Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz: 1985/86 [1985/86] 3875372387


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Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung, Preußischer Kulturbesitz, 1985/86
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Vortitelblatt
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TableOfContents
Preface
Angermüller, Rudolph - Carl Philipp Emanuel Bachiana/Briefe, die bei Ernst Suchalla nicht veröffentlicht wurden
Anmerkungen des Herausgebers
Briefe Nummer 1 bis 133
Literatur
Bibliothekssigel
Verzeichnis der Briefe
Verzeichnis der Personen
Verzeichnis der Städte und Länder
Dahlhaus, Carl - Bach und der Zerfall der musikalischen Figurenlehre
Elvers, Rudolf - Quellen zur Bach-Rezeption in Berlin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
Krummacher, Friedhelm - Bach als Maß?/Über Motetten aus Bachs Schülerkreis
Stiller, Günther - Johann Sebastian Bach und "das wahre Fundament aller gottgefälliger Kirchen Music"
Wagner, Günther - Die Bach-Rezeption im 18. Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen strengem und freiem Stil
Zenck, Martin - Bach in der Musikgeschichtsschreibung und in der Musik des 18. Jahrhunderts
Wolff, Christoph - Bachs vierstimmige Choräle: Geschichtliche Perspektiven im 18. Jahrhundert
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Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz: 1985/86 [1985/86]
 3875372387

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Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz

1985/86

Merseburger

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'-

JAHRBUCH DES STAATLICHEN INSTITUTS FÜR MUSIKFORSCHUNG

Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz

1985/86

Herausgegeben von Günther Wagner

Merseburger

Edition Merseburger 1222

© 1989 Verlag Merseburger Berlin GmbH, Kassel Alle Rechte einschließlich Photokopie und Mikrokopie vorbehalten · Printed in Germany Notenstich: Helmut Hofmann, Berlin Fotos: Jürgen Liepe, Berlin Satz: Axel Eiling, Kaufungen Druck: Karl Strube, Felsberg/Hessen Redaktion und Layout: Günther Wagner und Hannelore Schneider

ISBN 3-87537-238-7

INHALT

ANGERMÜLLER , RUDOLPH

Carl Philipp Emanual Bachiana Briefe , die bei Ernst Suchalla nicht veröffentlicht wurden Anmerkungen des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Briefe Nummer 1bis133 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliothekssigel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Briefe . .... .. ... .. .... . ... .. .. . . .. ....... ... .. .. . Verzeichnis der Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Städte und Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 10 11 156 158 160 163 167

DAHLHAUS. CARL

Bach und der Zerfall der musikalischen Figurenlehre

169

faVERS . RUDOLF

Quellen zur Bach-Rezeption in Berlin in der zweiten Hälfte des 18 .Jahrhundens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 KRUMMACHER , fRIEDHELM

Bach als Maß? Über Motetten aus Bachs Schülerkreis

180

STILLER, GONTHER

Johann Sebastian Bach und „das wahre Fundament aller gottgefälliger Kirchen Music"

199

w AGNER , GONTHER Die Bach-Rezeption im 18 . Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen strengem und freiem Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 ZENCK, MARTIN

Bach in der Musikgeschichtsschreibung und in der Musik des 18.Jahrhundedns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 WoLFF. CHRISTOPH

Bachs vierstimmige Choräle : Ge chichtliche Perspektiven im 18 .Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 7

VORWORT

Mit dem vorliegenden Doppelband ist ein guter Teil des Zeitverzuges wieder ausgeglichen, der vor allem durch eine neue Form der Texterstellung und durch personelle Veränderungen entstanden ist . Wenn der nächste Doppelband in dem geplanten zeitlichen Rahmen fertiggestellt werden kann, wäre des Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz wieder in seinen ursprünglichen zeitlichen Rahmen zurückgeführt. Der Inhalt des vorliegenden Bandes wurde durch zwei Gedenkjahre wesentlich geprägt : den 300 . Geburtstag Johann Sebastian Bachs (1985) und den 200 . Todestag Carl Philipp Emanuel Bachs ( 1988). Der konkrete Anlaß im Falle Johann Sebastian Bachs war ein Bach-Colloqium als Beitrag zum Europäischen Jahr der Musik 1985 in Berlin, das in Zusammenarbeit zwischen den Bach-Tagen Berlin , dem Wissenschaftskolleg zu Berlin und dem Staatlichen Institut für Musikforschung gemeinsam durchgeführt wurde. Die im Rahmen dieser Veranstaltung gehaltenen Referate von Carl Dahlhaus, Rudolf Elvers, Friedhelm Krummacher, Günther Stiller, Christoph Wolff und Martin Zenck sind hier gesammelt abgedruckt . Der Beitrag des Herausgebers ge hört ebenfalls in diesen Zusammenhang; es handelt sich um die Druckfassung eines Vortrages, der bei den Bach-Tagen Berlin 1985 gehalten wurde . Das Gedenkjahr zum 200 . Todestag Carl Philipp Emanuel Bachs (1988) hat schon in seiner Vorbereitungsphase Früchte gezeitigt , die nun an dieser Stelle vorgelegt werden können . Eine Sammlung von über 200 Briefen , die von Ernst Suchalla 1985 vorgelegt wurde, war letztlich der Auslöser dafür , daß hier nochmals eine Sammlung von weiteren 133 Schriftstücken publiziert werden kann, ein Bestand, der ursprünglich als eigenständige Monographie erscheinen sollte . Die in diesem Band abgedruckten Briefe sind bei Suchalla nicht enthalten; knapp die Hälfte ist bisher unveröffentlicht geblieben; der Rest ist an verschiedenen Stellen publiziert worden und nicht immer leicht zugänglich . Für die Carl Philipp Emanuel Bach-Forschung sind damit die Voraussetzungen geschaffen, eine Gesamtausgabe seiner Briefe ins Auge zu fassen . Der Herausgeber möchte Herrn Dr. Rudolph Angermüller nochmals ausdrücklich dafür danken , daß er die Veröffentlichung an dieser Stelle ermöglicht hat. Der Inhalt des nächsten Bandes des Jahrbuches (1987/1988) wird wieder stärker durch Beiträge der Mitarbeiter des Staatlichen Institurs für Musikforschung bestimmt sein . Auch ist daran gedacht, in Zukunft wieder eine frühere Gepflogenheit aufzu greifen und kleinere Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen unter Mitwirkung externer Wissenschaftler im Staatlichen Institut für Musikforschung durchzuführen; die Ergebnisse dieser Arbeit sollen dann ebenfalls ins Jahrbuch mit einfließen . Nach diesen Anmerkungen zum Inhaltlichen sei die Aufmerksamkeit des Lesers noch auf das äußere Erscheinungsbild gerichtet. Der personelle Wechsel in der Herausgeberschaft hat auch dazu geführt , daß die Richtlinien der redaktionellen Einklei -

7

dung neu überdacht wurden. Wenn die bisherige Praxis der Kurztitel und des angehängten Literaturverzeichnisses in Zukunft aufgegeben wird, dann vor allem aus zwei Gründen: zum einen hat sich diese Form des Zitierens in unserem Fache nicht durchsetzen können und zum anderen hat gerade dieses Verfahren Kritik auf sich gezogen. Aus diesem Grunde wird mit dem vorliegenden Band die übliche Zitierweise wieder aufgenommen; das Archiv für Musikwissenschaft diente im wesentlichen als Vorbild. Berlin, im August 1989

8

Günther Wagner

CARL PHILIPP EMANUEL BACHIANA Briefe, die bei Ernst Suchalla nicht veröffentlicht wurden Herausgegeben und kommentiert von RuooLPH ANGERMÜUER

Eine vollständige Ausgabe der Korrespondenz von Carl Philipp Emanuel Bach liegt bis heute nicht vor. Die Briefe an Johann Gottlob Immanuel Breitkopf und Johann Nikolaus Forkel hat Ernst Suchalla 1985 in einer mustergültigen Edition vorgelegt. Anfang der 1970er Jahre planten Rudolph Angermüller, Sibylle Dahms und Manfred Hermann Schmid eine Ausgabe aller zugänglichen Briefe von Carl Philipp Emanuel Bach. Dieses Vorhaben ist liegengeblieben, da der berufliche Werdegang jedes einzelnen andere Aufgaben mit sich brachte. (Rudolph Angermüller ist inzwischen Generalsekretär der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, Sibylle Dahms Oberassistentin und Universitätsdozentin am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Salzburg und Manfred Hermann Schmid Ordinarius für Musikwissenschaft an der Universität Tübingen.) Der Verfasser dieses Beitrages hat über Jahre Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Briefe gesammelt, aus Zeitgründen konnte er keine Ausgabe besorgen. Das Carl-PhilippEmanuel-Bach-Jahr 1988 bietet sich an, die Korrespondenz zu veröffentlichen, die nicht bei Suchalla abgedruckt ist. Gut 50 Briefe an verschiedenste Empfänger - unter anderem auch an Breitkopf - sind nie veröffentlicht worden. Der Rest dieser Publikation bringt Briefe, die verstreut und manchmal schwer zugänglich sind. Suchalla und vorliegende Briefe ergeben einen Bestand von nahezu 330 Schreiben. Zu wünschen wäre, daß beide Publikationen eines Tages kompiliert würden, eine komplette Ausgabe der Briefe Carl Philipp Emanuel Bachs in einer wissenschaftlichen Edition so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnte. Dank schulde ich zahlreichen Bibliotheken und Privaten, die mir Kopien der Briefe zur Verfügung stellten. Salzburg, Neujahr 1988.

Rudolph Angermüller

9

ANMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

Briefe, die dem Herausgeber in ihrem originalen Erscheinungsbild bekannt waren, wurden in Zeilenfall und äußerer Form beibehalten . Einfache Unterstreichungen im Original wurden kursiv, doppelte Unterstreichungen gesperrt wiedergegeben . Die Bezifferung der Fußnoten arbeitet mit doppelter Zählung . Die erste Ziffer bezieht sich auf die Briefzählung, die zweite - durch Komma getrennt - gibt die Abfolge innerhalb des Brieftextes wieder. Die Verzeichnisse der Personen, der Städte und Länder sind nach Briefnummern, nicht nach Seitenzahlen angelegt. Die kursiv gesetzten Ziffern des Personenverzeichnisses zeigen den Briefempfänger an. Umfang und besondere Form dieses Beitrages machten eine Ausnahme von den neuen Richtlinien des Herausgebers erforderlich : Ein Literaturverzeichnis wurde angefügt.

10

AN DEN RAT DER STADT NAUMBURG LEIPZIG,

19.

AUGUST

1733

Original: D-ddr Bds

[Adresse] Denen Magnificis, Hoch- Edelgebohrnen, Hoch u. WohlEdlen, Vesten, Hoch- und Wohlgelahrten, auch Hoch- und Wohlweisen Herrn, Herren BurgerMeistern und Beysitzern des löblichen Stadt Regiments zu Naumburg Meinen Hochgeehrresten Herren und Patronis. Franco Naumburg Magnifice Hoch-Edelgebohrne, Hoch- und Wohl-Edle, Hoch- und Wohl-Gelahrte, auch Hoch- und Wohlweise Herren Hochgeneigte Gönner, Es mögte vielleicht meine Kühnheit, Ew: Magnificence und Hoch-Edelgebohrne Herrlichkeiten in dero wichtigen Verrichtungen zu stöhren, nicht zu entschuldigen seyn, wo Dieselben nicht darzu Anlaß selbst gegeben hätten. Jedermann muß bekennen, es sey Ew. Magnificence und Hoch-Edelgebohrne Herrlichkeiten angebohren, diejenigen durch dero hohes Patrocinium glücklich zu machen, welche darum gehorsamst ansuchen. Dieses allein ist vermögend gewesen mich zu ermuntern u. an Dieselben ein unterthäniges Bitten abgehen zu 11 laßen. Der durch den Todt des H. Theilen • ledig gewordene Organisten Dienst an der St. Petri u. Pauli Kir1• 1

Bcnedict Friedrich Theile, Sohn desJohann Theile (1646-1724). Die Stelle wurde am 15 . Sep-

tember I 733 mit Johann Christian Kluge aus Wiehe besetzt.

11

ehe läßt Ew. Magnificence und Hoch-Edelgebohrne Herrlichkeiten itzo darauf dencken, wie derselbe durch tüchtiges Subjectum wieder besezt werden möge, giebt mir aber Gelegenheit bey Dieselben mich zu einem Competenten gehorsamst an zu geben; wenn demnach dero hohen Parrocinii hier zu höchst benöthiget: so bitte unterthänig, es wollen Dieselben geruhen, meiner Wenigkeit mit demselben behülfflich zu seyn u . dieselbe zu würdigen, daß sie zur Probe admittiret werden möge, übrigens aber bey der gantzen Sache in gnädigen Andencken zu haben Magnifice Hoch-Edelgebohrne, Hoch- und WohlEdle, Hoch und Wohlgelahrte auch Hoch- und Wohlweise Herren Hochgeneigte Gönner Leipzig, d. 19. Aug. 1733. dero unterthänigen Diener Carl Philipp Emanuel Bach.

2 ALBUMBLAIT

LEIPZIG ,

20. JANUAR 1734

Original: Privatbesitz

Nihil sine Fine Lipsia D . 20. Jan. 1734 . 2 [ „. ] •1ttis paucis memorial [e] Dni 2•2 Possessoris se commendare debuit. Carol. Philip. Eman. Bach.

2 1 •

Am Rand eingerissen .

22 · =

12

Domini .

3 AN GEORG PHILIPP TELEMANN" 1 BERLIN.

29.

DEZEMBER

1756

USSR T Au Original: Publikation: Schmid/Bach, S. 29-30 Telemann-Briefe, S. 372-373

HochEdelgebohrner, Hochgeehrtester Herr CapellMeister, Bloß Ew. HochEdelgeb. mußten es seyn, um mich zum Panduren Handwerke zu verführen. Zum Glück bin ich ein ehrliebender Sachse, der da wohl einsahe, daß nicht viel Gefahr darbey zu übernehmen war. Mein General Adjutant der H. D. RolofP· 2 verdient alles Lob. Er hat befohlenermaßen recognoscirt, u. überschickt durch mich inliegenden Rapport. Was dünkt Ihnen von unserer ersten Probe bey dem aufgetragenen Commando? Kann nicht mit der Zeit noch was rechtes aus uns werden? Ich glaube, solche Leute, wie wir seynd, muß man beybehalten. Zu mehrerer Sicherheit habe ich jedes Päcktgen, welches der H. Roloff rubricirt hat, noch einmahl in einen papiernen Mantelsack gethan, fest zugeschnürt u. über alles eine wachsleinewandne Felddecke gezogen, welche mit dem ersten Namens Buchstaben unsres würdigen Cheffs bezeichnet ist. Selbiger wird beßer als ich einsehen, was Winter- u. was Sommer Fourage ist. Der jüngere H. Graun 3·3 , welchem ich einige Unruhe wegen seiner Passion 3.4 angemerkt habe, wird in wenig Tägen schriftlich erscheinen. Ich vermuthe also, daß gewiße Nachrichten, u. keine Critik hieran Schuld ist. Vielleicht erklährt er sich gegen Sie deutlicher.

3•1 Georg Philipp Telemann (I4.März 1681 Magdeburg bis 25. Juni 1767 Hamburg). 3·2 Friedrich Wilhelm Roloffs, I 714 in Hamburg geboren und 1779 gestorben, studierte I 736 in Jena Theologie, 1746 in Erfurt Jura. 1753 wurde er fürstlich Plönischer Kammerrat, 1757 Kanzleirat. 3•3 Karl Heinrich Graun ( 1703 oder 1704. vielleicht 7. Mai 1704 Wahrenbrück bis 8. August 1759 Ber-

lin) war Kapellmeister der königlichen Kapelle in Berlin. 3.4 „Der TodJcsu". Leipzig: Johann Gottlob Immanuel Breitkopf 1760. RISM G 3553.

13

Der ältere 3·' hat seine Concerten heute früh. fest eingepakt an mich . der Abrede gemäß schicken sollen u . wollen, bey Straffe daß er sie selbst Ihnen zuschiken müßte , wenn er die jetzige Gelegenheit versäumte . Da ich sie nun noch nicht gesehen habe, so vermuthe ich, daß er sich gutwillig dieser Straffe unter worffen habe . Allenfals erwarte Ew. HochEdelgeb. weitere Befehle hierinnen. Ich sehe, daß ich das Landreuter u . Panduren Handwerk zwar mit gleichem Eiffer, aber nicht mit gleichem Glüke treibe . Wenn man nur allezeit mit seiner Geschicklichkeit im Plündern ankommen könnte, an meinem guten Willen sollte dieser Herr Concertenmacher nicht lange zweiflen . Bald hätte ich in der Hitze meinen Neujahr Wunsch vergeßen . Gott erhalte Sie noch viele] ahre gesund, munter, vergnügt, zur Zierde, zur Freude , zum Nutzen . Dieses wünschet aus dem redlichsten Herzen Ew . HochEdelgeb . gantz eigner Bach . Berlin, am 29ten Dec.

56. N.8. Wolten Ew . HochEdelgeb . die Gütigkeit haben, u . den H. L. Schubak3·6 von meiner Ergebenheit versichern, mit dem Anhange, daß ich ehestens deßen geehrtestes lezteres Schreiben beantworten würde? Kein gut Gewissens- sondern ein Zeitmangel hat mich verhindert .

3.l Johann

Gottlieb Graun (1702 oder 1703 Wahrenbrück bis 27 . Oktober 1771) war Konzertmeister der

königlichen Kapelle in Berlin . 3,6 Jacob Schuback (8. Februar 1726 Hamburg bis 15 . Mai 1784 Hamburg) studierte die Rechte, 1760 wurde er Senatssyndikus in seiner Heimatstadt.

14

4 AUTOGRAPHE QUITTUNG FÜR fREDERSDORFF BERLIN, 24.)ANUAR 1757 Original: verschollen, angezeigt in : Katalog R. Geering, Basel, Katalog Nr. 402, Nr. 1209

5 AN GEORG PHILIPP TELEMANN BERLIN, 5. Juu 1759 Original: USSR T Au Publikation : Schmid/Bach, S. 31

HochEdelgebohrner, Hochgeehrtester Herr CapellMeister, Non omnis homo mendax, so glaubt H . Gle. h l ·1 Ew . HochEdelgeb. Syllogismus d1tsc in Barbara, soll die Probe nicht gehalten haben. Ich freue mich darüber herzlich, und dies bloß deßwegen , weil Sie Sich vermuthl. auch gefreut haben . Gott laße Ihnen Ihre Brunnen Cour wohl bekommen! Er seegne Sie wieder wegen der mir gütigst zugeschickten 26 rt . Ich werbe noch nach einen Discantisten. Meine Ziffern erlauben mir nur vorjezo dies beyzufügen , daß ich gewöhnlicher maßen steif und fest beharre Ew . HochEdelgeb. gehorsamster [C.P .E.] Bach . Berlin, d . 5. Julius 59.

l, l

Es handelt sich vielleicht um den Direktor des Botanischen Gartens in Berlin (seit 1746)).G. Gle-

ditsch .

15

6 AN]OHANN POTSDAM ,

Gorrwa IMMANUEL BREITKOPF6 · 1

30.

OKTOBER

1765

Original: Privatbesitz

[Adresse] A Monsieur Monsieur Breitkopf le Fils, Libraire et Imprimeur tres cele bre Leipzig . Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Hierbey kommen meine Anmerkungen über den F Bogen auf einem Zettelgen. Wie schön werden die Lerchen schmecken, und wie vielen Dank wird Ihnen dafür schuldig seyn. Ew. Hochedelgeb. Potsdam, d. 30 Oct. 65 ergebenster Diener Bach .

61 · Johann Gottlob Immanuel Breitkopf (23. November 1719 Leipzig bis 28 . Januar 1794 Leipzig) war

der Verleger Carl Philipp Emanuel Bachs.

16

7 AN CHRISTOPH Gorn1EB voN ZWISCHEN

MuRR 7' 1

176 5 UND 1771

Original: D-brd BAs Publikation : Petzsch, S. 209-213 Bach/Dokumente, Band III, S. 182-183

Ich besitze von der Hand meines seel. Vaters geschrieben und componirt 60 ausgeführte Choräle, worunter keiner von denen ist, welche Birnstiel 7 •2 druckt. Diese 60 Choräle sind manualiter und pedaliter eigentlich für die Orgel gesetzt, ob man sie gleich recht gut auf dem Clavier spielen kann. Sie sind alle auf 2 Systeme oder 2 Reihen Linien gebracht. Die mehresten sind nur kurz ausgeführt, indem der cantus firmus in einer von den Stimmen gerade durch geführt ist. Zwischen jedem Absatze kommen zuweilen im Cantu firmo kleine Pausen, da unter deßen die übrigen Stimmen fortgehen . Viele von diesen Chorälen sind weitläuftig durchgearbeitet, indem einige vielleicht kaum auf 2 Bogen Platz haben. Alle zusammen sind bloß für die Orgel, ohne daß ein anderes Instrument oder Singestimme darbey ist. Sie sind noch nicht bekannt: Jedoch, da ich weiß, daß sie in gute u. für meinen lieben seel. Vater freundschaftl. Hände gerathen sollen, (wenn sie anders verlanget werden); so will ich damit herausrücken, u . sie sauber abgeschrieben, ablaßen. Es sind sämtlich Meisterstücke, und noch von mehrerer Kunst u. Arbeit, als die überschikten Proben. Ich verlange, aus Freundschaft, für die Communication u . für die Copie nicht mehr zusammen, als 40 rl im guten Golde, oder 8 Louis d'or. Hat denn der gute Freund die Kunst der Fuge meines seeligen Vaters? Bach.

7

'1

Christoph Gottlieb von Murr (6. August 1733 Nürnberg bis 8. April 1811 Nürnberg) war Historiker,

Zoll- und Waagamtmann in seiner Geburtsstadt. 72 '

Friedrich Wilhelm Birnstiel gründete 1750 einen Verlag in Berlin.

17

8 8

AN GEORG MICHAEL TELEMANN ' 1 BERLIN,

11. Juu 1767

Original: verschollen Publikation: Chrysander, S. 177 Schmid/Bach, S. 32

Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Mir noch jetzo unbekannter, aber dennoch theuerster, oder wegen Ihres mir unvergeßlichen würdigen seeligen lieben Herrn Großvaters würdigster Freund, Ich will eine so schmerzhafte und vielleicht kaum verharrschte Wunde durch traurige Bilder nicht wieder aufreißen . Sie können Sich leicht meine Empfindungen vorstellen, ohne sie in Worten zu schildern . Genug, ich bedaure Sie und mich . Schenken Sie mir diesesmahl das gewöhnliche Wortgepränge, welches oft maschinenmäßig geschiehet . Glauben Sie an dessen Statt, daß eine wahre Traurigkeit und ein herzliches Mitleyden sich niemahls rednerisch äußerst. Geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen meine aufrichtige Freundschaft thätig zu erzeigen, und behalten Sie ferner lieb Denjenigen, welcher mit wahrer Hochachtung beharret. Ew. Hoch edelgeboren Berlin, d . lltenJulius 67 . ergebenster Freund u. Diener Bach Darf ich um die gütige Weiterbeförderung dieses inliegenden Briefes, ohne ihn zu franquiren, ergebenst bitten?

8 1 •

Georg Michael Telemann (20 . April Plön bis 4. März 1831 Riga) war der Enkel Georg Philipp Telemanns. Er war von 177 3 bis 1828 Kantor in Riga .

18

9 91 AN]OHANN N1Kouus FoRKEL · HAMBURG.

4.

SEPTEMBER

1767

Original : Privatbesitz

Hierbey erhalten Sie, liebster Freund, 13 Exemplare Sonaten9·2 , 12 Stük für eben so viele Subscribenten und 1 Stük für Sie, als ein schlechtes Geschenke. Tausend Dank für Ihre gütige Vorsorge. Die Frescobaldiana9 ·3 sind da, und sollen künftig folgen. Ich bin, wie alle Zeit Ihr ergebenster Bach . Hamburg, d . 4 Sept. 67 H . Forke!

9 ' 1 Johann Nikolaus Forke! (2 . Februar I 749 Meeder bei Coburg bis 20 . März 1818 Göttingen) immatrikulierte sich 1769 als stud. jur. an der Universität Göttingen. I 772 begann er Privatvorlesungen über Musik

zu halten , 1779 wurde er Universitäts-Musikdirektor. 9' 2

echs leichte Clavier Sonaten . Leipzig : Bernhard Christoph Breitkopf & Sohn 1766 . Wq 53 . RISM

B 81. 9 ' 3 Girolamo Frescobaldi (ca. 9. September 1583 Ferrara bis 1. März 1643 Rom) .

19

10 ALBUMBLATT BERLIN,

10.

SEPTEMBER

1767

Original : Privatbesitz

Luther . Wer Musicam lieb hat, der ist von guter Art; denn sie machet feine geschickte Leute. Dieses schrieb zum beständigen Andenken und zum Lobe des Herrn Besitzers C.P.E. Bach. Berlin, d. 10 September, 1767 .

11 AN GEORG MICHAEL TELEMANN BERUN,

14 .

NOVEMBER

1767

Privatbesitz Original: Publikation: angezeigt in: Katalog Stargardt, Nr . 624, 24./25. November 1981, Nr. 575, S. 174-175

A Monsieur Monsieur G.M . Telemann Etudiant en belles Lemes ä Hambourg . Mein liebster Telemann, und würdiger Enkel meines vormahligen respectablen Pathen, Ihr gutes, Ihr bestes Herz redet aus allen Zeilen Ihres geehrcesten Schreibens an mich. Ich erkenne es so, wie es ein redlicher Mann erkennen muß. Ich danke Ihnen aufrichtigst für Ihre besten Wünsche. Gott gebe Ihnen alles, was Ihr

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Herz verlangt, denn Sie haben ein recht gutes Herz! Ich sehe der Zeit mit Vergnügen entgegen, welche mich in den Stand setzen wird, Ihnen persöhnlich mein erkenntliches Herz zu zeigen, und erbitte mir Zum Voraus Ihre liebe Freundschaft. In dieser zärtlichen Gesinnung beharre mit aller Hochachtung u. redlichen Freundschaft Meines lieben Telemanns (denn das wird immer der beste Nahme seyn, denn ich Ihnen geben kann) ergebenster Freund u. Diener Bach . Berlin, d. 14 Nov. 1767 .

12 AN GEORG MICHAEL TELEMANN BERLIN ,

6.

DEZEMBER

1767

Original: US NYpm Publikation: Chrysander, S. 177

Liebwehrtester Freund, Künftigen Monat hoffe ich ganz gewiß, mit Gottes Hülfe, das Vergnügen zu haben, Sie zu embrassiren. Jezt bitte ich Sie gar sehr, so gütig zu seyn, und mir mit baldiger Post folgende Fragen zu beantworten; ich weiß gewiß, Sie können es, und werden auch wollen solches am besten zu thun. (1) Welche Sonn- und Festtage vom Januar bis Ostern wird in Hamburg in den Kirchen musicirt? (2) Schweigt in der Fasten Zeit die Kirchenmusik? (3) Müßen die Musik Texte sich aufs Evangelium oder die Epistel deßelben Tages beziehen, oder nicht? Darf ich mir zur Probe einen gedruckten Musik Text ausbitten? (4) (5) Müßen alle diese Texte, ehe sie componirt u. gedruckt werden, censirt werden? (6) Wird alle Jahre eine Paßion aufgeführt, und wann? ist solche nach historischer u. alter Art mit den Evangelisten u. andern Personen vorgestellt oder

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wird sie nach Art eines Oratorii mit Betrachtungen, wie z.E . die Ramlerische

12 1 ·

eingerich t? Wie stark ist die Anzahl der Sänger u. Instrumentisten , welche in der Kirche musiciren? Kann man die gewöhnlichen Instrumente alle haben? (8) Welche von diesen Personen sind vorzüglich geschickt? (9) Was wird in der Singestunde vorgenommen? wer hat sie bisher gehalten? Wer muß darbey seyn? Welche Stunde und welcher Ort ist dazu gesetzt? ( 1O) Wer hat bisher die Kirchenmusik dirigirt? (11) Sind lateinische Musiken z.E . Kyrie, Sanctus, Magnificat u .s.w. mode? (12) Hält man jemanden zum Noten schreiben für den Musikdirektor? Nehmen Sie meine vielen Bitten nicht ungütig . Ich beharre mit wahrer Hochachtung Dero aufrichtiger Freund u . Diener, Berlin, d. 6 December, 67 . Bach . (7)

Darf ich wohl um die gütige Bestellung der Inlage bitten?

13 AN GEORG MICHAEL TELEMANN BERLIN ,

29 . )ANUAR 1768

Original: verschollen , angezeigt in: Autographen Versteigerung Leo Liepmannssohn, 28 . /29 . November 1919, Nr. 4

Dank für übersandte Textbücher und Ankündigung seiner Reise nach Hamburg.

12 · 1 Karl Wilhelm Rarnler (25. Februar 1725 Kolberg bis 11 . Apnl 1798 Berlin), deutscher Dichter der Aufklärung . Er war Professor der Logik und seit 1790 Leiter des Nationalcheaters in Berlin .

22

14 AN GEORG MICHAEL TELEMANN HAMBURG,

22.

)UNI

1768

Original : verschollen Publikation: Chrysander, S. 178

Da ich morgen bei der Cammer meine Rechnung einschicken soll, und ich die Einrichtung derselben nicht weiß: so bitte ich Sie, liebster Freund, die Gütigkeit für mich zu haben, und mir einen ganz kurzen Aufsatz davon gütigst zukommen zu lassen. Becomplimentiren Sie von uns die geehrtesten Ihrigen, essen Sie diesen Abend mit gutem Appetite und schlaffen Sie darauf recht sehr wohl! V[on] H[ause] Bach . D : 22sten Junius Morgen früh um 9 Uhr verlangt man schon von mir die Rechnung. [Adresse] Des Herrn Telemanns Hochedelge boren .

15 AN GEORG MICHAEL TELEMANN HAMBURG , ANFANG AUGUST

1768

Original: Privatbesitz Publikation: Chrysander, S. 178

Hierbey habe ich die Ehre, Ihnen liebster Freund, ein Paar Spaldingsche 15•1 Predigten u. Marpurgs 15 · 2 Historie der Musik zum Durchlesen mitzutheilen . Die 6 so genannten 15· 1 Johann Joachim Spalding ( 1714-1804) war von 1745 bis 1746 Sekretär beim schwedischen Gesandten von Rudenskiöld, seit 1749 war er Pfarrer zu Lassalm in Schwedisch Pommern , von 1764 bis 1788 Probst und erster Pastor an der Nikolai- und Marienkirche in Berlin. Er war ferner königlich-preußischer Oberkonsistorialrat . 15 •2

Friedrich Wilhelm Marpurg ( 1718-1795 ): Kritische Einleitung in die Geschichte und Lehrsätze der

alten und neuen Musik, Leipzig 1759.

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leichten Sonaten 1l ·3, welche ich Ihnen lezthin mitgab, belieben Sie für Sich zu behalten, wenn sie Ihnen anstehen . Der einzuführende neue Pastor 1l.4 verlangt von mir alte Introductions Musik. Wollten Sie wohl so gütig seyn, und mir eine dergleichen vom seel. Herrn GroßPapa communiciren, damit ich sie bey Zeiten aptiren kann? Ingleichen bitte ich um das Telemannische Choral Buch 1l .l, wenn Sie gütigst belieben. Bach. [Adresse] A Monsieur Monsieur Telemann

a. son Jogis.

16 AN GEORG MICHAEL TELEMANN HAMBURG, CA.

1768

Original: verschollen Publikation: Chrysander, S. 178

Mit ergebenstem Danke überschicke ich Ihnen, liebwehrtester Freund hiebey das Himmelfahrtsstück und das Convivien-Lied. Das erstere würde nebst den übrigen mir gütigst geliehenen Stücken schon längst abgegeben worden seyn, wenn ich es nicht, unter Ihrer Abwesenheit, auf Bitte des seel.

iu RJSM B 81. ll. 4 Gemeint ist wohl Albert Georg Brandes, der am 21.Juli 1768 zum Diakon an der Grodener Kirche im Amte Ritzebüttel gewählt und am 25. August 1768 in St. Katharina eingeführt wurde. l) .) Georg Philipp Telemann : Fast allgemeines Evangelisch-Musicalisches Lieder-Buch, welches l. sehr viele alte Chorale nach ihren Uhr-Melodien und Modis wieder herstellet.„ Hamburg: Philipp Ludwig Stromer 1730. RISM T 390 .

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Schiebelers 16 •1 hätte aufführen müssen. Apropos, mir ist das Stück auf Oculi, aus des seel. Herrn GroßVaters in Nürnberg von Schmidten gestochenenJahrgange 16•2 , weggekommen . Dürfte ich hierum wohl ergebenst bitten, wenn es Ihnen nicht beschwerlich ist? Ich wollte die Partitur davon mir abschreiben lassen, damit der Jahrgang nicht defect bliebe? Ich beharre von Herzen Bach . Sollten Sie unter Ihren Aufsätzen etwas finden, was die Musik bei einer Bürgermeister-Beerdigung angehet, so würde ich auch hierum ergebenst bitten . Doch alles mit Commoditaet. Des Herrn Telemanns Hochedelgeboren .

17 AN GEORG MICHAEL TELEMANN 17 · 1 CA .

1768

Original : verschollen Publikation : Chrysander, S. 180

Ich bin Ihnen, liebster Freund, noch vielmehr, als diese Kleinigkeit schuldig. Diesesmahl bitte ich, mich nicht in Verlegenheit zu setzen . Bach. Des Herrn Telemanns Hochedelge boren. Hierin Geld versiegelt.

16 1 •

Daniel Schiebeler, der Textdichter von „Die Israeliten in der Wüste"·

16 2 •

Musicalischcs Lob Gottes in der Gemeine des Herrn, bestehend aus einem Jahrgange über die Evangelien, für 2 oder 3 Singestimmen , zwo Violinen, auch Trompetten und Paucken bey hohen Festen , nebst dem Gene1al -Basse. Nürnberg : Balthasar Schmid (1744). RISM T 401. 17 1 •

Vorher schrieb Georg Michael Telemann an Carl Philipp Emanuel Bach folgenden Brief:

25

18 AN GEORG MICHAEL TELEMANN HAMBURG , CA.

1769 / 70

Privatbesitz, angezeigt in: Katalog Stargardt 634 , 26 . /27 . November 1985, Nr. 708 Publikation : Chrysander, S. 178

Original :

Wehrtester Freund, Was ich befürchtet habe, ist in überflüßigem Maaße eingetroffen. Tante [Taute] 18 · 1 hat heute den ganzen Tag mich und die meinigen in meinem Hause belagert. Er hat so viel geschimpft, geflucht, gelärmt, daß die ganze Nachbarschaft zusammen gelaufen ist. Ich habe mich entsezlich zwingen müßen, alles anzuhören und gewißer maßen zu sehen, ohne aus meinem Zimmer zu gehen und ihn aufs würdigste accommodiren und aus dem Hause schmeißen zu !aßen. Nun fordere ich von Ihrer Freundschaft, mich von diesem Unsinne zu befreyen, so bald es seyn kann ; ihm NB selbst zu sagen , daß er vor Oster heilige Abend keinen s. [Schilling] bekomme, mich niehmahls zu sprechen kriegen würde, und mein Haus absolut meiden soll . Wegen seiner Vergebungen werde ich apart Einrichtungen machen . Ich kan Ihnen nicht helfen, wehrtester Freund, Sie haben mit Ihrem guten Herzen, diese

Liebenswürdigster Hr. Capellmeister! Halten Sie mich wol einer so spröden Unkenntlichkeit fähig, daß ich Ihre Güte misbrauchen sollte? Nein! so denken Sie nicht, so denke ich nicht. Sie verzeihen mir also, daß ich Ihnen bey meiner gerechten Sache zum erstenmak ungehorsam seyn muß . Ich danke Ihnen inzwischen für Ihre gute Intention, u . bin mit der vollkommensten Hochachtung Ihr ganz ergebenster G . M. Telemann. Vom Hause . Des Herrn Capellmeisters Bach Hocheddgeboren. 18 · 1 Lesefehler bei Chrysander. Es handelt sich um den Sänger Taute, der in den Hamburger Stimmheften geführt wird.

26

:r

fatale Sache , ohne daß ich Ihnen im geringsten Vorwürfe mache , angefangen, ich habe mit meinem guten Herzen hierein entrirt, nunmehro liegt es Ihnen ob, durch eine schleunige Visite bey Taute, und durch die ernsthaftesten Vorstellungen ihm die Wahrheit zu sagen und ihn zu vermögen , wenn er sich nicht haupt unglücklich machen will , daß er mein Haus und meine Person auf immer meide . Vor Oster heilige Abend bin ich nicht gehalten, einen s. auszuzahlen, dabey bleibt es. Ich verlaße mich auf Ihre Freundschaft und bin von Herzen Ihr aufrichtigster Freund und Diener Bach Dienstag Abend. Pour Monsieur Monsieur Telemann.

19 AN]OHANN PHILIPP KIRNBERGER HAMBURG ,

19 1 ·

21. )uu 1769

Original: verschollen Publikation : Reinhold, S. 104-105 Bach/Dokumente, Band III , S. 203 :in! ehe der

m-

· .. aus denselben Absichten, die Sie haben, wünsche ich eine vernünftige Ausgabe der Choräle von meinem seeligen Vater. Ich bin zu allem bereit. Seyn Sie der Unterhändler. (1) muß der 2te Theil in angemerkten Erratis reine ausgemistet werden; (2) besorge ich den 3tten u . 4ten Theil u. alles zusammen werden Sie mit Genauigkeit gütigst durchsehen; (3) muß auf allen 3 folgenden Theilen, so wie auf dem ersten mein Nahme stehen , alsdenn stehe ich für alles . Der Hauptpunkt ist dieser, daß ich voraus bezahlt werde, denn Birnstiel ist mir durchaus bekannt. 19 • 1

Aus einem an Johann Philipp Kirnberger (24 . April 1721 Saalfeld bis 26. / 27 . April 1783 Berlin)

gerichteten Schreiben.

27

Ich hatte ein Paar Bogen von der Messe 19 ·2 abschreiben lassen, aber sie waren voller Fehler, ich habe sie dahero zerrissen u . schicke Ihnen das Original, halten Sie es ja sauber, u . schicken mir es nach genommener Abschrift wieder zu . Der Anfang ist schon etwas zerrissen, das übrige aber gut. Bey der Wiederschickung belieben Sie nichts zu franquiren, ich zahle das Postgeld zuvor. Gelegentlich belieben Sie die Messe unserer Prinzessin 19 ·3 zu zeigen .

20 AN JOHANN PHILIPP KIRNBERG ER CA .

1770

Original: verschollen Publikation : Borris, S. 87

Das Betragen von Herrn Marpurgen 20 · 1 gegen Ihnen ist verabscheuungswürdig . Daß 2 meine und meines seel. Vaters Grundsätze anti r am e au i s c h 20 • sind, können Sie laut sagen.

21 AN GEORG MICHAEL TELEMANN HAMBURG,

31.

JANUAR

1 771

Original: Privatbesitz Publikation : Chrysander, S. 178-179

Wehrtester Freund. Meine heftigen Kopf- und Zahn-Schmerzen

19· 2

Möglicherweise die h -Moll-Messe .

l9,3

Anna Amalia, Prinzessin von Preußen, Schwester Friedrichs II. (9 . November 1723 Berlin bis 30 .

März 1787 Berlin). 20 • 1

Friedrich Wilhelm Marpurg (ca. 21./23 . November 1718 Seehof/Wendemark bis 22 . Mai 1795

Berlin) . 20 •2 Jean-Philippe

28

Rameau (getauft 25 . September 1683 Dijon, gestorben 12 . September 1764 Paris).

ß e

haben meine Antwort auf Ihr geehrtestes Schreiben um einen Posttag aufgeschoben. Sie haben mir einen Brief geschrieben, davon gewiß Ihr Herz nichts weiß; Ihr Herz, welches immer so edel, so billig, so bescheiden gedacht hat, Ihr Herr Schwager, der es mit Ihnen recht gut meynt, ohne von unsern Verabredungen gehörig unterrichtet zu seyn, ohne die wahren Umstände meiner AmtsVerrichtungen und meiner Pflichten gegen die Stadt genau zu kennen, ist gewiß die Triebfeder von unserer jetzigen für mich wahrhaftig höchst unangenehmen Correspondenz; Sie haben den Brief an mich Ihm offen zur Aprobation eingeschickt, H. Schön 2 1. 1 hat mir ihn mit seiner eigenhändigen und zwar poßierlichen Aufschrift zugesiegelt einhändigen !aßen. Ich bin darüber sehr empfindlich gewesen, daß man mir auf diese besondere Art einen Brief zustellt, welcher voller harten Vorwürfe, die ich nie verdient habe, stecket. Mich deucht, in Sachen, die unter 4 Augen so deutlich verabredet worden, muß durchaus der dritte Mann sich nicht hereinmengen . Ich fordere von Ihnen mit Recht mehr Vertrauen zu mir, und verbitte für immer diese Briefbestellung unter Aprobation. Die Verleitung zu dem Inhalte dieses Schreibens, vergebe ich Ihnen, weil ich aus Erfahrung weiß, daß gute Herzen leicht zu lenken sind; man hat für Sie sorgen wollen, aber zugleich sie mißgehandelt. Nun zur Sache. Meine Willensmeynung ändere ich nie. Ich verspreche nicht leicht etwas unmögliches; Sie fordern dergleichen von mir. Ich will es dadurch beweisen, daß ich Ihnen noch einmahl Dinge sage, die ich seit beynahe einem Jahre Ihnen sehr sehr

21 1 • Johann

1.

Hinrich Schön war seit September 1763 mit der 1743 zu Plön geborenen Clara Sophie Marie Telemann, einer Schwester Georg Michael Telemanns, verheiratet.

29

oft gesagt habe. Nehmlich: Da H. Holland 21 •2 nicht mehr singen kann und da ich Sie nicht länger haben kann, so habe ich ihm Ihre Stelle seit beynahe einem Jahr, als so lange es schon hieß, daß Sie auf Universität gehen würden, versprochen. Wißen Sie wohl, daß ich Ihnen alles dieses oft gesagt habe, noch mehr, daß ich Ihnen sagte, ich hätte ihm mein Buch 21 •3 zur Ausbildung geschenkt, ich bedauerte, daß der Abfall zwischen Ihnen und ihm sehr groß seyn würde, da es schien, daß er nicht fleißig genug wäre, daß er sich allezeit die Bäße transponiren wollte . Sie haben dies alles ohne die geringsten Contradictionen sehr oft von mir gehört. Hauptsächlich können Sie ohnmöglich läugnen, daß bey unserer lezten Zusammenkunft bey nahe von nichts anderm als von Herr Hollanden und seinem Mißvergnügen, daß er künftig weniger haben würde, als jetzo, gesprochen wurde; Sie fanden ihn, wie ich, unbillig, weil es doch immer beßer ist, etwas, als nichts. Sie baten mich, Ihnen die Gelder, damit Sie einen Anfang in Kiel hätten, bis Ostern zu !aßen. Ich willigte hierein aus Liebe zu Ihnen, und sagte bey dem Weggeheri noch ausdrücklich: NB NB. Länger als bis Ostern kan es nicht seyn, weil ich mich wegen der Passion 21 •4 hauptsächlich, u. ueberhaupt wegen der Altstimme nicht länger zum Spectacle so kläglich

21 •2

In den Stimmheften von Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion" ist Holland als Sänger aufgeführt . Eventuell personengleich mitjohann David Holland, 1746 bei Herzberg im Harz geboren, späterer Musikdirektor an der Katharinenkirche in Hamburg. 21 ·3 Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen mit Exempeln und achtzehn Probe-Stücken in sechs Sonaten ... Berlin, in Verlegung des Auctoris. Gedruckt bey dem König!. Hof-Buchdrucker Christian Friedrich Henning. 1753 . Zweyter Theil, in welchem die Lehre von dem Accompagnemenc und der freyen Fantasie abgehandelt wird ... In Verlegung des Auccoris. Berlin , 1762. Gedruckt bey George Ludewig Winter. 21 .4

30

Es handelt sich um Johann Sebastian Bachs „Matchäuspassion".

behelfen kann . Wzßen Sie, sagte ich ausdrücklich, daß mit Michaelis die Veriin -

derung schon hätte angehen sollen, u. daß ich einen Altisten auf dem Halse habe, der nun hungert, u. den ich auf eine andere Art befn'edigen muß, wezJ ich aus allzugroßer Liebe für Sie mein gegebenes Wort gebrochen habe. Sie bürden mir auf, ich hätte Sie nur beurlaubt: könnte wohl etwas einfältiger seyn, als Jemanden zu beurlauben, der öffentlich Abschied nimmt, mit dem eine ganze neue Epoche seines Lebens vorgehet, der auf Universitäten gehet? Ich bin auf 2 Academien gewesen21·l u . weiß also, was der Cursus sagen will, wie nothwendig Testimonia zu einmahliger Beförderung seyen, wie sie lauten müßen, und wie lange überhaupt eine Academische Lebensart dauern muß . Von einem so soliden, so gelehrten , so hofnungsvollen Academico, wie Sie sind, kann kein gesunder Kopf glauben, daß Sie blos pro Forma auf ein halbes Jahr auf Universitäten gegangen sind, wie Sie mir doch glauben machen wollen, da Sie auf Ostern wieder hier seyn wollen, wenn ich es verlange. Ich habe hierüber mit Recht gelacht! Bald wollen Sie kommen, bald wollen Sie bis Michaelis, bald bis Johannis weg bleiben, alles wider unsere Verabredung . Ich traue Ihrem Ehrgeitz mehr zu, als daß Sie ewiger Choradiuvator bleiben wollten. Der Telemannische Nahme ist mir viel zu heilig, Ihre seel. VorEltern viel zu ehrwürdig, Ihre Geschicklichkeit viel zu groß, Ihre Denkungsart viel zu erhaben u . zu solide, als daß Sie auf eine kleine Art dem Ziele

21·l

Carl Philipp Emanuel Bach besuchte die Universität Leipzig 1731 und die Universität

Frankfurt/Oder 1734 .

31

aus dem Wege gehen sollten, wonach Sie jetzt ringen u. mit der besten Erwartung ringen. Sie sind hierinnen unschuldig; der gute Herr Schön wollte, laut seiner Rede gegen meine Frau mich treuherzig machen, daß das Accompagnisten Geld bis auf ewige Zeit auf den Telemannischen Nahmen fallen sollte, er überredete Sie zu gewißen Erfindungen, Sie folgten, Sie schrieben, er aprobirte es, er siegelte, er ließ einhändigen u. ich erhielt also den ganz unerwarteten u. höchst unangenehmen Brief, den mein gutes Herz nicht verdiente, u . dieses geschahe alles - warum? etwa ein großes Glük zu erwischen? nein! blos um 100 jahrliche Mark willen. Denn ich muß Ihnen sagen, daß dieses Quantum, wie es gewesen ist, immer bleiben wird. Die Zulage, die ich Ihnen gegeben habe, ist aus meinem Beutel geschehen, und dieses deswegen, weil ich gegen Ihre viele Güte in Mittheilung der Kirchenstücke von Herzen gerne erkenntlich habe seyn wollen. Wie ich bey der Stadt um Zulage anhielt, so rieth mir mein Freund, um Gotteswillen keine andere Saite, etwa Zulage u.d.m . zu berühren, als blos für den 8ten Sänger, der nach den Kirchenbüchern da seyn muß, u. für Copisten Gelder zu sprechen, weil mit 7 M quartaliter Copial Gebühren nicht viel zu machen wäre. Ich folgte, es gieng mit harter Mühe, aber nur auf wenige Zeit, welche nach ein Paar Jahren vorbey seyn wird . Zwey Haupt Kirchen sind ganz dawider gewesen u. ein Paar H. Oberalten sagten mir kürzlich in Gesellschaft höflich aber dräuste: (sie hatten das Recht dazu) daß sie nun hofften, daß ich künftig mit Stücken und Texten selbst erscheinen würde und daß ich künftig mein Amt nicht in Commission führen mögte. Ich habe in diesen 3 Jahren hier und anderswo über 6 Jahrgänge in Partitur abschreiben !aßen, worunter keines von den mir gütigst geliehenen Stücken ist, alles sind unbekannte Sachen, rechnen Sie einmahl nach, was dieses kostet? Künftig werde ich auch selbst mehr arbeiten, als bisher, da ich nun ruhig bin.

32

Mit Ostern fange ich mit 2 neuen Jahrgängen an, mein Textdrucker will mir außerdem nicht mehr das gewöhnliche geben, es ist auch einmahl Zeit, daß die Texte verändert werden, damit die Stadt weiß, daß ein neuer Cantor hier ist. Sie werden Selbst nachrechnen können, wie viel wöchentlich 2 Stücke zu schreiben kosten . Jetzt arbeiten beständig 2 Copisten. Ich schreibe Ihnen dieses alles ausführlich, damit Sie einsehen, daß die Zulage bisher blos aus meinem Beutel gekommen ist, u. daß ich sie nun nicht länger mehr geben kann. Es bleibt bey dem alten, u. H. Holland muß damit zufrieden seyn, u. ist es auch. Ich muß von den wenigen Jahren, da mir die Stadt die Zulage noch giebt, den gehörigen Gebrauch machen, damit mir es künftig nicht fehle. Hier haben Sie also meine ganze Meynung. Ich bin, was ich war, was ich Ihnen bis Ostern versprochen habe, halte ich. Gott gebe Ihnen seinen Seegen zu Ihrem academischen Fleiße, er wird Sie gewiß belohnen. Geben Sie mir auf eine andere mögliche Art Gelegenheit, Ihnen zu dienen, so werde ich mich herzlich freuen. Auf Ostern werden alle Ihre mir gütigst geliehenen Sachen bey H. Schönen wieder ohne Schaden, mit vielen duplirten Stimmen, seyn. Ich bleibe dafür Ihr jederzeit erkenntlicher Freund, Sie können, ohngeacht unsers Scrupels, jederzeit auf meine Liebe u. auf mein gutes Herz Rechnung machen. Ich erbitte mir Ihre Freundschaft aufs neue u. beharre mit aufrichtiger Hochachtung Ihr wahrer Fr. Bach. Hamburg, d. 31 Jan 71 [Am Rand] Die Meinigen empfehlen sich Ihnen ergebcnst.

22 AN GEORG MICHAEL TELEMANN HAMBURG.

11. APRJL 1771

Original: Privatbesitz, am 20. / '! l. Februar 1979 bei Stargardt versteigert Publikation: Chrysander, S. 179-180

Da ich, auf Verlangen des Herrn Schön attestiren soll, daß ich die mir vom Herrn Telemann gütigst geliehenen Kirchenstücke wieder zurückgeschickt habe: so bezeuge 33

hierdurch, daß alles, auch nicht eine Note ausgenommen, richtig abgeliefert habe, 22 1 nahmentlich 3 Telemannische Jahrgänge und einen dergleichen Faschischen • , ein Paar Passionen, Sanctus und Veni nebst allen Textbüchern . Hamburg, d . 11 Aprill, 1771. C PE Bach.

23 31

AN]OHANN]OACHIM EscHENBURG2 · HAMBURG,

1.

MAI

1771

Original: verschollen, angezeigt in Katalog 190 Leo Liepmannssohn, Berlin SW . 11, Bernburger Str. 14, Nr. 71

24 AN ]OHANN]OACHIM EscHENBURG HAMBURG, 26 . ]UNI

1771

Original:

verschollen, vormals Baron Fritz von Reden, Linz . Vergleiche auch Versteigerung Wilhelm Heyer, 1926, S. 3, und Katalog Boerner, Auktion XCII, Nr. 4, S. 2 Publikation: Nohl, S. 64-65

Hochedelgeborner, Hochgeehrtester Herr! Ich wiederhole mit Vergnügen meinen ergebensten Dank für die gütige Versicherung der Uebernahme meiner ausgeschriebenen Pränumerationsgelder. Unser kleiner Sängerchor ist ganz und gar vollständig, es thut mir also leid, daß ich nicht im Stande bin, von Ihrem gütig und mir zur andern Zeit sehr angenehmen Vorschlage zu profittren.

22 • 1 Es kommen Johann Friedrich Fasch (15 . April 1688 Buttelstedt bis 5. Dezember 1758 Zerbst), der seit 1722 Hofkapellmeister in Zerbst war, oder sein Sohn Christian Friedrich Carl (18. November 1736 Zerbst bis 3. August 1800 Berlin), der 1791 die Berliner Sing-Akademie gründete, in Frage.

23 · 1 Johann Joachim Eschenburg (7 . Dezember 1743 Hamburg bis 29. Februar 1820 Braunschweig) war seit 1773 Professor für Literatur in Braunschweig . Auf dem eigenhändigen Briefumschlag : „A Monsieur Monsieur Eschenbourg, gouverneur a Braunschweig" . Bach ersucht Eschenburg, die Pränumeration der Colkction seiner Concerte zu übernehmen .

34

Ich stehe Ihnen in allen möglichen Gelegenheiten mit wahrer Ergebenheit zu Befehl und habe die Ehre mit ausnehmender Hochachtung zu beharren Euer Hochedelgebohren gehorsamster Diener Bach. Hamburg , d . 26. Juni 1771

25 AN JOHANN Gomos IMMANUEL BRE1TKOPF HAMBURG, 2. JANUAR 1772 Original : USSR Lsc

Hamburg, d . 2Jan 72 [Eintrag von B. C. Breitkopf & Sohn] pr. d . 1 Febr. Hochgeehrtester Herr und Liebwehrtester Freund, Prosim noch viele neue Jahre! Dies wünsche ich und mein ganzes Hauß Ihnen und Ihrer geehrtesten Familie von Grund des Herzens . Besonders bewahre Sie der Himmel künftig vor dem heßlichen Podagra! Ich bin wieder so frey, da meine viele Feyerrages-Arbeiten vorbey sind, Ihnen hierbey 50 rl. Louis d' or, u . 1 rl. Conventions-Geld für meinen Sohn 2) . i zu überschicken, und für die Frau Altnicoln2u 7 rl. 12 gl. Louisd'or bey zu legen . Seyn Sie so geneigt, und belieben dieses Geld gehörig abzugeben . Ich bin ein großer Schuldner von Ihnen . Für

l ),l Johann Sebastian Bach, genannt Hans, getauft 26. September 1748 Berlin, gestorben 11. September 1778 Rom . Der jüngste Sohn Carl Philipp Emanuels war Maler, Schüler von Adam Friedrich Oeser in Leipzig, bei dem er 1770 sein Studium aufnahm . Er wohnte bei Kupferstecher Stock auf dem Dachboden des Silbernen Löwen . Dort befand sich auch der Verlag Breitkopf.

iu ElisabethJuliana Friederica Bach (getauft 5. April 1726 Leipzig, gestorben 24 . August 1781 Naumburg) heiratete am 20 . Januar 1749 Johann Christoph Almikol (getauft 1. Januar 1720 Berna Kreis Lauban in Schlesien, gestorben 25 . Juli 1759 Naumburg), einen Schüler Johann Sebastian Bachs.

35

der Churfürstinn Portrait danke ich ganz ergebenst, wenn es so seyn soll. Die Grauniana werde ich auf die Meße durch Gelegenheit mit allem Danke wiederschicken. Es ist nichts für mich zum Gebrauch darunter. Der seel. Gerlach 2u hat es zusammengeschmirt. Was etwa Graun könnte gemacht haben, ist alt u. unschmackhaft. Binnen 8 Tagen werde ich das Vergnügen haben, Ihnen ein besonders schönes Stük Hamburger Fleisch in Ihre Küche zu praesentiren, die jezigen Stücke sind zu fett u. kaum zu eßen. Verlaßen Sie meinen Sohn mit Ihrem gütigen Rath nicht, behalten Sie uns alle lieb, besonders (hierum bitte ich sehr) Ihren wahren Freund u. Diener Bach. [Am Rand] Die Pränumeration auf meine 6 Concerte 2)· 4 , habe ich biß Ostern verlängert. Auch für diese gütige Bemühung werde ich erkenntlich seyn. Wir sind doch übrigens hoffentlich einander in der Abrechnung nichts schuldig? Und die 12 leichten Sonaten 2).), welche notirt waren, sind vermuthlich ausgestrichen? Wenn das Fleisch wird angekommen seyn, so bitte nur um 2 Zeilen Antwort über die richtige Ankunft des Geldes.

2u Johann Gocchelf Gerlach, ein Schüler Johann Sebastian Bachs, schloß 1723 seine Studien an der Leipziger Thomasschule ab, seit 1729 war er Organist und Musikdirektor an der „Neuen Kirche" zu Leip-

zig. 2)· 4 Sei concerri per il cembalo concertato accompagnato da due violini, violetta e basso; con due corni e

due flauti per rinforza. Hamburg: Autor 1772. Wq 43. RJSM B 53. 2u

B 81.

36

Sechs leichte Clavier Sonaten. Leipzig: Bernhard Christoph Breitkopf & Sohn l766. Wq 53. RISM

26 AN JOHANN GoTnOB IMMANUEL BREITKOPF HAMBURG, VOR DEM

22 .

AUGUST

1772

Original: Privatbesitz, verkauft am 20 . Juni 1977 in Paris Publikation: Nohl 2, S. XLIII

[Eintrag von B. C. Breitkopf & Sohn] pr. d. 22. Aug. d. 5 7br. Hochedelgebohrner, kurzum Theuerster Freund, Ich kan Ihnen den Verdruß nicht genug beschreiben, den ich wegen meiner Concerte mit vielem Schaden durch H. Winters Tod 26 · 1 zu überwinden gehabt habe. Hätte ich voraus sehen können Tausendfachen ergebensten Dank sage ich Ihnen von Herzen für alle gütigst angebotene Freundschaft. Ich war in der Klemme u. man hat mich nicht herausgelaßen. Basta! Nun Gottlob werden gleich nach Michaelis meine Concerte herauskommen, so weit sind wir nun gewiß . Theuerster Freund, seyen Sie doch so gütig u. melden mir, wie viele Exemplare von allen 3 Theilen meiner Reprisen Sonaten 26 •2 u. von meinem Concerto III aus dem E dur 26 •3 der seelige Winter bey Ihnen hat liegen !aßen. Wegen Dreßden thut es mir leid, der Mann ist grundehrlich, allenfals hafte ich. Lieben Sie ferner Ihren ewig treuen Freund u . Diener Bach. [Am Rand] Die beyden Fugen Exemplare, so wie sie sind, sollen zu Ihren Diensten

26

' 1 Georg Ludewig Winter (gestorben vor Juni 1772 ) gründete 175 0 einen Verlag in Berlin . Bach wohnte in Berlin mit Winter in einem Haus. 26 2 '

Sechs Sonaten fürs Clavier mit veränderten Reprisen. Berlin : Georg Ludwig Winter 1760. Wq 50. RISM B 70. 26 3 '

Conceno llI per il cembalo concertaco, accompagnaco da 11 violini , violetta e basso . Berlin : G.L. Winter 1760. Wq 14 . RJSM B 46.

37

stehen . Wegen des Preises wollen wir schon fertig werden. Wegen Pohlen haben Sie Recht . Noch kan pränumerirt werden . Da Sie die Fugen brauchen dürften, so schicke ich sie Ihnen franco mit der Post .

27 AN]OHANN GornoB IMMANUEL BREITKOPF HAMBURG,

15 .

OKTOBER

1772

Original : verschollen, angezeigt in Katalog 42 . Autographen ... Zwei Sammlungen aus rheinischem Besitz . Beschreibendes Verzeichnis von Dr. Georg Kinsky. Versteigerung: Montag 21. November 1932 ... M. Lengfeld 'sche Buchhandlung . Abteilung Antiquariat. Köln a. Rh. Zeppelinstraße 9, Nr. 330

Geschäftsbrief an G. Imm . Breitkopf in Leipzig : „Liebwehrtester Herr Landsmann , Die Concerte 27 •1 haben mein Schreiben bis hieher aufgeschoben." [Die dem Herzog Peter von Kurland 27 ' 2 gewidmeten 6 Klavierkonzerte, die Bach 1772 im Selbstverlag herausgab .] „Binnen 10 oder 12 Tagen denke ich sie zu erhalten ... " Übersendet einen größeren Geldbetrag zur Verrechnung und 10 Taler „noch apart für die Frau Altnicoln" , erwähnt auch in der Nachschrift die Schwester und seinen Sohn [den früh verstorbenen Maler Joh. Seb. Bach, der sich damals als Schüler Oesers in Leipzig aufhielt] .

27 1 "

Wq 43 . RISM B 53 .

27 2 •

Peter Biron , Herzog von Kurland , dankte 1795 ab.

