Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung, Preußischer Kulturbesitz: 1968 [Reprint 2019 ed.] 9783110817836, 9783110009231


186 25 12MB

German Pages 130 [144] Year 1969

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
VORWORT
INHALT
ZUM PROBLEM DER KLASSIFIKATION VON AKKORDEN
BEWERTUNG VON INTERVALLBEOBACHTUNGEN AN HAND DER FREQUENZDISTANZ
DER EINFLUSS DES VERTRAUTHEITSGRADES AUF DIE BEURTEILUNG VON MUSIK
ZUM PROBLEM DER KLASSIFIZIERUNG VON HARFENDARSTELLUNGEN IN DER BUCHMALEREI DES FRÜHEN UND HOHEN MITTELALTERS
STUDIEN ZU STIMMUNG UND KLANG DER QUERFLÖTE ZWISCHEN 1500 UND 1850
DER INSTRUMENTENBAUER JOHANN ANDREAS STUMPFF EIN FREUND BEETHOVENS
NAMEN- UND SACHREGISTER
LEBENSLÄUFE
Recommend Papers

Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung, Preußischer Kulturbesitz: 1968 [Reprint 2019 ed.]
 9783110817836, 9783110009231

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

J A H R B U C H D E S S T A A T L I C H E N I N S T I T U T S FÜR M U S I K F O R S C H U N G

Jahrbuch des Staatlichen Inltituts fürMufikforfchung Preussifcher Kulturbefitz 1968

herausgegeben von

DAGMAR DROYSEN mit 13 Abbildungen, 6 Tafeln und 11 Tabellen

Wal ter de Gruyter kCoBERLIN

1969

© Copyright 1969 by Walter de Gruyter & Co., vorm. G. J. Göschen'sehe Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp., Berlin 30 — Alle Rechte, einschließlich der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten — Archiv-Nr.: 13 92 691 Satz und Druck: Thormann & Goetsch, Berlin — Printed in Germany Ausstattung: Barbara Proksch

VORWORT Die Musikwissenschaft umfaßt, verglichen an anderen geisteswissenschaftlichen Fächern, kein in sich fest umrissenes Gebiet. Ihre Forschungsrichtungen reichen vom Historischen und Philosophischen bis hin zu den Naturwissenschaften und Teilgebieten der Medizin. Es ist daher verständlich, daß die Idee einer zentralen Forschungsstätte für die verschiedenen Richtungen innerhalb des Faches Musikwissenschaft verwirklicht werden wollte. Hier sollten die vielseitigen Aufgaben, die an das Fach gestellt wurden, unter diversen Aspekten zu einer möglichst optimalen Lösung führen. Als erster Schritt in dieser Richtung kann die bereits im Jahre 1917 durch großzügige Unterstützung des Fürsten Adolf zu Schaumburg-Lippe in Bückeburg erfolgte Gründung des „Fürstlichen Instituts für musikwissenschaftliche Forschung" gelten. Die Arbeit dieses Instituts konzentrierte sich zunächst auf die deutsche Musikgeschichte sowie auf intensives Quellenstudium und Dokumentation. Mit dem neu gegründeten „Archiv für Musikwissenschaft", der Veröffentlichungsreihe des Instituts, sollte ein Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der derzeitigen Forschung gegeben werden. Finanzielle Schwierigkeiten in den Jahren nach der Inflation zwangen die Initiatoren, die so hoffnungsvoll begonnenen Projekte wieder aufzugeben. Im Jahre 1935 unternahm man in Berlin erneut einen derartigen Versuch: Drei Institutionen wurden zum „Staatlichen Institut für deutsche Musikforschung" zusammengefaßt, von denen die erste, die historische Abteilung, aus dem Bückeburger Institut hervorging; hinzu kam die Abteilung Volksmusik, gleichfalls als Übernahme des seit 1917 in Berlin bestehenden „Musikarchivs der deutschen Volkslieder". Die dritte Abteilung bildete die bereits im Jahre 1888 durch den Staat Preußen gegründete und der Königlichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin angegliederte „Sammlung alter Musikinstrumente". Der Aufgabenbereich dieses neuen Instituts wurde dadurch wesentlich erweitert. Neben Quellenstudium und Dokumentation, die in Form der seit 1936 erscheinenden „Bibliographie des Musikschrifttums" herausgegeben wurde, richtete man nun das Hauptaugenmerk auf die Publikation nationaler Denkmäler, u. a. „Das Erbe deutscher Musik". 1945 bereitete das Kriegsende zunächst allen Bemühungen ein Ende. Zum großen Teil waren die Bestände des Instituts verloren oder lagerten irgendwo verstreut. Unter äußerst schwierigen Bedingungen begann 1947 der Wiederaufbau des Instituts mit den noch erhaltenen Beständen der Musikinstrumentensammlung. Neben den vielseitigen musealen Aufgaben und Studien zur Musikinstrumentenkunde, Aufgaben also, die mit einer solchen Sammlung verbunden sind, galt das besondere Interesse des damaligen „Instituts für Musikforschung", alte Publikationsreihen fortzuführen.

6

VORWORT

Nach zwischenzeitlicher Verwaltung durch den Berliner Senat wurde das Institut 1962 als „Staatliches Institut für Musikforschung" in den Verband der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingegliedert und in seinen Aufgaben auf eine breitere Grundlage gestellt. Vielleicht darf man heute sagen, daß die alte Idee einer zentralen Forschungsstätte im Begriff ist, einer Realisierung nahezukommen. Zur Zeit umfaßt das Institut zunächst die alten Abteilungen, das Musikinstrumenten-Museum und die Abteilung für musikalische Volkskunde, deren Arbeitsgebiet sich über den ganzen europäischen Raum erstreckt. Von ihr wird das „Jahrbuch für musikalische Volks- und Völkerkunde" mit betreut. Die historische Abteilung soll neben musikhistorischen Dokumentationen eine umfassende Geschichte der Musiktheorie neu erarbeiten. Wie schon früher werden in der „Bibliographie des Musikschrifttums" bibliographische Angaben zumeist aus dem deutschsprachigen Gebiet jahrgangsweise veröffentlicht; darüber hinaus erfaßt und redigiert die westdeutsche Redaktion des Répertoire International de Littérature Musicale (RILM) die in der Bundesrepublik und in West-Berlin erscheinenden musikwissenschaftlichen Publikationen. In der 1965 neu gegründeten Abteilung für musikalische Akustik wird eine moderne musikalische Klangforschung betrieben, die unter Einbeziehung elektronischer Meß- und Analysierverfahren sowohl die akustischen als auch die psychologischen Bedingungen berücksichtigt. In den 1967 begonnenen „Veröffentlichungen des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz" erscheinen selbständige, vom Institut betreute oder geförderte musikwissenschaftliche Studien. Mit dem ersten Band dieses Jahrbuchs wird darüber hinaus ein eigenes Fachorgan des Instituts eröffnet, das für kürzere Beiträge bestimmt ist. Damit ist der Anschluß an das Konzept einer zentralen musikwissenschaftlichen Forschungsstelle auch im Hinblick auf seine Publikationsmittel wieder hergestellt. Berlin, im März 1969

DAGMAR DROYSEN

INHALT Vorwort

5

M O T T E - H A B E R , HELGA DE LA

Zum Problem der Klassifikation von Akkorden

9

DAENICKE, W I L F R I E D

Bewertung von Intervallbeobachtungen an Hand der Frequenzdistanz — Ein Versuch zur Rangordnung musikalischer Intervalle —

29

J O S T , EKKEHARD

Der Einfluß des Vertrautheitsgrades auf die Beurteilung von Musik

65

DROYSEN, DAGMAR

Zum Problem der Klassifizierung von Harfendarstellungen in der Buchmalerei des frühen und hohen Mittelalters

87

KRICKEBERG, D I E T E R

Studien zu Stimmung und Klang der Querflöte zwischen 1500 und 1850

99

ERNST, FRIEDRICH

Der Instrumentenbauer Johann Andreas Stumpff Ein Freund Beethovens

119

Namen- und Sachregister

129

Lebensläufe

131

ZUM PROBLEM DER KLASSIFIKATION VON AKKORDEN H E L G A DE LA M O T T E - H A B E R

AN STELLE EINER EINLEITUNG Eine umfassende Übersicht über die verschiedenen Klassifikationen von Akkorden läßt sich auf engem Raum nicht erstellen. Daher werden in loser Aufeinanderfolge hier nur einige Gedanken abgehandelt, deren Klärung für diese Arbeit notwendig erscheint. 1. Akkorde lassen sich beschreiben hinsichtlich ihres Umfangs, ihrer Lage, Binnengliederung, Farbe und anderer Eigenschaften mehr. Angesichts der Einteilung „konsonant — dissonant" werden diese Merkmale zu akzessorischen, die nur Nuancen kennzeichnen, aber keine wesentlichen Unterschiede betreffen. Konsonanz — Dissonanz ist ein Klassifikationsprinzip, das jedoch vorwiegend für Intervalle tauglich ist; schon Dreiklänge werden damit in geringerem Maße charakterisiert. Für eine Musik allerdings, deren Hauptelement der Dreiklang bildet, ist weniger eine differenzierte, graduelle Abstufung von Bedeutung als vielmehr nur der spezifische Unterschied zwischen konsonanten und dissonanten Akkorden; ja, eine Dichotomisierung scheint zur Notwendigkeit zu werden, zumindest insofern, als sie die Formulierung der Grundsätze einer dem Prinzip der Konsonanz unterworfenen musikalischen Syntax erleichtert. Restriktion der Kategorien schafft, so widersprüchlich es scheint, im allgemeinen zugleich wiederum Differenzierung, die als eine Art von Durchformung dieser Kategorien zu verstehen ist. Die Durchformung der beiden Kategorien „konsonant — dissonant" erwächst aus dem Gebrauch der durch sie bestimmten Akkorde im musikalischen Zusammenhang1. Konsonanz und Dissonanz werden mit weiteren Attributen assoziiert oder von diesen so überlagert, daß die Verarmung, die die Reduzierung auf einen spezifischen Unterschied mit sich bringt, wieder aufgehoben wird. Schwerlich läßt sich vom Sextakkord sagen, er sei minder konsonant als der Grundakkord. Daß ihm im Konsonanzgrad doch eine geringere Vollkommenheit eingeräumt wird2 und er somit vom Grundakkord abgehoben erscheint, bedingt die Assoziation von Konsonanz mit Stabilität oder der Möglichkeit zur Schlußbildung u. a. Deutlicher noch als bei diesem Beispiel zeigt sich in der Bezeichnung „charakteristische 1

Zur Überformung des Konsonanz-Dissonanzprinzips insbesondere durch die Funktionstheorie v g l . DAHLHAUS ( 1 9 5 8 ) S p . 1 5 1 1 .

2

V g l . e t w a SCHÖNBERG ( 1 9 1 1 ) , S . 7 0 .

10

HELGA DE LA MOTTE-HABER

Dissonanz" der Wille, Unterschiede innerhalb einer Kategorie zu ermöglichen. Die Unterschiede in der Sonanzwirkung von Dreiklängen sind jedoch nicht äquivalent jenen, die die Abstufung der Zweiklänge meint, da etwa eine „Verschiedenheit der Dissonanzwirkung" bei Dreiklängen nicht wie bei Zweiklängen in dieser begründet ist, sondern sich aus der jeweils verschiedenen Art der „melodischen Fortschreitung" (HAUPTMANN 1 8 5 3 , S . 1 2 8 ) ergibt. 2. Als graduelle Abstufung wie auch als Alternative sind „Konsonanz" und „Dissonanz" Kategorien, die gerade noch Dreiklänge zu differenzieren vermögen, bei Vierklängen aber versagen. Konsonante Vierklänge ohne Oktavverdoppelung gibt es nicht. Daher muß auch eine Musik, deren Bausteine nicht Zweiklänge und auch nicht mehr Dreiklänge sind, zwangsläufig der Beschreibung ihrer Mehrklänge durch Konsonanz und Dissonanz entraten. Der hohe Grad an Evidenz der Aussage „konsonante Vierklänge gibt es nicht" verwischt leicht die darin implizierte Voraussetzung, Konsonanz sei ein von vornherein festgelegter, nicht durch Erfahrung und Konvention zu erschütternder Sachverhalt. Was aber durch die Natur einer Sache gegeben ist und was Lernen und Erfahrung schaffen, läßt sich nicht leicht entscheiden'. Aussagen hierüber sind nur als Hypothesen einer Theorie denkbar, deren Verifizierung wie auch Falsifizierung unmöglich scheint. Normen bieten nicht nur eine Erklärung für den „artistic reality level" (ARNHEIM 1954) zu einem jeweiligen Zeitpunkt wie auch für seinen Wandel, sondern sie legen auch den Gedanken nahe, in der Sphäre des Materials Variabilität der Klassifizierung anzunehmen. Der Wechsel der Sonanzgrade, den Terzen, Sexten und Tritonus im Laufe der Jahrhunderte erfuhren, zeigt, daß die die Reizkonfigurationen kennzeichnenden Merkmale unterschiedlicher Bewertung je nach Norm und Tradition unterliegen können. Entfallen die „anchor-Effekte" von Oktave, Quinte und Dreiklängen, so ist in einem Bezugssystem von „dissonanten" Vierklängen eine Abstufung der Sonanzgrade denkbar, die differenziert und daher vielleicht auch brauchbar ist. Die Behauptung eines „quasi-naturgegebenen Sonanzsystems" (ROHWER 1958, S. 165) wird durch die Überlegung fragwürdig, es seien Systeme mit wechselndem Bezugsrahmen denkbar. 3. Betrachtet man den Sonanzgrad nicht als absolute Eigenschaft, sondern als eine, deren Charakter durch die Relation zu anderen entsteht, so ergibt sich dann allerdings auch Kritik an Versuchen, die Akkorden wie d-g-c, d-g-a und d-e-a einen ähnlichen Konsonanzgrad zubilligen „wie den hochkonsonanten Ein- und Zweiklängen" (KOLINSKI 1936, S. 15) 4 , denn im Verhältnis etwa zu c-c l ist d-g-c dissonant. Es scheint allerdings nicht sinnvoll, ein solches Verhältnis herzustellen. KOLINSKIS Versuch, „Konsonanz und Dissonanz als Grundlage einer neuen Akkordlehre" zu verwenden, weist auch heute noch auf ein prinzipielles Problem hin. Einerseits scheint es nicht ausgeschlossen, zwischen komplexen Akkorden Abstufungen der Sonanzen zu erstellen, andererseits kann einem solchen Unterfangen der Vorwurf nicht erspart bleiben, 3

4

Eine eingehendere Behandlung der hier angeschnittenen Problematik findet sidi bei DAHLHAUS (1962). Kolinskis Hinweis auf die Bemerkung C. Ph. E. BACHS, „der Secundquintenaccord klingt allezeit leer" (10. Cap. § 5), ist in diesem Zusammenhang falsch, da bei Bach mit „leer" wohl nicht eine Milderung der Dissonanz gemeint ist, sondern das Fehlen eines Terzintervalls.

