel-Rennen
163 gehalten. Wolski mit Kiezgal, einem angesehenen Edelmanne aus Litthauen, brachen Lanzen, und be gegneten einander tapfer; das Ringel-Rennen hielt Kosmowski mit dem Stallmeister des Herzogs von Preußen*); Zohann Tenczynffi kämpfte mit einem unbekannten Ritter in schwarzer Rüstung mit ge schlossenem Visir. Das Turnier begann in Masse; 48 Ritter, in zwei gleiche Parteien getheilt, sie sowohl als ihre Rosse gerüstet, stürzten in vollem Galopp gegen einander. Da hörte man das Kra chen der an den Rüstungen und Schilden brechenden Lanzen. Die Ritter gerieten unter einander, und ihre farbigen Helmfedern neigten und beugten sich wie ein Wald von verschiedenartigen Bäumen, wenn ihn die Winde bewegen. Die Pferde einiger Rit ter stürzten beim starken Aneinandertreffen hin, so daß die Erde zitterte. Vor Schrecken schrieen die auf das blutige Treffen Hinschauenden Jungfrauen, und als der Kampf immer hitziger wurde, gaben Trompeten das Zeichen des Waffenstillstandes. Un ter allen Rittern erhielt Johann Tenczynski und der schwarze Ritter den ersten Dank, die Andern erhielten weniger kostbare Geschenke, sie bestanden in Kränzen von theuren Steinen, schönen Rüstungen, großem Pokale u. s. w. e) L. Gornicki S. 346.
164
Wahrend dieses ernsten Kampfes erweckte der unbekannte schwarze Ritter die meiste Neugierde. Er kämpfte mit geschlossenem Helme, und führte auf dem Schilde zwei unter Sturm und Blitz sich er fassende Hande, mit der Ausschrift: Es ist vor über ohne sie getrennt zu haben. Der Ritter war von schöner Gestalt, und in der That hatte auch manche Dame ihre Augen auf ihn gerichtet. Zch möchte viel darum geben, sagte Fraulein Tomicka, wenn ich wüßte, wer dieser Ritter ist. Gewiß ist es ein Ausländer, antwortete Fraulein Drohoiewssa-, man sagt, daß er sich seit einigen Tagen heimlich in Krakau aufhalt. Er ist meiner Kundschaft nicht ent gangen, ließ sich der hinter den Damen stehende Herr Szperalsti (Spürer) verlauten; ich weiß, daß er in einem besonderen Hause auf der Wesole wohnt, und mehrere Hofleute um sich hat, die ihm mit der größten Ehrerbietung begegnm; sie reden eine der deutschen ähnliche Sprache. Habt Zhr wohl be merkt, ließ sich die junge Wittwe Latalska verneh men, wie er, das Pferd tummelnd, immer seine Au gen auf den König gerichtet hatte? Daraus darf man wohl schließen, daß er ein souverainer Fürst jenseits des Meeres sein muß; dieß zeigt auch das Symbol seines Schildes. Und wie er beim Empfang des mit Diamanten besetztm Kranzes sich vor den Prim
165 zessinnen Anna und Sophie verbeugte! Auch die Dürgerstauen von Krakau sparten ihre Demerkungen nicht. Die Frau Dürgemeisterin und Schippen-Frauen trugen Zuppan, reiche Kontusche, Kolpake von Zo beln und dreimal um beit Hals geschlungene goldene Ketten. Zch muthmaße, sagte die Frau des Syn dikus, wer dieser heimliche schwarze Ritter ist; ge wiß Antonio Zechini, der Sohn des reichsten Banquiers in Venedig, des Corresponbemen meines Mannes; von ihm erhalten wir die schönsten Sei denzeuge. In seinem letzten verzweiflungsvollen Briefe schreibt er meinem Manne, daß sein Sohn, Antonio Zechini, sein Comptoir verlassen, und mit hin auch die Hoffnungen auf die größten Reichthü mer, den Helm und die Lanze genommen habe und in die weite Welt gegangen sei, um ritterlichen Ruhm zu erwerben. Der Unbesonnene! als wenn es nicht besser wäre, durch Handel die Kisten mit Golbscubis zu füllen, als einige grüne Blätter für die nicht selten blutige Stirn zu gewinnen. Ach bin ganz anderer Meinung, sprach Aungfer Wicrzynkowna, mir würde ein Ritter, der sein Roß schön tummelt, die Ringe gewandt herunterholt, wacker die Lanzen bricht und murhig die bewaffne ten Glieder des Feindes durchschneidet, immer mehr
166 gefallen, als ein goldgieriger, dicker Kaufmann in
seinem Comptoir, der Sinn für Nichts hat. könnt in Gottes Namen auf den Herrn
Ihr
Zechini
warten, unterbrach sie ein wenig zornig die corpm
lenke Frau Blawacka, bis er einen Lorberkranz zu Euren Füßen niederlegt, — für meine Agnes wünr sche ich keinen Andern, als einen jungen Mann von
der Handlung.
Ein reiches Comptoir gilt bei mir
mehr, als ein hundert Ahnen zählendes Geschlecht.
Du hast ganz Recht, mein Herzchen, ließ sich ihr
Eheherr, der seinen Schnurrbart strich, verlauten; hätten wir nicht Schiffe in Danzig, und Handel
in Venedig, würden wir denn wohl diese Pracht, die so herrlich, sowohl auf der Königlichen Gallerte, als auch in den Schranken glänzet, sehen?
Und
was würde aus Euren Schiffen, aus Eurem Ham
del werden, sagte Herr Snopkowski (Garben) ein
Gutsbesitzer aus Sandomirien, wenn unser Weihen wäre? Zm Acker, im
Acker, edle Herren,
steckt unser ganzer Reichthum.
Ackerbau und Han,-
nicht
del, antwortete Herr Sklepkowski (Laden), reichen einander gegenseitig und hülfreich die Hände.
Als
sie diese Worte gesprochen, sah man die Kronmar-
schälle ihre Stäbe aufl)eben. neigte mit Würde
Der König erhob sich,
sein Haupt;
die Königin und
Infantinnen standen auch auf, und
begaben sich.
167 unter Pauken- und Trompeten-Schall und unter Freudenbezeigungen der ganzen Versammlung, nach dem Schlosse.
Am Tage nach dem Turnier, als sich eben der
junge Tenczynskt angekleidet hatte, trat der Secretair des Bischofs Maciejowski zu ihm herein, mit der
Bitte, sich zu seinem Herrn zu begeben.
Wir lassen
Euch, Kavalier, nach Euren Reisen nicht ausru hen, sagte der Kanzler.
unser
gnädigster Herr,
Seine KLnigl. Majestät, haben
geruhet
auf Euch
sein Augenmerk zu einer wichttgm Gesandtschaft zu
richten.
Wir erhalten aus Stockholm die traurige
und bestürzende Nachricht, daß der König Erich, un fehlbar in Sinnesverwirrung, seinen Bruder, den
Herzog Johann von Finnland, den Gemahl unserer Infantin Katharine, hat in's Gefängniß werfen las
sen*); und obgleich er, nach Wiedererlangung sei
nes Verstandes, wieder zur Besinnung gekommen ist, und ihn in Freiheit gesetzt hat, so fürchtet er doch,
dieses Schrittes wegen, sowohl den Zorn des Königs,
unsers Herrn, als auch die Empörung des Volkes, und schickte deshalb seinen Gesandten Sten Brahe
mit dem Anerbieten schuldiger Genugthuung hieher. Da nun Seine Majestät der König für die Unver-
1) Geschichtlich.
168 lehbarkeit der Anfantin, seiner Schwester, besorgt,
eine genaue Nachricht von dem Hergänge der Sache haben,
überdieß
verschiedene Mißverständnisse zwi-
schen beiden Kronen ausgleichen will, so bestimmte er Euch zu dieser Gesandtschaft. — Der Ritter, mit
dem Ihr gestern gekämpft habt, ist kein anderer, als der schwedische Gesandte Sten Drahe.
Er war bei
mir mit dem franzisischen Gesandten, seinem Ver
trauten.
Er wollte sich nicht eher offen zeigen, bis
er sich überzeugt hätte, daß Seine Majestät der Ki-
nig ihn gnädig aufnähme.
Unser guter Herr ver
sprach, dem Gesandten eine öffentliche Audienz auf dem
Schlosse zu ertheilen.
Wahrlich, fügte der Geistliche
Maciejowski hinzu, in der Zeit, wo ein bis jetzt un
bekannter Riese im Norden sein furchtbares Haupt
erhebt,
wäre
die Freundschaft
und Eintracht mit
Schweden sehr zu wünschen; wir müssen uns daher weniger beleidigt zeigen, als zu jeder andern Zeit. Ach bin Euer Hochwürden sehr dankbar, sagte der junge Tenczynski, für diese unverdiente Meinung
von mir; ich finde mich aber nicht ganz tüchtig, eine so wichtige Gesandtschaftestclle zu bekleiden, und über-
dieß weiß ich nicht, wie die Gesinnung meines Va ters hierüber sein wird.