38

28 AN JOHANN GornoB IMMANUEL BREITKOPF HAMBURG, 14. NOVEMBER 1772 Original: F Pn Publikation : Nohl 2, S. XLIV

[Eintrag von B. C.Breitkopf & Sohn] 1772 Hamburg 14. 9br . Bach 20.- -

Hochedelgebohrner, Hochgeehrcester Herr, Theuerster Freund, 1 Madame Winter hatte mir meine Concerce 28• verarrestirt, ohngeacht sie nach unserer Abrechnung mir mehr als 100 rl. herausgeben soll, u . sie über dem den ganzen Verlag unserer gemeinschaftlichen Bücher in ihren Händen noch bis dato hat . Zur Ursache gab sie an: ich hätte Sie gebeten, mir das ganze Depot in Leipzig von den gemeinschaftlichen Büchern hieher zu schicken. Mein Wille war, nur von Ihnen zu erfahren, ob von diesen Büchern noch viele in Leipzig wären, weil ich vom seel. Winter in 5 Jahren keine Nachricht davon kriegen konnte, u . er auch zu lezt weder mir, noch andren etwas davon schickte , folg!. glaubte ich, es ist alles vergriffen. Nun war zwar nicht nöthig, das geringste hievon zu sagen , was ein Freund dem andern vertraut, wie ich denn auch ruhig wurde, da mir Winter den Bestand meldete : da es aber doch geschehen ist, so muste nicht mehr gesagt werden, als was wahr war. Seyn Sie, wehrtester Freund, demnach so gütig u . melden mir mit der ersten Post Ihre Vertheidigung, u. schicken mir, wenn Sie ihn noch haben, meinen Brief mit hieher.

28 1 "

Wq 43. RISM B 53 .

39

Sie glauben nicht, was ich für Aergerniß deswegen gehabt habe. Endlich sollen meine Concerte unterweges seyn. Mit was für Gelegenheit befehlen Sie die Exemplare? Mein lezteres Geld ist doch richtig eingelaufen? Gewöhnl[icher]maßen beharre ich mit aller Hochachtung dero ergebenster Diener Bach . Hamburg, d. 14 Nov . 72 [Am Rand] Zu meiner Legitimirung bitte ich um Ihre Erklährung. Wie kan ich denn Bücher von Ihnen verlangen , darüber Sie nicht disponiren können?

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f 29 AN HEINRICH WILHELM VON GERSTENBERG HAMBURG ,

21.

ÜKTOBER

29 1 •

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1773

Original : D-brd Hs Publikation: Miesner/Bach , Band II, S. 224-225 Schmid/Bach, S. 58-59 (unvollständig)

Hamburg, d. 21 Oct. 73. Hochwohl gebohrner, Höchstgeehrtester Herr, Theuerster Gönner, Wenn auch mein jetzt unter der Feder sich befindender Psalter 29 •2 mich weniger beschäftigte, so glaube ich doch, daß ich um Vergebung wegen meines späten Antwortens würde bitten müßen, weil Ew.

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Heinrich Wilhelm von Gerstenberg (3 . Januar 1727 Tondern bis 1. November 1823 Altona) .

29· 2 Herrn Ooctor Cramers übersetzte Psalmen mit Melodien zum Singen bey dem Claviere . Leipzig : Autor (Bernhard Christoph Breitkopf & Sohn) 1774. Wq 196. RISM B 131.

40

S

Hochwohl geb. mich in große Verlegenheit dadurch sezten, daß ich so viel gütiges, so viel schönes zu beantworten habe, daß ich nicht den Anfang davon finden kan. Dies kan allenfals mich in etwas entschuldigen, nur muß ich nicht zugleich mit anführen, daß das Briefschreiben eben meine stärkste Seite nicht ist, ohngeacht ich bey alle dem sehr viele Briefgen schreiben muß. Genug, ich bitte um Vergebung, und danke Ihnen ganz ergebenst für alle gütige Meynungen von mir. Der Beyfall eines Gerstenberg wird für mich eine Ehre und ein Vergnügen seyn, welches mir bis ins Grab nachfolgen wird! Nun zum alten Tischer 29 ·3 • Ich meyne den Componisten dieses Nahmens, sonst könnte es scheinen, als ob ich mir einen Sarg bestellen wollte. Daß dieser gute Mann wenig Genie hatte; daß er im Dunkeln wohnte: dafür konnte er nicht. lndeßen erat laudanda voluntas, ohne daß er nöthig hatte, seine Krankheit anzuführen. Ew . Hochwohl geb. haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen: daß andächtige Empfindungen gerade die wären, welche der Musik am anständigsten sind, und ich, als ein Clavierspieler, getraue mir zu behaupten, daß man auf unserem Instrumente in der That bey einer guten Ausführung viel sagen könne. Ich sondre hievon das bloße Ohrenkürzeln ab, und fordere, daß das Herz in Bewegung müße gebracht werden. Ein solcher Clavirspieler, zumahl, wenn er ein Erfindungsreiches Genie hat, kan sehr viel thun. Indeßen Worte bleiben immer Worte und die Menschenstimme bleibt uns immer voraus. So lange wir das Nähere haben können, dürfen wir, ohne Noth das Weitere nicht suchen. An die schalen Spöttereyen mit dem ehrlichen Mahler, der unter seinen gemahlten Vogel schrieb: dies soll ein Vogel seyn, sollte man sich zwar nicht kehren, zumahl wenn man wegen einer Krankheit, die die Gelegenheit zu gewißen Versuchen könnte gegeben 29 3 ' Johann

Nikolaus Tisch er ( 1706 Böhlen in Thüringen bis 3. Mai 1774 Schmalkalden) war seit 1731 Schloß. und Stadtorganist in Schmalkalden.

41

haben, nichts sagt: Doch erinnere ich mich vor vielen Jahren , als ich meinen Sanguinicus u. Cholericus 29·4 drucken ließ, daß ich nicht ganz unempfindlich war, als ein guter Freund mir im Spaße gewiße Dinge, die er eben nicht böse meynte , die mir aber nicht gefielen, hierüber sagte. So schwach sind wir! Diesem allem ohngeacht kan der Einfall von Ew. Hochwohl geb. Gelegenheit zu vielen guten Gedanken auf unserm Instrumente geben, auf die man sonst nicht fallen würde. Sollte ich etwas mehr Zeit, als jetzo haben , so wollte ich wohl einen Versuch von dieser Art wagen, aber blos aus Gehorsam u . Hochachtung gegen Ew. Hochwohl geb . und ohne deswegen bekannt zu werden . Darf ich um die gütige Beförderung beygefügten Briefes an den H . Scheibe 29 · ~ gehorsamst bitten? Noch Eins! Sie beschämen mich mit Ihrer geistreichen Inschrift meines Portraits u. sagen mir dadurch, was Sie noch mehr Gutes an mir wünschten 29 •6 . Die Frauenzimmer Sonaten hat Hartknoch Hummeln 29 .7 im Clavierschlüßel nachgedruckt. Ich habe sie noch nicht gesehen . Vermuthlich sind sie es, davon Ew. Hochwohlgeb . melden . Empfehlen Sie mich der gnädigen Frau 29 •8 unterthänig, und sagen Sie Ihr, daß ich für Verlangen brenne, das Schöne auf unsrem Instrumente von Ihr zu hören, welches mir so oft gerühmt worden. Aber , in der That! Ist es denn gar nicht möglich, daß Sie mit Ihrer Fr. Gemahlin uns Hamburger mit

29· 4 Zwey Trio, das erste für zwo Violinen und Bass, das zweyte für 1 Querflöte , 1 Violine und Bass, bey welchen beyden aber die eine von den Oberstimmen auch auf dem Flügel gespickt werden kann. Nürn berg : Balthasar Schmids Witwe (1751 ). Wq 161. RISM B 64 . 2 9.~ Johann Adolf Scheibe (getauft 5. Mai 1708 Leipzig, gestorben 22. April 1776 Kopenhagen) , derbekannte Herausgeber des „Critischen Musicus" .

29,6 Die Inschrift lautete : „Ein Raffael durch Töne, neu , mannigfaltig , über sein Zeitalter. " 29· 7 Six sonates pour le clavecin, a l' usage des dames ... oeuvre premier. Amsterdam : Johann Julius Hummel (1 770) . Wq 54 . RISM B 83 . - Riga : Johann Friedrich Hanknoch 177 3. RISM B 84. 29,S

42

Sophie Gerstenberg, geborene Trochmann (gestorben 1783 ).

Ihrem Besuch beehren können? Ich bin zu alt, sonst würden meine Geschäfte mir allenfals erlauben Copenhagen zu sehen: Sie sind jung, haben aber vermuchl. zu viel zu thun. So geht es! Alles ist Zertheilt, nichts beysammen. Ich beharre mit der lebhaftesten Hochachtung, troz des jüngsten Menschen Zeitlebens. Ew. Hochwohlgeb. gehorsamster Diener Bach.

30 AN JOHANN GornoB IMMANUEL BREITKOPF HAMBURG , 9. FEBRUAR 1774

Original: A Wgm

Hamburg, d . 9 Febr 74. [Eintrag von B. C. Breitkopf & Sohn] praes . d. 17 Febr.

ey n-

c-

Liebwehrtester Freund Hierbey folgt der Rest der Psalme 30 •1, nehmlich noch 8 Stück. Der 121 Psalm war der lezte, den Sie erhielten. Die Anrede der Dedication, die Dedication selbst und die Vorrede kommen auch mit. Sie wißen am besten, was sich schikt, ohne es Ihnen zu sagen, nehmlich daß leere Seiten nach dem Titel und nach der Anrede seyn müßen. Nun hoffe ich, daß es an nichts fehlen wird, sondern daß ich auf Ostern die Nahmen der Pränumeranten über all erhalten werde, damit sie noch mit gedrukt werden, u. meiner Meynung nach wird auf die Ostermeße das

US

30 1 •

Wq 196. RISM B 131.

43

ganze Werk können ausgeschickt werden. Was Sie an Exemplaren zu debitiren gedenken, belieben Sie da zu behalten. Dies einzige bitte recht sehr, Niemanden vor der Zeit den Herrn wißend zu machen, dem ich die Psalmen dedicire. Ich bitte ferner lieb zu behalten Ihren ergebensten Freund und Diener Bach.

31 AN HEINRICH WILHELM VON GERSTENBERG HAMBURG ,

21.

APRJL

1774

D-brd Hs Original: Publikation : Miesner/Bach, Band II, S. 225-226

Hochwohl gebohrner, Höchstgeehrtester Herr, Ew. Hochwohlgeb . statte ich meinen ergebensten Dank für Ihr geehrtestes Schreiben mit angeschloßener sehr ansehnlicher Pränumerancenliste ab. Sie verbinden von Zeit zu Zeit einen Menschen, der noch nie im Stande gewesen ist, nur einigermaßen sich von seiner so großen Schuld loßzumachen, und der weiter keine andere Merite hat, als daß er das Glük hat, mit seinem mäßigen musicalischen Genie, Ihnen zu gefallen. So sehr ich dieses einsehe, so sehr wünsche ich und denke mich bald im Stande zu sehen , Ew . Hochwohl geb . mich als einen dankbaren Verehrer Ihrer großen Verdienste zu zeigen . Basta! Tempus doccuns 3 1• 1 . Hauptsächlich bitte ich der gnädigen Fräulein

3l ,I

44

Scherzhafte Bildung für T. docebit.

von Vleugel meinen unterthänigen Dank für das mir so schätzbare und gnädige zugedachte Präsent zu vermelden . Ich werde auf eine musicalische Revange bedacht seyn, wenn ich hierzu die gnädige Erlaubniß erhalten kan . Haben Sie die Güte für mich , den Herrn Schiörring31•2 zu bitten, daß er von H . D. Münter 31•3 vom H. E. M. Scheibe, von H. Preißlern 31.4 und von seiner eigenen Person kein Pränumerations-Geld her schicke. Alle diese Herrn sollen ihre verlangten Exemplare dem ohngeacht kriegen . Besonders habe ich zu Ew . Hochwohl geb. das feste Vertrauen, daß Sie nebst dero Frau Gemahlin, welcher ich meinen unterthänigen Respeckt zu vermelden, gehorsamst bitte, mir gütigst erlauben werden, die verlangten 2 Exemplare31·l , ohne die geringste Zahlung dafür einzuschicken . Ich weiß, sie werden mir diese Bitte geneigt gewähren, damit ich nicht in die Nothwendigkeit gesetzt werde, diejenigen Gelder wieder zurückzusenden, die ich ohne Beschämung nie annehmen kan . Dem ohngeacht werden, zu meiner Ehre und zur besten Empfehlung meiner Psalmen, alle die erhabenen und würdigen Nahmen meiner Gönner und Freunde mit bey gedruckt . So bald die Exemplare hier seyn werden, so werde ich sie weiter

31 2 '

Nils Schiörring (8 . September 1743 Sabro/Jütland bis 6. Februar 1798), ein Schüler Carl Philipp Emanuels, war königlicher Kammermusikus in Kopenhagen . 31 3

. ' Balthasar Münter (1735-1793) , Pascor in Kopenhagen . Carl Philipp Emanuel Bach vertonte einige seiner Lieder (Wq 202 E) .

l-1

31 4 ' Johann

Martin Preisler ( 1715-1 794), Zeichner und Kupferstecher, war seit 1744 königlich dänischer oflcupferstecher und Professor an der Malerakademie zu Kopenhagen, wo er auch starb. 31,)

wq 196. RlSM B 131. 45

schicken. Jetzt empfehle ich mich und meine Frau aufs ergebenste und beharre hartnäckig und ewig Ihr ergebenster treuer Diener Bach . Hamburg, d. 21 Apr. 74 . (Am linken Rand) Dem H. C. M. Scheibe 31 ·6 werde ich ehestens für sein gelehrtes Werk ergebenst u. schriftlich danken.

32 STAMMBUCHEINTRAGUNG fÜR CARL FRJEDRICH CRAMER HAMBURG . 9.)UNI

32 1 •

1774

Original: D-brd Klu

Hamburg, d. 9 Junius 1774. C.P.E . Bach .

31 ·6 Johann

Adolf Scheibe: Die Theorie der Melodie und Harmonie (Leipzig 1773 ). Scheibe wohnte in Kopenhagen mit Gerstenberg in einem Haus. 2 1 3 •

Carl Friedrich Cramer (7. März 1752 Quedlinburg bis 8. Dezember 1807 Paris), deutscher Verleger, war seit 1775 Professor der Philosophie in Kiel. Von 1783 bis 1787 gab er in Hamburg das „Magazin der Musik" heraus.

46

33 AN HEINRICH WILHELM VON GERSTENBERG HAMBURG,

14. Juu 1774

D-brd Hs Original: Publikation: Miesner/Bach, Band II, S. 226

Hamburg, d. 14 Julius, 74. Hochwohlgebohrner, Hochzuverehrender Herr, Ihre schönen GrazienB· 1 sind unter schlechte Hände gerathen. Sie erscheinen hiebey. Vermuthlich werden sie mich bey ihrem vomeflichen Uhrheber verklagen. Nehmen Sie meine Partie und richten Sie nicht zu strenge. Der Wille war wenigstens gut. Haben beykommende 3 Bogen wenigstens etwas gefälliges in sich: so thun Ew. Hochwohlgeb. ihnen die Ehre an, und heben sie, als ein schlechtes Original meiner Handschrift und meines ersten Aufsatzes, auf. Die Natur dieses schönen Gedichtes hat mich bey der Ausarbeitung verpflichtet, mehr auf die Declamation als auf halsbrechende Schwierigkeiten und Ausdehnungen bedacht zu seyn. Eine glückliche Ausführung von der Frau von Gerstenberg kann meinen Noten denjenigen Glanz geben, der ihnen noch fehlt. Nach unterthäniger Empfehlung beharre lebenslang Ew. Hochwohlgeb. ganz gehorsamster Diener Bach.

n

H,I

„Die drei Grazien", Dichrung von Heinrich Wilhelm von Gerstenberg. Vergleiche Wq, S. 88.

47

34 AN]OHANN HEINRICH HAMBURG,

5.

Voss 34 · 1

AUGUST

1774

Original: D-brd Mbs

Ew. Hochedel geb. erhalten hiebey 2 meiner Melodien. Das 3tte Lied enthält einen Witz, der nicht nach meinem Geschmak ist. Außerdem erlauben meine übrigen Arbeiten für diesmahl mir nicht, mehr für Ihren Almanach 34 ·2 zu arbeiten. Ich wünsche mir Ihren Beyfall und beharre, mit vollkommener Hochachtung Ew. Hochedelgeb. ergebenster Diener Bach. Hamburg, d. 5 August, 74 Bleiben Sie hüpsch gesund, das wünschen wir alle.

34 · 1 Johann Heinrich Voß (20. Februar 1751 Sommerdorf/Mecklenburg bis 29. März 1826 Heidel-

berg) studierte von 1772 bis 1775 in Göttingen Altphilologie . Dort wurde er zum Hauptträger des Hainbundes. Voß hat viele Werke des klassischen Altertums ins Deutsche übertragen, auch als Herausgeber, Schriftsteller und Sprachforscher hat er sich einen Namen gemacht. 34· 2 „Musen-Almanach", Hamburg 1776 . Vergleiche Wq 202 1 1-2 .

48

35 AN]OHANN H EINRICH HAMBURG ,

9.

Voss 1774

SEPTEMBER

Original: D-brd Mbs Publikation : Vriesländer, S. 122

v. Hambg Sr. Hochedelgebohren dem Herrn Voß 10

franco

Göttingen

Wenn es noch nicht zu spät ist, Liebster Herr Voß, so belieben Sie folgendes in meiner Lyda 3l . I zu ändern, nehml.

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Ly .

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Statt

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Ly.da,

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Das F. u. die Schrift müßten weg. Der Ausdruk, o Lyda, ist beßer, wenn er sanfter ist. Ich bin, wie allezeit Ihr Bach. Hamburg, d . 9 Sept . 74

>l. i

Wq 202 1 1-2 .

49

36 AN HEINRICH WILHELM VON GERSTENBERG HAMBURG ,

15 .

SEPTEMBER

1774

Original : verschollen Publikation: La Mara, S. 207-208

Sr. Hochwohlgebohren dem Herrn von Gerstenberg in Copenhagen Hamburg, d. 15 . Sept . 74. Hochwohlgebohrner, Verehrungswürdigster Herr, Gönner und Freund In Eil statte ich Ihnen mit besonderer Zufriedenheit, und dem größten Vergnügen meinen gehorsamen Dank über Ihren Beyfall, womit Sie meine Psalmen36 · 1 und Grazien 36 ·2 beehren, ab . Ich will mich möglichst hüten, hoffärtig zu werden, so sehr ichs auch Ursache habe. Was kann reizender seyn, als der Beyfall eines Gerstenbergs? Die Aendrungen in den Grazien sind sehr bequem. Auch hierfür danke ich Ihnen ergebenst . Jezt trete ich schon wieder mit beykommendem Avertißemente, aufs Theater. Einige meiner Freunde, besonders unser H . Klopstock sind Ursache . Ich muß seinem Plan genau folgen und bitte also Ew . Hochwohlgeb. ergebenst, meine Absicht gelegentlich bekannt zu machen und der Frau Andersen, der Correspondentin des Herrn Klopstoks 36 •3 , ein Paar hundert Subscribenten zuzuweisen . Ich werde in aller Art meinen gehorsamen Dank thätig zu machen mich bemühen. Jezt muß ich abbrechen, und habe die Ehre mit der ausnehmendsten Hochachtung lebenslang zu beharren Ew . Hochwohlgeb . treu ergebenster Bach. [Am Rande) Der gnädigen Frau bitte meinen Respekt und allen Freunden meine ewige Hochachtung zu vermelden .

36 · 1 Wq 196 . RISM B 131. 36. i

Vergleiche Wq, S. 88 .

36 .3 Friedrich Gottlieb Klopstock (2 . Juli 1724 Quedlinburg bis 14 . März 1803 Hamburg) studierte von 1745 bis 1748 in Jena und Leipzig Theologie und Philosophie . 1770 kam Klopstock nach Hamburg, wo er 1771 seine „Oden" veröffentlichte und 177 3 den „Messias" vollendete.

50

37 AN GEORG]ACOB DECKER 37 ' 1 HAMBURG, 29. NOVEMBER 1774 Original : verschollen Publikation : Bitter, Band II, S. 108-109 Schmid/Bach, S. 33-34 (auszugsweise)

Hochedelgeborner, Hochgeehrtester Herr, für Dero sehr angenehmes Präsent danke ich Ihnen ganz ergebenst und ich werde mir ein besonderes Vergnügen daraus machen, dieses respectable und vortreffliche Werk, so viel wie möglich, zu recommandiren. Hätten Ew. Hochedelgeb . gleich anfangs mich wegen dieser Sammlung um Rath gefragt, so würde ich es Ihnen widerrathen h.aben . Es ist ein Werk für Kenner und Lehrbegierige, diese haben selten 20 Thlr. an ein Werk zu wenden. Die Notenschreiber haben sich bis hierher beynahe krumm und lahm schon an diesen Sachen geschrieben . Es ist ein Werk des Geschmackes; wie oft v.erändert sich dieser in der Musik, wie verderbt ist er nicht schon jetzt! Alles muß närnsch und komisch seyn . Graun und Hasse 37 ·2 sind nicht mehr mode, so spricht der Unverstand um Sie, da die Worte italienisch, so kann auswärts etwas debitirt werden . Auch hier ist nichts zu thun . Ich beharre mit den besten Wünschen und vollkommener Hochachtung Ew . Hochedelgeb . ergebenster Diener Bach . Hamburg , den 29. Nov. 1774.

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.

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eorgjacob Decker ( 12 . Februar 1732 Basel bis 17. November 1799 Berlm) war seit 1756 rucker , 1769 gründete er einen Verlag in Berlin . 1789 übergab er diesen an Heinrich August Rottmann. 37,2 ] ohann Adolf Hasse (getauft 16. März 1699 Bergedorfbei Hamburg, gestorben 16 . Dezember 1783 Venedig) .

51

38 AN]OHANN NIKOLAUS FoRKEL HAMBURG, ENDE

1774

Original : Privatbesitz Publikation : Bach/Dokumente, Band III, S. 284-286 Bücken/Musikerbriefe, S. 9-13 Schneider I Bach-Urkunden (ohne Seitenzählung)

P.P. Ein klein Flußfieber und eine Trauermusik 38 ' 1 hat mich verhindert eher, als jezt, beykommende 6 Soli u. 4 Concerten von mir einzusenden . Künftig mehr. Mein erster Versuch 38 ·2 kommt auch hiebey mit. Er kostet nur 3 rl. Machen Sie mir bald das Vergnügen hieher zu kommen, als denn wollen wir zusammen rechnen . Meines seel. Vaters Lebenslauf im Mizler38 •3 ist durch meine Hülfe der vollkommenste . Unter den darin angeführten geschriebenen Claviersachen sind ausgelaßen: 15 Zweystimmige Inventiones 38 ' 4 u. 15 dreystimmige Sinfonien 38 ' l, ingleichen 6 kurze Vorspiele . Bey des seel. Kirchensachen kan angeführt werden, daß er devot u. dem Inhalte gemäß gearbeitet habe, ohne comische Verwerfung der Worte, ohne einzelne Worte auszudrücken, mit Hinterlaßung des Ausdrucks des ganzen Verstandes, wodurch oft lächerliche Gedanken zum Vorschein kommen, welche zuweilen verständig seyn wollende und unverständige zur Bewunderung hinreißen . Noch nie hat jemand so scharf u . doch dabey aufrichtig Orgelproben übernommen . Den ganzen Orgelbau verstand er im höchsten Grade . Hatte ein Orgelbauer rechtschaffen gearbeitet, und Schaden bey seinem Bau, so bewegte er die Patronen zum Nachschuß. Das Registriren bey den Orgeln wuste Niemand so gut, wie

38

· 1 Die Trauermusik wird für den Hamburger Bürgermeister Martin Hieronymus Schcle ( 11 . Dezember 1699 bis 28 . November 1774) bestimmt gewesen sein . 1751 wurde Schele Bürgermeister in Hamburg. 38,l

Wq 254 . RISM B 143.

38 3 ·

Carl Philipp Emanuel Bach - Johann Friedrich Agricola - Lorenz Christoph Mizler - Georg Venzky : Nekrolog aufJohann Sebastian Bach und Trauerkantate . Leipzig 1754, erschienen in : Musikalische Bibliothek , oder Gründliche Nachricht nebst unpartheyischem Unheil von alten und neuen musikalischen Schriften und Büchern ... Des vierten Bandes Erster Theil ... Leipzig, im Jahr 1754 . Im Mizlerischen Bücher-Verlag . S. 158-176. Mizler von Kolof wurde am 25 .Juli 1711 in Heidenheim/Württemberg geboren, er starb im März 1778 in Warschau .

52

38 4 ·

BWV 772-786 .

38 ·l

BWV 787-801.

er. Oft erschraken die Organisten, wenn er auf ihren Orgeln spielen wollte, u . nach seiner Art die Register anzog, indem sie glaubten es könnte unmöglich so, wie er wollte, gut klingen, hörten (hernach) aber hernach einen Effect, worüber sie erstaunten . Das erste, was er bey einer Orgelprobe that , war dieses: Er sagte zum Spaß, vor allen Dingen muß ich wißen, ob die Orgel eine gute Lunge hat, um dieses zu erforschen, zog er alles Klingende an, u. spielte so vollstimmig, als möglich . Hier wurden die Orgelbauer oft für Schrecken ganz blaß. Das reine stimmen seiner Instrumente so wohl , als des ganzen Orchesues war sein Vornehmstes Augenmerck. Niemand konnte ihm seine Instrumente zu danke stimmen u . bekielen . Er that alles selbst. Die Rangirung eines Orchestres verstand er ganz vollkommen . Jeden Plaz wuste er zu nutzen . Jede Ausnahme was den Ort anlangte, wuste er beym ersten Anblick. Ein merckwürdiges Exempel hievon ist folgendes: Er kam nach Berlin, mich zu besuchen, ich wieß ihm das neue Opernhauß38 ·6 . Gleich fand er das gute und fehlerhafte (was nehml. die Ausnahme ~er Musik betrifft) Ich wieß ihm den großen Speisesal darin; wir giengen auf die Gallerie, welche in diesem Saale oben herum gehet; er besahe die Decke, u. ohne weiter nach zuforschen sagte er zum Voraus : daß der Baumeister hier ein Kunststück angebracht habe, ohne die Absicht gehabt zu haben u. ohne, daß es Jemand wuste, nehmlich : Wenn jemand a~ der einen Ecke des länglichten viereckigten Saales oben ganz leise in die Wand einige Worte flisperte , so hörte es der andere, welcher übers Creuz an der andern Ecke mit dem Gesichte gegen die Wand stand, ganz deutlich, und sonst in der Mitte, oder an den übrigen Orten hörte von den andern Personen Keiner nicht das geringste . Ein vor diesem sehr rares und bewundertes Kunststück der Baukunst! Es machten diesen Effect die angebrachten Bogen in der gewölbten Decke, die er gleich sahe. Er hörte die geringste falsche Note bey der stärcksten Besetzung. Als der größte K.enner u. Beurtheiler der Harmonie spielte er am liebsten die Bratsche mit angepaßter Stärcke u. Schwäche. In seiner Jugend bis zum zieml. herannahenden Alter

38 6 '

Das Berliner Opernhaus wurde von 1741 bis 1743 von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff ( 1699l 753) erbaut, es wurde am 7. Dezember 1742 eröffnet. 1843 brannte es aus. In der „Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam und aller daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten ... " Band ~·· Berlin 1779, S. 688, heißt es ü her den Speisesaal: „In demselben [dem Opernhaus J ist gleich über dem mgange ein schöner Saal, in welchem der Hof an den Redoutentagen speiset: oben gehet um denselben ein Geländergang für die Zuschauer; unten sind in zwey Ecken Kabinetter zum Umkleiden angebracht."

53

spielte er die Violine rein u. durchdringend u. hielt dadurch das Orchester in einer größeren Ordnung, als er mit dem Flügel hätte ausrichten können . Er verstand die Möglichkeiten aller Geigeninstrumente vollkommen . Dies zeugen seine Soli für die Violine und für das Violoncell ohne Baß . Einer der größten Geiger sagte mir einmahl, daß er nichts voll kommeneres, um ein guter Geiger zu werden, gesehen hätte u . nichts beßers den Lehrbegierigen anrathen könnte, als obengenannte Violinsoli ohne Baß. Vermöge seiner Größe in der Harmonie, hat er mehr als einmahl Trios accompagnirt, und , weil er aufgeräumt war, u . wuste , daß der Componist dieser Trios es nicht übel nehmen würde, aus dem Stegreif u . aus einer elend bezieferten ihm vorgelegten Baßstimme ein voll kommenes Qvatuor daraus gemacht, worüber der Componist dieser Trios erstaunte . Bey Anhörung einer stark besetzten u . vielstimmigen Fuge, wuste er bald, nach den ersten Eintritten der Thematum , vorher zu sagen, was für contrapunktische Künste möglich anzubringen wären u . was der Componist auch von Rechtswegen anbringen müste, u . bey solcher Gelegenheit, wenn ich bey ihm stand, u . er seine Vermuthung gegen mich geäußert hatte, freute er sich und stieß mich an, als seine Erwartungen eintrafen. Er hatte eine gute durchdringende Stimme von großer Weite u . gute Singart . Niemand hat in Contrapunckten u. Fugen alle Arten des Geschmacks, der Figuren und der Verschiedenheit der Gedanken überhaupt so glücklich angebracht, als er. Man hat viele abentheuerliche Traditionen von ihm. Wenige davon mögen wahr seyn u . gehören unter seine jugendlichen Fechterstreiche . Der seel. hat nie davon etwas wißen wollen, u . also !aßen Sie diese comischen Dinge weg . Der Stammbaum 38•7 muß abgezeichnet werden u. die Beschreibung gehört dazu. Kommen Sie bald hieher , so kann dieses in Ihrer Gegenwart geschehen, wo nicht u . Sie sind preßirt, so will ich es bald besorgen. Außer dem beykommenden Concerte aus dem f, habe ich

Js .7 Verschollen , vergleiche dazu Bach u ukumente , Band III , S. 28 7.

54

noch 2 Sonatinen für 2 Flügel 38 · 8 gemacht. Die lezteren , nebst den übrigen Sonatinen habe ich vor der Hand noch nicht bekannt gemacht. Für Ihre gütige Bemühung, meine armen Israeliten aus der Wüste 38 ·9 bringen zu helfen, danke ich Ihnen zum Voraus ergebenst. Obige Specialia Parris habe ich ohne Zierlichkeit, so, wie sie mir eingefallen sind, hingeschmiert . Brauchen Sie sie, wie Ihnen beliebt u . bringen sie in eine beßere Ordnung . Mr . u . Mme Heyne 38 · 10 mein gehorsamstes Complimem. Lieben sie ferner den Ihren Bach . Ich befürchte , die Post mag schon fort seyn. Vergeben Sie mir. [Am Rand der 1. Seite] diese Wissenschaften sind mit ihm abgestorben .

lS.s Sei con ceni per il cembalo concenarn accompagnato da due violini, violetta e basso; con due corni e due flaut1 per rinforza . Hamburg : Autor J 77 2. Das erste dieser Konzerte steht in F-Dur. Wq 43. RISM B 53. ls. 9 Die Israeliten in der Wüste , ein Oratorium. Hamburg: Autor 177 5. Wq 238 . R!SM B 109 . ls. io Chnman Gottlob Heine [Heyne] (26 . September 1729 Chemnitz bis 14 . Juli 1812 Göttingen) war sen 176 3 Professor für Beredsamkeit an der Universität Göttingen , seit 1764 daselbst Universitätsbibliothekar. Der Altphilologe heiratete am 4 . Juni 1761 Therese Weiß (1730 bis 10 . Oktober 1775 Göttingen) .

55

39 ANjOHANN NIKOLAUS fORKEL HAMBURG.

13.

jANUAR

1775

Original: Privatbesitz Publikation: Bach/Dokumente, Band III, S. 288-290 Schneider/ Bach-Urkunden (ohne Seitenzählung)

Hamburg, d. 13 Jan. 75 Meines seel. Vaters Lebenslauf im Mitzier, liebster Freund, ist vom seel. Agricola 39 ·' u. mir in Berlin zusamgestoppelt worden, u. Mitzier hat blos das, was von den Worten: In die Societät angehet, bis ans Ende dazu gesetzt. Es ist nicht viel wehrt. Der seel. war, wie ich u. alle eingent!. Musici, kein Liebhaber, von trokenem mathematischem Zeuge. ad lmum: Des seel. Unterricht in Ohrdruf mag wohl einen Organisten zum Vorwurf gehabt haben u. weiter nichts. ad 2dum: außer Frobergern 39 ·2 , Kerl 39 ·3 u. Pachelbel 39 .4 hat er die Werke von Frescobaldi, dem Badenschen Capellmeister Fischer39 ·i, Strunck 39 ·6 , einigen alten guten französischen, Buxdehude 39 ·7 , Reincken 39 ·8 , Bruhnsen 39 •9 u. dem Lüneburgischen Organisten Böhmen 39 · 10 geliebt u. studirt.

3 9.I

Johann Friedrich Agricola (4.Januar 1720 Dobitz bei Altenburg bis 22. Dezember 1774 Berlin) war Schüler Johann Sebastian Bachs undJohannJoachim Quantz' (30.Januar 1697 Oberseheden bei Göttingen bis 12. Juli 1773 Potsdam). 39 2 · Johann Jakob Froberger (19. Mai 1616 Stuttgart bis 6./7. Mai 1667 Schloß Hericourt bei Montbe-

liard). 39· 3 Johann Kaspar von Kerll (9. April 1627 Adorf bis 13. Februar 1693 München). 39.

4

Johann Pachelbel (getauft 1. September 1653 Nürnberg, bestattet 9. März 1706 Nürnberg).

39.l Johann Caspar Ferdinand Fischer (um 1670, bestattet 27. August 1746 Rastatt).

39.G Johann Adam Strungk (getauft 15. November 1640 Braunschweig, gesrorben 23. September 1700 Dresden). 39.

7

Dietrich Buxtehude (1637 vermutlich Oldesloe/Holstein bis 9. Mai 1707 Lübeck).

39.S Johann Uan] Adam Reincken [Reinike] (27. April 1623 Wildeshausen bis 24. November 1722 Ham-

burg). 39.9 Nicolaus Bruhns (1665 Schwabstedt/Schleswig bis 29. März 1697 Husum) war Schüler Buxtehudes. 39.IO

56

Georg Böhm (2. September 1661 Hohenkirchen bei Ohrdruf bis 18. Mai 1733 Lüneburg).

ad 3um: nescio, wodurch er von Lüneburg nach Weimar gekommen. ad 4tum: Der seel. hat durch eigene Zusätze seinen Geschmak gebildet.

ad 5tum: Blos eigenes Nachsinnen hat ihn schon in seiner Jugend zum reinen u. starken Fugisten gemacht. Obige Favoriten waren alle starke Fugisten. ad 6tum: Durch die Aufführung sehr vieler starken Musiken in Kirchen, am Hofe u. oft unter dem freyen Himmel, bey wunderlichen u. unbequemen Plätzen, ohne systemathisches Studiren der Phonurgie hat er das arrangement des Orchesters kennen gelernt. Diese Erfahrung, nebst einer natürlichen guten Kennrniß der Bauart, in wie ferne sie dem Klange nützlich ist, Wozu seine besonderen Einsichten in die guten Anlagen einer Orgel, Eintheilung der Register und Placirung derselben ebenfalls das Ihrige beygetragen haben, hat er gut zu nutzen gewußt. ad 7mum: Wenn ich einige, NB nicht alle, Clavierarbeiten ausnehme, zumahl, wenn er den Stoff dazu aus dem Fantasiren auf dem Claviere hernahm, so hat er das übrige alles ohne Instrument componirt, jedoch nachher auf selbigen probirt. ad Bum: Fürst Leopold in Cöthen 39 · 11 , Herzog Ernst August in W eimar 39 · 12, Herzog Christian in W eißenfels 39 ' 13 haben thn besonders geliebt u. auch nach proportion beschenkt. Außerdem ist er in Berlin u. Dreßden besonders geehrt worden. Ueberhaupt aber hatte er nicht das brillanteste Glük, weil er nicht dasjenige that, welches dazu nöthig ist, nehmlich die Welt durchzustreifen. Indeßen war er von Kennern u. Liebhabern genug geehrt. ad 9um: Da er selbst die lehrreichsten Claviersachen gemacht hat, so führte er seine Schüler dazu an. In der Composition gieng er gleich an das Nützliche mit seinen Scholaren, mit Hinweglaßung aller der trokenen Arten von Contrapuncten, wie sie in 39 11 " Leopold Fürst von Anhalt-Köthen (28.November 1694 bis 19. November 1728 Köthen) . .

39 12 · Ernst August Herzog von Sachsen-Weimar ( 19. April 1688 bis 19. Januar 1748) regierte von 1728

bis 1748. 39 13 ' Christian Herzog von Sachsen-Weißenfels regierte von 1712 bis 1736.

57

Fuxen 39 · 14 u. anderen stehen. Den Anfang musten seine Schüler mit der Erlernung des reinen 4stimmigen Generalbaßes machen. Hernach gieng er mit ihnen an die Choräle ; setzte erstlich selbst den Baß dazu, u. den Alt u. den Tenor musten sie selbst erfinden . Alsdenn lehrte er sie selbst Bäße machen . Besonders drang er sehr stark auf das Aussetzen der Stimmen im Generalbaße . Bey der Lehrart in Fugen fieng er mit ihnen die zweystimmigen an, u .s.w. Das Aussezen des Generalbaßes u. die Anführung zu den Chorälen ist ohne Streit die beste Methode zur Erlernung der Composition, qvoad Harmoniam. Was die Erfindung der Gedanken betrifft , so forderte er gleich anfangs die Fähigkeit darzu, u . wer sie nicht hatte, dem riethe er, gar von der Composition wegzubleiben. Mit seinen Kindern u. auch anderen Schülern fing er das Compositionssrudium nicht eher an, als bis er vorher Arbeiten von ihnen gesehen hatte, woraus er ein Genie entdekte . ad JOmum Außer seinen Söhnen fallen mir folgende Schüler bey : Organist Schubert 39 · 1l , Org. Vogler 39 · 16 , Goldberg 39 · 17 beym Grafen Brühl 39 · 18 , Org. Altnicol mein seel. Schwager, Org. Krebs 39 •19 , Agricola, Kirnberger , Müthel 39 ·20 in Riga, Voigt 39 · 21 in Anspach, ad llmum : in der lezten Zeit schätzte er hoch Fux,

39. 14 Johann Joseph

Fux ( 1660 Hirtenfels/ Steiermark bis 13 . Februar 1741 Wien). Grundlegend ist sein „Gradus ad Parnassum" (1 740) . 39, l l

Johann Martin Schubart (3. August 1690 Geraberg bei Ilmenau bis 2. April 1721 Weimar).

39. !6 Johann

Caspar Vogler (23 . Mai 1696 Hausen bei Arnstadt , begraben 3. Juni 1763 Weimar) .

39. 17 Johann

Gottlieb (Theophilus) Goldberg (getauft 14 . März 1727 Danzig, gestorben 13 . April 1756

Dresden) . 39. IB

Heinrich Graf von Brühl ( 13 . August 1700 Gangloffsömmern bis 28 . Oktober 1763 Dresden) war

sächsischer Ministerpräsident . 39. l9 Johann

Tobias Krebs (7. Juli 1690 Heichelheim bei Weimar bis 11. Februar 1762 Butstedt).

39. 20 Johann

Gottfried Müthel (getauft 19 . Januar 1728 Mölln/Lauenburg , gestorben 14 . Juli 1788 Bie-

nenhof bei Riga) . 39. 21 Johann

58

Georg Voigt d.J . (12 . Juni 1728 Ansbach , bestattet 5. Mai 1765 Ansbach).

Caldara39 ·22 , Händeln 39 ·23 , Kaysern 39 ·24 , Haßen, beyde Graunen , Telemann, Zelenka39 ·2l , Benda39·26 u. überhaupt alles, was in Berlin u. Dreßden besonders zu schätzen war . Die erstgenannten 4 ausgenommen, kannte er die übrigen persöhnl. In seinen jungen Jahren war er oft mit Telemannen zusammen, welcher auch mich aus der Taufe gehoben hat. In Beunheilung der Arbeiten war er, qvoad Harmoniam, sehr streng, jedoch schätzte er außerd. alles würkl. gute u. gab ihm seinen Beyfall , wenn auch Menschlichkeiten mit darunter zu finden waren . Bey seinen vielen Beschäftigungen hatte er kaum zu der nöthigsten Correspondenz Zeit, folg!. weitläuftige schriftliche Unterhaltungen konnte er nicht abwarten. Desto mehr hatte er Gelegenheit mit braven Leuten sich mündlich zu unterhalten, weil sein Haus einem Taubenhause u. deßen Lebhaftigkeit vollkommen gliche . Der Umgang mit ihm war jedermann angenehm, u. oft sehr erbaulich. Weil er nie selbst von seinem Leben etwas aufgesetzt hat, so sind die Lücken darin unvermeidlich . Ich kann nicht mehr schreiben, leben Sie Wohl u . lieben Sie ferner ihren wahren Fr. Bach . [Am Rand der 1. Seite] Was wollen Sie für ein Portrait vorsetzen . Das was Sie haben, ist fehlerhaft· Ich habe ein schönes ähnliches Original in Pastell. Die Kosten des Stammbaums betreffen 2 112 Thaler. Die jezige Generation, qvoad Musicam, artet aus. [Am Rand der 3. Seite] ~it einigen Sachen von J. Xstoph 39 ·27 kann ich aufwarten, wenn ich soll . 39, 22

Antonio . Caldara (um 1670 Venedig bis 28 . Dezember 1736 w·ten ).

39 23 ' Georg Friedrich Händel (23 . Februar 1685 Halle/ Saale bis 14 . April 1759 London) . 39 24

' Reinhard Keiser (getauft 12 .Januar 1674 Teuchern bei Weißenfels, gestorben 12. September.1739 Hainburg) . 39 2 ' ) Johann Dismas Zelenka (getauft 16 . Oktober 1679 Launowitz , gestorben 23. Dezember 1745 Dres-

den) . H. 26

Es ist . nicht . zu eruieren,

d

· ·

welches Familienmitglied der Ben as gemeint tst .

39 27 ' Johann Christoph Bach (21. Juni 17 32 Leipzig bis 26. Januar 1795 Bückeburg).

59

40 40 1

AN]OHANN KASPAR LAVATER · HAMBURG ,

6.

SEPTEMBER

1775

Original: CH Zz

Vomeflicher Lavater, Herr von Salis40 •2 von Marschlins in Bündten zu Marschlins hat durch unsren Klopstock auf 6 Exemplare meiner Israeliten 40 •3 subscribirt . Klopstok meint, Sie würden, da Sie diesen Herrn kennen, so gütig seyn, und ihn bald benachrichtigen, daß er durch eine Meßgelegenheit von der Leipziger Michaelismeße gerade von H. Breitkopfen, der dies Werk gedruckt hat, die 6 Exemplare sich geben laße, und bey der Auslieferung das Geld an Herr Breitkopfen, nach Abzug der Gebühren, zahle. Ich habe daßelbe Vertrauen zu Ihrer Güte, und bitte darum. Mein Portrait ist doch wohl schon in Ihren Händen? Nach meinen Anstallten muß es schon da seyn. Ich habe an des Herrn Kaisers 40 •4 Herrn Vater wegen meines Werkes gleichfals zu schreiben. Ich hoffe, daß dieser Brief in die rechte Hände kommen werde, ohngeacht ich den Character dieses Herrn nicht weiß . Leben Sie voll kommen wohl, und lieben Sie ferner Ihren Verehrer und treuen Diener Bach . Hamburg, d . 6 Sept. 75. 40

· 1 Johann Kaspar Lavater ( 15. November 1741 Zürich bis 2. Januar 1801 Zürich), schweizer evangelischer Theologe, Philosoph und Schriftsteller. 40 2 ·

Karl Ulysses von Salis Marschlins ( 1728-1801) war um 1775 französischer Gesandter in Bünden.

40 3 ·

Wq 238 . RISM B 109.

4

o.4 Philipp Christoph Kayser ( 10 . März 1755 Frankfurt/Main bis 24. Dezember 1823 Zürich), deutscher Komponist, Sohn des Frankfurter Organisten Matthäus Kayser (gestorben 1810), war mit Goethe befreun det , ließ sich in den 1770er Jahren als Klavierlehrer in Zürich nieder.

60

41 AN KRONPRINZ FRIEDRICH WILHELM VON PREUSSEN HAMBURG ,

28 .

SEPTEMBER

41 1 '

1775

Original: Privatbesitz

Durchlauchtigster Cron-Prinz, Gnädigster Herr, Ew. Königl. Hoheit erlauben gnädigst . Höchstdenenselben einige von meinen neuesten Compositionen zu Füßen legen zu dürfen. Es sind Stücke vom verschiedenen Inhalt, und ich würde es nicht wagen, wenn mir die gründlichen Einsichten in unsere Tonkunst und die damit verknüpften praktischen Fähigkeiten, wodurch Ew. Königl. Hoheit vor den meisten Göttern dieser Erde vorzüglich erhaben sind und eben dadurch an mehr, als einer Art von Musick, ein gnädiges Gefallen haben, unbekannt wären. Mögte sich doch dieses gnädige Gefallen bis auf bey kommende Stücke erstrecken! Mögten sie doch dadurch einen Wehrt bekommen, den sie außerdem nicht haben! Ew. Königl. Hoheit waren bey meinem Abschiede aus Berlin 4 1· 2 so gnädig, mich Dero Höchsten fernem Gnade aufs huldreichste zu versichern. Diese gnädigste Versicherung versüßt mir noch jetzt meine Tage, und die reizende Vorstellung davon nehme ich mit 1ns Grab . Ich ersterbe in tiefster Devotion Ew. König!. Hoheit unterthänigster Knecht, Bach. Hamburg , d . 28 Sept. 1775 . [Über der Anrede J An Sg. den Capell . Musicum Bach. Ich habe mit Vergnügen Ihre Compositionen erhalten. Sie verrathen alle den Meister der sie verfertiget hat,

41 1 '

Friedrich Wilhelm II. (1 744-1 797) König von Preußen 1786-1 797.

41 2 '

Carl Philipp Emanuel Bach kam vor dem 22 . März 1768 nach Hamburg .

61

und Ich freue mich im voraus sie in execution bringen zu !aßen. Ich wiederhole meine Wünsche Ihnen bey jeder Gelegenheit nützlich zu seyn, und bin ihr wohl affektionirter

42 ALBUMBLATI HAMBURG,

3.

NOVEMBER

1775

Original: Privatbesitz Publikation: Badura-Skoda, Faksimile zwischen S. 288-289

42.1

Mit besonderer Hochachtung und Freundschaft gegen den Herrn Besitzer dieses Buchs unterschreibt sich Carl Philipp Emanuel Hamburg, d. 3 November, 1775.

42 •1

Das Notenbeispiel entspricht bis auf die Schlüsselung (Sopranschlüssel anstelle von Violinschlüssel) dem Beispiel des Briefes Nr. 32 (Stammbucheintragung für Carl Friedrich Cramer).

62

43 AN JOHANN NIKOLAUS FoRKEL HAMBURG,

27.

APRIL

1776

Original: verschollen Publikation: Nohl 2, S. 65

Hamburg, den 27. Apr. 76. Liebster Herr Forke!. Wenn Sie noch im lande der Lebenden sind, so bitte ergebenst, die Güte für mich zu haben und mir baldigst die Namen und, weil es Pränumeranten und keine Subscribenten sind, auch das Geld von Ihren mir gütigst angeworbenen Liebhabern zu meinen Sonaten 43 · 1 zuzusenden. Ich habe alle übrigen Nachrichten, bis auf die Ihrigen, und wollte nun gerne die Stärke der Auflage, besonders wegen der Schlüssel, bestimmen. Lieben Sie ferner Ihren In Eil. treuen Freund Bach.

44 AN? HAMBURG,

14.

MAI

1776

Original : verschollen, angezeigt in: Auktions-Katalog CXXVI Karl Ernst Henrici, 15. Dezember 1927, Nr . 7

„Tausend Dank für Ihre gütige Collecte! mit der Bezahlung kann es anstehen. Sie kennen Ihre Leute. Die Frescobaldiana habe ich auch. Auch Sie sollen sie haben .. . Jetzt arbeite ich an den Orchestersinfonien, auf Verlangen, wie man nur kann ... " Beiliegend: Eigenhändige Aufschrift auf einem Folio-Umschlag: „Domin. 3 post Ephiphanias. Alles nur nach Gottes Willen a 4 Voci, 2 Hautb., 2 Viol. Viola e Cont. d. J.S . Bach." Es ist dies die Kantate von Johann Sebastian Bach „Alles nur nach Gottes Willen".

. av1ersonaten mit einer Violine und einem Violoncdl zur Begleitung, erste Sammlung Leipzig: Autor (Bernhard Christoph Breitkopf & Sohn) I 776. Wq 90. RISM B 61. 4J.1

Cl

63

45 AN HEINRICH WILHELM VON GERSTENBERG HAMBURG,

15.

NOVEMBER

1776

Original: D-bcd Mbs

[Adresse] Des königl. Dänischen Residenten, Herrn Von Gerstenbergs Hochwohlgebohrnen 10

franco

Lübeck.

Hochwohlgebohrner Herr, Theuerster Gönner und Freund, Ich bin seit 8 Tagen und noch jezt wegen des Ausziehens in der größten Unruhe, und bitte deswegen meine etwas aufgeschobene Antwort nicht ungütig zu deuten. Der. H. P. Cramer hat schon längst, wie er bey mir war, Ew. Hochwohlgeb . Exemplar meiner Sonaten 45 •1, womit ich mir die Ehre gegeben habe, Ihnen ein schlechtens Präsent zu machen, von mir, mit der Bitte, solches weiter zu befördern, erhalten. Für Herr Baumgarten 4u, den ich vielleicht übermorgen hören werde, will ich alles mögliche thun. Lieben Sie ferner Ihren treuen ergebensten Bach. Madame empfehle ich mich ergebenst. In Eil Hamburg, d. 15 Nov. 76 45 · 1 45 · 2

Wq 90. RISM 61.

Karl Friedrich Baumgarten (um I 740 Lübeck bis 1824 London) war Schüler von Johann Paul Kunczen ( 1696-1757) . Um 1758 wurde er Organist der lutherischen Chapcl Savoy in London , 1763 Konzertmeister des Haymarker Theatre in London, 1764 finden wir ihn in Dublin, von 1780 bis 1794 war er Violinist, Dirigent und Komponist am Covent Garden in London .

64

46 AN HEINRICH WILHELM VON GERSTENBERG HAMBURG ,

15 . MÄRZ 1777

D-ddr Elb Original: Publikation : Schmid/Bach , S. 50 (nach Schmid ediert)

Hochwohlgeborener, höchstgeehrtester Herr Rittmeister, ich bin seit dem Anfange des vergangenen Februars bis jetzt an einem fatalen Magenhusten sehr krank gewesen. Nachdem ich beinahe eine ganze Apotheke eingeschluckt und eine sehr strenge Diät gehalten habe: so bin ich nunmehr durch Gottes Gnade insoweit wiederhergestellt, nur befinde ich mich noch sehr entkräftet und darf mich der noch fortdauernden rauhen Witterung nicht wohl aussetzen. Ich habe Euer Hochwohlgeb. sehr vieles zu sagen, und noch mehr um Vergebung zu bitten : ich verschiebe alles aber, bis ich vollkommen wieder hergestellt bin. Jetzt vergeht mir alle Lust, etwas zu schreiben und zu tun . Mit Herrn Schiörrings Reise würde es also noch wohl eine Weile müssen anstehen . Was ich werde möglich machen können, soll, besonders auch in Rücksicht Euer Hochwohlgeb. Verlangens, mit Vergnügen geschehen .Jetzt ist es mir ganz unmöglich, etwas zu bestimmen . Ich beharre mit der ausnehmendsten Hochachtung, solange ich lebe , Euer Hochwohlgeb. aufrichtiger Verehrer und gehorsamster Diener Bach·

47 AN? HAMBURG , 4 . Juu

1777

Original : Privatbesitz

Hamburg, d . 4Jul. 77. Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Ich hätte mir nichts weniger, als eine leere Antwort auf meinen letzten Brief, worin das Herz sprach, von Ew. Hochedelgeb. vermuthet. Sie schreiben mir: unsere Rechnung soll nun nicht lange mehr ungeschloßen bleiben; von diesem nicht lange habe ich einen traurigen Begriff, weil Sie schon d . 14 Aprill schrieben: eine ganze

65

kurze Zeit. Bey mir ist nicht der geringste Gedanke eines Mißtrauens gegen Sie möglich : aber stellen Sie Sich vor , da mich jezt fast alle meine Debitoren im Stiche )aßen , und mich unvermuthete grausame Ausgaben überfallen, wie mir zu Muthe sey! Um mich kurz zu expectoriren, so muß ich Ihnen bekennen, daß mir alle Gefälligkeiten und Zahlungen von Ihnen vor dem 24sten d.M. unendlich angenehm seyn müßen, nachher aber sehr gleichgültig sind, weil dieser 24ste Julius für mich ein wichtiger Tag ist. Sie schreiben : daß Ihre übrigen Arbeiten Sie diesmahl von meiner Pränumerationsangelegenheit abhalten ; folglich muß ich Sie hirvon dispensiren . Ich beharre, wie alle Zeit, Bach .

48 48 1

AN ADAM FRIEDRICH 0ESER • HAMBURG.

11.

AUGUST

1777

Original : verschollen Publikation : Bitter, Band II, S. 114 Nohl 2, S. XLIV

Hamburg, d . 11. Aug . 77. Lieber, liebster Freund und verehrungswürdiger Herr Professor, ist Alles wahr, was man Ihnen von meinem armen Hans erzählt hat . Doch gottlob! jetzt (so schreibt man) ist meist alles Vorbey und er hat an seiner Gesundheit nichts verlohren . Ich kann Ihnen unser Wehklagen nicht genug beschreiben, als wir eine ausführliche Nachricht von seinen Umständen kriegten . Sie war so, daß es einen Stein in der Erde erbarmen mußte . Denken Sie, in 5 Monaten 3 der erschrecklichsten Operationen auf Tod und Leben. Mein Medicus hier, der seine gute Seele kannte, weinte wie ein Kind und staunte darüber, was er ausgestanden hat. Selbst in Rom schreibt man seine Genesung, nächst Gott , lediglich seiner eisernen Natur, seinem gesunden

48 1 • Adam Friedrich Oeser ( 17 . Februar 171 7 Preßburg bis 18 . März 1799 Leipzig) war Direktor der Leipziger Zeichenakademie . Bachs Sohn Hans studierte bei ihm.

66

Blute und seiner Folgsamkeit bey. Der ehrliche Reifenstein 48 ·2 hat wie ein Vater an ihm gehandelt. Das Schlimmste für sein Studium sind ) verlohrne Monate, und für meinen Beutel bezahlte 30 Ducaten und für diese verlohrene 5 Monate apart Pension . Ich danke nebst den Meinigen von Herzen für das bezeigte Mitleiden. Gott erhalte Sie nebst den geehrten Ihrigen . Nebst 1000 Complimenten beharre ich auf ewig und von Herzen Bach. ganz der Ihrige An den Herrn Professor Oeser in Leipzig.

49 AN JOHANN NIKOLAUS FoRKEL 1). NOVEMBER 1777

HAMBURG,

Original : verschollen, angezeigt in : Katalog 236. Musiker-Autographen .. . , Leo Liepmannssohn. Antiquariat ... Berlin SW 11. Bernburger Str. 14, Nr. 18

[Adresse] An „Candidat u. Musikus Forke! in Göttingen."

„ .. ·Ihre Absichten wegen unserer Wissenschaft und Kunst sind edel. Ich gebe Ihnen mit Vergnügen Recht und wünsche den besten Fortgang" . . . Er übersendet ihm Exemplare seiner neuesten Konzerte und Sonaten, sowie seines „Versuchs über die wahre Art das Clavier zu spielen" mit Angabe der Verkaufspreise. „ Geben Sie ja ohne Geld nichts aus der Hand .. . "

48 2 ' Johann

Friedrich Reiflf]enstein (22 . Mai 1719 Ragnit/Memel [Ostpreußen] bis Oktober 1793 Rom) war gothaischer und russischer Hofrat, der vermutlich Carl Philipp Emanuel Bach 1754 in Kassel porträtier~- Seit 1763 lebte er als Reisebegleiter und Fremdenführer in Rom, hier kümmerte er sich um Bachs erankten Sohn .

67

50 AN KARL WILHELM RAMLER HAMBURG,

5.

MAI

1778

Original: verschollen Publikation: Wilhelm, S. 254

Hamburg, den 5. May 1778: Liebster Herr Professor, und alter Freund, Die Composition Ihrer sehr schönen Cantatelo. i hat mir viel Vergnügen gemacht. Sie hat das Glück gehabt zu gefallen. Ob sie es verdient, lasse ich dahin gestellt seyn . Ihre Veränderungen haben Grund . Vielleicht kan ich davon einen Gebrauch machen. So leicht aber, wie Sie, liebster Freund, glauben , wird es nicht angehen . Vielleicht denke ich vorher, ehe ich schreibe, mehr, als gewöhnlich. Indessen bin ich Ihnen dafür, besonders für das geneigte Andenken meiner Person sehr verbunden. Ich werde nicht leicht Berlin wieder zu sehen kriegen; aber wie groß würde meine Freude seyn, Sie, alter Freund, noch in meinem Leben einmahl hier zu umhalsen! Thun Sie dies. Ich bin mit der vollkommensten Hochachtung jederzeit Ihr ergebenster Freund und und Diener Bach. An den Herrn Professor Ramler, in Berlin.

51 ANjOHANN NIKOLAUS FORKEL HAMBURG,

25. Juu 1778

Original: US NYp

Hamburg, d . 25 Jul. 78 Mein theuerster Freund, Tausendfachen Dank für das abermahlige gütige Geschenke von Ihnen! Ihr Beyfall zu meinen

lO, I Karl Wilhelm Ramlers Auferstehung und Himmelfahrt Jesu . Leipzig: Johann Gottlob Immanuel Breitkopf 1787. Wq 240 . RISM B 115. Ramlers Kantatencext erschien bereits 1760.

68

mäßigen Arbeiten machet mir viel Vergnügen und Ehre; auch hiefür danke ich Ihnen ergebenst, nur befürchte ich, daß Ihr Enthusiasmus für mich zu groß sey, und daß Sie mehr gesagt haben, als Sie verantworten können. Eine Recension Ihrer Bibliothek 51 • 1 in unsrem Correspondenten wird Herr Leister 51 ·2 gerne und zwar gut machen; nur bitten Sie Ihren Verleger, daß er diesem braven Manne von beyden Theilen ein Exemplar verehrt. Dies muß Jedermann thun. Für mich schickt sichs nicht wohl, eine Rec. zu machen; ich bin zu sehr dabey intereßirt. Ich beharre, wie allezeit, von Herzen Ihr aufrichtigst ergebenster Bach. [Am Rand] An Herr Leister wird die Adreße seyn: An den Herrn Leister, bey Herr Karsten an der Zollenbrücke In

Hamburg.

52 AN ADAM FRJEORJCH ÜESER HAMBURG.

13.

NOVEMBER

1778

Original: verschollen, angezeigt in: Versteigerung W. Heyer 1926, S. 3

51 1 ' Johann

Nikolaus Forke!: Musikalisch-Kritische Bibliothek, 3 Bände, Gotha 1778(Band1, II), 1779

(Band lll). H.i Joachim Friedrich Leister, 1740 in Wimtock geboren, war Rezensent des „Hamburger Correspondenten". Er hat viele Jahre lang Bachs Werke wohlmeinend kritisiere und bekannt gemacht.

69

53 AN ARTAR!A l3. l

14. juu 1779 Original : A Wst Publikation : Nohl 2, S. 66 HAMBURG ,

Hamburg, d. 14 Julius 1779 Hochedelge bohrner, Hochgeehrtester Herr, Ich freue mich, durch die Veranstaltung des Herrn Barons von Swietenl3· 2 die Gelegenheit bekommen zu haben, Ew. Hochedelgeb . geehrteste Bekanntschaft zu erhalten; und dieses um so viel mehr, da ich zugleich berichten kann, daß in wenigen Tagen H. Breitkopf die von deroselben verlangten 12 Sonatenl3·3 und 12 Heiligi 3.4 Ihnen gerade nach Wien zuschicken wird. Das ungewöhnliche Format des Heilig hat den Druck verzögert. Der H . Baron von Swieten hat Ew . Hochedelgeb . den gewöhnlichen Rabbat, den ich gebe, berichtet, und dieselben sind auch damit zufrieden gewesen, nehmlich das eilfte Exemplar. Der Subscriptions-Preiß der Sonaten ist pro Stük 2 KayßerGulden, und das Heilig kommt 2 1/2 KayßerGulden. Ew . Hochedelgeb. können diese Sachen in einem Preiße verkaufen, der Ihnen anständig ist.

l3, l Wiener Kunst- und Musikalienhandlung . Cesare und Francesco Arcaria gründeten 1769 die Kunst· handlung Artaria & Comp . in Wien . l3.Z Gottfried Bernhard Baron van Swieten (29 . Oktober 1733 Leyden bis 29. März 1803 Wien) war von 1770 bis 177 7 österreichischer Gesandter in Berlin, 1777 wurde er Präfekt der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien .

l3. 3 Sechs Clavier-Sonaten für Kenner und Liebhaber ... erste Sammlung . Leipzig : Autor 1779.

Wq 55 .

RISM B 85 . B. 4 Heilig, mit zwey Chören und einer Ariette zur Einleitung . Hamburg : Autor (Leipzig : Breitkopfische Buchdruckerey) 1779 . W q 21 7. RISM B 120 .