ZUM PROBLEM DER KLASSIFIKATION VON

AKKORDEN

11

inadäquat zu sein. Nicht nur ist zu bedenken, daß Konsonanz und Dissonanz eigentlich Begriffe sind, die am besten Zweiklänge beschreiben, sondern, daß sie mit bestimmten Vorstellungen belastet sind. Man assoziiert zu Konsonanzen und Dissonanzen Regeln ihrer Verwendung, und nicht genug damit, man assoziiert sie mit Attributen wie richtig und falsch, schön und häßlich. Solche Assoziationen mögen bei den Vpn Kruegers insofern noch selbstverständlich sein, als sie Nonnen widerspiegeln. Ähnliche Aussagen zu einem späteren Zeitpunkt — wie grotesk sie auch immer erscheinen —, aus denen hervorgeht, daß lediglich „die hochkonsonanten Intervalle nickt verunstaltet werden, Einzeltöne und Konsonanzen die einzig regelmäßigen zusammengesetzten Klänge, die in unsere Seele dringen, seien, alle anderen im Ohr mit häßlichen Reibungen versehen würden" (HUSMANN 1 9 5 3 , S. 5 7 ) , zeigen ein Verhaftetsein von Konsonanz und Dissonanz mit Eigenschaften, die, sofern man die beiden Begriffe in einem anderen Bezugssystem verwendet, störend wirken müssen. Ersetzt mein aber, um einen funktionell gebundenen wie auch wertenden Dissonanzbegriff zu vermeiden, diesen durch den der Spannung, wie es vielfach geschieht (Hauer, Eimert, Jelinek, Hindemith), so scheint damit nicht viel gewonnen. Der Begriff Spannung, der unterschiedlich graduierbare Dissonanzen meint, ist zwar nicht synonym, aber äquivok mit dem Begriff der Spannung, den die dur-moll-tonale Musiktheorie kennt. Sowohl konsonante als auch dissonante Akkorde lassen sich mit letzterem bezeichnen. Gespannt kann nicht nur ein dissonanter Akkord sein, sondern auch ein konsonanter Dreiklang, sofern er dominantische Funktion besitzt. Gegenüber dem Dissonanzbegriff hat der Begriff Spannung aber den Vorteil, daß er nicht in demselben Maße seinen gegenteiligen Pol fordert. Wenn STUMPF ( 1 8 8 3 , S . 1 4 ) meint, „nicht einmal in der Dissonanz liegt, wenn sie als reiner Empfindungsinhalt betrachtet wird, ein Hinweis auf die Konsonanz", so läßt sich dieser Satz nur im Hinblick auf eine von der Wahrnehmung losgelöste Empfindung verstehen. Empfindung ist damit aber keine reale Größe, sondern ein „hypothetical construct"; Bedeutung kommt diesem heute in keiner Wahrnehmungstheorie mehr zu. An sich weist Dissonanz auf einen spezifischen Unterschied zur Konsonanz hin und umgekehrt. Lediglich einen graduellen Unterschied und keinen wesentlichen zwischen Konsonanz und Dissonanz sehen (SCHÖNBERG 1 9 1 1 , S . 1 8 ; BUSONI 1916, S. 35), bedeutet, sich über eine jahrhundertelang eingeschliffene Verwendung hinwegsetzen. Obwohl das Ordnen von Intervallen zu einer Rangreihe den Gedanken eines Kontinuums nahelegt (an einen wirklich kontinuierlichen Übergang ohne Bruch war dabei aber wohl nirgends gedacht), empfiehlt sich vielleicht daher bei der Betrachtung der Sonanzgrade — insbesondere, wenn nur eine Gewichtung von Dissonanzen intendiert ist — eine Bezeichnung wie „mehr oder weniger gespannt", es sei denn, man vermerkt — benutzt man Konsonanz und Dissonanz als Pole einer Skala —, daß hierbei nicht an einen spezifischen Unterschied gedacht ist. Letzteres würde — ohne eine Revision der Kritik an der Stumpfschen Auffassung notwendig zu machen — Rechtfertigung zumindest dadurch erfahren, daß die Bezeichnung dissonant bzw. dissonanter in einem anderen Bezugssystem verwendet wird, in dem es „konstruktive Dissonanzen" (KURTH 1 9 3 1 , S. 1 7 8 ) , auf einen prinzipiellen Unterschied zur Konsonanz hinweisende, gar nicht geben kann. Solches gilt für die vorliegende Untersuchung.

HELGA DE LA MOTTE-HABER

12

4. Ansätze zur Beschreibung von Mehrklängen entsprechend ihren Sonanzgraden oder ihrer Spannung lassen sich auch in jüngerer Zeit vielfach finden. Nur zwei seien hier ausführlicher erwähnt. Eine sehr differenzierte Betrachtung von Zwei- und Mehrklängen nimmt

JELINEK

(1958)

vor. Er unterscheidet zwei Kategorien, von denen die eine nur Zusammenklänge mit gleichnamigen Tönen (Prime, Oktave) umfaßt, die zweite alle übrigen, die weiterhin unterteilt werden in Extrem-, Mittel- und Nullklänge. Die Spannung eines Klanges wird überlagert von einem anderen Effekt, nämlich dem der Verfremdung, d-gis ist zu den Nullklängen zu rechnen, aber da die beiden Töne einen geringen Verwandtschaftsgrad aufweisen — nur so scheint die Abstandsempfindung, die nicht identisch mit der Distanz ist, interpretierbar —, sind sie durch ein zusätzliches Moment der Erregung charakterisiert, das ihrer Entspannungsempfindung entgegenzuwirken vermag. Wie sich jedoch Verfremdung und Spannung genau zueinander verhalten — sind sie additiv? —, ist von Jelinek nicht ausgeführt. Hindemith klassifiziert Akkorde entsprechend dem Vorhandensein oder Fehlen von Sekunden, Septimen und Tritonus. Er vermag damit eine tabellarische Übersicht herzustellen. Für die vorliegende Untersuchung ist insbesondere ein Punkt von Interesse, nämlich die Frage der Umkehrung von Akkorden. Hindemith kennt nur die Art von Umkehrung, bei der der Grundton höher im Akkord liegt. Abgesehen von der Fragwürdigkeit des Konzepts „Grundtönigkeit" scheint hierbei von ihm eine zu starke Generalisierung zuungunsten des Intervallaufbaues vorgenommen worden zu sein. Er befindet sich damit übrigens auch im Widerspruch zur Anschauung von

JELINEK

(1958, S. 214—215), der letzteren als durchaus

den Grad der Spannung beeinflussend ansieht. Jedoch muß man bedenken, daß Gesetzmäßigkeiten, die den Sonanzgrad von Vier-, Fünf-, Sechs- und Mehrklängen bestimmen, noch nicht eingehend studiert wurden, was leicht dazu führt, daß man ein Prinzip überbetont und zur Systembildung benutzt. Die Vernachlässigung der Intervallschichtung im einzelnen ist bei Hindemith vielleicht eine notwendige Konsequenz dieses Sachverhalts. Sie sollte zugleich zum Gegenstand einer Fragestellung gemacht werden. 5. Eine isolierte Beschreibung musikalischer Phänomene, dazu würde etwa auch eine auf experimentellem Weg erstellte gehören, gerät leicht in die Gefahr, ihre Gültigkeit einzubüßen, wenn man sie an einem Tonsystem mißt. Aus den Interdependenzen der den akustischen Reizen zugehörigen Merkmalen mit den Kategorien des jeweils herrschenden Tonsystems erwächst diesen Merkmalen — betrachtet man nicht nur ein Tonsystem — scheinbare Relativität. Gleiche Reize können bei wechselndem Bezugssystem hinsichtlich Art und Grad unterschiedliche Differenzierung erfahren, wie andererseits auch Unterschiede negiert werden können. Unterschiedliche graduelle Differenzierung zeigt sich in der im Laufe der Jahrhunderte wechselnden Einteilung der Intervalle in konsonante und dissonante wie auch darin, daß tonsystemliche Bindungen ein Schwingungsverhältnis verschieden charakterisiert erscheinen lassen: Die Proportion 4 : 5 kann im temperierten System konsonant (c-es) wie auch dissonant (c-dis) aufgefaßt werden. Differenzierungen des Tonmaterials, die nicht mit dem jeweils herrschenden Bezugssystem in Einklang stehen, kann kein Erfolg beschert sein, weil sie zwangsläufig mit ungeeigneten Kriterien vorgenommen

ZUM PROBLEM DER KLASSIFIKATION VON AKKORDEN

13

werden. Als Beispiel hierführ läßt sich die auf Grund akustischer Beobachtungen verfeinerte Akkordlehre von HELMHOLTZ ( 1 8 6 3 ) anführen. Die Kategorien eines Tonsystems sind — da dem Gegenstand adäquat — für die Betrachtung der Musik, auf die sie bezogen, verbindlich. Akustischen und psychologischen Kriterien5 kommt solches nicht zu. Zwar ist es aufgrund der erwähnten Wechselwirkung nicht denkbar, daß die Modifikationen, die durch Tonsysteme an der Klassifizierung des Tonmaterials hervorgerufen werden, die physikalischen Eigenschaften desselben völlig negieren können — perfekte Konsonanzen können nicht zu Dissonanzen werden —, es ist jedoch denkbar, daß bestimmte Eigenschaften der akustischen Realität keine Relevanz für die Klassenbildung eines Tonsystems besitzen. Ob bei der Auswahl bestimmter akustischer und psychologischer Kriterien zur Beschreibung des Tonmaterials bestimmte Gesetzmäßigkeiten herrschen, läßt sich vorerst nicht sagen. Es ist nur nachzuweisen, daß solche, die unabhängig vom Bezugssystem zu sinnvollen Aussagen berechtigen würden, nicht existieren. So ist auch eine Betrachtung ihrer Sonanz nicht für alle Zusammenklänge sinnvoll. Diese Grenzen der Beschreibung von Zusammenklängen durch das Konsonanz-Dissonanz-Prinzip erkennt SCHÖNBERG ( 1 9 5 7 , S. 1 9 0 ) , wenn er schreibt: „Es ist unwahrscheinlich, daß die Qualität von Schärfe oder Milde der Dissonanz die geeignete Grundlage einer Theorie (gemeint ist eine zukünftige Theorie) sein kann". Einer Untersuchung wie der vorliegenden, die zu einer Skalierung von Sechsklängen althergebrachte Kategorien verwendet, läßt sich daher trotz der erörterten Möglichkeit einer Abstufung der Sonanzgrade von „Dissonanzen" der Vorwurf machen, daß sie mit falschen Mitteln operiert. Dieser bestände allerdings nur dann zu Recht, wenn die Ergebnisse den Anspruch von Validität für musikalische Phänomene erheben würden, für die sie nicht gedacht sind. FRAGESTELLUNG Die Zielsetzung von STUMPF ( 1 8 8 3 , S. VI), in seiner Tonpsychologie „die Urteile zu behandeln, welche sich an gleichzeitige Töne knüpfen", impliziert zweierlei: Einmal suchte er nach einem Kriterium, um Konsonanz und Dissonanz gegeneinander abzusetzen, zum zweiten beschrieb er gleichzeitige Töne entsprechend ihren Sonanzgraden. In modifizierter Form ließe sich beides als Motto unserer Arbeit voranstellen, obwohl sich diese mit einem Gegenstand, nämlich der Untersuchung von Sechsklängen, beschäftigt, der zu Stumpfs Zeiten völlig inaktuell war. Klassifizierungen von „an sich dissonanten" Mehrklängen entsprechend ihrem Sonanzcharakter wurden, wie oben ausgeführt, — in Art und Weise je nach Absicht der Autoren variierend — schon mehrfach vorgenommen. Es wäre kaum sinnvoll, diesen einen weiteren Beschreibungsversuch anzureihen, auch wenn er sich methodisch, da experimentell gewonnen, von den anderen abheben würde. Das Studium einzelner Probleme scheint jedoch 5

Im allgemeinen empfiehlt sich eine solche „und — Verbindung" von akustischen und psychologischen Kriterien nicht, da erstere nicht jenem Wandel unterworfen sind wie letztere, die immer nur einen bestimmten kulturellen Hintergrund widerspiegeln können.