Dieß mag Euch nicht küm
mern, sagte der Bischof Maciejowski: der Herr Wojewode von Sandomiricn ist schon davon unterrich-
169 tct, und willigt gern in diesen glänzenden Anfang Eurer Laufbahn als Staatsmann ein. Und was die Fähigkeit anbetrifft, so erlaubt, wenn Ihr der selben nicht trauet, daß wir für dieselbe bürgen; ein Kavalier, mit solchen Talenten wie Ihr geboren, der am Hofe Kaisers Karl V. erzogen worden, in Ge sellschaft mit berühmten Diplomatikern in Madrid gelebt hat, alle Sprachen versteht, gelehrt, jung, thä tig und von einnehmender Gestalt ist, nur solch ein Kavalier ist zu diesem Auftrage passend. Machet Euch nur recht bald zu dieser Reise bereit, ich werde Euch unterdessen die nöthigen Instructionen ausfertigcn. Sobald der junge Tenczynsti nach Hause zurück kehrte, begab er sich zu seinem Vater. Er fand ihn mit dem Domherrn und Doctor Miechowita, einem zu der Zeit berühmten krakauischen Alirologen. Auf dem Tische standen vor dem Wojewoden Himmels kugeln, lagen Papiere mit gezeichneten Sternen und Linien, welche jene nach verschiedenen Richtungen durchschnitten. Miechowita erklärte die Stellung der Sterne. Sie waren beide bei der Arbeit so vertieft, daß sie den hereintretenden Jüngling nicht bemerkten. Ahr habt mir bewiesen, sagte zuerst der Wojewcde, daß Mars und Venus den Fischen gewogen sind, unter welchen mcui Sohn geboren ist,
170 und daß der Polarstern, zu dem er hineitcn soll, auf Als der ehrwürdige Vater
ihn lächelnd herabsieht.
seinen Sohn erblickte, sagte er zu ihm: Man läßt mich nicht die Freude genießen. Dich bei mir zu sehen, man schickt Dich nach den nördlichen Län-
dern; ich verhehle es zwar nicht, daß diese Tren-
nung, sowohl mir, als auch Deiner Mutter und Deinen Schwestern sehr schwer wird, aber wenn ich
andererseits bedenke, welche Ehre durch diese Gesandt schaft unserm schon glänzenden Hause zu Theil wird,
wenn ich die Versicherung erfahrener Astrologen er wäge, daß Dir bei dieser Gesandtschaft Conjunctio Stellarum nicht einen geringen Erfolg verspricht, so willige ich, premcndo cordis darin, und habe für
Dich Anstalten zu einer unserer Familie würdigen Reiseexpedition getroffen.
Der Wojewode hatte auch
wirklich fünfzig von seinen vornehmsten Hofleuten dazu bestimmt; vier Züge Pferde, dreißig türkische
und arabische Handpfcrde, übcrdicß Silberzeug und kostbare Kleider.
Darauf ließ er seine Chatoulle
bringen, und nahm aus derselben einen schönen dia
mantenen Busch mit einer großen daran Hangenden Birne von Perlen.
Dieß wirst Du an Deinem
Kolpak von Zobel tragen, denn ich wünsche cs sehr und befehle, daß Du Dich in polnischer Tracht zei
gest.
Zch litt den spanischen Mantel, so lange Du
171 ohne Amt warst; heut aber, da Du den König von Polen und das Königreich Polen reprasentirst, ist es billig, daß Du in der Nationaltracht erscheinest.
— Würdig das mir anvertraute Amt zu bekleiden, sagte der Züngling, wird immer meine erste Sorge
sein.
So geziemet es auch für einen Tenczynski,
antwortete der Wojewodc.
Tages darauf um die sechzehnte Stunde erschien der schwedische Gesandte Sten Drahe mit einem zahlreichen Gefolge auf dem Schlosse von Krakau.
Der Großmarschall der Krone, Kmita, nahm ihn in
einem mit Gemählden aus der polnischen Geschichte geschmückten Saale auf.
Das eine davon stellte
den Sieg des Königs Lokietet über die Kreuzritter bei Pilawce vor; das zweite die Trauung Wlar
dislaw Zagiello's mit ter Königin Hedwig; dritte
den
Sieg
bei
Grünwald;
das
das
vierte die
Vereinigung Preußens mit Polen und die Huldir gung des Herzogs.
Die Decke war ganz mit ver-
goldctcm Schnihwerk vexiert, unter dessen Wölbung Gesichter hcrvorkamcn, die verschiedene Charaktere ausdrückten.
Nach ciiiqcm Verweilen öffnete sich
die Flügelthür nach einem andern Saale, in welchen
der schwedische Gesandte cingeführt wurde; dort er-
blickte
er im Hintergründe den
schon
sitzenden
König,
der
von
auf dem Throne
den
Ministern,
172 Nathsherren, Reichsbeamten und von einer Menge von Hofleuten umgeben war. Sten Drahe wurde von diesem Anblick der Würde und Pracht über; rascht. Zn drei tiefen Verbeugungen näherte er sich dem Throne, und bezeigte in seiner Rede dem Könige sein Bedauern über die traurigen Ereignisse, die Verhaftnehmung des Herzogs Johann von Finnland betreffend, erklärte, daß der König die Freiheit der Gemahlin desselben durchaus nicht verletzen wollte *), daß sie aber mit einer heroischen (Ent; schlossenheit das Schicksal ihres Gemahls zu theilen begehrte. Er bat den König, da der Prinz schon frei sei, dieses Ereigniß der Vergessenheit zu über; geben, und als naher Verwandter und Nachbar innige Freundschaft zwischen beiden Reichen aufrecht zu erhalten. Der Kanzler Maciejowsti antwortete mit Würde, indem er bezeugte, daß obgleich der Schritt gegen den Herzog von Finnland dae Herz des Königs betrübt hatte, so überließe Seine Kö nigliche Majestät, als ein gnädiger und christlicher Herr, die Neue Seiner Majestät des Königs von Schweden berücksichtigend und in Zukunft ein schick; liches Betragen erwartend, dieses Ereigniß ganz der Vergessenheit und werde die früheren Freundschasts; bündnisse mit Schweden nicht verletzen. e) Geschichtlich.
173
Die Ernennung des jungen Tenczynski zur Ger sandtschaft nach Schweden, verbreitete sich in eint; gen Tagen überall, und verursachte ein nicht geringes Aussehen. Solch ein junger Mann und schon Ge; sandter! sagten die Neider, welche keinen andern Fehler finden konnten. Der König ist jung, sagten die Alten, es ist kein Wunder, daß er lauter Mitch; barte gebraucht; das wird ein hübsches Regiment in unserm Staate werden! Johann Zamoyfti war der Einzige, der seinem Freunde Glück zu dieser er; langten Würde wünschte. Um ihn mit den Ver; Haltnissen des Königreichs Schweden bekannt zu machen, öffnete er ihm das ganze Kronarchiv und zeigte ihm alle Unterhandlungen, welche zwischen dem Königreiche Schweden und Polen, seit frühe; sten Zeiten, Statt gefunden. TenczynstL benutzte diese Gefälligkeit und machte bedeutende Auszüge. Als er einmal in den gewölbten Gemachern allein eingeschlosscn bei den alten Pergamenten vertieft saß, hörte er die Thür öffnen, und sahe Sten Brahe hereintrcten. Der Gesandte Seiner Maje; stat des Königs von Schweden hub also an: Das schon bekannte traurige Ereigniß mit dem Herzoge von Finnland, ist die Veranlassung meiner Ankunft; ich hoffe, daß diese augenblickliche Heftigkeit die gute Freundschaft zwischen zweien verwandten und bcnach;
174 barten Mächten nicht zerreißen wird.
Da ich er
fuhr, daß Zhr zum Gesandten nach Schweden be
stimmt seid, so komme ich Euch zu bitten, gemein schaftlich mit mir an der Erhaltung der Einigkeit
zwischen beiden Höfen zu arbeiten; ihr Unterpfand mag die Freundschaft sein,
die ich Euch anbicte.
Dieß sagend reichte er Tenczynsti'n die Hand. Die
Freundschaft eines so ausgezeichneten Mannes, ant
wortete Tcnczynski, wird für mich große Ehre sein; ich hoffe, daß die Vortheile beider Reiche mit un serm Sweben sich vereinigen werden.
Dann unter
redeten sie sich über die Angelegenheiten beider Kro
nen, und die an diesem Tage geschlossene Freund
schaft wurde nie wankend gemacht. Nach
langen Conftrenzen mit Kanzler Macie-
jowski, kam endlich der Tag heran, an welchem der junge Tenczynski beim Könige Abschiedsaudicnz und seine letzten Befehle von ihm erhielt.
Zn ein Eck-
Cabinet, Hühnerfuß genannt, hineingeführt, fand er
Sigmund Augusten an einem kleinen Tische sitzen.
Unsere Bekanntschaft ist zwar kurz, sagte der
König, da mir aber der Geistliche Samuel so viel Gutes von Euch erzählt. Euren Verstand und Eure Fähigkeit so hoch empfohlen hat, so trage ich kein Bedenken
Euch
die Geschäfte zu
übertragen, dic
nicht minder das Wohl der Krone, als auch nici
175 nes eignen Hauses betreffen.
was in
Schweden
Es ist Euch bekannt,
geschehen; meine,
in Person
meiner Schwester und meines Schwagers verletzte Würde, hätte zu andern Zeiten eine lautere Genug
thuung gesucht.
Da aber ein fürchterlicherer Feind
als Schweden auftritt, da
bei uns größere Lust
zum Kampfe als zu Abgaben herrscht, da der schwe
dische König seine Reue bezeigt; so verzeihen Wir ihm diese Verschuldung als ein christlicher Herr.
Zedoch liegt Uns die Gesundheit und die Unver
letzbarkeit Unserer Königlichen Schwester Katharine sehr am Herzen.
Wir senden Euch also nach Stock
holm hin, um gewiß zu werden, ob Wir ruhig sein können, daß sich wiederholentlich eine solche Beleidig
gung nicht ereignen werde, und was man von dem Könige, dessen Verstand zuweilen irre zu sein scheint, zu befürchten hat.
Was die andern Angelegenheiten
zwischen den beiden Reichen anbetrifft, so wird Euch der Geistliche Samuel in nöthige Kenntniß davon setzen.
Allergnadigster König und Herr, sagte der junge Tenczynski, sich tief verbeugend, der Beweis des Zu
trauens, das ich zu verdienen noch nicht im Stande war, durchdringt mein Herz mit der rührendsten
Dankbarkeit.