70

Kann ich fernerhin zu Ihren Dien sten stehen oder wegen Ihres Negozes nuzbar seyn , so belieben Sie über mich zu disponieren . Ich habe die Ehre mit besonderer Hochachtung zu beharren Ew . Hochedelgeb . ergebenster Diener Bach . [Adresse] A Monsieur Monsieur Artaria, Marchand de Musique

a Vienne [Eintrag Artaria] d . 14July 779 .

54 AN ARTAR1Al 4 •1 HAMBURG,

4.

SEPTEMBER

1779

Original: Statn1 oblastn1 Archiv v Treboni, Sammlung Czernin, Nr. XVI , 7

Hamburg, d. 4 Sept. 79 . Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Ew. Hochedelgeb. Verlangen gemäß erfolgt hiebey das Verzeichnis von meinen Verlags Werken nebst den Preißen in Louis d' or a 5 Thal er das Stük . Zu Erspahrung des Porto belieben Sie ge-

4 1 l •

Ohne Adresse, dem Inhalt nach an Artaria.

71

gen die Leipziger Michaelis Meße das Beliebige zu ordoniren, weil ich Gelegenheit finden werde, wenn ichs bey Zeiten weiß, die Sachen bis Leipzig frey zu schaffen. Die Preiße sind aufs genaueste gesezt u. Ew. Hochedelgeb. stehet frey, die Sachen so hoch zu verkaufen, als Ihnen beliebt. Ich beharre mit wahrer Hochachtung Ew. Hochedelgeb. ergebenster Diener Bach. [Am linken Rand] Die Verrechnung der Subscribirten 12 Sonaten u. 12 Heilig bleibt in Kayser Gulden.

55 AN ARTARJA HAMBURG,

24.

ÜKTOBER

1779

Original: USSR Lsc

[Adresse] A Monsieur Monsieur Artaria et Compagnie, Marchands de Musique Wien. Nebst einen Paket mit gedruckter Music, in Wachstuch, Sig. M.A. Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Hierbey habe ich die Ehre alle verlangte gedruckte Arbeiten von mir zu übersenden. Ich wünsche einen baldigen Empfang. An der Einpalli72

[Ein trag Artaria] Bach Hamburg 24 Obre 1779

rung habe ich nichts gespahrt. Ich beharre mit wahrer Hochschätzung Ew . Hochedelgeb . ergebenster Diener Bach . Hamburg, d . 24 Oct. 177 9.

)6 AN ARTARIA HAMBURG,

10.

NOVEMBER

1779

Original: verschollen Publikation : Nohl, S. 67

Hamburg, den 10. Nov. 1779. Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr! Ich_bedaure recht sehr, daß unsere Correspondenz so langsam von Statten gehet . Die Wette Ent!egenheit unserer Oerter und viele Geschäfte sind hierin vermuthlich Schuld . Alle diejenigen Musikalien, die Ew. Hochedelgeb. durch weitere Spedirung des Hrn. Breitkopfs von mir verlangt haben, sind sogleich eingepackt worden und w_erden ehestens durch eine hiesige Gelegenheit, zu Ersparung der Postkosten, von hier abgehen . Die Berichtigung beikommender Nota kann am bsten eben so, wie es der Herr Baron van Swieten gemacht hat, durch Hrn. Friesen an die hiesigen Hrn. Persem und Dörner%· 1 geschehen . Ich habe auf Louisdor nach unserm jetzigen Cours gesetzt, weil Sie dadurch eher gewinnen als verlieren. Meine sämmtlichen Subscribenten haben nunmehro alles bezahlt, und es ist blos noch die Kleinigkeit von Ew. Hochedelgeb. übrig : weil ich nun von jeher allezeit die Verlagskosten auf einmal und nicht eher bezahle, bis alle Subscriptionsgelder eingelaufen sind: so geschähe mir ein großer Gefallen, wenn Sie so gütig wären und den kleinen Subscriptionsrest ebenfalls b~ld berichtigten; und da ich von Ew . Hochedelgeb. Denkungsart gewiß hoffe, daß Sie kein Mißtrauen in mich setzen werden, so kann zu Ersparung der Zeit und Correspondenzkosten der ganze Betrag beikommender Nota, ohne daß Sie das Geringste z~ befürchten haben, auf einmal abgethan werden, wenn auch schon mein Packet einige Tage später in Ihre Hände kommen sollte . l6, 1

F. ries, Persem und Dörner betrieben Handelsgesellschaften in Wien und Hamburg .

73

In Erwartung einer baldigen geehrtesten Antwort beharre ich mit wahrer Hochachtung Ew . Hochedelgebohrnen ergebenster Diener C. P . E. Bach . Alle meine Sachen werden nach Verschiedenheit der Münzsorte verschieden bezahlt, folglich können Sie Ihre Preise setzen, wie Sie wollen, weil kein gewisser Preis festgesetzt ist.

57 AN]OHANN PHILIPP K!RNBERGER

HAMBURG,

16 .

DEZEMBER

1779

Original : verschollen Publikation : Bitter, Band II, S. 300

Hamburg, den 16 . December 79 . Liebwehrcester Freund, Ihr letztes Schreiben hat mich ungemein vergnüge. Besonders danke ich Ihnen für Ihr Lied n. i recht sehr. Ein wahres Meisterstück! Die Fugen in meinem Heilig allein) 7•2 , ohne Wiederholung, welche nicht seyn muß, muß nicht länger als 3 Minuten dauern . Bald werde ich mit der 2ten Sendung meiner Sachen herausrücken. Darf ich wohl wieder um ihre Güte ansprechen? Diese Sendung wird von der ersten ganz verschieden seyn. Für die Berichtigung der Pränumerations-Gelder danke ich ergebenst. Nebst vielen Complimenten beharre ich ohne Aufhören Ihr alter Freund Bach. A Monsieur Monsieur Kirn berger, Compositeur au Service de S. A. M. la Princesse Amelie Berlin .

74

) 7· 1

Siehe S. 75.

)7.i

Wq 217 . RISM B 120 .

Cavata. Nachricht vom Genie, eine ungemein wohl ausgeführte, und nach Wunsch gelungene Arie (s . Walt[h]er's Lexicon S. 150).

Ein Fuchs traf ei-nen

E - sel an,Herr E-sel! sprach er, Je-dermann hält

für

Sie für ein Ge - nie!

ei-nengro-ßen Mann!

n:im hub

re!



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doch nichts Närri-sches ge - than.

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ff

PP 75

58 AN ARTARIA HAMBURG ,

8.

FEBRUAR

1780

Original: A Wst

[Adresse] A Monsieur Monsieur Artaria et Compagnie, Marchand de Musique ä Wien.

[Eintrag Artaria) Bach Hamburg 8 Feb. 780

Hamburg, d. 8 Febr. 1780 Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Die 2te Samlung meiner Claviersonaten für Kenner und Liebhaber 58 ' 1 wird auf dem Julius in 2erley Schlüßeln gedruckt erscheinen. Der Pränumerations Preiß ist, in alten Louis d 'or a 5 rl., 1 rl. 16 gl. Das eilfte Exemplar gebe ich umsonst. Bis Johannis kan pränumerirt werden. Gegen Johannis erwarte ich Nachricht wegen der Liebhaber, damit die Nahmen wieder mit bey gedruckt können werden. Es steht also i11o Ew. Hochedelgeb. Belieben, ob, und wie viele Exemplare dieselben davon belieben. Ich beharre mit unwandelbarer Hochachtung Ew. Hochedelgebohrnen ergebenster Diener Bach.

58 1 • Clavier-Sonaten nebst einigen Rondos fürs Force-Piano für Kenner und Liebhaber, ... zweyte Sammlung. Leipzig : Autor 1780. Wq 56. RISM B 87.

76

59 59 1

AN ENGELBERT BENJAMIN SCHWICKERT · HAMBURG ,

10.

APRIL

1780

Original: CH Zz Publikation : Nohl, S. 68-69

[Adresse] A Monsieur Monsieur Schwickert Libraire tres renomm'e

(Eintrag Schwickert] 1780. 10 Ap. Bach m

Hamburg

a P occas .

Leipzig

Hamburg, d . 10 April 80 . Ew. Hochedelgeb . werden vermuthlich einen meiner Briefe verlegt haben, w0 . . . h 592 E nn ich von der ganzen Geschichte und dem Werthe memer Versuc e · rwehnung gethan habe . Damahls gab ich an 800 einzelne Theile an. Jezt kan ich mit Gewißheit sagen, daß ich vom ersten Theile noch 260 Exemplare, und vom 2ten 564 Exemplare besitze. In ~einem oben angeführten Briefe erwähnte ich, daß ich beyde Theile im Verkauf vereinzelne, daß jeder einzelne Theil nicht anders als für 3 rl . verkauft wird und daß der erste Theil allen /als, wer keine Harmonie studiren will, allein nützen kan, der zweyte aber, welches ich mit großem Fleiß gemacht habe, ohne den ersten nicht wohl verstanden werden kan, weil ich im zweyten Theile mich alle Augenblike bey nahe auf den ersten berufe, ohne weitere Wiederholung oder Erklährung. Sie wollen, ich soll fordern. Die Erschwerung unseres Handels verursacht unser verzweifelt schwer Geld, dafür wir hier lange nicht so viel kriegen können, als in Berlin, Leipzig pp. für leichtes Geld , u. welches Ursache ist, daß, wenn man einen Louisd 'or in der Tasche hat u. nach ausW" . artiger Art eine gute Börsche hat, solchen im Augenblik loß wird, ohne kaum zu wißen, wofür? Mein Handel überhaupt ~it meinen Werken gehet hauptsechlich nach Norden, nehml. Rußland Liefland, Curland, Schweden, Dänemark, Holstein, Hannover Mecklenburg u . Lauenburg u. Lübek und wird in schwehrem Gelde abgethan. Dem ohngeacht wollen Sie, ich soll fordern. Wohlan, l9,1

E ngelbert Benjamin Sehwicken, Leipziger Verleger, seit 1772 nachweisbar.

)9,2

wq 254. RISM B 143. 77

Sie geben mir für obige 824 einzelne Theile, mit den dazu gehörigen 27 Kupferplatten und den vorräthigen Kupferdrucken 180 Louisd'or, dies macht in schwehrem Gelde noch keinen Thaler, u . im leichten Gelde etwas über einen Thaler für einen Theil, oder für ein Buch welches ich im schwehren Geld für 3 Thaler verkaufe . Ich bin nicht in der Nothwendigkeit des Verkaufs so wenig, als Sie nöthig haben, es zu kaufen . Wir bleiben gute Freunde ich besonders Ihr ergebenster Bach . (Am linken Rand] Sollte aus unsrem Handel etwas werden, so verspreche ich Ihnen obenein noch beträchtliche Beyträge zu beyden Theilen, welche ich im Manuscripte habe u . einmahl druken zu laßen willens bin, zu geben . Die Kupferdrucke zum 2ten Theile sind mit 500 Stük übercomplet, diejenigen zum ersten Theile werden vor der Hand auf 50 complete Exemplare daseyn. Doch das ist eine Kleinigkeit. (Am oberen Rand] Bey der Auslieferung der Sachen, geschiehet die Zahlung auf einmahl. Für die 17 zu erwartende Sinfonien danke ich zum voraus bestens.

60 AN ENGELBERT BENJAMIN ScHWICKERT HAMBURG, 19 . MAI 1780 Original: verschollen Publikation : Wustmann, S. 2-3

Hamburg, d. 19 . May 80 . Hochedelge bohrner, Hochgeehrtester Herr, Zuvörderst danke ich Ew. Hochedelgeb. für die richtig an mich bezahlten 180 Louisd 'or, worüber ich Dero Herrn Bruder in optima forma quittirt habe, und für die erhaltenen 17 Sinfonien ergebenst . Ich habe vor dem Einpacken den Versuch alles Stückweise Dero Herrn Bruder zuzählen wollen: allein er verbat es und glaubte, daß ich als ein ehrlicher Mann das Specificirte liefern würde, und er hatte Recht . Mein Freund, Herr Herold 60 · 1 ist so gut gewesen und hat in Person nebst seinem Arbeits60 · 1 Johann

78

Heinrich Herold, Hamburger Verleger.

mann alles so gut als nur möglich selbst eingepackt. In zweien großen Ballen erhalten Ew. Hochedelgebohren sub No . 1 und 2 vom ersten Versuche 254 und vom 2ten 560 Texte, alle Kupferdrucke von beiden Theilen und alle Defeckte. In einer kleinen aber dauerhaften neuen Kiste liegen alle 27 Kupferplatten . Heute wird Dero Herr Bruder alles nebst einem Fracht Zettel abholen lassen . Ich wünsche eine gute Ablieferung und besonders gebe Ihnen Gott bei diesem Buche denselben Seegen, den ich gehabt habe!

:-

e n l.

n n

In Commission habe ich von allen meinen Verlagswerken niehmals an die Herrn Buchhändler gegeben, sondern ich habe allezeit auf baar Geld gegen einen billigen Rabbat gehandelt. In Berlin blos und in Gotha hatte ich einige Exemplare an ein Paar m~sickalische Freunde in Commission gegeben . Der Berliner hat schon vor dem Feste sein Quantum abgeliefert, und ist mit in den Ballen . Der Gotha'sche aber, welcher Cramer60 · 2 heißt und Cammermusikus ist, hat vom ersten Theile noch 3 Exemplare und vom zweiten Theile 4 Exemplare mit den dazu gehörigen Kupfern bey sich . Ich habe ihm geschrieben, daß er diese 7 Stück auf Ew. Hochedelgebohr. Ordre abliefern ohne weitere Zahlung soll. Vielleicht stehen Sie mit einem dordgen Buchhändler in Verbindung, wodurch diese Bücher ohne Kosten in Ihre Hände kommen können; vi.elleicht können sie dort bey einem Ihrer Herrn Collegen in Commission bleiben. Sie hierher transportiren zu lassen war die Zeit zu kurz. Was die Claviersonaten, die Sie in Ihren Verlag verlangen, betrifft, so bin ich nicht abgeneigt, Ihnen darin zu willfahren. Ich muß sie aber erst machen; denn fertig habe ich nichts, weil ich das vielleicht unverdiente Glück habe, daß, sobald ich etwas von der Art fertig habe und es Jemanden vorspiele, [es) sogleich Liebhaber findet . Was aber Ew. Hochedelgeb . von einem halben Duzend Sonaten im Handel obenein erwähnen, daß ist zu viel von mir verlangt. Bedenken Sie, was ich verdienen kann, Wenn ich selbst Verleger davon bin, und fragen Sie Herrn Breitkopfen, ob er mir für m. . eine 6 leichten Sonaten60 ·} nicht 150 Thaler anno 1766 gegeben habe . Indessen kommt Zeit, kommt Rath, und ich will christlich alsdann mit Ihnen verfahren. Meine Beiträge, die ich Ihnen noch schuldig bin, und die Sie von mir als einen ehrlichen Manen gewiß und bald kriegen sollen, sehe ich noch einmal genau durch, um solche, wo es nöthig ist, noch zu vermehren, und schicke sie Ihnen alsdann in einer deutlichen und saubern Copie zu . Jetzt haben Sie solche ohnedem noch nicht gleich nöthig, und mit der Zeit kriegen Sie gewiß etwas mehr überdachtes und vollkommeneres, als wenn ich meine Aufsätze gleich jetzt mitgeschickt hätte . Dies wäre nun alles, was ich sagen sollte und wollte, bloß muß ich noch hinzufügen , daß 1·ch mit · wahrer Hochachtung beharre Ew . Hochedelgeboren ergebenster Diener Bach . 60,2

Johann Thielemann (Tobias) Cramer (geb. 1713).

60,}

sechs leichte . . Clavier Sonaten . Leipzig : Bernhard Christoph Breitkopf & Sohn 1766 . Wq 53 . RISM

B 81 .

79

61 AN BöSE HAMBURG ,

2.

NOVEMBER

1780

Original: Privatbesitz

Ew. Hochedelgebohren erhalten hierbey Ihr Exemplar Sonaten 6 1• 1 • Ich wünsche, daß sie Ihnen gefallen mögen, und ich beharre mit wahrer Freundschaft Ew. Hochedelgeb . ergebenster Bach. Hamburg, d. 2 Nov. 80 An den Herrn Böse, Organisten in Otterndorf Nebst einem Päckchen Musik Sig. M.B.

62 AN KARL WILHELM RAMLER HAMBURG,

20.

NOVEMBER

1780

Original: GB Lbm Publikation: Wilhelm, S. 256-257

Hamburg, d. 20 Nov. 80. Bester Freund So schön Ihre eingesandte Arie62 •1 ist, so wünschte ich doch, daß sie im ersten Theile gleich mit einem zärtlichen Adagio anfienge, bey dem ich mich, wie bey allen ersten Theilen einer Arie, ausdehnen könnte.

61 1 •

Wq 56 . RISM B 87.

62 1 •

Wq 240 . RISM B 115.

80

Der andere und kürzere Theil kan aus den 3 lezten Zeilen bestehen, und damit wird die Arie, ohne da Capo geschloßen. Wenn ich Ihr Fiat! bekommen kan, so bin ich sehr zufrieden. Z.E. Wenn die Arie mit den Worten: Wie bang bis Lied geweint den ersten Theil ausmacht, und die 3 lezten Zeilen mit den Worten: Heil mir! bis Gram sich auf, die Arie ohne da Capo schließen. Von dieser Art Arie haben wir in der ganzen Cantate noch keine: hingegen sind 4 Arien in diesem Stüke, wovon der erste Theil munter, u. der 2te Theil langsamer ist. Die Aenderungen im Recitative sind bereits geschehen u. ich erwarte von Ihrer Güte ein baldiges fiat! oder was dem ähnlich ist. Ich umarme Sie und bin Ihr alter treuer Fr[ eund J u. D[ iene ]r Bach. [Am Rand] Weil ich nicht weiß, ob Sie Ihren Aufsatz noch haben, so schicke ich ihn wieder mit. erbitte ihn aber wieder. beykommenden Brief werden Sie gütigst bald dem Herrn W ever62 ·2 zustellen !aßen.

62 2 "

Arnold Wever, Berliner Buchhändler.

81

63 AN]OHANN FRJEDRICH BAUSE

63 1 ·

HAMBURG , 1. MAI 1781

Original : Privatbesitz

Hamburg, d.

1

May

81.

Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Sie haben mir mit Ihrer unvergleichlichen Magdalene 63 ' 2 ein sehr angenehmes und großes Präsent gemacht. Die Väterliche Zärtlichkeit sagt weiter nichts, als: Gott erhalte Sie u . belohne Sie dafür! Was kann ich Ihnen aber wieder anbieten? Befehlen Sie über mich. Ich nehme die Hochachtung mit ins Grab, mit welcher ich zu beharren die Ehre habe Ew. Hochedelgeb. ergebenster Diener Bach .

63, t Johann Friedrich Bause (3. Januar 1738 Halle/ Saale bis 5. Januar 1814 Weimar) war Kupferstecher in Leipzig . Suchalla überträgt imümlich Nansen (S. 138). 63· 2

chen.

82

„Die busfertige Maria Magdalena" wurde von Bachs Sohn Hans gezeichnet und von Bause gesto·

64 AN ARTARIA HAMBURG, 27. SEPTEMBER 1781 Original: A Wst Hamburg, d . 27 Sept. 1781 Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr Ew. Hochedelgeb werden in einigen Tagen die subscribirten 12 Exemplare meiner dritten Samlung der Sonaten für Kenner und Liebhaber64 · 1 durch Hr. Breitkopfen erhalten. Ich überlaße Ihnen solche nach dem Ihnen zukommenden Rabbat für 18 rl . 8 gl. in Louis d 'or a 5 rl. Ich beharre mit wahrer Hochachtung Ew . Hochedelgeb ergebenster Diener Bach . Es wird wohl das Beste seyn, das obige Geld gelegentlich durch Anweisung an ein hiesiges Comtoir zu berichtigen. [Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter] An die Herren Artaria und Compagnie berühmten Musikhändlern 10

Wien [Eintrag Artaria J Bach 1781 Hamburg 27 . 7bre 7. 8bre 5. 9bre

An den Herrn Artaria Musikhandler 10

Wien

64 1 · Clavier-Sonaten nebst einigen Rondos fürs Force-Piano für Kenner und Liebhaber ·· · dritte Samm-

lung . Leipzig: Autor 1781. Wq 57. RISM 688.120

83

65 AN KARL WILHELM RAMLER HAMBURG, 5. D EZEMBER 1781

Original : D-ddr Weimar, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten

[Adresse , geschrieben von Frau oder Tochter] An den Herrn Professor Ramler 10

Berlin franco Hamburg, d. 5 Dec. 81 Ich bedaure Sie herzlich, liebster Herr Profeßor, wegen des Verlustes Ihres braven Generals. Herr Lehmann 6 ), I hat abermahl durch Herrn Chotowieki6 ).z um unsere Cantate6u angesuchet . Ich werde sie nicht leicht wieder aufführen. Zum Druck ist sie etwas kostbar. Sie ist unter allen meinen Singstücken im Ausdruck und in der Arbeit vorzüglich . Es wäre Schade, wenn sie bey Ihrer schönen Poesie beständig bey mir verschloßen bleiben und nicht gehört werden sollte . Herr Lehmann kan damit machen, was er gut findet, wenn er mir 100 Dukaten dafür giebt. Durch Ihre Veränderungen in den Worten ist meine Partitur etwas unleserlicher geworden, als sie vorher war. Folglich will ich, wenn wir eins werden , eine saubere und ganz correkte Copie der Partitur besorgen, und zwar unter meinen Augen in meinem Hause . Diese Partitur ist 44 ziemlich volle Bogen stark und es ist nicht unbillig, wenn Herr Lehmann wegen meiner Durchsicht und Mühe, über obige 100 Dukaten, noch 2 zu legt. Ich erwarte Ihre gütige Antwort hierüber bald . Die Bezahlung geschieht bey meiner Auslieferung hier. Ich beharre, wie allezeit , Ihr wahrer Freund u . ergebenster Diener Bach . 6 l, I

J .G .G . Lehmann war Organist und Musikdirektor an St. Nicolai in Berlin .

6l.Z

Daniel Nikolaus Chodowiecki ( 1726 Danzig bis 1801 Berlin) war ein bedeutender Kupferstecher

und III ustrator. 6 U Wahrscheinlich Wq 240 . RISM B 115 . 120

84

[Am Rand] Ich bin gar nicht in Verlegenheit, wenn auch aus unsrem Handel nichts wird; folglich erwarte ich von Ihrer Güte eine ungeschminkte Antwort.

66 AN BARON DIETRICH HAMBURG ,

Ew ALD voN

GRorrHuss

1781

Original: Mitau, Kurländisches Provinzialmuseum Publikation : Rigaische Rundschau, Nr. 41, 19. Februar 1929

67 AN DEN SYNDIKUS F ABER HAMBURG, FASTENZEIT

1782

Original: D-brd Ha Publikation: Miesner I Bach, S. 120-121

[Vermerk] NB . Empf.: 1782. gegen die Fastenzeit. Magnifice, Wohlgebohrner, Hochgelahrter Herr, Da Ew. Magnificence Unpäßlichkeit mich der Ehre beraubt, meine persönliche Aufwartung machen zu können, und mein Anliegen keinen Aufschub vertragen kann: so nehme ich mir die Freyheit, an Dieselben mich schriftlich zu wenden. So lange ich in Hamburg bin, habe ich, kraft eines mit dem Herrn Piscator67 •1 getroffenen Vergleichs, vierzig Thaler für die Passion jährlich empfangen, 0 hne daß derselbe sich jemals dieser Bezahlung ge-

67 1 ' Johann

Georg Piscator, Hamburgischer Ratsbuchdrucker.

85

weigert hätte . Jetzt , da der Herr Meyn 67 •2 die Rathsbuchdruckerstelle angetreten hat, fällt es demselben ein , mir dieses Quantum unter dem Vorwande zu verweigern , als ob sein Gewinn dadurch zu sehr eingeschränkt wäre . Er will mir weniger bieten, und beruft sich auf Ew . Magnificene zu hoffende Unterstützung . Unmöglich kann ich es glauben, daß dieselben es für nothwendig erachten sollten, daß der größere Theil des Nutzens auf den geringsten und unedelsten Theil der Arbeit fallen müßte, zumahlen da mich Abrede und Besitz in meinem Verlangen unterstützen . Indessen setzt mich auch schon die fortdauernde stillschweigende Unthätigkeit des Rathsbuchdruckers in Verlegenheit. Der Druck der Texte ist darüber liegen geblieben, ohnerachtet die höchste Zeit vor der Thür ist, und ich ohne Texte keine Passion aufführen kann , sondern zu andern Kirchenstücken meine Zuflucht würde nehmen müssen. Bey dieser besorglichen Verwirrung hat der Herr Senator Wagener67 •3 mir den gütigen Rath ertheilt, an Ew. Magnificence meine Vorstellung directe zu überreichen, und der zuversichtlichen Hoffnung zu leben, daß Dieselben meine Rechte patrociniren würden , und den Herrn Meyn zum baldigen Drucke der Texte und zur Abtragung des gewöhnlichen Honorarii an mich, einweisen würden. lch~habe diesen Weg auch um so lieber einschlagen wollen, da derselbe mit dem unbegränzten Vertrauen und der respectuesesten Achtung übereinstimmt, in welchem ich jederzeit beharren werde Ew. Magnificence gehorsamster Diener C.P .E. Bach .

67 · 2

Carl Wilhelm Meyn .

67 •3 Franz Anton Wagener , geboren am 31.Januar 1715 wurde am 4. November 1754 hamburgischer Senator, war später Bürgermeister der Hansestadt.

86

Ratsbuchdrucker Meyn reichte folgendes Schreiben ein: P.M. Den einzelnen Verkauf der Paßions-Musik-Texte hat das BuchbinderAmt gänzlich allein, und bezahlt für jedes Ries 40 Mk . Seit einigen Jahren ist der Absatz davon nie über 4 Ries gekommen , welches 160 Mk beträgt, wovon die Altermänner des Buchbinder-Amts noch 6 -- pr. Ries Courcage abziehen , und alles, was unverkauft liegen bleibt, wieder einliefern. Die baare Auslage an Druckkosten und Papier beträgt 50 Mk 120 Mk Herr Bach hat bisher jedesmal in grob Couranc empfangen welche Summa gleich bey Auslieferung des Manuscripts baar bezahlt werden muß ; nachher werden ihm noch unentgeltlich 100 Exemplare geliefert, betragen 8 Mk baare Auslage 178 Mk Für E. Hochweisen Rath, Ehrbaren Oberalten u.s .w. werden 258 Exemplare auf Schreibpapier gedruckt, wofür der Löbl. Kämmerey in Rechnung gebracht wird 36 Mk das Buchbinder-Amt bezahlt allemal erst nach Ostern, 154 Mk in der schlechtesten Münz-Sorte, etwa 190 Mk der ohngefehre Ueberschuß ist also 12 Mk . Dafür soll der Raths-Buchdrucker ein Vierteljahr lang einen Vorschuß von 178 Mk thun, und dann auch für seine Arbeit und Aufwartung sich daraus bezahlt machen . - Wenn Herr Bach nun statt 120, künftig 100 Mk kriegte, welches doch gewiß nicht unbillig ist; so würden etwa 30 Mk übrig bleiben für des Raths-Buchdruckers Ancheil an dieser Arbeit . d . 24Jan . 1782 . Carl Wilhelm Meyn. [Der Streit endete damit, daß Meyn doch 40 Rthl. an Bach zahlte (siehe pro Memoria des Syndikus Faber vom 20. Januar 1783 ). ]

87

68 AN ARTARIA HAMBURG,

15 .

OKTOBER

1782

Original: A Wst Publikation: Nohl, S. 69

Hamburg, d . 15 Oct . 82. Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Ich nehme mir abermahls die Freyheit, Ew. Hochedelgeb. bey meiner 4ten Sammlung68 · 1 um Ihren gütigen Beystand zu ersuchen. Diese Samlung unterscheidet sich von den übrigen merklich . Sie ist !eich ter, süßer und stärker, weil sie 7 Stücke enthält. Darf ich bitten, den inliegenden Brief an den Herrn Baron68 · 2 baldigst abgehen zu lassen? Ich beharre mit vollkommener Hochachtung Ew. Hochedelgeb. ergebenster Diener Bach . H. Artaria

68 1 ·

Wq 58. RISM B 90.

68 2 ·

van Swieten.

88

69 AN ANNA AMAUA VON PREUSSEN

HAMBURG, 5. MÄRZ 1783

D-ddr Bs Original : Publikation: Bitter, S. 203

Hochwürdigst - Durchlauchtigste Prinzeßinn, Gnädigste Fürstinn, Abbatißinn und Frau, Ew . Königliche Hoheit erlauben gnädigst, höchstdenenselben beykommende Arbeiten von mir zu Füßen legen zu dürfen . Das fugirte Chor69 •1 hatte ich zwar über andere Worte schon vor vielen Jahren gemacht; da ich aber nachher gesehen habe, daß beyde Themata besonders willig sind, viele concrapunctische Künste ohne Zwang anzunehmen: so habe ich es ganz umgearbeitet, damit es würdig werden möge, Ew. Königlichen Hoheit, als einer so großen Meisterion unserer Kunst vorgelegt zu werden von höchst dero ins 70ste Jahr tretenden Capellmeister. Im bey gefügten Chorale69 •2 ist zwar nichts künstliches , ich habe aber der Worte wegen auf eine harmonische Einkleidung gedacht, welche ohngeacht ihrer Dreustigkeit keine üble Würkung macht. Die Melodie wird in lauter leichten Intervallen von der Harmonie durch dunkle und rauhe Pfade geleitet, und sie folgt kindlich. Ich ersterbe in tiefster Ehrfurcht Ew . Königlichen Hoheit uncerthänigster Knecht Bach . Hamburg , d. 5 März 1783 .

. . veran .. dert . · Der Chor gehört zum Magnificat . Bach hat ihn f ür d.1e Pnnzessm

69 i

69 2 '

Choral : Leite mich , Wq 227.

89

70 AN ARTARIA HAMBURG, 2. MAI

1783

Original: US PHhs

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter) Den Herren Arcaria und Compagnie Musikhändlern in Wien Herren Herren Arcaria Compag Wienn

[Eintrag Arcaria] Bach - 1783 2. May Hamburg empfang. 16 . " 28 . beantw . -

Hochedelgebohrner, Hochgeehrcester Herr, Im October vorigen Jahres nahm ich mir die Ehre eine gedruckte Ankündigung der 4ten Samlung meiner Sonaten für Kenner und Liebhaber 70 · 1 Ew . Hochedelgeb . zu übersenden : Da ich nun in der Nothwendigkeit stehe, zu wißen, ob ich Ihren wehrten Nahmen unter meine Pränumeranten Liste, und mit wie vielen Exemplaren soll mit drucken )aßen : so ersuche ich Ihre Güte, mir baldigst Nachricht davon zu geben. Der Preiß ist wie der Vorige u. die Sonaten kommen auf Johannis heraus . Ich beharre mit aller Hochachtung Ew. Hochedelgeb . ergebenster Diener C.P .E. Bach. Hamburg, d .2 May 83 .

70 · 1 Clavier-Sonaren und freye Fantasien nebst einigen Rondos fürs Force-Piano für Kenner und Liebhaber „. vierte Sammlung. Leipzig : Autor 1783. Wq 58 . RISM B 90 .

90

71 71 1

AN]OHANN GOTTLOB IMMANUEL BREITKOPF ' HAMBURG ,

26 . Juu 1783

Original: US Bp

ay

Hamburg, den 26 Jul. 83 Liebwehrtester Freund, Noch belieben Sie 6 Exemplare, nehmlich 5 Viol. u. 1 Cl. an H. Artaria nach Wien zu spediren. H. Westpha!7 1•2 schickt Ihnen mit heutiger Post ein Paket für H. Artaria, und bittet solches nicht eher abzuschicken, als bis meine Sachen mit beygepakt werden können. An Hr. Heringen 71 ·3 belieben Sie, außerjenen angezeigten Exemplaren, noch 12 ditos alle im Clav. Zeichen, mit zu schicken. In 8 Tagen belieben Sie mir eine Anweisung zu schicken, um Ihnen 60 rl. vor der Hand auszahlen zu können . Ich bin, wie alle Zeit, der Ihrige Bach.

71 1 •

Ohne Adresse , dem Inhalt nach an Breitkopf.

71 2 ' Johann

Christoph Westphal d .Ä. (21. März 1727? bis 29. März 1797 Harnburg) war Musikverleger in

der Hansestadt. 71 3 • Johann

Friedrich Hering, Musiker in Berlin .

91

72 STAMMBUCHEINTRAGUNG HAMBURG,

2.

AUGUST

1783

Original: A Wn Publikation : Schmid/Bach , S. 82

Geliert. 72 ' 1 Wie selig lebt ein Mann, der seine Pflichten kennt, Und seine Pflicht zu thun , aus Menschenliebe brennt!

73 AN? HAMBURG,

27.

OKTOBER

1783

Original : US NYp

Hamburg, d. 27 Oct. 83 Liebwehrtester Freund, Die verlangte Arie folgt hierbey. Die Abschrift ist nicht des Wiederbezahlens wehrt. Vor 12 Jahren machte ich diese Arie, da ein Predigers Sohn in seines Vaters Amt eingeführt wurde. Der Text war damahls so, wie ich ihn unter den Baß geschrieben habe, und veranlaßte die wenigen, auch von mir in der Singstimme angemerckten Veränderungen. Die Einleitung zu dieser Arie finden Sie auf dem beygelegten Blätgen. Sie können nun wählen. Von Singsachen habe ich nicht gar viel gemacht aus Ursachen, die ich Ihnen hier sagte . Nur bitte ich sehr, von dieser meiner Erklährung keinen öfentlichen Gebrauch zu machen. Es läßt sich hier nichts ändern u . ich kriege noch mehr Feinde . Transeant haec! Von meinen Claviersachen sind schon sehr viele

72 1 •

Christian Fürchtegott Geliert (4. Juli 1715 Hainichen bis 13. Dezember 1769 Leipzig) war seit 1744 Privatdozent in Leipzig . Er arbeitete an den „Bremischen Beyträgen ".

92

gedruckt und werden vielleicht noch mehrere gedruckt . Ich habe die Ehre mit wahrer Hochachtung zu beharren Ihr aufrichtig ergebenster Bach .

74 AN ARTARJA HAMBURG,

27.

NOVEMBER

1783

Original: A Wst Publikation: Nohl 2, S. 70

Hamburg, d. 27 Nov . 83. Hochgeehrteste Herren, Da Klopstock in Wien geliebt wird, so übersende ich Ihnen beykommende Ankündigung eines neuen 'Werkes74 · 1, welches zugleich ein Sing- und Clavierstück ist. Ich erwarte zur rechten Zeit Ihren ferneren Befehl und beharre mit wahrer Hochachtung Dero ergebenster Diener Bach. H . Artaria

74 1 '

Klopstocks Morgengesang am Schöpfungsfest . Leipzig: Autor 1784 . Wq 239 . RISM 112.

93

75 AN]OHANN GOITLOB IMMANUEL BREJTKOPF HAMBURG, 27 . DEZEMBER 1783

Original: Privatbesitz Publikation: Moldenhauer, S. 413

Liebverehrtester Freund, Prosit das neue Jahr! Die vielen Feyertage sind schuld, daß ich etwas spät antworte. Sie haben recht, da Sie mir 5 Taler 8 Groschen gut geschrieben haben . Ich hatte mich geirrt. Ich bitte, Herrn Ahlfeldern .i mit seinem Briefe 5 Taler zu zahlen; die 20 Groschen Porto habe ich angewendet; folglich bleibe ich Ihnen in allem 12 Groschen schuldig. Wegen des Morgengesangesn.z halte ich Sie bey Ihrem Worte „ . Mich wundert, daß mir Herr Ross [Rost]7U nicht antwortet. Ich werde mit Ihrer Erlaubniß diesen Herrn bitten, daß er das Geld für mein 14tes Exemplaar, zur Erspahrung des Porto Ihnen geben möge . Doch hoffentlich haben Sie nichts dawieder; folglich belieben Sie ihm nur beykommenden Brief zuzuschicken, und das Geld, wenn ers zahlt, anzunehmen . Ich bin, wie allezeit, Ihr aufrichter Fr[ eund] und D( iene ]r Bach

7), l Ernst Friedrich Ahlefeld ( 1752 Gadebusch bis 23 . Mai 1787 Leipzig) war Siege Hackfabrikant in Leipzig. Er heiratete am 25 . November 1777 Augusta Magdalena Altnikol.

n.z

Wq 239 . RISM B 112 .

7u Karl Christian Heinrich Rost, Kaufmann und Eigentümer einer berühmten Kunsthandlung in Leipzig. Er unterhielt ein Auslieferungsbüro der Firmen Andre in Offenbach und Burchard Hummel in Haag . Für Bach übermittelte er Gelder nach Leipzig . Er selbst pränumeriecte Bachsehe Werke.

94

76 76 1

AN]OHANN HEINRICH GRAVE •

HAMBURG,

28 .

APRIL

1784

verschollen, Copie von Carl Friedrich Zelter in D-ddr Weimar, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten Publikation: Bitter, S. 303

Original:

Hamburg, den 28 . April 84. Beßter Freund . Für die gütigst eingeschickten 6 L' dor. danke ich Ihnen ergebenst; daß Sie aber für sich selbst pränumeriren, ist mir nicht lieb, weil ich sehr gern meinen Freunden, wenn sie auch noch so wenig sammeln, ein Exemplar gebe. Da die Zurückgabe sehr umständlich ist, so bleibt für mich nichts als mein wärmster Dank übrig und die Hofnung zugleich in ferneren Fällen, wenn ich darf meine Gewohnheit beyzubehalten. Breitkopf kann vor Johannis den Morgengesang 76 •2 nicht liefern. Ich habe es in der Zeitung bekannt gemacht . Sie werden doch nicht ungehalten sein, daß ich Ihnen jetzt 3 Concerte, 1 Sonatine und 1 Trio hierbey überschicke, ohne den Morgengesang abzuwarten? Im Porto würde der Unterschied zwischen 2 Paketen und einem starken glaube ich nicht groß seyn . Sie haben einen sehr guten musikal. Magen, deßwegen erhalten Sie hiebey starke Speise. Das Concert C-mol 76 •3 war vor diesem eines meiner Paradörs. Das Rezit. ist so ausgesetzt, wie ich es ohngefähr gespielt habe . Das Trio hat mir mehrmals bey Hofe der alte Franz Benda76 .4 unnachahmlich accompagnirt. Ich erinnere mich noch hieran mit Vergnügen. Alle ) Stücke belieben Sie für sich zu behalten . Ich bin krank an Podagra und kann nur noch sagen, daß ich lebe und sterbe Der Ihrige Bach. Jüngst schrieb mir Jemand, daß es etwas besonderes sey, nicht allein mein Zuname, sondern auch die Anfangsbuchstaben meines Vornamens (all'Italiano) C.F.E. wären musikalisch. Hierauf antwortete ich.

76 1 ' Johann

Heinrich Grave war Advokat in Greifswald .

76 2 '

Wq 239 . RISM B 112 .

76 3 '

Das vierte Konzert aus den Sei concerti per il cembalo concertato .. . Wq 43 . RISM B 53.

76 4 '

Franz Benda (getauft 22 . November 1709 Alt-Benatky/Böhmen , gestorben 7. März 1786 Potsdam-

Nowawes) war seit 1771 Konzertmeister in Berlin .

95

NB . Die x bezeichnen den Zunamen.

In einem Concerte ein Rondeau anzubringen habe ich noch nicht versucht .

77 AN ARTARIA HAMBURG,

19. Juu 1784

Original: A Wst Publikation : Nohl 2, S. 70-71

Hamburg, d. 19 Julius 84. Hochedelgebohrner, Hochgeehrcester Herr , Ew. Hochedelgeb . werden von Herr Breitkopfen 13 Exemplare von Klopstocks Morgengesang 77 · ' erhalten. 12 Stück haben Sie gütigst verlangt: Sie bezahlen aber nur 11 Stück mit 18 rl. 8 gl. in Convention-Gelde . Das 13te Stück belieben Sie an den Herrn ReichsHofrath Baron von Braun 77 •2 zu senden,

96

77 1 •

Wq 239 . RISM B 112 .

77 · 2

HofratJohann Gottlieb von Braun starb am 11. März 1788 in Wien .

ohne die geringste Bezahlung dafür zu nehmen . Den inliegenden Brief an den Herrn Sohn dieses Herrn 77 · 3 bitte ohnbeschwehrt gütigst abgeben zu !aßen. Wenn Ew . Hochedelgeb . von beykommender Anzeige etwas ordonniren wollen , so werden Sie mich besonders verbinden. Ich beharre mit wahrer Hochachtung Ew . Hochedelgeb . ergebenster Bach . [Am linken Rand] Die erwähnten 18 rl. 8 gl. für die 11 Exemplare belieben Sie nur dem Herrn Breitkopf auszahlen zu !aßen.

78 AN ARTARJA HAMBURG. 31. Juu 1784 Original : Privatbesitz

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter) An die Herren Artaria und Compagnie, berühmte Musikhändler in Wien

[Eintrag Artaria J Bach 1784 Hamburg 31July. resp. 21 - - -

Hamburg, d . 31 Julii 84 . Hochgeehrteste Herren, Gleich jezt erhalte ich Ihr geehnestes Schreiben, u . heute noch schicke ich H . Breitkopfen die von Ihnen verlangten Sachen, von da Sie solche entweder vorher, oder 77 3 · · K omponist . un d · Peter von Braun (1758-1819) war Truchseß, Reichshofrat, Ho fb an k'1er, p 1an1st, Pächter der beiden Hoftheater in Wien. Er uug den Titel eines k.k. Hoftheater-Vizedirektors vom 1. August 1794 bis 25 . Oktober 1806 . Ihm ist die Erstausgabe von Mozarts B-Dur-Serenade, KV 361, die 1803 in Wien erschien , gewidmet.

97

mit den 12 Exempl. Morgengesang 78 ' 1 zugleich erhalten können. Da ich Ihnen an diesen 12 Exemplaren Eins erlaße, so beträgt die Zahlung für 11 Stück in Louisdor a 5 rl. 18 rl. 8 gl. Die übrigen Sachen erhalten Sie für den Pränumerations Preiß, nehmlich die 2 Sonaten , 2te Samlung78 •2 3 rl. 8gl. 6 rl. 16gl. die 4 Sonaten, 3te Samlung78 •3 2 rl. die 6 kleine Clavierstücke78 •4 Summa 30 rl. 8gl. Diese Summa belieben Sie nur dem Herrn Breitkopf zu bezahlen. Eine Clavierschule habe ich nie geschrieben . Ich beharre mit aller Hochachtung deroselben ergebenster Bach . Eine Anleitung unter dem Titel: Versuch über die wahre Art das Clayier zu spielen in 2 Theilen hat mir H . Schwickert in Leipzig schon vor einigen Jahren abgekauft . [Am Rand] Meine meisten Verlagsclaviersachen sind im Violin- und Clavierschlüßel zugleich gedruckt zu haben . Gegenwärtig habe ich alles im Violinschlüßel gepakt, weil er in Wien gewöhnlich ist. Den ganzen Verlag und die Platten von den kleinen Clavierstücken habe ich an mich gekauft .

78 1 •

Wq 239 . RISM B 112 .

78 2 ·

Wq 56 . RISM B 87 .

78 3 •

Wq 57 . RISM B 88 .

78

98

.4 Wahrscheinlich Wq 113 und 114 . RISM B 101 und 103 .

79 AN ARTARIA HAMBURG,

18 .

AUGUST

1784

Original : A Wst

[Eintrag Artaria] Bach 1784 Hamburg d . 18 Aug . Hamburg, d . 18 Aug . 1784. Hochgeehrtester Herr, Aus meinem lezten Schreiben werden Sie ersehen haben , daß nun gewiß in wenigen Tagen die 12 Ex. des Morgengesangs79·1 nebst den verlangten Musicalien, di.e ich H . Breitkopfen zugeschickt habe, von Leipzig abgehen werden. Meine Rechnung beträgt zusammen 30 rl. oder 6 Louisd'or, welche Sie gelegentlich unmittelbar hieher an mich, u . nicht , wie ich vorher wollte, an H . Breitkopfen zu zahlen belieben werden, durch eine Anweisung an ein hiesiges Handlungshaus . Das 13te Exemplar bekommt der Herr Baron von Braun . Ich beharre mit aller Hochachtung Ew . Hochedelgeb . ergebenster Bach . Heute habe ich die völlige Correctur vom Morgengesange nach Leipzig geschickt.

79

1

' Wq 239 . RISM B 112 .

99

80 AN]OHANN CHRISTOPH KüHNAU HAMBURG,

31.

AUGUST

80 1 ·

1784

Original : verschollen Publikation : Chrysander, S. 186-187 La Mara, S. 208-209 Schmid/Bach, S. 81 (auszugsweise)

Hamburg, d . 31. Aug . 84 . Liebwehrcester Freund, Sie haben mir mit Ihrer Partitur ein sehr angenehmes Geschenke gemacht. Ich danke Ihnen dafür aufs verbindlichste und versichere Sie von meiner wahren Hochachtung und Freundschaft. Sie haben Sich in Ihrem Stücke als ein fleißiger Setzer gezeiget u., was das Vornehmste ist, Sie haben an der Klinge gefochten. Dieses thun heute zu Tage leider wenige . Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen, aus wahrem guten Herzen, eine Lehre für künftig geben darf. Bey Sachen, die zum Druck, also für Jedermann, bestimmt sind, seyn Sie weniger künstlich und geben mehr Zucker. Ein reiner Satz, den Sie haben, ist hinlänglich. Man muß denen Ignoranten ihr falsches Vorunheil nehmen, indem sie glauben, der regelmäßige Satz hindere das Angenehme. In Sachen, die nicht sollen gedruckt werden, lassen Sie Ihrem Fleiße den vollkommenen Lauf. Für eine vortheilhafte Recension werde ich sorgen . Hierbey erhalten Sie Ihre Ankündigung nebst der Nota. Sie bezahlen in Preuß. courent blos für 6 Morgengesänge80 · 2 , die sie mit dem 7«n nun vielleicht haben werden, ... [unleserlich) Thlr., für das erste avertissement nehme ich nichts, für das beykommende belieben Sie 5 Mark 4 Schillinge, (in Preuß. Gelde 2 Thlr. 5 Gr . 6 Pf.) gelegentlich zu zahlen . Ich beharre in der That Ihr alter redlicher Freund und Diener Bach . Nochmals empfehle ich Ihrer Güte meine Ramlersche Cantate80 ·3 • Hr. Westphal hat

80 • 1 Johann Christoph Kühnau (10. Februar 1735 Volksstedt bei Eisleben bis 13 . Oktober 1805 Berlin) war 1763 Lehrer an der königlichen Realschule in Berlin, seit 1788 Kantor an der Drcifaltigkcitskirche in Berlin. 80 2 ·

Wq 239 . RISM B 112 .

80 3 ·

Wq 240 . RlSM B 115 .

100

Ihre Anweisung mir nicht bezahlt. Er glaubt, daß Sie nun von Hrn . Bachmann 80 .4 u . noch einem andern Musiker durch seine Anweisung bezahlt seyn werden. Das Beßte wird wohl seyn , wenn Sie diese 1 . . Thlr . . . Gr . 6 Pf. [abgerissen wohl : 13 Thlr. 5 Gr. 6 Pf.] an einen hiesigen Kaufmann adressiren. [Von anderer Hand bemerkt] An den Cantor u. Organist Kühnau in Berlin, nach Uebersendung der Partitur seines W eltgerichts 80 ·). [Von Kühnau :] Ich bin Hrn . Bachen alle schuldig 13 Thlr. 5 Gr. 6 Pf. Preuß. Geld.

81 AN ARTARIA HAMBURG,

3.

SEPTEMBER

1784

Original : A Wst

Hamburg, d. 3 Sept. 84 . Hochschätz barer Herr, Ew . Hochedelgebohren beliebten, die Summa von 30 rl. 8 gl. durch Herr Westphalen an mich zahlen zu laßen : da aber dieser sehr würdige Mann jezt nicht im Stande ist, mir dieses Geld unter 4 Wochen auszuzahlen, und ich zu einer nothwendigen Zahlung jezt dieses Geld brauche : so bitte ich dieselben höflich, die Güte für mich zu haben und mir diese Summa je eher je lieber durch ein hiesiges Comtoir anweisen und auszahlen zu laßen . Es geschieht dieses mit H. Westphals Genehmigung . Von den H. Barons von Swieten

80 4 · Karl Ludwig Bachmann (gestorben 26 . Mai 1809 Berlin) . Er war Bratschist an der Berliner königlichen Kapelle , in die er um 1765 eintrat . 1770 gründete er mit Benda die Liebhaberkonzerte . 80

·)

Das Weltgericht . Ein Singstück, in Musik gesetzt und als Klavierauszug herausgegeben . Berlin: Ver-

fasser , C.F. Stahlbaum 1784. RISM K 2945 .

101

und von Braun werde ich allezeit auch auf diese Art berechtiget . Ich beharre mit vollkommener Hochachtung Ew . Hochedelgeb . ergebenster Bach . [Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter] An die Herren Artaria und Compagnie, berühmten Musikhändler 10

Wien .

82 AN JOHANN JOACHIM ESCHENBURG HAMBURG, 2. OKTOBER 1784

D-brd W Original : Publikation: Nohl 2, S. XLV-XLVI

Liebster Herr Profeßor, Mein Morgengesang82 •1 ist hier . Ich werde die Ehre haben, Ihnen mit einem Exemplare ein schlechtes Geschenk zu machen . Befehlen Sie außerdem für sich gemeldete Liebhaber mehrere, so stehen sie zu Diensten für den Pränumerationspreiß, nehmlich 1 rl. 16 gl. convemionsmünze fürs Stük. Beykommenden freundschaftlichen Aufsatz von Leistern wenn Sie ihn noch nicht haben, empfehle ich gleichfalls Ihrer Güte . Nun erlauben Sie gütigst, daß ich Sie an Ihr Versprechen erinnern darf. Unsre künftige Paßion ist aus dem Matthäus genommen . Nach den Worten : das Fleisch ist schwach, im 26 Cap . im 4lsten Vers wünschte ich mir eine Arie . Ingleichen nach den Worten : die Schnften der Propheten .

82 1 •

102

Wq 239. RISM B 112.

[Eintrag Artaria] Bach Hamburg 3 7brc 1784

13 -

Cap. 26, V.56. Ferner nach den Worten: der Landpfleger sehr verwunderte . Cap. 23, V.14 . Und endlich nach den Worten : daß sie ih~ creuzigten. Cap . 27, V.31. Diese 4 Arien erwarte ich von Ihrer Güte. Vor Zweyen dieser Arien es seyn, welche es wollen, bäte ich noch, wenn ich dürfte, eine kurze Einleitung durch ein Accompagnement. Ich bitte lOOOmahl um Vergebung u . beharre nebst vielen Empfehlungen mit wahrer Hochachtung u . Liebe Ihr treuer Freund und Diener Bach . Hamburg, d . 2 Oct. 84 [Am Rand] Könnten Sie mir wohl für Geld u . gute Worte das in Kupfer gestochene Portrait von seel Herrn Profeßor Zacharia82 •2 , Ihren [Blatt eingerissen] verschaffen?

83 AN JOHANN GomoB IMMANUEL BREITKOPF HAMBURG, 6. NOVEMBER 1784

D-brd DS Original : Publikation : Suchalla, Nr. 166

Suchalla datiert den Brief irrtümlich mit 1786. Auf der Adresse steht aber 1784! Auch der Inhalt paßt zu 1784. Rhaus Porträt verlangt Bach am 9. Oktober 1784 .

82 2 ' Juscus

Friedrich Wilhelm Zachariä (1. Mai 1726 Frankenhausen bis 30 . Januar 1777 Braunschweig) war seit 1748 Lehrer am Carolinum in Braunschweig, seit 1761 Professor der schönen Wissenschaften .

103

84 AN]OHANN CHRISTOPH KüHNAU

HAMBURG.

23.

NOVEMBER

1784

Original: verschollen Publikation: Chrysander, S. 187 La Mara, S. 210

Hamburg, d. 23. Nov. 84. Liebwehrtester Freund, Da Ihre 5«n [Quinten J nicht unmittelbar auf einander folgen, u. die Note, welche sie deckt, NB keine durchgehende oder geschwinde Note ist (geschwinde Noten im Allabreve sind 8'c1), so kann sie niemand verwerfen. In meinem Heilig84 • 1 hat dieser Fall das Tempo - Adagio voraus. In der Paßion 84 ·2 macht die 4« 1 Pause, daß die 5«n nicht unmittelbar auf einander folgen. Recht ist Ihre Vertheidigung der None gegen Hrn. Faschen (ich kann nicht glauben, daß dieser brave Mann an diesem, in starken u. gearbeiteten Werken sehr sehr oft vorkommenden u. zwar nicht aus Wollust, sondern aus Noch vorkommenden Sitz der None sich stoßen sollte). Meine Vertheidigung stehet in meinem 2«n Versuch, im Capitel von der None. Wegen unserer Rechnung wiederhole ich meine Bitte. Da ich, so wenig wie Hr. Breitkopf, Anweisung annehme, so haben Sie die Güte, u. schicken mir nur bald, auf meine Kosten, mit der Post die 13 Thlr. 5 Gr. 6 Pf. Preuß. courent in derselben Münze oder guten Dukaten. Ich habe blos mit Ihnen zu thun, u. beharre Ihr alter redlicher Freund Bach. [Adresse, von anderer Hand: J An den Herrn Musik Director Kühnau m

Berlin.

84 1 •

Heilig, mit zwey Chören und einer Arime zur Einleitung ... Wq 217. RISM B 120.

84 2 •

Wq 255. RISM B 153.

104

85

AN JOHANN JOACHIM EscHENBURG HAMBURG , 1. DEZEMBER 1784 Original: verschollen Publikation: Nohl 2, S. XLVI

Hamburg, den 1. Dec. 1784. Für den so freundschaftlichen Inhalt Ihres geehrtesten Schreibens danke ich Ihnen, 8 liebster Herr Professor, ganz ergebenst. Sie erhalten hierbey 7 Morgengesänge l. I, 6 Stück zum Versilbern und mit dem 7ten habe ich die Ehre, Ihnen ein schlechtes Geschenk zu machen. Was nicht verkauft werden kann, kann so lange liegen bleiben, bis ein Freund mir solche von der Messe zurückbringt. Für Ihren gütigst versprochenen Passionstext danke ich Ihnen gleichfalls verbundenst, nur bedaure ich, daß ich dies Jahr keinen Gebrauch davon machen kann, weil die bevorstehende Passion schon unter den Händen meines Copisten ist. Indessen erbitte ich mir Ihre schönen Gedanken, in so fern etwas davon fertig, gelegentlich aus. Lebe ich noch übers Jahr, so kann ich davon etwas gebrauchen . Zachariä's Portrait habe ich nun schon: aber wie glücklich wäre ich, wenn ich Ihr liebes Portrait, gezeichnet, meiner Sammlung beyfügen könnte? Sie sind nicht nur Liebhaber und Kenner unserer Kunst, sondern auch Schriftsteller, dergleichen ich mehrere habe, und NB. 8 3 einer meiner besten Freunde . Hr. Schwanenberger8 l ·2 und Hr . Fleischer l. werden mir sehr willkommen sein . Besuchen Sie uns bald wieder und lieben Sie ferner den Ihrigen Bach.

8

l. I

Wq 239 . RISM B 112 .

8 2 )' Johann

Gottfried Schwanenberger (28 . Dezember 1737 oder 1740 Wolfenbüttel oder Braunschweig bis 20 . März 1804 Braunschweig) war seit 1762 Kapellmeister der Hofkapelle Braunschweig-Wolfenbüttel. 8 3 )·

Friedrich Gottlieb Fleischer ( 14 .Januar 1722 Köthen bis 4. April 1806 Braunschweig) war Musiker in der Braunschweiger Hofkapelle und Organist an der Martins- und Aegidienkirche .

105

86 AN ARTARIA HAMBURG ,

11.

DEZEMBER

1784

Original: A Wn Harnburg, d. 11 Dec. 84 . Hochedelgebohrner Herr, Hochgeehrtester Herr, Ich vermuthe fast, daß Ew Hochedelgeb. mein leztes Schreiben nicht erhalten haben. Also erlauben Sie, daß ich meine Bitte wiederhole, so gütig zu seyn, und den Betrag der 30 rl. 8 gl. Louis d'or, für meine Musik, durch eine Tratte für mich zu berichtigen. Ich habe die Anweisung an H. Westphalen nicht brauchen können, u. habe sie mit seiner Genehmigung nicht genutzt, folglich habe ich nicht das geringste bekommen, u. der Weg durch die Tratte ist wohl der beßte. Hierbey kommt noch ein Exemplar von der Ankündigung meiner Cantate 86 · 1 , im Fall, solche verloren gegangen sey. Ew. Hochedelgeb. belieben mir nur zu melden, mit wie viel Exemplaren ich dieselben anzeichnen soll, weil ich jezt meinen Ueberschlag wegen der Auflage machen muß. Ich habe die Ehre, mit der vollkommensten Hochachtung zu beharren Ew . Hochedelgeb. ergebenster Diener Bach . [Adresse) A Monsieur Monsieur Artaria et Comp. Marchand de Musique

a Vienne 1I2 franco. 86 1 '

106

Wq 240. RISM B 115.

[Eintrag Artaria J Bach Hamburg 11. Xb. 784 mp. 29 d~ - -

87 AN EINEN VERLEGER

HAMBURG .

14 . }ANUAR 1785

Original : verschollen, angezeigt in: Leo Liepmannssohn . Antiquariat . Berlin SW 11, Bernburger Straße 14 . . . Katalog 215

An einen Verleger, dem er außer einer Tratte über 6 Louisdor zur Begleichung einer Schuld einige Briefe mit der Bitte um Weiterbeförderung übersendet. „Meine wiedererhaltene Partitur hat an ein Paar Stellen große Dintenflecke, besonders bald am Ende . Hier erhalten Sie meine Ankündigung. Zur Pränumeration gehört Zeit. Wir wollen uns nicht übereilen."

88 AN

KARL WILHELM RAMLER

HAMBURG ,

21 . JANUAR 1785

Original: D-ddr Weimar , Nationale Forschungs- und Gedenkstätten

[Adresse] An den Herrn Professor Ramler franco. m Berlin Hamburg, d . 21 Jan. 85 . Liebster alter Freund Was dencken Sie! U~sere Cantate 88 · 1 wird nicht gedruckt. Ich kriege die Kosten bey weitem nicht heraus . Sagen Sie mir doch offenherzig, aus gewißen Ursachen: Hat der Herzog von Curland, bey dem Sie oft gegeßen haben, nie etwas gegen Sie von mir gesprochen? u . wenn es geschehen ist, was? Herr Hering wird

88,)

wq 240. RISM B 115 . 107

Ihnen die gütigst übersandten 3 rl.8 gl. wieder geben . Gratias! Bedauern Sie mich! Lieben Sie ferner Ihren Verehrer Bach . H . Prof. Ramler

89 AN JOHANN JOACHIM ESCHEN BURG HAMBURG, 27. JANUAR 1785 Original : verschollen Publikation : Nohl 2, S. XLVII

Hamburg, den 27 . Jan . 1785 . Aus beykommender Zeitung werden Sie, liebster Herr Professor, mein Schicksal wegen der Cantate 89 · 1 , welche wegen der zu großen Kosten nun nicht gedruckt wird , ersehen. Claviersachen passen in mehrere Hände , als Partituren. Darf ich nun wohl für meinen 5ten Theil Sonaten 89 · 2 auf Ihre gütige Vorsorge hoffen und ergebenst bitten? Ich bin lebenslang ganz Ihr Bach. [Außen :] Hr. P. Eschenburg .

59. t 89 2 ·

Wq 240. RJSM B 115 .

Clavier-Sonaten und freye Fantasien nebst einigen Rondos fürs Force-Piano für Kenner und Liebhaber „. fünfte Sammlung . Leipzig : Autor 1785 . Wq 59. RISM B 91.

108

90 AN BARON DIETRICH EWALD VON GROTrnuss90 •1 HAMBURG, 27. JANUAR 1785 Original: verschollen Publikation: Nohl 2, S. XLVII

Hamburg, den 27.Jan. 1785 . Hoch- und Wohlgebohrner Freyherr, Hochverehrter Herr Kammerherr. Ew. Hoch- und Wohlgebohren werden aus beykommender Zeitung mein Schicksal wegen der Cantate90 ·2 , welche wegen der allzu große Kosten nun nicht gedruckt werden kann, ersehen. Statt deren erbitte ich mir von deroselben Ihren gnädigen Beistand aus, was den 5ten Theil meiner Sonaten 90 ·3 betrifft. Claviersachen passen in mehrere Hände, als Partituren. An Dero vomeflichen Herrn Bruder, der leider noch immer in Leipzig krank ist, habe ich mir ebenfalls die Ehre genommen, zu schreiben. Darf ich wohl so frey seyn, und um die weitere Beförderung des beykommenden Briefes unterthänig bitten? Ich beharre mit allem Respect Ew. Hoch- und Wohlgeb. unterthäniger Diener Bach. [Andre Hand.) An den Herrn Baron von Grotthuß Königl. Polnisch . Kammerherrn p . Memel Bauske Mietau in Gieddutz [Gut in Litauen).