HELGA DE L A MOTTE-HABER

14

sinnvoll. So ist in dieser Untersuchung die Frage gestellt nach dem Sonanzeindruck von Sechsklängen, die alle die gleichen Töne besitzen, jedoch durch Permutationen derselben unterschiedliche Intervallverhältnisse aufweisen. Beabsichtigt ist, einige von jenen Gesetzmäßigkeiten zu finden, die SCHÖNBERG (1911, S . 505) vermutet, wenn er auf den Bedeutungswandel hinweist, den ein Mehrklang erleidet, wenn ein „Ton versetzt" wird. Hängt der Eindruck eines Mehrklangs mit der Art der Intervallschichtung zusammen oder aber ist das Vorhandensein gleicher Töne für die Beurteilung entscheidend? VERSUCHSPLAN 1. Methode Um den Sonanzeindruck eines Intervalls oder Akkordes festzustellen, genügte es, diese von mehreren Beobachtern auf einer bipolaren Skala „konsonant — dissonant" einstufen zu lassen. Konsonanz und Dissonanz werden im allgemeinen aber Merkmale wie Glätte oder Rauhigkeit (HELMHOLTZ 1863), Vorhandensein oder Fehlen von etwas Wohlklanghaftem (BUGG 1939) usw. zugeschrieben. Es schien daher sinnvoll, nicht nur eine Skala, sondern mehrere zu verwenden, in denen diese und ähnliche Eigenschaften zur Beurteilung der Mehrklänge herangezogen wurden. Insgesamt wurden aus einer früheren Untersuchung (de la M O T T E - H A B E R 1968) acht Skalen ausgewählt; maßgeblich für die Auswahl war einmal die Relevanz dieser Skalen zur Beurteilung von Mehrklängen, zum zweiten ihre Ladung auf verschiedenen Faktoren. Zwei weitere Adjektivgegensatzpaare wurden hinzugefügt. Um eine möglichst gute Differenzierung zu ermöglichen, wurden diese Skalen in neun Stufen eingeteilt. Im einzelnen sind die Skalen in Abb. 1 zusammengestellt. angespannt farbig uneben aggressiv weich schön trübe rauh konsonant harmonisch

1 —

2 —

— — — — — — —

— — — — —

Abb. 1.

-

— —

3

-

4

5

6

7

8









_

— — — — —

— — — — —

— — — — —

— — — —

— — —

-

— —

— —

-

— —

-

— —

-

— — —

9 _

_ — — — — — — —

— — — — — —

gelöst blaß eben friedlich hart häßlich glänzend glatt dissonant unharmonisch

Die zur Beurteilung der Akkorde verwendeten Skalen

2. Reizmaterial Aus den Tönen c d es g as h wurden 5 Mehrklänge derart gebildet (s. Notenbeispiel), daß die Akkordbreite dabei annähernd die gleiche blieb. In einem Fall ergab sich ein um einen Halbton größerer Ambitus, einer der Sechsklänge beginnt einen Halbton tiefer als die 6

• Dies ist selbstverständlich gleichbedeutend mit c d dis g gis h, da Klavierakkorde verwendet wurden und Tonartencharakteristika wie auch Funktionsbeziehungen in unserem Zusammenhang keine Rolle spielen.

ZUM PROBLEM DER KLASSIFIKATION VON AKKORDEN

15

übrigen. Da unser Interesse dem Einfluß der Intervallstruktur galt, wurden aus den Mehrklängen sich überlappende Dreiklänge herausgelöst (s. Notenbeispiel). Auch diese sollten beurteilt werden. Materialklänge

I

P

i>o

1A

1B

fco l>8

~a—CS—Cr

a o

a a 1C 1 0

Y

k,

bo

. fe b e

BZ"

IE

I

Herausgelöste Dreiklänge

2 A 2 & 2C

o

u

J>o i fco k e -

2 D 3A 3 B 3 C 3 0

4 A 4 & 4C 4 D

5Ä5B

SC S P

Beurteilte Drei- und Mehrklänge

Die Sechsklänge wie auch die Dreiklänge wurden als Klavierakkorde auf ein Tonband aufgenommen. 3. Beurteiler Beurteiler waren 20 sowohl männliche wie weibliche Studierende einer Musikhochschule. Eine Differenzierung nach Geschlecht, Alter u. ä. schien bei einem Versuch wie dem vorliegenden nicht notwendig, da es kaum sinnvoll wäre, hierdurch begründete Unterschiede in der Beurteilung von Akkorden anzunehmen. Lediglich kulturspezifische Unterschiede sind zu vermuten, jedoch standen solche nicht zur Diskussion. Dies rechtfertigte die Wahl einer homogenen Gruppe, von der außerdem anzunehmen war, daß sie eine genügende musikalische Vorbildung besaß. Letztere schien uns notwendig, da es sich bei den Reizen um ein dem Laien nicht vertrautes Material handelt.

4. Durchführung

der Versuche

Wie schon ausgeführt, ist es kaum sinnvoll, Drei- und Sechsklänge miteinander zu vergleichen. Daher wurde die Beurteilung dieser beiden Arten von Akkorden, wenn auch von

HELGA DE LA MOTTE-HABER

16

denselben Vpn, so doch in so großem zeitlichem Abstand durchgeführt, daß keine präzise Erinnerung die beiden Experimente verband. Nachdem die Vpn mit dem Reizmaterial vertraut gemacht waren, wurde ihnen der jeweilige Akkord mit kurzen zeitlichen Unterbrechungen so lange vorgespielt, bis sie ihn auf den 10 Skalen eingestuft hatten. Für die Sechsklänge genügte jeweils eine Sitzung, die Dreiklänge mußten in mehreren Sitzungen beurteilt werden. Da die Akkorde im Einzelversuch oder von kleinen Gruppen beurteilt wurden, konnte die Reihenfolge jeweils zufällig variiert werden. 5. Statistische

Auswertung

Nachdem das arithmetische Mittel der Beurteilungen eines Akkords berechnet worden war, wurden die zehn Skalen interkorreliert (Produkt-Moment-Korrelationen). Anschließend wurde eine Faktoren-Analyse (R-Analyse) nach dem Hauptachsenverfahren gerechnet. Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Attributen, mit denen Akkorde zu charakterisieren sind, sollten damit deutlich gemacht werden, da hiervon eine Präzisierung möglicher Unterschiede zwischen den Akkorden erwartet werden konnte. Für jede Skala wurde eine zweifaktorielle Varianzanalyse ohne Replikationen gerechnet 7 , in die als „fixed factor" die fünf Sechsklänge und als „random factor" die 20 Vpn eingingen. Da es sich bei dieser Art der Varianzanalyse um ein „mixed model" handelt, dienten als Prüfvarianz für den Effekt der Akkorde die Interaktionen mit den Vpn. Einzelunterschiede wurden nach Scheffé berechnet. Die Ähnlichkeit zwischen einem Sechsklang und dem jeweils aus ihm herausgelösten Dreiklang wurde durch Korrelationen ermittelt. Wegen der geringen Zahl der Merkmale wurden hierzu Rangkorrelationen verwendet.

ERGEBNISSE UND D I S K U S S I O N DER ERGEBNISSE 1. Die Dimensionen

des Eindrucks von

Akkorden

Zweck dieser Untersuchung war eine Beschreibung von Mehrklängen unter dem speziellen Gesichtspunkt ihrer Abhängigkeit von der Intervallstruktur. Dienlich scheint hierzu das Wissen über die Zusammenhänge der dabei verwendeten Eigenschaften. Im nachfolgenden sollen zunächst diese Zusammenhänge betrachtet werden. Die aus den Interkorrelationen der 10 Skalen errechnete Faktorenanalyse erbrachte zwei Faktoren. Als Abbruchkriterium für die Extraktion der Faktoren diente die Zahl der über 1 liegenden Eigenwerte (GUTTMAN 1954). Wie sich an den sehr hohen Kommunalitäten ablesen läßt, genügen offensichtlich zwei Faktoren zur Darstellung der Attribute von Akkor7

Mit WINER (1962) könnte man auch von einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit Meßwieder-

holungen sprechen. Das Rechenverfahren bleibt in beiden Fällen dasselbe.

ZUM PROBLEM DER KLASSIFIKATION VON AKKORDEN

17

den. Ob das sehr niedrige h2 der Skala „farbig — blaß" einen hohen Prozentsatz an spezifischer oder zufälliger Varianz anzeigt, läßt sich hier nicht entscheiden. Eine Varimax-Rotation erwies sich als ausreichend zur Interpretation der Faktoren (s. Tab. 1). Faktor I vereinigt auf sich hohe Ladungen der Skalen „angespannt — gelöst", „uneben — eben", „aggressiv — friedlich", „schön — häßlich", „rauh — glatt", „konsonant — dissonant" und „harmonisch — unharmonisch". Alle diese Attribute meinen also dasselbe. Die Aufstellung von 10 Skalen ist somit höchst redundant, da sechs von ihnen nicht mehr besagen als etwa die Einstufungen hinsichtlich Konsonanz und Dissonanz. Es wirkt allerdings sehr sinnvoll, wenn ein Akkord um so gelöster, ebener, glatter, vielleicht auch harmonischer erscheint, je konsonanter er ist. Merkwürdig berührt aber, daß Akkorde um so schöner beurteilt werden, je konsonanter sie sind. Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, daß Konsonanz und Dissonanz mit Werturteilen wie richtig und falsch assoziiert sind (vgl. S. 11). Dies wird verständlich, wenn man bedenkt, daß Konsonanzen in der dur-moll-tonalen Musik statistische, an der Häufigkeit zu messende, wie ideale, an der Vollkommenheit zu bestimmende Normen repräsentieren. Ein Gefühl von Richtigsein heftet sich immer an Normen, zugleich liegt es nahe, Normen im ästhetischen Bereich aber auch mit der Eigenschaft „schön" zu versehen. Eine solche globale Aussage allerdings müßte Differenzierung erfahren im Hinblick auf eine ästhetische Grandanschauung (— nur für eine Ästhetik, die das Schöne als Gegenstand hat, dürfte sie gelten —), zugleich müßte Phänomenen Rechnung getragen werden, die darauf hinweisen, daß gerade das Unübliche besonderen ästhetischen Reiz besitzt. Klischeeassoziationen wie die, daß Konsonanzen schön seien, sind nicht überall wirksam, wohl aber in einer Beurteilung von Akkorden ohne Bezugsrahmen. G e wichtszahlen der Faktoren Objekt angespannt-gelöst farbig-blaß uneben-eben aggressiv-friedlich weich-hart schön-häßlich trübe-glänzend rauh-hart konsonant-dissonant harmonisch-unharmonisch

I

II

.885 .115 .969 .764 —.581 —.959 .215 .927 —.966 —.971

.383 .544 .085 .605 —.712 —.061 —.904 —.099 —.127 —.166

Varianz

73,6 %>

26,4 %>

Varianz vor der Rotation

7 9 , 0 %>

21,0 ®/o

h2 .930 .309 .945 .951 .844 .922 .930 .869 .963 .971

Tabelle 1. Die Faktorenanalyse der Skalen (nach Varimax rotiert) (Die Null vor dem Komma wurde weggelassen. An Stelle des Kommas steht jeweils ein Punkt.) 2