Um desselben werth zu erscheinen, sol
len alle Fähigkeiten meiner Seele und mein ganzes
176
Streben dahin gerichtet sein, daß ich die mir an vertraute Gesandtschaftsstelle zur Zufriedenheit Euer Königlichen Majestät, zur Ehre Eures Königlichen Hauses und zum Nutzen der Länder Euer Königli chen Majestät bekleide. Hier streckte der König die Hand aus. Als Tenczynski dieselbe küßte, wurde eine Seitenthür geöffnet und die Königin Barbara trat in das Cabinet ein. Sie war in ihrem Mor genanzuge. Ein citronfarbener seidener Oberrock be deckte nachläßig ihre schöne Taille; eine Menge sich kräuselnder, einen Theil ihres schneeweißen Dusens bedeckender Haarlocken, schienen den Glanz ihrer großen blauen Augen zu vergrößern; sie hielt auf dem Credenzteller eine goldene Schale. Mit dem reizenden Lächeln, das Aller Herzen anzieht, trat sie herein, aber nachdem sie unverhofft Tenczynski'n er blickte, zog sie sich bestürzt zurück. Bleibe, mein Därbchcn, sagte der König, auf sie mit Wohlgefal len hinschauend, mag Herr Tenczynski auch von Dir Abschied nehmen. Von so vielen Reizen er griffen, küßte Tenczynski die Hand der Königin und empfahl sich. Als die Königin Barbara sich allein sahe, sagte sie-. Hier ist das Getränk, mein lieber Gemahl, das mir jene Wahrsagerin aus Blonie zubereitet hat. Der Geistliche Doctor Miechowita, der dieses Ge tränk
177
trank untersuchte, sagte, daß eS aus Krautern berei tet sei, die nichts Schädliches in sich enthalten; aber die Gaukeleien, die das Weib darüber machte, ängsti gen mich. Sie tauchte darein eine kleine goldene Figur, gebot mir, mich dreimal in die Runde zu drehen und Sonnen-Aufgange zugekehrt es auszu trinken. Zch kann es nicht verbergen, daß mir dieß Angst verursachte. Zch fürchtete darin bise Geister zu finden, als ich aber dreimal das Kreuz darüber geschlagen, und keins der Herenwesen her ausflog, und als ich erwog, daß mir dieses nicht nur die von Dir gewünschte Gesundheit wiedergeben, sondern auch mich fruchtbar machen solle, und daß dieses Getränk dazu Deine und Polens feu rigste Wünsche erfülle, wenn es Dir einen Sohn und Polen einen König gäbe; so verschwand alles Wanken, und ich wünschte nur diesen kostbaren Trank vor Deinen Augen auszuleeren. Dieß sa gend, drehete sie sich dreimal auf ihrem kleinen Fuße herum und teerte die Schale aus. O daß Du, über alles geliebtes Därbchen, sagte Sigmund, sie herzlich an seine Brust drückend, daß Du in diesem Getränke Deine Kräfte und Gesund heit wieder fandest! Das Uebrige ist in der Gewalt des Allerhöchsten, fürchte nichts; undurchschaulich sind die Geheimnisse der Natur. Der Allmächtige läßt I. 12
178 vieles seine Auserwählten errathen und erkennen. Nicht nur bei uns, in allen andern Landern schenkt man solchen Personen Glauben, und gestattet ihnen Zuttitt zu der Königlichen Schwelle. Die Königin Kachanne de Medicis gebraucht sie in Frankreich, meine in den aufgeklärtesten Ländern erzogene Mut ter bedient sich ihrer auch. Bei dieser Erwäh nung verdunkelte sich Darbarens Stirn. Meine Geliebteste, sagte Sigmund, die Mutter hat sich mit Dir ausgesöhnt, und es soll meine beständige Aufmerksamkeit, meine beständige Sorge sein, Dich glücklich und unverletzt zu erhalten. Gott gebe es! antwortete Barbara seufzend; übrigens sind meine Ahndungen immer traurig. Zn diesem Augenblicke besann sie sich und sagte gerührt und zärtlich: Zn Deiner Nähe schwinden diese Ahndungen. Am Tage seiner Abreise begab sich Tenczynski früh Morgens zum Kanzler Maciejowski, um die letzten Znstruktionen zu erhalten. Am Eingänge begegnete er Karwickin, einem Königlichen Hof manne, der ihm, im Namen seines Herrn, Goldund Silber-Stoffe, Sammt zu Kleidern, ein Zim mer von Zobelfellen und eine goldene Kette über reichte *). Es war die Sitte dieses Zeitalters, daß man nicht nur den Hofleuten, sondern auch auswärtigen Gesandten
179
Zu denen, welche mit dem Gefühle der Verwandtschaft oder der Freundschaft die Abreise Tenczynski's betrauerten, zählten sich auch Kmita, der Wojewode von Krakau; er hatte aber andere Ursachen seines Schmerzes. Es ist dem Leser bekannt, daß er über dem Plane brütete, seine Schwestern Tochter, Fraulein Stadnicka, mit dem jungen Tenn czynsti zu verheirathen. Mit großer Freude sah er das Wohlgefallen, mit dem sich diese jungen Leute gern begegneten und mit einander unterhielten. Weit davon entfernt, die Ursache dieser Vertraulichkeit zu errathen, glaubte er, daß die gegenseitige Liebe sich beider Herzen bemächtigt hatte. Mit Trauer sah er nun auf die Trennunq, und um den jungen Leuten Gelegenheit zu geben, so lud er Tenczynfli's zu einem Abschiedsmahle ein. Die Wojewodin aber hatte sich schon mit ihren Tichtern nach Podolien entfernt. Auch diesem Gastmahle fehlte der bei reiche Zeuge und Kleider schenkte, und so lesen wir in den Rechnungen Bonars, Unterschatzmeisters Sigmund I.: loanni dc Tarnow ad mandataria M. Regiae, dedi adamasci nigri flurentini melioris ulnas 20 per gr. 45. Item Duci Prussiae veluti nigri Veneti. ulnas 26. Item oratori Regis Angliae veluti nigri ulnas 24. Item An tonio Rincovio oratori regis Galliae adamasci Veneti pracoptimi ulnas 20. Item Rozdrazewski oratori re gis Hungariae veluti nigri Genuensis ulnas 20 etc.
12 *
180
Kmita gewihnliche Glanz nicht. Er versäumte nicht, dem jungen Gesandten bei seiner SchwesterTochter dm Platz anzuweism. Sie unterhielten sich mit einer Leichtigkeit, die nur bei einem vollkomme nen Zutrauen gelingt. Ach, wie erzürnt wäre mein Oheim, sagte Fräulein Sladnicka, wenn er wüßte, daß nur eine süße und zufriedene Freundschaft den Znhalt unseres Gespräches ausmacht. — Die Freund schaft und das Zutrauen einer so liebenswürdigen und achmngswerthen Person zu gewinnen, ist das nicht ein großes Glück? — Warum entfernet Ihr Euch, sagte die junge Dame, gerade zu der Zeit, wo Euer Rath mir so behülflich wäre? Die Ent fernung, antwortete Tenczynfti, kann eine unbestän dige Liebe wankend machen, aber niemals die Freund schaft. Mit Zuversicht stütze ich mich auf dieselbe, sagte Fräulein Stadnicka, und wenn auch die mei nige für Euch irgend einen Werth hat, so glaubet, daß sie unveränderlich sein wird. Wenn die Freund schaft für einen Mann theuer ist, ach wie ungleich theurer wird sie für unser schwaches, so vielen Schlingen ausgesetztes und so wenig wahrhafte Un terstützung findendes Geschlecht! Hier erhob sich der Wojewode von Krakau und brachte diese Gesundheit aus: Glückliche Reise und allen erwünschten Erfolg unserm Gesandten! grau:
181
(ein Stadnicka nahm ein Glas Malvasier utö sagte: Diese Gesundheit trinke ich auch von ganzem Herr zen; dann fügte sie hinzu: die schnellste Rückkehr zu uns! O fände ich doch, antwortete Tenczynski, bei meiner Rückkehr, alle Eure Wünsche erfüllt! Hier wurde gemeldet, daß das Pferd und Gefolge Tenczynsti's auf ihn vor der Halle warteten. Rührend war die Trennung des jungen Gesandten von sei nem Vater. Der ehrenwerthe Greis überreichte ihm im Namen der Mutter, an einer goldenen Kette, ein mit kostbaren Steinen besetztes Kreuz, mit dem Anempfehlen, daß er es wider die Hexe rei und wider alle Schlingen des Satans auf der Brust tragen solle. Mit Rührung umarmte Teuczynfti seinen Freund Zamoysti. Als er Hinausger gangen war und fein reich geschirrtes Roß bestieg, zeigte sich noch einmal der Wojewode Kmita, und brachte mit einem großen Glase den Toast des Steigbügels aus; auch unser junger Gesandte er wiederte denselben und verließ Krakau unter fteundlichen Wünschen des Volkes.
182
Achtes Kapitel.
Indem der junge Tenczynfkt mit feinem zahl
reichen Gefolge feine weite Reife antritt, fei es uns vergönnt, unsere Aufinerksamkeit auf den reisenden Ritter Don Alonzo Ferdinandez
di Medina Czeli
Er verließ das Schloß Tenczyn, wie
zu richten.
wir wissen, zwar seiner Hoffnung beraubt, dennoch
verliebt.
Er ritt ein schönes Pferd, und zwei an
dere hatte er bei der Hand; mit ihm waren: sein
Knappe, ein Spanier und ein Bedienter vom jun gen Tenczynfki, der Don Alonzo als Dolmetscher
dienen konnte, weil er während des Aufenthaltes in Spanien mit seinem Herrn die Sprache des Landes erlernt hatte.
Ganz in seinen Liebesgcdankcn ver
sunken, welche nur die Hoffnung, sich bald einen
ritterlichen Ruhm zu
erwerben,
dann und wann
unterbrach, sprach er selten, was noch wunderbarer
war, weil ihm doch alles
in unserem Lande neu
vorkam und seine Neugierde weckte.
Er hielt un
sere Juden für Araber, und wäre über sie herger fallen, wenn er sie nicht wehrlos angctroffen hätte; um doch seinen Unwille» zu zeigen, begnügte er sich
183 damit, daß er ihnen die Fuchsmühen mit seiner Lanze abhob, in die Höhe schwang und auf den Boden warf. Er hielt sich nicht in Gasthäusern auf; ein grüner Rasenplatz am Ufer eines DacheS diente ihm als Lager, und als Obdach eine ausgebreitete Eiche. Den dritten Tag gegen Abend, als er schon lange durch einen dunkeln Wald ritt, und das im mer heller werdende Licht schon nahe Triften ver sprach, Hirte er den Klang einer Cither und länd liche Gesänge. Bald erblickte er ein weites, vom dunkeln Walde umgrenztes, mit Hügeln abwechseln des Feld, ein nicht, prächtiges, aber ordentliches Ger hifte, neben welchem sich eine Linde stolz erhob. Nicht weit davon, an einem Hügel, belustigte sich eine Gesellschaft von Lanbleuten. Ein Mann von schinem Wüchse, mit fröhlichem Gesichte, der sich mehr durch seine edle Gestalt, als durch Reich thum des Anzuges von den Andern unterschied, flößte allen Lust und Vergnügen ein, indem er öfters den Becher kreisen ließ. Als dieser Mann den Ritter bei seinem Thorwege vorbeireiten sah, trat er zu ihm näher und sagte: Niemand reitet meinem Hause vorbei, ohne darin das Brot der Gastfreundschaft mit mir genossen zu haben. Was sagt er? fragte der Spanier seinen Dolmetscher.