90 · 1 Dietrich Ewald von Grotthuß (geboren J 5. April 1751 Mitau , bestattet 22. September 1786 Gieddutz/Kurland) war Baron auf Gieddutz bei Mitau . Er war Schüler Carl Philipp Emanuel Bachs. Er erhielt von Bach ein Silbermannsches Clavichord.

90 2 · Wq 240 . RISM B 115 . 90 3 · Wq 59. RISM B 91.

109

91 AN ARTARIA HAMBURG,

27 . JANUAR 1785

Original : A Wst

Hamburg, d. 27 Jan . 85 Hochgeehrceste Herren, Für die gütigst bezahlten Gelder für den Morgengesang91•1 u. andere Musikalien statte ich Ihnen meinen ergebensten Dank ab. Da ich wegen der zu großen Kosten meine Cantate9 1·2 nicht drucken !aßen kann: so habe ich, statt deren, meinen 5ten Theil Sonaten9' ·3 angekündigt und werde, wenn Sie es erlauben, die gewöhnlichen 12 Exemplare für Sie aufschreiben. Ich beharre mit vollkommener Hochachtung Deroselben ergebenster Diener Bach. Ich bitte, wenn es Ihnen nicht beschwehrt, den inliegenden Brief gelegentlich abgeben zu !aßen. Herr Artaria.

91 1 ·

Wq 239 . RISM B 11.

91 2 •

Wq 240. RISM B 115.

9 u Wq 59 . RISM B 91.

110

92 AN ALEXANDER REINAGI.E HAMBURG,

25 .

FEBRUAR

92 1 •

1785

Original : von anderer Hand US Wc Publikation : Sonneck, S. 113

Monsieur, Je Vous suis infiniment oblige du Souvenir clont Vous m'honorez et je souhaite que Vous veuillez me Je conservez toujours; et dans Je cours de vos annees !es plus riantes . La nouvelle que Vous me donnez de Ja triste situation de Mr. Votre frere 92 •2 m'a chagrine beaucoup; tant par rapport a Vous qu'a lui meme . Le Ciel Vous comble de prosperites, une des plus cheres c'est Ja Sante meme. Je Vous envoye Ja musique, que Vous m'avez demande, le prix est fixe au prix ordinaire, Ja Musique, que je Vous ai donne pour Vous meme a Hambourg eroit fixee au prix de prenumeration, en Vötre faveur. Quand Vous m'ecrirez une autre fois, ne manquez pas de me marquer vötre sort, au quel je m'interesse beaucoup. En meme tems je vous prie de me faire avoir Vötre pomait et celui de Mr. Vötre frere, seulement en dessin, pour !es placer dans mon cabinet de portraits des musiciens . Cela me servira d'aide dans Je souvenir de Vötre amitie, dans Je retour de Ja quelle je suis et serai toujours Monsieur Vötre tres humble Serviteur Ch. Ph. Ern. Bach Hambourg, ce 2 5 du mois de Fevrier, 1785 .

92 1 •

Alexander Reinagle (getauft 23 . April 1756 Portsmouth, gestorben 21. September 1809 Baltimore) zog um 1774 mit seinen Eltern nach Edinburg. 1785 besuchte er Bach in Hamburg. Mit anderen Musikern gab er 1786 bis 1794 eine ansehnliche Reihe von Subskriptionskonzerten in Philadelphia und New York. 92 2 • Hugh Reinagle ( 1764 Ponsmouth bis 19. März 1785 Lissabon) war ein ausgebildeter Violoncellist. Er schrieb zahlreiche Stücke für dieses Instrument .

111

93

AN? HAMBURG,

5.

APRIL

17 8 5

Original: D-brd Hth

P.P. Ew. Wohlgebohrnen statte ich für die gütigst übersandten 2 Dukaten meinen ergebensten Dank ab, und bitte wegen der zurückgekommenen Sonate um Vergebung. Ich weiß nicht das geringste vom Drucke dieses Stücks. Ich habe die Samlung, wie sie stehet, nie gesehen. Diese Sonate war für die Prinzeßin Amalia, für die Orgel gemacht, und ich würde schlecht gehandelt und viel gewagt haben, wenn ich sie zum Druck bestimmt hätte gehabt. Die 4 übrigen Orgelsonaten, die Ew. Wohlgeb. auch haben, sind auch blos im Manuscript da. Ich habe, außer dieser Sonate, alles, was nur jemahls von mir gedruckt ist u. würde sehr impertinent handeln, Ew. Wohlgeb. mit Fleiß Sachen zu geben, die Sie für eine Kleinigkeit im Druck haben können. Außerdem habe ich noch eine gute Anzahl Sonaten, die Sie auch nicht haben und deren ich mich nicht schämen darf. Vergeben Sie mir meine Vertheidigung, ohngeacht sie bey Ihrer edlen Denkungs[ art] ü berflüßig war. Nach dem gütigst überschickten Verzeichniße kan ich nun künftig nicht mehr fehlen, u. habe die Ehre, Ihnen hiebey eine andere Sonate, die Ihnen nach Ihrem Verzeichniße unbekannt seyn muß, zu übersenden u. mir Ihren Beyfall hierüber ergebenst zu erbitten. Ich beharre mit der wärmsten Hochachtung. Ew. Wohlgeb. gehorsamster Diener Bach . Hamburg, d .5 Apr. 85.

112

94 AN ARTARIA HAMBURG, 4. ÜKTOBER 1785 Original: A Wst

Hamburg, d. 4 Oct. 85 Hochedelgebohrne. Hochgeehrteste Herren, Ew. Hochedelgeb. werden von Leipzig die verlangten 12 Exemplare meiner 5ten Samlung94 •1 erhalten, wo von Sie nur 11 Stück mit 18 rl. 8 ggl. Louisd 'or zu zahlen belieben. Zu gleich bekommen Sie noch 2 Exemplare, welche Sie gütigst mit beyfolgendem Briefe dem Herrn Baron von Braun zuschicken werden. Dieser H. Baron wird Ihnen das Geld für diese 2 Exemplare mit 3 rl. 8 ggl. d' or zahlen u. dies Geld kann mit dem übrigen hieher angewiesen werden. Wenn ich noch 40 Liebhaber zu meiner Ramlerschen Cantate94 ·2 in Partitur kriege, so erscheine ich damit. Ich beharre mit besonderer Hochachtung Ew. Hochedelgeb. ergebenster Bach. Artaria

94 1 ·

Wq 59 . RISM B 91.

94 2 ·

Wq 240. RISM B 115 .

113

95 AN DEN FüRSTBISCHOF VON EUTIN HAMBURG, 21. OKTOBER 1785 Original: D-brd OLns

[Von anderer Hand] Empf. d.22 Octob 1785 Durchlauchtigster Herzog Hochwürdigster Fürst-Bischoff, Gnädigster Herr, Der huldreiche Beyfall, womit Ew. Durchlauchten meine mäßigen Talente zu verschiedenen mahlen begnadiget haben, macht mir Hoffnung, daß Höchst dieselben mir es nicht ungnädig aufnehmen werden, wenn ich meine beykommende neueste Arbeit Ew. Durchlauchten zu Füßen lege. Mögte diese Sammlung doch ebenfals das hohe Glück genießen, welches einige meiner vorigen Arbeiten gehabt haben! Ich ersterbe in tiefster Devotion Ew. Herzoglichen Durchlauchten unterthänigster Diener Bach. Hamburg, den 21sten October, 1785.

114

Eutin d. 9"" November 1785 Antwort an H. Capellmeister Bach (NB. der ist der 1788 zu Hamburg verstorbene Karl Phillipp Emanuel Bach, ein Sohn des Sebastian Bach.)

Inscrip .

a Monsieur Monsieur Bach Maitre de Chapelle de S.A.M. Madme Ja Princesse Amelie de Prusse, et Directeur de Musique, a Hamburg Hoch edler Vielgeehrter Herr Capell-Meister Ich bin Ew. Hochedel für die mir zugeschickte Sammlung Sonaten95 · 1 sowie für die mir erzeigte Ehre der Zueignung derselben, aufrichtigst verbunden, sehr schätzbar ist mir dieses Geschenk von Ihrer Hand, und mit eben dem lebhaften Vergnügen welches Ihre Compositionen mir so oft veruhrsachten, habe ich auch diese Ihre neueste Arbeit erhalten. Ich ersuche Ew. Hochedel. Sich hiervon auf das gewisseste zu überzeugen und nebst der Versicherung meiner aufrichtigen Hochschätzung, das kleine Andenken welches der H. Hofmarschal v. Both Ihnen mit diesem Briefe, von meinetwegen einhändigen wird, als ein Zeichen derjenigen Freundschaft aufzunehmen womit ich beharre Ew. Hochedlen

95 1 "

Wq 59. RISM B 91.

96 AN CHARLES BURNEY96 ·' HAMBURG, 2. DEZEMBER 1785 Original: Privatbesitz, versteigert am 11. Mai 1959 bei Sotheby's in London, Versteigerungs-Katalog Nr. 35 vom 11./12 . Mai 1959.

In französischer Sprache: „D' apres vos ordres, je vous envoye les exemplaires de Ja cinquieme Collection de mes Sonates. II y en a treize, clont l'un est destine pour vous, comme une petite marque de ma Reconnaissance, et les douze autres pour les Souscrivains ... " Adresse von anderer Hand.

97 AN )OHANN )OACHIM ESCHEN BURG HAMBURG, 14. DEZEMBER 1785 Original: verschollen Publikation: Nohl 2, S. XLVIII

Hamburg, den 14. Dez . 1785. Liebster Herr Professor! Erlauben Sie mir gütigst, wegen vieler Geschäfte, diesmahl kurz zu schreiben. Für den gütigst eingesandten Louisdor danke ich, obwohl etwas spät, doch gehorsamst. Hierbey erhalten Sie 1) den Morgengesang97 ' 1 u. 1 Exemplar von meiner 5ten Sammlung als ein schlechtes Geschenk von mir; 2) 3 dicos von der 5ten Sammlung97 •2 zur beliebigen Versilberung. a 1 Thlr. 16 Gr. pro Stück, wie die Pränumeration war. Mit

96. 1 Charles Burney (7. April Shrewsbury bis 12. April 1814 Chelsea/ London) verfaßte zahlreiche Schriften über die Musik , unter anderem „A General History of Music from the Earliest Ages to the present Period", Band 1 1776, Band II 1782, Band 111 und IV 1789. Eschen burg übersetzte von ihm „ Dr . Karl Burneys Nachricht von Georg Friedrich Händels Lebensumständen und der ihm zu London im Mai und Juni 1784 ausgestellten Gedächrnissfeyer" , Berlin und Stecrin 1785 . 97 · 1

Wq239 . RISM B 112.

97 ·2

Wq 59 . RISM B 91.

116

dieser letzten Commission hätte ich Sie gern verschont. Ich kenne Ihr edles Herz für mich und bitte also recht sehr, niemanden das geringste aufzudringen u. lieber die Exemplare auf ihrer Messe einem hiesigen Kaufmann, den ich dazu erbitte, wieder zu zu schicken. Ich lebe und sterbe der Ihrige Bach.

98 AN ALEXANDER REINAGLE HAMBURG .

1785

ODER

1786

Original: US Wc Publikation: Sonneck, S. 114

Liebwehrtester Freund, Ich bedaure von Herzen den Verlust Ihres lieben und braven Herrn Bruders eben so sehr, als ich mich über Ihre gute Aufnahme in Lißabon und glükliche Wiederkunft in London gefreut habe . Ihr Project wegen meiner gedruckten Rondos kann mir in der Folge viel Schaden thun, weil meine mit großen Kosten von mir in starken Auflagen verlegten Samlungen, worin sie stehen, unverkauft liegen bleiben werden. Die Liebhaberey zu den Rondos ist hier eben so groß, wie in London, und ich habe sie deswegen mit eingemischt um meinen Verkauf zu befördern. Ich weiß aus der Erfahrung, daß sehr viele meine Samlungen blos wegen der Rondos kaufen. Folglich sind mir Exemplare von Ihren verlegten Rondos nichts nutze, sondern ich wünschte lieber, daß sie gar nicht nach Teutschland kämen, ohngeacht Westphal hier und Hummel in Berlin ganze Quantitäten von Ihnen würden kommen !aßen. Ich will jedoch Ihnen, da Sie etwas damit zu verdienen glauben, einen Weg vorschlagen, wodurch Sie zu Ihrem Endzweck kommen könnten, ohne einen Nachdruck befürchten zu 98 1 dürfen. In der Zweyten, dritten, vierten und fünften Samlung " stehen überhaupt 11 Rondos. Von diesen Samlungen haben Sie 4, aber die lezte, nehmlich die 5te, glaube ich, haben Sie noch

98 1 ·

Wq 56. 57 . 58. 59 . RISM B 87. 88. 90. 91.

117

nicht, und kann sie Ihnen, weil 2 Rondos darin stehen, überschicken. Zu diesen 11 Rondos will ich Ihnen noch 4 neue Rondos componiren; ich will zufrieden seyn, daß Sie meine Erlaubnis zu dem Drucke dieser schon gedruckten 11 Rondos öffentlich kundthun, und endlich müßen Sie auch bekannt machen, daß ich ausdrücklich für Sie noch neue Rondos dazu gemacht habe. Diese 15 Rondos können Sie in 4 oder wenigem Abtheilungen herausgeben . Es muß aber in jedem Theile etwas neues davon stehen . Dieses Mittel und meine öffentliche Erlaubnis sichert Sie gewiß vor einem Nachdruck. Für meine Schadloshaltung und für meine neu darzu gekommene Composition verlange ich nicht mehr und nicht weniger als 34 Guinees . Ich verspreche Ihnen zugleich, daß ich die 4 neuen Rondos niemanden geben, noch viel weniger drucken !aßen will. Ich kann Ihnen versichern , daß 1 Theil von meinen Samlungen , worin nur 2 Rondos vorkommen, nach Abzug aller Kosten, mir wenigstens 1000 Mark hiesiges Geld bisher eingebracht haben, ohne einige 100 Exemplare zu rechnen, die ich noch vorräthig habe u. welche nach und nach auch verkauft werden . Die Auslieferung meiner 4 neuen Rondos auf einmahl geschiehet zugleich bey der Bezahlung auf einmahl. Wir sind sterbliche Menschen . Wegen der Fantasien künftig oder mündlich ein mehreres . Eine baldige genugthuende Antwort mit Ja! oder Nein! erbitte ich mir. Mit vielen Grüßen beharre ich Ihr Freund u. Diener Bach . Hier in Teutschland hat mir noch niemand etwas nachgedruckt: ich würde auch so gleich in den Zeitungen einen solchen Nachdrucker öffentlich als einen Betrüger erklährt haben . Dafür hält man hier durchgehends einen solchen Menschen, und das will keiner wagen. Meine öffentliche Erlaubnis zu Ihrem Druck und die neuen eingemischten Rondos würden ganz gewiß einen Nachdruck zu Ihrem Schaden abhalten.

118

99 AN JOHANN JOACHIM ESCHENBURG HAMBURG ,

21. JANUAR 1786

Original: Privatbesitz Publikation: Nohl 2, S. XLVIII-XLIX Schmid/Bach, S. 76-77 Bach I Dokumente, Band III, S. 418-419

Hamburg, d . 21 Jan. 86. Recht sehr verbunden bin ich Ihnen, liebster Herr Profeßor für Ihren Händel. Mit H. Burney bin ich an verschiednen Orten unzufrieden. Bey Händeln trifft das auch zu, was andern wiederfahrt, wenn man sie vergöttern will, so leiden sie gemeinest Schaden. Vergleiche sind schwehr u. müßen auch nicht seyn. Kayser hier zu Händels Zeiten übertraf den lezten weit im Gesange u. Händel würde auch nie ein Haße, Graun etc. darin geworden seyn, wenn er auch zu der lezten ihren Zeiten gelebt hätte. Es war auch nicht nöthig, er war, in seinen Oratorien besonders, groß genug. Aber vom Orgelspielen zu schreiben: daß er meinen Vater etc. übertroffen habe; dies kann kein Mann sagen, der in Engelland ist, wo unbedeutende Orgeln NB alle ohne Pedal sind, der folg!. keine Einsicht in das auszeichnende des Orgelspielers hat, der keine Orgelsachen vielleicht gesehen oder gehört hat, der endlich meines [Vaters) Clavier- u. besonders Orgelsachen gewiß nicht kennt u . unter den leztren den durchaus obligaten Gebrauch des Pedals, ihm bald den Hauptgesang, bald den Alt, bald den Tenor zu geben, allezeit in Fugen, wo

niemahls eine Stimme ver/aßen wird, und die schwehrsten Paßagien vorkommen, auch außerdem mit dem größten Feuer u . Glanze die Füße beschäftiget, en fin unzählige Sachen,

119

von denen Burney nichts weiß etc. Haße, die Faustina99 · 1, Qvanz99 ·2 u.a. mehr, welche Händeln gut gekannt u . gehört haben, sagten ao. 1728 oder 1729, als mein Vater sich in Dreßden öffentlich hören ließ 99 •3 : Bach hat das Orgelspielen aufs Höchste gebracht. vide in Quanzens Anweisung. Im Ernste, hierin kan der Unterschied kaum größer seyn . Hat Händel je Trios mit 2 Manualen und Pedal gemacht? Hat er fürs bloße Clavier 5 u . 6stimmige Fugen gemacht? Gewiß nicht . Folglich kan hierin gar kein Vergleich stattfinden, der Abstand ist zu groß. Man besehe beyder Männer Clavier- und Orgelsachen . Vergeben Sie mir mein Geschwäze u. Geschmier! Daß Poßirlichste von allen ist die gnädige Vorsicht des Königes, wo durch Händels Jugendarbeiten bis aufs äußerste verwahrt werden . Ich vergleiche mich gar nicht mit Händeln, doch habe ich vor Kurzem ein Ries u . mehr alter Arbeiten von mir verbrannt u. freue mich, daß sie nicht mehr sind. Lieben Sie ja dem ohngeacht ferner den ganz Ihrigen Bach. Ich glaube, daß H. Schwanberg auch meiner Meynung ist. [Am linken Rand der 1. Seite) Ein hiesiger Kaufmann, H. Michael Theodor Völckers reiset d. 25 huj. auf Ihre Meße , logirt da in der Rose am Kohlmarkt bey H. Nicolai u . reiset d . 4 Febr. wieder hieher dieser will mir gerne die Sachen mitbringen, die Sie ihm zuschicken werden.

99. I Faustina Hasse , geborene Bordoni (wahrscheinlich vor 1700 Venedig bis 4 . November 1781 Venedig) war eine bedeutende Primadonna ihrer Zeit. 99 · 2 JohannJoachim 99 · 3

120

Quantz (30. Janaur 1697 Oberseheden bei Göttingen bis 12 . Juli 1773 Potsdam).

Ein Besuch Johann Sebastian Bachs in Dresden 1728 oder 1729 ist nicht bekannt .

100

AN ENGELBERT BENJAMIN ScHWICKERT HAMBURG, 27 . JANUAR 1786 Original : Privatbesitz Publikation: Plamenac, S. 566-567

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter] An den Herrn Schwickert Buchhändler Leipzig Hamburg, d.27 Jan . 86 Hochedelge bohrner, Hochgeehrtester Herr, Ich glaube, daß die 6 Claviersonaten 100 • 1 , welche Ew. Hochedelgeb. verlangen, von derselben Art seyn sollen, als diejenigen waren, die ich vor etlichen Jahren zur Beförderung des Absazes meines Versuchs vorschlug: nehmlich ganz neu (versteht sich) kurz, leicht u . mit beygefügter Fingersezung. Diese 6 Sonaten bestehen also zusammen aus 6 Stücken u . nicht, jede zu 3 Sätzen gerechnet, wie andere Sonaten, aus 18 Stücken . Leztere könnten nicht für 18 Thaler gemacht werden, machten keinen Anhang zu einem Buche, sondern ein Ganzes aus u . würden, wegen der Kosten, den Absatz mehr hindern, die Käufer mehr abschrecken als anlocken. wenn ich also, um keinen neuen Verdruß zu haben, Ihre eigentliche Meynung erfahre, so sollen in 3 Wochen alle 6 Stücke fertig seyn. Ich beharre Ew. Hochedelgeb. ergebenster Diener Bach

100 1 •

Wq 59 . RISM B 91.

[Am Rand] Das kostenmachende Vorhaben mit dem Portrait !aßen Sie liegen. Mein einziges getroffenes Bildniß ist mit troknen Farben im Rahm, unter Glas u. läßt sich nicht verschicken. Meine Familie läßt es nicht. Eine gute Copie in Oehl macht hier Jemand für 4 Dukaten. Da ich oft genug schlecht gestochen bin, wer verlangt sonderlich was neues.

101 AN ENGELBERT BENJAMIN SCHWICKERT HAMBURG , 2.}UNI

1786

Original: Privatbesitz

Hamburg, d. 2Jun. 86 Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Ew. Hochedelgeb. beliebten in Ihrem vorlezten Briefe den Ihnen vorgeschlagenen Termin zur Auslieferung der verlangte 6 Stücke nicht anzunehmen, sondern riethen mir, daß ich zu der Verfertigung besagter Stücke mir mehr Zeit nehmen sollte: folglich habe ich auf die von Ihnen bestimmte Zeit warten müßen. Ihrem nunmehrigen Verlangen also gemäß werden Sie gleich nach den Feyertagen, zu Ende künftiger Woche alles bekommen. Mein Notenschreiber verfertiget eine saubere Abschrift davon, weil mein eigner Aufsatz etwas undeutlich ist. Ich wünsche Ihnen zu Ihrem Vorhaben das beste Glück u. beharre mit wahrer Hochschäzung Ew. Hochedelgeb. ergebenster Bach. [Am Rand] Dero H. Bruder will das Honorarium mit 18 rl. an mich zahlen. 122

[Eintrag des Empfängers) 1786. 2 Junii P.E. Bach in Hamburg

102 AN ENGELBERT BENJAMIN ScHWICKERT HAMBURG,

4.

AUGUST

1786

Original: verschollen, angezeigt im Auktionskatalog Liebig, Wien 1934, Nr. 608

103 AN BARON DIETRICH Ew ALD VON GRoTTHuss HAMBURG,

4.

SEPTEMBER

1786

Original: D-brd Mbs Publikation: Nohl, S. 71

[Adresse] A Monsieur Monsieur le Baron de Grotthuss Seigneur de Gieddutz par Memel

a Mietau Hamburg, d. 4 Sept. 86 Allerbester unter den besten, Theuerster Gönner, Ach! wie lange haben Sie uns an einem langsamen Feuer braten laßen! Ich rechnete wegen Nachrichten, auf H. F. von Lieben u. dem H. S. Müller, aber vergebens. Die Freude, die wir durch die Nachricht von Ihnen Selbst erhielten war unbeschreibbar. Genug wir alle beten, u. Gott wird Sie gewiß gesund machen. Bey uns ist es noch immer so, wies war; ein bisgen krank, dann wieder gesund. Von dem ferneren Befinden von Ihnen, der gnädigen Frau, dem jungen Herrn Baron erwarten wir alle Tage die 123

besten Nachrichten . Vermelden Sie unsere Demuth, besonders lebe u. sterbe ich ganz der Ihrige Bach. [Am Rand] Erinnert sich noch meiner der H . Aesculap Liebe?

104 AN ARTARJA HAMBURG, 26. OKTOBER 1786

Original : A Wn

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter) An die Herren Artaria u . Compagnie, Musikhändler

[Ein trag Artaria) Bach 1786. Hamburg d. 26.8bc' beantw. 29. 9br

In

Wien Franco Peterswalde Hamburg, d. 26 Oct . 86. Hochedelgebohrne, Hochgeehrteste Herren, Die hierbey angekündigte 6te Samlung 104 • 1 soll die lezte meiner gedruckten Clavierarbeiten seyn. Ich erwarte Ihre Order, auf wieviele Exemplare Sie gütigst unterzeichnen belieben werden. Die Bezahlung, nach Empfang der Exemplare , bitte so, wie es der H . B. von Swieten macht, hieher an Herr Persent u. Dörner anzuweisen . Die andren Wege haben immer Umstände 104 1 •

Clavier-Sonaten und freye Fantasien nebst einigen Rondos fürs Force-Piano für Kenner und Liebhaber „ . sechste Sammlung . Leipzig, Autor 1787. Wq 61. RISM B 93 .

124

gemacht. Meine Ramlersche Cantate 104 · 2 wird H. Breitkopf in Partitur drucken. Ich habe sie ihm verkauft u. meine Subscribenten, worunter Ew. Hochedelgeb. mit 12 Exemplaren sich unterschrieben haben, abgetreten. Ich beharre mit wahrer Hochachtung Ew. Hochedelgeb. ergebenster Bach. H. Artaria [Am Rand] Auch die Bezahlung kann durch H. Moses Herz Söhne geschehen. Diese Leute zahlen prompt .

105 WIDMUNG AN]OHANN FRlEDRlCH HERING HAMBURG .

1786

Original: Privatbesitz

Zwey Litaneyen 105•1 aus dem Schleswig = Holsteinischen Gesangbuche mit ihrer bekannten Melodie für Acht Singstimmen in zwey Chören und dem dazu gehörigen Fundament 10

Partitur gesetzt, und zum Nutzen und Vergnügen Lehrbegieriger in der Harmonie bearbeitet von 104 2 ·

Wq 240 . RISM B 115 .

105 1 ·

Wq 204 . RISM B 11 7.

125

Carl Philipp Emanuel Bach . Herausgegeben von Niels Schicfoing. Kopenhagen, 1786 . In Commission bey Chr. Gott! . Proft . Gedruckt bey Aug. Fr. Stein . [Am Rand von Bachs Hand) Meinem lieben Freunde, Herrn Johann Friedrich Hering zum Andenken von mir, dem Verfaßer C.P .E. Bach .

106 AN JOHANN JAKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG, 2. JANUAR

106 1 •

1787

Original: Privatbesitz Publikation : Jacobi 2, S. 121

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter) An den Herrn ]. H . Westphal, Organist an der Neustädter Kirche 10

frey

Schwerin

Hamburg, d. 2 Jan. 87. Hochedelge bohrner, Hochgeehrcester Herr, Für die gütigst eingesandten 14 Mk Lüb. danke ich Ew. Hochedelgeb . ergebenst.

106 1 • Johann Jakob Heinrich Westphal (getauft l. August 1756 Schwerin, gestorben 17 . August 1825 Schwerin) .

126

Die Ramlersche Cantate 106 ·2 so wohl als meine 6te und gewiß lezte Samlung106·3 werde ich Ihnen unmittelbar über senden , so bald sie heraus sind . Die 5 vorhergegangenen Samlungen stehen mit Vergnügen Ihnen, als meinem wehrtesten Herrn Collegen , für den Pränumerations Preiß , nehmlich 4 Mk pro Stück , zu Diensten . Ich habe sehr wenig mit den Buchhändlern zu thun, und sehe gerne, daß die Liebhaber meiner Werke sich gerade an mich wenden . Ich bin immer billiger, als jene . In welchem Schlüßel Sie die Samlungen am liebsten hätten, wünsche ich zu erfahren und beharre hochachtungsvoll Ew . Hochedelgeb . ergebenster Diener Bach .

107 AN]OHANN]AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG ,

9. JANUAR 1787

Original : Privatbesitz Publikation: Bitter, S. 305

[Adresse] An Herrn Organisten W estphal m Schwerin Hamburg, d . 9 Jan. 87 Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Ew . Hochedelgeb . dancke ich für die 106 2 •

Wq 240 . RISM B 115 .

106 ·3 Wq 61. RISM B 93 . 127

gütigst eingesandten 20 Mk Lübisch ergebenst und übersende hiebey die 5 verlangten Samlungen im Violinzeichen. Was die geschriebenen Sachen betrift, bedaure ich Ihre große Kosten. Ich glaube gewiß, daß, außer den fehlerhaften und schiech ten Abschriften, es Ihnen auch so gegangen ist, wie vielen andern; nehmlich man hat Ihnen viele Sachen verkauft unter meinem Nahmen, die nicht von mir sind. Ich wünschte wohl die Themata einmahl zu sehen. Im Falle, wenn Sie etwas geschriebenes von mir verlangen sollten: wünschte ich, daß Sie Sich gerade an mich wendeten. Ohne dem geringsten Eingennuz, blos für die Copialien, stehe ich zu Ihren Diensten. Ich beharre mit der wärmsten Hochachtung Ew. Hochedelgeb. ergebenster Bach.

108 AN ARTARJA HAMBURG,

5.

MÄRZ

1787

Original: verschollen, angezeigt in: Autographen-Versteigerung Leo Liepmannssohn, 21. und 22. Mai 1909, Nr. 432

128

109 ANjOHANNjAKOB HEINRICH W ESTPHA1 HAMBURG , ) .

109 1 ·

MÄRZ 1787

Original: Privatbesitz

Hamburg, d . 5 März 87. Wegen vieler Geschäfte erlauben Sie, wehrtester Freund, daß ich mich kurz faße . Für die zulezt erhaltene 24 Mk danke ich Ihnen verbundenst u. bitte dem H . Hofr. Kolbe meine Ergebenheit zu melden. Ich habe diesen Herrn, so wie Sie, unter meinen Pränumeranten auf die 6te Samlung 109 · 2 angemerkt u. bin mit dem Prän. Preiße für die 5 ersten Samlungen zufrieden. Hierbey erhalten Sie alle 5 Samlungen im Clav. Zeichen; ferner die 12 kleinen Stücke 109 ·3 (die Kosten 1 Mk); in gleichen die Israeliten 109.4 für 7 Mk, nehmlich den PränumerationsPreiß . Alles geschriebene von mir steht zu Ihren Diensten. Sie bezahlen Bogenweise, die Clavierstimme, den Bogen mit 6 Schillingen, die anderen Stimmen, den Bogen mit 4 Schillingen, u. nichts mehr . Ein Paket (wenn Sie es auch frankieren) muß ich mit 2 Schillingen zum einschreiben auf die Post bezahlen, und ein Brief mit Gelde (wenn er auch frankirt ist) kostet mir auszulösen auch 2 Schillinge . Dies sind Kleinigkeiten, indeßen wenn sie oft kommen, kan man sie wohl anmerken, das mitkommende alte Ding, die Menuet, kostet nichts. Alle meine Sinfonien, (nähmt. ohne den Orchester - [unleserlich)) auch die aus E moll 109 ·l , sind von mir sehr ver-

l09.l

Ohne Adresse, dem Inhalt nach anJohannJakob Heinrich Westphal.

109 2 ·

Wq 61. RISM B 93.

l09.3

Zwölf zwey- und dreystimmige kleine Stücke für die Flöte oder Violine und das Clavier. Hamburg :

Friedrich Schönemann . Wq 82 . RISM B 98. l09.4

Wq 238. RISM B 109.

l09.l

Sinfonia a II violini, violetta e basso . Nürnberg : Balthasar Schmid._ 1759. Wq 177 . RISM B 54 .

129

stärkt; auch die 2 fürs Clav . gedruckte sind eigentlich für viele Instrumente gemacht die 1 Sinfonie bey No . 6 habe ich fürs Clavier gesezt nicht gesehen; für Instrumente habe ich sie gemacht. Die 4 ersten Sonaten bey No . 10 in Hafners 109 •6 gedr. Oeuv . [unleserlich] auch die lezte bey No. 11 . Die beyden Concerte No . 17 u. 20 sind nicht von mir. Ueberhaupt haben Sie altes Zeug von mir . Die 3 gedr . Sonatinen 109 •7 habe ich sehr verbeßert u . brillanter gemacht. Die bezahlte Raml. Cantate 109 ·8 kommt auch mit. Gelegentlich wünschte ich den Catalogus von Ihren 400 · Bänden Musik theoretische Schriften zu sehen . Sie sollen ihn gleich wiederhaben . Die Defekte 109 von der 2ten Sam!. der Son . mit Viol. u . Violonschell ·9 109 10 habe ich nicht. Die verlangten 6 Trii • mit dem fraglichen Titel hat Hummel, weil jene zu theuer waren, nachgedruckt u . Westphal hier verkauft sie für 7 Mk 8 Schillinge . Gott erhalte Sie gesund, und lieben Sie ferner Ihren alten Freund und Diener Bach. Ich habe eine starke Samlung von Bildnißen der Musicker u. musikalischen Schriftsteller in l 09.6 Johann

Ulrich Hafner ( 1711 bis 22 . Oktober 1767 Nürnberg) betrieb seit 1742 einen Verlag in

Nürnberg . l 09. 7 Sonatina I a cembalo concertato , II flauti traversi , II violini , violetta e basso . Berlin : Georg Ludwig Winter 1764 . Wq 106 . RISM B 56 . Sonatina II a cembalo concertato, II flauti traversi, II violini, violetta e basso. Berlin : Georg Ludwig Winter 1764. Wq 107 . RISM B 57 . Sonatina III acembalo concertato, II flauti traversi , II violini , violetta e basso. Berlin: Georg Ludwig Winter 1766. Wq 108. RISM B 58. l 09.s

Wq 240. RISM B 115.

l09 .9 Claviersonaten mit einer Violine und einem Violoncell zur Begleitung, zweyte Sammlung . Leipzig: Autor Uohann Gottlob Immanuel Breitkopf) 1777. Wq 91. RISM B 62 . l09. lO Six

sonatas for harpsichord or piano-force . Berlin-Amsterdam : JohannJulius Hummel, No . 155 .

Wq 89 . RISM B 60 .

130

Kupfern ; sollten Sie Gelegenheit haben, mir einige Rekruten zu verschaffen : so bitte ich darum, ich bezahle sie gerne. [Am Rande des 1. Blattes) Das gedr. Bdur Conc 109 • 11 u . die gedr. E moll Sinfonie 109 · 12 sind blos geschrieben zu haben .

110 AN]OHANN GOTIT.OB IMMANUEL BREITKOPF HAMBURG.

10. MÄRZ 1787

Original : US PHhs

[Adresse) A Monsieur Monsieur Breitkopf Libraire et Imprimeur tres renomme

[Eintrag von B.C. Breitkopf & Sohn] 1787 10. März Hamburg 14. - Bach 21. - -

a franco

Leipzig

Hamburg , d . 10 März 87 . Hier bey schicke ich Ihnen, bester Freund, die Recension unserer Cantate 110 •1 brühwarm . Ich hoffe u. wünsche Ihnen alles Glück . Gestern sahe ich mein Manuscript von meiner 6ten 110 •2 Samlung durch, und fand in der Fantasie aus dem C dur einen

I09. 11

Conccrto per il ccmbalo conccrtato accompagnato da II violini, violctta c basso. Nürnberg : Baltha-

sar Schmid . No . XXXVII . Wq 25 . RISM B 50 . 109 12 •

Wq 177. RISM B 54 .

110 1 ·

Wq 240 . RISM B 115 .

110 2 •

Wq 61. RISM B 93 .

131

kleinen Fehler, welcher leicht geändert werden kann; wenn der Druck schon geschehen, so kann es angemerkt werden: fast am Ende der Fantasie steht im Baßsystem ein Ruhezeichen über einer ~ Vinrelnore as, dies muß weg, -

weil die Oberstimme

gleich tongehen muß, das bald drauf folgende Ruhezeichen in der Oberstimme bleibt. Ich bin noch immer der Ihrige Bach [Am Rand] Der Recensent hat nicht eher Platz gehabt. Verkaufen Sie brav drauf los.

111 AN]OHANN HAMBURG,

Gornos IMMANUEL BREITKOPF

13.

APRJL

1787

Original: verschollen, angezeigt in: Katalog 228. Musiker-Autographen ... Leo Liepmannssohn. Antiquariat. Berlin SW 11, Bernburger Straße 14, Nr. 13

Der Brief betrifft die 6. Sammlung seiner „6 Claviersonaten für Kenner und Liebhaber" ... „So gleich werde ich Ihnen den Titel u. die Pränumerantenliste zuschicken ... Hoffentlich wird meine Sammlung mit Messegelegenheiten alsdann vertheilt werden können." Er übersendet noch mehrere Exemplare der Sammlungen 2, 3 und 4 desselben Werkes.

132

112 AN ARTARIA HAMBURG ,

5.

MAI

1787

Original: D-brd Hth

Hamburg, d. 5 May 87 Hochgeehrteste Herren, Die verlangten 6 Exemplare meiner 6ten Sammlung 112 •1 werden Sie durch H. Breitkopfen erhalten. Da Sie ein halbes Exemplar Rabbat bekommen: so belieben Sie mir durch eine baldige und sichere Anweisung hier das übrige mit.9 rl. 4 gl. in Louisd 'or a 5 rl. zu bezahlen. Mit aller Hochachtung beharre ich Dero ergebenster Diener Bach H. Artaria [Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter] An die Herren Artaria u. Compg. Musikhändler 10

Wien [Eintrag von B. C. Breitkopf & Sohn] Dieser Brief ist aus Versehen hier liegen geblieben. Leipzig, d. 21.Juli 1787 p. Breitkopf [Eintrag Artaria J Bach di Hamborgo 5 May 87

112 1 •

Wq 61. RISM B 93.

133

113 AN)OHANN}AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG .

8.

MAI

1787

Original: D-ddr KÖ Publikation: Jacobi 2, S. 122-123

Hamburg, d. 8 May 87 Liebwehrtester Freund, erlauben Sie mir, daß ich mich diesmahl kurz faße. (1) Für alle gütige Mittheilung danke ich verbundenst; (2) Ihr Verzeichniß Ihrer musikalischen Schriften kommt hier bey; (3) Ihre Nachrichten von Kupferstichen und (4) das Verzeichniß meiner Compositionen habe ich hier behalten; ( 5) das Schriften Verzeichnis brauche ich nicht weiter; (6) Acht Sonaten kommen hierbey; (7) die beyden von E dur u. A moll sind Hafnersche gedruckte; (8) Sie haben alle characterisirte Stücke; (9) die bey No . 7 unter No. 6 angeführte Sammlung kenne ich nicht. Den Anfang meiner 6. Sonate darin wünschte 1 ich zu sehen; (10) die 6te Sonate unter den lezten sechsen 113 · ist eine von Hafner gedruckte Orgelsonate von mir. ( 11) die hierbey mitkommenden Sonaten aus dem E dur u . A. moll wie ich schon oben angeführt habe, sind Hafnerische gedruckte; (12) die 4 ersten, unter No. 10 angeführten Sonaten, ingleichen die 6te unter No. 11 stehende aus dem A dur sind auch gedruckte Hafnerische; auch die )te u . 6te unter No. 8. Folglich haben Sie nun alle 10 Hafnerischen Sonaten . (13) Da Sie Barons 113 ·2 Buch haben, so müßen Sie auch sein Portrait haben. Sie habens nicht angeführt. Wenn Sie es nicht haben sollten, so steht es Ihnen ebenso, wie mein beykommendes nicht gut getroffenes Portrait zu Diensten; (14) Auch überlaße Ihnen beykommenden Morhof ( 15) Ohne Ihren Schaden wünschte ich mir aus Ihrer Bildersammlung Professor

11 3 1 ·

Wq 49 . RISM B 66 .

11 3· 2 Ernst Gottlieb Baron ( I 7. Februat I696 Breslau bis 12 . April 1760 Berlin) schrieb 1727 in Nürnberg „Historisch-theoretische u . praktische Untersuchung des Instruments der Laute " und 1756 in Berlin „Abriß einer Abhandlung von der Melodie" .

134

M. Engel 113 •3 und M. de St. Huberti 113 ·4 , wenn Sie diesen lezteren doppelt haben. Allenfalls bezahle ich beyde mit Vergnügen. Endlich ( 16) muß ich Ihnen, als ein ehrlicher Mann, ohne Schmeicheley sagen, daß ich über Ihre Ordnung, über Ihren Fleiß u . Einsichten mich sehr gewundert und gefreut habe. Solchen Glaube, sage ich mit der Bibel, habe ich an vielen großen Oertern vergebens gesucht, am wenigsten in Schwerin vermuthet und dennoch gefunden, Basta cosi! Behalten Sie, würdiger Mann, ferner lieb Ihren alten treuen Freund und Diener Bach Binnen 14 Tagen höchstens erwarte ich meine 6te Sammlung 113 ·l von Leipzig. So bald noch ein Paar Lieferungen, die ich erwarte, eingelaufen sind: so laße ich meinen Bildercatalog drucken . [Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter) Dem Herrn Organisten W estphal m franco Schwerin Nebst einem ... Paket mit Musik Sig. M .W.

11 u

Johann Jacob Engel {11. September 1741 Parchim bis 28 .Juni 1802 Berlin)wurde 1775 durch Ramlers Vermittlung Professor der Philosophie amJoachimsthalschen Gymnasium in Berlin . 1787 wurde er Leiter des Berliner Nationaltheaters. 11 3·4 Antoinene Cecile Clavd, dite Sainc-Huberty (15. Dezember 1756 Straßburg bis 22 . Juli 1812 bei London) war eine gefeierte französische Sängerin, die besonders in Gluck-Rollen brillierte . ll3 .l

Wq 61. RISM B 93.

135

114 AN)OHANN)AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG .

3. Juu 1787

Original : F Pn Publikation : Bitter, S. 305-306

Hamburg, d. 3Jul. 87. Liebster Freund, Ich eile jezt, um Ihnen Ihre gütigst bezahlten 2 Exemplare zu übersenden. Künftig werden Sie die noch fehlenden charakterisierenden Stüke u . etwa 6 Solos von mir erhalten . Aber nun kommt mein bester Dank für Ihre Bilder. Engeln mit samt dem Rahm werde ich Ihnen wiederschicken. Ich lege jezt alles ohne Rahm in ein Buch. Ich werde Ihnen von meinen Doubletten etwas mitschicken. Sie müßen nicht zu gutherzig seyn, u. allenfals mir ein Bild, was schon eingefaßt ist, abtreten. Künftig ein Mehreres. Lieben Sie ferner Ihren wahren Fr. u. Diener Bach. H. W estphal.

136

115

AN? HAMBURG, 26. Juu 1787 Original: Privatbesitz, angezeigt in: Katalog Stargardt No. 618, 27./28. November 1979, Nr. 707

Hamburg, d. 26Jul. 87 Hochedelgebohroer, Hochgeehrtester Herr, Darf ich beym Beschluß meiner Arbeiten um die gütige Bezahlung der subscribirten 6 Exemplare meiner 6ten u. lezten Sammlung 115 • 1 ergebenst bitten? Ew. Hochedelgeb. belieben nur, für 5 1/2 Exemplare, 9 rl. 4 gr. in Louisd 'or a 5 rl. an ein hiesiges gutes Comtoir zu assigniren. Briefe machen Mühe u. Kosten, u. sind nicht nöthig. Ich beharre unverändert Ew. Hochedelgeb. ergebenster Diener Bach.

115 1 •

Wq 61. RISM B 93.

137

116 AN]OHANN]AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG ,

4.

AUGUST

1787

Original : D-ddr KÖ Publikation : Jacobi , S. 119-120

[Adresse] Dem Herrn Organisten Westphal m

Schwerin nebst einem Pakete mit Music sig. M. W . 6. franco Hamburg, d . 4 Aug. 87. Liebwehrtester Freund, Beykommende Sachen liegen schon lange hier. Ich glaube der H . D . Engel würde sie mitnehmen. Sie haben nun alle Hafnersche Sonaten von mir. Die, für die Orgeln aus dem B. gehört dazu. Ich irrte mich . Mit beykommenden Variationen haben Sie nun auch alles variierte. Aus Versehen sind 2 Stücke darunter, die Sie schon hatten. Die erwähnte Bataille ist nicht von mir. Dergleichen ist nicht meine Sache . Es ist manches auf meinen Nahmen u. ich weiß davon nichts . In Breitkopfs Raccolta von ao . 56 steht La Gleim pag . 34, La Bergius p . 37, La Borchward p . 45 , La Pott p. 46; in sei biger Raccolta von ao. 57 steht La Prinzette p . 5 u . L' Auguste p . 6. In Manuscripten findet man die Nahmen folglich haben Sie auch diese schon . Kein Papier wird in Rechnung gebracht. Dies überlaßen Sie meinem Gewißen. Das Papiergeld für beykommendes belieben Sie zu verspahren bis mehrers kommt, zu Erspahrung des Porto . Ich werde mit den Sonaten continuiren . Nun etwas von den Portraits . Kellners 11 6 • 1 kriege ich . Durch 11 6

138

•1

Vermutlich ist Johann Christoph Kellner ( 15 . August 1736 Gräfenroda bis 30. September 1803

Ihre allzugroße Gutheit haben Sie mich sehr verlegen gemacht. Für M. d. St. Huberti u . H . P . Engeln danke ich ganz ergebenst . Diesen leztern ohne Rahm wollte ich behalten, weil ich jezt , aus Mangel des Raums in meinem Saale, alle übrige Portraits ohne Rahm in ein Portefeuille thue u . dem, was ich etwa noch kriege , eben so verfahren werde . Genug ich pakte den Engel mit dem Rahm ein, allein ich ungeschickter Einpaker war so unglücklich, das Glas zu zerbrechen. en fin ich mußte ihn behalten, u . schicke Ihnen hierbey den Engel ohne Rahm wieder zurück . Zu einiger Schadloshaltung für Sie habe ich 7 Portraits, die Sie noch nicht haben , beygelegt . Vergeben Sie mir also u .nehmen damit vorlieb . Ich laure nun noch auf ein Paar mir versprochne Recruten, alsdann soll mein Bildercatalogue gewiß gedrukt werden . Gestern hat mit H . Schwickert von Leipzig von der neuen Edition meines ersten Versuchs 11 6 •2 Ein einziges Exemplar geschikt . Welche Lebensart! Außerdem würde ich Ihnen damit aufwarten . Gott erhalte Sie! Lieben Sie ferner Ihren alten Bach .

Kassel), der seit 1764 Organist in Kassel war , gemeint . Es kommt aber auch Johann Peter Kellner in Frage , der Kirnbergers Lehrer war und zum weiteren Schülerkreis Johann Sebastian Bachs zu rechnen ist. 116 2 •

Wq 254 . RISM B 145 .

139

117 AN]OHANN]AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG ,

25.

SEPTEMBER

1787

Original: D-ddr KÖ Publikation: Jacobi 2, S. 125

Hamburg, d. 25 Sept. 87. Liebwehrtester Freund, Mein leztes Paket werden Sie bekommen haben. Hier bey erhalten Sie wieder 6 Solos . Noch eins mit Veränderungen. 3 Stük meiner ehemaligen Paradeurs nämlich B dur, C dur und G moll. Und 2 andere etwas leichtere. Nun hängts von Ihnen ab: Was? wie viel, u. wann ich wieder etwas schicken soll. Meine Ramlersche Auferstehungs- u. Himmelfahrts Cantate 11 7 ' 1 in Partitur werden Sie wohl schon haben. Breitkopf der Verleger hat mir einige Exemplare geschickt; folglich kann ich hierunter dienen. Sie kostet 3 rl. 8 gl. Ich lebe u. sterbe der Ihrige Bach. [Adresse von anderer Hand J An den Herrn Organisten W estphal m

Schwerin. Nebst einem Päckchen mit Musik in blau Papier, Sig. M. W.

117 1 •

140

Wq 240. RISM B 115.

118 AN FINDEISEN HAMBURG,

9.

ÜKTOBER

1787

S Stockholm, Sitftelsen Musikkulturens Främjande Original : Publikation: Chrysander, S. 187

Dem Herrn Advocaten Find eisen In

Itzehoe frey. Hamburg, d. 9ten Oct. 87. Hochedelgebohrner, Hochgeehrtester Herr, Liebwehrtester Freund, Ew. Hochedelgeb. als einen bewährten Musikfreund und Kenner habe ich die Ehre zu benachrichtigen, daß H. Breitkopf in Leipzig meine Ramlersche Auferstehungs- und Himmelfahrtscantate1 18 ·1 in Partitur verlegt und gedruckt hat: Da Sie nun meine übrigen gedruckten Singstücke bereits haben, so frage ich ergebenst an: ob Ihnen mit diesem meinen lezten Stücke gedient wäre? Das Stück ist an 46 Bogen stark und Spottwohlfeil, nehmlich noch für den Pränumerationspreiß, 10 Mark Lübisch [4 Taler], und wenn Sie den apart gedruckten Text auch mit haben wollen, so legen Sie noch 4 Schillinge bey. Wenn Sie dies Stück bey Sich einmahl aufführen wollen, so will ich Ihnen alle ausgeschriebene Stimmen darzu leihen. Ich erwarte Ihren gütigen

118 ·1 Wq 240. RISM B 115 . 141

Willen und beharre mit der wärmsten Hochachtung Ew. Hochedelgeb . ergebenster Diener Bach. An den H . Scheel 118 ' 2 meine Ergebenheit.

119 AN]OHANN]AKOB HEINRICH WESTPHAL

HAMBURG,

25.

OKTOBER

1787

Original: Privatbesitz Publikation : Bitter, S. 308

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter) An den Herrn Organisten W estphal 10

Schwerin Nebst ein Paker mit Musik, Sig: H . W. Hamburg, d . 25 Oct. 87. Kurz und gut: Hierbey erhalten Sie, würdigster Freund, wieder 6 meiner Sonaten . Die aus dem H moll u. A dur sind vorzüglich. Den verlegten neuen ersten Versuch 119 •1 habe ich auch beygelegt. Er kostet, wegen der Verwahrung 1 Mark mehr, folglich 10 Mark. Außer den 6 Clavierfugen 119 •2 , die Sie schon haben, habe ich keine mehr gemacht; auch habe ich nichts weiter, für die Orgel oder Choräle auf-

118 2 •

P. Scheel war Advokat in Itzehoe , er sammelte Prämien für Bach .

11 9 1 •

Wq 254 . RISM B 145.

119, 2

Wq 119.

142

gesezt. Herbsten 119 •3 und Gerberten 119 •4 habe ich schon, ich danke schönstens . Die Allgemeine Liter. Zeitung 119 · ) hat man hier nicht. Ich mögte doch gern die Nahmen der 30 verlangten Bildniße wißen . Der Aufsatz ist nicht von mir. Richtern 119 ·6 aus Strasburg, Schmidten 1642 aus Magdeburg, Schmidten 119 •7 Sächsischer Capellmeister u. Caspar Kerle 119 ·8 wünschte ich mir, wenn sie zu haben wären, aber NB nicht anders, als für meine Bezahlung. Ich embrassiere Sie u . beharre unverändert Der Ihrige Bach .

119 •3 Johann Andreas Herbst [Aucumnus] (9 . Juni 1588 Nürnberg bis 24.Januar 1666 Frankfurt/Main) war seit 1623 Leiter der Kirchenmusik an der Barfüßerkirche in Frankfurt/Main . 11 9 •4

Marein Gerben (12 . August 1720 Horb/Neckar bis 13 . Mai 1793 Sc . Blasien/Schwarzwald) war seit 1764 Fürscabc von St. Blasien . Er hat sich in seinen Schriften vor allem um die Musik des Miccelalcers verdiene gemache. l l 9 .)

Die Allgemeine Literatur-Zeitung erschien in Jena.

11 9· 6

Franz Xaver Richter ( 1709 Holleschau /Mähren bis 12. / 13 . September 1789 Straßburg) war Kapell-

meister am Straßburger Münster. l l9. 7 Johann

Christoph Schmidt (6 . August 1664 Hohnscein/Sächs. Schweiz bis 13 . April 1728 Dresden)

war seit 1698 Kapellmeister der Dresdener Hofkapelle . l l 9. B Johann Kaspar Kerll (9 . April 1627 Adorf/Vogtland bis 13. Februar 1693 München) war seit 1656 kurfürstlicher Vicekapellmeiscer in München, fungierte bis 1674 als Hofkapellmeister in der Isar-Stadt, wurde 1677 Organist am Wiener Stephansdom . 1684 kehrte er wieder nach München zurück.

143

120 AN JOHANN HIERONYMUS S CHRÖTER HAMBURG .

4.

NOVEMBER

1787

Original : verschollen, angezeigt in : Katalog 42 . Autographen ... Versteigerung: . „ 21. November 1932 .„ M. Lengfeld'sche Buchhandlung „ . Köln a. Rh. Zeppelinstraße 9, Nr. 3 31

Sehr reizvoller Brief des greisen Meisters an den Oberamtmann Schröter (s.u .), „ein so sehr würdiger Gönner und einsichtsvoller Kenner der Tonkunst", der ihn um Überlassung ihm noch fehlender Werke gebeten hatte. Bach erfüllt gern diesen Wunsch und gibt ihm Auskunft über seine und seines Vaters Klavierfugen, die Sonaten für Kenner und Liebhaber, die Hamburger Choralmelodien, die große Ramler' sehe Auferstehungskantate usw. „Diese Cantate ... und die Litaneyen" , schreibt er, „sind unter allen meinen Sachen die am stärksten gearbeiteten Stücke, und von welchen ich, ohne ein eigenliebiger Geck zu seyn, hoffen darf, daß sie mir auch nach meinem Ableben viele Ehre und Kunstliebhabern großen Nutzen bringen können . Hiermit beschließe ich meine Arbeiten fürs Publikum und lege die Feder nieder ... " - Der Empfänger des Briefes ist der als astronomischer Forscher und Schriftsteller bekannte] ustizrat und 0 beram tmann Joh. Hieronymus Schröter ( 174 51816), der in dem Dorfe Lilienthal im Herzogtum Bremen eine mit guten Instrumenten ausgestattete Sternwarte unterhielt , die 1813 von den Franzosen zerstört wurde .

121 AN ENGELBERT BENJAMIN ScHWICKERT HAMBURG ,

17.

NOVEMBER

1787

Original : verschollen, angezeigt in: Auktions-Katalog LXXVI. Autographen, Musiker, Schauspieler und Sänger, Bildende Künstler. Karl Ernst Henrici & Leo Liepmannssohn. 24.-25. April 1922, Nr. 24

An den Buchhändler Schwickert in Leipzig, dem er über die neue Auflage seines berühmten theoretischen Werkes „Versuch über die wahre Art, das Klavier zu spielen" schreibt. Dieses Buch ist so ganz rein von allen Fehlern wie vielleicht kein einzig anderes in der Welt, „folglich ist keine Durchsicht noch viel weniger eine Correktur bey diesen Platten nöthig" . Er überlasse übrigens von jeher bei allen seinen Verlagswerken die Durchsicht und Korrektur allezeit der Druckerei.

144

122 AN)OHANN GornoB IMMANUEL BREITKOPF HAMBURG,

9.

FEBRUAR

1788

Original: Privatbesitz

[Eintrag von B. C. Breitkopf & Sohn] 1788 9. Febr. Hamburg pr. 13 13.-Bach 19 . No: 95 Kurz u. gut! Nicht ich, sondern Sie, lieber Freund, haben Sich geirrt . Sie kriegen noch wegen Burney 2 rl. Ich versprach, selbigem die Exemplare höher anzusetzen, dies habe ich gethan, u. Sie würden nochmehr gekriegt haben, wenn die Unkosten nicht gewesen wären; Von den 4 erhaltenen Cantaten habe ich nur noch 1 Stük übrig; wenn dies verkauft ist, so sollen Sie alles mit einmahl bekommen . Nehmlich Von Burney 2 rl. für 3 Stük 10 rl . Die übrigen von den erhaltenen 9 Exemplaren, 2 2 an Podmanizky 122 •1 , 2 an Burney, 1 an Grave 122 · 12 u. 1 an Sauppe 2.3 , samt 5 Texten u. den Swietenschen Exemplaren habe ich Ihnen bezahlt. Ich erwarte mit Schmerzen die Choräle. Ich wollte sie gerne complet haben u. binden !aßen. Schicken Sie mir (es ist Ihnen doch gleich viel) vom ersten Theile, 4 St . vom 2ten, 2 St. u . vom 4ten, 4 Stük, statt aller 10 St. vom 4ten Theile. Beykommenden Brief lesen Sie durch u . schicken mir ihn wieder zurück. Da ich die Choräle gerne bald hätte, so schicken Sie mir sie mit der Post.

122 1 •

Baron von Podmanizky, Freiherr aus Ungarn .

122 2 •

Wahrscheinlich Johann Heinrich Grave .

122

Gemeint ist der Haderslebener Organist Saupe .

·3

145

Das Porto will ich tragen . Fugen werde ich nicht machen . Vielleicht werden wir auf eine andere Art wieder zusammen kommen . Ich bin , wie allezeit der Ihrige Bach Hamburg , d . 9 Febr. 88

Sollten Sie mein Trinklied (der Wirth u . die Gäste) 122 •4 drucken, so melden Sie mirs vorher, damit ich Ihnen den Fehler sagen kann der im Drucke ist. Ich schicke Ihnen alsdann eine sichere Copie . Ich habe kein gedrucktes Exemplar . Kriegen wir bald wieder Prospekte nur sauberer ... u. keine Kirchen . Gleich jezo sprach ich wegen des einen Ex. mit H . Westphal. Er hats nicht von Ihnen genommen, sondern, wie er nicht anders weiß, aus Gotha von Ettingern 12 u.

122 4 •

Der Wirth und die Gäste . Eine Singode vom Herrn Gleim . Berlin : Georg Ludwig Winter 1766 . Wq 201. RJSM B 141. 122

146

·l

Carl Wilhelm Ettinger, Verleger, Buchhändler und Notendrucker in Gotha.

123 AN]OHANN]AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG ,

12.

FEBRUAR

1788

Original: D-ddr KÖ Publikation : Jacobi, S. 123

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter] An den Herrn Organisten Westphal m

Schwerin Nebst einem Päckchen mit Musik, in Papier, Sig: M. W . Liebwehrtester Freund, Viele Geschäfte haben bisher mich u. meine Notenschreiber beschäftiget. Damit Sie nun nicht glauben, daß ich Sie ganz vergeßen habe, so erhalten Sie hierbey 6 Solos u . ein Trio . Die 6 gütigst praenumerirten Mk . gehen hier auf. Mein schlecht getroffenes Bildniß kostet 2 Schillinge . Ordoniren Sie nun, was Sie weiter haben wollen; so will ich gleich Anstalt dazu machen. Ich bin, wie alle Zeit der Ihrige Bach . Hamburg, d . 12 Febr. 88 . Hoffentlich sind Sie nun wieder beßer. Ich bedaure Sie. Schonen Sie Sich, u . schreiben u . laufen Sie nicht zu viel.

147

124 AN CARL FRIEDRICH FASCH? HAMBURG, 2 5. FEBRUAR

1788

Original: verschollen. Kopie einiger Sätze durch Karl Friedrich Zelter ca. 20. August 1820. D-ddr Weimar, Nationale Forschungs- und Gedenkstätten

125 AN]OHANN GornoB IMMANUEL BREITKOPF HAMBURG ,

8. MARz 1788

Original: B MA Publikation : La Mara, S.

211-212

[Eintrag B. C. Breitkopf & Sohn] 1788 Hamburg 8. Merz 11. Bach 31. Hamburg, d. 8 März 88. Für die gütigst übersandten Choräle danke ich Ihnen, liebwehrtester Freund, verbundenst. Wegen H. Schöring will ich selbst schreiben, ich hoffe, es wird gehen, allenfals nehme ich die 6 Exemplare auf mich. Hierbey kommt das Trinklied 12 l· 1 . Die Strophen waren verwechselt. Sie können es aus dem Texte sehen. Dieser muß so, wie ich ihn Ihnen hierbey schicke, nach den Noten hinter her ausdrücklich unter gedruckt werden. In Ihrem Exemplar habe ich durch Nummern die rechte Folge, nebst den Einleitungen im Baße angedeutet. Jede Strophe fängt im Auftakte an. Nun werde ich nichts mehr selbst verlegen. Alle Schulden sind mir nun richtig

lZl,l

148

Wq 201. RlSM B 141.

eingegangen. Ich bin sehr zufrieden. Das Brief. schreiben u. Rechnung führen in meinem Alter incommodirt mich. Mit Ihnen ist es etwas anders. Ich will eine Anleitung zur Composition, mit den nöthigen Regeln u. mit Auslaßung aller Pedanterej, nach jetziger Zeit schreiben, u. damit, wenn mich Gott leben läßt, will ich schließen. Nun komme ich zu einem Antrag: Weil ich meine Sachen alle aus meinem Hause verkaufe u. keinen Credit gebe, auch keine Commißionärs halte: so geht der Verkauf etwas langsam. Genug ich will Ihnen meinen ganzen Verlag NB von den 6 Samlungen für Kenner u. Liebhaber verkaufen, wenn Sie Lust haben. Das Verzeichniß davon folgt hierbey. Außer dem kann ich noch an etliche u. zwanzig Ex. in beyden Schlüßeln liefern. Jetzt hatte ich nicht genug Zeit alles durchzusuchen. Wenn sie Lust haben, so thun Sie mir ein Gebot. Es sey so geringe, als es wolle. Ich nehme Ihnen nichts übel. Ich will sehr billig seyn, u. wir bleiben dem ohngeacht Freunde. Melden Sie mir bald Ihre Meynung. Ich bin, wie allezeit, der Ihrige Bach. [Am Rand] Kommt unser Handel zu Stande so wird die Zahlung dafür, wie bey Schwickerren, gleich gethan. Die 9 rl 12 gl sind wohl von H. Häßlern 12 i ·2 ?

m.i Johann Wilhelm Häßlcr (29. März 1747 Erfurt bis 29. März 1822 Moskau) war Organist, Pianist und Konzertunternehmer. Er eröffnete 1784 in Erfurt ein Konzertunternehmen und eine Musikalienhandlung. 1792 wurde er in St. Petersburg kaiserlicher Hofkapellmeister.

149

126 AN]OHANN]AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG,

9.