J a h r b u d i des Staatl. Instituts

18

HELGA DE LA MOTTE-HABER

Der erste Faktor besitzt einen unverhältnismäßig hohen Anteil an der Gesamtvarianz ( 7 9 % ) . Er vereinigt auf sich Ladungen sehr vieler Attribute, — Attribute, von denen man weiß, daß sie in anderem Zusammenhang eine mindest dreifaktorielle Aufgliederung erlauben würden. Im allgemeinen ergeben sich mit der Art der beurteilten Objekte auch bei Verwendung der gleichen Merkmale Veränderungen im Faktorenraum. Jedoch bedarf der vorliegende Fall einer besonderen Diskussion. Der eingangs erwähnte Sachverhalt, daß zur Charakterisierung von Akkorden weitgehend nur die Merkmale ihrer Sonanz verwendet werden, schlägt sich in den hohen Ladungen vieler Skalen auf dem ersten Faktor, dem Konsonanz-Dissonanz-Faktor, nieder. Daß bei der Beschreibung von Gegenständen ein jeweils unterschiedlicher, d. h. weiterer oder engerer, „ränge" von synonym gebrauchten Eigenschaftswörtern besteht, ist bekannt (CARTWRIGHT 1941). Bei der Beurteilung von Akkorden scheint aber die Tendenz zu einer übermäßigen Vereinheitlichung besonders stark; ihr Sonanzcharakter ist ein so dominantes Merkmal, daß das Ausmaß, in dem andere Eigenschaften gleichbedeutend mit ihm gebraucht werden, beträchtlich ist. Der Mangel an Differenzierung bewirkt den hohen Anteil des ersten Faktors an der Gesamtvarianz wie auch im allgemeinen die Reduzierung der Dimensionen. Die höchste Ladung auf dem zweiten Faktor besitzt „trübe — glänzend". Betrachtet man die Rohwerte, so zeigt sich, daß die zweite Dimension als Tonhöhenfaktor zu interpretieren ist, da tiefe Akkorde als „trübe" und hohe als „glänzend" bezeichnet werden. Gleichzeitig besteht eine Tendenz, tiefe Akkorde als „weich" und hohe als „hart" zu charakterisieren. Jedoch ist diese Charakterisierung — weniger als „trübe — glänzend" — ausschließlich vom Tonhöheneindruck bestimmt (vgl. auch die geringere Ladung auf Faktor II). Als weich werden nämlich nicht nur tiefe Akkorde bezeichnet, sondern neben Moll-Akkorden ( 1 B , 4 A, 5 C) 8 auch solche, die übermäßige oder verminderte Quinten enthalten (3 B, 4 C, 5 B). Bei gleichen Akkorden wird allerdings der tiefer liegende als „weicher" eingestuft (1B, 5 C). Sehr dissonante Akkorde werden nie als weich empfunden. Dies erklärt die Ladung von „weich — hart" auf Faktor I. Die Skala „aggressiv — friedlich" korreliert mit „weich — hart" sehr hoch (r = —.862). Ihre Ladung auf Faktor II läßt sich daher ähnlich erklären. Sie ist allerdings stärker mit dem Konsonanz-Dissonanz-Eindruck verknüpft und etwas weniger mit dem Tonhöheneindruck (vgl. die Ladung auf Faktor I). Es fällt auf, daß hier ebenfalls übermäßige Dreiklänge oder solche mit Tritonus (3 B, 4 C, 5 B) als friedlich beurteilt werden, sofern sie nicht gleichzeitig stark dissonierende Töne enthalten (wie etwa 3 D, 4 B, 5 A, 2 C). Die Ausnahme, die hiervon 6

4 C bildet, erklärt sich daraus, daß dieser Dreiklang als s ® aufgefaßt wird ; mit seiner Auflösung virtuell verknüpft, erscheint er weniger dissonant. Ähnliche Ergebnisse, wie sie unsere Analyse erbrachte, zeigt eine Untersuchung von van de GEER, LEVELT und PLOMB ( 1 9 5 2 ) . Die Einstufung von 2 3 Zweiklängen auf 1 0 Skalen 8

Die Drei- und Sechsklänge werden im nachfolgenden immer mit den im Notenbeispiel angegebenen Codes bezeichnet.

ZUM PROBLEM DER KLASSIFIKATION VON AKKORDEN

19

erbrachte einen Faktor, der sich als Tonhöhenfaktor interpretieren ließ, einen zweiten, der gleichermaßen wie in unserer Untersuchung die Bewertung von Intervallen nach Gesichtspunkten wie „consonant-dissonant" oder „beautiful-ugly" repräsentierte. Die dritte von diesen Autoren gefundene Dimension, die sie am Grad der Verschmelzung deuten, scheint eher so etwas wie ein Distanzempfinden* anzuzeigen, das sich vielleicht mit dem Charakter ihrer Zweiklänge, nämlich reinen Sinustönen, in Zusammenhang bringen läßt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, ja es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich bei dieser dritten Dimension um ein Artefakt handelt, dem nur eine unglückliche Rotation Gewicht verleiht. Eine weitere Diskussion scheint daher nicht angebracht.

2. Unterschiede

zwischen Akkorden

aber veränderter

mit gleichen

Tönen,

Intervallstruktur

Das Prinzip der dur-moll-tonalen Harmonik, Permutationen von Tönen (Umkehrungen) zu behandeln, trug gleichermaßen Tönen wie Intervallen Rechnung. Der C-Dur Sextakkord weist sich durch die Töne e-g-c als zu c-e-g gehörig aus, als Schichtung einer kleinen Terz und Quarte besitzt er aber gleiche Merkmale wie jeder andere Dur-Sextakkord, so etwa die mangelnde Schlußwirkung. Gleiches gilt für den Quartsextakkord. Systeme, die nur eine geringe Differenzierung zwischen den Umkehrungen eines Akkords kennen (die dazu auch gezwungen sind, weil die Zahl der Umkehrungsmöglichkeiten stark anwächst, wenn nicht nur Dreiklänge klassifiziert werden), schaffen eine stärkere Bindung zwischen Grundakkord und Umkehrung. Zwar differenziert H I N D E M I T H ( 1 9 3 7 , S. 1 2 3 ) noch zwischen Grundakkord und solchen, in denen der Baßton nicht zugleich auch Grundton ist, jedoch ist diese Differenzierung nur eine scheinbare, da Umkehrungen „die Merkmale der Grundakkorde teilen". Widersprüchlich wird sie dann, wenn Umkehrungen trotz ihrer behaupteten Identität mit den Grundakkorden als diesen „nackgestellt" bezeichnet werden. Wir wollen auf die speziellen Probleme der Hindemithschen Tonsatzlehre hier nicht eingehen. Es soll lediglich der Nachweis geführt werden, ob und wie sich Mehrklänge unterscheiden, die nach Hindemiths Lehre alle einer Kategorie zugeordnet würden. Die Varianzanalysen (s. Tab. 2) zeigen, daß sich die Beurteilungen der Akkorde auf allen Skalen des ersten Faktors auf dem 1%-Niveau unterscheiden, ein nur auf dem 5°/oNiveau signifikanter Unterschied besteht bei der Skala „harmonisch-unharmonisch". Am konsonantesten, schönsten, glattesten, ebensten und harmonischsten wurde der Akkord I eingestuft. Seine milde Wirkung mag — vergleicht man ihn mit dem dissonant, uneben, rauh, häßlich und unharmonisch beurteilten Akkord II — darin begründet sein, daß nebeneinanderliegende Töne nur konsonante Zweiklänge bilden; Akkord II hingegen enthält — betrachtet man die den Klang von unten nach oben aufbauenden Intervalle — drei sehr scharfe Zweiklänge: die kleine Sekunde und zweimal die große Septime. Bei Akkord I wird hingegen die Schärfe der großen Septime dis'-d2 durch eine dieses Intervall gliedernde kleine 9

2*

Z u m U n t e r s c h i e d z w i s c h e n I n t e r v a l l q u a l i t ä t u n d D i s t a n z e m p f i n d e n v g l . DAENICKE ( 1 9 6 7 ) .

20

HELGA DE LA MOTTE-HABER

Sexte und kleine Terz abgeschwächt. Konsonante „Füllintervalle" ( K U R T H 1931, S. 147) rufen offensichtlich eine Milderung von Dissonanzen hervor. Ein Mehrklang wird dann konsonanter beurteilt, wenn die durch nebeneinanderliegende Töne gebildeten Zweiklänge keine unverträglichen Töne besitzen. Allerdings läßt sich zwischen der Art der Zweiklänge, die einen Mehrklang ausmachen, und dem Sonanzgrad keine einfache lineare Beziehung herstellen. Akkord V wird sehr ähnlich wie Akkord II beurteilt (Q = .913), er besitzt jedoch nicht wie dieser drei, sondern nur zwei durch nebeneinanderliegende Töne gebildete Dissonanzen. Er wird auch dissonanter, rauher usw. beurteilt als Akkord III, obwohl sich aus diesem die große Septime und der Tritonus ausgliedern lassen, während er nur die weniger scharfe große None und ebenfalls den Tritonus besitzt. Besonders die Erklärung des letztgenannten Unterschieds fällt schwer. Hängt die Schärfe von Akkord V mit seiner Helligkeit zusammen, die ihn gegenüber den anderen Sechsklängen auszeichnet? Oder aber erklärt sich die relativ milde Wirkung von Akkord III daraus, daß er Erinnerungen an einen Dominantseptnonakkord mit Sextvorhalt erweckt?10 Träfe letzteres zu, so wären wir wieder auf den Effekt gestoßen, der sich schon bei dem Dreiklang 4 C zeigte, ein Effekt, der darin besteht, daß die dissonante Wirkung eines Mehrklangs abgeschwächt wird, wenn er an eine bekannte Funktion erinnert. Ist es die Bekanntheit oder aber die virtuelle Verknüpfung mit der Auflösung, die eine Verschiebung des Sonanzgrades hervorbringt? Quelle der Variation

Quadratsumme

df

Varianzschätzung

F

Signifikanz

angespannt — gelöst zwischen Akkorden (Ak) zwischen Vpn Wechselwirkung Ak x Vpn

84,00 70,25 178,50

4 19 76

21,00 3,69 2,35

8,94

farbig — blaß zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

5,54 198,99 178,26

4 19 76

1,38 10,57 2,35

0,59

uneben — eben zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

52,84 92,99 209,77

4 19 76

13,21 4,89 2,76

4,79

aggressiv — friedlich zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

104,74 81,04 169,06

4 19 76

26,19 4,27 2,22

11,77

weich — hart zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

113,54 117,84 226,46

4 19 76

28,39 62,02 2,98

9,53

10

9

p < 1 %>









-

p>5°/o — —

p < 1 «/o









p < 1 °/o









p < 1 o/o









Die Erklärung D 7 läßt sich auf Akkord V nicht anwenden, da die „None" unter dem Grund6 ton liegt.

ZUM PROBLEM DER KLASSIFIKATION VON AKKORDEN Quelle der Variation

Quadratsumme

df

Varianzschätzung

F

schön — häßlich zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

95,04 137,11 277,31

4 19 76

23,76 72,16 3,65

6,51

trübe — glänzend zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

42,70 127,25 281,90

4 19 76

10,68 6,69 3,71

2,88

rauh — glatt zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

45,10 53,31 186,25

4 19 76

konsonant — dissonant zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

100,90 119,15 172,70

harmonisch — unharmonisch zwischen Ak zwischen Vpn Wechselwirkung

53,76 188,44 301,89

Tabelle 2.

21 Signifikanz

p < 1 %>









p < 5 °/o









11,28 2,81 2,45

4,60

p < 1 o/o

4 19 76

25,23

11,10

4 19 76

13,44 99,18 3,97

6,27

2,27









p < 1 o/o







-

3,39

p L

• 0

v

c2

_

_PA _ ^O

4C

4B

2A

A_f 5A

0 •

3D

2C

c

10

-O —O O D — O - •

'ü T3 L —X

10

/ 1A

X—

— X

\ \ \ 1 D 1 B 5C

4A

I \

2D 3C 3A

5B

XI 0 SZ

/

•03B

4D

\

IC

2B

05D

N C
- Niveau signifikant auf dem 1 fl/o - Niveau

36

WILFRIED DAENICKE

3. Zwischen Frequenzpositionen bzw. Hörbedingungen und den Intervallen bestehen überwiegend signifikante Wechselwirkungen, d. h. die Beurteilung mancher Intervalle wird im Unterschied zu anderen von der Darbietungsart beeinflußt. Im vorliegenden Fall kann die signifikante Wechselwirkung aber auch auf die unter allen Bedingungen durchweg richtigen Angaben zur Oktave zurückgeführt werden. Schwingungsverhältnis :

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

Analyse

1

s

ns

s

ns

s

ns

ns

ns

s

s

s

Analyse

2

s

ns

s

s

s

s

ns

s

s

s

s

Analyse

3

s

ns

s

s

s

ns

s

s

ns

s

s

Analyse

4

s

s

s

s

Analyse

5

s

s

s

s

Analyse

6

s

s

s

s

Analyse

7

s

ns

s

s

s

s

s

s

s

s

s

Analyse

8

s

s

s

s

s

ns

ns

ns

s

s

s

Analyse

9

s

s

ns

s

ns

ns

ns

ns

ns

s

ns

Analyse 10

s

s

ns

ns

ns

ns

s

s

ns

ns

ns

Analyse 11

s

s

ns

s

ns

s

s

s

s

s

ns

Analyse 12

s

ns

s

s

Analyse 13

s

ns

ns

s

Analyse 14

s

ns

s

s

Analyse 15

s

s

s

s

s

s

s

s

ns

s

s

Analyse 16

s

s

ns

s

ns

ns

s

ns

ns

s

ns

Tabelle 3.