184 Johann Kochanowski (denn er war e- selber) merkte, daß der Ritter ein Ausländer sei, und wie derholte seine Einladung in einem schönen Latein. Don Alonzo konnte seiner zuvorkommenden und aufrichtigen Artigkeit nicht widerstreben, stieg vom Pferde ab, sagte wer er wäre und ging in'S Haus. Dieß war eine Wohnung von Lerchenholz, mit ei nem kleinen Lehmhause an der Seite. Nach Osten zu hatte es «nm Balkon mit Danken zum Sitzen. Die Hausflur war geräumig; an der Wand dersel ben hingen rund herum Kränze von Weihen mit Schneeballbeeren durchflochten. Linker Hand war eine ziemlich geräumige Stube mit Tapeten beschlagm, die MoseS in der Wüste vorstellten, wie er mit seinem Stabe an einen Felsen schlug, aus welchem Wasser herausquillt. Ueber dem Kamin hing das Dildniß des Königs Sigmund L, über der Thür zwei Porttaits der Bischöfe Tomicki und Macicr jowfti. Am Fenster saß bei einem großen Stickrah men Frau Kochanowska und ihre Schwester-Tochter Anna. Ursula, ihre Tochter, war schon seit zwei Zähren im Grabe. Frau Kochanowska, die ein we nig corpulent, ohne besondere Reize, aber ziemlich munter war, trug einen dicht anliegenden saphirfar bigen Kapot, auf dem Kopfe ein Käppchen, durch ein Band von ähnlicher Farbe zusammengebundc».
185
Anna war in einer saladinfarbigen Zuppe mit einer hohen Halsfraise; schwarze Haarflechten umgaben ihren Kopf, rothe Febernelken zierten ihre Stirn. Als sie beide den Fremden hereintreten sahen, standen sie auf; Anna ließ ihre dunkelblaue Augen sinken. Dieß war ein ganz verschiedenes Zeitalter von dem unsrigen; heut zu Tage reden unsere liebe Damen alle Sprachen außer der ihrigen; zu jener Zeit ver standen dir Polinnen keine andere als ihre Mut tersprache. Es war daher kein Wunder, daß sie, als Don Alonzo sie italiänisch anredete, ein wenig in Verle genheit geriethen, und Anna über und über roth wurde. Kochanowski stellte den Damen den Ritter vor, und sich in der Sprache des Letztem erkärcnd, sagte er dem Spanier, daß diese Damen, seine Frau und seine Schwester-Tochter waren. Bald entfernte sich Frau Kochanowska, wie die Geschichtschreiber meinen, um einen Kuchen und etwas zum Abend brote zu bereiten. Man fing ein Gespräch vom ländlichen Leben, von ältern und zu» jetziger Zeit lebenden Dichtern in Italien, an. Auf dem mit einem Teppich über spreiteten Tische lagen zwei Lieblingsbücher Kochar nowski's, Davids Psalmen und Horaz. Der Spa nier nahm sie in die Hand und sagte: Das sind
186 große Dichter. Meiner Meinung nach die größten, antwortete Kochanowski, und fing sogleich an einige schine Stellen aus beiden lateinisch zu declamiren. Zhr declamirt die Verse mit solchem Feuer und Gefühl, sagte der Spanier, daß ich wetten möchte, Zhr selbst seid ein Dichter. Diele halten mich da für, sagte Kochanowski, nur ich nicht; denn wer könnte sich, sagte er weiter, auf die liegmden Bü cher weisend, neben den göttlich Begeisterten für einen Dichter halten. Nur procul vestigia sequor. Ich bedaure, sagte der Spanier, daß ich Eure Sprache nicht verstehe, ob ich gleich überzeugt bin, daß Zhr auch lateinisch schreibet. Kochanowski declamirte ihm von seinen lateinischen Versen vor. Nachdem er geendigt hatte, sagte er: Zch hoffe, daß Zhr Gleiches mit Gleichem vergelten werdet. Der Spanier nahm die Cither und sang spanisch wie folgt: Don dichten Wäldern rings umschattet, Rollt sanft des Lebens Bach dir hin; Wenn Andre eitles Thun ermattet, Ist FlakkuS Umgang dir Gewinn. Don Stolz und Habsucht weggewendet, Liebst du nur Rechtthun und dein Feld; Und Flora und Pomona sendet, WaS ihren Freund zufrieden stellt.
187 Wenn Andre Träume nur erjagen, Sinnst du am stillen Wiesenquell,
Wie froh man Vielem kann entsagen, Ist nur das Herz stets rein und hell.
Du fühlst dich wohl und immer munter, Wenn tief des Lasters Dorn sie sticht; Dir geht so schön die Sonne unter, 1
Als dich umfließt ihr Morgenlicht.
Hörst du die gold'nen Saiten beben,
Dann schmeckt- das Herz die höchste Lust; Des Landes Wohl, des Königs Leben
Und Davids Hymne füllt die Brust. Oes Herrschers stolze Macht vergehet,
An seinem Ruhm nagt Grab und Neid;
Doch SängerS Lied stets neu erstehet,
Verbürgend die Unsterblichkeit. Mit Vergnügen hörten Kochanowski und Anna die süßtraurige Stimme Don Ferdinandez an.
Der
polnische Dichter stattete ihm seinen herzlichen Dank ab,
und sich darauf zu Anna wendend, sagte er:
Dieser Ritter wird glauben,
daß
wir in unserer
Sprache keine Gesänge besitzen; zeige ihm, daß wir
auch nicht Spreuen haben, und singe was Du selbst
willst. — Aber lieber Onkel....
ich
habe keine
Stimme, die Heiserkeit.... ich kann wahrlich nichts
auswendig. — Zch erwartete, sagte Kochanowski, diese allen Frauenzimmern eigenthümliche Ausrede,
188
aber wenn Du mich liebst, so singst Du. Dieß sagend, küßte er ihr die Stirn und gab ihr die Cither in die Hand. Anna sang nicht ohne lebhaft tes Errithen, anfangs mit schüchterner, dann mit einer stärkeren Stimme folgende Reime: Sanft fließt mein Jugendlenz dahin
In diesem ruhigen Asyle,
Bei Lerchensang und heiterm Sinn Und dieser Linden schatt'ger Kühle.
Wie treu für mich der Gute sorgt? Wie folgt sein Aug' stets meinen Wegen?
Mein Herz, das seiner Lehre horcht, Empfängt von ihm so reichen Segen.
£> könnt' um seiner Tochter Tod Ich meines OheimS Schmerz ermildern; Die Lieb' ersetzen, die sie bot,
Sie, deren Huld kein Wort kann schildern. Wo auch mein Auge fernhin eilt,
Seh Anmuth ich den Landsitz grenzen. Wie Frieden an der Schwelle weilt! Don Fruchtbarkeit die Auen glänzen!
Der Pole hört erfreut Sein Lied, Zn spätsten Zeiten wird Er leben.
O Ehre die mir Gott beschied,
Ich fühl' sein Blut auch in mir beben. Beim Lorbeerbaum, der für ihn blüht,
Vergönnt dem Veilchen eine Stelle,
189 So wird beim Ruhm, der ihn umglüht. Auch Anna's dunkler Namen Helle.
Bei Erwägung der Tochter Ursula, rollte eine stille Thräne die Wangen des geschätzten Dichters hinunter; er trocknete sie und nahm eine ruhige Miene an. Die Melodie des polnischen Liedes, die andern nicht ähnlich ist, machte einen angenehmen Eindruck auf den Fremdling, aber die Ruhe, der frohe Sinn des Mannes, und die herzliche Anhänglichkeit, mit der er Anna und Allen, die ihn umgaben, begeg nete, erweckte eine noch größere Freude in ihm. Ach sehe, daß Ahr glücklich seid, sagte der Spanier, und ich gestehe, daß Ahr auch würdig seid, glücklich zu sein. Ach klage mein Schicksal nicht an, ant wortete Kochanowski, mens sana in corpore §ano, dieß ist's, wofür ich dem Allerhöchsten danke. Der Spanier sah aus seine blaue Schärpe und seufzte.... Ueberdieß, fügte der polnische Dichter hinzu, hängt unser Glück von uns selbst mehr ab, als wir glauben. Mit Wenigem zufrieden sein, sich gegen die im menschlichen Leben unvermeidlichen Widerwärtigkeiten bewaffnen, überhaupt nil consclre Sil»,, genüget einem Weisen. Das werdet Ahr mir doch einräumen, sagte der Spanier, daß es außer-
190
liche Umstände giebt, die zu unserem Glücke oder Unglücke beitragen. Solche, antwortete Kochanowski, die von uns nicht abhangen, raume ich gewiß ein. Es hängt nicht von uns ab, unter einer freun oder unter ei ner willkührlichen Ober-Herrschast geboren zu wer den, und doch hat die Ober-Herrschaft großen Ein fluß auf das Glück jedes Menschen. Das stand hafteste Gemüth wird aufgebracht, die heiterste Stirn umfinstert unter Druck, Gewalt und Ungerechtigkeit; weder seines Eigenthums, noch seiner selbst gewiß sein zu können, ist traurig. Qm metuens vivit, liber mihi non ent unquam. Das stnd Worte des Horaz, meines Lieblings. Zch danke Gott, daß ich von solchen Regierungen nur aus dem Tacitus und Suetonius weiß; daß der Allerhöchste mich in Polen unter unsern Zagiellonen geboren werden ließ. Es ist mir angenehm, mein Vaterland unter andern Völkern der Macht und des Kriegsruhms wegen geachtet zu sehen, ein kleiner Strahl seines Ruhmes geht auch auf mich über; obgleich bescheiden, em pfinde ich doch einen Stolz, wenn ich aus den Glanz und die Herrlichkeit, die den Thron meines Königs umgeben, blicke, wenn ich so viele Lehnsfürsten sehe, die vor ihm ihre Knie beugen. Der em pfindet gewiß diese hohen Gefühle nicht, der sein
191 Vaterland erniedrigt ober von einem harten Zepter bedroht sieht.
Zch sehe, unterbrach Don Ferdinan-
dez, baß Zhr das Glück nur als Staatsmann be
trachtet. — Kann denn ein freier Mann es anders betrachten? — Doch giebt es, sagte der Spanier, per
sönliche, von dem allgemeinen Unglück ganz abgeson derte Dinge, welche unsere Ruhe leicht ausheben
können.