MAI

1788

Original: D-ddr KÖ Publikation: Jacobi, S. 125

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter] An den Herrn Organisten WestphaJ m

Schwerin Nebst einem Päckchen mit Musik in blau Papier, Sig: M. W. Hamburg, d. 9 May 88. Liebwehrcester Freund, Mein Notenschreiber hat bisher sehr viel zu thun gehabt: Vergeben Sie also gütigst, daß diesmahl meine Lieferung so spät erscheint. Sie erhalten hierbey 6 Solos u. 2 Trios, und wünsche, daß sie Ihnen gefallen mögen. Wie stehts mit Ihrer Gesundheit? Gott gebe, gut! Strapaziren Sie Ihre Augen nicht zu sehr; lesen und schreiben Sie nicht bey lichte. So mach ichs, u. conservire dadurch meine Augen. Behalten Sie mich lieb u. disponiren ferner über mich, Ihren alten wahren Freund u. Diener Bach. Der kleine Rest von 1 rc 2 s. bleibt bis künftig.

150

127 AN]OHANN

GornoB IMMANUEL BREITKOPF

HAMBURG, 2 5. ]UNI 17 88

Original : D-ddr KÖ

[Adresse] A Monsieur Monsieur Breitkopf, Libraire et Imprimeur tres renomme franco . a Leipzig .

[Eintrag von B. C. Breitkopf & Sohn] 1788 25.Juni Hamburg 30 - Bach. 30 - No : 380

Hamburg, d. 25 Jun . 88 Liebwehrtester Freund, Herr Schiörring hat mir seine 4 Louis d'or schon vor 8 Tagen geschickt u. verlangt nunmehro seine Exemplare. Ich habe Ihnen schon längstens geschrieben , daß er auch diesmahl, wie vordem immer, zu den bezahlten 6 Exempl. das 7te oben ein bekommen würde. Seyn Sie also so gut u . überschicken sie an mich . Ich bat, solche mit andren Sachen herzuschicken, aber es ist nichts geschehen. In Hoffnung baldiger Antwort beharre Ihr alter Fr. und Diener Bach.

151

128 AN)OHANN)AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG,

21. Juu 1788

Original: D-ddr KÖ Publikation: Jacobi, S. 126

[Adresse, geschrieben von Frau oder Tochter] An den Herrn Westphal, Organisten 10

Schwerin nebst einem Packet mit Musik, in blau Papier, Sig: H. W. Hamburg, d. 21 Jul. 88. Liebster Freund, Ich bin nicht wohl, also kurz und gut. Hierbey erhalten Sie alle meine 23 Doubletten u. Ihre Noten. Ihren großen Verlust 128 • 1 bedaure ich von Herzen. Ich rede aus der Erfahrung Bleiben Sie nur hüpsch gesund, dies wünscht das redliche Herz Ihres alten treuen Fr. u. D[iene]rs Bach. Tausend Dank für das überschickte Geld und vornehmlich für die Bilder, darum ich Sie

128 1 •

152

Tod der Tochter Louisa Dorochea.

gebracht habe. Zum wächsernen Noely 128 •2 gehört eine Schachteln, die konnte jezt nicht beygepackt werden. Künftig soll es gewiß mit kommen.

129 AN]OHANN]AKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG,

29. Juu 1788

Original: D-ddr KÖ Publikation: Jacobi, S. 124

[Adresse] Dem Herrn Westphal Organisten tn

Schwerin nebst einem runden Päktgen mit Musik sig. M. S. frey. 6 Hamburg, d. 29 Jul. 88 Liebwehrtester Freund, Vergeben Sie mir gütigst, daß ich bey kommendes Verzeichniß lezthin vergaß beyzu packen. Hier folgt es mit ergebenstem Danke. Sie brauchens. Noelly konnte wieder nicht beygepakt werden. Er erwartet eine Gelegenheit, vielleicht durch einen Freund, ders in Person mit nimmt. Gottlob, ich bin wieder beßer! Sorgen Sie ja für Ihre Gesundheit, wenn Sie lieben Ihren alten Freund und Diener Bach. 128 •2

Georg Noelli ( 1727 bis 24. September 1789 Ludwigslust) trat 1775 mit seinem Pantaleon zweimal in Hamburg auf, machte hier die Bekanntschaft Carl Philipp Emanuel Bachs.

153

130 AN ]OHANN GornoB IMMANUEL BREITKOPF

HAMBURG , 6. AUGUST

1788

Original : US PHhs

[Eintrag von B. C. Breitkopf & Sohn] 1788 Hamburg 6.Aug Bach

[Adresse] A Monsieur Monsieur Breitkopf Libraire et Imprimeur renomme

a franco.

Leipzig

Hamburg, d .6 Aug. 88 . Liebwehrtester Freund, Herr Donatius 130 · 1 hat bloß ungedruckte Lieder von mir verlangt. Ich habe sie ihm gegeben, und er wird sie Ihnen in wenigen Tagen zum Drucküberschicken. Sie werden vielleicht 8 oder 9 Bogen betragen; nur weiß ich das Format nicht; folglich sind Sie nun in allen, was Sie ehedem von meinen Liedern gedruckt haben und noch drucken wollen, völlig sicher. Ich bin noch immer der Ihrige Bach.

130

154

•1

Christian Gottfried Donatius war Verleger und Drucker in Lübeck .

tre

131 AN JOHANN JAKOB HEINRICH WESTPHAL HAMBURG , 2 . NOVEMBER

1788

Original: verschollen Publikation: Bitter, Band II, S. 307

Hamburg, d. 2. Nov. 88. Liebster Freund, Seit den 18. Sept. bin ich am Podagra und andern Zufällen sehr Krank gewesen . Nun fängt sichs an zu bessern . Hier haben Sie den ganzen Rest von meinen Solos in 8 Stücken . Ein Trio habe ich mit beygelegt. Haben Sie die Güte, wenn Sie wieder schreiben, mir den Anfang der Trio's, die Sie aus meiner Hand haben, zu vermerken. Das letzte Geld habe ich erhalten. Ich beharre Der Ihrige Bach.

132 EMPFEHLUNGSSCHREIBEN

für den Organisten am Großen Friedrichshospital Joachim Busse, der sich um den Organistenposten an St. Petro bewarb . Original : Berlin, Magistrats-Archiv oder Kirchenabteilung des Magistrats St . Petri. Vergleiche dazu: Curt Sachs, Musikgeschichte der Stadt Berlin bis zum Jahre 1800, Berlin 1908, S. 180-181.

133 EIGENHÄNDIGES SCHRIFTSTÜCK

Original : verschollen, angezeigt in : Auktions-Katalog XXXVI Karl Ernst Henrici, Nr. 724

155

LITERATUR

Bach/Dokumente

Bach-Dokumente , Bd . III. Dokumente zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs 1750-1800 , vorgelegt und erläutert von Hans-Joachim Schulze. Kassel usw . - Leipzig 1972 .

Badura-Skoda

Badura-Skoda , Eva : Eine private Briefsammlung, m : Festschrift Otto Erich Deutsch zum 80 . Geburtstag am 5. September 1963, hg. von Walter Gerstenberg, Jan LaRue und Wolfgang Rehm . Kassel usw . 1963 . S. 280-290 .

Bitter

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Borris

Borris, Siegfried : Kirnbergers Leben und Werk und seine Bedeutung im Berliner Musikkreis um 1750 . Kassel 1933.

Bücken/ Musikerbriefe

Bücken, Ernst (Hg .): Musikerbriefe, mit 12 Abbildungen und einer Handschriftenprobe . Leipzig (1940) . (Sammlung Dietrich . 36.)

Chrysander

Chrysander, Friedrich : Briefe von Karl Philipp Emanuel Bach und G . M. Telemann, in : Allgemeine Musikalische Zeitung 4 (Leipzig , 9. Juni 1869), Nr. 23, und (Leipzig, 16. Juni 1869), Nr. 24 .

Jacobi

Jacobi, Erwin R. : Five Hithecto Unknown Letters from C. P. E. Bach to ). ). H . Westphal , in : Journal of the American Musicological Society 23, 1970, S. 119-127 .

Jacobi 2

ders .: Three Additional Letters from C. P. E. Bach to).J. H . Westphal, in: Journal ofthe American Musicological Society 27, 1974 , S. 119-125.

La Mara

La Mara (das ist Marie Lipsius) : Musikerbriefe aus fünf Jahrhunderten . Leipzig 1886.

Miesner/Bach

Miesner, Heinrich : Philipp Emanuel Bach in Hamburg. Beiträge zu seiner Biographie und zur Musikgeschichte seiner Zeit . Heide 1929 .

Moldenhauer

Moldenhauer , Hans : From my Autograph Collection : C. Ph. E. Bach Dittersdorf - Mozart , in: Bericht über den internationalen Musikwissenschaftlichen Kongreß Wien 1956, hg. von Erich Schenk . Graz-Köln 1958 . S. 412-415 .

Nohl

Nohl, Ludwig : Musikerbriefe. Leipzig 1867 .

Nohl 2

ders .: Musikerbriefe . 2. Auflage, Leipzig 1873 .

Petzsch

Petzsch, Christoph : Ein unbekannter Brief von Carl Philipp Emanuel Bach an Ch . G . von Murr in Nürnberg, in: Archiv für Musikwissenschaft 22, 1965, S. 208-213 .

Plamenac

Plamenac, Dragan : New Light on the Last Years of Carl Philipp Emanuel Bach, in: The Musical Quarterly 35, 1949, S. 565-587.

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Reinhold, Bernhard: Aus der Umwelt der Wiener Klassiker, Freiherr Gottfried van Swieten, in: Der Bär, Leipzig 1929/30, S. 104-105.

RISM

Repertoire International des Sources Musicales I Internationales Quellenlexikon der Musik I International lnventory of Musical Sources. Einzeldrucke vor 1800. Bd. 1-9. Kassel usw. 1971-1981.

Schmid/Bach

Schmid, Ernst Fritz: Carl Philipp Emanuel Bach und seine Kammermusik. Kassel 1931.

Schneider/ Bach-Urkunden

Schneider, Max (Hg.): Bach-Urkunden. Leipzig 1916. (Veröffentlichungen der Neuen Bachgesellschaft. 17,3.)

Sonneck

Sonneck, O[scar] G.: Zwei Briefe C. Ph. Ern. Bach's an Alexander Reinagle, in: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft 8,

1906/07, S. 112-114. Suchalla

Suchalla, Ernst (Hg.): Briefe von Carl Philipp Emanuel Bach an Johann Gottlob Immanuel Breitkopf und Nikolaus Forkel, hg. und kommentiert von E. Suchalla. Tutzing 1985. (Mainzer Studien zur Musikwissenschaft. 19.)

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Grosse, Hans und Hans Rudolf Jung (Hg.): Georg Philipp Telemann. Briefwechsel. Sämtliche erreichbare Briefe von und an Telemann. Leipzig (1972).

Vriesländer

Vriesländer, Otto: C. Ph. E. Bach. München 1923.

Wilhelm

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Wustmann

Wustmann, Gustav: Ein Brief Carl Philipp Emanuel Bach's, in: Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft 10, 1908/09, S. 1-4.

157

BIBLIOTHEKSSIGEL

A - ÖSTERREICH Wgm Wn Wst

Wien, Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Wien, Österreichische Nationalbibliothek Wien, Wiener Stadtbibliothek

B-BELGIEN MA

Morlanwelz-Mariemont, Musee de Mariemont

CH- SCHWEIZ Zz

Zürich, Zentralbibliothek, Kantons-, Stadt- und Universitätsbibliothek

D-brd - BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND BAs OS Ha Hs Hth Kiu Mbs OLns W

Bamberg, Staatsbibliothek Darmstadt, Hessische Landes- und Hochschulbibliothek Hamburg, Staatsarchiv Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Universität Hamburg, Theatersammlung Kiel, Universitätsbibliothek München, Bayerische Staatsbibliothek Oldenburg, Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek

D-ddr - DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK Bds Bs Elb KÖ

Berlin, Deutsche Staatsbibliothek Berlin, Berliner Stadtbibliothek Eisenach, Bachhaus Köthen, Heimatmuseum

F - FRANKREICH Pn

Paris, Bibliotheque nationale, Departement de la Musique

GB - GROSSBRIT ANNIEN Lbm

London, British Library (British Museum)

US - VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA Bp NYp NYpm PHhs

1)8

Boston, Public Library New York, Public Library at Lincoln Center New York, Pierpont Morgan Library Philadelphia, Historical Society of Pennsylvania Library

Wc

Washington, Library of Congress

USSR - SOWJETUNION Lsc TAu

Leningrad, Gosudarstvennaja publicnaja biblioteka 1m . M. E. SaltykovaScedrina Tartu, Universitetskaja biblioteka

159

VERZEICHNIS DER BRIEFE

Brief-Nr. Empfänger 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

160

Rat der Stadt Naumburg Albumblatt Georg Philipp Telemann Autographe Quittung für Fredersdorff Georg Philipp Telemann Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Christoph Gottlieb von Murr Georg Michael Telemann Johann Nikolaus Forke! Albumblatt Georg Michael Telemann Georg Michael Telemann Georg Michael Telemann Georg Michael Telemann Georg Michael Telemann Georg Michael Telemann Georg Michael Telemann Georg Michael Telemann Johann Philipp Kirnberger Johann Philipp Kirnberger Georg Michael Telemann Georg Michael Telemann Johann Joachim Eschenburg Johann Joachim Eschenburg Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Heinrich Wilhelm von Gerstenberg Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Heinrich Wilhelm von Gerstenberg Stammbucheintragung für Carl Friedrich Cramer Heinrich Wilhelm von Gerstenberg Johann Heinrich Voß Johann Heinrich Voß Heinrich Wilhelm von Gerstenberg Georg Jacob Decker Johann Nikolaus Forke! Johann Nikolaus Forke! Johann Kaspar Lavater Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen Albumblatt

Datum Leipzig , 19 . August 1733 Leipzig , 20 . Januar 1734 Berlin, 29 . Dezember 1756 Berlin , 24 . Januar 1757 Berlin, 5. Juli 1759 Potsdam , 30. Oktober 1765 zwischen 1765 und 1771 Berlin, 11. Juli 1767 Hamburg , 4. September 1767 Berlin, 10. September 1767 Berlin, 14 . November 1767 Berlin, 6 . Dezember 1767 Berlin , 29 . Januar 1768 Hamburg, 22 . Juni 1768 Hamburg , Anfang August 1768 Hamburg, ca . 1768 ca . 1768 Hamburg , ca . 1769170 Hamburg, 21. Juli 1769 ca. 1770 Hamburg , 31. Januar 1771 Hamburg, 11. April 1771 Hamburg, 1. Mai 1771 Hamburg, 26 . Juni 1771 Hamburg, 2. Januar 1772 Hamburg, v.d . 22 . Aug . 1772 Hamburg, 15. Oktober 1772 Hamburg, 14 . November 1772 Hamburg, 21. Oktober 1773 Hamburg, 9. Februar 1774 Hamburg, 21. April 1774 Hamburg, 9 . Juni 1774 Hamburg, 14 . Juli 1774 Hamburg, 5. August 1774 Hamburg, 9. September 1774 Hamburg, 15 . September 1774 Hamburg, 29 . November 1774 Hamburg, Ende 1774 Hamburg, 13.Januar 1775 Hamburg, 6 . September 1775 Hamburg , 28 . September 1775 Hamburg , 3. November 1775

43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

Johann Nikolaus Forke! Empfänger unbekannt Heinrich Wilhelm von Gerstenberg Heinrich Wilhelm von Gerstenberg Empfänger unbekannt Adam Friedrich Oeser Johann Nikolaus Forke! Karl Wilhelm Ramler Johann Nikolaus Forke! Adam Friedrich Oeser Artaria Artaria Artaria Artaria Johann Philipp Kirnberger Artaria Engelbert Benjamin Schwickert Engelbert Benjamin Schwickert Böse Karl Wilhelm Ramler Johann Friedrich Bause Artaria Karl Wilhelm Ramler Baron Dietrich Ewald von Grotthuß Syndikus Faber Artaria Anna Amalia von Preußen Artaria Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Stammbucheintragung Empfänger unbekannt Artaria Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Heinrich Grave Artaria Artaria Artaria Johann Christoph Kühnau Artaria Johann Joachim Eschenburg Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Christoph Kühnau Johann Joachim Eschenburg Artaria Empfänger unbekannt (Verleger) Karl Wilhelm Ramler

Hamburg, 27. April 1776 Hamburg, 14. Mai 1776 Hamburg, 15. November 1776 Hamburg, 15. März 1777 Hamburg, 4.Juli 1777 Hamburg, 11. August 1777 Hamburg, 15. November 1777 Hamburg, 5. Mai 1778 Hamburg, 25. Juli 1778 Hamburg, 13. November 1778 Hamburg, 14. Juli 1779 Hamburg, 4. September 1779 Hamburg, 24. Oktober 1779 Hamburg, 10. November 1779 Hamburg, 16. Dezember 1779 Hamburg, 8. Februar 1780 Hamburg, 10. April 1780 Hamburg, 19. Mai 1780 Hamburg, 2. November 1780 Hamburg, 20. November 1780 Hamburg, 1. Mai 1781 Hamburg, 27. September 1781 Hamburg, 5. Dezember 1781 Hamburg, 1781 Hamburg, Fastenzeit 1782 Hamburg, 15. Oktober 1782 Hamburg, 5. März 1783 Hamburg, 2. Mai 1783 Hamburg, 26. Juli 1783 Hamburg, 2. August 1783 Hamburg, 27. Oktober 1783 Hamburg, 27. November 1783 Hamburg, 27. Dezember 1783 Hamburg, 28. April 1784 Hamburg, 19. Juli 1784 Hamburg, 31.Juli 1784 Hamburg, 18. August 1784 Hamburg, 31. August 1784 Hamburg, 3. September 1784 Hamburg, 2. Oktober l l84 Hamburg, 6. November 1784 Hamburg, 23. November 1784 Hamburg, 1. Dezember 1784 Hamburg, 11. Dezember 1784 Hamburg, 14. Januar 1785 Hamburg, 21.Januar 1785

161

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133

162

Johann Joachim Eschenburg Baron Dietrich Ewald von Grotthuß Anaria Alexander Reinagle Empfänger unbekannt Anaria Fürstbischof von Eutin Charles Burney Johann Joachim Eschenburg Alexander Reinagle Johann Joachim Eschenburg Engelben Benjamin Sehwicken Engelbert Benjamin Sehwicken Engelben Benjamin Sehwicken Baron Dietrich Ewald von Grotthuß Anaria Widmung an Johann Friedrich Hering Johann Jakob Heinrich Westphal Johann Jakob Heinrich Westphal Anaria Johann Jakob Heinrich Westphal Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Anaria Johann Jakob Heinrich Westphal Johann Jakob Heinrich Westphal Empfänger unbekannt Johann Jakob Heinrich Westphal Johann Jakob Heinrich Westphal Find eisen Johann Jakob Heinrich Westphal Johann Hieronymus Schröter Engelben Benjamin Sehwicken Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Jakob Heinrich Westphal Carl Friedrich Fasch (?) Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Jakob Heinrich Westphal Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Jakob Heinrich Westphal Johann Jakob Heinrich Westphal Johann Gottlob Immanuel Breitkopf Johann Jakob Heinrich Westphal Empfehlungsschreiben für den Organisten Joachim Busse Eigenhändiges Schriftstück

Hamburg, 27. Januar 1785 Hamburg, 27. Januar 1785 Hamburg, 27 . Januar 1785 Hamburg, 25 . Februar 1785 Hamburg , 5. April 1785 Hamburg, 4. Oktober 1785 Hamburg , 21. Oktober 1785 Hamburg, 2. Dezember 1785 Hamburg, 14 . Dezember 1785 Hamburg, 1785 oder 1786 Hamburg, 21. Januar 1786 Hamburg, 27 . Januar 1786 Hamburg , 2. Juni 1786 Hamburg, 4. August 1786 Hamburg, 4. September 1786 Hamburg, 26 . Oktober 1786 Hamburg, 1786 Hamburg, 2. Januar 1787 Hamburg, 9. Januar 1787 Hamburg, 5. März 1787 Hamburg, 5. März 1787 Hamburg, 10 . März 1787 Hamburg, 13 . April 1787 Hamburg, 5. Mai 1787 Hamburg, 8. Mai 1787 Hamburg , 3. Juli 1787 Hamburg, 26 . Juli 1787 Hamburg, 4. August 1787 Hamburg, 25 . September 1787 Hamburg, 9. Oktober 1787 Hamburg, 25 . Oktober 1787 Hamburg, 4. November 1787 Hamburg, 17 . November 1787 Hamburg, 9. Februar 1788 Hamburg, 12 . Februar 1788 Hamburg , 25 . Februar 1788 Hamburg, 8. März 1788 Hamburg, 9. Mai 1788 Hamburg , 25 . Juni 1788 Hamburg, 21. Juli 1788 Hamburg, 29 . Juli 1788 Hamburg, 6. August 1788 Hamburg, 2. November 1788 ohne Datum ohne Datum

VERZEICHNIS DER PERSONEN

Agricola, Johann Friedrich Ahlefeld, Ernst Friedrich Altnikol, ElisabethJuliana Frederica Altnikol, Johann Christoph Andersen Anna Amalia, Prinzessin von Preußen Artaria, Cesare und Francesco Bach, Johann Christoph Bach, Johann Sebastian Bach, Johann Sebastian (d. ).) Bachmann, Karl Ludwig Baron, Ernst Gottlieb Baumgarten, Karl Friedrich Bause, Johann Friedrich Benda, Franz Birnstiel, Friedrich Wilhelm Biron, Peter, Herzog von Kurland Böhm, Georg Böse Both, von Brandes, Albert Georg Braun, Johann Gottlieb Baron von Braun, Peter von Breitkopf, Johann Gottlob Immanuel

Brühl, Heinrich Graf von Bruhns, Nicolaus Burney, Charles Busse, Joachim Buxtehude, Dietrich Caldara, Antonio Chodowiecki, Daniel Nikolaus Christian, Herzog von Sachsen-Weißenfels Clavel, Antoinette Cecile Cramer, Carl Friedrich Cramer, Johann Thielemann (Tobias) Cramer, P. Decker, Georg Jacob Donatius, Christian Gottfried Engel, D. Engel, Johann Jacob

39 75 25, 27 39 36 19. 57, 69, 93. 95

53, 54, 55, 56, 58, 64, 68, 70, 71, 74, 77, 78, 79, 81, 86, 91, 94, 104, 108, 112 39 7, 19. 38, 44, 95. 99. 120 25, 27, 48, 63 80

113 45

63 39 (?). 76 7, 19 27, 88 39

61 95 15 77, 79. 81, 94 77

6, 25, 26, 27, 28, 30, 40, 53, 56, 60, 64, 71, 75, 76, 77, 78, 79. 83, 84, 104, 110, 111, 112, 116, 117, 118, 122, 124, 127, 130 39 39

96, 99. 122 132 39 39 65 39 113, 116

32 60 45

37 130 116 113, 114, 116

163

Ernst August, Herzog von Sachsen-Weimar Eschenburg, Johann Joachim Ettinger, Carl Wilhelm Faber Fasch, Christian Friedrich Carl Fasch, Johann Friedrich Findeisen Fischer, Johann Caspar Ferdinand Fleischer, Friedrich Gottlieb Forke!, Johann Nikolaus Fredersdorff Frescobaldi, Girolamo Friedrich Wilhelm, Kronprinz von Preußen Fries Froberger, Johann Jakob Fürstbischof von Eutin Fux, Johann Joseph Geliert, Christian Fürchtegott Gerben, Martin Gerlach, Johann Gotthelf Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von Gerstenberg, Sophie von Gleditsch,). G. Goldberg, Johann Gottlieb (Theophilius) Graun, Johann Gottlieb Graun, Karl Heinrich Grave, Johann Heinrich Grotthuß, Baron Dietrich Ewald von Händel, Georg Friedrich Häßler, Johann Wilhelm Hafner, Johann Ulrich Hartknoch, Johann Friedrich Hasse, Faustina Hasse, Johann Adolf Heine, Christian Gottlob Heine, Therese Herbst, Johann Andreas Hering, Johann Friedrich Herold, Johann Heinrich Herz, Moses Holland, Johann David Hummel, Johann Julius Kayser, Matthäus Kayser, Philipp Christoph Keiser, Reinhard Kellner, Johann Christoph

164

39

23, 24, 82, 85, 89, 97, 99 122

67 22 (?), 84 (?), 125 (?) 22 (?), 84 (?) 118

39 85

9, 38, 39, 43, 49, 51

4 9. 39, 44

41 56 39

95 39 72 119 25

29, 31, 33, 36, 45, 46 29, 33, 36, 45

5 39 3, 25 (?), 37 (?), 39, 99 (?) 3, 25 (?), 37 (?), 39. 99 (?) 76, 122 (?)

66, 90, 103 39. 99 124 109, 113, 116 29 99 37, 39. 99 38 38 119 71, 88, 105 60 104 21 29, 98, 109 40 40 39. 99 116 ( ?)

Kellner, Johann Peter Kerl!, Johann Kaspar von Kirnberger, Johann Philipp Klopstock, Friedrich Gottlieb Kolbe Krebs, Johann Tobias Kühnau, Johann Christoph Lavater, Johann Kaspar Lehmann,]. G. G. Leister, Joachim Friedrich Leopold Fürst von Anhalt-Köthen Liebe, Aesculap Luther, Martin Marpurg, Friedrich Wilhelm Meyn, Carl Wilhelm Mizler, Lorenz Christoph (von Kolof) Marhof Müller, S. Münter, Balthasar Müthel, Johann Gottfried Murr, Christoph Gottlieb von Nicolai Noelli, Georg Oeser, Adam Friedrich Pachelbel, Johann Persent und Dörner Piscator, Johann Georg Podmanitzky, Baron von Preisler, Johann Martin Quantz, Johann Joachim Rameau, Jean-Philippe Ramler, Karl Wilhelm Reifl f]enstein, Johann Friedrich Reinagle, Alexander Reinagle, Hugh Reincken [Reinike], Johann LJan] Adam Richter, Franz Xaver Roloffs, Friedrich Wilhelm Rost, Karl Christian Heinrich Saint-Huberty s. Clavel Salis Marschlins, Karl Ulysses von Saupe Scheel, P. Scheibe, Johann Adolf Schele, Martin Hieronymus

116 (?) 39, 119 19, 20, 39, 57 36, 40, 74, 77

109 39 80, 84 40 65 51, 82

39 103 10 15, 20 67 38, 39 113

103 31

39 7 99 128, 129 48, 52

39 56, 104 67 122 31

99 20 12, 50, 62, 65, 80, 88, 104, 106, 109, 117, 118, 120 48 92, 98 92

39 119 3 75 40 122 118 29, 31 38

165

Schiebeler, Daniel Schiörring, Nils Schmid, Balthasar Schmidt, Johann Christoph Schön, Johann Hinrich Schröter, Johann Hieronymus Schuback, Jacob Schubart, Johann Martin Schwanenberger, Johann Gottfried Sehwicken, Engelbert Benjamin Spalding, Johann Joachim Strungk, Johann Adam Swieten, Gottfried Bernhard Baron van Taute Telemann, Georg Michael Telemann, Georg Philipp Theile, Benedict Friedrich Tischer, Johann Nikolaus Vleugel, von Völckers, Michael Theodor Vogler, Johann Caspar Voigt, Johann Georg d.). Voß, Johann Heinrich Wagener, Franz Anton Westphal, Johann Christoph (d. Ä.) Westphal, Johann Jakob Heinrich W ever, Arnold Winter (Madame) Winter, Georg Ludewig Zachariä, Justus Friedrich Wilhelm Zelenka, Johann Dismas

166

16 31, 46, 124 (?), 127 16 119 21, 22 120

3 39 85, 99 59, 60, 78, 100, 101, 102, 116, 121 , 124

15 39 53, 56, 68, 81, 104, 122 18 8, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 21, 22 3, 5, 8, 11, 15, 16, 22, 39 1

29 31 99 39 39 34, 35

67 71, 80, 81, 86, 98, 109 106, 107, 109, 113, 114, 116, 117, 119, 122, 123, 126, 128, 129, 131

62 28 26, 28 82, 85 39

VERZEICHNIS DER STÄDTE UND LÄNDER

Ansbach Baden Berlin Bünden Dänemark Deutschland Dresden England Eutin Göttingen Gotha Hamburg

Hannover Holstein Itzehoe Kiel Köthen Kopenhagen Kurland Lauenburg Leipzig Lissabon Livland London Lübeck Lüneburg Magdeburg Mecklenburg Memel Mitau Naumburg Nürnberg Ohrdruf Otterndorf Peterswalde Polen Potsdam

39 39 3, 5, 8, 10, 11, 12, 38, 39, 41, 50, 57, 59, 60, 65, 80, 84, 88, 98 40 59 98 26, 39, 99 99 95 35, 49 60, 122 9. 11, 12, 13, 21, 22, 24, 25, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35. 36, 37, 39. 40, 41, 42, 43, 45, 47, 48, 50, 51, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 67, 68, 69. 70, 71, 73. 74, 76, 77, 78, 79. 80, 81, 82, 84, 85, 86, 88, 89. 90, 91, 92, 93. 94, 95, 97. 99. 100, 101, 103, 104, 106, 107, 109, 110, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 122, 123, 124, 126, 127, 128, 129, 130, 131 59 59 118 21 39, 29, 36 59 59 1, 2, 6, 28, 40, 48, 54, 59. 78, 79. 90, 94. 100, 110, 112, 113, 116, 118, 127, 130 98 59 98 45, 59 39 119 59 103 90, 103 1 16 39 61 104 26 6

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Riga Rom Rußland Schweden Schwerin Straßburg Weimar Weißenfels Wien

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39 48 59 59 106, 107, 113, 116, 117, 119, 123, 126, 128, 129 119 39 39 53, 55, 58, 64, 70, 71, 74, 78, 81, 86, 104, 112

BACH UND DER ZERFALL DER MUSIKALISCHEN FIGURENLEHRE CARL ÜAHLHAUS

Die Musikgeschichtsschreibung neigt, wie andere historische Disziplinen, zu dem Vorurteil, der Anfang geschichtlicher Entwicklungen sei wesentlicher als deren Ende. Jedenfalls steht die Anzahl der Bemühungen, Ursprünge zu erhellen, in einem seltsamen Mißverhältnis zu den wenigen Versuchen, Zerfallsprozesse darzustellen. (Daß es ein Ende eigentlich niemals gibt, kann nicht der Grund der Disproportion sein, denn vom Anfang gilt dasselbe: Die Gefahr, sich ins Unabsehbare zu verlieren, unterscheidet eine Nachgeschichte, die unaufhaltsam von den Konsequenzen zu den Konsequenzen der Konsequenzen führt, nicht im geringsten von einer Vorgeschichte, in der die Prämissen dazu zwingen, die Prämissen der Prämissen zu verfolgen.) Der Hang, Ursprungs- und nicht Zerfallsgeschichten zu erzählen - der Untergang Roms bildet als Hauptthema der Weltgeschichtsschreibung die große Ausnahme -, hängt offenbar mit den Zeitvorstellungen zusammen, von denen sich Historiker bewußt oder unbewußt leiten lassen. Wer die Zeit als aus der Vergangenheit in die Zukunft fließend empfindet, tendiert unwillkürlich dazu, das Neue, dem sie entgegentreibt, zu akzentuieren. Dagegen enthält das umgekehrte Bild, daß die Zukunft der Gegenwart entgegenkommt und in die Vergangenheit zurücksinkt, eine Herausforderung, den Vorgang zu schildern, wie geschichtliche Phänomene altern und schließlich absterben. Der geschichtstheoretische Exkurs mag als Abschweifung in Abstraktionen erscheinen, isr iedoch insofern nicht überflüssig, als er erkennen läßt, daß im Hinblick auf Bach und die Musikgeschichte des 18. Jahrhundens ein Problem, das man schwerlich als Scheinproblem abtun kann, nicht nur ungelöst geblieben ist, sondern nicht einmal deutlich formuliert wurde: das Problem, ob das Neue in der Entwicklung der Epoche die Auflösung des Alten herbeiführt oder ob es sie vielmehr voraussetzte, ob also die Tradition, die Bach repräsentierte, von innen heraus zerfiel oder von außen zerstört wurde.

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2

Der Versuch, in einem eng begrenzten Teilbereich, der in der Bach-Interpretation der letzten Jahrzehnte immer bedeutsamer hervorgetretenen musikalischen Figurenlehre, einige der methodologischen Schwierigkeiten zu skizzieren, die mit der Darstellung einer Zerfallsgeschichte verbunden sind , soll, um nicht abstrakt zu bleiben, von einem handgreiflichen, wenn auch unscheinbaren Detail ausgehen. Am Schluß des ersten Taktes von Bachs f-moll-Sinfonia steht auf unbetonter Zeit der Tritonus a' über es, zu dem die Quinte b' über es einen Vorhalt bildet und der sich andererseits im nächsten Takt regulär in die Sexte b' über d auflöst. Der Tritonus ist als musikalisch-rhetorische Figur, als Parrhesia, interpretiert und in einen Kontext anderer Figuren , vor a!Jem des Passus duriusculus im Baß, eingefügt worden . Grundlage der Figurenlehre ist jedoch der Intervall-, nicht der Akkordsatz , von dem die Beschreibung der Quinte als Vorhalt des Tritonus ausgeht: Das Bezugssystem, das die Figurenlehre als eine Theorie des lizenziösen Kontrapunkts voraussetzt, ist der strenge Satz des 16. Jahrhunderts . Versteht man also den Tritonus - und es fällt einem Hörer des 20 . Jahrhunderts schwer, ihn anders zu verstehen - als Fragment eines Dominantsept- oder Sekundakkords, so ist die Deutung als musikalisch-rhetorische Figur, wie es scheint, hinfällig. Die Behauptung, er sei Bestandteil eines Akkords und nicht, wie als Parrhesia, ein Phänomen für sich, muß allerdings, um nicht mißverständlich zu sein, differenziert werden. Die Figurenlehre enthielt immer schon Einschläge von Akkordvorstellungen. Den Dominantseptakkord setzt auch eines der Zitate voraus - „Vedete mi morire" -, an denen Christoph Bernhard um 1660 die Heterolepsis, die „Ergreiffung einer anderen Stimme", exemplifizierte . Daß sich der Tritonus e-ais' mit abspringender Dissonanz in die Terz dis-fis' statt in die Sexte dis-h' auflöst, ist einzig darum möglich, weil die reguläre, im notierten zweistimmigen Satz latente Stimmführung im Akkordgriff des Generalbasses enthalten ist. Daß zum Material des Generalbaßsatzes Griffe gehörten, bei denen ein Akkordeine primäre, unmittelbar gegebene Einheit und nicht eine sekundäre Zusammensetzung von Intervallen, also ein harmonisches und nicht ein kontrapunktisches Phänomen darstellt, dürfte kaum bestreitbar sein, besagt jedoch nicht, daß der Generalbaßsatz durchgängig Akkordsatz sei, und vor allem nicht, daß Akkordprogressionen im Sinne der Funktionsharmonik den musikalischen Zusammenhang und Fortgang determinieren und verbürgen. Die f-moll-Sinfonia ist ohne Mühe funktionsharmonisch interpretierbar. Der Einwand aber, daß nicht ein latentes Akkordgerüst, sondern der chromatische Quartgang im Baß und die dissonierenden Intervallrelationen zwischen Baß und Oberstimme die Substanz des Tonsatzes bilden, an der sich sowohl die einfache Wahrnehmung als auch eine darüber hinausgehende figürliche Deutung orientieren kann, muß ernst genommen werden .

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3 Die Erörterung eines einzigen Intervalls, eine Erörterung, deren Umständlichkeit sich nicht vermeiden ließ, sollte nichts anderes zeigen, als daß eine musikalische Exegese mit den Mitteln der Figurenlehre von satztechnischen Prämissen abhängt, die ihrerseits musiktheoretische Implikationen enthalten, und zwar solche, bei denen selten feststeht, wie lange sie musikalisch real sind und wann sie zu Fiktionen verblassen. Die musikalische Wirklichkeit ist Gegenstand eines kategorial formenden Bewußtseins oder, um mit Edmund Husserl zu sprechen, intentionales Objekt, ist also von den Noten nicht unmißverständlich ablesbar. Daß Figurenlehre und funktionale Harmonik sich „eigentlich" ausschließen, läßt sich demonstrieren, besagt aber keineswegs, daß eine Koexistenz in Bachs kompositorischer Intention - der unbewußten bei der funktionalen Harmonik und der bewußten bei der Figurenlehre unmöglich war. Bachs Werk erlaubt nicht nur zum größten Teil eine funktionsharmonische Interpretation, sondern fordert sie sogar, und zwar insofern, als ohne sie ein Verständnis des musikalischen Zusammenhangs und Fortgangs nicht möglich erscheint - und in nichts anderem als einem solchen Verständnis besteht die letzte Instanz für ein Urteil über die Triftigkeit musiktheoretischer Annahmen. Die Folgerung aber, eine über die Satztechnik hinausgreifende Interpretation - die musikalisch-rhetorische sei substanzlos und hinfällig, sobald ihre musiktheoretischen Voraussetzungen ausgehöhlt sind, wäre überstürzt. Die Deutung des Tritonus im ersten Takt der f-mollSinfonia als Parrhesia mag, als das Werk entstand, von der Entwicklung der Satztechnik - auch und gerade der Bachsehen - „überholt" gewesen sein. Daß sie aber Bachs Intention trifft, ist dennoch nicht ausgeschlossen.

4 Begreift man musikalische Realität als Bewußtseinstatsache und nicht als Sachverhalt, der in den Noten steht, so muß der Zerfall einer Realität als Auflösung der Kategorien, die in letzter Instanz der Konstituierung einer bestimmten Entwicklungsstufe der Musik zugrundelagen, interpretierbar sein, wobei allerdings, wie gesagt, zeitliche Verschiebungen der verschiedenen Schichten musikalischen Denke~s - von der allegorischen oder figürlichen Deutung über die satztechnische und musiktheoretische Fundierung bis zu den ontologischen Implikationen - durchaus möglich und sogar wahrscheinlich sind. Daß Veränderungen in den Systemen grundlegender Kategorien, die im Sinne Fernand Braudels zu den Strukturen von langer Dauer gehören, sich selten dokumentarisch fixieren lassen - jedenfalls nicht in der Geschichte des allgemeinen Bewußtseins, die mit der Geschichte der philosophischen Entdeckungen oder Durchbrüche nicht zusammenfällt-, ist kein Grund, einer histori171

sehen Analyse auszuweichen: Die nicht datierbare Geschichte ist von nicht geringerer Bedeutung als die datierbare. Um zu exemplifizieren, was gemeint ist, mag es genügen, in fragmentarischer Form drei Prämissen der musikalischen Figurenlehre - und zwar im Hinblick auf die Problematik einer Zerfallsgeschichte - zu erörtern . Erstens liegt dem Verfahren, vom Namen einer Figur auszugehen, um hinter den Textworten, die der musikalische Sachverhalt illustriert, einen zweiten, verborgenen Schriftsinn zu entdecken, nicht selten eine Voraussetzung zugrunde, die von Ernst Robert Curtius „Etymologie als Denkform" genannt worden ist. Daß die strenge Imitation „Canon" heißt, reicht dann aus, um hinter den Worten „Ein feste Burg", die ein Kanon musikalisch darstellt, den Gesetzesbegriff als eigentlichen Sinn der Textstelle hervortreten zu lassen . Es handelt sich, formelhaft ausgedrückt, um einen Schluß vom etymologischen Substrat eines Namens auf das Wesen oder die Natur des benannten Sachverhalts: einen Schluß, der uns ebenso fremd ist, wie er dem Mittelalter und der frühen Neuzeit selbstverständlich war. Zweitens unterscheiden sich die abbildenden musikalischen Figuren des Barockzeitalters, die Joachim Burmeister 1606 unter dem Begriff der Hypotyposis zusammenfaßte, von der Tonmalerei späterer Epochen durch einen reicheren, substanzielleren Begriff der Ähnlichkeit. Man kann ohne Übertreibung behaupten, daß die Vorstellung von Ähnlichkeit, von der sich noch Bach bei der figürlichen musikalischen Exegese leiten ließ, im Sinne des mittelalterlichen und bis zum Barock wirksamen Analogiebegriffs mit der platonischen Idee der Teilhabe verbunden war. Die Bildung eines musikalischen Analogons zu einem theologischen Begriff - etwa bei der Kanonsymbolik - erschöpfte sich nicht in einer Ähnlichkeit oder Assoziation von Merkmalen, sondern schloß die Prämisse ein, daß die Ursache - der Gesetzesbegriff in der Folge oder Auswirkung - dem musikalischen Gebilde - in einem anderen Seinsmodus wiederkehre, und zwar differenziert entsprechend den Bedingungen, die in der musikalischen Materie enthalten sind. Drittens impliziert der Intervallsatz, der die Grundlage der musikalischen Figurenlehre bildet, eine mathematische Fundierung des Tonsatzes, während der Akkordsatz, dessen Theorie seit 1722 von Jean-Philippe Rameau entwickelt wurde, der Gegenstand physikalischer Erklärungsversuche war. Dem Modellfall regulären Kontrapunkts, daß sich eine Dissonanz in eine imperfekte Konsonanz auflöst und die im perfekte Konsonanz_ihrerseits zu einer perfekten fonschreitet, liegt der Gedanke zugrunde, daß die kompliziertere, unvollkommenere Proportion der einfacheren, vollkommeneren von Natur zustrebt. Dagegen war die Harmonielehre, wenn auch zu ihrem Unglück, zwei Jahrhunderte lang von der Idee besessen, daß es gelingen müsse, die Struktur und die Progression von Akkorden aus der Partialtonreihe zu deduzieren. Ausschlaggebend ist allerdings nicht die Tatsache, daß sich Intervalle durch Proportionen bestimmen lassen und daß der Durdreiklang in der Obertonreihe enthalten ist, sondern die Hypothese, daß die Proportion den mathematischen Seinsgrund des Intervalls und die Naturtonreihe die physikalische Ursache des Ak172

kords bilde. Nicht in beschreibender, sondern in erklärender Funktion sind Mathematik und Physik, und zwar die antik-mittelalterliche Mathematik und die neuzeitliche Physik, tragende Prämissen der Musiktheorie. Und die Ablösung der mathematischen durch die physikalische Ontologie bildet das ideen- oder wissenschaftsgeschichtliche Korrelat des Übergangs vom Intervall- zum Akkordsatz. Sowohl die Etymologie als Denkform als auch der ältere Analogiebegriff und die platonisch-pythagoreische Mathematik waren also, wenn auch latent, in den ideengeschichtlichen Fundamenten enthalten, von denen die musikalische Figurenlehre getragen wurde . Der geschichtliche Prozeß aber , in dem ihre Wirksamkeit verloren ging oder reduziert wurde, läßt sich nicht in eine einfache Formel fassen: Auch Ideen sterben nicht sämtlich auf die gleiche Weise . Und man kommt einer historischen Darstellung, die den Anspruch erheben darf, als Interpretation und nicht als bloße Beschreibung zu gelten, vermutlich ein wenig näher, wenn man an den skizzierten Veränderungen in den Fundamenten der Figurenlehre Differenzen der Verlaufsmodi beobachtet, in denen sie sich vollzogen. Der Übergang von den Hypotyposis-Figuren des Barockzeitalters zur Tonmalerei des späteren 18 . Jahrhunderts war zweifellos ein Substanzverlust. Und es ist kein Zufall, daß das „malende" Genre, wie man es nannte, rasch der ästhetischen Geringschätzung im Namen des „rührenden" Genres verfiel: einer Geringschätzung, deren polemische Ausdrucksformen sich zum Teil gegen die Barocktradition richteten, obwohl ihren eigentlichen Gegenstand die leeren Hülsen der barocken Hypotyposis-Figuren bildeten . Ist demnach der geschichtliche Vorgang unmißverständlich, so erlaubt es doch erst der Rückgriff auf den älteren Analogiebegriff, der außer dem Moment der Ähnlichkeit auch das der Teilhabe enthält, den Substanzverlust genauer zu bestimmen, also einen Grund anzugeben, warum unter den ideengeschichtlichen Bedingungen des späteren 18 . Jahrhunderts die Chance der Tonmalerei, essentiell und kein bloßes Spiel zu sein , geringer war als im Barockzeitalter. Die Ablösung der mathematischen Ontologie durch die physikalische , die das wissenschaftsgeschichtliche Korrelat zu dem musikalisch tiefgreifenden, die Fundamente der Satztechnik verändernden Übergang vom Intervall- zum Akkordsatz bildeten, erweist sich in der Musiktheorie als langsame Transformation . Sogar Rameau, der Begründer einer physikalisch orientierten Harmonielehre, ist der Sachverhalt, daß die mathematische und die physikalische Denkform, sofern man sie ontologisch interpretiert, sich gegenseitig ausschließen, niemals deutlich geworden: Er schwankte, manchmal in ein und demselben Traktat, zwischen der einen und der anderen . Von einem Zerfall, der nichts zurückließ, kann nicht einmal bei der etymologischen Denkform die Rede sein . Da sie in peripheren Überlieferungen einen Rest von Leben fristet, ist es wahrscheinlich - wie bei der von Albert von Thimus bis zu Hans Kayser esoterisch tradierten pythagoreischen Mathematik der Musik - wissenssoziologisch angemessener, von einem Statuswechsel, einem Absinken vom Wissenschaftlichen ins Sektiererische zu sprechen, wobei sich unter der Voraussetzung, daß die Grenzziehungen der „scientific community" zwischen Wissenschaft und Sektie173

rertum nach Paul Feyerabend schwach begründet sind, ein pejorativer Akzent der Differenzierung vermeiden oder zumindest mildern läßt. Die Unterscheidung zwischen Formen des Übergangs wie Substanzverlust, Transformation und Statuswechsel ist zweifellos nicht geeignet, dem Problem, durch welche ideengeschichtiichen Veränderungen die musikalische Figurenlehre im 18. Jahrhundert allmählich ausgehöhlt wurde, eine einfachere Fassung zu geben . Und zudem handelt es sich bei der begrifflichen Aufspaltung eher darum, die Fragen zu präzisieren, als Antworten zu erteilen, die in einer an Fakten orientierten Musikgeschichtsschreibung Platz finden könnten . Dennoch ist es bei einer Bach-Interpretation, deren Ehrgeiz über die bloße unreflektierte Anwendung der rhetorischen Terminologie hinausreicht , nicht nutzlos, sich einige der Probleme bewußt zu machen, in die man sich bei einem Rekurs von der figürlichen Exegese zu den satztechnischen Voraussetzungen , von der Satztechnik wiederum zu den musiktheoretischen Implikationen und von der Musiktheorie schließlich zu den ontologischen Prämissen verwickelt - einem Rekurs, der gleichsam unaufhaltsam weitertreibt .

174

QUELLEN WR BACH-REZEPTION IN BERLIN IN DER ZWEITEN HÄLFTE DES 18. JAHRHUNDERTS RUDOLF faVERS

Die Quellen zur Rezeption der Musik Johann Sebastian Bachs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fließen in Berlin kräftig genug. Der dritte Band der Bach-Dokumente, nämlich die von Hans-Joachim Schulze vorgelegten Dokumente zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs 1750-1800 vom Jahre 1972 zeigen das deutlich genug. Über 30% der dort veröffentlichten Quellen sind von Berlinern oder in Berlin ansässigen Theoretikern und Musikern verfaßt und in Berlin veröffentlicht. Man setzt sich mit einzelnen Werken Bachs auseinander, weist auf die Schüler des Thomaskantors hin, veröffentlicht als ersten Druck nach Bachs Tod dessen Choräle und führt ihn sogar in die schöne Literatur ein. Das ist jetzt alles bekannt und braucht hier nur angedeutet zu werden. Namen wie Marpurg, Carl Philipp Emanuel Bach, Quantz, Kirnberger und Agricola werden im laufe des halben Jahrhunderts abgelöst von Wilhelm Friedemann Bach, Reichardt, Nicolai, Zelter und Spazier - um repräsentative Namen zu nennen. Es sind also zunächst vornehmlich diejenigen Fachleute, die sich im Kreis der Prinzessin Anna Amalia begegnen. Mit diesem Namen verbinden wir natürlich auch ihre Bibliothek, über die uns Eitner 1884 zuerst aufgeklärt hat und deren Katalog 1965 von Eva Renate Blechschmidt als Dissertation neu vorgelegt wurde - die maschinenschriftliche Fassung der Dissertation ist übrigens gehaltvoller als die gedruckte. In dieser Bibliothek kommen nun neben fast allen zu Bachs Lebzeiten erschienenen Drucken - die Mühlhäuser Ratswahl-Kantate und die Einzeldrucke der Partiten fehlen - nur Handschriften in Partituren vor: in 57 Katalog-Nummern alle Passionen, Oratorien, große Bündel Kantaten, Konzerte, die Brandenburgischen bekanntlich im Autograph, Kammermusiken und Choräle. In 29 Katalog-Nummern werden große Teile von Bachs Orge.1- und Klaviermusik überliefert. Es handelt sich also um eine gelehrte Bibliothek, um eine Sammlung, wie nicht anders zu erwarten war, da Stimmensätze völlig fehlen - bis auf die Stimmen in Bachs Dedikationsexemplar des Musikalischen Opfers. Was sich aus Eimers und Blechschmidts Katalogen nicht immer ablesen läßt, ist die Provenienz der einzelnen Handschriften und Drucke. Überliefert ist, daß Kirnbergers Musikbibliothek in der seiner Gönnerin Anna Amalia aufgegangen ist. Gott175

lob hat Kirnberger in vielen Titeln Besitzvermerke angebracht, so daß wir zum Beispiel wissen, daß das merkwürdige Exemplar der Goldberg-Variationen mit den im Druck verrauschten Seiten 4 und 6 aus seinem Besitz stammt. Es wäre künftig genauer zu klären, wie diese einmalige Sammlung feiner Stücke zusammengewachsen ist , auf deren Bedeurung bereits Zelter 1800-1802 hinwies. Er verfaßte damals einen handschriftlichen Katalog der Musikalien, die durch das Eingreifen Adolf von Harnacks 1914, als dasJoachimsthalsche Gymnasium bereits nach Templin verlegt war, in Berlin blieben, als Leihgabe für die Königliche Bibliothek, die dann die Sammlung als Preußische Staatsbibliothek unmerklich aufgesogen hat und zum eigenen Bestand schlug . Neben der Prinzessin Anna Amalia sammelten aber auch die Grafen von VoßBuch . Otto Karl Friedrich Graf von Voß (1755-1823) ging ganz seinen musikalischen Neigungen nach, als er sich frühzeitig genug aus dem Staatsdienst zurückgezogen hatte; es ist wahrscheinlich, daß bereits sein Vater, der Legationsrat Hieronymus von Voß, die Musiksammlung begründet hatte . Die Grafen sind , da es viele Voß im norddeutschen Adel gibt, nach ihrem Besitz Buch bei Berlin als Voß-Buch in die Überlieferungsgeschichte eingegangen . Karl Otto Friedrich Graf von Voß (17861864) schenkte 1851 die Musikaliensammlung der damaligen Königlichen Bibliothek in Berlin . In der Neuen Bach-Ausgabe sind einzelne Handschriften aus der Sammlung VoßBuch bei den entsprechenden Ausgaben behandelt worden. Eine erste Zusammenfassung über den Bestand hat Uta Herrin im Katalog der hiesigen Bach-Ausstellung auf den Seiten 39 und 40 gegeben. Auch aus der Possessoren-Liste in Paul Kasts Katalog der Berliner Bach-Handschriften können die erhaltenen Bachiana eruiert werden . Viele geistliche Kantaten und mehrere Instrumentalkompositionen Bachs gehören in die Sammlung, fast ausschließlich Abschriften, aber auch teilautographe Stimmensätze kommen vor. Es läßt sich festhalten, daß nach Buch nicht nur Handschriften aus Wilhelm Friedemanns Besitz gekommen sind, sondern auch solche aus dem Nachlaß von Carl Philipp Emanuel Bach, die wiederum über den Nachlaß von Johann Christoph Westphal, einem Schüler Schwenckes in Hamburg, nach Buch gelangten . Eine zusammenfassende Darstellung steht bisher aus. Die erhaltenen Stimmensätze belegen aber , daß man in Buch musiziert hat. Eine zusammenfassende Darstellung steht auch noch völlig aus für die Sammlungen, die Sara Levy, geb. Itzig, und einer ihrer Brüder in Berlin sich angelegt haben beides Kinder vom Münzentrepreneur Friedrichs des Großen, Daniel Itzig. Von der Prinzessin über die Grafen nun zur jüdischen Hochfinanz in Berlin. Sara Levy sollte uns allen als Großtante von Felix Mendelssohn Bartholdy bekannt sein und durch Erich Werners MGG-Artikel, der gekürzt im neuen Grove (1980) wieder auftaucht. Er ist mit viel Phantasie und offenbar ohne große Quellenkenntnis verfaßt. Hier zunächst die exakten Daten für die Dame: geboren am 19.Juni 1761 in Berlin, gestorben daselbst am 11. Mai 1854 - sie hat also die gesamte Familie Mendels176

sohn Bartholdy bis auf den Bruder Paul überlebt. Am 2. Juli 1783 heiratete sie in Berlin den Bankier Samuel Salomon Levy (20.8.1760-6.9.1806), der ein Sohn eines Vetters von Sara gewesen sein soll. Handschriften aus dem Besitz von Sara Levy lassen sich in der Berliner Bibliothek nachweisen, ferner in Brüssel, in mindestens drei Privatsammlungen und noch immer im Handel. So konnten zwei Handschriften , die ehemals bei Werner Wolffheim gewesen waren, vor einigen Jahren nach Berlin zurückgeholt werden. Überliefert sind meistens Werke von Carl Philipp Emanuel Bach, doch kommt auch das Wohltemperierte Klavier in Saras Sammlung vor. Die Stücke aus ihrer Sammlung sind am charakteristischen Namenszug Sara Itzig oder Sara Levy nee Itzig zu erkennen . Auf den meisten Handschriften ist der Besitzvermerk aber sauber ausgestrichen und durch A. Mendelssohn oder Abr. Mendelssohn ersetzt. Das ist nicht Arnold Mendelssohn in Darmstadt, der Lehrer Hindemiths, wie Kast meint, sondern dessen Großonkel Abraham Mendelssohn in Berlin, der Vater des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy . Nachweislich hat Sara Levy das Autograph von Carl Philipp Emanuel Bachs Doppelkonzert für Cembalo, Klavier und Orchester in Es-Dur, Wq 47, am 8. Oktober 1813 der Sing-Akademie zu Berlin geschenkt. Ob sie aber auch testamentarisch ihre Sammlung diesem lnstirut vermacht hat, wie Werner meint, ist doch sehr die Frage . Als Felix Mendelssohn in der Wahl zum Nachfolger Zelters unterlag , zog sich der Mendelssohn-Clan sehr plötzlich von der Sing-Akademie zurück, Tante Sara gehörte zu ihm . Ist nicht ihre Sammlung oder sind vielleicht auch nur Teile aus dieser Sammlung längst bei den Mendelssohns gewesen, wie der neue Besitzvermerk A . Mendelssohn zeigt? Erst seit 1822 nennt Abraham Mendelssohn sich und seine Familie Mendelssohn Bartholdy , die genannten Stücke müssen also vorher in seine Hände gelangt sein , sonst hätte er den Zunamen Bartholdy, auf den er größten Wert legte, hinzugesetzt. Um Sara Levys Sammlung zu rekonstruieren, bleibt noch eine Menge zu tun, vor allem muß man sich in Geduld üben . Die braucht man auch, wenn man eine andere Sammlung wieder zusammenführen möchte, die von Sara Levys Bruder nämlich. Kast gibt unter den Besitzern für Handschriften in seinem Katalog der Berliner Bach-Handschriften unter dem Namen Itzig an : Blümche (?) 1752-1834 . Nun ist Blümchen ltzig in der Tat eine ältere Schwester der uns schon ein bißchen vertrauten Sara Levy - Daniel Itzig hatte neun Töchter und vier Söhne -, aber sie ist 1753 geboren und 1814 bereits verstorben. 1772, also mit 19 Jahren, heiratete sie den Lieblingsschüler von Moses Mend~lssohn , David Friedländer. Nun tragen die bei Kast unter Blümche ltzig verzeichneten Handschriften einen Sammlerstempel, oval , mit den verschlungenen Buchstaben Bltzig, der Stempel kommt auch bei in der Berliner Bibliothek aufbewahrten Handschriften anderer Komponisten - vornehmlich aus dem Kreis um Anna Amalia - vor. Es ist nicht anzunehmen, daß Blümchen vor ihrer Heirat mit 19 Jahren einen Sammlerstempel besaß, vielmehr ihr älterer Bruder Bonem Benjamin ltzig (12.6.1756 Berlin bis 177

30 . 11 . 1833 Frankfurt/ Oder) bietet sich hier als Sammler an: Er ist der einzige in diesen Jahren aus dieser Familie, auf den der Sammlerstempel bezogen werden kann . Zudem spricht für ihn, daß er auch mit Geld gehandelt hat . Schließlich heiratete seine Tochter Lea (geb . 1781) Simon Mendel (gest . 1853), nach 1812 Mendheim, eine Familie , die nicht nur ebenfalls wohlhabend war, sich am Verlag Trautwein beteiligte, sondern auch Autographe sammelte und so in der Überlieferung von Handschriften Mozans zum Beispiel eine Rolle spielt. In der Sammlung von Benjamin ltzig kommen Stimmensätze zu Orchesterwerken von Bach vor - man sammelte also, es ist beinahe überflüssig zu sagen, um zu musizieren. Es bleibt uns also die mühselige Aufgabe, jede vorkommende Handschrift auf ihre Provenienz hin zu prüfen, um eines Tages das, was Sara Levy und ihr Bruder Benjamin besessen haben, zu bestimmen. Hier wird uns vielleicht der Restbestand der Bibliothek der Sing-Akademie zu Berlin doch noch weiterhelfen können. Ein kärglicher Rest ist in Berlin vorhanden, aber 30 Kisten mit Handschriften aus der Sing-Akademie sind mit den Sammlungen der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek während des Krieges ausgelagert worden und befinden sich heute noch in Krakau ; sie sind zugänglich und sind zu prüfen. Der größere Rest ist leider durch den Brand der Sing-Akademie für immer verloren . Abschließend möchte ich aber noch auf einen weiteren Sachverhalt aufmerksam machen . Vom Musikdirektor und Kantor der Berliner Dreifaltigkeitskirche Johann Christoph Kühnau (1735-1805) wird in der Berliner Bibliothek ein Stimmensatz zu einem Werk von Carl Philipp Emanuel Bach aufbewahrt. Der Autor eines berühmten Choralbuches, ganz den Komponisten um Anna Amalia verpflichtet, sollte doch mehr besessen haben? Mir sind bisher im Handel nur Bücher mit seinem Besitzvermerk zufällig begegnet. Schließlich wären die Berliner Zeitungen, die Haude & Spenersche und die sogenannte Vossische, gründlich auf Hinweise , Anzeigen und Nachrichten zu überprüfen, in denen der Name Bach - mit welchem Vornamen auch immer - nicht vorkommt, deren Inhalt aber darauf schließen könnte, daß er bei intensiver Nachforschung auftauchen würde . Vielleicht könnte dann zum Beispiel die Überlieferungslücke zwischen dem Tod Wilhelm Friedemann Bachs und dem Erwerb der Sammlung Pistor-Rudorff geschlossen werden . 1806 rezensiert Reichardt in Frölichs kurzlebiger Berlinischer musikalischer Zeitung Forkels Bach-Biographie und fügt vier Seiten Notenbeispiele seiner Rezension bei, die alle aus Kantaten stammen, die später bei Ernst Rudorff wieder auftauchen und noch später bei der Familie Hinrichsen (C.F . Peters). Da Rudorff ein unblutiger Nachfahre aus Reichardts zweiter Ehe ist, könnte man doch fragen, ob Reichardt nicht selbst aus Wilhelm Friedemanns Besitz herrührende Musikalien sein eigen genannt hat . Schließlich ist Reichardt ja auch lange genug in Halle gewesen, und die bislang gut erzählte, aber noch nicht belegte ( •!

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Wie kein andererer Schüler suchte Johann Ludwig Krebs, der als Thomaner und Student zwölf Jahre in Leipzig verbrachte, in seiner Orgelmusik die Verfahren des Lehrers aufzugreifen. Auch die einzige erhaltene Motette „Erforsche mich, Gott" verweist in der Anlage auf Muster Bachs wie etwa „Der Geist hilft unser Schwachheit auf" 16. Neben Psalm 139 , Vers 23-24 liegen zwei Liedstrophen von Paul Gerhardt zur Weise „Christe, der du bist Tag und Licht" zugrunde . Dem Kopfsatz im 6/8-Takt folgt eine Fuge im Allabreve-Takt und dann der Schlußchoral (vgl. Übersicht III). FreiÜbersicht III. Johann Ludwig Krebs ( 1713-1780) „Erforsche mich, Gott" (Psalm 139, Vers 23-24; Paul Gerhardt)

C. C. A . T . B., Be . A . 3/8, T . 1-39

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Spruch : Erforsche mich, Gott

Fuge : und siehe, ob ich auf bösen Wegen bin und leite mich ...