Signifikanzprüfungen

Auf der allgemeinen Ebene haben die Varianzanalysen verläßliche Unterschiede zwischen Intervallen und Hörbedingungen ergeben. Die Prüfung von Einzelunterschieden, also eine verfeinerte Auswertung, wurde mit Hilfe des Tests nach Scheffe vorgenommen (EDWARDS 2/1963, S. 154—157). Dieser Test eignet sich hier vor allem deshalb, weil er den Vergleich zwischen einzelnen Intervallen bzw. Frequenzpositionen wie auch allen möglichen Kombinationen erlaubt. So konnten die Unterschiede zwischen einzelnen Intervallen und Intervallgruppen geprüft werden. Verglichen wurden: (a) ein Intervall mit der Gruppe der übrigen Intervalle in jeweils einer Analyse; (b) zwei Intervall-Gruppen, wobei Konsonanzen und Dissonanzen einander gegenübergestellt wurden;

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

37

(c) jedes Intervall mit jedem (Analysen 1—3, 7)n. Die Signifikanzprüfung unter (a) gibt Aufschluß über den Unterschied eines Intervalls zur Gruppe der übrigen. Es ergeben sich entweder signifikante (s) oder nicht signifikante (ns) Abweichungen. Die Ergebnisse (vgl. Tabelle 3) lassen erkennen, daß sich die Oktave ( 2 : 1 ) in allen zehn Analysen von den übrigen Intervallen signifikant unterscheidet. Entsprechend verhält es sich — mit einer Ausnahme (Analyse 10) — bei der kleinen Terz ( 6 : 5 ) , die der Oktave in diesem Punkt vergleichbar wird, wenn die Analysen 4 bis 6 und 12 bis 14 unberücksichtigt bleiben. Die große Sext unterscheidet sich bereits in zwei Analysen (1 und 10) von den Oktavergebnissen. 2:1

Intervall:

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

Anzahl der signifikanten Vergleiche: Oktave

4

2:1

4

0

4

1

3

1

2

4

4

4

0

4

1

0

1

0

4

3

4

1

4

4

4

4

0

2

4

0

0

0

0

4

4

4

4

4

4

0

0

1

0

0

4

4

0

0

3

3

0

4

4

4

4

gr. Sept. 15:8

4

kl. Sept.

9:5

4

4

gr. Sext

5:3

0

0

4

kl. Sext

8:5

4

4

1

4

Quinte

3:2

1

1

4

0

4

Tritonus 7 : 5

3

0

4

0

4

1

Quarte

4:3

1

1

4

0

4

0

0

gr. Terz

5:4

2

0

4

0

4

0

0

0

kl. Terz

6:5

4

4

0

4

0

4

3

4

4

gr. Sek.

9:8

4

3

2

4

0

4

3

4

4

2

Signifikante Intervalle insges.:

27

21

31

16

29

19

18

18

18

29

30

Nicht signifikante Intervalle insges.:

13

19

9

24

11

21

22

22

22

11

10

-

-

Tabelle 4.

-

-



-

-

2

-

-

Signifikante Intervallvergleiche

Aus den Signifikanzvergleichen für große und kleine Septime, kleine Sext und große Sekunde geht hervor, daß die Versuchsrichtungen (Vergrößerung/Verkleinerung) zu unter11

Unter der Bedingung Vergrößerung (Analysen 1—6) lassen vor allem diese Analysen eine vergleichende Interpretation zu. Da die Prüfergebnisse in allen anderen Analysen sehr voneinander abwichen, was seinen Grund in den unterschiedlichen Versuchsbedingungen hat, konnte die Beschreibung auf die genannten beschränkt werden.

WILFRIED DAENICKE

38

schiedlichen Resultaten in der Beurteilung führen. Betrachten wir dazu die Analysen 1 bis 3 und 9 bis 1 1 : Die große Septime ( 1 5 : 8 ) unterscheidet sich signifikant von der jeweiligen Intervall-Gruppe unter Verkleinerung, die kleine Septime (9:5),

kleine Sext ( 8 : 5 ) und große

Sekunde ( 9 : 8 ) unter Vergrößerung; bei jeweils entgegengesetzter Versuchsrichtung sind die Tests für alle Intervalle nicht signifikant. Signifikante Abweichungen ergeben sich immer dann, wenn die Vp unter dem Eindruck einer vorausgehenden Intervallqualität steht, so ist es z . B . bei der großen Septime der Oktaveinfluß (Analysen 9—11), bei der kleinen Septime die große Sext, bei der kleinen Sext die Quinte und bei der großen Sekunde die Prim (Analysen 1—3). Die Signifikanzvergleiche für Quinte, Tritonus, Quarte und große Terz sind wegen starker Unregelmäßigkeiten nur schwer zu interpretieren. Bei der Signifikanzprüfung zweier Intervallgruppen (b) wurden konsonante Intervalle (2 : 1 , 3 : 2 , 4 : 3 , 5 : 4 , 5 : 3 , 1 5 :8) dissonanten (9 : 5 , 8 : 5 , 7 : 5 , 6 : 5 , 9 :8) gegenübergestellt. Zwischen ihnen ergeben sich in den Analysen 7 , 8 , 1 5 und 16 signifikante Unterschiede. Um einen Überblick zu gewinnen, wurden alle signifikanten Intervallvergleiche (c) aus den Analysen 1 bis 3 und 7 in Tabelle 4 eingetragen, so daß neben der Anzahl der Intervalle auch ihre Stellung ersichtlich wird. Es zeigt sich, daß sich bei den Intervallen für die große Sekunde ( 9 : 8 ) , kleine Terz ( 6 : 5 ) , kleine Sext ( 8 : 5 ) , kleine Septime ( 9 : 5 ) , große Septime ( 1 5 : 8 ) sowie für die Oktave ( 2 : 1 ) überwiegend signifikante Unterschiede ergeben; für die große Sext ( 5 : 3 ) und Quinte ( 3 : 2 ) , den Tritonus ( 7 : 5 ) , die Quarte ( 4 : 3 ) und große Terz ( 5 : 4 ) hingegen sind sie nicht verläßlich. Die Anzahl der signifikanten Unterschiede überwiegt im Verhältnis 4 : 1 gegenüber den weniger verläßlichen. Das war auf Grund der F-Tests der Varianzanalysen zu erwarten.

Ordnungszahl

Intervall

Anzahl der signifikanten Vergleiche

Anzahl der bei 4 Analysen übereinstimmenden Beurteilungen

1

gr. Sext

16

40

gr. Terz

18

36

2

Quarte

18

32

Tritonus

18

24

Quinte

19

28

4

gr. Septime

21

28

5

Oktave

27

24

kl. Terz

29

32

kl. Sext

29

36

7

gr. Sekunde

30

24

8

kl. Septime

31

32

3

6

Tabelle 5.

Rangordnung der Intervalle nach Signifikanzvergleichen

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

39

Die Ergebnisse der Signifikanzprüfungen sind in Tabelle 5 noch einmal zusammengefaßt. Die Intervalle sind hier in eine Rangordnung gebracht worden, die sich sowohl aus der Anzahl der signifikanten Unterschiede bei den Vergleichen als auch durch diejenige der übereinstimmenden Beurteilungen (Analysen 1—3, 7) ergibt. Danach steht an erster Stelle die große Sext, gefolgt von der Intervallgruppe große Terz — Quarte — Tritonus (2), Quinte (3) und große Septime (4) schließen sich an. Jetzt zeigt sich ein deutlicher Sprung, jenseits dessen die Oktave steht (5). Kleine Terz und kleine Sext bilden wieder eine Gruppe (6), gefolgt von großer Sekunde (7) und kleiner Septime (8).

KRITERIEN DER BEURTEILUNG

Wie wir feststellen konnten, dürfte die Voreiltendenz als eines der wesentlichen Kriterien bei der Bewertung von Intervallen anzusehen sein. Dabei zeigte sich zugleich, daß die einzelnen Intervalle in verschiedenem Maße auf diese Tendenz ansprachen. Während die Voreiltendenz bei der Mehrzahl der Dissonanzen im allgemeinen erhebliche Frequenzdistanzen hervorrief, war ihre Wirkung bei den Konsonanzen weitgehend aufgehoben. Da die Voreiltendenz — quasi als konstanter Faktor — bei keinem der Beurteilungsabläufe auszuschließen war, braucht sie in der rechnerischen Verarbeitung nicht im einzelnen berücksichtigt zu werden. Es sei hier auf ein weiteres Kriterium hingewiesen, das in Abhängigkeit von der Reizdarbietung die Intervallbewertung beeinflussen kann, so vor allem in den Meßreihen von Tritonus (Verkleinerung), kleiner Sext (Vergrößerung) und großer Septime (Verkleinerung). Die Frequenzdistanz ist hierbei besonders groß, was u. a. auf den Einfluß der im Versuchsablauf vorangegangenen Schwingungsverhältnisse zurückzuführen sein dürfte (Quinte bei Tritonus und kleiner Sext; Oktave bei großer Septime). Wie beschrieben, näherte sich eine der Frequenzen der beiden simultan dargebotenen Schwingungen unter konstanter Veränderung der Distanz dem zu untersuchenden Intervall. Die Vp sollte während eines solchen Einzelversuchs jede Änderung im Intervalleindruck angeben. Dabei erfolgte der Wechsel vom benachbarten Schwingungsverhältnis zum gesuchten Intervall nicht etwa sprunghaft, sondern als kontinuierliches Durchlaufen aller möglichen Zwischenstufen. Eine Unterbrechung in der Beobachtung, die dem Hörer das Erfassen der neuen Intervallqualität erfahrungsgemäß erleichtert hätte, war durch den methodischen Ablauf unterbunden. Durch eine an das Intervall angrenzende Konsonanz wurde es den Hörern unter diesen Versuchsbedingungen offenbar sehr erschwert, das Schwingungsverhältnis zu bestimmen. Es hat den Anschein, als ob in diesem Fall die schwächere Intervallqualität von der stärkeren (konsonanten) überlagert würde. Nach der Aussage einer Vp fällt es auch bei weniger starken Qualitätsunterschieden schwer, den optimalen Eindruck des angrenzenden Intervalls zu überwinden: Die Erinnerung an ein gerade wahrgenommenes Optimum bleibt

40

WILFRIED

DAENICKE

länger bestehen. Vermutlich wird für die Wahrnehmung der schwächeren Intervallqualität je nach Prägnanz des unmittelbar vorweggehörten Schwingungsverhältnisses eine bestimmte Zeit benötigt, um den neuen Intervalleindruck ganz zu erfassen. Die kontinuierliche Änderung des variablen Reizes aber verhindert die schnelle Anpassung an das gesuchte Intervall. Eine andere Art der Beeinflussung durch das benachbarte Intervall tritt bei der Bewertung der kleinen Terz in Erscheinung. Hier lassen sich — vor allem bei Vergrößerung — erhebliche Frequenzdistanzen nachweisen (bis zu einem Viertelton), obwohl in diesem Fall kein konsonantes Intervall vorausging, sondern das Sekund-Verhältnis 9:8. Es ist infolgedessen zu vermuten, daß die Angaben der Vpn durch den Übergang von der Sekunde zur kleinen Terz beeinflußt wurden. Den Eindruck, jetzt sei das gefragte Intervall erreicht, hatten alle Beobachter gemeinsam unmittelbar nach Überschreiten des Verhältnisses 9:8, wenn also eine etwas zu große Sekunde dargeboten wurde. Die auffallende Übereinstimmung der Angaben deutet darauf hin, daß für alle Beobachter an dieser Stelle der Intervalleindruck 9 : 8 umschlug. Ein Grund dafür kann nur in dem Wechsel vom engeren zum weiteren Schwingungsverhältnis zu suchen sein: Ein eindeutiger Sekund-Eindruck war wegen der eng beieinanderliegenden Primärschwingungen nicht möglich. Intervalle müssen bei dieser Art von Versuchen offenbar eine bestimmte Distanz haben, damit sie der Hörer identifizieren kann. Sie scheint in diesem Fall dort gegeben zu sein, wo das Einsetzen der kleinen Terz angenommen wird. Von hier aus läßt sich die sehr große Frequenzdistanz der kleinen Terz erklären. Der Hörer war vom Beginn des Terz-Eindrucks an auf das Optimum eingestellt. Keine der Angaben wurde verbessert oder, wie so oft bei anderen Intervallen, nachträglich angezweifelt. Bei anderen Intervallen hingegen wurde durch die kontinuierliche Erweiterung des Schwingungsabstandes der Eindruck stetig verbessert; für den Beobachter war es offenbar leichter, sich am Klang zu orientieren. Hier sei auch auf die Meßreihen von großer Sext und großer Terz unter Verkleinerung sowie kleiner Septime unter Vergrößerung hingewiesen. Die Ergebnisse lassen vermuten, daß ein Zusammenhang zwischen großer Frequenzdistanz und Temperierung besteht. Er ist besonders deutlich aus den Meßreihen der großen Sext abzulesen. Diesem Intervall ging während des Versuchsablaufs (Verkleinerung) kein prägnantes Intervall voran. Es muß jedoch erwähnt werden, daß sich der Eindruck der großen Sext unter den beschriebenen Versuchsbedingungen über einen größeren Schaltbereich hinweg nur wenig änderte; bei kleiner Sext oder großer Septime hingegen wurde allgemein eine geringere Intervallbreite angegeben, in deren Grenzen ein optimaler Eindruck vorherrschte (REINECKE 1 9 6 4 , S. 9 4 f). Gerade bei der großen Sext ist dieser Bereich ausgedehnter, er wird auch von dem der großen Terz nicht übertroffen. Viel schwieriger war eine Entscheidung für große Septime und große Terz zu treffen. In diesen Versuchen folgte das gefragte Intervall auf die große Sext bzw. Quarte; es dürfte daher kaum möglich sein, den Einfluß der Temperierung und den des benachbarten Schwingungsverhältnisses deutlich voneinander abzugrenzen bzw. dem einen oder anderen größere Bedeutung zuzusprechen. Die Orientierung war darüber hinaus frequenzabhängig: Bei der