Zch bin zum Beispiel ein Unterthan des
mächtigsten Monarchen in der Welt, eines Monar
chen, in dessm Landern die Sonne nicht untergeht,
und kann doch nicht sagen, daß ich
glücklich bin.
Dieß sagend, seufzte er tief. — Zch errathe schon,
sagte Kochanowffi, Zhr habt die Herzenskrankhejt,
Zhr leidet an dem, Eurem Alter nicht ungewöhn lichen Liebesfieber.
Die Zeit wird Euch zerstreuen,
die Feldbeschwerden werden Euch von dieftr Krank heit heilen.
Niemals! niemals! rief der Spanier
Zch dachte auch so, sagte Kochanowski, als
aus.
ich zwanzig Zahre alt war.
Eben kam die Gattin
des Wirthes herein, und gab ihrem Manne ein Zei
chen, daß das Abendbrot auf dem Tische wäre. Das Speisezimmer auf der andern Seite des
Hauses, in welches die Gesellschaft trat, war- ziem lich
geräumig.
schrein
Zn einer Ecke stand ein Credenz-
von Nußholz, mit Gitterthüren.
Durch
diese konnte man silberne Becher und Pokale, große
192 und kleine Gläser,
etwas
tiefer
große
zinnerne
Schüsseln, Mittelschüsseln und Teller wahrnehmen, die aber alle so sauber und glanzend waren, daß man sich darin spiegeln konnte; an der Seite stand
ein kupferner verzinnter Wasserkrug.
Zn der Mitte der Stube stand ein rein gedeck
ter, langer, schmaler Tisch; auf den untergelegten
Strohtcller wurden sechs Mittelfchüsseln und eine
große Schüssel geseht.
Die Gesellschaft wurde durch
das sich dort aufhaltende Fraulein Dluzewska, durch
eine dienende Jungfer und durch drei Mannsperso
nen, von kräftiger und schöner Körperbildung, ver mehrt. Der eine von ihnen war der Verwalter des
Ortes, die beiden Anderen Kochanowski's Hofleute. Der Wirth segnete das Mahl.
Die stark gewürz
ten und mit Safran reichlich erhöhten Gerichte ge wannen den Fremdling nicht sehr für sich; aber in
hohem Maaße befremdete ihn der gute Appetit der drei Herren.
speer
Die Graupensuppe, Zrazen, Ripp
und Kuchen,
verschwanden
Schnelligkeit in ihrem Halse.
mit unerhörter
Weil Don Ferdi
nandcz durch seine Enthaltsamkeit die Wirthsleute
nicht beleidigen wollte, nahm er den Flügel von einem jungen Birkhahn, eine Birne, die Kochanowski
veredelt hatte, und ein Stückchen Torte, welche die Wirthin selbst und Anna gebacken hatten. Hinsichts
'
der
193 der Getränke zog der
Spanier
den Meth
dem
Weine vor, den er nicht aufhörte für vortrefflichen
Malaga zu halten.
Als der Wirth bemerkte, daß
der Fremde mit Verwunderung auf die mit so gro
ßem Appetit essenden Edelleute seine Augen heftete, sagte er: Zhr wundert Euch wohl über den Appe
tit dieser jungen Edelleute; jeder ißt wohl gewiß so viel als zehn Spanier und zwanzig Ztaliäner; der
Unterschied des Klima's und der Lebensart erklären
es leicht.
Unsere Luft ist unweit schärfer, und un
sere Lebensart in beständiger Bewegung; bei Euch hält die brennende Hitze des Himmels, außer im
Kriege und zuweilen bei'm Turnier, die Menschen in Unthatigkeit, bei uns ist jeder Mann in immer
währender Bewegung, immer in freier Luft, und man kann sagen, daß das Obdach ihm nur in der
Nacht nöthig ist, um zu «schlafen.
Zum Beweise
will ich diese Züngliyge fragen, wie ste den heuti
gen Tag zugebracht haben. Damit der Spanier ihre Antwort verstände, fragte er ste lateinisch:
Quid nunc ambo fecistis
hac Iota die? Post matutinam orationem, antwor tete einer von ihnen, bibimus crematum, et manducavimus butulum cum brassica acetosa et multo
pane, postea incedimus equos, et per sex horas usque ad horam prandii agitavimus lepores. —
I.
13
194 Et post prandium ? fragte Kochanowskt wieder. Omne tempus usque ad coenam, antwortete der Andere, impendebamus exercitationibus bellicis cum lancea, pileo, gladio, parvisque bombardis *). Zhr hiret es nun, sagte Kochanowfti, sich zum Spanier wendend; und kann man sich also wun dern, daß sie mit so gutem Appetit essen? Zch rathe oft den Herren, fugte Kochanowski hinzu, sich zu weilen über ein Buch herzumachen, aber sehr selten nehmen sie den Livius oder den Tacitus in die Hand; Waffen und Windhunde sind ihnen angeneh mer. Zch muß aber auch diesen Herren die Gerech tigkeit widerfahren lassen, daß es ihnen an Kriegs muth nicht fehlt; denn sobald sie erfahren hatten, daß die Tartaren in unsere Grenzm eingebrochen, baten sie mich sogleich, ihnen zu erlauben, an diesen ihre Kräfte zu versuchen, sie schicken sich auch wirk lich auf morgen zu dieser Expedition an. Da mir sowohl mein körperliches Befinden, als auch meine •) WaS habt Ihr heute den ganzen Tag gemacht?
Nach dem verrichteten Morgengebete tranken wir Brannt wein, aßen Bratwurst mit Sauerkohl und viel Brot, dann bestiegen wir die Pferde, und haben sechs Stunden lang
bis gegen Mittag Hasen gehetzt. — Und nach Mittag? Die ganze Zeit bis gegen Abendbrot brachten wir mit Kriegsübungen zu, mit der Lanze, dem Säbel und Pi
stolen.
195 Corpulenz und die Liebe zum ruhigen ländlichen Le ben Feldstrapazen nicht erlauben, so sehe ich recht gern, daß jemand aus meinem Hause mit tapferer
Brust die Grenzen des Landes decket.
Wir nehmen
also einen und denselben Weg, sagte Don Ferdinandez.
Si dominatio vestra permittet, sprach einer
von diesen Hofleuten, nos in eo certamine esse socios eins, terque, quaterque beatos nos putaLimus.
Der Spanier willigte gern ein.
Schon
wurde Stanislaw Cikowski aus dem Stammhause Radwan und Zohann Gierlatowski, so hießen jene Jünglinge, ungeduldig, um vom Tische aufzustehcn
und sich zu der Reise geschwind anzuschickcn, als man das Stampfen der Pferde auf dem Hosplatze
hörte, und bald traten Prokop Sieniawfli, Bern
hard Prytwitz und Zohann Herburt in voller Rü stung in die Stube herein.
Kochanowski nahm sie
mit einer ihm angebornen Herzlichkeit auf.
Was
hat man für Nachrichten aus Podolien? fragte er.
Wir haben mehrere Horden Tartaren zurückgetrie
ben, sagte Sienjawski, aber es sollen sich ihrer grö ßere Schaaren zeigen; sie richten ihre Gedanken auf Peramira, wo sich Wiszniowiecki verschlossen hat *).
Kochanowski stellte dem Spanier die neu am
•) Dielski S. 535.
Bohomolzens Ausgabe.
13*
196 gekommenen Ritter vor, und erzählte ihm, welche Nachrichten sie mitgebracht hattm. Per Deum om nipotentem, rief Don Ferdinande;, wie froh bin ich, daß sie sich wieder in großen Schaaren zeigen! Zch will keinen Augenblick verlieren; es ist eine heitere Nacht, der Mond scheint hell, sogleich sehe ich mich auf's Pferd. Vergeblich' waren alle Der mühungen der Wirthsleute, ihn noch diese Nacht bei sich zu behalten, in Zeit von einer halben Stunde war der Spanier und seine neuen Gefähr ten schon unterweges. Wir wollen unserm Ritter nicht Schritt vor Schritt folgen, nicht mit ihm die seltsamen Burgen im südlichen Polen besuchen, in die Schlösser ein kehren, in die man ihn wider seinen Willen zog. Zn dem Zustande, in welchem sich eine der Liebe ganz ergebene Seele befindet, waren Geselligkeit, Pracht und Mahlzeiten für ihn ohne allen Reiz. Die Natur und ihre unzähligen Reize enthüll ten ihm größere Annehmlichkeiten. Gewöhnt an den schwülen Himmel Zberiens, an schroffe und fin stere Felsen, an tief gelegene Haine, Auen und Ge filde, überraschten ihn jetzt grüne Triften, reiche ftuchtbare Felder, mit dem Auge nicht zu ermessende Flächen Podoliens und der Ukraine durch ihre neue und ergreifende Schönheit. Bald hob er die Augen
197 zu dem schönen Blau des Himmels, das nur hier und da mit einem leichten weißen Gewölk überzo gen war, bald ließ er sie auf den Boden sinken, und labte sich an einem nicht weniger entzückenden Anblicke. Hier waren abdachende Hügel mit hun dertjährigen Eichen; durch die Oeffnungen ihrer aus gebreiteten dicken Acstc erblickte man unübersehbare Triften und Auen, unten murmelten Bäche kalten und klaren Wassers; nirgend aber waren Gebäude, nirgend ländliche Wohnungen zu sehen, nur die Stimme des sich in den Wolken verlierenden Ad lers oder der pfeilschnelle Lauf wild umher tum melnder Pferde, unterbrach zuweilen das tiefe Schweigen. Uebrigens feierliche Stille, so wie am Schöpfungstage, als schon alle Schönheiten und Produkte der Natur geschaffen waren, ehe Gott dem Menschen zu leben befahl. Hier und da zeug ten wirklich Hügel voll kleiner Seemuscheln, daß dieses Land vielleicht vor nicht gar vielen Zahrhundcrten von der Fläche des Oceans bedeckt gewesen; vielleicht in den Jahrhunderten, wo das jetzt schmale Baltische Meer mit den Gewässern des schwarzen und Kaspischen Meeres vereinigt floß: hier grub man Elephanten- und Nashorn-Gerippe aus; auch die Veränderung der Erdzone' beweist ebenfalls große Umwälzungen. Vielleicht, sprach der Spanier zu
198 sich selbst, erhoben sich in diesen wüsten schweigenden Steppen, wo keine menschliche Stimme wiederhol-
let, einst mächtige Burgen
voll lebendiger Wesen,
aus ihren bronzenen Thoren gingen bewaffnete Rei
hen hervor;
Elephanten trugen Thürme auf ihren
Rücken und mit Bogen bewaffnete Manner.