Choral : Erforsch, Herr, all mein Herz und Mut

Choral: Herr, du erforschest

lieh begnügt sich Krebs mit fünf- und vierstimmigem Satz, ohne sich an Bachs Achtstimmigkeit zu messen. Die klare Satzteilung wird aber überbrückt , sofern eine Strophe des abschließenden Chorals schon zum Spruchtext im Kopfsatz tritt . Doch wird die Kombination eher verdeckt als ostentativ hervorgekehrt . Nicht nur tritt die Choralweise im zweiten Sopran hinter der führenden Oberstimme zurück. Vielmehr beginnt der Satz vierstimmig, scheinbar vollständig mit prägnanter Melodik, die sich symmetrisch in zwei Zweitakter gliedert. Wird der Abschnitt leicht verändert wiederholt, so tritt nun erst der Choral in der Mittelstimme hinzu (vgl. NB. 2a). Daß der Satz klanglich mitunter frappant an Bach erinnert, dürfte vor allem an der Harmonik liegen, die zwar nicht sonderlich kompliziert, wohl aber relativ stufenreich erscheint. Mit zahlreichen Vorhalts- und Durchgangsdissonanzen verbinden sich weiträumige und unschematische Sequenzen . Und die stete Melismierung der Stimmen hält den rhythmischen Strom aufrecht, in den sich dann auch durch Pausen abgetrennte Rufe einfügen können („prüfe mich") . So „ bachisch " all das wirkt, so groß ist bei näherem Zusehen doch der Abstand . Denn im Kern liegt dem Satz - wie in keiner Motette Bachs - ein akkordisches Gerüst zugrunde, das durch die Harmonik und die Stimmführung zwar differenziert wird, dennoch aber kaum eine kontrapunktische Selbständigkeit der Gegenstimmen zum Choral zuläßt. Indizien dafür sind die weithin syn-

16 K. Tittel , Art . Krebs, in : MGG VII , 1958 , Sp. 1726-1 737; Neuausgabe in : G. Feder (Hg.), Vier Mo tetten der Bach Schule, a.a .O „ S. 1-9 .

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chrone Textierung der Stimmen, die Dominanz der Oberstimme und die latente Periodik, die den Satz durchzieht. Die anschließende Fuge greift wie manche Muster Bachs auf den stile antico zurück, sie gibt sich mit 122 Takten weit anspruchsvoller als die Fugati Altnikols, und sie erreicht tatsächlich bemerkenswerte Selbständigkeit der Stimmen, gepaart mit ebenso reicher Harmonik wie im Kopfsatz. Dem prägnanten Oktavsprung im Themenkopf folgt gleichwohl nur eine umschriebene abwänsführende Kadenz. Bei seinem rhythmischen Gleichmaß erhält das Thema durch die übermäßige Sekunde (deis) eine latent chromatische Akzentuierung, die sich denn auch durch den ganzen Satz zieht (vgl. NB. 2b). Das kann mirunter zu fast manieristischen Zügen führen, wenn etwa in Takt 96 ff. die verschobene Chromatik der Oberstimmen sequenzierend abwänsgeführt und mit aufsteigenden chromatischen Schritten des Basses kombi193

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194

kol eine komplizierte Architektur entwirft, drängt sich dennoch in der Melodik wie in der Harmonik ein anderer Tonfall ein. Dagegen hält Krebs eher am polyphonen Anspruch Bachs fest, von dem sich die Struktur des Satzes in ihrem Kern dennoch entfernt. Erstaunlich bleibt gleichwohl, wie sehr die Musik von Krebs an das Idiom Bachs anklingt. Weit größer wirkt - nicht nur zeitlich - der Abstand zu den Motetten von Johann 17 Christoph Friedrich Bach, die erst 1780 in Bückeburg entstanden • Neben der Choralmotette „Wachet auf, ruft uns die Stimme", die am Schluß den Kantionalsatz aus Bachs Kantate BWV 140 übernimmt, steht die Psalmmotette „Ich lieg und schlafe" (Psalm 4, Vers 9). Nicht ohne Grund befand Karl Geiringer 18, „ergreifend" sei „dieses bedeutsame Werk" gerade am Anfang, „der mitunter melodische Wendungen bringt, die fast an Mendelssohn gemahnen". Anlaß zu dieser Assoziation war neben der kantabel fließenden Stimmführung zunächst wohl die Harmonik mit subdominantischer Färbung über Orgelpunkt und mit empfindsam „weiblichen" Wendungen im weiteren. Die Disposition freilich bekundet auch Einsicht in die Kunst des Vaters, zwischen eigenständiger Architektur und intensiver Textausdeutung zu vermitteln. Der knappe Psalmtext wird ausgiebig oder gar weitschweifig vertont und nur mit der Liedstrophe „Es ist noch eine Ruh vorhanden" von Johann Sigismund Kunth erweitert (vgl. Übersicht IV). Einern ersten Teil zum Spruchtext folgt ab Takt 87 die Kombination mit dem Choral in der Oberstimme, wonach ab Takt 157 der erste Teil verkürzt wiederholt wird. Als viertes Formglied schließt eine Fuge an („Du, Herr, Übersicht IV. Johann Christoph Friedrich Bach ( 17 32-1795) „Ich lieg und schlafe ganz mit Frieden" (Psalm 4, Vers 9;]. S. Kunth)

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D. 4/4 T. 1-46 Choralsatz: Es ist noch eine Ruh vorhanden

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Neuausgabe, hg. von K. Hofmann, Neuhausen-Stuttgart 1975.

18

K. Geiringer, Die Mus1kerfomdie Bach. Leben und Wirken in dreijahrhunderten, München 1958, S. 440.

195

NB. 3: Johann Christoph Friedrich Bach, Ich liege und schlafe a) Anfang J

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hilfst mir"), der als Abschluß der schlichte Choralsatz folgt. Auffällig ist in der umfänglichen Anlage nicht nur der Effekt einer Reprise, der sich durch die komprimierte Wiederholung des Anfangs nach der Kombination von Spruch und Choral einstellt. Vielmehr steht im Zentrum des dreigliedrigen ersten Komplexes die Paarung beider Ebenen, die in den Schlußteilen als Fuge und Choral auseinander treten. So folgt der Bückeburger Bach zwar in der Anlage dem Muster des Vaters, um es in der satztechnischen Struktur jedoch umzuwandeln. Mit primär akkordischem Satz verbindet sich eine kantable Stimmführung, die gar nicht erst versucht, Bachs Kontrapunkt nachzubilden. Gleich anfangs zeichnet sich mit syllabisch deklamierten Tonrepetitionen, denen melismatische Erweiterung und dann eine akkordische Kadenzierung folgt, ein für den Verlauf prägendes Modell ab (vgl. NB. 3a). Motivisch prägnanter noch wirkt sodann die kontrahierte Gestalt, in

196

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der einer Dreiklangbrechung im Baß - durchweg in auftaktigen Achteln - absteigende Melodiezüge der Oberstimmen folgen. Denn diese Deklamationsmodelle mit melismatischer Erweiterung und syllabischer Kontraktion samt anschließender Kadenz durchziehen den gesamten Satz. Sie wirken auch noch zu den Textgliedern „Denn du allein, Herr, hilfest mir" und „daß ich sicher wohne" nach, deren kurze Melodiephrasen ebenso auf die Kadenzen hinzielen. Bemerkenswert ist gleichwohl die Flexibilität, die dem sparsamen Material in den Grenzen dieser Satztechnik abgewonnen wird. Zum Eintritt des Chorals wird die Struktur zwar zu akkordischer Aussetzung der Melodie reduziert, auch wenn die Gegenstimmen durch melismatische Durchgänge bereichert werden. Sie greifen aber in den Phasen zwischen den Choralzeilen auf die melodischen Gesten des ersten Teils zurück, um die Angleichung der Teile und damit den Zusammenhalt der Form zu gewährleisten (vgl. NB. 3b). Noch die knappe Fuge 197

nach der Reprise wird als vierter Teil durch diese Verfahren bestimmt, wie es etwa am Ende nach der abschließenden Themenengführung in der Erweiterung der Kadenz spürbar wird. Eine solche Motette wirkt gewiß rückständig , wenn man daran denkt, daß sie im selben Jahr wie Mozarts Idomeneo entstand . Anders verhält es sich aber, wenn man sie aus der Tradition der Gattung nach Bach versteht . Die weite Form der Motetten des Vaters nahm Johann Christoph Friedrich Bach auf, um sie unter Begrenzung auf knappe Texte motivisch konzentriert und zugleich variabel auszufüllen . Konnte das wenigstens achtbar gelingen, so lag es im Verzicht auf angestrengte Nachahmung des kontrapunktischen Satzes. Der Tradition also blieb Christoph Friedrich Bach gerade in der hörbaren Distanz zu ihr verpflichtet, um zugleich den weiten Abstand zwischen Bach und der romantischen Chormusik zu verringern .

* In den Motetten der Bachschüler sind gewiß keine verschollenen Meisterwerke zu entdecken. Und gemessen an der klassischen Kompositionsart bleiben solche Werke beklemmend rückständig. Sie verweisen aber auch auf die Pluralität der kompositorischen Möglichkeiten ihrer Zeit. Und sie können damit das geschichtliche Bild ihrer Epoche korrigieren, das sonst zu einseitig vom Begriff der entstehenden Klassik bestimmt wird . Weitere Untersuchungen der Musik aus Bachs Umfeld wären aber nicht nur nötig, um die in der Neuen Bachausgabe anstehenden Echtheitsfragen mancher Kompositionen zu bewältigen . Vielmehr gehören auch solche Werke zum Versuch , die Geschichte des Komponierens in dieser Phase differenzierter einsichtig zu machen . Sie sind auch nicht belanglos , will man in der Rezeptionsgeschichte Bachs den Abstand zwischen dem Nekrolog und dem Neuansatz um 1800 ermessen . Die Werke der Söhne und Schüler spiegeln nicht nur das wechselnde Verständnis für Bachs singuläre Lösungen in den einzelnen Gattungen . Sie reflektieren zugleich den Abstand, den Bach selbst zu den Tendenzen seiner Zeit wahrte. Und damit verweisen sie auf die Probleme, die im Verständnis Bachs und seiner kompositorischen Auswirkung lagen . Die Tiefe der Zäsur wird gerade in einer peripheren Gattung wie der Motette sichtbar. Doch hat die Ambivalenz der Werke aus dem Schülerkreis nicht nur ihren eigenen Reiz . In anderem Maß als die Motetten der Schüler etwa von Josquin oder Schütz fordern die Werke der Bachschüler zu ästhetischer Reflexion heraus . Und vielleicht bleiben sie gerade darin dem Anspruch Bachs treu.

198

JOHANN SEBASTIAN BACH UND „DAS WAHRE FUNDAMENT ALLER GOTTGEFÄLLIGER KIRCHEN MUSIC" GüNTHER STILLER

Soli Deo Gloria - Gott allein die Ehre! So finden wir es immer wieder, quasi als Siegel, unter den frisch komponierten Werken des Mannes notiert, den die Welt in den Stunden seines 300. Geburtstages mannigfach ehrt, und mir scheint solche Ehrung nur sinnvoll und legitim, zumindest im Sinne des Meisters zu sein, wenn sie auch in uns - man denke an seine h-Moll-Messe - ein „glorificamus te" (dich rühmen wir) entzündet als Echo auf den voraufgehenden Engelgesang der Heiligen Nacht „Gloria in excelsis Deo". Diesen alten lateinischen Text der Messe hatte Johann Sebastian Bach häufig, zumal an allen Festtagen, neben seinen als Predigtmusik verstandenen Kantaten zu musizieren. Aber mit diesem lateinischen Text hat Bach auch - nur einmal in seinem Leben! - eine Predigtmusik gestaltet, und zwar eine der allerletzten Kantaten, das textlich ausnahmsweise am 1. Christtag so akzeptable Werk BWV 191 „Gloria in excelsis Deo", so daß man schon sagen kann: Am Ende der großen Reihe der vom Thomaskantor als sein Hauptwerk begriffenen Kantaten steht ebenso ein betontes „Gloria", wie er es sogleich nach seinem Leipziger Amtsantritt im ersten in St. Thomae aufgeführten Werk „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes" (BWV 76) erklingen ließ - mit den Anfangsworten jenes 19. Psalms, der in Verbindung mit den im Alten Testament davorstehenden Psalmen schließlich auch ganz am Ende von Bachs Leben selbst im Instrumentalwerk eine formal und inhaltlich gravierende Rolle spielen sollte, sowohl in der Kunst der Fuge wie in der letzten Sammelhandschrift der Choralbearbeitungen, die nicht 17 oder „Achtzehn Choräle", sondern insgesamt 19 verschiedene Kirchenlieder umfaßt und von denen Ludwig Prautzsch nach intensiver Forschung festzustellen meint, „daß jede Choralbearbeitung einem der 19 Psalmen und dem entsprechenden Satz in der Kunst der Fuge zugeordnet ist als persönliche Stellungnahme Bachs ... in Lob, Gebet und Bekenntnis die Choräle die Verkündigung des Evangeliums beantworten, wie sie Bach 1 nach den Worten der Psalmen in seinem Fugenwerk entfaltet hat" • Ähnlich hatte 1

L. Prauczsch, Vor deinen Thron tret ich hiermit, Neuhausen-Stuttgart 1980, S. 190; vgl. ferner S. 52,

137, 180 ff. und 187 ff.

199

vor fast 50 Jahren Hans Asmussen von der ungewöhnlich weiten Dimension des „Gloria in excelsis Deo" und dem dazugehörigen zweiten Teil „et in terra pax hominibus bonae voluntatis" ganz allgemein sagen können: „Der Lobgesang der Engel als Antwort auf die Verkündigung der Geburt Jesu umfaßt tatsächlich alles, was christlich überhaupt zu verkündigen ist", er „legt das Evangelium in bemerkenswerter Vollkommenheit aus. Seine Zweiseitigkeit ist seine Größe. Die gute Botschaft für die Menschen ist die Ehre Gottes. Und die Aufrichtung der Ehre Gottes bedeutet für die Welt gute Botschaft" 2 •

II

In dieser Polarität hat Bach ein Leben lang bewußt gestanden, geschaffen und gewirkt. Wenn der deutsche Historiker Golo Mann darauf hinweist, daß der Mensch blind wird gegenüber sich selbst und der Zukunft dadurch, daß er blind und unwissend wird gegenüber seiner Vergangenheit, und in der Wahrheit dieser Aussage, die durch Erfahrung genügend bewiesen ist, das Recht liegt, historische Jubiläen zu begehen, so darf beim Rückblick von diesem Bach-Jubiläumsjahr 1985 auf das letzte 1950 mit Genugtuung vermerkt werden, daß die teilweise schrillen Fanfarenklänge auf der Deutschen Bachfeier in Leipzig im Juli 1950, jene daselbst auf der Wissenschaftlichen Bachtagung der Gesellschaft für Musikforschung selbst renommierte Bachforscher in arge Verlegenheit bringenden enthusiastischen Forderungen nach einem ganz neuen Bachbild, längst der mit einer großen Bestandsaufnahme und neuen Bach-Gesamtausgabe verbundenen gründlichen Erforschung und nüchternen Neuinterpretation des Quellenmaterials gewichen sind und bei den bereits vorliegenden Resultaten die noch 1950 schmerzlich vermißte und 1976 zur Gründung einer Internationalen Arbeitsgemeinschaft führende Theologische Bachforschung einen nicht geringen Anteil hat. Eine geradezu sensationelle Entdeckung, die Wiederauffindung der einst in Bachs Bibliothek stehenden „Calov-Bibel", ein umfangreiches dreibändiges Werk mit dem gesamten Bibeltext Marein Luthers in der Kommentierung Abraham Calovs, gewährt mit den nachweislich vom Thomaskantor stammenden Notizen in roter und schwarzer Tinte aufschlußreiche Einblicke in sein Denken und Tun. Was bisher kaum ernstlich bezweifelt worden ist, seine tiefgründig-umfassende Bibelkenntnis, läßt das Blättern in den Bänden erahnen: Nicht nur der eifrige Bibelleser, sondern ein in der Heiligen Schrift emsig forschender, theologisch denkender und urteilender Mann ersteht vor uns. Die zu den verschiedensten Texten notierten Anmerkungen, Ergänzungen, Korrekturen und Unterstreichungen sind mannigfach und betreffen in einigen markanten Formulierungen den in Leipzig noch sehr zentral gefeierten Gottes-

2

200

H. Asmussen, Die Lehre vom Gottesdienst, München 1937, S. 222.

dienst der Kirche. Eine dieser Notizen bestimmte das Thema unserer Besinnung - an den Anfang des 25. Kapitels des 1. Buches der Chronik schrieb Bach: „Dieses Capitel ist das wahre Fundament aller gottgefälliger Kirchen Music." Daß der Bibeltext heute weder vom treuen Bibelleser noch selbst vom Theologen kaum jemals aufgeschlagen und bedacht wird, ist anmerkenswert. Mindestens ein weiteres umfangreiches, analog der Calov-Bibel mit vollem Luther-Text kommentiertes Bibelwerk befand sich in Bachs Bibliothek: Der 1678 bis 1681 in Leipzig publizierte Hauptschlüssel der Heiligen Schnft des Hallenser Oberhofpredigers und Generalsuperintendenten Johann Olearius, eines Onkels von Bachs Arnstädter Superintendenten Johann Gottfried Olearius. In dieser Bibel konnte Bach zum 19. Psalm als Weisung „die Haupt Ermahnung zum fleißigen Lesen und Betrachten der heiligen Schrift" vernehmen, wie es ähnlich zum 119. Psalm, dem längsten „Verbum - Das Wort" betitelten Psalm des Alten Testaments heißt: „Dessen Haupt-Zweck ist das Menschliche Hertz zur Liebe, Andacht und fleißigen Betrachtung der heiligen Schrift zu entzünden durch den unaussprechlichen Nutz und Herrligkeit der selig machenden Lehre davon Lutheri Wort zu finden am Ende dieses 119. Psalms" (und es wird weiter auf den 8. Band der Altenburger Luther-Ausgabe verwiesen), wobei zu bemerken ist, daß Olearius häufig Verbindungslinien vom 119. zum 19. Psalm zieht und mehrfach betont, „was wir an GottesWortfür eine reiche Schatzkammer haben",daßdasvonLutherins Zentrum der Kirche gerückte Schriftwort „unser größter Schatz" und „höchste Weisheit" ist - bekanntlich verwendete Bach die für den 2. Sonntag nach Trinitatis bestimmte Kantate „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes" später mehrfach am Reformationsfest, und wenn eine andere Kantate zu diesem Tag mit dem Psalmvers „Gott der Herr ist Sonn und Schild, der Herr gibt Gnade und Ehre" beginnt (BWV 79), weist das einmal mehr auf diesen engen Kontext hin: „Die Ehre Gottes weiser sich in der Ausbreitung seines Wortes", sagt Olearius zum 149. Psalm, den er bezeichnenderweise „Gloria - Die Ehre" betitelt und den man mit dem 150. Psalm zur Begründung der Kirchenmusik, besonders der Instrumentalmusik im Gottesdienst immer heranzog. Auf diesen 150. Psalm verweist aber Olearius bei seiner Auslegung von 1. Chronik 25 betontermaßen und sagt in jenem Zusammenhang: „Das Singen beym Gottesdienst ist GOtt gefällig und erbaulich."

201

III

Doch was stand in Bachs Bibeln zu jenem Kapitel, das seine offenbar spontan an den Rand geschriebene Notiz vom „wahren Fundament aller gottgefälliger Kirchen Music" veranlaßte? Das Kapitel steht in einem großen Zusammenhang, der eingehend vom Tempelbau und den vielen kultischen Einrichtungen unter den Königen David und Salomo berichtet. Olearius, der jedem Bibel-Kapitel immer einen lateinischen Begriff überordnet, betitelt 1. Chronik 25 „Cantores - Die Sänger", hält sogleich als „Summarische Vorstellung" fest: „Die Sänger werden auch bestellt" und gliedert es zweifach: „Die Sänger werden 1. geordnet, V. 1-7, und 2. unterscheidet durchs Los, V. 8-31." Beide Teile bieten im wesentlichen eine Namen-Liste, wobei die erste mit der zweiten korrespondiert und bei beiden das Interesse durchscheint, wie im Kapitel zuvor bei den Priestern nun auch bei den Sängern 24 Klassen herauszustellen; in jedem der Verse 9-31 wird die Zahl 12 genannt, so daß sich als vorweggenommene Summe - ich zitiere Vers 7 - „soweit sie auf den Gesang für den Herrn geübt waren, alle Kunstverständigen" (Luther übersetzt: allesamt Meister) „zweihunderttachtundachtzig" ergibt. Wenn Olearius als „Haupt-Zweck" dieser „Ordnung der Sänger" folgert, „daß es in der Kirchen und beym Gottesdienst solle alles ordentlich zugehen, alldieweil der grosse GOtt nicht ist ein GOtt der Unordnung und Verwirrung, sondern der Ordnung", und auch Calov sogleich den Aspekt der Ordnung betont und beide Ausleger dabei auf das neutestamentliche Kapitel 1. Korinther 14 verweisen, jenes von den Gaben des Lehrens, des Zungenredens und guter Ordnung im Gottesdienst, wird man unwillkürlich an Bachs großartige Konzeption einer geordneten Kirchenmusik im Memorial an den Rat der Stadt Leipzig „Kurtzer, iedoch höchstnöthiger Entwurff einer wohlbestallten Kirchen Music" vom 23 . August 1730 erinnert. Und wenn Calov, der seinen Bibel-Kapiteln keine Überschriften, dafür aber um so genauer eine inhaltliche Definition der einzelnen Abschnitte vor jedem Kapitel gibt, den ersten Teil überschreibt „Von den Sängern und Instrumentisten", so ist der ähnlich klingende erste Satz der Eingabe Bachs unüberhörbar: „Zu einer wohlbestallten Kirchen Music gehören Vocalisten und Instrumentisten"; ja es ist nicht einmal zu übersehen, daß die von Bach angegebene Mindestzahl „Zu iedweden musicalischen Chor gehören wenigstens 3 Sopranisten, 3 Altisten, 3 Tenoristen, und eben so viel Baßisten" genau jener immer wieder betonten 12-Zahl der 24 Sängerfamilien entspricht, die von Calov auch als eine Mindestzahl verstanden ist: Er notierte hinter der Summe von 288 Sängern in Vers 7: „die Lehrmeister und Schüler machten zusammen 4000" und bezieht sich damit auf die zwei Kapitel zuvor genannte, einer anderen Quellenschrift zugehörigen Zahl, die von „24000 für die Arbeit am Hause des HERRN verordneten" Leviten spricht, davon allein „ viertausend zu Sängern des HERRN mit den Instrumenten, die David zum Lobgesang hatte machen lassen", berufen wurden ( 1. Chronik 23, Vers 4 f. ). Interessant ist, daß Bach schon im Jahre zuvor ( 18. 5 .1729) bei der Einteilung der Thomaner in 4 Chöre so verfuhr, daß jeder der drei ersten Chöre je 3 Sänger für die 4 verschiedenen Stimmlagen, somit 12 Sänger pro Chor, zugewiesen bekam, so daß im Autograph die Zahl 3 zwölfmal erscheint, aber 202

beim vierten Chor, dem in die Peterskirche „kömmenden", 1730 als „Ausschuß" bezeichneten Chor, „nämlich die, so keine Music verstehen, sondern nur nothdörfftig einen Choral singen können", die Zahl 3 fallengelassen, auf 2 in allen Stimmlagen und so die Gesamtzahl auf 8 reduziert ist. Im übrigen ist die Zahl 3 auch am Anfang von 1. Chronik 25 bezeugt, wo von den Söhnen der 3 namentlich genannten „prophetischen Männer" die Rede ist, die auf 3 Instrumenten-Gruppen spielen sollten. Doch unabhängig davon, ob Bach bei diesen scheinbar nur vom pragmatischen Interesse bestimmten Aufzeichnungen sich von der sonst sein ganzes Werk eminent charakterisierenden Esoterik symbolischer Beziehungen leiten ließ oder nicht, hinsichtlich der heiligen Zahlen und deren Deutung konnte er am Ende unseres BibelKapitels bei Olearius zum Wort „das vierundzwantzigste" (Los), nämlich „diese vier und zwantzig Classes und Eintheilung derer, so im Tempel aufzuwarten hatten", lesen: „Wobey wir uns zu erinnern, daß der Heilige Geist diese Zahl auch anführet in der OffenbarungJohannis Cap. 4/4, wo vier und zwantzig Stühle, auff welchen vier und zwantzig Eltesten gesessen, erwehnet werden, wobey wir uns billig zu erinnern 1. Der vier und z w an t z i g Canon i s c h e n Schrei b er Altes Testaments, welche nechst Mose, Josua, Samuel, Esra, Nehemia, Hiob, David und Salomo, sind die 4. Grassen und 12. Kleinen Propheten, durch deren Dienst alle gläubige Gliedmassen der streitenden und der triumphirenden Kirchen versammlet sind ausJüden und Heyden, dergestalt, daß 2. Die z w ö 1ff Söhne Jacobs, und die z w ö 1ff Apo s t e 1n ebenmäßig diese Zahl XXIV. geben. 3. Wie auch die 0 r d nun g d e r L e v i t e n , welche der Allerhöchste an statt deß gantzen Volckes zu seinem Dienst erwehlet hatte ... in vier und zwantzig Abtheilungen bestanden. Denn seine Gläubigen sind alle Priester für GOtt ... und seine Himmlischen Sänger und Musicanten, in richtiger Ordnung"; es wird noch auf das Kapitel zuvor verwiesen, wo es von den Priestern und Leviten heißt: „Das ist ihre Ordnung nach ihrem Amt, zu gehen in das Haus des HErrn" (Vers 19). Calov, dessen Auslegung wesentlich knapper ist und nichts über die Zahl 24 sagt - wohl aber (im Gegensatz zu Olearius) am Ende des 150. Psalms-, stellt am Schluß fest: „Es waren eben so viel Ordnungen der Sänger, und Instrumentisten, als der Priester „ . und der Leviten, so den Priestern auffwarteten und halffen" und verweist dabei genau wie Olearius auf die im Kapitel zuvor von „Gott gebotene" Ordnung. Diese wenigen Zitate lassen etwas von der Weite und Vielfalt jener Bibel-Erklärungen erkennen, sie sind geradezu ein Kompendium der Theologie mit zahlreichen Bibel- und Literaturverweisen und (teilweise langen) Glaubenszeugnissen aller Zeiten, vor allem der Reformatoren und allen voran Martin Luthers, und auch der ;i.lten Kirchenväter. Dabei zeichnet sich der als erster großer Hymnologe bekannt gewordene, von daher sicher auch Bach besonders interessierende Olearius durch seine klar gegliederte, siebenfach jedes Kapitel der Bibel nach stets gleichbleibendem Schema gestaltende Darstellung aus - im 7. und letzten Teil geht es immer um die „geistreiche Ermunterung Lutheri", während der weit gerühmte Calov, vier Jahrzehnte in Wittenberg der „viel berufene Zionswächter auf der Cathedra Lutheri", als lange nachwirkende Autorität des Luthertums mit seiner 1719 noch einmal in Leipzig und Dresden 203

neu aufgelegten Bibel besonderes Interesse beanspruchen konnte, so daß deren später Erwerb durch Bach verständlich wird: Er kannte die Auslegung des Olearius und ist erfreut, dessen Auffassung bei Calov bestätigt zu finden; denn der Wortlaut der Bachsehen Notiz scheint durch das, was bei Olearius steht, bestimmt zu sein - dieser hatte als „die Haupt-Lehre" im ). Auslegungsteil („Die erbauliche Anführung des Haupt-Nutzes") des Kapitels formuliert: „Das Singen beym Gottesdienst ist GOtt gefällig und erbaulich" und dabei neben Psalm 150 auf 1. Samuel 16, Vers 23 und „die Vorrede der Singe-Kunst" verwiesen, wo vom Harfe spielenden David vor dem König Saul gesagt ist, daß es diesen erquickt und der böse Geist von ihm weicht. Wie gründlich der Thomaskant0r die Bibel las und theologische Aussagen genau nahm, geht daraus hervor, daß Lesarten vergleiche seiner Notizen mit anderen Bibelausgaben ergeben haben, daß er mit mindestens drei verschiedenen Bibeln gearbeitet hat, und er selbst eine Autorität wie Calov korrigieren zu müssen meinte, weil dieser sich bei einem verwendeten Luther-Zitat den Lapsus geleistet hatte, den Reformator nicht genau zitiert zu haben. So dürfen wir auch die Notiz vom „ wahren Fundament aller gottgefälliger Kirchen Music" als eine theologisch wohl bedachte Aussage verstehen, die im lichte der Themen-Fülle bei Calov und Olearius auf ein dreifaches Bekenntnis hinausläuft: Bach gewinnt Klarheit über seinen festen Standort in Gottes Schöpfungsordnung, über die göttliche Legitimierung seines Amtes und Auftrags und über den letzten Sinn seiner Musik überhaupt.

IV Bachs Notiz gewinnt tatsächlich den Stellenwert eines Bekenntnisses im Sinne der eigenen weltanschaulichen Standortbezeichnung, wenn man sich Zeit und Ort der Notiz und den Bibelstellen-Kontext klarmacht. Mehrfach sind die Bibelnotizen erst für Bachs letztes Jahrzehnt, „sicherlich erst nach 1740" (so Hans-Joachim Schulze 3) datiert worden, so daß auch Alfred Dürr sie nur „als Ausdruck des Seinerselbst-Gewißwerdens zu begreifen" vermag 4 und die öfter getroffene Feststellung, daß sich Bachs Denken und Tun nicht im Rahmen auronomer, sondern der einen von Gott vorgegebenen Schöpfungsordnung, unter genauer Respektierung solcher schöpfungsmäßig gegebener, und das heißt alle Gesetze und Regeln daraus abzuleitender Ordnungen vollzog, nun wirklich das ganze Leben und Schaffen des Thomaskant0rs be-

3

Bach Dokumente, Bd. 3, Dokumente zum Nachwzrkenjohann Sebastian Bachs. 1750- 1800, vorge-

legt und erläutert von H.-J. Schulze, Kassel usw. 1972, S. 636. 4

204

Bachfest Vorträge 1976, 51. Bachfest der Neuen Bachgesellschaft in Berlin (West), S. 31.

trifft - Wilibald Gurlitt sagte 1950 in Leipzig, daß Bachs Musik und Kompositionsweise „ in ihren G r u n d 1a gen altertümlich wie ein Stück d e u t s c h es Mitt e 1a1 t er in neuzeitlicher Umgebung wirkt"). In dem langjährigen „Präfektenstreit" mit dem rationalistisch orientierten Rektor Johann August Ernesti, wobei es zuletzt um die unterschiedliche Bibelauffassung beider Thomasschul-Autoritäten ging, und in dem „klassischen Anathema der Aufklärungsideologie" des Musikkritikers Johann Adolph Scheibe ( 17 37) über den als veraltet geltenden polyphonen Stil Bachs, mit dem er seiner „beschwerlichen Arbeit" das „Natürliche entziehe" und damit „wider die Vernunft streite" 6 , war dem Thomaskantor die Tragweite des großen Wandlungsprozesses der Aufklärung, die das sich lange anbahnende Ende der religiösen Einheitskultur und das Zeitalter der Säkularisation vehement einläutete, hautnah auf den Leib gerückt. Die lutherisch-barocke Musikauffassung als eine universalistische, nicht nur die Verbindung zu Theologie und Rhetorik festhaltende, sondern auch seit alters die Zusammenhänge von Musik und Physik, Mathematik und Astronomie betonende Musiktheorie verstand alle wahre Musik, die geistliche und weltliche wie vokale und instrumentale, als ein „Formular von Gottes Weisheit" - eine Definition des am Anfang des 18. Jahrhunderrs in Deutschland meist beachteten Musiktheoretikers Andreas Werckmeister, der in seinem 1700 in Quedlinburg und Leipzig erschienenen Buch Cribrum musicum sagt: „Wie nun die Musicalischen Intervalle nichts anderes als Zahlen und Proportion es und Gott alles in Zahlen, Maß und Gewicht, und alles in gute Ordnung gesetzt und gebracht hat, so muß ja ein Musicus, ja ein jeder Mensch, sich befleißigen und studieren, wie er solcher herrlichen Ordnung nachfolget", wie auch derselbe Bach zweifellos bekannte Autor in einem weiteren musiktheoretischen Werk von 1707 einem Kapitel die Überschrift gibt: „ Von der Zahlen geheimen Deutung" 7 • Der diese mannigfachen symbolischen Beziehungen viel mehr als seine Zeitgenossen beachtende Bach, den Scheibe ja gegen Telemann und Graun auszuspielen meinte, konnte sich - das machen die von klaren Aufbauprinzipien im Großen wie im Kleinen und zu ganzen Ordnungsgefügen gestalteten Werke je länger desto mehr offen bar - immer neu von dem gerade in Leipzig noch einmal beeindruckend hervortretenden, die Ordnungszusammenhänge allenthalben betonenden Luthertum der Spätorthodoxie inspiriert wissen. Leipziger Kirchen-Staat ist der sehr bezeichnende Titel eines 1710 publizierten Gesangbuchs, in welchem sich der Herausgeber entgegen dem allgemeinen Zeitgeist für die Beachtung und lebendige Pflege der reichen, noch zentral vom Geist der Reformation bestimmten Gottesdiensttradition einsetzt, sich in der „Zuschrift an eine Gott- und Tu-

) W. Gurlitt,}ohann Sebastian Bach in semer Zeit und heute, in: Bericht über die Wissenschaftliche Bachtagung der Gesellschaft für Musikforschung, Leipzig, 23. bis 26. Juli 1950, hg. von W. Vetter und E.H. Meyer, Leipzig 1951, S. 54. 6

Vgl. dazu: F. Hamel,}ohann Sebastian Bach

7

Vgl. dazu: L. Prautzsch, Vordemen Thron tret ich h1erm1t, a.a.O„ . 10.

Ge1st1ge Welt, Göttingen 1951, S. 161 ff.

205

gendliebende Dame Hohes Standes in Leipzig" in breiter Ausführung zu einer guten und beständigen Gottesdienstordnung bekennt und dabei rühmend hervorhebt, wie jene Dame „die Ordnungen jederzeit bey ihren Verrichtungen vor das unschätzbahrste Kleinod gehalten" habe; aus der „Erfahrung, daß alle Handlungen, welche von keiner erwündschten Ordnung, als einer bewegenden Kraft, dirigiret werden, nichts als Unbestand und Vergänglichkeit, statt einer Verwesung zu gewarten haben" und „unsere Andacht offt an einem frembden Orthe großen Abbruch leide, wenn man der Ordnung des Gottesdienstes alda nicht satsam kundig ist", hat der Autor, die Gefahr durchaus sehend, „der Ordnung eine Lob-Rede zu schreiben", im Interesse der vielen Stadtbesucher und -gäste „auff nichts anders gesehen, als die rühmliche Ordnung, welche unser werthes Leipzig bey seinen öffentlichen Gottesdienste besitzet, in einen kurtzen Begriff zu entwerffen, und vielen dabey bessere Gelegenheit ihre Andacht mit mehrer Attention in den Capellen zu unterhalten, an die Handzugeben". Bach muß sich beim Amtswechsel nach Leipzig der Bedeutung dieser Hochburg der lutherischen Orthodoxie mit ihrem einmalig reich-geordneten, selbst von theologischen Gegnern anerkannten und sogar bestaunten Gottesdienstleben voll bewußt gewesen sein. Es dürfte auch kein Zufall sein, daß die Notiz vom „wahren Fundament aller gottgefälliger Kirchen Music" bei einem „Ordnung der Sänger" betitelten Kapitel erscheint. In zwei anderen von Bach glossierten Bibelstellen der Chronik-Bücher taucht ebenfalls das Wort „Ordnung" auf, und bei diesen Notizen handelt es sich um die theologisch bedeutsamsten in Bachs Bibel überhaupt. Beim Bericht von der Tempel-Einweihung in 2. Chronik 5 ist unter Calovs Überschrift „Wie auff die schöne Music die Herrligkeit des HErrn erschienen sey" entsprechend dem einmaligen Geschehen von der einmaligen Aufhebung der üblichen Ordnung die Rede, weil a 11 e vorhandenen Priester und Leviten zum Festakt aufgeboten waren; zum Bibeltext „alle Priester, die fürhanden waren, heiligten sich, daß auch die Ordnungen nicht gehalten wurden" bemerkt Calov: „wegen eyfriger Andacht zur heiligen Einweihung: sie hatten sonst ihre ordentliche Woche", doch nun „hatten alle sich geheiligt, und waren also alle eyfrig darauff, daß sie sich gleich ohne Ordnung darzudrungen" - bei diesem sogleich vom Reichtum der Festmusik kündenden Text bemerkt Bach: „Bei einer andächtig Music ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart." Doch schon drei Kapitel nach dem von der Ordnung der Sänger verwendet Bach zu 1. Chronik 28, Vers 21 nun selbst ver b a 1 den Ordnungs-Begriff, wenn er notiert: „Ein herrlicher Beweis, daß neben anderen Anstalten des Gottesdienstes besonders auch die Musica von Gottes Geist durch David mit an geordnet worden" - der entsprechende Bibeltext, ein Wort Davids an seinen dem Volk zum Nachfolger vorgestellten Sohn Salomo, lautet: „Sihe da die Ordnung der Priester, und Leviten zu allen Aemptern im Hause Gottes, sind mit dir zu allem Geschäfft, und sind willig und weise zu allen Aemptern, dazu die Fürsten und das Volk zu allen deinen Händeln", wozu Calov bemerkt: „Es ist aber auß dieses Göttlichen Fürbildes, und aller Prophetischen Anordnung Davids offenbar, daß er nichts auß eigenen Wercken gethan habe, im Bau und Bestellung des Tempels und Gottesdienstes, sondern nach dem Fürbilde, daß ihm der

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HErr durch seinen Geist fürgescellet hat, in allen Stücken, und nach denen Ampcs Bestallungen , wie und auff was weise sie Güte der HErr ihm ins Hertz gegeben hat. Denn GOtt dienet man vergeblich mit eigenwilligen, oder selbst erdachten Dienste ... GOtt schreibet, reisset, circkelt und machet uns alles für, und erkläret sich daher seines Willens, wie er von uns wil geehret werden , darumb sollen wir in Religions Sachen nichts fürnemen und handeln , oho sein geoffenbarces Wort . Nutzet zur Warnung für Menschenthand, und selbst erwehlten Gottesdienst und Menschen Satzung . " Als theologisch gebildeter Mann wußte Bach um die enge Kontinuität aller Ordnungen zur Schöpfungsordnung, daß die creatio Dei nicht von der conservatio zu trennen ist: Der uneingeschränkt gegenwärtige Schöpfer erhält und bewahre seine geschaffene Welt mit seinen mannigfachen „Anordnungen", daher der Thomaskantor zur theologischen Begründung der Kirchenmusik auf das historisch älteste Faktum ihrer Einsetzung zurückgeht und nicht zufällig eine weitere theologisch bedeutsame Bach-Notiz genau an jener Stelle im 2. Buch Mose erscheint, wo der erste Hymnus des Gottesvolkes bezeugt ist : nach dem Durchzug durchs „Rote Meer", von Israel als entscheidende Rettungstat Gottes in auswegloser Gefährdung und eigentlichen Anfang seiner Geschichte verstanden - Bach sieht bereits hier das mehrchörige Musizieren bezeugt und notiere: „Erstes Vorspiel, auf 2 Chören zur Ehre Gottes zu musiciren" (zu 2. Mose 15, Vers 21 f .). Bei a 11 e n diesen Notizen weiß sich Bach mit der Kirchenmusik fest in die Schöpfungsordnung Gottes, auf „das wahre Fundament" gestellt. So wird auch begreiflich, warum sich der alte Thomaskantor auf den vom kurfürstlich sächsischen Hofmaler Elias Gottlieb Haußmann gemalten, in zwei Exemplaren mit den Jahreszahlen 1746 und 1748 existierenden Porträts, mit einem Kanon als Standessymbol abbilden ließ: Dieser galt als die strengste musikalische Form und hieß in Johann Gottfried Walthers bekanntem Musiklexikon von 1732 deshalb so, „weil die anfahende Stimme den übrigen folgenden zur Richtschnur dienen muß, und von welcher nicht im geringsten abgegangen werden dürfe", und wurde seit dem ausgehenden Mittelalter als Abbild der göttlichen Ordnung wie überhaupt die ganze Musik als Abbild des geordneten Kosmos verstanden .

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Sicherlich hätte es der Notiz vom „wahren Fundament aller gottgefälliger Kirchen Music" nicht bedurft, wenn solche Aussage noch weithin Geltung besessen hätte. In welchem Ausmaß Bach mit sehr gegensätzlichen, der Erhaltung der Schöpfungsordnung zuwiderlaufenden, ja wie nie zuvor zersetzenden Tendenzen in seiner Umwelt zu tun hatte, erhellt schlaglichtartig ein Passus im Lustspiel der Frau des einflußreichen Leipziger Poeten Gottsched Die Pietisterei im Fischbeinrocke von 17 3 7: „Die Lakaien selbst zanken sich schon über die dunklen Schriftstellen; und ich hörte nur noch neulich, daß der Kutscher seine Pferde vor Orthodoxe schalte, weil er kein ärger Schimpfwort wußte." Verhägnisvoller als alle aufklärerischen, den Prozeß der Emanzipation von Theologie und Kirche alsbald mit der viel proklamierten „Autonomie" vorantreibenden Losungen sollten sich für Bach die zutiefst „innerkirchlichen", in den Gemeinden sehr unterschiedlich begriffenen Reformbestrebungen des Luthertums erweisen, die nun gerade auch das von der Reformation sinnvoll geordnete gottesdienstliche Amt der Kirchenmusiker betrafen. Relativ schnell konnte man dem schon vor Bachs Geburt und dem Beginn der pietistischen Bewegung einsetzenden Prozeß der „Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschlands" 8 dort begegnen, wo so radikale Ansichten wie die Theophil Großgebauers laut wurden, der in seiner 1661 mit Billigung „einer weit berühmten Facultät" (der lutherischen in Rostock) publizierten, nicht wenig applaudierten „Wächterstimme" von einem fast fanatischen Haß erfüllt war gegen die ihm als Sinnbild erstorbenen Christentums erscheinenden Orgeln und Instrumentalmusiken, deren Ausführende für ihn „mehrenteils ungeistliche Leute" waren, und die ganze Kirchenmusik als Verfall der christlichen Frömmigkeit aus dem Gottesdienst verbannt wissen wollte 9 . Der zuerst sehr sublim erscheinende Pietismus Philipp Jakob Speners und auch weithin der von ihm mit der Universitätsgründung 1694 inszenierte Hallesche Pietismus konnte deshalb großes Echo finden, weil man im Bewußtsein der lehrmäßigen Übereinstimmung mit der Orthodoxie nur deren Praxis korrigieren und ergänzen wollte und sich dabei vor allem auf Luther bezog. Ein Jahr vor Bachs Erwerb der Calov-Bibel konnte in dessen engstem Umkreis in Leipzig und Dresden immerhin die Historie der Kirchen-Ceremonien in Sachsen des Pfarrers Christian Gerber erscheinen, den man nicht vorschnell als „Pietist" abtun darf, der „die Vocal- und lntrumental-Music in ihren rechten Gebrauch als eine Gabe Gottes so wol zur Erhebung des Göttlichen Lobes, als auch zur Erweckung der Andacht" verstand und, um einer „mäßig und andächtig eingerichteten Kirchen-Music eine gute Ordnung zu machen", sich auch auf Luther berief: „damit die Music in der Kirche nach Lutheri

8

P. Graff, Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen m der evangelischen Kirche Deutschlands bis zum Emtntt der Aufklärung und des Rationalismus, Göccingen 1921. 9

Vgl. hier und im folgenden: G. Stiller,}ohann Sebastian Bach und das Leipziger gottesdienstliche Leben semer Zeit, Kassel usw. 1970, S. 129 ff. und 246 ff.

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eingerichtet werde", da doch „Lutherus eine ganz andere Kirchen-Music verlanget, als wir heut zu Tage haben". Aber dann stellt Gerber doch mit unlutherischen Thesen und in zügellosem Eifer gegen die „überflüßig grossen und kostbaren Orgeln", daß man „an einer Orgel nicht genug hat, sondern es müssen in mancher Kirche derselben zwey seyn, daß man wol sagen möchte: Wozu taugt dieser Unrath?", die ganze Kirchenmusik und die Meinung in Frage, „der Gottesdienst könne ohne dieselben nicht bestehen, oder leide doch grossen Abbruch, wenn Orgeln und InstrumentalMusic hinweg blieben: Ja viele sehen diese Dinge nicht anders als ein essential- oder wesentliches Stück des Gottesdienstes an, so sie doch mitnichten sind: Sondern der Gottesdienst besteht i n Bete n , Si n gen , Lobe n u n d Anhörung oder Be t r ach tu n g d es G ö t t 1ich e n Wortes , wozu Orgeln und andere musicalische Instrumenta nicht vonnöthen seyn." So will Gerber das kirchenmusikalische Amt erheblich reduziert sehen, er greift die Organisten an, die „ein solch starck Gethöne und Brausen in der Kirchen machen, daß man möchte taub werden", die „sehr lange praeludia machen, welches nicht nur verdrüßlich zu hören, sondern auch die Zeit damit verderbe, und der Gottesdienst verzögert wird. Und da ist mancher Organist und Schul-Meister so eigensinnig und widerspenstig, daß er es nach seinen Kopff machet und sich nichts erinnern lassen will. Ist der Pastor ein friedfertiger Mann, so muß er den tollen Kopff seinen Willen lassen, und den Verdruß mit Gedult ertragen: Bisweilen kommt es auch wol zum Zanck, oder doch zur Klage, wenn der Organist oder Schul-Meister dem Pastori zum Trotz lange praeambuliret, welches ja ärgerlich ist, und wäre besser, ein solcher widerwärtiger Kopff hätte kein Orgel-Werck zu spielen." Aber auch über die Kantoren wird laut geklagt, daß ihnen „wegen ihres Musicirens keine Maß noch Regel fürgeschrieben ist" und sie sich benehmen, „als ob sie in der Kirche und beym Gottesdienste die Herrschaft und Ruder hätten", daß zwar „noch vernünfftige und bescheidene Männer unter ihnen seyn, die sich zu moderiren wissen", aber doch „derselben wenig sind". Gerber meinte wirklich: „wenn einige von denen ersten Christen aufstehen, in unsere Versammlung kommen, und eine solche brausende Orgel mit so vielen Instrumenten hören sollten, ich glaube nicht, daß sie uns vor Christen und ihre Nachfolger erkennen würden", und daß mit ihm „ viel verständige Leute gleicher Meynung seyn", ja „einige Cantores selbst die starcken eiteln Musiquen vor unerbaulich und ärgerlich erkennen" und bezeichnete die Kantoren, die „lange und theatralische Musiquen nach ihren Phantasien und Gefallen machen, die sich besser in eine Opera und Comoedie schickten, als zum Gottesdienst" als solche, „die gute Sauffbrüder und fleischliche, wollüstige Gesellen seyn. Daher auch alle verständige und christliche Henzen an ihren Musiquen ei~en Greuel haben, denn sie wissen, daß der grosse Musicus kein Werckzeug des Heiligen Geistes ist." Bach las in der Bibel genau das Gegenteil. Die Sängerfamilien mit ihrem Dienst am Heiligtum wurden zu den generell als Kultbeamte neben den Priestern geltenden Leviten gezählt, wobei die Kennzeichnung der Sänger als solcher, die von prophetischem Geist erfüllt sind, dreimal am Kapitelanfang betont, außerordentlich wichtig ist: Die Geistbegabung betraf nicht nur die drei an der Spitze der Sängerfamilien ste-

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henden Ahnherren, die Luther auch als „Seher" oder „Schauer des Königs", als „mit Harfen , Psaltern und Zimbeln spielende Propheten " bezeichnet , sondern die Sänger galten alle als G e i s t b e g a b t e u n d - e r f ü 11 t e ; während das Opferwesen in den Händen der Priester war , blieb den Leviten die Aufgabe inspirierter Rede, ob sie nun als Psalmen dichter oder sonst als Verkünder, sei es agendarisch festgelegter oder freierer Orakel innerhalb der Tempelliturgie oder eben als „Sänger und Instrumentisten" hervortraten . Calov sagt von den „Propheten" : „welche sollten GOttes Wort in geistliche Lieder und Psalmen fassen, dieselbe im Tempel singen, und zugleich darein mit Instrumenten spielen", und vom Sänger-Ahnherrn „Assaph" : „der war ihr Vater, der sie unterwiese, und eben auch ihr Auffsäher und Sangmeister" ; ähnlich heißt es von ihnen bei Olearius: „die GOttes Wort wiederholeten mit Singen, gleichwie sonst die Propheten mit Predigen . Sie waren auch gute Componisten, welche Anleitung gaben, wie und wo man die Stimme erheben solte", und wenige Zeilen später: „Diese Musicanten aber wurden Propheten und Schauer ... genannt, weil sie die Prophetischen Psalmen öffentlich mussten wiederholen ... und singen ... also . .. die Meister im Gesang ... oder Capell-Meister . . . welche sich auch umb die Prophetischen Verheissungen, mehr bekümmerten als andere ... " Dieser Vergleich eines sich zu Unrecht auf Luther berufenden sächsischen Pfarrers mit den Häuptern des Luthertums rückt die Bibelnotiz Bachs erst ins rechte Licht : Sein viel verlästertes Amt ist gottgewolltes Amt, es hat seine biblische Begründung, der Kirchenmusiker ist voll und ganz legitimiert . War die in unserer Zeit viel diskutierte Definition des „fünften Evangelisten" fragwürdig, in die Reihe „geisterfüllter Propheten" durfte Bach sich durch göttliches Gebot berufen wissen. „So fügte es Gott, daß zu hiesigem Directore Musices u. Cantore an der Thomas Schule vociret wurde", konnte er mit Recht an seinen Jugendfreund Georg Erdmann 1730 schreiben, und auch das Folgende war keine Phrase, daß er 1723 „es in des Höchsten Nahmen wagete, u . mich nacher Leipzig begabe, meine Probe ablegete, u. so dann die mutation vornahme. Hieselbst bin nun nach Gottes Willen annoch beständig". Interessant ist, daß der nach seiner Lüneburger Lehrzeit ins Thüringer Heimatland zurückeilende Bach den größten Teil seines Lebens dann doch nicht hier, sondern in Leipzig verbrachte, wo nach dem Verbot des Pietismus 1690 dessen Anhänger nach Thüringen gewichen waren und bald von hier zu Häuptern des Halleschen Pietismus avancierten : Paul Anton, 1695 nach Halle berufen, war in den letzten Kindheitsjahren Bachs in Eisenach von 1693 an dortiger Hofprediger gewesen; Francke selbst war als Pfarrer nach Erfurt gegangen, wo als Senior der GeistlichkeitJoachimJustus Breithaupt im pietistischen Sinne wirkte und beide nach ihrem Konflikt mit der dortigen Geistlichkeit nach Halle kamen, Breithaupt hier der erste Ordinarius der theologischen Fakultät wurde - vor der Erfurter Zeit war er Hofprediger in Meiningen gewesen, wo wegen pietistischer Gruppenbildungen 1693 ein Edikt gegen das Konventikelwesen erlassen wurde, dem ähnliche Edikte 1694 in Schwarzburg, 1712 in Eisenach und 1715 in Weimar am Ende der Zeit Bachs folgten. Aus Thüringen war auch einer der engsten Mitarbeiter Franckes gekommen, der als Hauslehrer in Arnstadt tätige HeinrichJulius Elers, und am pietistenfreundlichsten galt Gotha, wo Francke am Hof 210

die entscheidenden Jungendjahre verlebt und der Hofprediger den Herzog bestimmt hatte, separatistischen Neigungen zwar entgegenzutreten, aber Erbauungskreise zuzulassen. Was Bach nach nur zehn Monate währendem Dienst in Mühlhausen sein Amt aufzugeben veranlaßte, jene unerquicklichen Spannungen zwischen Orthodoxie und Pietismus, war beileibe kein Einzelfall. Im gleichen Jahr 1708 beriet in dem von Bachs künftigen Wirkungsstätten Weimar und Leipzig gleich entfernten Naumburg das Domkapitel, „ob man die überflüssige Figuralmusik vor und nach der Predigt nicht lieber einstellen solle", und schon drei Jahre zuvor bestimmte eine Eisenacher Schulordnung: „Es ist von den Gemeinden nicht zu billigen, daß sie in der Wahl des Schulmeisters auf dieses [dieMusik] mehr zu sehen pflegen, als auf das Hauptwerk; noch an anderen Schulmeistern, daß sie soviel Zeit auf Zusammenschreiben und Herbeischaffung neuer Stücke wenden, bei dem Gottesdienst allzuviel und lang musiciren und oft eitel Ruhm mit ihren Adjuvanten dabei suchen" 10 • Daß Bach bei dem starken Vertrieb billiger Bibeln in Halle seit 1710, wo auf Franckes Initiative hin die Cansteinsche Bibelanstalt gegründet worden war und nun die Bibel erst richtig zum deutschen Hausbuch wurde - und Bach war seitdem wiederholt dort gewesen-, noch so spät in seinem Leben die Calov-Bibel erwarb, bleibt nachdenkenswert. Es war dies offenbar ein ebenso großes Ereignis, das er dreimal mit seinem Namenszug und der Jahreszahl 1733 versah, wie er dann neun Jahre später Calov als „den großen Theologen" bezeichnete und sichtlichen Stolz verriet, aus dessen Bibliothek 1742 noch eine zusätzliche Luther-Ausgabe im Alter von 57 Jahren erworben zu haben: „Diese Teütsche und Herrliche Schriften des seel. D.M. Lutheri (so aus des großen Witten bergischen General Superintendens u. Theologi D. Abrah: Calovii Bibliothec, u . Woraus Er vermuthlig seine große Teütsche Bibel colligiret ... )habe in einer auction erstanden ... ", quittierte Bach.

10

Bach m Thüringen, hg. vom Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen,

Berlin l 950 , S. 100 .

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VI Es ging dem Thomaskantor in der Tat wie Luther und Calov zuletzt um die „große Teütsche Bibel", ihre ganze Wahrheit und unverfälschte Verkündigung, um das „gottgefällige". „Gottes Wort mit lesen und singen wiederholen", so deutet Olearius zunächst in 1. Chronik 25, Vers 2 Luthers „weissagen", um das in Vers 3 aufgenommene Wort hier noch genauer zu erklären: „Prophetare est verba Prophetica loqui, repetere, explicare ... , welche die Prophetischen Verheißungen mit Lesen und Reden wiederholeten u n d a n d e r n e r k 1ä r t e n ", wobei auf die Prophetie in 1. Korinther 14 als höchste aller Geistesgaben in der neutestamentlichen Gemeinde verwiesen ist - Paulus schreibt (was Olearius markiert): „Fleißiget euch der geistlichen Gaben, am meisten aber, daß ihr weissagen könnt „ . Wer aber weissagt, der redet den Menschen zur Besserung und zur Ermahnung und zur Tröstung." Calov sagt vom „ Weissagen" des „Sangmeisters Assaph", daß er „ von geistlichen Sachen aus GOttes Wort, oder auch aus Eingebung des Geistes GOttes lehrete, für dem Könige davon sang und spielete". Um dieses singende und spielende „Lehren", „Reden und Erklären" ging es auch Bach bei seinem Dienst der „Weissagung", dem später mit Recht an erster Stelle der hinterlassenen Werke genannten Hauptwerk: der geistgewirkten, in Kontinuität prophetischer Weissagung stehenden g es pro c h e n e n Predigt als Hauptstück des Gottesdienstes korrespondiert die m u s i zierte Predigt, von Bach als „Hauptmusic" definiert - seitens der Leipziger Theologen ist ihm diese nie eingeschränkt worden. Nachdem er schon 23jährig von seinem „Endzweck, nemlich eine regulirte kirchen music zu Gottes Ehren" gesprochen und dann 45jährig über die „ wohl bestallte Kirchen Music" intensiv nachgedacht hatte, zitiert er gegen Lebensende die „gottgefällige Kirchen Music", deren Wesen nur von dem zu verstehen ist, was er in jenem Bibelkapitel las. Wie vielfältig im laufe der Geschichte die alttestamentliche Prophetie auch erschienen ist, sie war und blieb immer persönliche Anrede, konkreter Bußruf und Zuspruch in das alltägliche Leben hinein; Propheten hatten nicht allgemeine Wahrheiten zu lehren oder ein neues Ethos zu bringen, sie standen auch als Gerichtsboten und Mahner in der Tradition des alten Gottesrechtes und wußten, daß der in seinen Gerichten kommende und redende Gott letztlich Heil und Hilfe bringen will, ja hinter allem die ersten Umrisse einer neuen Welt aufleuchten und bei vollem Anbruch der Gottesherrschaft der auf die Weltvollendung zielende Friede der Endzeit wirksam und alle Völker umfassen wird. „Die Ehre Gottes weiset sich in der Ausbreitung seines Wortes", hatte Olearius zum „Gloria" betitelten 149. Psalm gesagt, wozu Calov bemerkt, daß hier das „Singet dem HERRN ein neues Lied ... wie es Herr Lutherus lehret, eigentlich ins Neue Testament gehöret", so daß kaum besser als mit jenem „Gloria in excelsis Deo" anhebenden Lobpreis und dem dazugehörigen „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen" das letzte Ziel „aller gottgefälliger Kirchen Music" zu bestimmen ist. Bach las das Alte Testament als Mann seiner Kirche, die es in Luthers Nachfolge von der in Christus geschehenen Erlösung, ja Christus als den ganzen Inhalt jenes Buches begriff. Diesen Christus entdecken beide Ausleger auch in 1. Chronik 25, wo der weitaus größte Teil - von 31 Versen allein 24 212

ausschließlich - nur Namen und Zahlen bringt, so daß Calov seine Deutungen auf ein Minimum beschränkt. In Vers 5 aber deutet er beim Bibeltext „Diese waren alle Kinder Henans, des Schauers des Königs in den Worten Gottes, das Horn zu erheben" dieses Horn als: „Christum, von dem er weissagete, zu erheben ... , welches nicht allein mit Worten, sondern auch mit Musiciren und Gesängen geschach" - mit Verweis auf den Benedictus-Hymnus in Lukas 1 „und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils in dem Hause seines Dieners David". Olearius deutet ausführlicher: „ Das Horn zu erheben nicht allein theils forma 1i t er durch ein gewisses Inst r u m e n t bey der Music, sondern zuvörderst objective ... materialiter, dieweil die Prophetischen Verheißungen von dem Horn des Heyls Luc. 1 wiederholen musten, und den Meßiam erheben, und preisen durch die schönen Lob-Psalmen ... Denn das Horn bedeutet Macht, Regiment und Sieg ... wenn die grossen Thaten ... und Wercke deß HErrn öffentlich gepreiset wurden, und seine herrliche Verheissungen, darauf man sich als ein Thier auff seine Hörner fest verlassen kan, welche in Christo sind Ja und Amen." Wenn Bach in seinen stets am neutestamentlichen Predigttext orientierten Kantaten viel die Geschichten, Bilder und den Wortlaut des Alten Testaments verwendete, dann nie um ihrer selbst willen - sehr im Gegensatz zu Georg Friedrich Händel, der bei seiner reichen Vertonung alttestamentlicher Themen diese als solche, als allgemein-zeitlose Glaubenswahrheiten in plastisch-dramatischer Gestaltung, in seinen niemals aus einem liturgischen Amt erwachsenen und nie im Gottesdienst aufgeführten Oratorien musizierte, die dann nach des Meisters Tod bezeichnenderweise auch die ungebrochen weitergehende Händel-Tradition ermöglichten. Mit Bachs Kantaten war keine Bach-Tradition zu entfachen, konnte er in seinem Hauptwerk bisher am wenigsten populär werden - die viel geschmähten Texte machen offenbar, daß hier ein distanziertes Hören allgemeiner Glaubenswahrheiten ebensowenig diskutabel ist wie ein Betrachten um des Gefallens willen, es eben mit „Lesen" und „Wiederholen" nicht getan ist - Bachs Kantaten bedürfen zum richtigen Verständnis der gottesdienstlichen Dimension, noch besser: geistgewirkter Prophetie; es ist schon so, wie man es speziell von Erdmann Neumeisters Kantaten festgestellt hat, daß in ihnen „die Person Christi ... lebensvoll hervortritt, als ob man den Heiland selbst sähe und mit ihm spräche" 11 • So ist „gottgefällige Kirchen Music" wie alle Predigt Aktion Gottes zur Rettung der Welt, um deren abgrundtiefe Bedrohung mit ihren mannigfachen Zerstörungselementen Bach wußte - und darum auch um die Dämonie einer nicht in jenem Dienst stehenden Musik, daß „die Musica auch gemißbrauchet werden kann", "".ie Olearius zu 1. Samuel 16 sagt oder beim 150. Psalm ein längeres Zitat Luthers zur „Betrach-

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P. Brausch, Die Kantate - Em Beitrag zur Geschichte der deutschen Dichtungsgattung, Diss., Heidelberg 1921, S. 71; vgl. dazu: G. Stiller,johann Sebastian Bach und das Leipziger gottesdienstliche Leben seiner Zeit, a.a.O., S. 201.