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

41

Bezugsfrequenz 354 Hz richtete sich die Beurteilung eindeutig nach dem Verhältnis 5 : 4 . Auffallend bleiben jedoch die großen Frequenzdistanzen. Deshalb kann ein Zusammenhang zwischen Temperierung und großer Frequenzdistanz angenommen werden, zugleich sei darauf hingewiesen, daß der Einfluß benachbarter Intervallqualitäten unter den beschriebenen Versuchsbedingungen ebenfalls von Bedeutung gewesen sein kann. Der Einfluß der genannten Beurteilungskriterien führte für die einzelnen Intervalle zu folgenden Ergebnissen: 1. Oktave Für die Oktavurteile war vor allem die Übereinstimmung von Primär- und Teilschwingungen ausschlaggebend. Durch den hohen Verschmelzungsgrad fiel die Distanz als Beurteilungskriterium nicht mehr ins Gewicht. Damit ist die Oktave in unserer Untersuchung das einzige Intervall, bei dem die Beurteilung ausschließlich vom Konsonanzempfinden bestimmt wird. Alle Parameter des Experiments, die direkte bzw. angenäherte Übereinstimmung der arithmetischen Mittel mit dem Verhältnis 1 : 2 , die Streuung, die Hörbedingungs- und Richtungswechsel sowie die Signifikanzvergleiche, bestätigen die ausgezeichnete Stellung der Oktave gegenüber den anderen Intervallen. Tabelle 5 ist zu entnehmen, daß sich die Oktave durch überwiegend signifikante (27) Angaben beim Intervallvergleich auszeichnet. Sie unterscheidet sich nur in einer Analyse signifikant von Quinte und Quarte, in zwei Analysen von großer Terz, in drei Analysen vom Tritonus. Nicht signifikant in allen Analysen sind dagegen die Vergleiche mit der großen Sext.

2. Quinte Auch die Quinte besitzt eine gewisse Vorrangstellung, die allerdings nicht so ausgeprägt ist wie die der Oktave. Im Gegensatz zur Oktave war die Beurteilung nicht nur am Zusammenklang ausgerichtet, sondern auch an der Distanz 12 . Darauf dürfte zurückzuführen sein, daß lediglich 25,5 ®/o der Angaben mit dem Verhältnis 3 : 2 übereinstimmen. Vor allem zeigt sich ein Unterschied zur binaural dargebotenen Oktave: Distanz und Streuung sind größer; die Quinte wirkt binaural neutraler. Sie muß schon den Intervallen zugeordnet werden, bei denen bereits die Anzahl nicht signifikanter Vergleiche überwiegt (vgl. Tabelle 5 : 21 ns zu 19 s). Die Quinte unterscheidet sich von Quarte, großer Terz und großer Sext in keiner der vier Analysen verläßlich, von Oktave, großer Septime und Tritonus nur in je einer Analyse. 12

Die Beobachtung deckt sich mit einer Angabe HINDEMITHS ( 1 9 4 0 , S. 3 2 ) : „Nächst der Oktave wird das Quint-Intervall als feste Marke im Bereich der Tonschritte aufgefaßt. Das Begreifen seiner naturgegebenen Unabänderlichkeit wird allerdings dem ungeschulten Ohre um einiges erschwert: Die beiden Töne verschmelzen nicht zu dem völlig einheitlichen Klang, den die Oktave ergibt".

42

WILFRIED DAENICKE 3. Quarte Quarte und Quinte werden in bezug auf ihre Konsonanzeigenschaften meist zusammen

erörtert. Untersuchungen an diesen Intervallen zeigen sehr ähnliche, zum Teil sogar übereinstimmende Ergebnisse (vgl. die mittleren Distanzen der monauralen Verkleinerungsversuche). Bei den monauralen Versuchen sind die Frequenzdistanzen beider Intervalle gleich groß. Ebenfalls entsprechen die Standardabweichungen einander. Beim binauralen Versuch unterscheiden sich die Intervalle. Hier wird deutlich, daß die Quarte weniger ausgeprägt ist: Von den Beobachtungen stimmt keine mit der mathematischen Proportion überein, nur wenige Angaben sind dieser angenähert. Die binaurale Quarte wirkt offenbar noch neutraler als die Quinte 18 . Im allgemeinen unterscheidet sich die Quarte nicht verläßlich von den anderen Intervallen; eine Ausnahme bilden große Sekunde, kleine Terz, kleine Sext und kleine Septime in den Analysen 1 bis 3 und 7. Sie entsprechen damit den Aussagen über die Quinte. 4. Große Terz In der Rangordnung der Intervalle nimmt die große Terz den vierten Platz ein. Die Summen der Standardabweichungen von Quinte, Quarte und großer Terz sind fast gleich. Davon abgesehen zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede zu den genannten Intervallen: Die Anzahl der „richtigen" Angaben ist insgesamt geringer, die Frequenzdistanzen sind allgemein größer. Dies bezieht sich vor allem auf die monauralen Versuche, da bei den binauralen Darbietungen der Beurteilungsablauf (Vergrößerung) durch die Abstandsgröße der Intervallschwingungen und durch das temperierte Verhältnis der Terz (Verkleinerung) beeinflußt wurde. Bei den monauralen Versuchen ist die Orientierung entweder am reinen Intervall (bei 354 Hz) oder am temperierten (bei 472 und 708 Hz) ausgerichtet. Bei den binauralen Versuchen weichen die Beobachtungen durchgehend vom Verhältnis 5 : 4 ab, die Frequenzdistanzen sind mit wenigen Ausnahmen verhältnismäßig groß. Die geringe Streuung bei den Verkleinerungsversuchen zeigt, daß reines und temperiertes Intervall als Kriterium praktisch gegenstandslos geworden ist. Wie aus Tabelle 5 hervorgeht, überwiegen die nicht signifikanten Unterschiede im gleichen Verhältnis wie bei der Quarte. Während sich diese aber von der Oktave nur in einer der vier Analysen verläßlich unterscheidet, ist die große Terz in zwei Analysen von der Oktave signifikant verschieden, von der großen Septime dagegen nicht.

19

(1962, S. 66) schreibt im Anschluß an Versuche mit Sinusschwingungen über dieses Intervall: „Das ganzzahlige Schwingungsverhältnis der Quarte bietet für die Beobachtung offenbar keinerlei Anhaltspunkte; denn der Prozentsatz der Nullangaben ist in dieser Versuchsserie am niedrigsten ... das Hörerlebnis der Quarte verläuft sozusagen ohne Höhepunkt; man könnte es als indifferent bezeichnen".

LICHTHORN

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

43

5. Große Sext Die Vergleiche der Scheffe-Tests zeigen, daß sich die große Sext von der kleinen Terz, kleinen Sext und kleinen Septime wie auch der großen Sekunde in allen vier Analysen verläßlich unterscheidet und von den übrigen Intervallen nicht signifikant verschieden ist. Ihre Stellung innerhalb der Intervalle ergibt sich aus überwiegend nicht signifikanten Unterschieden, zudem stimmen die Beurteilungen in allen vier Analysen überein (vgl. Tabelle 5). Die Standardabweichung ist insgesamt größer als diejenige der großen Terz. Die Diskussion um das reine und temperierte Schwingungsverhältnis tritt auch hier wegen der „blasser" gewordenen Intervallqualität in den Hintergrund. Wie aus den Angaben der Vpn ersichtlich ist, zeigen sich Parallelen zur Quarte, die — binaural dargeboten — besonders indifferent erschien, wodurch nur wenige Beobachtungen das Verhältnis 4 : 3 trafen. Ebenso finden sich bei der großen Sext nur wenig übereinstimmende Angaben. Vermutlich wurde der Beurteilungsablauf auch hier durch die temperierte große Sext beeinflußt, worauf hauptsächlich die große Streuung im monauralen Versuch hindeutet.

6. Kleine Terz Gemessen an der Zahl der direkten Übereinstimmungen mit dem Verhältnis 6 : 5 , gehört die kleine Terz in der Rangordnung der Intervalle an die Stelle der großen Sext. Wir müssen jedoch hier die „Abstandsgröße" der Grundschwingungen beachten, die in diesem Fall die Terz gegenüber der Sext begünstigt hat. Die Einordnung der kleinen Terz richtet sich in der Hauptsache nach den angenäherten Beobachtungen. Die Scheffe-Tests sind überwiegend signifikant, wodurch sich die kleine Terz gegenüber der großen Sext eindeutig abhebt. In allen vier Analysen ist sie von der kleinen Septime und kleinen Sext, in zwei Analysen von der großen Sekunde und in einer vom Tritonus nicht signifikant verschieden.

7. Tritonus Ausgehend von den gemittelten Frequenzdistanzen, den Standardabweichungen und der Anzahl der direkten Übereinstimmungen mit dem ganzzahligen Verhältnis nimmt der Tritonus den siebten Rang unter den beurteilten Intervallen ein. Standardabweichungen und Summe der Distanzen sind größer als bei der kleinen Terz. Der Tritonus gehört zu denjenigen Intervallen, die unter dem Einfluß einer angrenzenden starken Konsonanz stehen. Dadurch besitzen Angaben (Verkleinerung) unter beiden Hörbedingungen durchgehend einen hohen Abstand zum ganzzahligen Bezugspunkt. Keinem Beobachter gelang es, einen Bereich zu benennen, in dem dieses Intervall seiner optimalen Vorstellung annähernd entsprach, worauf wohl auch die große Standardabweichung zurückgehen dürfte. Nach Tabelle 5 liegt der Tritonus zwischen der Quarte und der

44

WILFRIED DAENICKE

großen Terz. Es besteht das gleiche Verhältnis zwischen signifikanten und nicht signifikanten Tests wie bei Quarte und großer Terz. Dennoch darf er diesen Intervallen nicht gleichgesetzt werden, da er sich in jeweils einer Analyse sowohl zur Quarte als auch zur kleinen Terz und großen Sekunde nicht verläßlich abhebt, ebenso in drei Analysen zur Quinte und in je vier zur großen Septime, großen Sext, großen Terz und Quarte. Nur gegenüber der kleinen Sext und kleinen Septime ist der Tritonus in allen vier Analysen signifikant.

8. Kleine Sext Die Beurteilung dieses Intervalls weist bei Verkleinerung die Tendenz zur Verengung des Intervallabstandes auf. Allerdings ist bei monauraler Darbietung die Streuung größer als bei der kleinen Terz. Der Grund mag einerseits darin liegen, daß die Distanz beider Grundschwingungen (Abstandsgröße) größer ist. Zum anderen aber darf der mögliche Einfluß der benachbarten großen Sext nicht übersehen werden. Außerdem war die Beurteilung der kleinen Sext unter Vergrößerung offenbar vom angrenzenden Quintintervall beeinflußt; die Angaben besitzen eine sehr große Distanz zum Verhältnis 8:5 (bis zu einem Viertelton). Lediglich zwei Angaben stimmen direkt und einige wenige näherungsweise damit überein; letzteres gilt vor allem bei Verkleinerung. Die kleine Sext unterscheidet sich von den anderen Intervallen überwiegend verläßlich. Das Verhältnis zwischen diesen und den nicht signifikanten Vergleichen der Scheffe-Tests entspricht dem der kleinen Terz. Bis auf den Tritonus, von dem die kleine Sext in allen vier Analysen signifikant verschieden ist, verhalten sich kleine Sext und kleine Terz zu den anderen Intervallen gleich. 9. Große Septime Der Intervalleindruck der großen Septime wird durch die im Versuchsablauf vorangehende Oktave bestimmt, so daß sich die Angaben auch unter Vergrößerung in Richtung auf ein erweitertes Verhältnis verschieben. Die Abweichungen der Ergebnisse bei Verkleinerung betragen durchweg mehr als einen Viertelton und übertreffen damit die entsprechenden Abweichungen beim Tritonus und bei der kleinen Sext. Innerhalb der Vergrößerungsversuche befinden sich drei übereinstimmende und einige dem ganzzahligen Schwingungsverhältnis angenäherte Angaben, was auf die Tendenz zur Erweiterung des Intervallabstandes zurückzuführen ist; ähnliches trifft für den binauralen Versuch zu. Nach Tabelle 5 liegt die große Septime in der Rangordnung zwischen Quinte und Oktave. Die Anzahl signifikanter und nicht signifikanter Tests ist annähernd gleich; von der großen Terz, dem Tritonus und der großen Sext ist das Intervall in allen vier Analysen, von der großen Sekunde in nur einer nicht signifikant verschieden; es hebt sich von Quinte und Quarte nur einmal verläßlich ab. So wird die Nähe zur Oktave auch in den Signifikanzvergleichen deutlich.