Auf
den -ffentlichen Plätzen standen Bildsäulen der Mo narchen und ihrer stolzen Stellvertreter.
Thoren!
sie dachten, daß sie ewig leben würden; wo ist nun ihre Unsterblichkeit!
Gott berührte mit seinem Fin
ger diese vergängliche Erdkugel; ihre Gleicher und Pole nahmen eine entgegengesetzte Richtung; da wo
Meere waren, drangen mühsam Länder hervor, wo sich Länder ausdrhnten, ergoß
sich ein bodenloser
Ocean; alte Menschenstämme gingen mit Wissen schaften, Künsten, ihren Werken und ihrer Erfah
rung, mit den Früchten so vieler Jahrhunderte ver
loren, und ein neues Menschengeschlecht mußte sich wieder von seiner Wiege an hervorarbriten.
Und
was giebt es denn Dauerhaftes in dieser Welt?
In solchen Betrachtungen war der Ritter ver sunken, als er an den Grenzen des Horizonts hier und da Rauchsäulen cmporsteigen, und Funken einer
beinahe verlöschendm
Feuersbrunst
auffliegcn sah.
Sieh da, sagte einer von den Gefährten des Spa niers, ein Werk der Tartaren!
Wo sind sie?!
rief
199 Don Alonzo auS, und gab seinem Rosse die Spor
ren.
Halte Deinen Eifer zurück! rief sein Freund
aus. Du kennst die Art, wie die Tartaren Krieg führen, nicht. Sie sind vielleicht schon dreißig Meir len von hier entfernt; laß uns nur dicht beisammen
bleiben und erst Kunde einziehen.
Der Spanier
mäßigte seinen Schritt, und als er einige Stadien geritten war, Hirte er von Ferne ländliche Klagelieder.
Es schien, daß sie von den Oertern herkämen,
wo man den Rauch emporsteigen sah.
Die Stimr
men ließen sich zusammen und wieder einzeln hören. Ihr Inhalt war folgender: Im Chor.
Auf den Trümmern unsrer Hütten
Bleibt der Jammer immer wach. Wer fühlt mit, was wir gelitten? Hin ist Habe, Ruh' und Dach. OeS Tartaren gist'ge Pfeile
Und sein blutgetränktes Schwert
Treiben hin in größter Eile
Ach! die Unsern von dem Herd. Eine Stimme.
Wer wird dich, Marie, leiten? Hab' ich dazu dich gehegt,
Um die Decke auszubreiten, Wo der Muselmann sich pflegt!
200 Zweite Stimme. Sorglos folgte ich dem Pfluge,
Da stahl dich die Räuberhand. Wüthend spur’ ich nach dem Zuge,
Führ' er auch in FeindeS Land!
Eine Frauenstimme. Schon längst wollt’ der Uhu uns sagen,
Was Schreckliches jetzt uns geschah;
Oft rief er in nächtlichen Klagen: „Seid wachsam, ein Unglück ist nah!"
Und neulich versank an der Quelle
Die Sonne in drohendem Roth,
Mein Leben wird niemals mehr Helle,
DaS Glück ist verwandelt in Noth. Felder, traget keine Aehren,
Und du Baum bring’ keine Frucht; Solltet ihr den Feind noch nähren, Oer unS zu verderben sucht! Sprüht, ihr Funken, raucht, ihr Hütten,
Denn ein Rächer ist hier nicht! Dort erst endet, was wir litten,
Wo das Herz am Grabstein bricht.
Unser Fremdling verstand kein Wort von diesem Gesänge, jedoch herrscht in unsern ukrainischen Lie dern eine eigene Melodie, eine rührende Traurigkeit, welche gleich dem matten Schein an einem Herbst-
201
tage der untergehenden Sonne unsere Herzen süß bewegt. Unsere Ritter sprengten auf der Stelle dort hin, von wo sich die Stimmen hören ließen. Welch ein traurig« Anblick! Aus der glühenden Asche ragten die Ueberreste des in Flammen aufgelodertm Dorfes hervor. Einige Greise mit weißen Barten saßen auf dem Schutte und betrachteten dieß Alles mit düsterem Schweigen; bejahrte Frauen, den eigenen Schmerz erstickend, drückten die von den Müttern verlassenen Säuglinge an ihre Brust, im dem diese vergeblich durch Weinen um Nahrung bat ten. Unsere Zünglinge durch einen so jammernswerr then Anblick gerührt, boten den Unglücklichen GeldUnterstützung an. Behaltet diese Gaben, sagten sie, was sollen wir mit dem Gelde machen! Uns ist Speise nöthig, und rund umher ist alles wie hier aufgezchrt und verbrannt. Es war ein Glück, daß in diesem Augenblicke ein zehnjähriger Knabe einige im Dickicht versteckt gehaltene melkende Kühe heranttieb. Die Hoffnung, von ihren angeschwollenen Eutern Labung zu bekom men, ttöstete ein wenig den bekümmerten Hausen. Diesen Augenblick der Freude benutzend, bat un ser junge Spanier einen von seinen Gefährten, die unglücklichen Landleute zu fragen, auf welche Weise dieser Anfall geschehen wäre? Nach einer Pause
202
fing eine von den alten Frauen, nachdem sic sich die Thränen abgetrocknrt, also zu sprechen an: Gestern, als eben die Sonne aufging, sprang ich von meinem Lager auf, und nachdem ich mein Gebet vor Gott verrichtet hatte, weckte ich meine Töchter Alane und Eustachia auf, um das Vieh auf's Feld zu tteiben. Darauf gehe ich hinter den Kuhstall, wo noch jene Eiche raucht, und sehe mehrere Reiter den Hügel linker Hand heraufkommen. Ihre weißen, umgekehrten Pelze, Mühen von Schaft fellen, di« über die Schultern emporragendcn Dogen, kleine Pferde, deren Mähnen bis auf die Erde reich ten, überzeugten mich, daß dieß Tartaren waren. Durch diesen Anblick erschreckt, rief ich meinen Töch tern zu; wir eilen alle drei nach dem Dorfe, und wecken mit durchdringender Stimme die Nachbarn auf. Alle rafften sich aus ihrem Schlummer, und nachdem sie die Ursache des Schreckens erfahren, zerstreuten sich Männer und Frauen, ihre kleinen Kinder an die Hand nehmend oder die Säuglinge an ihren Dusen drückend, nach allen Richtungen hin; aber alle wurden vom Feinde gefunden. Denn die Tartarcn, nachdem sie sich in kleine Haufen zer streut hatten, rückten aus kleinen Entfernungen zu einem Kreise an, und griffen jeden, dem sic begegne ten, auf. Wir Greise allein, denen das Alter die
203 Kräfte genommen, erwarteten auf den Schwellen un serer Wohnungen das Schicksal, welches uns unser Herr Gott bestimmt hatte.
Auch hier fiel ein Haufe
der Barbaren ein, raubte und brannte; lange h-rten wir, obgleich fernes, doch die Luft durchschneidendes
Jammern und Weinen unserer jungen Leute.
—
Aber die Sonne ist schon zum zweiten Male auf
gegangen
und wir hören nichts;
unsere Thränen
fließen umsonst, unser Stöhnen und Klagen ver
hallt nur in den -den Steppen.
Unsere Töchter
und unsere Söhne sind nicht mehr da; nie werden
wir sie wiedersehen! —
Schluchzen und Thränen
unterbrachen die Stimme der Sprechenden.
Unsere Ritter auf's Lebhafteste von dem beweis nenswerthen Zustande dieser verwaiseten Landleute
ergriffen, warfen ihnen ansehnliche Geldunterstühungcn hin, und entfernten sich.
Ach! was möchte ich
darum geben, sagte der Spanier, indem er seinem Pferde die Sporen gab, wenn wir diese Sarazenen tinholen, ihren Raub wegnchmcn und den unglück lichen
Eltern
könnten!
ihre
entrissene
Kinder
wiedergebcn
— Das wäre wahrlich eine eines Cyd
würdige That, würdig christlicher Ritter.
Ehe wir an das Abnchmen des Raubes denken, sagte P. Denisko, müssen wir
Hut sein.
selbst auf unserer
Das Gesindel lauert und spürt überall.