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tung der Music" damit beginnen läßt: „Er sagt: Der Satan kan sie nicht leiden, Er ist ihr Feind." In der Generalbaßlehre diktierte Bach den Schülern von einer Musik, die „keine eigentliche Music, sondern ein Teuflisches Geplerr und Geleyer" ist und kann hier schon die Zielsetzung a 11 er Musik „als nur zu Gottes Ehre und Recreation des Gemüths" bezeichnen, wobei „Gemüth" damals „die Gesamtheit der seelischen Kräfte und Sinnesregungen" und „Recreation" die totale „Neuschaffung, Zurückführung zur ursprünglichen Schöpfungsbestimmung", „Recreation des Gemüths" also „zutiefst ein Zurechtbringen des ganzen Menschen" meint 12 . Die „gottgefällige Kirchen Music" ist noch mehr als Gottesgabe schlechthin. Wenn Olearius auf den vor Saul Harfe spielenden David verweist und dort, wie auch Calov, eingehend auf die Kirchenmusik zu sprechen kommt und dabei laufend „Lutheri Worte" zitiert, dann in der festen Übereinstimmung mit ihm, daß David dazu auch g es u n g e n hat, daß „nicht allein der schöne Harffen-Klang die Melancholey natürlicher Weise verreiben konte", sondern „David die schönen Psalmen von Christo anstimmete", so daß zum Begriff „Harffen" von der „geistlichen Singe-Kunst" gehandelt wird, „daß dieses sey Musica gladio verbi armata, die mit Gottes Wort ausgerüstete Singe-Kunst", mit zahlreichen Schrift- und Väterzitaten siebenfach definiert als: „Eine Kunst über alle Künste", „Eine Andacht über alle Andacht", „Eine Freude über alle Freude", „Eine Weißheit über alle Weißheit", „Eine Liebligkeit über alle Liebligkeit", „Eine herczliche Bewegung über alle Bewegung" und „Ein Schatz über alle Schätze". Im 6. Teil ist auch gesagt: „Die geistliche Music kan das betrübte Hertz erfreuen, weit besser als aller menschlicher Gesang ... davon die Poeten gerichtet ... Denn die geistliche Music macht gleichsam die Todten lebendig, wenn ich in Nöthen bet und sing, so wird mein Hertz recht guter Ding, das ist ein Vorschmack deß ewigen Lebens", wobei angemerkt sei, daß die Ewigkeitslieder des Gesangbuchs ja die meisten Aussagen über den Sinn der Musik enthalten. Auf diese hier nur andeutbare Fülle von Gedanken und Beziehungen stieß Bach beim Bibelstudium, wenn er zu 1. Chronik 25 las: „Das Singen beym Gottesdienst ist Güte-gefällig und erbaulich", wobei „erbaulich" gemäß des Gottfried Vopelius' Wunsch im Leipziger Gesangbuch von 1693 zu verstehen ist: daß es außer zu Gottes Ehre zu „des Christenthums seeliger Erbauung" dienen soll, jener umfassenden gerade bei den Geistesgaben in 1. Korinther 14 zitierten Er-Bauung - mit dem zielgerichteten Blick auf die Vollendung der Schöpfungswelt, wie sie in der AuferstehungJesu Grund und Verheißung hat. Daß in Bachs Kantaten diese eschatologische, auf Tod, Auferstehung und Wiederkunft Christi sowie des Menschen Sterben und Auferweckung auf Gericht und Ewigkeit zielende Thematik so stark hervortritt, ist ein notwendiger, an der Weltvollendung orientierter Aspekt christlicher Verkündigung, und es wird bei Kantatendeutungen wohl kaum mehr Unangemessenes und geradezu Törichtes gesagt als zu diesen Themen - hier geht es nicht um unrealistische Weltverachtung und Himmelssehnsucht, nicht um weltferne Lebensmüdigkeit und Todes-

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0. Söhngen, Theologie der Musik, Kassel 1967, S. 272 f.

mystik, wohl aber um die dem Christen aus dem Osterglauben erwachsende, in unsern Tagen im Anschluß an ein Osterlied Luthers so bezeichnete „ Vespotrung des Todes" 13 . Calov sagt zur Aufgabe der Kirchenmusik am Ende seiner Psalmenauslegung, im letzten Vers des Psalms, bevor er auf das bei der Weltvollendung erklingende Triumphlied in Offenbarung 19 eingeht: „Alles was Othem hat, lobe den HErrn (das gehet auff das Lob, so mit dem Mund geschieht, und zwar auff Erden von den Menschen, darzu Geist, und Othem gehöret: die GOTT dem HErrn beydes mit Instrumenten, und mit dem Loben im Tempel, und im Heiligthum, da er wohnet, ehren, erheben, auch ihr Andacht gen Himmel, denn des HErrn Stuel ist der Himmel, und die Erde seine Fußbanck ... ) Hallelujah (das ist, Lobet den HErrn. Dieses gehet hier auff Erden bey uns an, aber es wird vollenzogen in Ewigkeit: Dahin uns der Prophet weiser, wenn er ... den gantzen Psalter/ damit beschliesset, wie denn zu jenem Leben das ewige Hallelujah gehöret ... ). "

VII Zum 300. Geburtstag Bachs über seine gar nicht für die Öffentlichkeit und Nachwelt bestimmte Bibelnotiz nachzudenken, heißt nach ihrer Aktualität fragen. „Gottgefällige Kirchen Music", eine der gnädigen „Anordnungen" des Schöpfers, mit denen er seine Welt vor den dämonischen Zerstörungsmächten bewahrt und erhält, scheint angesichts der ernsten Bedrohung, wo die Selbstvernichtung der Menschheit begonnen und man den als „unvermeidliche Katastrophe" signalisierten „allgemeinen Weltkollaps" schon errechnet hat, ja selbst Christen nach Auschwitz und anderen furchtbaren Greueln nicht mehr Verse wie „Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret" singen können, eine unverantwortliche Bagatellisierung und Simplifizierung der Realität zu sein, von dem relativ geringen Stellenwert der musica sacra im gesellschaftlichen und kirchlichen Leben ganz abgesehen. Und doch schaut nach dem schon vor Jahrzehnten beklagten „Verlust der Mitte" die sich autonom dünkende und lautstark das Lied von der Selbstherrlichkeit des Diesseitsmenschen singende Menschheit, die den optimistischen Glauben an ihren glorreichen Aufstieg zu immer lichteren Höhen als schreckliche, in die Selbstzerstörung des Menschenbildes führende Illusion erlebt, längst nach einer neuen weltweiten Ordnung und Mitte ihrer Gemeinschaft ungeduldig aus. Man wird hellhörig beim Ausspruch: Nicht die atomare Bedrohung, sondern der Abfall von Gott, wie es Alexander Solschenizyn kürzlich gesagt hat, ist das Problem unserer Zeit - oder wenn eine so unverdächtige Zeugin wie die DDRSchriftstellerin Christa Wolf dichtet

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E.Jüngel, Tod, Stuttgart-Berlin 1977, S. 161.

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Hört man uns nicht auf lärmenden Straßen, dennoch singen wir. Ist unser Lied in den Wind geblasen, dennoch blasen wir. Haben wir auch zum Schöpfen nur Siebe, dennoch schöpfen wir. War es auch zehnmal vergebliche Liebe, dennoch lieben wir. Wenn wir zu hoffen aufhören, kommt, was wir befürchten, bestimmt. Viermal „dennoch", dieses Dennoch im Wissen um die Vergeblichkeit. Dennoch das Menschsein bewahren! Menschliche Größe hat dieses „dennoch singen wir" . Offenbar ist es nur eine kleine Gruppe, die sich zusammentut, um auf „lärmenden Straßen" zu singen, die „umsonst" liebt und hofft. Bach hat dieses Dennoch schon wenige Wochen nach seinem Leipziger Amtsantritt in der für einen Trauergottesdienst komponierten, die zerstörende Macht des Todes herausfordernden Motette ,Jesu, meine Freude" - eben von dieser Mitte her so unüberhörbar-eindrücklich zu gestalten vermocht: Trotz dem alten Drachen, Trotz des Todes Rachen, Trotz der Furcht dazu! Tobe, Welt, und springe, Ich steh hier und singe In gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht; Erd und Abgrund muß verstummen, Ob sie noch so brummen. (BWV 227) Es ist die durchs ganze Werk gehende, mit 5 Versen aus Römer 8, einem der großartigsten Kapitel des Neuen Testaments, verbundene freudig-gewisse Erwartung der von Tod, allem Leid und Geschrei erlösten und vollendeten Kreatur, die sich in ungetrübter Eintracht Gottes und aller seiner Werke freuen darf, „der Neuen Schöpfung" (so Ulrich Wilckens), die Gott „in Christus heraufgeführt und zu der Zukunft ge14 macht hat, der seine Schöpfung entgegenharren darf" - mitten in der Passionszeit singt die evangelische Christenheit seit langem gerade in dieser Woche nach dem Sonntag „Laetare" (freue dich) das auf den Quellgrund der Freude hinlenkende Lied als Wochenlied 14

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U. Wilckens, Der Bn"efan die Römer, 2. Teilband, Köln-Neukirchen 1980, S. 142 f.

Weicht, ihr Trauergeister, Denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein. Denen, die Gott lieben, Muß auch ihr Betrüben Lauter Freude sein . Schon als 30jähriger hatte Bach in der grandiosen Weimarer Osterkantate „Der Himmel lacht! die Erde jubilieret" (BWV 31) „vor uns ein ganzes kosmisches Freudenfest aufgeführt als Ausdruck der Glaubensfreude darüber, daß Christus in seinem Todessieg für die ganze Schöpfung neues Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat" i i . Es ist die Freude, die dann in Bachs „zu seinen Lieblingsthemen" gehörenden „Gedanken an einen seligen Tod und das ewige Leben" bestimmend hervor16 tritt , „die tiefsten Töne, deren er fähig gewesen ist, hier hat aufklingen lassen" , und ihn auch die erste Leipziger Passionsmusik am Karfreitag 1724 mit „Herr , unser Herrscher, dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist" beginnen und zuversichtlich-dankbar schließen läßt Alsdenn vom Tod erwecke mich, Daß meine Augen sehen dich In aller Freud, o Gottes Sohn, Mein Heiland und Genadenthron! Herr J esu Christ, erhöre mich, Ich will dich preisen ewiglich . (BWV 245) Freude u n d Musik: Es sind jene zwei ganz eng zusammengehörenden Themen , die Bach zutiefst mit Luther verbindet, für den sich in der Bewegung der Freude das reale Betroffensein vom Evangelium äußert, wie es das die Frohbotschaft der Rechtfertigung besingende Lied „Nun freut euch, lieben Christengmein, und laßt uns fröhlich springen" drastisch kündet, im Nebeneinander von „freuen" und „laßt uns fröhlich singen" der Vorlage und in weiteren Wendungen der österliche Psalm 118 aufleuchtet und als wiederum auf Römer 8 (und 7) Bezug nehmendes Lied mit der zu Ostern gesungenen Melodie „Freut euch, ihr Frauen und ihr Mann, daß Christ ist auferstanden" 1524 bezeugt, ja schon mit dem Anfang der Reformation verbunden worden ist - im Anschluß an den Introitus des Allerheiligentages, an dessen Vigil der Thesenanschlag datiert, habe Luther sein persönliches „Credo" deponiert; es ist der in Strophe 1 sich spiegelnde Psalm 33 „Freuet euch des Herrn, ihr Gerechten; die Frommen sollen ihn preisen", worüber Luther predigen konnte: „Musica ist das beste Labsal einem betrübten Menschen, dadurch das Herze wieder zufrieden, erquickt und erfrischt wird . .. Sie verjagt den Geist der Traurigkeit, wie man am Könige Saul siehet", was 3

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A . Köberle , Bach, Beethoven , Bruckner als Symbolgestalten des Glaubens, Tübingen 1947, S. 13 .

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H . Besch ,johann Sebatran Bach - Frömmigkeit und Glaube, Kassel usw. 1950 , S. 292.

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Luther noch in der letzten Gesangbuchvorrede von 1545 vom „Herz und Mut fröhlich machenden" Erlösungsgeschehen in Christus sagen läßt : „ Wer solchs mit Ernst gläubet , der kanns nicht lassen, der muß fröhlich und mit Lust davon singen , daß es andere auch hören und herzukommen . " Freude und Musik : Erwachsen aus dem „wahren Fundament" der Schrift , die Lu ther und Bach in ihrer persönlichen Existenz , der Legitimation ihrer Berufung, im Denken und Tun entscheidend inspirierte und so reiche Schätze ihrer Predigt und Auslegung zeitigte, daß sie in der Tiefe ihrer Aussagekraft noch längst nicht gehoben sind und - das hat schon das Luther-Jubiläum deutlich gemacht und läßt das stürmisch zunehmende Interesse am Werke Bachs ahnen - zur Ermutigung der dämonisierten, leidgeprüften und todbedrohten Welt nicht wenig beizutragen vermag . Vom Ende aller Dinge wußten beide prophetische Gestalten viel zu sagen und zu singen, aber unendlich viel mehr von dem dahinter leuchtenden Ziel: „Expecto resurrectionem mortuorum et vitam venturi" - nachdem am Credo-Anfang der h-Moll-Messe am Schluß des 84 Takte zählenden zweiten Satzes der seltene Fall belegt ist, daß Bach die Zahl 84 (Produkt von sieben mal zwölf) notierte, durchschreitet er im Schlußsatz bei den Worten von der Erwartung der Toten-Auferstehung in 24, auf das Ende der Welt hinweisenden Takten in einer für die Zeit ungewöhnlich kühnen Harmonik und dichtesten Folge von Modulationen den gesamten Quintenzirkel, der seinerseits 24 Tonarten umfaßt, um die totale Verwandlung, die das menschliche Sein in der Auferstehung erfährt, zu symbolisieren, bevor das Credo dann mit den letzten Worten von der Erwartung der zukünftigen Welt in einem in der Grundtonart D-Dur stehenden und im stärksten Kontrast zum Vorhergehenden jetzt „Vivace e Allegro" unter Einbeziehung aller Instrumente ausklingenden doxologischen Schlußchor endet . Eine bemerkenswert tiefsinnige Interpretation, von der der Hörer bestenfalls einiges ahnt, aber immerhin soviel zu begreifen vermag, daß solche „gottgefällige Kirchen Music" nichts gemein hat mit Katastrophenangst und Weltuntergangsstimmung. „Für den geschichtsphilosophischen Betrachter, der mit der lebendigen Wirklichkeit Gottes rechnet, bleibt die Erscheinung dieses Lebens gerade an dieser Stelle des ungeheuren Zeitenumbruchs ein ergreifendes Zeichen göttlicher Planung und Vorsehung", hatte Adolf Köberle schon vor dem letzten Bach-Jubiläum seinen Bach-Aufsatz beschlossen und weiter gesagt : „Am Spätabend , da die christliche Geistesherrschaft über das Abendland zu Ende geht, da die Kirche Luthers selbst der Auflösung entgegentreibt, gerade da schickt der Schöpfer und Herr aller Geschichte und allen Lebens noch einmal ein auserwähltes Rüstzeug seiner Gnade . Gerade als wollte er der Kirche und der Welt dieser Tage durch den Mund seines Propheten noch einmal zurufen : Wißt ihr auch, was ihr von euch werft? Und wenn ihr jetzt schon auf eigengewählten Wegen des Wahrheitsergreifens geht und gehen müßt, so vergeßt doch nie, was für ein großes Vermächtnis auf euch wartet und für euch bereit liegt, daß ihr es einmal wieder ergreift, um neu davon zu leben!" 17

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218

A. Köbcrlc, Bach, Beethoven, Bruclmer als Symbolgestalten des Glaubens, a.a.O., S. 19.

Kann es für den im Jubiläumsjahr 1985 nach dem Vermächtnis und seiner Bibelnotiz heute Fragenden noch ein deutlicheres Zeichen des Himmels geben, als daß dieser Tag im lichte des Sonntags Laetare und einer zukunftsorientierten Gewißheit „ ... dennoch bleibst du auch im Leide,Jesu, meine Freude" gehalten wird? Und sollte es auch nur reiner Zufall sein, daß dieser 300. Gebunstag Bachs nun 500 Tage (3 mal 100 + 100 + 100) nach dem 500. Gebunstag Luthers begangen wird, oder ganz präzis: der 300. Tauftag Bachs am 23. März genau auf den 500. Tag nach jenem Jubiläumstag Luthers am 10. November 1983 fällt? Wenn das von ihnen beiden proklamierte Evangelium noch immer die beste Sache von der Welt und die Bibel noch immer „das beste Buch der Welt" (Gerhart Hauptmann) ist und die daraus resultierende „gottgefällige Kirchen Music" nun erstmals nach dem Tode Bachs in der soeben beendeten, komplett vorliegenden Schallplatten-Edition des Kantatenwerks selbst bis in die fernste Stube dieser Welt klingend zu dringen vermag, dann darf und kann der stete Lobpreis des Leipziger Thomaskantors, kurioserweise in dieser prägnanten Form historisch das erste Mal am Ende einer Schrift Luthers von 1519 bezeugt, nicht verstummen: Soli Deo Gloria.

219

DIE BACH-REZEPTION IM 18. JAHRHUNDERT IM SPANNUNGSFELD ZWISCHEN STRENGEM UND FREIEM STIL Go

THER

w AGNER

Gedankliche Abstraktion und idealtypische Modellbildung, Hilfsmittel des Historikers, ohne die Geschichtsschreibung im anspruchsvolleren Sinne nicht möglich ist, haben zu einem Bild des 18. Jahrhunderts beigetragen, das knapp skizziert folgende Dreiteilung erkennen läßt: strenger kontrapunktischer Stil in der zugespitzten Form bei Bach, radikaler Bruch mit der Tradition und das neue Ideal einer simplen, oberstimmenbezogenen Setzweise und schließlich im letzten Drittel des Jahrhundertseine Vermischung bzw. Synthese mit dem Resultat der musikalischen Klassik, in der bildhaften Sprache Adolf Sandbergers mit besonderem Bezug auf die motivisch-the1 matische Arbeit als „Kind aus der Ehe des Kontrapunkts mit der Freiheit" bezeichnet. Vorausgesetzt wird bei dieser Sicht der Dinge, daß sich) .S. Bach um 1730 von der allgemeinen stilistischen Entwicklung abgekoppelt hat, von ihr überrollt wurde oder wie Ulrich Siegele formuliert hat, daß „die Entwicklung über seine Idee des innermusikalischen Konzertierens hinweggegangen war, daß er historisch aufs falsche Pferd gesetzt hatte" 2 • Als Beleg für diese These dient üblicherweise Johann Adolph Scheibes Urteil über Bach im 6. Stück seines Cn"tischen Musikus vom 14. Mai 1737. Die Charakterisierung Bachseher Musik dort als „schwülstig", „ verworren", „künstlich", „ unnatürlich" und „dunkel" 3 wurde als „Zeitdokument", als musikalisches Ziel „einer neuen Generation" 4 , als Beleg für das Ideal eines freien, galanten, oberstimmen-

1

A. andberger, Zur Geschichte des Haydnschen Streichquartetts, in: Ausgewählte Aufsätze zur Mu-

sikge chichte, München 1921, S. 260. 2 U. Siegele, Versuch einer musikalischen Lebensgeschichte Bachs, in: ders„ Kompomionsweise und Bearbeicungstechnik in der lnscrumencalmusik Johann Sebastian Bachs, Neuhausen-Stuttgart 1975,

S. 166. 3 Zitiere wird hier und im folgenden nach J.A.

cheibe, Cn'tischer Musikus, Hildesheim-New York

1970 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1745). 4

Vgl. hierzu H.H. Eggebrecht, Scheibe gegen Bach - 11n Notenbeispiel, in: Das Musikleben 5, 1952,

S. 106-108.

221

betonten, natürlichen Stils gewertet. Idealtypische Vorstellungen in der hier vorliegenden Art stellen nach Max Weber Utopien dar, „und für die historische Arbeit erwächst die Aufgabe, in jedem einzelnen Fall festzustellen, wie nahe oder wie fern die Wirklichkeit jenem Idealbild steht ... "~. Konkret stellt sich also die Frage : Ist Scheibe in der Funktion , die er in unserer geläufigen Vorstellung vom Epochenwechsel im 18. Jahrhundert zu erfüllen hat, zur Deckung zu bringen mit dem historischen Scheibe , wie er sich uns in seinen Texten darstellt? Die Frage ist meiner Ansicht nach eindeutig zu verneinen . Zur Begründung wäre anzuführen : 1. Scheibes Aussage im 6. Stück steht im Widerspruch zu anderen auf Bach bezogenen Äußerungen im Critischen Musikus . Im 15 . Stück beschreibt Scheibe die nationalen Stilarten , betont die Überlegenheit Deutschlands gegenüber Italien und Frankreich hinsichtlich der Musik für Tasteninstrumente und nennt Beispiele. „Die beyden großen Männer unter den Deutschen, Herr Bach und Herr Händel bezeugen solches auf das nachdrücklichste" 6 . Im 69 . Stück behandelt Scheibe das Instrumentalkonzert und geht im Verlauf der Ausführungen auf das Konzert für ein Instrument (Clavier, Laute) ein . Dabei wird das Italienische Konzert von Bach als „vollkommenes Muster" dieser Gattung von Scheibe erwähnt . Er führt aus , dieses Stück sei„auf die beste Art eingerichtet", die überhaupt denkbar ist , sei von „ vortrefflichen Eigenschaften" und von einer „ wohlgeordneten Ausarbeitung", um schließlich seinem Nationalstolz Tribut zu zollen und festzustellen, daß dieses Werk „von den Ausländern aber nur vergebens wird nachgeahmet werden" 7 • Das 70. Stück handelt vom „ verblühmten Ausdruck"; Scheibe versteht unter diesem Begriff ein kompositionstechnisches Verfahren, das sich auf die Melodie bezieht und einen gegebenen Satz (Motivgruppe oder Thema) immer wieder variiert; man mag dabei an eine Art motivische Arbeit denken. Scheibe nennt Komponisten, die dieses Verfahren besonders gepflegt haben; erwähnt werden Hasse , Graun, Telemann und schließlich auch Bach, den er in besonderem Maße hervorhebt ( „insbesondere aber eines Baches, der darinnen vornehmlich ein großer Meister ist") 8 . Eine Bewertung Scheibes ausschließlich auf der Basis der Ausführungen wie sie im 6 . Stück des Critischen Musikus gemacht werden, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Vielmehr sind die hier andeutungsweise zitierten Passagen als Kontext zu berücksichtigen ; dies führt zu einer erheblichen Umbewertung Scheibes , auf die im folgenden einzugehen ist.

~ M. Weber , Die „ Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Gesam melte Aufsätze: zur Wissenschaftslehre:, Tübingen 1922 , S. 191. 6 J.A.

Scheibe: , Critischer Musikus , a.a.O., S. 148.

7

Ebenda, S. 638 .

8

Ebenda, S. 646 .

222

2. Scheibe war ganz sicherlich weltanschaulich über seinen Lehrer Gottsched und den in Leipzig allgegenwärtigen Christian Wolff von aufklärerischem Gedankengut durchdrungen. Aber die Schlußfolgerung, er sei deshalb zwangsläufig auch im musikalischen Bereich der Verfechter eines modernen, eines kompromißlos simplen Kompositionsideals gewesen, ist falsch. Richtig ist vielmehr, daß Scheibe - vertraut mit der Musik Bachs - sowohl in seinem Compendium Musices (abgefaßt um 1730), als auch im Cn"tischen Musikus (geschrieben zwischen 173 7 und 1740) einen Ausgleich zwischen dem strengen, kontrapunktischen und einem freien, oberstimmenbetonten Stil sucht und dabei zu Lösungen gelangt, die gattungsspezifisch recht unterschiedlich ausfallen können. Neben den Gattungen, die dem Theaterstil zuzurechnen sind, naturgemäß dem Einfluß Italiens sich verpflichtet fühlen und zur Erregung von Leidenschaften und aus Gründen der Sprachverständlichkeit auf e i n e Hauptstimme sich beschränken, neben Gattungen des Kirchenstils, die retrospektiv und damit rein kontrapunktisch geprägt sind, ist es vor allem der Kammerstil mit seinen verschiedenen Gattungen, in dem Scheibe den Ausgleich divergierender satztechnischer !deale verwirklicht sehen will. Dieser „Zusammenfluß aller Arten musikalischer Stücke" wie Scheibe den Kammerstil nennt, in dem „die Annehmlichkeit und die Kunst um den Preis streiten" soll9 , stellt einen Komplex dar, den wir für die musikgeschichtliche Entwicklung im 18. Jahrhundert als den wichtigsten bezeichnen müssen, weil hier die anspruchsvolle Instrumentalmusik als autonome Kunst, die klassische Tonsprache sich entwickelt hat. Am Beispiel der Gattung Konzert führt Scheibe aus, in welchem Ausmaß kontrapunktische Satztechniken auch innerhalb des Kammerstils Bedeutung haben : „Wen nun also verschiedene Concertstimmen vorkommen: so muß ein Componist auch alle Hauptstimmen gleich stark arbeiten lassen. Er soll folglich eine jede Stimme, als eine Hauptstimme, ansehen, und keiner mehr oder weniger zu thun geben, als der andern. Die Verbindung derselben, und ihre geschickte Abwechslung zu unterhalten, und allen einen ordentlichen Gesang zu ertheilen, kann aber durch nichts anders, als durch die Regeln der Harmonie geschehen: denn man soll sie beständig miteinander arbeiten, und um den Vorzug streiten lassen; folglich muß man auch dazu die Regeln der Fuge, des doppelten und drey- oder vierfachen Contrapuncts, und auch wohl des Canons anwenden . Wer also in den Grundsätzen dieser harmonischen Kunstwerke, sonderlich aber in der Fuge, und im doppelten Contrapuncte, nicht wohl erfahren ist, er wird auch am wenigsten geschickt seyn, ein vollstimmiges Concert zu verfertigen" 10 •

9 10

Ebenda, S. 379 (bzw. 378) . Ebenda, S. 634 f.

223

Die knappen Ausführungen zur Bewertung Scheibes und seiner Stellung zu Bach und zum historischen Verlauf im 18.Jahrhundert seien kurz zusammengefaßt, wobei ich teilweise und ergänzend auf meine Ausführungen im Bach-Jahrbuch 1982 11 zurückgreifen muß: a)Johann Adolph Scheibe hat Bachs Werk nur partiell abgelehnt; seine Kritik, vorgetragen im 6. Stück des Critischen Musikus bezieht sich auf Teile der Vokalmusik und hat ihren Grund in Bachs teilweise rüdem Umgang mit der dichterischen Vorlage: Streichen einzelner Verszeilen (sogenannte Leichen), Wegfall ganzer Strophen, schlechte Verstehbarkeit des Textes, unnatürliche und sprachlich unlogische und unsinnige Textwiederholungen (auch Johann Mattheson hatte diesbezüglich Kritik an Bach geübt). Als Schüler und Parteigänger Gomcheds war Scheibe im Umgang mit der Dichtkunst sensibel, während Bach primär der Textinhalte sich bemächtigte, einzelne Schlüsselworte ausdeutete und darüberhinaus im Zweifelsfall den musikimmanenten Gesetzmäßigkeiten beim Vertonen von Sprache eindeutig Priorität einräumte. b) Das Prinzip des „innermusikalischen Konzertierens", wie Ulrich Siegele dies nannte, war um 1740 keinesfalls obsolet geworden. Zwar hatte dieses kompositionstechnische Verfahren in der zeitgenössischen Oper nichts zu suchen, wohl aber im Bereich der Instrumentalmusik und hier wieder insbesondere im Kammerstil. c) Scheibes Text läßt erkennen, in welcher Weise der strenge kontrapunktische Stil im 18. Jahrhundert wirkte. Selbst für Komponisten, die keine Fugen zu komponieren die Absicht hatten, war die Fuge als satztechnisches Verfahren ein Moment der qualitativen Legitimation, das zum gediegenen Studium des Tonsetzers gehörte. (Ohne die Regeln der Fuge, des doppelten und drei- oder vierfachen Kontrapunkts keine Befähigung zum vollstimmigen Konzert, lautete Scheibes Maxime.) Dieses pädagogische Element stellt somit einen nicht zu unterschätzenden Faktor der Bindung oder der Rückbesinnung, mithin also ein Moment des Traditionsbezuges im 18. Jahrhundert dar. Der Disput zwischen Scheibe und Johann Abraham Birnbaum folgte den immanenten Gesetzmäßigkeiten derartiger Auseinandersetzungen, ließ zunehmend Verbissenheit und Rechthaberei bei den Kontrahenten erkennen, mit der Folge, daß die Sachargumente zurücktraten oder überlagert wurden. Man wird die Ausführungen unter diesem Aspekt gewichten und mit Vorsicht bewerten müssen; trotzdem seien aus dieser Diskussion einige für unsere Themenstellung interessante Punkte herausgegriffen, wie sie von Birnbaum vorgetragen und in der Bach-Rezeption im 18. Jahrhundert immer wieder in vergleichbarer Weise herausgestellt wurden. Die Stoßrichtung der Birnbaumschen Argumentation zielt darauf ab, die These zu verfechten, daß das Ideal einer kunstfertigen, gearbeiteten Komposition der Natürlichkeit, dem Ausdruck von Rührung und Annehmlichkeit nicht zwangsläufig im

11

49.

224

G. Wagner.JA. Scheibe - ).S. Bach: Versuch einer Bewertung, in: Bach-Jahrbuch 68, 1982, S. 33-

Wege stehen müsse. In der ersten Verteidigung vomJanuar 1738 spricht Birnbaum von einer „allenthalben mit kunst verbundenen Annehmlichkeit" 12 . Und etwas später im gleichen Schriftstück schreibt er: „Die rühmlichen Bemühungen des Herrn Hof-Compositeurs [Bach) sind vielmehr dahin gerichtet, eben dieses natürliche, durch hülffe der kunst, in dem prächtigsten ansehn der weit vorzustellen" 13 . Die Vereinbarkeit von Kunst und Natur wird in zugespitzter Fassung ein weiteres Mal betont. ,Je größer nun die kunst ist, das ist, je fleißiger und sorgfältiger sie an der ausbeßerung der natur arbeitet, desto vollkommener gläntzt die dadurch hervorgebrachte schönheit" 14 . In der zweiten Verteidigungsschrift vom März 1739 wird diese These mehrfach wiederholt. Bachs Musik mangele es nicht am Natürlichen, da die größte Kunst, so wie er sie anwende, „von allem verhaßten Zwange weit entfernet ist" ll, und bezogen auf seine „Claviersachen" stellt Birnbaum fest, daß man dort „seltene Einfälle und Gedanken antrifft, welche allerdings gefallen und rühren" 16 . Deutlich polemisiert er gegen Kompositionen, die einseitig einem Simplizitätsideal huldigen. In der frühen Erwiderung von 1738 beschreibt er die „simplen und aus lauter consonanzen bestehenden liedergen, als etwas, dessen man gar bald überdrüßig wird" 17 • Und etwas später konstatiert er, daß Bach seine Zierraten nicht an „trinck- und wiegen liedergen, oder bey andern läppischen galanterie stückgen" 18 verschwende. Diese eher allgemein-ästhetischen Äußerungen werden satztechnisch konkretisiert. Die Kunstfertigkeit äußert sich nach Meinung Birnbaums - und aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir ihn als getreues Sprachrohr Bachs zu betrachten - in der Weise, daß die einzelnen Stimmen „wundersam durcheinander arbeiten" , ohne daß dabei die geringste Verwirrung entsteht . Er führt genauer aus: „Sie gehen mit einander und wiedereinander; beydes wo es nöthig ist. Sie verlassen einander und finden sich doch alle zu rechter zeit wieder zusammen. Jede stimme macht sich vor der andern durch eine besondere veränderung kenntbar, ob sie gleich öfftermahls einander nachahmen. Sie fliehen und folgen einander, ohne daß man bey ihren beschäfftigungen , einander gleichsam zuvorzukommen, die geringste unregelmäßigkeit bemercket. Wird dies alles so , wie es seyn soll, zur execution gebracht; so ist nicht schöners, als diese harmonie" 19 .

12

Zitiert wird hier und im folgenden nach Bach-Dokumente, Bd. 2, Fremdschnftlich und gedruckte Dokumente zur Lebensgeschzchte Johann Sebastian Bachs. 1685 - 1750, vorgelegt und erläutert von W . Neumann und H. -J. Schulze, Kassel usw . 1969. vgl. ebenda, S. 300 . 13

Ebenda, S. 303.

14

Ebenda, S. 303 .

ll

Ebenda, S. 355 .

16

Ebenda, S. 347 .

17

Ebenda, S. 301.

18

Ebenda, S. 302.

19 Ebenda, S. 302.

225

Birnbaum legt in seinen Ausführungen nun großen Wert darauf darzustellen, daß Johann Sebastian Bach, neben dem so beschriebenen, gearbeiteten Stil auch - und zwar mit gleicher Meisterschaft und großer Zustimmung beim Publikum - einen einfacheren und moderneren Stil zu schreiben in der Lage sei. In der Verteidigung Bachs gegen Scheibe von 1739 führt er aus: „Man wird unter denen nicht so gar vollstimmigen [Stücken] sehr viele finden, in welchen die Stimmen, so insonderheit nicht hervorragen sollen, ohnerachtet sie niemals ohne Arbeit sind, dennoch bey weiten nicht so stark arbeiten, als diejenigen, welche die Hauptstimmen vorstellen" 20 • Dieses Nebeneinander von einem gearbeiteten und einem eher einfachen, oberstimmenbetonten Stil wird konkret belegt, wobei ich in diesem Zusammenhang noch auf eine Textstelle aus dem gleichen Jahr 17 39 verweisen möchte, die der Musikalischen Bibliothek Lorenz Mizlers entnommen ist. Mizler, der kurzfristig bei Bach Unterricht genossen und in Leipzig jene Künstler-Sozietät gegründet hat, der Bach 1747 beigetreten ist, schreibt in einer Replik bezüglich der kritischen Äußerungen Scheibes: „Herr Telemann und Herr Graun sind vortrefliche Componisten, und Herr Bach hat eben dergleichen Werke verfertigt. Wenn aber Herr Bach manchmahl die Mittelstimmen vollstimmiger setzet als andere, so hat er sich nach den Zeiten der Musik vor 20 und 25 Jahren gerichtet. Er kan es aber auch anders machen, wenn er will. Wer die Musik gehöret, so in der Oster Messe zu Leipzig vergangenen Jahrs bey der allerhöchsten Gegenwart Ihro König!. Majestät in Pohlen, von der studirenden Jugend aufgeführet, vom Herrn Capellmeister Bach aber componiret worden, der wird gestehen müssen, daß sie vollkommen nach dem neuesten Geschmack eingerichtet gewesen, und von jedermann gebillichet worden" 21 • Der Zeitraum zwischen 173 7 und 1740 läßt erstmals eine umfangreiche Auseinandersetzung mit Bachs Werk erkennen (Scheibe, Birnbaum, Mizler, vereinzelt auch Mattheson). Über den aktuellen Disput hinaus sind Gemeinsamkeiten im grundsätzlichen der satztechnischen und ästhetischen Bewertung unübersehbar. Die Ausführungen Birnbaums zur Musik Johann Sebastian Bachs decken sich weitgehend mit Scheibes Darlegungen, zumindest sofern es sich um Gattungen des Kammerstils handelt. Scheibe fordert bezogen auf den Kammerstil, es „soll die Annehmlichkeit und die Kunst um den Preis streiten" 22 ; er stellt an anderer Stelle fest, der Kammerstil „erfordert so viel Kunst als Annehmlichkeit" 23 . Birnbaum bemerkt an Bachs Musik „eine allenthalben mit kunst verbundene annehmlichkeit". Im Zusammenhang mit der Gattung Konzert (für mehrere Konzertstimmen) verlangt Scheibe, „ein Componist [müsse] auch alle Hauptstimmen gleich stark arbeiten lassen" 24 und jede Stimme

20

Ebenda, S. 358 f.

21

L. Mizlcr, Musikalische Bibliothek , 6. Theil, Leipzig 1739. S. 43 f .

22

J.A . Scheibe, Critischer Musikus , a.a.O„ S. 379 .

23

Bach-Dokumente, Bd. 2, a.a.O„ S. 300 .

24

J.A. Scheibe, Cn'tischer Musikus, a.a.O„ S. 634 .

226

sei als Hauptstimme anzusehen. Birnbaum beschreibt an Bachs Musik ausführlich das „ wundersame durcheinander arbeiten" der Stimmen 2). Scheibe polemisiert gegen Komponisten, deren harmonische Begleitung aus einem beständigen Trommeln besteht 26 oder deren musikalische Beschäftigung sich in Kleinigkeiten erschöpft . Birnbaum rühmt an Bach, daß er seine Zeit nicht an „trinck- und wiegen liedergen" und „andern läppischen galanterie stückgen" verschwende 27 . Nach dem Stand der uns zugänglichen Zeitdokumente läßt sich feststellen, daß mit dem Ableben Bachs 1750 einerseits das Interesse an seinem Werk und seiner Person vorübergehend zunimmt und daß sich andererseits das Hauptaugenmerk auf seinen kunstvollen, kontrapunktischen Kompositionsstil richtet. Der Grund für diese Interessenlage ist einmal in einem Werk wie der Kunst der Fuge zu sehen, das auch biographisch und unter dem Aspekt des Anekdotenhaften als letztes Vermächtnis und unvollendetes Werk des Thomaskantors besonderes Interesse auf sich zog. Zum andern entstehen in den 50er Jahren musiktheoretische Schriften, die, Bezug nehmend auf Bachs Werk, einen Beitrag zur Kontrapunktlehre darstellen; hier ist insbesondere an Marpurg und Kirnberger gedacht. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, daß damit das Spannungsfeld: gearbeiteter Stil - freier Stil zugunsten einer einseitigen Polarisierung sich aufgelöst hätte. Im Vorwort zur zweiten Auflage der Kunst der Fuge vom Frühjahr 1752 betont Marpurg die „tiefe Wissenschaft" und die „tiefsinnige Durcharbeitung", aber er legt andererseits auch dar, daß bei aller kunstvoller Harmonie Bachs Werk durch „natürliche Gedanken" sich auszeichne. Die ästhetische Forderung eines Ineinanders oder einer Synthese von kunstvoller Arbeit bei gleichzeitiger Natürlichkeit und gutem Geschmack wird nun bei Marpurg in einer Art und Weise begründet, wie dies von der Bach-Rezeption im 18. Jahrhundert und später immer wieder aufgegriffen werden sollte. Marpurg weist den Leser des VorwortS darauf hin, daß eine lediglich dem guten Geschmack und der neuesten Mode verpflichtete Komposition nur so lange Aufmerksamkeit und Zustimmung erlangen kann, wie eben diese Modeerscheinungen vogue ist, während dagegen eine kunstvolle Ausarbeitung den Wandel der Zeit überdauern kann. „Eine Melodie, die nur blos mit dem Geschmacke der Zeit dieses oder jenen Gebietes übereinkömmt ist nur so lange gut, als dieser Geschmack herrschet. Kommt es dem Eigensinne ein, an einer andern Art von Wendung mehr Vergnügen zu haben: so fällt dieser Geschmack über Hauffen. Natürliche und bündige Gedanken behaupten allezeit und durchgängig ihren Wert. Solche Gedanken finden sich in allen Sachen, die jemahls aus der Feder des seel. Herrn Bach gefloßen" 28 • 2

)

Bach-Dokumente, Bd. 2, a.a.O„ S. 302.

26

J.A. Scheibe, Cntischer Musikus, a.a.O„ S. 63.

27

Bach-Dokumente, Bd . 2, a.a.O„ S. 302.

28

Bach -Dokumente, Bd. 3, Dokumente zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs. 1750-1800, vorgelegt und erläutert von H.-J. Schulze, Kassel usw. 1972, S. 15 .

227

Was hier von Marpurg zwei Jahre nach Bachs Tod formuliert wurde, läuft auf die Idee eines absoluten Kunstwerks hinaus, das, losgelöst vom Wandel der Zeitläufe, seinen Wert behält. Die Absolutheit des Kunstwerkes hat bei Marpurg ihren Ursprung noch nicht im Genie der Künstlers , sondern, entsprechend den Idealen des Bürgertums in der ersten Hälfte des 18 . Jahrhunderts, im Fleiß, in der handwerklichen Tüchtigkeit und Kunstfertigkeit . Die ästhetisch begründete Wertschätzung des gearbeiteten, vom Kontrapunkt abgeleiteten, stimmigen Satzstils in Norddeutschland, hat also eine soziologisch bedingte Fundierung und wird getragen und gerechtfertigt durch allgemein menschliche Tugenden, wie sie sich unter dem Einfluß der Aufklärung im deutschen Bürgertum entwickelt haben . Ein starker, wenn auch außermusikalischer Grund für die Wertschätzung Johann Sebastian Bachs, zumindest im 18. Jahrhundert , basiert auf der Maxime: durch Fleiß und Kunstfertigkeit zur Meisterschaft . Daß neben der gesellschaftlichen Fundierung ein mindestens ebenso wirksamer Einfluß von einer nationalen Stimmungslage ausging und Bach mit seinem kunstvoll gearbeiteten Stil als Beispiel für eine Überlegenheit gegenüber Italien und Frankreich herhalten mußte, daß also ästhetische, soziologische und nationale Elemente in der Bach-Rezeption des 18 . Jahrhunderts eng miteinander verzahnt waren, sei hier nur am Rande erwähnt . Der 1750 abgefaßte, aber erst 1754 veröffentlichte Nekrolog zeigt in ähnliche Richtung wie Marpurgs Vorwort zur Kunst der Fuge mit einer erkennbaren Modifikation : Die Zuordnung von gearbeitetem und freiem Stil erfolgt in der Weise , daß das notierte Werk der einen, das freie Spiel, die Improvisation - die die Verfasser des Nekrologs noch gekannt haben - der anderen Seite zugesprochen wird . „Vollstimmigkeit der Harmonie", „künstliche Ausübung" („künstlich" immer im Sinne von kunstvoll) sind Eigenschaften Bachseher Kompositionen, „leichte und schertzhafte Denkart", „neue", „ausdrückende" und „schöne Einfälle" zeichnen sein „Spiel", sein „Phantasiren"aus . Wenn die uns überlieferten Quellen zum NachwirkenJohann Sebastian Bachs zumindest unter einem quantitativen Aspekt repräsentativ sind, dann hat das Interesse an Bach in der zweiten Hälfte der 50er und zu Beginn der 60er Jahre nachgelassen . Einfluß auf die Meinungsbildung nimmt nun Carl Philipp Emanuel Bachs Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Die Vorstellung, daß Bach am Beginn einer Entwicklung stehe, daß mit ihm „eine neue Epoche des Clavierspielens" beginne, daß er, wie bei Forkel, Triest und später, im frühen 19.Jahrhundert, im Briefwechsel: Zelter - Goethe dargestellt, der Vater der deutschen Musik, der musikalischen Klassik sei, wird hier schon, zumindest in Umrissen, erkennbar. Ein Beitrag in den in Leipzig erscheinenden Wöchentlichen Nachrichten und Anmerkungen die Musik betreffend vom September 1768 macht den beschriebenen Sachverhalt deutlich . „Man kann diese beyden Männer [Bach und Händel] als ein paar Anführer ansehen, an die sich eine Reihe anderer auf sie folgender Componisten anschließt" 29 . Eben dieser Beitrag in

29

228

Ebenda, S. 199.

Wöchentlichen Nachrichten läßt nun aber auch erkennen, daß zumindest in einigen Fällen Bach einem Komponieren im freien Stil radikal entgegengestellt wird, und zwar häufig in polemischer oder moralisierender Weise, und auch in so gearteten Äußerungsformen werden wir den Einfluß bürgerlicher Tugenden - oder bereits Untugenden(?) - sehen müssen. Der Schreiber der Wöchentlichen Nachrichten führt aus: „Es ist zu bedauern, daß der Geist des Leichtsinns, der in der Musik so leicht mit dem glänzenden Außenwerke zufrieden ist, die heutigen Clavierspieler sich nicht so sehr mehr mit seinen [Bachs] Arbeiten beschäfftigen läßt, als sie thun sollten. Freylich braucht man einer schmachtenden Schöne eben keine Bachische Fuge vorzuspielen." Diese Ausführungen geben mit positiven Vorzeichen das wieder, was Charles Burney in einem Brief des Jahres 1771 negativ über Bach äußert, nämlich: eine lange und gearbeitete Fuge Bachs „can never delight the Ears of a Man ofTaste" 30 . Der Einsatz Carl Philipp Emanuel Bachs für seinen Vater und für eine angemessene Bewertung dessen Musik ist bemerkenswert und aufgrund der herausragenden Stellung im Musikleben des 18. Jahrhunderts stellte der zweite Bach-Sohn eine Instanz dar, der Gewicht und Bedeutung zukam. Sowohl im ersten Teil des Versuch von 1753 als auch im zweiten Teil von 1762 erwähnt Carl Philipp Emanuel wiederholt seinen Vater. Von erheblicher Bedeutung für die Bach-Rezeption der 70erJahre und für das Bach-Bild im folgenden 19. Jahrhundert ist dann der Kontakt Carl Philipp Emanuel Bachs zu dem 35 Jahre jüngeren Johann Nikolaus Forkel. In Vorbereitung der allerdings erst 1802 erscheinenden ersten umfänglicheren Biographie Johann Sebastians war Forkel an biographischen Details und an Musikalien seines Beschreibungsgegenstandes interessiert; seit 1774 ist eine entsprechende Korrrespondenz nachweisbar. Forkel repräsentiert, ähnlich wie etwas später Reichardt, eine neue Zeit, die in der Kunstbetrachtung von neuen oder - vorsichtiger formuliert - von anderen Kategorien ausgeht. In einem, wohl um das Jahr 1775, anzusetzenden Manuskript, in dem Forkel die MusikJohann Sebastians der Carl Philipp Emanuels gegenüberstellt, wird dieser Wandel der ästhetischen Voraussetzungen deutlich. (Die für uns heute nicht so ohne weiteres nachvollziehbare Gleichstellung des zweiten Bach-Sohnes mit dessen Vater muß auf dem Hintergrund der Bewertung des 18. Jahrhunderts gesehen werden.) Forkel räumt nun in dieser Materialsammlung mit dem Titel Bemerckungen die musicalische Theorie betrelfend31 Carl Philipp Emanuel in Fragen des „Geschmacks" und der „Conception" eine gewisse Überlegenheit ein. Die besondere BedeutungJohann Sebastians wird demgegenüber begründet mit: „Genie", „poetische Begeistrung", „große und erhabene Ideen", „starker und ausgezeichneter Charakter". Der Begriff „original" oder „Originalität" fällt in diesem Zusammenhang .nicht, wird aber von seinem Inhalt her hinreichend deutlich angesprochen. Bezugs- und Ausgangspunkt der Ausführungen Forkels ist eine Textstelle aus Lessings Hamburgischer Dramaturgie; Lessing äußert sich über Shakespeare ur:d stdlt fest: „Auf die geringste

30

Ebenda, S. 212.

31 Ebenda, S. 284.

229

von seinen Schönheiten ist ein Stempel gedruckt, welcher gleich der ganzen Welt zuruft: ich bin Shakespears! und wehe der fremden Schönheit, die das Herz hat , sich neben ihr zu stellen!" 32 • Diese Eigenschaft des Dichters Shakespeare, in Lessings Deutung und Formulierung, wird von Forke!Johann Sebastian Bach zuerkannt. Genie , Charakter, Erhabenheit und Originalität stellen Begriffe und Inhalte dar , die das Denken über Musik im letzten Viertel des 18 . Jahrhunderts entscheidend prägen . Es ist ganz offenkundig, daß die Musik Johann Sebastian Bachs nunmehr auf sich wandelnde Hörgewohnheiten und auf veränderte ästhetische Kategorien trifft. Bach betont noch , daß er seine Meisterschaft durch Fleiß erworben habe und der Anteil des „Naturell", also der Begabung, eher zweitrangig.war; Forke! hingegen sieht hinter der Musik Bachs das Genie . Aber der Vergleich Bachs mit Shakespeare muß noch unter einem weiteren Gesichtspunkt bedacht werden . Lessing wendet sich zum Nachweis der neuen ästhetischen Maximen nicht einem Zeitgenossen zu, sondern greift historisch weit, nämlich auf Shakespeare, zurück . Die neue Ästhetik wird am Beispiel eines zeitlich zurückliegenden Künstlers exemplifiziert. Und die Analogiebildung Forkels muß primär unter diesem Aspekt gesehen werden : Neue Ideen können im Werk alter Meister zu Tage treten . Und ein weiterer Aspekt ist im gegebenen Zusammenhang noch zu bedenken: Die bei Forke! deutlich sichtbar werdende neue Art über Musik zu denken und zu schreiben, läßt einen Trend vom Spezifischen (Handwerklichen) zum Allgemeinen (Ästhetischen) erkennen . Arbeit und Fleiß waren handfeste, unter kompositionstechnischem Aspekt belegbare und nachvollziehbare Kategorien; das Regelwerk der Kontrapunktlehre bildete den Bezugspunkt. Schon der Einfluß der französischen Ästhetik rückte Fragen des Geschmacks, das Empfinden und die Rührung in den Vordergrund, die kompositionstechnisch nicht so ohne weiteres dingfest gemacht werden konnten . Und der Disput lief oft auf die Gegensatzbildung : alt - modern hinaus, wobei der alte Stil satztechnisch und der neue Geschmack eher ästhetisch begründet wurde . Mit den um 1775 neu auftauchenden Kategorien wird das Reden und Denken über Musik verstärkt unter ästhetischem Aspekt betrieben, aber auch die Gegenüberstellung: alt - neu verliert nun an Bedeutung, und zwar durch die Anwendung der zeitgemäßen Denkart auf zurückliegende Kunstwerke - Martin Zenck sprach vom „anempfindenden Bach-Verständnis" 33 . Man könnte noch radikaler formulieren: Der lange Zeit verbreitete und gültige Topos, daß die jeweils jüngere Generation die Kunst ihrer Vorgänger als trocken, sprach- und gefühllos, als uninteressant abqualifizierte, wurde dadurch bedeutungslos, daß die neuen ästhetischen Maximen an zurückliegenden, historischen Kunstwerken erst erarbeitet wurden .

32

Ebenda, S. 283 .

33 M. Zcnck, Stadien der Bach-Deutung in der Musikkn'ttk, Musikästhetik und Musikgeschichtsschreibung z wischen 1750 und 1800, in: Bach-Jahrbuch 68 , 1982 , S. 7-3 2 (vgl. insbesondere S. 8).

230

Forkels Vergleich (Bach - Shakespeare) findet sieben Jahre später ein Pendant und eine Bestätigung bei Johann Friedrich Reichardt 34 . Die Parallelen sind unübersehbar: Ein Kunstwerk aus weit zurückliegender Zeit - hier das Straßburger Münster, dort das Shakespeare-Drama - dient der ästhetischen Selbstfindung . Aber der Kunstgegenstand wird nicht unmittelbar vorgestellt, sondern vermittelt durch die Beschreibung und Charakterisierung einer Zwischeninstanz. Diese Mittierrolle, im Falle Shakespeare war es Lessing, übernimmt hier Goethe mit seiner Beschreibung des Straßburger Münsters von 1772. Und die ausführliche Wiedergabe des Goetheschen Textes belegt das Einverständnis und Einvernehmen Reichardts. Deutlich wird in der Erlebnisschilderung Goethes herausgestellt, wie eine theoretische, vorgefaßte Meinung ( „ verworrne Willkührlichkeiten gothischer Verzierungen") sich als irrig erweist und wie ein „großer Eindruck", „der Riesengeist unsrer ältern Brüder", wie Erhabenheit und Größe - freilich auch nationaler Stolz - den Betrachter gefangen nehmen . Das vorgegeben oder vermeintlich Barbarische , Gothische, Gedrechselte wird schlagartig zum großen Eindruck, der die Seele füllt. Die Gemeinsamkeit : Straßburger Münster Bachsehe Fuge beruht auch in der Wirkung, die das Kunstwerk auf den Hörer , respektive Betrachter ausübt; es handelt sich um ein völliges Überwältigt-Sein des Rezipienten . So wie Goethe immer wieder zum Münster zurückkehrt und es von allen Seiten und zu allen Tageszeiten auf sich wirken läßt, ergeht es auch Reichardt, wenn er feststellt: „ Ich konnte gar nicht aufhören sie [die Fuge) zu spielen, da ich sie zuerst sah, und war darob in das tiefste und doch süßeste Trauergefühl versunken" 35 . Das Bachsehe Musikstück beeindruckt Reichardt nicht durch seine kunstvolle Konstruktion, zumindest nicht primär oder vordergründig. Vielmehr rührt es den Hörer ganz unmittelbar. So wie die einzelnen kunstvollen Details des Straßburger Münsters aufgehen in der überwältigenden Größe, wie „tausend harmonirende Einzelheiten" den Gesamteindruck evozieren, führt „der Gang aller Stimmen zum Schönen, wahrhaft Rührenden" der Bachsehen Fuge. Der Gesamteindruck der Schönheit und der Rührung einerseits und die kunstvolle Planung und Arbeit im Detail andererseits stehen sich somit nicht mehr unversöhnlich als unvereinbare Kategorien gegenüber, sondern tolerieren sich zumindest, möglicherweise bedingen sie sich auch schon. Das Erlebnis Bachseher Musik bei Forke! und Reichardt ergibt sich aus zwei notwendigen Voraussetzungen: Es bedarf eines Hörers, der trotz komplexer Struktur erlebnisfähig ist, sich einen tiefen Gefühlseindruck vermitteln läßt, und es ist eine Musik vorauszusetzen, die trotz artifizieller Bauweise auf den Hörer unmittelbar wirkt, anders formuliert : Komplizierte Struktur und gefühlshaftes Erleben müssen vereinbar, kompatibel sein.

34

Musikalisches Kunstmagazin, 1. Bd . , IV . Stück, 1782 , S. 196-201.

35

Ebenda, S. 197.

231

Diese theoretischen Ausführungen seien im folgenden konkretisiert . Im gleichen Jahr 1782 , in dem Reichardt seine Beschreibung der Bachsehen Fuge in f-Moll aus dem Wohltemperierten Klavier(2 . Teil , BWV 881) und die Goethesche Abhandlung über das Straßburger Münster in einen Zusammenhang rückte und einer ästhetischen Betrachtung zuführte, wurde Mozart in Wien ebenfalls mit Bachsehen Fugen konfrontiert; der tiefgreifende Einfluß Bachs auf Mozart ist hinlänglich bekannt; er führte zu einer krisenhaften Zuspitzung im Schaffen Mozarts. Diese Erschütterung des kompositorischen Selbstverständnisses resultierte aber keinesfalls aus einer pauschalen Konfrontation mit der kontrapunktischen Satztechnik . Mozart hatte immerhin in Bologna bei Padre Martini Unterricht genossen, und Martini war eine Instanz für die kontrapunktische Satzlehre in Italien . Aber auch in seiner näheren süddeutschen Umgebung wurden Fugen komponiert, beispielsweise von Johann Ernst Eberlin, den Mozart kannte und von dem er sich 1782 Fugenkompositionen nach Wien schicken lassen wollte . Der gewaltige Eindruck und die tiefen Spuren , die Bachs Fugen bei Mozart hinterließen, sind also nicht im kontrapunktischen Stil als solchem, sondern in der Größe und in der Wirkung Bachseher Musik ganz allgemein begründet. In einem Brief an die Schwester vom 20. April 1782 36 nennt Mozart Gründe, warum er jetzt Fugen komponiere. Er verweist dabei auf einen Wunsch seiner Konstanze; und die Worte, die er sie sprechen läßt, dürften wohl auch die eigene Meinung sehr genau wiedergeben. Der Briefschreiber Mozart legt seiner Frau die Formulierung in den Mund, daß die Fugen nach dem Vorbild Bachs „das künstlichste und schönste in der Musik" seien. An Hand einer Begründung der Tempoangabe seiner eigenen Fugenkomposition, nämlich „Andante Maestoso", wird erkennbar, daß seiner Meinung nach bei zu raschem Tempo „das eintretende Subject nicht deutlich und klar" zu vernehmen „und folglich von keiner wirkung" sein könne . (Auch Reichardt fordert übrigens vom Spieler der f-Moll-Fuge: „sie muß auch ja nicht geschwind vorgetragen werden.") Kunstvoller Bau, Schönheit und Wirkung sind demnach Eigenschaften, die Mozart in seinen Fugenkompositonen, die als Folge seiner Bach-Rezeption entstanden, realisiert sehen will. Erst die Kombination beider Elemente, die zum Teil als Eigenschaften einer Musik im strengen, zum andern Teil einer Musik im freien Stil anzusehen sind, machen für Mozart offensichtlich das Spezifische der Bachsehen Fugen aus und veranlassen den Briefschreiber Mozart seiner Schwester gegenüber zu der Bitte, sie möge ihrem Vater ausrichten, es wäre nicht mehr nötig, die Eberlinschen Fugen per Post nach Wien zu schicken, denn er habe nun gesehen, „daß sie - gar zu geringe sind, und wahrhaftig nicht einen Platz zwischen händl und Bach verdienen" und das bei allem Respekt vor dem vierstimmigen Satz Eberlins, dessen Klavierfugen „lauter in die länge gezogene versettl" seien 37 •

36

Zitiert nach W .A. Mozart, Bn'efe und Aufzeichnungen, Bd . 3, Kassel usw . 1963, vgl. S. 202 f.

37

Ebenda, S. 203 .

232

Die Fugen Bachs sind also für die Rezeption im letzten Viertel des 18 .Jahrhundens nicht nur Muster eines kunstvollen , gelehrten Stils , sondern es wird ihnen ganz ausdrücklich eine spezifische, ästhetische Qualität zugestanden, durch die sie sich von den übrigen Repräsentanten dieser Gattung abheben . Historisches Interesse , pädagogisches Augenmerk für die Kompositonslehre und ästhetisches Empfinden gehen demnach, bezogen auf die Bach-Rezeption dieses Zeitraums eine Verbindung ein . Es ist bezeichnend, daß Johann Philipp Kirnberger, der sich jahrzehntelang mit technischen Fragen des kontrapunktischen Stils am Beispiel der Werke Bachs auseinandergesetzt hat (Die Kunst des reinen Satzes lautet der Titel seines Hauptwerkes), gegen Ende seines Lebens, nämlich im gleichen Jahr 1782, zu der Erkenntnis gelangt, daß die Bachsehen Fugen, vor allen anderen Eigenschaften einen „bestimmten Karakter" 38 haben . Und trotz der Bedeutung, die er der Fuxschen Kontrapunktlehre zugesteht, sieht Kirnberger in diesem Punkt, also im Ästhetischen, den wesentlichen Unterschied zwischen Bach und Fux. Wenn wir nun zum Ausgangspunkt unserer Themenstellung zurückkehren, so müssen wir feststellen, daß sich die Bach-Rezeption im 18. Jahrhundert durchgängig einem Spannungsverhältnis gegenüber sah, das in einigen Erscheinungsformen dem Nebeneinander von prima und seconda prattica in der ersten Hälfte des 17 . Jahrhundens nahekommen mag. In beiden historischen Zeiträumen spielen nationale Stileigentümlichkeiten in die Problematik hinein. Italien ist der Ort der Neuerung und Veränderung; Deutschland sucht den Kompromiß zwischen Altern und Neuem . Und so wie schon Heinrich Schütz im Vorwort zur Geistlichen Chormusik von 1648 vom „angehenden Componisten" fordert, er möge, „diese harte Nuß (als worinnen der rechte Kern und das rechte Fundament eines guten Contrapuncts zu suchen ist) auffbeissen " 39 , so treffen wir auch im 18 .Jahrhundert immer wieder auf Stimmen, die gegenüber den Modeerscheinungen eine Pflege des anspruchsvollen Satzstils fordern , und zwar aus ästhetischen, pädagogischen und nationalen Gründen. Die Kreise der Kenner und Liebhaber, die Johann Sebastian Bachs Musik im 18. Jahrhundert gepflegt und geschätzt haben, tendieren grundsätzlich zu einer Stilsynthese . Ihr ästhetisches Credo lautete bereits um 1740, daß das erstrebenswerte Ideal aus Natur und Kunst, aus Melodie und Kontrapunkt bestehe, daß kunstvolle Struktur, Schönheit und Rührung sich nicht ausschließen. Birnbaum, Mizler, Marpurg und Carl Philipp Emanuel Bach können hier namentlich genannt werden. Die konkrete Einschätzung der Musik Johann Sebastian Bachs läßt dabei aber gewisse Differenzen erkennen . Wie früher schon Birnbaum und Mizler stehen auch Marpurg ·und Kirnberger auf dem Standpunkt, daß Bachs Musik streng und kunstvoll gesetzt, aber doch sangbar und angenehm sei . Kirnberger stellt in seiner Kunst des reinen Satzes fest :

3B Bach-Dokumente,

Bd. 3, a.a.O„ S. 362.