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

45

10. Kleine Septime Die kleine Septime weist bei den Vergrößerungsversuchen im Vergleich zu den übrigen Intervallen die größten Frequenzdistanzen auf. Unter Vergrößerung wurde die Beurteilung vermutlich durch das temperierte Verhältnis der kleinen Septime beeinflußt, so daß hier große Distanzen bestehen; die Verkleinerungswerte haben auch im Monauralen einen größeren Abstand zum ganzzahligen Bezugspunkt. So kommt es, daß keine Angabe mit diesem direkt und nur siebzehn näherungsweise übereinstimmen. Bei den binauralen Versuchen weichen die Daten demgegenüber nur geringfügig ab: Die Frequenzdistanzen werden nur unwesentlich größer. Aus dem Vergleich der Scheffe-Tests geht hervor, daß die kleine Septime fast ausschließlich signifikante Ergebnisse besitzt und damit im Gegensatz zur großen Sext steht. Sie hebt sich in allen vier Analysen von Oktave, großer Septime, großer Sext, Quinte, Tritonus, Quarte wie großer Terz verläßlich ab und ist von der großen Sekunde in zwei Vergleichen, von der kleinen Terz und kleinen Sext überwiegend signifikant verschieden.

11. Große Sekunde Obwohl die Beurteilung der großen Sekunde — monaural dargeboten — durch Kombinations- und Schwebungserscheinungen gestört war, sind die Angaben vollständig. Es wurden allerdings keine direkten Übereinstimmungen mit dem Verhältnis 9 : 8 erzielt. Die Zahl der angenäherten Daten ist sehr gering. Ein Einfluß des angrenzenden Einklangs ist an den Ergebnissen nicht deutlich abzulesen; das binaurale Hören bietet allein keine Vergleichsmöglichkeit. Das Intervall wirkte auch monaural indifferent.

12. Kleine Sekunde Verwertbare Angaben konnten für dieses Intervall nur unter binauraler Bedingung ermittelt werden, da bei monauralem Hören Kombinationstöne und Schwebungen eine Wahrnehmung der Intervallqualität verhinderten.

BEWERTUNG DER INTERVALLBEOBACHTUNGEN Die Wahrnehmung einer Intervallqualität ist nicht immer mit einer Tonhöhenempfindung verbunden, sie kann vielmehr von dieser unabhängig sein. Die Beurteilung wird in einem solchen Fall ausschließlich durch die Klangfarbe bestimmt. Hierbei weichen die Beobachterangaben über den optimalen Intervalleindruck so stark vom jeweiligen ganzzahligen Bezugspunkt ab, daß sie nicht mehr im Zusammenhang mit den eigentlichen Tonhöhenbeziehungen des Intervalls gesehen werden können. Bei Versuchen mit nahezu

46

WILFRIED

stationären Sinusschwingungen weist schen den „Akkordqualitäten"

DAENICKE

REINECKE

(1964, S. 107) auf diese Unterschiede zwi-

und den „Distanz-Beziehungen

und folgert, daß wahrscheinlich „Klangfarben zustande

kommen

als die Tonhöhe".

in einem

isolierter

anderen

Tonhöhen"

Bezirk

der

hin

Hörbahn

Die hier auf einem methodisch anderen Weg gewonne-

nen Ergebnisse stützen diese Hypothese. Überwiegt das Distanzempfinden beim Intervalleindruck, der infolge der Schwingungsstruktur abgeschwächt ist, so kann der Abstand der Grundschwingungen für die Bewertung der Intervalle ausschlaggebend sein. Der Einfluß dieser „Abstandsgröße"

(HANDSCHIN 1 9 4 8 ,

S. 10) der Grundschwingungen läßt sich an den Intervallen Quinte bis große Terz erkennen: Je kleiner die Abstandsgröße ist, desto genauer werden die Intervalle bestimmt. Entsprechende Resultate erzielten

STUMPF

und

MEYER

(1898)14

bei sukzessiver Reiz-

darbietung; unter diesen Versuchsbedingungen werden große Intervalle im allgemeinen etwas „überzogen" (ein größerer Schritt wird als energischer empfunden), kleinere hingegen enger gehört. Geht dem Testintervall bei simultaner Darbietung eine starke Intervallqualität voran, wird die Bestimmung von Intervallen mit komplizierten Schwingungsverhältnissen erschwert. Die Angaben über den optimalen Eindruck treffen musikalisch irrelevante Zwischenbereiche. Darauf deuten vor allem die Ergebnisse für die große Septime, den Tritonus (Verkleinerung) und die kleine Sext (Vergrößerung), aber auch für die kleine Septime (Vergrößerung) und die große Terz (Verkleinerung) 15 . Unser Versuch, die Intervalle zu bewerten, ergab folgende Gruppen: 1.

Oktave

2. Quinte, Quarte, große Terz 3. große Sext, kleine Terz, Tritonus, kleine Sext 4. große Septime, kleine Septime, große Sekunde, kleine Sekunde Zu 1: Die Oktave vermittelt den Eindruck eines in hohem Maße konsonanten Hörerlebnisses. Bei den unmittelbar nachstehenden Intervallen ist er bereits erheblich abgeschwächt. Nur die Oktave wird in unseren Versuchen ausschließlich am Merkmal der Konsonanz bewertet, während die Urteile schon von der Quintwahrnehmung an auch durch das Distanzempfinden mitbestimmt sind. Auf Grund dieses Unterschieds hebt sich die Oktave eindeutig aus der Gruppe der übrigen Intervalle heraus. Zu 2 : Dieser Gruppe steht die Quinte voran. Unter monauraler Hörbedingung sind die bei der Quinte ermittelten Beobachtungen den bei der Quarte gewonnenen sehr ähnlich.

14

15

Vgl. hierzu HANDSCHIN (1948) S. 108—112.

HANDSCHIN (1948, S. 207—208) bemerkt dazu: „Bei intensivem Intervalldiarakter — also beim Paar Sekunde-Septime, ... — fühlen wir doch auch beim großen Intervall eine Art ,verschobener Nähe': nämlich die Nähe zu der den Einklang vertretenden Oktave (vielleicht sogar beim Tritonus die Nähe zur Quinte, die ja gleichfalls in reduzierter Weise den Einklang vertritt). Wir müssen allerdings aufmerken, daß wir dieses statische Nachbarschaftsgefühl nicht mit dem dynamischen Leitton-Drängen konfundieren."

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

47

Auch hier weisen einige Beobachter darauf hin, daß die beiden Intervalltöne während des optimalen Eindrucks oft nicht auseinanderzuhalten sind: ein Merkmal höchster Verschmelzung 1 '. Das Urteil wurde jedoch nicht allein durch das Konsonanzempfinden, sondern, wie bereits erwähnt, auch durch das Distanzempfinden mitbestimmt; die direkte und angenäherte Ubereinstimmung der Angaben mit dem Verhältnis 3 : 2 sowie die Frequenzdistanzen sind gegenüber den entsprechenden Oktavergebnissen stark verändert. Quarte und große Terz schließen sich der Quinte eng an. Alle drei Intervalle unterscheiden sich in den Standardabweichungen nur gering, sie können deshalb zu einer Untergruppe zusammengefaßt werden. Ein Vergleich mit der Oktave zeigt, daß das Hörerlebnis bei Quinte, Quarte und großer Terz weniger gefestigt ist; aber auch innerhalb dieser drei Intervalle nimmt die Streuung der Urteile zu. Zu 3 : Auf die große Terz folgt die große Sext. Die geringe Zahl der mit dem Verhältnis 5 : 3 übereinstimmenden Beobachtungen wird durch eine Vielzahl von angenäherten Angaben ausgeglichen. Dieses Ergebnis läßt sich auf die Abstandsgröße der Grundschwingungen zurückführen. Außerdem bleibt der optimale Intervalleindruck hier über einen größeren Distanzbereich hinweg bestehen, viele Urteile treffen den objektiven Bezugspunkt annähernd. Die Signifikanzvergleiche (vgl. Tabelle 5) führten zu einem überraschenden Teilergebnis: Während sich sonst überwiegend verläßliche Unterschiede zwischen den Intervallen ergaben, ist die große Sext von den meisten Intervallen durchweg in den Analysen 1 bis 3 und 7 nicht signifikant verschieden. Ein weiteres Ergebnis aus Tabelle 5 sei hervorgehoben: Zwischen großer Terz, großer Sext und großer Septime ergeben sich keine signifikanten

Unterschiede; Entsprechendes gilt für die kleine Terz, kleine Sext und kleine

Septime. Der großen Sext folgt in der Rangordnung die kleine Terz. Die Einordnung dieses Intervalls stützt sich auf die Übereinstimmung aller Parameter. Die Angaben wurden von der angrenzenden großen Terz nicht beeinflußt, sie weichen vom Verhältnis 6 : 5 nur geringfügig ab. Die kleine Terz bietet offenbar genügend Anhaltspunkte, die Intervallqualität sicher zu erkennen und sie gegen das benachbarte Intervall abzugrenzen. Einen ähnlichen Sachverhalt finden wir bei der kleinen Sext. Auch hier sind die Frequenzdistanzen kleiner. Das Verhältnis von signifikanten und nicht signifikanten Tests stimmt bei beiden Intervallen überein; dieses Ergebnis wird noch dadurch unterstrichen, daß sich kleine Terz und kleine Sext zu den anderen Intervallen gleich verhalten. Die Beurteilungen der kleinen Sext streuen jedoch weiter, wie wir es schon einmal bei der Gegenüberstellung von großer Terz und großer Sext gefunden haben. Deshalb können wir hier wie dort den größeren Abstand der Grundschwingungen als mögliche Ursache anführen.

w

Die Verschmelzung, von Stumpf über eine längere Forschungsperiode hinweg als Ursache der Konsonanz angesehen, wurde von HUSMANN ( 1 9 5 2 , S. 2 1 9 — 2 3 0 ) ihrer Bedeutung gemäß eingeordnet: In der von ihm begründeten Koinzidenztheorie erscheint sie als eine physiologisch gesicherte Grundeigenschaft der Konsonanz.

WILFRIED DAENICKE

48

Zwischen kleiner Terz und kleiner Sext ist der Tritonus einzuordnen. Als Anhaltspunkt für den Rang dieses Intervalls blieb streng genommen nur die Frequenzdistanz; die Signifikanzvergleiche

der Scheffé-Tests konnten nicht herangezogen werden. Zwar ist aus Ta-

belle 5 zu ersehen, daß sich der Tritonus von den meisten Intervallen wenigstens in einer der vier Analysen nicht verläßlich abhebt. Aber ebenso ist daraus der starke Einfluß der benachbarten Konsonanz abzulesen: Das Verhältnis von signifikanten zu nicht signifikanten Tests beim Tritonus entspricht dem der Intervalle der Quint-Untergruppe; die Nähe zur Quinte ist Ursache dafür, daß der Tritonus wie die Quarte und große Terz eingestuft wird. Er ist das einzige Intervall, dessen Einordnung nur auf einem Parameter basiert. Zu 4 : Bereits von der großen Sext an hatten wir bei unserer Bewertung der Intervalle jene Beurteilungskriterien zu beachten, die im vorherigen Abschnitt beschrieben sind. Eine Rangordnung innerhalb der Septimen und Sekunden ist nicht durchzuführen, weil Standardabweichungen und Signifikanzvergleiche als Anhaltspunkte entfielen. Wie wir gesehen haben, sind die Versuchsergebnisse bis zur kleinen Sext eindeutig. Wenn auch die Gliederung der Rangfolge — Oktave, Quinte, Quarte, große Terz — von vornherein zu erwarten war, so überrascht doch die deutlich abgegrenzte konsonanzqualitative Stellung der Oktave. Wenn denen Konsonanzen Zusammenpassen

HANDSCHIN ( 1 9 4 8 ,

Grade unmittelbaren

als ein Abgestuftes

S.

220)

Zusammenpassens"

empfinden",

sagt, „daß die verschie-

sind und „daß wir dieses

so trifft das vermutlich vor allem auf die

Oktave zu. Dennoch stellt sie in unseren Untersuchungen keinesfalls einen primus inter pares dar, sie scheint innerhalb dieser Intervall-Stufenfolge eher autonom. Die verschiedenen Stufen des unmittelbaren Zusammenpassens erweisen sich also als eine graduell sehr unterschiedliche Folge von Intervallrängen. Für diesen Sachverhalt mag

HANDSCHINS

Be-

merkung besonders zutreffend sein, daß die Konsonanz allein aus dieser Stufenfolge „als bloßer Reihengrad"

nicht greifbar werden kann 17 . Sie äußert sich in verschiedenen

Merk-

malen, durch die auch die Rangfolge mitbestimmt wird. Zur Einordnung der Terzen und Sexten ist zu bemerken, daß sich die Eindeutigkeit der Beurteilung innerhalb der Quint-Untergruppe erheblich verringert. Dadurch wird verständlich, daß von hier an diejenigen Experimente scheitern mußten, die sich nur auf Merkmale der Konsonanz stützten. So blieben z. B. alle Versuche, in denen die Einteilung der Intervalle aus der Verschmelzungseigenschaft zweier Töne abgeleitet werden sollte, ohne greifbare Ergebnisse. Wir lesen dazu bei

STUMPF ( 1 8 9 8 , S . 2 3 ) :

unterschiede, die innerhalb der Terzengruppe

„Die feineren

und der auf sie folgenden

VerschmelzungsGruppen

bestehen

mögen, werden so kaum zu ermitteln sein, es sei denn, daß im Laufe der Jahrhunderte

oder

Jahrtausende

sich

das Gehör und zugleich die Beobachtungsfähigkeit

in dieser Richtung

noch mächtig entwickeln". Insofern wird bei der Einordnung der genannten Intervalle häufig Zuflucht zu theoretischen Erwägungen genommen: Große Terz und kleine Sext ergänzen sich zur Oktave 17

V g l . a u c h DAHLHAUS ( 1 9 6 2 ) S . 2 3 — 2 5 .