204
ES ist nichts leichter, als in ihre Hände zu fallen. Viele sollen erst den Sand mit ihren Zähnen beißen, antwortete Don Ferdinandez, ehe sie uns wen den fangen können. Das ist gewiß, sagte Anselm Gostomsti, daß wir alle unS gleich gut vertheidigen wollen, aber Einige gegen Hunderte müssen endlich unterliegen. Wir müssen uns nach Miendzyborz zu wenden, wo der Herr P. Zazlowiecki mit einer an sehnlichen Abtheilung der Viertelsöldlinge *) steht. Mit solchen Gesprächen, über di« Art der Tartarcn Krieg zu führen, brachten die Ritter den übrigen Theil deS Tages zu. Gegen Abend, als sie an einem klaren Dache einen schönen Eichenwald an trafen, stiegen sie von den Pferden ab, und nach dem sie sich mit kalten Speisen gesättigt, ihre Rosse auf die Weide gelassen, sich selbst die Sattel unter den Kopf gelegt und die Bedienten auf die Lauer gestellt hatten, versanken sie in einen süßen Schlummer. Der Glanz von den rosigen Strahlen der ausge henden Sonne berührte ihre Augcnlicder und weckte sie auf. Die lauten Lieder der ihren Schöpfer •) Eine Anne«, welche von der Viertelsteuer (einer Abgabe des vierten Theiles der Einkünfte von einem ver liehenen Kammergute) unterhalten wurde.
205
begrüßenden Vögel, die an den Feldblumen und Blattern Hangenden Thautropfen, ein sanfter Wind, welcher liebliche Düfte mit sich führte, die ganze Natur in tausend Reize gekleidet, erregten in den Jünglingen heitere und liebliche Empfindungen. „Alle Kinder der Natur glücklicher bei Tagesanbruch, Fühlen mit dem jungen Tage auch «in neues frischres Leben." Wer gedenkt nicht jener lebhaften Entzückun gen im Lenze seines Lebens, wenn der Mensch die Wonne des Daseins doppelt fühlt, wenn sein Herz mit einem unbegreiflichen Froh-Sinne erfüllt ist, wenn vor ihm die Zukunft ausgedehnt und weit da liegt! wer gedenkt nicht, wie der Anblick der aus gehenden Sonne, die Reize der erwachenden Natur, unsere Seele aus dem tiefen Schooße der Erde zu entreißen und sie nach höheren Regionen hinüberzu tragen scheinen! Voll solcher Empfindungen standen unsere Jüng linge auf, nachdem sie inbrünstige Gebete dem All mächtigsten dargebracht hatten. Als sie aber ihren Weg weiter fortsetzen wollten, wurden sie gewahr, daß ihre Pferde verschwunden waren. Sogleich suchten sowohl die Lauernden, die der Schlaf in der Nacht überwältigt hatte, als auch sie selbst in dem ganzen Eichenwalde umher, aber vergeblich.
206
Als sie so zerstreut herumirren, hören sie auf ein mal das Pstifen schnell fliegender Pfeile, einer da von durchbohrte die Armschiene des Spaniers und versetzt ihm eine leichte Wunde. Don Alonzo Ferdinandcz zieht das Schwert, eilt in vollem Laufe nach dem Dickicht, von wo die Pfeile Herausflor gen, stößt auf einen Haufen Tartaren, und da diese der dichten Baume wegen ihre Bogen nicht gebrau chen können, suchen sie ihn von allen Seiten zu umzingeln. Das Geschrei der rings umher Käm pfenden zeigte an, daß auch die Gefährten des Spaniers sich in ähnlicher Gefahr befanden. Wie ein Blitz blinken die Schwerter der Ritter, die Muselmänner fallen unter denselben, schreckliche Flüche ausstoßend; der Kampf dauert beinahe eine Stunde, bis endlich die Schwerter aus den von der langen Arbeit ermatteten Händen sinken, und die Zünglinge umringt und immer durch neue Hau fen bedrängt, gefangen und gefesselt wurden. Man kann sich leicht ihren Schmerz und ihre Schmach denken, da sie ein Raub der Barbaren wurden. Mit Trauern sahen sie, wie die vorneh meren Murzen *) ihre muthigen Rosse tummelten, sie selbst hingegen wurden, mit auf den Rücken
207 gebundenen Händen, aus tartarische Hanbpferde ge setzt, in die Mitte genommen. Zn diesem Aufzuge kamen sie bald aus dem Walde heraus, und als sie auf dem weiten Felde waren, wurden sie im schnel len Trabe mit fortgerissen. Alle zwei Stunden hielt diese Horde an, um die Pferde verschnaufen zu lassen und sich selbst zu erquicken. Auch den Gefan genen reichte man in großen Liffeln Stutenmilch. Der Spanier schauderte anfangs mehr als unsere Polen vor dieser Nahrung zurück, aber der Hun ger, der Durst, die Noth überwältigten diesen Ab scheu. Den dritten Tag bemerkte der dieser Gegenden kundige Denisko, daß sie sich auf unfruchtbaren Fel dern befanden. Man verdoppelte den Marsch nach Süden zu. Die unabsehbaren Steppen schienen nie driger zu werden: man sahe Rauch neben brennen dem Feuer; man vernahm das Gemurmel schmau senden Barbarenvolkes, das Wiehern von Pferden, und ein ungeheures Lannen der Zinken *) und Pau ken kam immer naher. Endlich hielt die Horde, welche unsere Ritter lei tete, in einem Thale an, wo die anderen nach verschiedenen Gegenden ausgeschickten Horden zusam-
208 men gekommen waten, um sich in die Beute zu theilen. Ein unzählbarer Haufen dieser Räuber bil dete einen ungeheuren Kreis, und da sie in weiße Pelze gekleidet waren, so stellten sie den Anblick einer sehr großen Herde vor. Mitten unter den dicht geschlossenen Gliedern saßen Frauen, Kinder und Jünglinge, welche gefangen genommen waren. Zhr Jammern und ihre klagenden Stimmen durch schnitten die Luft. Ein durchdringendes Freudenge schrei der ihre neu ankommenden Gefährten begrü ßenden Tartaren unterdrückte dieses Jammern auf einen Augenblick. Zn der Mitte saß auf einem ausgebreiteten Teppiche, die Füße über's Kreuz ge legt, der Chan, in einem atlassenen Kaftan; darüber hatte er eine mit Marder gefütterte Schaube von gleichem Stoffe, eine spitzige Mütze, ponceaurothe Pumphosen und rothsaffianene Stiefel. Er war ein siebzigjähriger Greis, mit grauem Schnurrbarte und einem langen herabhängenden Barte; ein Auge war ihm ausgeschoffen. Zn seinem Angesichte, ob gleich durch Alter matt geworden, drückte sich die in den Lagern erlangte Sttenge und Wildheit aus. Obgleich gering in den Augen des Sultans, war er doch gegen seinen Untergebenen streng und stolz, duldete auch die mindeste Widersetzlichkeit gegen sei nen Willen nicht. Die
209 Die um
ihn, in einiger Entfernung, sihenden
Murzen waren weniger zierlich gekleidet; einige aber
trugen Panzer.
Hier und da lagen krepirte ab;
gedeckte Pferde,
die das Barbarenvolk zerriß und
Für den Chan und für die Murzen wur
staß.
den bessere Leckerbissen bereitet; nämlich, Seiten des todten Viehes, die vom Pferdeschweiße unter dem
Sattel erweicht wurden, und mit Mehl und Pfer deblut gefüllte Würste.
Als Getränk diente eine
aus Hirse verfertigte, dicke und berauschende Brühe;
an Wein und Branntwein, die ihnen durch Raub
zu Theil wurden, fehlte es auch nicht. Murza brachte unsere Ritter zum Chan,
Ein
und stand mit auf der Brust verschränkten Armen, und aus den Boden gesenkten Blicken, einige Zeit
vor ihm.
Was bringst Du, elender Sclave? fragte
der Chan mit einem Tone der Verachtung.
Der
Murza erzählte in einigen Worten den glücklichen
Erfolg
seines Ausfalles, stellte unsere Ritter vor,
welche, obwohl mit gebundenen Händen, in ihrem
Blicke, sich
als unerschrockene und
freie Männer
zeigten.
Indem der Chan die stattlichen Kleider und die
Rüstung der Gefangenen betrachtete, sagte er: Man
führe
sie nach Bachezuseray *) hin, ihr Lösegeld
•) Hauptstadt von der Krimm.
I.
210 wird in Gold nach ihrem Gewichte bestimmt.
Als
er nachher das muthige Roß des Spaniers, wel ches der alte Tenczynski demselben verehrte, gewahr
wurde, sagte er: Dieses Pferd und die beiden an
deren führe man zu den meinigen hin; dieser Troß aber (auf das unglückliche Landvolk zeigend) mag
zur allgemeinen Theilung gehen.
Dieses willkühr-
liche Urtheil, das die Eigenthümer um ihre kost barste Beute brachte, schien, statt eine Widersetzlich
keit oder wenigstens doch Gegen-Vorstellungen, in
diesem Sclaven Freude und Dankbarkeit zu erwekkcn; er küßte ihm die Hand, und sich bückend, be
rührte er die Erde. So weit erstickt das Zoch der Sclaverei in dem Menschen die Gefühle feiner Würde. Unterdessen klatschte der Chan in die Hande, und sogleich stellte man vor ihn einen niedrigen
kleinen Tisch.
Die Czausen (Höflinge) besetzten
denselben mit dem vom Pferdeschweiße gedampften
Fleische auf geraubten silbernen Bratenschüsseln; mit Begierde verschlang es Krim Gierey und trank seine
starke Hirsenbrühe dazu. Als er sich hinlänglich ge sättigt und sich einen ordentlichen Rausch angetrun
ken hatte, ließ er unsern drei Rittern die Hände losbinden, und schickte ihnen selbst drei Schalen Stutenmilch hin.
Man setzte auch den anderen
211 Gefangenen Speisen vor; aber diese besprengten sie
mit ihren Thränen und rührten sie nicht an. Bald
eröffnete
der
Chan
seine
gewöhnlichen
gunst- und gnadenvvllen Belustigungen;
er
nahm
halb benagte Knochen und blutige Pferdeeingeweide,
und warf sie den rund
um ihn sitzenden Murzen
zu, diese griffen sie bei geöffnetem Munde' mit ihren
Zahnen, oder auch mit den Handen auf, und wenn einer verfehlte, so lachte der Chan, daß
Hangebauch schüttelte.
ihm sein
Als Krim Gierey von die
sem seiner Würde angemessenen
Vergnügen müde
war, und einen Blick auf sein Lager geworfen hatte,
bemerkte er, daß von dem
aufgezehrten Aase nur
weiße Knochen da lagen, deshalb rief er:
würdige Hunde!