39 H. Schütz, Geistliche Chormusik 1648, hg . von W. Kamlah, Kassel usw. 1955, S. VI.

233

„ .. . so klingen auch seine gelehrtesten Fugen schön " 40 . Während Bachs Musik in diesem Falle unterstellt wird, sie stelle schon eine geglückte Synthese dar, wird daneben eine andere Bewertung erkennbar, die sein Werk ausschließlich im Bereich des gearbeiteten Stils angesiedelt wissen will. In einem Brief an Georg Philipp Telemann vom 18. November 1752, schreibtJohann Friedrich Agricola, daß er neben der „tiefsinnigen Arbeitsamkeit", die er dem Bachsehen Unterricht verdanke, vom Adressaten (Telemann) die Empfindung für das Gefällige und für das Rührende gelernt habe und fährt fort: „Hieraus lernete ich vorzüglich, wie eine arbeitsame Vollstimmigkeit mit einer fließenden Leichtigkeit . .. verbunden werden könne" 41 . Bachs Musik der arbeitsamen Vollstimmigkeit verkörpert hier also eine Seite (These), die über einen gegensätzlichen Satzstil „fließende Leichtigkeit" (Antithese) zur Synthese führt; Synthese ist in dem konkret angesprochenen Fall Agricolas Komponierideal und das heißt eine Verbindung von beidem. Im Falle Agricolas, bzw. Telemanns wird die fließende Leichtigkeit wertneutral oder positiv gesehen . Gegenüber ausländischen, insbesondere italienischen, Komponisten wird diese Objektivität häufig zugunsten einer moralisierenden Haltung aufgegeben, und Bachs Musik übernimmt dann die Funktion eines Bollwerks gegen den Geist des Leichtsinns, der Mode und des Niedergangs. Dieses Denkmodell der 50er und 60er Jahre wird in den 70er und 80er Jahren bei Forke!, Schubart und Reichardt einer neuen ästhetischen Betrachtungsweise ausgesetzt, ohne daß das alte Spannungsverhältnis aber aufgelöst würde. Gerade in der Person Forkels wird dies deutlich . Im zweiten Band der Musikalisch -kn"tischen Bibliothek von 1778 verteidigt er Bach gegen eine seiner Meinung nach ungerechtfertigte Vernachlässigung in Charles Avisons An Essay an Musical Expression und führt als Begründung Bachs „Meisterstücke" an , „wo die originellste, feineste und edelste Melodie betändig von der reichsten, reinesten und angemessensten Harmonie begleitet wird " 42 . Und der Leserbrief, den Forke! in seinem Musikalischen Almanach .. . auf das Jahr 1784 abdruckt, zeigt uns deutlich, wie die Musik in zwei Lager geteilt wird: „steife Regelmäßigkeit und übertriebene Künsteley" auf der einen Seite und eine Musik, die „ergötzt, belustigt und den Zuhörer" ganz einnimmt auf der anderen Seite, wobei in diesem Zusammenhang nun aber eine generationsbedingte Zuordnung vorgenommen wird. Steifheit und Künstelei sind das Merkmal der „veralterten Knasterbärte", und eine Musik, die ergötzt und einnimmt, wird von den „jungen Herren Vircuosen" 43 reklamiert. Das ursprüngliche Nebeneinander eines gearbeiteten und eines freien Stils wird nun gegen Ende des Jahrhunderts - hier zusätzlich verstärkt unter dem Aspekt des Generationswechsels - zu einem Nacheinander uminterpretiert.

40

Bach-Dokumente , Bd . 3, a.a.O., S. 220 .

41

Ebenda, S. 21.

42

Ebenda, S. 328 .

43

Ebenda , S. 389 .

234

Gleichzeitig ist Bach zum Stammvater einer deutschen Musikgeschichte geworden, und die Künstler der Gegenwart um 1800 werden als Vetreter einer klassischen Synthese oder doch als auf dem Weg dorthin befindlich begriffen. Und eine weitere Umdeucung ist festzustellen . Bach hat Bedeutung nur noch als Instrumentalkomponist . Seine Vokalkompositionen , bei Scheibe schon, wenn auch nicht expressis verbis getadelt, werden nun abgelehnt oder einfach übergangen . Im Musikalischen Almanach von 1796 fuhrt Reichardt aus : „Seine (Bachs) Singesachen, wenn gleich voll Erfindung und der höchsten Arbeit, und auch voll starker und wahrer Züge von Seiten des Ausdrucks, verrathen doch zu großen Mangel an ächtem guten Geschmack, an Kenntniß der Sprache und der Dichtkunst, und haben so ganz die conventionelle Form der damaligen Zeit , daß sie sich schwer im Gang erhalten können " 44 . Triests Bemerkungen über die Ausbildung der Tonkunst in Deutschland im 18. Jahrhundert, erschienen zwischen Januar und März 1801 in der Al/gemeinen Musikalischen Zeitung4 ), stellen den wohl umfassendsten Versuch dar, unter dem Eindruck der Jahrhundertwende , die Musik einer ästhetisch-historischen Darstellung zuzuführen . Triest glaubt dieser Aufgabe am ehesten gerecht werden zu können, indem er sich an die bedeutenden Männer hält , die auf den Gang der Tonkunst einen vorzüglichen Einfluß hatten und darin Epoche machten 46 . Er teilt das 18. Jahrhundert in drei Perioden ein : Die erste endigt mit Bachs Tod, die mittlere umfaßt Graun, Hasse, Carl Philipp Emanuel Bach, und die letzte bezieht sich auf den späten Mozart und Haydn, erwähnt wird aber auch schon Beethoven . Über diese rein personelle Zuordnung hinaus beschreibt Triest diese Zeiträume auch allgemein ästhetisch. Bach wird benannt als der „tiefsinnigste Harmonist", der im „gebundenen Style" und in der „reinen Musik " alles Bisherige übertroffen hat47 . (Reine Musik bedeutet Instrumentalmusik.) Bach ist nach Meinung Triests nur Spieler und Kontrapunktist, nicht aber Sänger gewesen . Mit Hasse und Graun erfolgt die Wende zur Melodie, zum Gesang und damit zur Simplizität, eine Entwicklung, der Triest um 1800 schon zwiespältig gegenübersteht : Er spricht von „diesem Übergange der reinen Musik aus der harmonischen Künstlichkeit in die blos melodische Leerheit" 48 . Der historische Abstand zur dritten Periode ist für Triest sehr gering; er tut sich schwer mit einem abschließenden Urteil. Wiederholt bezeichnet er diesen Zeitraum als „Gährung" . Aber andererseits spricht er aufklärerisch vom „Forcschritt des menschlichen Geistes". Abschließend faßt er zusammen : „In der ersten Periode herrschte gründliche, aber in Rücksicht auf die übrigen Zweige der Tonkunst einseitige Behandlung der Harmonie. In der zweyten

44

Ebenda, S. 545.

4)

Al/gemeine Musikalische Zeitung . Die genannte Abhandlung erschien in Fometzung, beginnend mit No 14 (!.Januar 1801) und schließend mit No 26 (25 . März 1801). 46

Ebenda , No 14 , Sp . 234 .

47

Ebenda, No 16 , Sp. 259 .

48

Ebenda, No 18, Sp. 299.

235

suchte man hiermit Anmuth und Lieblichkeit durch mehr melodieuse faßliche Kompositionen zu vereinigen . In der dritten waren Mannigfaltigkeit, Fülle und Lebhaftigkeit „ . charakteristische Eigenschaften unsrer Musik" 49 . Wenn wir am Ende dieser Ausführungen die Bach-Rezeption im 18 . Jahrhundert überblicken, so müssen wir in Scheibe einerseits und in Triest andererseits die Personen erkennen, die unseren Zeitraum begrenzen ; mit Scheibe beginnt eine reflektierte und kommentierende Rezeption Bachseher Musik , und Triests Abhandlung in der Al/gemeinen Musikalischen Zeitung will das abgeschlossen zurückliegende Jahrhundert - und damit auch Bachs Stellung - zusammenhängend und ausgewogen zur Darstellung bringen. Im direkten Vergleich beider Persönlichkeiten wird deutlich, welchen Veränderungen einige Kategorien ausgesetzt waren , während anderes gleich geblieben ist. Ich fasse zusammen: 1. Vokalmusik erhält bei Scheibe eine spezifische Bedeutung durch den prägenden Einfluß Gottscheds. Sensibilität gegenüber dem zu vertonenden Text gehört zu den grundsätzlichen Forderungen, die Scheibe an den Komponisten stellt. Und innerhalb seiner ästhetischen Kategorien ist Musik aus sich heraus nur bedingt in der Lage, sich als Kunst zu etablieren und zu rechtfertigen . Das vernünftige Zeitalter der Aufklärung, dem er angehört, bedarf in besonderem Maße der Sprache als einer Instanz , die Gedanken und Gefühle, Handlung, Logik und die konkrete Situation umschreibt und bestimmt . Für Triest dagegen stellt die reine Musik, im Gegensatz zur angewandten, den Gegenstand dar, in dem der „innere Mechanismus" der Tonkunst, mit seinen eigenen, natürlichen Mitteln am besten zur Verwirklichung gelangt. Die Anlehnung an Poetik und Rhetorik, der Anschluß an die Sprache ist für Triest nur ein Durchgangsstadium. Sein überschwengliches Lob für Bach resultiert aus dessen Leistung auf dem Gebiet der reinen Musik . Reine Musik, absolute Musik , Instrumentalmusik, Harmonik, Kontrapunkt und gebundener Stil sind positiv besetzte Begriffe, die sich wechselseitig stützen. Scheibes Tendenz dagegen, Bachs Größe zu relativieren, teilweise Kritik an seiner Musik zu üben, geht von den Gattungen angewandter Musik und dem dabei offenbar werdenden Umgang mit der Sprache aus. Sprache nur als Vehikel in der Hand des Kontrapunktisten ist Scheibe ein Greuel. 2. Übereinstimmung zwischen beiden Autoren ist erkennbar im Hinblick auf einen zentralen Begriff, ohne den ästhetische Betrachtung im 18 . Jahrhundert schlechterdings nicht möglich ist und der hier auf ein Minimum reduziert nachgereicht sei : der Naturbegriff. Im Falle Scheibes lassen sich mehrere Bedeutungsvarianten ausmachen: zum einen philosophisch-theologisch, im Sinne einer dem Menschen mitgegebenen Natur, einer unverstellten, unverfälschten Natürlichkeit als einer positiven menschlichen Grundeigenschaft; zum andern poetisch im Sinne eines richtigen, das heißt natürlichen Umgangs mit der Sprache, einer Beachtung des Sprachrhythmus' und des

49 Ebenda, No 26 , Sp . 444 .

236

inhaltlichen Textzusammenhanges, eine Qualität, die Bach abgesprochen wird, und schließlich im Sinne einer durch Regeln und durch Verstandesarbeit fundierten Natürlichkeit . Natur ist in dieser dritten Bedeutung nicht mehr ursprünglich und unreflektiert, sondern rational begründet, sozusagen zweite Natur. Kunst und Natürlichkeit bilden eine Einheit . Oder in der Sprache Scheibes : „Aus der Natur entspringen die Regeln der schönen Wissenschaften , und folglich auch der Musik" 50 . Beziehungsweise : „ ... das Natürliche eines musikalischen Satzes besteht in der Beobachtung der Regeln der Tonkunst „. " 51. Dieser Aspekt der zweiten Natur, einer Kunst, die durch den menschlichen Geist hindurchgegangen ist und trotz aller Komplexität und Künstlichkeit wieder zum Schlichten und Natürlichen zurückgefunden hat, ist für Triest wirklich echte Kunst . Das „artis est, artem celare" will bei Triest besagen, daß „Natürlichkeit nicht blos Folge des Zufalls und des Talents" ist, sondern daß dem Komponisten „alle Künstlichkeit zu Gebote" stehen muß , daß nur „verheelte Kunst" „ächte Kunst" sein kann 52 • In musikspezifischer Konsequenz dieser allgemein-ästhetischen These steht für Triest fest, daß „der Schritt von der Harmonie zur Melodie" für den Komponisten der einzig gangbare Weg ist. Eine positive Bewertung der Harmonie, des Kontrapunkts und des gebundenen Stils ergibt sich hieraus von selbst. 3. Bei Scheibe stehen im Hinblick auf die Musik Johann Sebastian Bachs Ablehnung und Zustimmung nebeneinander. Eine gattungsspezifische Differenzierung mag diesen Widerspruch teilweise aufheben; jedoch bleibt ein Rest des Unbehagens in dem Sinne, daß diese Deutung ein hypothetisches Erklärungsmodell darstellt, das vom Text her nicht vollständig belegt werden kann . Diese Widersprüchlichkeit der Bewertung Bachs bei Scheibe löst sich bei Triest vollkommen auf. Aus der historischen Distanz bewältigt Triest das Nebeneinander von strengem und freiem Stil im dialektischen Dreisprung; diese Lösung setzt voraus, daß das ursprünglich reale Nebeneinander in ein Nacheinander der Historiographie übergeht. Die Synthese der musikalischen Klassik, die Triest halb noch ahnt, halb schon kennt, ermöglicht ihm, Johann Sebastian Bach in vollem Umfang gelten zu lassen und ihn in seiner spezifischen kompositorischen Ausgangsposition zu akzeptieren . Der Musik Hasses und der Brüder Graun begegnet Triest eher mit Skepsis . Ihr oberstimmenbezogener Satz wird als einseitig, weil harmonisch zu dünn gesehen. „Ihm [dem Gesang, also der Oberstimme] opferten sie viel - und von Hasse könnte man sagen, vielleicht zu viel von der übrigen Kraft der Musik auf" B. Scheibe favorisiert in seinen Ausführungen im Cnti-

lO J.A . Scheibe, Abhandlung vom Ursprunge, Wachsthum und von der Beschaffenheit des itzigen Geschmacks in der Musik, in : ders„ Critischer Musik~s, a.a.O„ S. 771 f . 51

Ebenda, S. 772.

52

Al/gemeine Musikalische Zeitung , a.a.O „ No 17 , Sp . 274 .

B

Ebenda, No 17 , Sp. 277 .

237

sehen Musikus einerseits die angewandte Musik, die Vokalmusik, fordert aber andererseits die Satztechnik des strengen Stils für die instrumentale Kammermusik, auch wenn letztlich seine Sympathie der Musik eines Hasse und Graun gehört. Triest dagegen steht der Instrumentalmusik näher. Freier Stil versus strenger Stil im 18 . Jahrhundert ist offensichtlich ein Spannungsfeld, das unter anderem abhängt von der Frage, ob man primär an reine Musik, absolute Musik, Instrumentalmusik oder an angewandte Musik, Vokalmusik denkt, ob man die Zukunft der Musik im „inneren Mechanismus der Tonkunst" oder in der gefühlsmäßigen Ausgestaltung einer durch Sprache vorgegebenen Situation oder Handlung sieht.

238

BACH IN DER MUSIKGESCHICHTSSCHREIBUNG UND IN DER MUSIK DES 18. JAHRHUNDERTS* MARTIN ZENCK

Im Jahre 1985, dem Europäischen Jahr der Musik, Bach zu feiern, ihm mehr als sonst Konzerte und Rundfunkproduktionen zu widmen und weltweit Symposien über ihn abzuhalten, erscheint vielen fragwürdig, wenn nicht überflüssig . Zu diesen gehört auch der Komponist Wolfgang Rihm, der in einem, allerdings hier nicht vollständig wiedergegebenen Gespräch, folgendes geäußert hat: „Ich denke, daß Bach einfach momentan als kompositorische Größe nicht in der Diskussion ist, wie er es in den zwanziger oder fünfziger Jahren war. Das heißt aber auch , daß Bach eine so gefestigte Größe ist, daß er außerhalb der Diskussion steht. Das Jubiläum wird sich ökonomisch an ihm aufheizen . Die Medien werden Bach feiern und werden sich durch ihn feiern, aber wir werden ihn nicht klarer sehen" 1•

Diese Feststellung, die für den Komponisten Rihm verständlich ist, weil ihm die Musik Beethovens, Schumanns, Mahlers , die des Fin de siede und Jugendstils und vielleicht diejenige von Edgar Varese persönlich näher steht, bedarf doch der Selbstreflexion, wenn sie einen allgemeineren Anspruch formulieren will. Der Neo-Klassizismus2 der frühen zwanziger Jahre, Busonis Konzeption einer „neuen Klassizität" 3 4 und die am Strukturdenken orientierte serielle Avantgarde der frühen fünfziger • Für den Druck wurden Eigentümlichkeiten des Vortrags und die aktuellen Bezugspunkte des BachJahres 1985 beibehalten . 1

Fr. Reininghaus, Die Musiker_iubtläen, die Macht und der Markt. - Ein Gespräch mit dem Komponisten Wolfgang Rihm, in : NZfM 146, 1985, H. 6, S. 10. 2

Vgl. H. Danuser, Die Musik des 20. Jahrhunderts (Neues Handbuch der Musikwissensehaft, Bd . 7), Laaber 1984, S. 157 . 3

Ebenda, S. 149.

4

Vgl. entsprechende Texte von R. Leibowitz, L. Nono und P. Boulez; vgl. generell zur Bach-Rezeption nach 1950: M. Zenck, „ Wenn Bach Bienen gezüchtet hätte ". Zur Bedeutung Bachs in der Interpretationsund Kompositionsgeschichte des 20. Jahrhunderts, in : Bach im 20 . Jahrhundert (59 . Bachfest der Neuen Bachgesellschaft in Verbindung mit Kasseler Musiktage/Neue Musik in der Kirche), Kassel 1984 , S. 102126.

239

Jahre haben sich zwar dezidiert auf das Werk Bachs bezogen, nicht weniger von Bedeutung war aber „Bach" für die dreißiger und vierziger Jahre, wie die Bach-Rezeption von Alban Berg 5, Anton Webern 6, Hanns Eisler7 und vor allem der „Actus Tragicus"8 des früh ins amerikanische Exil vertriebenen Komponisten Erich ltor Kahn aus dem Jahre 1946 zeigen. Auch wäre es eine Übertreibung zu behaupten, daß für die Komponisten der Generation Wolfgang Rihms „Bach einfach momentan als kompositorische Größe nicht zur Diskussion stünde". So haben beispielsweise Klaus K . Hübler9 und Christoph Delz 10 unabhängig vom Jubiläums-Jahr Werke über Bach geschrieben, zu schweigen von den Arbeiten der heute etwa fünfzig- bis sechzigjährigen Komponisten, wie Dieter Sehnebel , Gerd Zacher, Lukas Foss, Karai Goeyvaerts, Hans Werner Henze und vor allem Mauricio Kagel, von dem im Herbst dieses Jahres in Berlin und Stuttgart eine ganze Sankt-Bach-Passion in der Uraufführung zu hören sein wird unter Kagels Motto sophistischer Theologie, „wenn wir auch nicht alle an Gott glauben , so glauben wir vielleicht alle an Bach".

I Bach in der gegenwärtigen Musikgeschichtsschreibung Wie nur angedeutet, ist Bach also für die aktuelle kompositorische Situation nicht eine so „fixierte Größe, daß sie augenblicklich nicht diskutiert werden müßte" . In der gegenwärtigen Musikhistoriographie ist die Interpretation der historischen „ Größe" Bachs nicht weniger umstritten, wenn die Differenz zwischen der Bedeutung und Stellung Bachs im Musikleben und in der Musikgeschichte des 18 . Jahrhunderts 11 einerseits und der geschichtlich gewordenen „Größe" Bachs im 19. Jahrhundert andererseits mit in die Reflexion hineingenommen wird. Aufgrund des umfangreichen

5 Vgl. neben Bergs Violinkonzert Bergs Bach-Arbeiten bei Schönberg: Die Werke von Alban Berg. Handschnftenkatalog (Alban-Berg-Studien , Bd . 1) , Wien 1980, S. 78 f „ vor allem Nr . 278 .

6 Vgl. M. Zenck, Tradition as Authon'ty and Provocation . Anton Webems Con/rontation with}ohann Sebastian Bach (Vortrag, gehalten am 24 .4 . 1985 auf der International Bach-Conference 10 Flint/Michigan). 7

Vgl. etwa Präludium und Fuge über BACH für Streichtn'o aus dem Jahre 1934.

8

E.I. Kahn, Actus Tragicusfür 10 Soloinstrumente (1946), American Composers Alliance-Library, New York , oder Boelke-Bomart Publications, 1955 . 9 Vgl. Kl.K . Hübler, Sonate für Violine Solo, Edition Gerig, Köln 1983 , vor allem S. 6. 10 11

Vgl. Chr. Delz, Streichquartett (1982) , erschienen im Selbstverlag des Komponisten .

Vgl. C. Dahlhaus (Hg.) , Die Musik des 18. Jahrhunderts (Neues Handbuch der Musikwissenschaft, Bd . 5), Laaber 1985 .

240

Gesamtwerks von Bach und seiner beständigen Diskussion in der Kritik, Ästhetik und zeitgenössischen Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts 12 wäre es auf der einen Seite ohne Übertreibung möglich, innerhalb einer dia- oder multilinear verfaßten Musikhistorie eben aus der „Größe Bachs" eine der Traditionslinien und ihre Antithesen zu konstruieren, etwa aus dem Gegensatz Händel - Bach und der damit zusammenhängenden Urteilsgeschichte im 18. Jahrhundert 13 • Auf der anderen Seite wäre es aber ebenso denkbar, aufgrund der relativ geringen Wirkung von Bachs Musik in der Bildungsöffentlichkeic1 4, verglichen etwa mit dem zeitgenössischen Ruhm eines Händel oder Johann Christian Bach in London, die Musikgeschichte des 18.Jahrhunderts auch ohne Bach zu konzipieren. Die historische Größe Bachs ist also je nach Annahme der Position einer äußeren oder inneren Geschichte 1l in der Diskussion äußerst kontrovers. Im Hinblick auf zentrale musikgeschichtliche Ereignisse, die sich ausdrücklich in der Faktizität der Chronologie niederschlagen, ist Bachs Bedeutung gering; im Verhältnis aber zur Wirkung, die von seinem Werk und von seiner Auseinandersetzung ausging, war die Relevanz von Bachs CEuvre zukunftsweisend. Die Bedeutung seiner Werke zeichnete sich weniger in der Zeit- und Ursprungsgeschichte als vielmehr in der Nachgeschichte ab. Zu einer historischen Größe wurde Bach erst post festum. Durch diese spezifische Form der Größe wurde Bach zum Problem der Musikhistoriographie des 18. Jahrhunderts. Akzeptiert man einen Augenblick einen Zusammenhang zwischen einem Entstehenden und dem daraus Gewordenen, also zwischen Genesis und Geltung, zwischen Ereignis- und Rezeptionsgeschichte, dann müßte die historische Größe Bachs in der Nachgeschichte des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts 16 in die Konstruktion der Ereignisgeschichte des 18. Jahrhunderts hinein genommen werden. Sie dürfte weder nur in die Darstellung der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts transferiert, noch umstandslos in die der Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts integriert, auch nicht als schlechtes Gewissen in die Anhangsgeschichte des 18. Jahrhunderts verbannt werden.

12 Vgl. dazu M. Zenck, Stadien der Bach-Deutung in der Musikkn'tik, Musikiisthetik und Musikgeschichtsschreibung zwischen 1750 und 1800, in: Bach-Jahrbuch 68, 1982, S. 7-32.

13

Vgl. ebenda, den Abschnitt „Händel - Bach", S. 29-32.

14 Einen für das 18.Jahrhundert und speziell für die Bach-Rezeption soziologisch angemessenen Begriff von Öffentlichkeit zu finden ist äußerst schwierig. Da von plebiszitäser Öffentlichkeit keine Rede sein kann, schlage ich den einer Öffentlichkeit vor, von der die Bildung getragen wird (vgl. dazu). Habermas,

Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategan·e der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied-Berlin 1962. Il Vgl. G.W.F.Hegel, Die Arten der Geschichtsschreibung (ders„ Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, Bd. 1: Die Vernunft in der Geschichte), Hamburg 1955, S. 20.

16 Vgl. C. Dahlhaus,

Zur Entstehung der romantischen Bach-Deutung, in: Bach-Jahrbuch 64, 1978,

S. 192 ff.

241

Ein Ansatz zur Lösung dieses Problems könnte darin bestehen, bei der Darstellung der Werk- und Gattungsgeschichte der Musik Bachs an Ort und Stelle die Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte einzubeziehen (etwa am Beispiel der außerordentlichen Bedeutung, die den Goldberg-Variationen 17 im 18. und frühen 19. Jahrhundert zuwuchs), oder bei einer kategorial verfaßten Musikhistoriographie, etwa beim Begriff des „Natürlichen" 18 zu zeigen, daß Bachs Werke durch die Veränderung dessen, was als „natürlich" galt, eine Umdeutung erfuhren, wodurch die nach 1750 sich entwickelnde Verstehensgeschichte Bachseher Werke konstitutiv auf die Ereignisgeschichte der Bachsehen Musik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bezogen wäre. (Dabei möchte ich hier nicht die schwerwiegende Frage entscheiden, ob die Veränderung von Kategorien die Werke in einer neuen Perspektive zeigt, oder ob neue Werke die Kategorien der ästhetischen Wahrnehmung so beeinflussen, daß diese auch die Auffassung der „älteren" Musik Bachs bestimmt, womit seine Musik in einen neuen historischen Bewußtseinshorizont einrücken würde.) Die Bestimmung von Bachs historischer Größe ist also schwierig bereits im Hinblick auf die allgemeine Darstellung der Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts einmal „mit Bach", zum anderen „ohne Bach" und in Beziehung auf das dialektische Verhältnis von Ereignis- und Rezeptionsgeschichte; sie ist aber noch um vieles problematischer im Bezug auf periodische und regional-lokale Geltungsbereiche, im Verhältnis zur Überlieferung durch Drucke, Abschriften und Sammelwerke und im Verhältnis mit der damit zusammenhängenden Frage nach dem Stellenwert Bachs in der „Bildungsöffentlichkeit" im 18. Jahrhundert. Im folgenden werde ich an den Beispielen „Bach in Wien" und „Bach in Instrumentalsammlungen des 18. Jahrhunderts" auf zwei der genannten thematischen Aspekte eingehen in der Absicht, die in Kapitel 1 aufgestellte Behauptung von der nur relativen Bedeutung Bachs, aufgrund derer eine musikhistoriographische Darstellung des 18. Jahrhunderts auch „ohne Bach" möglich sei, zu modifizieren und zu differenzieren.

17 Vgl. M. Zenck, Bach, der Progressive. Die Goldberg -Van·ationen in der Perspektive von Beethovens Diabelli-Vanationen, in: Johann Sebastian Bach. Goldberg-Variationen (Musik-Konzepte, Bd. 42), München 1985, S. 29-92. 18

Vgl. M. Zenck, Stadien der Bach-Deutung in der Musikkn"tik, Musikästhetik und Musikgeschichtsschreibung zwischen 1750 und 1800, a .a.O„ S. 26 ff. (Paradigmenwechsel des „Natürlichen").

242

II Bach in Wien Für die Bestimmung der Größe Bachs im historischen Selbstverständnis des 18. Jahrhunderts ist nicht nur die Frage nach dem Umfang des Überlieferungsmaterials und nach der Quantität der nachweisbaren Belege in der verbalen Wirkungsgeschichte entscheidend, wodurch ein gleichsam statistisches Kriterium für die Größe Bachs gewonnen wäre, sondern ebenso ist die Frage danach von Bedeutung, von welchem Zeitpunkt an und in welchen kulturellen Zentren Bach zu einer qualitativen Größe wurde, auf die der Bildungsweg eines Komponisten bezogen und an der die Werke der nachfolgenden Generationen gemessen wurden . So ist für die Frage nach der Bedeutung Bachs in Wien als Voraussetzung für die Ausbildung des Wiener klassischen Instrumentalstils einmal die These vorherrschend, daß sich dort in Wien nur eine periphere Bach-Tradition 19 entwickelt habe (dieser These von Hans-Joachim Schulze wird im folgenden zu widersprechen sein; eine entscheidende Differenzierung dieser 20 These ist in anderer Richtung von Yoshitake Kobayashi vorgenommen worden), zum anderen die These, daß erst van Swieten von Berlin aus Bach in Wien bekannt gemacht und damit die Voraussetzungen geschaffen habe, die später dann zum sogenannten Wiener klassischen Instrumentalstil führten . (So vor allem drei größere Ar1 beiten von Ludwig Finscher: Bach and the Viennese Classics2 , weiter die entsprechenden Abschnitte im Buch Die Musik des 18. Jahrhunderts aus dem Handbuch der Mu sikwissenschaft und der Vortrag Bach in the lBth Century, der auf der International Bach-Conference in Flint/Michigan gehalten wurde.) Als Stichdatum wird für diese zweite These nach dem bekannten, frühen Brief van Swietens aus Berlin vom 26.4.1774 an seinen Vorgesetzten, den Fürsten Kaunitz, entweder das Jahr 1777, der Zeitpunkt der definitiven Rückkehr des Barons van Swieten nach Wien oder das Jahr 1782 genannt, genauer der 10.4.1782 mit dem Brief Mozarts aus Wien, in dem er berichtet, daß dort beim Baron van Swieten „nichts gespiellt wird als Händel und Bach" 22 und daß der „Baron van Suieten, zu dem ich alle Sonntage gehe, mir alle Werke Händels und Sebastian Bachs nach Hause gegeben hat, nachdem ich sie ihm durchgespiellt" 23 .

19 Vgl. H .-J. Schulze,

Studien zur Bach-Überlieferung im 18. Jahrhundert , Leipzig-Dresden 1984, S. 128 . Problematisch erscheint mir die Trennung von Überlieferungsgeschichte von der verbalen und kompositorischen Wirkungsgeschichte, also das Verhältnis zwischen Schulzes Studien zur Bach-Überlieferung tm 18.)ahrhundert und den von ihm herausgegebenen und erläuterten Bach-Dokumenten, Bd. 3, Dokumen te zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs. 1750- 1800, Kassel usw. 1972 . 20

Yoshitake Kobayashi, Frühe Bach-Quellen im altösteTTeichischen Raum (Vortrag, gehalten während des Internationalen Bach-Symposions, Wien 1985 ; Druck in Vorbereitung). 21

In : Miscellanea Musicologica. Adelaide Srudies in Musicology, Vol. 10 , Adelaide 1979.

22

BachDokumente, Bd . 3, a.a .O „ S. 352 .

23 Ebenda , S. 353 .

243

Dieses zweite Stichdatum ist in der Tat bestechend, übertrug doch Mozart, angeregt durch das Bach-Spiel im Van-Swieten-Kreis, einige Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier für Streichtrio und Streichquartett und komponierte er dazu statt der Präludien, als Zeichen seiner eigenen, aber externen Umdeutung Bachs, neue Einleitungssätze 24 • So überzeugend dadurch gerade die Konstruktion des zeitlichen und stilistischen Zusammenhangs zwischen der Bach- und Händel-Rezeption und der Ausbildung des neuen klassischen Instrumentalstils seit dem Streichquartett KV 387 wurde, so wenig ist, gemessen an anderen Fakten und deren Interpretation in einer anderen spezifischen Traditionslinie, das Stichdatum 1781 aufrechtzuerhalten und daraus die weitere, ebenso folgenreiche These abzuleiten, daß es sich in Wien im Verhältnis zu Leipzig, Hamburg, Dresden und Berlin einfach um eine sekundäre Form der Bach-Tradition gehandelt habe. Die folgenden Ausführungen mögen zeigen, daß die Auseinandersetzung mit Bachsehen Werken im Umkreis von Wien und in Wien selbst viel früher als 1781 begann und daß sich mit ihr eine autochthone und originäre Form der Bach-Rezeption herausbildete, die bis ins frühe 19. Jahrhundert hineinreichte. Dabei fasse ich Ergebnisse zusammen, deren Voraussetzungen und Konsequenzen in meinem Buch über Die Bach-Rezeption des späten Beethoven 2 ) ausführlich dargestellt wurden. In diesem Zusammenhang gehe ich von der strukturgeschichtlichen 26 Prämisse aus, daß erstens nicht die Anzahl angehäufter Fakten entscheidend ist für eine Behauptung, sondern daß wenige Fakten 27 dazu ausreichen, wenn sie in entsprechender Weise als historisch sinnkonstituierend ausgewiesen werden können und daß zweitens nicht allein das Kriterium der Gleichzeitigkeit der beigebrachten Fakten mit dem umstrittenen historischen Zeitpunkt entscheidend ist, sondern ebenso Fakten aus der Nachgeschichte, weil diese nicht vom „heiteren Himmel fallen", sondern Resultat einer scheinbar zunächst nur unbedeutenden Vorgeschichte sein mögen, weswegen im folgenden Fakten aus der Rezeptionsgeschichte Bachs vor van Swietens „Bach-Aktivitäten" nach 1777, respektive 1781 auch auf spätere, am Ende des 18. oder am Beginn des 19.Jahrhundens liegende Fakten projiziert werden, um aus der Geltung eines Faktums auf die Bedeutung seiner Genese zu schließen.

24 Vgl. W . Kirkendale,

More slowintroductions by Mozart tofuguesofj.S. Bach?, in:JAMS 17, 1964, S.

43 ff. 2) M. Zenck, Die Bach-Rezeption des späten Beethoven. Zum Verhältnis von Musikhiston'ographie und Rezeptiomgeschichtsschreibung der „Klassik" (Beihefte zum AfMw, Bd. XXIV), Wiesbaden-Stuttgart 1986.

26

Vgl. D. Groh, Strukturgeschichte als „totale" Geschichte?, in: Theorieprobleme der Geschichtswissenschaft, hg. von Th. Schieder und K. Gräubig (Wege der Forschung, Bd. CCCLXXVIII), Darmstadt 1977. 27

s.

311 ff.

Auch die Anzahl der Fakten ist in ihrer Bedeutung relativ; wenn es nur wenige gibt, dann heißt dies nicht, daß der mit ihnen verbundene Sachverhalt bedeutungslos wäre.

244

Aufgrund umfangreicher Detailforschung läßt sich die Vorstellung, daß van Swieten Bach in Wien in entscheidender Weise erstmals bekannt gemacht habe, nicht aufrecht erhalten. Bereits vor 1781 und vor 1777 wurde berichtet, daß Johann Joseph Fux, Georg Christoph Wagenseil und Johann Georg Albrechtsberger Werke Bachs abgeschrieben, gesammelt und sie im Kompositions- und Instrumentalunterricht verwendet haben . Sie eigneten sich die entsprechenden Werke in Wien an, oder sie kamen bereits von den Klöstern mit Bach-Kenntnissen nach Wien . Dort sorgten sie noch vor van Swieten für deren Verbreitung . Allein durch sie entstand in Wien eine eigenständige Bach-Tradition, die sich bis zur nächsten Generation eines Johann Schenk, Johann Mayseder, Emanuel Förster, Ludwig van Beethoven, Antoine Reicha, Carl Czerny und Johann Nepomuk Hummel ins frühe 19 . Jahrhundert fortsetzte . Über Fux wird ausgeführt, daß in seinem Kreis in Wien Bachs Tastenmusik studiert wurde , weil sich gleichsam als Beweisstück im Nachlaß seines Schülers Gottlieb Muffat eine Abschrift von Bachs a-Moll-Fuge, BWV 904/2 28, fand, die auf die Zeit um 1740 29 oder nach 1740 30 datiert wurde . Über den Unterricht bei Wagenseil 31 informiert die Autobiographie von Johann Baptist Schenk32, der - es muß sich um die Zeit vor 1774 handeln - bei Wagenseil nicht nur dessen Lehrmethode der musikalischen Komposition studiert hatte : „Unter diesen Studien habe ich meine Nebenzeit dem Clavier gewidmet . Die Präludien und Fugen von Sebastian Bach , so auch die Claviersuiten Händels, waren meine Übungswerke . .. 33 Aber der hoch erhabene Händel war nach meinem Sinn das Höchste" .

Neben Fux, Muffat und Wagenseil kam Albrechtsberger frühzeitig mit Kompositionen Bachs in Berührung. Gerade in seiner lebenslangen Auseinandersetzung mit Bach läßt sich eine eigenständige, von van Swieten unabhängige Linie einer Bach-Tradition rekonstruieren, die bis ins frühe 19 . Jahrhundert reicht . Es ist nicht auszuschließen, daß er die im Stift Melk aufliegenden Bachiana während seiner Studienzeit zwischen 1749 bis 1754 kennenlernte, Bachiana, die im einzelnen nicht mehr identifiziert werden können, aber neuerdings von Alexander Weinmann in den hand28 Vgl. F.W . Riedel, Musikgeschichtliche Beziehungen zwischen Johann Fux und Johann Sebastian Bach , in: Festschrift Friedrich Blume , Kassel usw . 1963 , S. 292.

29

Ebenda.

30

Die Frage der Datierung ist auch neuerdings von Y. Kobayashi (Frühe Bach-Quellen im altöste"eichischen Raum, a.a.O .) erörtert worden . 31

Vgl. R. Haas, Bach und Wien, in : Kongreß-Bericht Lüneburg 1950, S. 129.

32

Den Unterricht Schenks bei Wagenseil weist auch ausführlich M. Stadler nach (Abbe M. Stadl er, Seine Matenalien zur Geschichte der Musik unter den österreichischen Regenten. Ein Beitrag zum musikalischen Histonsmus im vormiirzlichen Wien , hg . und kommentiert von K. Wagner (Schriftenreihe der Internationalen Stiftung Mozarteum, Bd . VI), Kassel o.J ., S. 97 . 33 J.B. Schenk, Autobiographische Skizze , in : Studien zur Musikwissenschaft . Beihefte der Denkmäler der Tonkunst, hg. von G. Adler, 11. H ., Wien 1924 , S. 77. sceninmumente, masch .-schr. Diss. , Wien 1954 , S. 31.

245

schriftlichen thematischen Katalogen aus dem Benediktiner Stift Melk 34 nachgewiesen werden konnten. Aus dieser Zeit datiert als Zeichen seiner Bach-Verehrung eine Fuge über B-A-C-H, die dann erst 1784 zusammen mit anderen Stücken gedruckt 3) wurde . Über diese frühe Zeit in Melk gibt es zwei aufschlußreiche Berichte . In dem einen, der sich in Maximilian Stadlers Materialien zur Geschichte der Musik unter den Österreichischen Regenten findet, heißt es : „Hier war es eigentlich, wo er [Albrechtsberger] sich sowohl im Orgelspiel als in der Komposition dergestalt übte, daß er keinen seines Gleichen hatte . Bey den Choralämtern hatte er täglich zwei Fugen und viele Präludien und Versetten zu spielen, zu welchen er sich sorgfältig vorbereitete. Die größten Meisterstücke der ältesten und neuesten Tonsetzer, die im Stift Melk sich vorfanden, standen ihm zu Dienst . Er studierte fleißig die Werke des Sebastian und Philipp Bach, Grauns etc . Kunst und Geschmack fand er darinn und eignete sich zu, was ihm davon behagte " 36

Der andere Bericht steht in der Wiener Al/gemeinen Musikalischen Zeitung von 1818 . Er weist auf Albrechtsbergers Studien der im Archiv des Stifts Melk befindlichen Werke von Fux, Caldara, Mono, Pergolesi, Riepel, Händel, von Bach und seinen Söhnen hin und vermerkt dann weiter, daß Albrechtsbergers „wahrhaft classischen Werke ein immerwährendes Muster, selbst für jede erneuerte Methode bleiben werden, daß viele der jetzt lebenden berühmtesten Tonsetzer seinen Unterricht, wie z.B. van Beethoven, Preindl, Eybler, Baron Doblhoff, Bar. Krufft u . a. m . genossen haben" 37. Die „classische Stellung" von Albrechtsbergers Werken und seiner Lehrmethode kam ihnen nicht zuletzt wegen seines gründlichen Studiums der alten Musik zu, das schon frühzeitig auch Werke Bachs einbezog. Um dessen Kompositionen zu studieren, zu spielen und zu unterrichten, schrieb er sich 1778 Teile aus dem zweiten Teil des Wohltemperierten K/aviers3 8 und wohl auch in dieser Zeit Teile aus dem Mu sikalischen Opfer3 9 und die 24 Fugen aus dem ersten Teil des Wohltemperierten Klaviers40 ab. Er gelangte dabei zu einer derart inwendigen Kenntnis der Musik Bachs, daß er sich als Komponist der Fughette e-Moll, BWV 962, ausweisen konnte, die fälschlicherweise Johann Sebastian Bach zugeschrieben wurde 41 . Aber Albrechts-

34 Vgl. A. Weinmann , Handschriftliche thematische Kataloge aus dem Benediktiner Stift Melk , Wien 1984 . 3) Vgl. A.M. Schramek-Kirchner.}. G. Albrechtsbergers Fugenkompositionen in seinen Werken für Tasteninstrumente , masch. -schr. Diss., Wien 1954 , S. 31. 36

Abbc M. Stadler, Seine Matenalien zur Geschichte der Musik unter den öste"eichischen Regenten ,

a.a.O ., S. 102 . 37 Wiener Al/gemeine Musikalische Zeitung 1818, Sp . 359 . 38 Vgl. Y. Kobayashi, Frühe Bach -Quellen im altöste"eichischen Raum, a.a .O . 39 Ebenda. 40

Ebenda.

41 Ebenda.

246

berger sollte sich nicht nur als im strengen Stil Bachs vertrauter Komponist erweisen, sondern ebenso als überragender Orgelvirtuose . Nicht zufällig erwähnte Mozart Albrechtsberger in einem Brief, in dem er sich vom Spiel des Bachsehen Enkel-Schülers Häßler enttäuscht zeigt und damit zum Ausdruck bringen wollte , daß wohl eher Albrechtsberger der Bach der neuen Zeit sei 42. Mozart deutete damit eine Charakterisierung an, die erst 30 Jahre später in ihrer vollen Bedeutung öffentlich ausgesprochen werden sollte . Nachdem Albrechtsberger durch ein Orgelkonzert in Wien, in dem er auch].S . Bach spielte 43 , und vor allem durch seine Gründliche Anweisung zur Composition von 1790, die u. a. Bachs Fugensubjekte als Musterbeispiele zitierte44 , berühmt geworden war, heißt es am 27 .3. 1808 in den Wiener Vaterländischen Blättern: „Herrn A 1 brecht s berge r , Musicdirector an der hiesigen Metropolitankirche, vielleicht den ersten Orgelspieler in der Welt , und gewiß einen der gelehrtesten Tonsetzer, darf Wien als 4 seinen Sebastian Bach betrachten, und verehrt ihn auch als solchen " ).

Drei Aspekte begründen den außerordentlichen Rang dieser Quelle . Erstens wird der Name Sebastian Bachs ganz selbstverständlich genannt; er stellte also für das Wiener Publikum einen „Begriff" dar, hatte sich aus dem mit alter Musik privatisierenden Liebhaberkreis der 1780erJahre emanzipiert und war in den öffentlichen Bedeutungshorizont eingerückt. Zweitens zeigt der Vergleich zwischen Albrechtsberger und Bach, daß dieser als klassisches Muster galt, an dem die spätere Leistung Albrechtsbergers gemessen wurde: Durch Bach erhielt er seinen geschichtlichen Rang. Die Textstelle steht drittens in einem Zusammenhang mit der Wirkungsgeschichte 8 Bachs nach 174046: Von Scheibes Critischem Musikus4 7 über den Bach-Nekrolog4 bis zu Schubarts Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst4 9 und der Bach-Biographie Forkels)0 wurde primär Bachs unmittelbare Wirkung als Orgel- und Klavierspieler und erst dann seine Bedeutung als Tonsetzer hervorgehoben. Mit dieser Rezeptionskonstante knüpfte Wien an die dort scheinbar abgebrochene Wirkungsgeschichte Bachs an . Spätestens 1808 erhielt Bach dort seinen außerordentlichen Rang . An die-

42 Vgl. Mozarts Brief vom 16.4. 1789, zit. nach 43

Vgl. Bach-Dokumente, a.a.O„ S. 485 .

44

Vgl. ebenda, S. 482 ff.

Bach-Dokumente, Bd. 3 , a.a.O ., S. 450 .

4)

Uebersicht des gegenwiirtigen Zustandes der Tonkunst in Wien, in : Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat, Nr. VII, Dienstag , den 31. May 1808 , S. 42 . Stadien der Bach-Deutung in der Musikkritik, Muszkiisthetzk und M~sikgeschichts­ schreibung zwischen 1750 und 1800, a.a.O . 46 Vgl. M. Zenck,

47

Leipzig 1745, Nachdruck Hildesheim 1970, S. 62 ff.

48

Vgl. Nekrolog aufJohann Sebastian Bach, Faksimile-Wiedergabe des Erstdrucks von 1754 , Leipzig-

Hannover 1965 , S. 171. 49 Wien 1806, Nachdruck Darmstadt 1969, S. 99 . ) O Vgl. Abbe M. Stadler, Seine Materialien zur Geschichte der Musik unter den öste"eichischen Regenten , a.a.O .

247

ser Bedeutung Bachs im Wiener Musikleben hatte Albrechtsberger entscheidenden Anteil, denn die Durchsetzung Bachs im Bewußtsein einer breiteren Bildungsöffentlichkeit ist auf seine frühe Aneignung Bachs zurückzuführen. Durch ihn wurde eine Verbreitung Bachs innerhalb des Kompositionsunterrichts und der Instrumentalpraxis erreicht, die vielleicht durch van Swietens Aktivitäten einen zusätzlichen Impuls erfuhr, aber auch ohne ihn denkbar gewesen wäre. Bezieht man in diese Darstellung der Rezeptionsgeschichte Bachs in Wien vor van Swieten noch die Bedeutung von Albrechtsbergers Schüler, den Abbe Maximilian Stadler) 1 zum einen, die des Wagenseil-Schülers Karl Graf Lichnowsky zum anderen, der Abschriften Bachseher Werke unmittelbar von Forkell 2 von Göttingen nach Wien mitnehmen konnte, mit ein, dann wären also zwei von van Swieten 53 unabhängige Traditionslinien namhaft zu machen : die durch Albrechtsberger begründete, welche das Bild von Bach als dem Fugen-Komponisten kanonisiert (nicht zufällig hat Albrechtsberger deswegen Stücke im strengen Stil von Bach abgeschrieben) und die von Lichnowsky und Arnstein) 4 geführte, welche sich an Bach als dem Klavierspieler und dem Komponisten von Tanzund Charaktersätzen orientiert, die nicht für die „Kenner" (wie der dritte Teil der Klavier-Übung), sondern für die „Liebhaber" geschrieben sind, weswegen sich Lichnowsky und Arnstein Kopien der Partiten, der französischen Suiten und der kleineren Klavierstücke anfertigen ließen.

ll Vgl. M. Zenck, Die Bach-Rezeption des spiiten Beethoven, a.a.O„ S. 82, und Y. Kobayashi, Frühe Bach-Quellen im altösterreichischen Raum, a.a.O . )l

Vgl. Y. Kobayashi, Frühe Bach-Quellen im altösterreichischen Raum, a.a.O.

53

Vgl. zu van Swieten ausführlich: M. Zenck, Die Bach-Rezeption des spiiten Beethoven, a.a.O., S. 84-

l4

Vgl. Y. Kobayashi, Frühe Bach-Quellen im altösterreichischen Raum, a.a.O.

89.

248

III Bachs Werke in gedruckten Sammlungen von Tonstücken im 18 . Jahrhundert Galten die im letzten Kapitel (II) dargelegten Ausführungen der Frage, in welchem Umfang durch Abschriften Bachseher Werke sein CEuvre im 18 .Jahrhundert in Wien zuerst eine Bedeutung im Kompositions- und Instrumentalunterricht erlangte und seine Werke dann nach 1781 im Van-Swieten-Kreis zur Aufführung kamen, Aufführungen, die möglicherweise ihrerseits eine erneute kompositorische und kompositionstheoretische Auseinandersetzung mit Bach auslösten, so ist bei diesen von „Kennern" der „älteren classischen Musik" Bachs betriebenen Aktivitäten festzuhalten, daß sie zunächst auf esoterische Kreise beschränkt blieben. Zu fragen ist deswegen nach einem Überlieferungsbereich, der, über diesen begrenzten Wirkungskreis hinaus, bedeutend für eine weitere Verbreitung Bachseher Werke werden konnte . Blieben die Abschriften und die geschriebenen Musiksammlungen einem Kreis von Insidern vorbehalten, so kann bei gedruckten Werken davon ausgegangen werden, daß sie aufgrund eines vorausgesetzten allgemeineren Interesses)) eine intensivere Distribution fanden; dabei dürften für die Verbreitung Bachseher Werke vor allem Instrumentalschulen und die gedruckten Sammlungen von Tonstücken verschiedener Komponisten eine besondere Rolle gespielt haben. Um als exempla classica in die Klavier- und in Violinschulen und in die Collectionen von Instrumentalstücken aufgenommen werden zu können, mußte ein bestimmtes Maß an Bekanntheit, an historisch-kompositorischer „Größe", wenn nicht Popularitätl 6 angenommen werden . In dieser Hinsicht sind die Sammlungen mit publizierten Tonstücken aus der zweiten Hälfte des 18 . Jahrhundercs für eine möglicherweise repräsentative Bedeutung Bachseher Werke im damaligen Musikleben aufschlußreicher als die esoterische Überlieferung von Bachs Musik durch die „Kenner". Die oft zum ersten Mal abgedruckten Werke Bachs erscheinen in Verbindung mit neuen, dem galanten und empfindsamen Stil und dem „neuen Gusto" l7 zugehörenden Werken, wobei der Widerspruch zwischen älteren „classischen" Werken Bachs und den zeitgenössischen entweder nicht empfunden wurde oder eben durch die zusammenhängende Präsentation überbrückt werden sollte . So taucht 1760 die zur „Musette" umbenannte zweite Gavotte aus der dritten Englischen Suite , BWV 808, auf neben Werken von Dandrieu, Graun, Kirnberger, Nichelmann und Rameau in der Sammlung Kleiner Clavierstücke nebst einiger Oden von verschiedenen Tonkünstleml8; in Johann Friedrich Reichardts Musikalischem

)) Vgl. zur Verbreitung von Instrumentalsammlungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundercs: L. Balet/ E. Gerhard, Die Verbürgerlichung der Kunst, Literatur und Musik im 18. Jahrhundert, hg. und eingeleitet von G . Mattenklott, Frankfurt a. M. 1973, S. 391. l G Vgl. ebenda. l7

Vgl. Chr. Ahrens, }oh. Seb. Bach und der „neue Gusto" in der Musik um 1740, in : Bach-Jahrbuch 72 , 1986 , 69 ff.

s.

lS

ZweiterTheil , Berlin, F.W . Birnstiel (1 760), S. 18, Nr. Xlll.

249

Kunstmagazin von 1782 wird die Fuge f-Moll, BWV 881/Il, im Vergleich mit dem Goethe-Text über das Straßburger Münster)9 neben Werken von Couperin , Durante, Keiser usw . erstmals abgedruckt und ausführlich besprochen; die Sammlung von Präludien , Fugen, ausgeführten Chorälen für die Orgel, von berühmten alten Meistern 60 aus dem Jahre 1795 enthält neben Werken von Buxtehude, Zachau undJohann Gottfried Walther Bachs Choral-Präludium „Heut' triumphieret Gottes Sohn", BWV 630; in Franz Paul Riglers Anleitung zum Gesange61 werden erstmals (vor Kollmann , s. u. und vor den Erstausgaben des Wohltemperierten Klaviers nach 1801 durch Simrock in Bonn , Hoffmeister in Wien und Leipzig und Nägeli in Zürich) die Fugen FDur, BWV 856, und Es-Dur, BWV 876, vollständig wiedergegeben ; die Fuga aus der zweiten Sonate für Violine solo, BWV 1003, findet sich in Carriers L 'Art du violon ou co//ection des ecoles italienne, franyoise et a//emande precedee d 'un abrege des pn"ncipes pur cet instrument62 aus dem Jahre 1798; im Erstdruck erschienen schließlich die Triosonate C-Dur, BWV 525, und Präludium und Fuge C-Dur aus dem ersten Teil des Wohltempen.erten Klaviers in Kollmanns An essay on practical musical composition63 von 1799 neben Werken von C.Ph .E. Bach, Burney, Clementi, Graun, Hässler, Händel, Kirnberger u. a. An dieser Stelle will ich auf eine eingehende Interpretation dieser Werke Bachs in den Instrumentalsammlungen des 18 . Jahrhunderts verzichten. Sie belegen eine Form der Verbreitung, die für die damalige Bildungsöffentlichkeit64 von repräsentativer Bedeutung gewesen sein mag, selbst wenn die Einschränkung hinzugefügt werden muß, daß die Sammlungen, in denen keine Werke von Bach abgedruckt wurden, eindeutig in der Mehrheit waren. Im Hinblick aber auf die immer wieder diskutierte Epochenschwelle6) zwischen 1740 und 1750 über die Bachs Musik angeblich nicht hinüber gerettet werden konnte, sind diese in Instrumentalsammlungen abgedruckten Werke von entscheidender Relevanz, zeigen sie doch im Zusammenhang mit den Abschriften Bachseher Werke (vgl. Kapitel II) und ihrer Diskussion in der Musiktheorie, Ästhetik und zeitgenössischen Musikgeschichtsschreibung, daß die angenommene Epochenzäsur um 1750 dem damaligen zeitgenössischen ästhetischen Epochenbe-

) 9 Vgl. ).Fr. Reichardt , Musikalisches Kunstmagazm, IV. , S. 196

ff.

60 Erstes Heft, Leipzig, Breitkopf ( 1795 ). 6 1 F.P. Rigler , Anleitung z um Gesange, und dem Klaviere oder die Orgel zu spielen . Ofen 1798, Anhang 1 und II. Der Nachweis dieser Erstdrucke fehlt in Sehmieders Verzeichnis; im RISM ist diese Sammlung und Interpretationslehre nicht nachgewiesen. 62

Paris, Decom be 1798 .

63 London , the author, 1799.

64 Vgl. Anmerkung 14 . 6)

Vgl. neuerdings: M. Zenck , 174011750 und das iisthetische Bewußtsein einer Epochenschwelle ? (Vortrag, gehalten auf dem Symposium ,J .S. Bachs Spätwerk und sein Umfeld: Perspektiven und Probleme" ,das während des 61 . Bachfestes der Neuen Bachgesellschaft unter Leitung von Christoph Wolff 1986 in Duisburg stattfand .)

250

wußtsein nicht entspricht, sondern auf einer historisch retrospektiven Konstruktion beruht, welche Sehei bes differenziert gefaßte, aber einseitig negativ rezipierte 66 BachKritik von 1745 , Bachs Todesjahr 1750 und Mendelssohns Aufführung der MatthäusPassion67 von 1829 zu den für die Abgrenzung der Epochen und für die „Wiederentdeckung" Bachs im romantischen Historismus konstitutiven Fakten erhob . Zeigen bereits die angeführten Instrumentalsammlungen, daß die von der späteren Musikhistoriographie angenommene Differenz zwischen dem veralteten Stil Bachs und dem „neuen Gusto" nicht aufrecht erhalten werden kann (eine Differenz, die die historisch begründete Epochenschwelle zusätzlich ästhetisch legitimieren sollte), so kann an einer anderen Instrumentalsammlung demonstriert werden, daß die angesprochene Seildiskrepanz von den Zeitgenossen der Epochenwende nicht in dieser eindeutigen und einschneidenden Weise empfunden wurde. Obwohl die zu diskutierende Sammlung keine Werke von Bach enthält, ist sie für die Streitfrage äußerst aufschlußreich durch Namen und Werke von den Komponisten, die für die genannte Stilantithese insofern reklamiert werden können, als die einen für eine bewahrende, die anderen für eine umdeutende Bach-Tradition verantwortlich zeichneten. Nachdem 1760 in der von Friedrich Birnstiel herausgegebenen Instrumentalsammlung Bachs zweite Gavotte aus der dritten englischen Suite abgedruckt worden war, erscheint zwei Jahre danach bei Breitkopf in Leipzig eine Sammlung, die auch im gleichen Jahr bei Arnold Wever in Berlin veröffentlicht wurde. Ihr Titel Tonstücke für das Klavier vom Herrn C.P.E. Bach, und einigen anderen classischen Musikern 68 ist nicht nur, wie ich an anderer Stelle gezeigt habe , deswegen von Bedeutung, weil hier das „Classische" 69 sowohl auf den alten strengen Stil als auch gleichzeitig auf den neuen „rührenden" Stil angewandt wird, sondern weil die dort wiedergegebenen Tonstücke im Zusammenhang mit den musikästhetischen Positionen dieser Autoren eine Diskussion der Frage ermöglichen, ob nach 174011750 eine historisch-stilistische Differenz zwischen Altern und Neuem entstanden, ein unüberbrückbarer Abstand zwischen den jungen, empfindsamen Autoren und dem obsoleten, spekulativen Esoteriker Johann Sebastian Bach eingetreten war, oder ob im Kontext mit der 1760 abgedruckten Gavotte Bachs in einer anderen Instrumentalsammlung die Behauptung plausibel sein kann, daß die Aufnahme eines Bachsehen Werkes in einer Sammlung „classischer Tonstücke" um 1760 ohne die Empfindung eines ästhetischen Widerspruchs hätte erfolgen können.

66

Vgl. dazu kritisch : G . Wagner, j.A . Scheibe - j.S. Bach: Versuch einer Bewertung, in: Bach-Jahrbuch 68, 1982 , S. 33-49 . 67

Vgl. M. Geck, Die Wiederentdeckung der Matthiiuspassion im 19. Jahrhundert (Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhundem, Bd . IX), Regensburg 1968. 68 Berlin 1762 (Exemplar dieser Ausgabe liegt in der „Hochschule der Künste " , Berlin-West , unter der Archivnummer 18093). 69

Vgl. M. Zenck, Zum Begnff des Klassischen in der Musik, in : AfMw XXIX , 1982 .

251

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Tonstücke für das Clavier, vom Herrn C.P.E . Bach, und einigen andern classischen Musikern . Berlin, 1762. Berlin, Hochschule der Künste . Hochschulbibliothek (Abteilung Musik und Darstellende Kunst) 18093 (alte Signatur) Titelblatt

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In dieser Sammlung von 1762 sind sechs Musiktitel abgedruckt : 1. Die Sonate FDur von C.Ph.E. Bach aus dem Jahre 1755 (Wq 62/Helm 55-7); 2. die dreistimmige Fuge F-Dur ebenfalls von C.Ph.E . Bach von 1757 (Wq 119/ 3, Helm 100); 3. die dreisätzige Sonate von „Herrn Nichelmann" ; 4. die bereits 1733 erschienene Fuge in hMoll von Händel; 5. Allegro von Herrn Kirnberger in e-Moll und 6. ein Menuett, das auch von Kirnberger sein könnte, obwohl das Inhaltsverzeichnis dann wie bei der Fuge C.Ph.E . Bachs auch hier nach Kirnbergers Allegro „von eben demselben" hätte hinzufügen müssen. Die stilistische, nicht auf den neuen Stil eingeschränkte Auswahl der Tonstücke ist überraschend: der Eröffnungssatz von C.Ph.E.Bachs Sonate mit sprechenden , syntaktisch vollständig ausgebildeten Perioden mit deutlichem Durchführungscharakter in den entsprechenden Formteilen, das empfindsam-rührende Adagio mit seinen schmerzerfüllten Sospiri und auschromatisierten Sextgängen ; das Finale mit Zügen, die auf Mozarts sogenannte Jagd-Sonate KV 576 (1. Satz) hinweisen . Dann die singuläre Fuge auch von C.Ph .E. Bach, bei der die aus der Fantasierpraxis herrührende extreme Chromatisierung im Mittelteil zur Auflösung des strengen Satzes führt, sich entlädt im freien, rauschenden Figurenwerk, bis eine Engführung dem freien Spiel wieder Grenzen setzt. Dann an dritter Stelle die vor allem im Mittelsatz fein und empfindsam ausgezierte Melodie , die bei einem Komponisten wie Christoph Nichelmann Erstaunen hervorrufen mag, da doch gerade dieser die verschnörkelte Melodiebildung seines Lehrers Johann Seb. Bach kritisiert hatte und an einem Beispiel Bachs zeigte, wie der Verzicht auf Zierat eine einfache Melodie 70 ergäbe. Weiter die BenMarcato-Fuge im stile antico Händels, ein Musterbeispiel einer Singe-Fuge für das Instrument. (Dieser Sachverhalt mag den Grund dafür abgegeben haben, daß in einer an „einfacher Cantabilität" orientierten Sammlung keine Fuge von Bach ausgewählt wurde, weil diese aufgrund ihrer instrumentalen Stimmfindung dem neuen Stilideal nicht entsprochen hätte.) Schließlich das eine oder die beiden Stücke von Kirnberger, das Allegro, gründlich gesetzt, von lebendiger und drängender Wirkung; das Menuett, veraltet, eine Stilisierung eines nicht mehr getanzten Tanzes, höfisch fremd, gestisch voller Devotion. Das den Absolutismus repräsentierende Menuett am Schluß der Sammlung bildet das Gegenstück zur ungebundenen Freiheit der Sonate C.Ph .E. Bachs, welche als Repräsentant des Neuen die Collection auch eröffnet hatte. Vielleicht zeigt doch das Menuett, das auch eines aus den Französischen Suiten hätte sein können, den Abstand zwischen dem Neuen und dem Alten, obwohl ein in dieser Sammlung nicht praktizierter Stilpurismus auch das Alte in Gestalt des strengen Stils der Fugen und des höfischen Stils des Menuetts duldet oder als lebendige Ausdrucksmöglichkeit einbezieht. Es will so scheinen , daß um 1740/ 1750 kein so scharfer Schnitt zwischen Altern und Neuem und damit zwischen zwei Epochen gezogen wurde, wie es später rückblickend aus der scheinbar objektiven Distanz des Historikers geschah . Es war mehr „Ungleichzeitiges" im Gleichzeitigen möglich; die Musikge-

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Vgl. Bach-Dokumente , Bd. 3, a.a.O „ S. 101.

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