Nichts
Ihr habt Euch nun gehörig ge
sättigt, es ist Zeit zur Theilung zu schreiten;
da
wir nicht weiter zu ziehen brauchen, mag Achmed
Und Ali dafür sorgen, daß dieß ordnungsmäßig ge
schehe. Auf der Stelle zerstreute sich der den Chan um
gebende Kreis, und es zeigten sich ungeheure Stöße von verschiedenen auf einen Haufen zusammen ge tragenen Gegenständen.
Wer hätte da zählen kön
nen! Kleidungsstücke, Manns- und Frauen-Pelze, silberne Pokale und Becher, Mittelschüffeln, Frauen
schmuck, Panzer, Helme, Pferde und Heerden ohne
14 *
212
Zahl. Die bestimmten Murzen theilten dieß mit der größten Gewissenhaftigkeit. Aber welch ein trau riges Schauspiel folgte dann, als man zur Theilung der Gefangenen schritt. Diese saßen haufenweise, so wie sie mit fortgeschleppt waren. Es kam der Au genblick, wo das theuerste Blut und die theuersten Bündnisse getrennt werden sollten. Man trennte Frauen von ihren Männern, Kinder von ihren Müttern; diese sollten nach Stambul, jene nach Natolien, andere nach der Krimm gehen. Das Weinen und Zammern Aller, und das ge waltige Loswinden der Mütter aus den Händen der Barbaren, um ihre Kinder noch einmal zu her zen, stellte die schmerzlichste Scene dar. Umsonst hallte in den wilden Steppen der Jammer der Ver zweiflung und des Schmerzes, Gott nahm ihn als Lisegeld für die Sünden dieser Sterblichen an; aber außer unsern Rittern wurde durch dieß Alles kein menschliches Herz erweicht. Mitten unter einem so durchdringenden Geschrei wurde man zwei Murzen gewahr, die ein anmuthiges, sich sträubendes Frauenzimmer mit Gewalt fort schleppten. Seine Gestalt war erhaben, in al len Gliedern eine vollkommene Bildung. Ein seide nes, obschon zerfetztes Kleid zeigte den hohen Stand an; ein schwarzer Schleier verdeckte ganz das Ge-
213 sicht, nur dunkeles unter demselben in dichten Lokken hervorkommendes Haar bedeckte ihre schneeweiße
Schultern.
Die tüchtig berauschten Murzen schlepp,
tcn diese Unglückliche vor das Tribunal des Chan.
Einer von ihnen, Namens Hassan, fing mit folgen
de» Worten zu reden an:
Du, nach dem Stell
vertreter unseres Propheten, Allermächtigster Mo narch in der Welt, Drudersohn der Sonne, Vetter des Mondes, Schaffner der Gerechtigkeit, Du Ein
ziger von Ur- und Großvätern, rechtmäßiger Be sitzer unseres Vermögens, unseres Lebens und unse
rer Seelen, Du, von dem ein Haar größeren Werth hat als alle Bewohner der ganzen Krimm, Aller
größter, Allerschönsier, Allerverständigster unter den Lieblingen Mahomeds! zu Dir komme ich, um Ge
rechtigkeit zu finden.
Die ungläubige Hündin, die
Du vor Dir siehst, ist durch mich zuerst ergriffen worden, mir gehört sie mit dem unläugbaren Rechte,
doch macht mir Musselin sie streitig, und hält diese
Hündin für sein Eigenthum.
O, Du holder Stern
der Weisheit, übe Gerechtigkeit aus und befiel, sie mir wieder zu geben!
Als Hassan endigte, ließ Musselin sich also ver nehmen:
Wunderbarer, mit Nichts zu vergleichen
der, Allwaltender, Vermehrer der tartarischen Ma
jestät, dessen
Glanz
unsere Augen nicht ertragen
214
können, Allergrößter, Allerschinster, Allerverständigster! Hassan lügt, wenn er sagt, daß diese ungläu bige Hündin ihm angehöre. Es ist wahr, er war der Erste, der sie ergriff und schon wegführte; aber mag er selbst sagen, kamen denn nicht ihre Ver wandte und Freunde, haben sie sie nicht wieder ent rissen, sie schon wieder nach Hause geführt, und hätten sie sie auch nicht völlig weggeführt, hätte Ich, nachdem ich den Entführern nachjagte, dieselben nicht verwundet und zerstreut, mit einem Worte, hätte ich diese ungläubige Hündin nicht wieder ab genommen, und wäre ich nicht ihr wahrhafter Be sitzer und Herr geworden, wo wäre sie denn ohne mich? Daß sie hier ist, dieß hat nur mein Arm und mein Säbel bewirkt. Sie ist eine Beute, setzte er hinzu, die man nicht leicht abtteten kann, sie ist eine Schönheit, Deiner, o Herr, würdig, würdig des Sultans selbst! Nach diesen Worten riß Musse lin den schwarzen Schleier von dem Gesichte der unglücklichen Gefangenen, und in demselben Augen blicke hörte man ein durchdringendes Geschrei von der Gegend her, wo die vor einer Stunde gefan genen Ritter geweilt hatten. Die Tartaren selbst waren von dem Glanze solcher Schönheit und sol cher Reize überrascht. Nur der Chan Krim Gierey allein ward nicht gerührt, sondern schien in einem
215
tiefen Nachdenken versunken zu sein. Alle erwarte ten das Urtheil des Allwaltenden, und priesen ihn, daß er mit solcher Ucberlegung und Mühe auf der Schale seiner Weisheit alle Umstande dieses Strei tes abwöge. Es herrschte ein langes Stillschwei gen. Die jungen Murzen konnten ihre Augen von der schönen Gefangenen nicht losreißen; diese, fast ohnmächtig, mit halb geschlossenen Augen, stellte den Anblick der von einem Pfeile durchbohrten Tochter der schönen Niobe dar. Endlich wachte der Chan Krim Gieren auf, der nicht in Nachdenken über diese Angelegenheit, son dern in einen festen Schlaf versunken war, und als er die Murzen und die Gefangene vor sich stehen sah, fragte er: was dieß zu bedeuten habe? Die Parteien wiederholten ihre Einleitungen, und als sie geendigt hatten, ließ sich der alte Chan, der während ihres Sprechens seine Augen an den Rei zen der schönen Sklavin geweidet hatte, also verneh men: Während der ganzen Zeit dieser obwaltenden Sache, war ich in der Verzückung bis in den sie benten Himmel versetzt, wo unser heiliger Prophet befahl, daß ich. Eure Streitigkeiten schlichtend, diese Gefangene keinem zuerkennen, sondern sie für mich nehmen soll, und so nehme ich sie nun. Nur dem Sultan trete ich sie ab! rief der von Zorn ergriffene
216 Hassan aus. — Der Sultan
braucht solche Ge
schenke nicht, versetzte der Chan, er hat deren Tau sende; es stimmt auch mit unserm Interesse nicht,
ungläubige Hündinnen dem Padischah als Kebsweiber zu geben.
Gedenket Ihr noch, als die Polin
Roxolana das Herz Solimans beherrschte? da war
es uns ausss Strengste verboten, die Grenzen Po
lens zu überfallen; wie viele Jahre hindurch
sah
man in der Krimm weder einen Gefangenen, noch eine Gefangene, es glänzte bei uns kein den Un gläubigen entrissener Silberbecher!
Zeiten nicht wieder zurückrufen. er seinen Dienern zu;
Laßt uns diese Dieß sagend, rief
Nehmet diese Sklavin und
führet sie in mein Lager! — Du nimmst also das, was für den Sultan bestimmt war! schrie der schon
wüthende Hassan.
Schweige, Du schwacher Staub,
antwortete Krim Gierey, indem er ihn zu enthaup ten drohet«.
Obgleich der Stufen der menschlichen
Geduld unzählbare sind, so giebt es doch eine letzte,
hinter welcher die Verzweiflung wohnt, und Gleich
gültigkeit
gegen Alles.
Das
Ucberschreiten
des
Maßes in Ungerechtigkeit und Gewalt erweckte diese Verzweiflung.
Der von Kindheit auf an das Joch
der niedrigsten Sklaverei gewöhnte Hassan fühlte sich
nun als Mensch, und indem er sah, daß man ihm
dieses so schöne Weib entriß, rief er, von Liebe und
217 Zom ganz betäubt, aus: Wenn es so ist, so soll keiner von uns beiden dieses Weib haben! Dieß sagend, zog er seinen Dolch hinter dem Gürtel Herr vor, und indem er ihn aufhebt und nach der Brust der ohnmächtigen Gefangenen zielt, springt Don Alonzo di Medina Czeli unter der Wache hervor, und reißt Hassan den Dolch aus den Händen, aber beim Ausreißen wird er selbst damit am Arme leicht verwundet. Er rächte diese Wunde, versenkte seine Waffe in den Tartar, dieser fiel und wälzte sich auf dem Boden. Don Ferdinandez nimmt die ohnmächtige Sophie (denn sie war es) in seine Arme. Schon blinken tausend Schwerter in der Luft über dem verwegenen Ritter, als ein Schall naher Trom peten und Pauken, und der Anblick des in vollem Galopp ankommenden polnischen Heeres die Tartaten in die grißte Bestürzung und Verwirrung verseht. Ende deS ersten Theils.
Verbesserungen. S. 31 Z. 4 von unten lieS: Schlüssel. — 71 — 7 v. oben lieS: gewann, statt: gewonnen. — 85 — 7 V. 0. L: omina et praesagia, fl.: omnia et praestigia. — 113 — 1 v. u. l.: Szydlo wice, fl.: Szydtowice. — 118 — 5 v. u. l.: Ocieski, st.: Ocinski. — 119 —13 v. o. I.: Dolman, st.: Ooloman. — 122 —12 v. o. l.: Schooße, st.: Schlosse. — 129 — 1 v. o. L: gleiche, st., gleich. ■— 134 — 7 v. 0. l.: venam, st.: veniara. — 140 — 9 v. o. L: bewillkommnete, st-: be willkommete. — 150 — 4 v. u. L: Zakliczyn, st.: Zatliczyn. — 154 — 9 v. o. l.: gebundne, st.: gebunden. — 200 — 5 v. o. l.: Führt', st.: Fähr'.