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

49

und bilden folglich „Extreme" der Terzen- und Sextengruppe (STUMPF); es genügt also, beide zur Untersuchung heranzuziehen. Die Sexten können aber auch als quartverschobene Terzen angesehen werden. Sie bilden dann nur eine Art „Appendix" zu den Terzen (HANDSCHIN), womit die Rangfolge „große und kleine Terz" gegeben ist, die ihre zahlenmäßige Entsprechung in der Überteiligkeitenreihe besitzt. Nach unseren Beobachtungen liegen große und kleine Terz jedoch in der Rangordnung voneinander entfernt: Vor die kleine Terz ist die eindeutig beurteilte große Sext gerückt; die Beobachtungen streuen trotz der Einwirkung der „Abstandsgröße" weniger. Dies scheint auf die Ähnlichkeit zwischen großer Terz und großer Sext wie auch zwischen kleiner Terz und kleiner Sext hinzudeuten, die im übrigen immer auf die klangliche Komponente dieser Intervalle bezogen wird. Wir haben jedoch zeigen können, daß sich weder große Terz, große Sext und große Septime noch die entsprechenden kleinen Intervalle signifikant unterscheiden (vgl. Tabelle 5). Dieses Ergebnis erlaubt, die herkömmlichen Vorstellungen über die Ähnlichkeit von großer Terz und großer Sext zu korrigieren. Wenn die Sexten in konsonanzqualitativer Hinsicht tatsächlich nur eine Art Anhang zu den Terzen wären, hätten unsere Distanzbeobachtungen einige Hinweise auf diese Ähnlichkeit enthalten müssen: Die Intervalle besitzen jedoch keine vergleichbaren Größen. Terzen und Sexten stehen in graduell abgestufter Folge selbständig nebeneinander.

SCHLUSSBEMERKUNG Die Intervallforschung ist experimentell nur begrenzt zu erfassen; jedes Resultat kann immer nur als ein Teilergebnis verstanden werden. Unserer Untersuchung wurden daher von vornherein durch die Auswahl der Bedingungen — Methode, Schwingungsverhältnisse, Frequenzbereiche, simultane Darbietung — Grenzen gesetzt. Würden diese erweitert, die Bedingungen verändert, so ließen sich die vorliegenden Ergebnisse vermutlich ergänzen. Die Untersuchung basiert auf einer Bewertung der Frequenzdistanzen. Es hat sich gezeigt, daß nicht alle Beobachtungen für die Einordnung verwendet werden konnten. Auf Grund des Versuchsablaufes ergab sich besonders für Sekunden und Septimen, daß ein temperiertes Verhältnis oder ein enger Abstand der Intervallschwingungen sowie Schwebungen und der Einfluß einer dem Testintervall benachbarten starken Intervallqualität die auf den optimalen Intervalleindruck gerichteten Beobachtungen beeinträchtigen. Deshalb darf die Einteilung der Intervalle unter den beschriebenen Bedingungen nur bis zur kleinen Sext als gesichert gelten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sich das Ergebnis unter Berücksichtigung der Frequenzdistanz mit Hilfe einer anderen Art der Reizdarbietung über die Sext hinaus erweitern ließe. Hörversuche im Laboratorium verlaufen unter anderen Bedingungen als das musikalische Hören. Daher wird oft gegen derartige Versuche eingewendet, daß die Ergebnisse im Hinblick auf das musikalische Hören irrelevant seien. Man will damit zu bedenken geben, 4 Jahrbuch des Staatl. Instituts

50

WILFRIED DAENICKE

daß die musikalische Wahrnehmung nicht allein auf akustischen Prozessen beruht. Hierzu seien aus der vorliegenden Untersuchung folgende Beobachtungen hervorgehoben: Während der Hörversuche zogen es die Versuchspersonen oft vor, den Wahrnehmungsprozeß in einen analytischen Vorgang aufzugliedern und die Intervalle nach ihren Strukturkomponenten zu beurteilen. Das konnte so weit führen, daß sich die Vpn ausschließlich an einer Komponente orientierten. Dieser Fall tritt dann ein, wenn diese Komponente die anderen überlagert. Ist das Hörerlebnis indifferent (binaurale Hörbedingung) oder aber die Beurteilung durch Störungen des Zusammenklangs erschwert, richtet sich die Vp nach der Komponente, die ihr die Orientierung erleichtert (meist Grundton oder erster Teilton). Es zeigt sich aber, daß die Beurteilung nur in Ausnahmefällen analytisch verläuft. Zunächst neigen die Beobachter nicht dazu, den Versuchsreiz in seine verschiedenen Komponenten zu zerlegen, sondern bewerten ihn vielmehr als Ganzes. Erst wenn die Intervallqualität aus den angegebenen Gründen auf diese Weise nicht erfaßt werden kann, wenn also in der physikalischen Reizstruktur gewisse Voraussetzungen dafür fehlen, richtet sich die Beurteilung nadi einer Teilkomponente.

ZUSAMMENFASSUNG Der Verfasser untersuchte mit Hilfe elektrisch erzeugter Klänge, inwieweit die Frequenzdistanz Möglichkeiten eröffnet, Intervalle zu bewerten. Die Intervalle wurden als Sinus-Töne bzw. obertonhaltige Klänge einer Gruppe musikalisch vorgebildeter Beobachter monaural und binaural dargeboten. Die Vpn hatten die Aufgabe, bei kontinuierlich variierten Frequenzdistanzen ihre Optimaleindrücke für bestimmte Intervalle anzugeben. Die Abweichungen der hierbei gemessenen Frequenzdistanzen gegenüber den jeweils reinen Schwingungsverhältnissen dienten als Rohdaten für die statistische Verarbeitung. Die Versuche zeigten, daß die traditionelle Annahme einer kontinuierlichen Abstufung der Sonanzgrade zugunsten einer hierarchischen Ordnung deutlich unterscheidbarer Intervallklassen zurückgewiesen werden kann. Dieses Ergebnis läßt sich an der Genauigkeit ablesen, mit der ein Intervall identifiziert wird. Auch die Rangordnung innerhalb der Klassen entspricht nicht durchweg den Erwartungen. Überraschend ist, daß der Tritonus hinsichtlich seiner Festigkeit zu den konsonanten Intervallen zählt. Bedeutsam sdieint ferner die Tatsache zu sein, daß die u. a. von Stumpf geteilte Annahme nicht bestätigt wird, Terzen und Sexten entsprächen einander, weil sie sich zur Oktave ergänzten.

INTERVALLBEOBACHTUNGEN Frequenzposition 1 : Vp

Vergrößerung

354 Hz

2:1

A B C D E F G H I K L M

51

3 3 0 0 3 0 0 5 3 5 0 0

Frequenzposition 2 :

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

33 15 50 7 36 4 10 7 20 20 12 2

53 39 58 58 28 41 41 61 30 41 47 25

20 9 12 6 18 3 15 20 18 3 0 20

63 19 1 22 38 13 35 41 22 13 38 41

3 3 0 3 10 0 0 3 0 3 0 0

3 6 10 3 13 3 24 10 27 27 10 6

4 7 0 4 11 4 4 19 4 19 0 4

0 4 4 4 8 0 0 4 0 4 0 0

37 41 41 8 28 45 37 99 41 12 0 45

27 58 13 18 35 18 49 99 22 18 18 5

38 38 10 34 34 43 43 34 15 1 20 34

Vergrößerung

472 Hz

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

0 15 0 0 0 0 0 4 4 4 0 0

14 11 3 41 0 7 18 14 18 11

45 45 15 37 52 52 49 45 30 34 52 8

3 3 7 3 7 7 0 0 0 7 7 3

45 26 34 45 26 49 23 4 30 26 4 49

0 0 4 26 0 4 7 0 0 18 0 0

4 4 0 0 22 7 26 4 15 33

0 4 19 7 0 0 4 0 4 7

3 0 0 7 0 14 0 0 18 14

15 7 18 15 45 41 26 26 37 33

23 0 4 4 19 37

Frequenzposition 3 :

3 14

11

0

7

33 45 26 26 45 26 48 33 26 37 45 45

4

0

0

19

4

19 4

15

Vergrößerung

708 Hz

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

3 0 0 0 0 0 0 0 3 13 0 0

5 15 45 5 22 22 0 20 0 22 10 15

57 15 35 40 68 57 62 55 65 45 45 57

7 2 0 17 2 2 0 14 10 14 12 7

54 27 9 34 32 62 57 22 54 52 14 37

3 0 5 10 0 0 0 5 0 25 0 0

22 2 0 10 2 10 19 24 22 14 5 19

25 10 7 20 0 12 0 7 5 27 3 12

2 14 44 32 47 10 37 24 24 19 2 27

63 12 37 54 47 42 64 39 52 14 44 34

50 10 3 50 23 30 33 13 35 13 38 25

35 10 5

T a b e l l e 6.

4*

D i s t a n z e n zum ganzzahligen Schwingungsverhältnis in Cents H ö r b e d i n g u n g : „monaural-verzerrt"

12 25 • 20 12 0

WILFRIED DAENICKE

52 Frequenzposition 1 :

354 Hz

Verkleinerung

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

7 2 0 8 8 0 2 20 5 17 0 0

92 34 50 45 34 62 72 62 57 52 34 47

53 43 8 43 8 32 45 38 51 40 3 13

66 55 47 3 48 9 75 12 18 52 3 12

24 5 2 11 18 5 68 5 11 39

13 5 3 3 3 6 6 6 6 32

56 18 42 49 59 39 52 49 49 32 25 62

18 14 7 0 7 0 0 11 22 18 4 0

46 0 8 4 0 0 4 4 0 8 0 4 0 0 8 21 4 12 27 17 0 4 0 0

30 21 13 43 43 34 21 76 68 21 26 34

22 35 35 8 31

Frequenzposition 2 :

2

8

0

3

472 Hz

26 26 8 3

Verkleinerung

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

3 11 0 3 0 14 0 0 3 7 0 0

58 83 29 65 33 47 65 47 51 40 29 58

36 25 7 50 18 43 29 7 43 14 29 47

54 44 11 37 8 47 44 15 30 30 37 11

21 29 10 7 3 29 0 18 54 29 7 7

7 15 0 43 4 25 11 0 4 18 4 7

54 61 11 51 36 47 58 15 47 58 33 51

3 0 0 22 3 7 3 0 0 29 0 0

47 33 4 33 4 37 44 0 44 22 4 4

36 28 7 22 0 14 7 0 7 28 7 7

51 18 22 43 58 40 36 15 51 18 22 4

47

Frequenzposition 3 :

708 Hz

7 11 39 54 7 25 3

Verkleinerung

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

0 2 2 0 0 5 0 9 7 29 0 7

77 36 12 48 53 53 72 53 70 58 29 53

29 19 14 48 29 58 48 12 62 34 29 36

39 41 10 58 22 41 53 10 72 58 41 44

13 10 15 37 27 15 49 17 53 32 22 20

5 9 5 9 2 28 2 2 5 29 2 9

51 46 5 32 48 60 58 65 63 58 53 53

2 17 5 53 2 0 0 5 36 22 2 5

46 37 37 25 7 45 46 12 32 39 5 41

15 20 23 22 0 8 20 8 37 29 10 8

31 31 29 53 50 38 31 50 60 31 29 41

42 27

Tabelle 7.

Distanzen zum ganzzahligen Schwingungsverhältnis in Cents Hörbedingung: „monaural-verzerrt"

38 27 30 50 32 30

INTERVALLBEOBACHTUNGEN Frequenzposition 1 :

53 Vergrößerung

354 Hz

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

0 5 3 25 5 25 10 8 22 10 3 5

41 15 10 44 10 23 15 7 20 18 44 20

81 39 47 61 30 55 47 33 39 25 55 36

9 29 26 35 51 35 29 44 18 20 26 20

63 50 44 35 57 76 57 60 76 38 44 50

13 26 57 57 36 30 57 23 50 30 20 17

17 35 45 45 49 20 42 35 67 45 3 45

15 22 48 41 33 30 37 26 67 25 37 22

8 16 27 35 12 35 27 20 51 27 12 20

28 49 58 33 8 33 49 49 45 45 49 33

31 40 22 58 67 62 58 62 58 13 9 58

52 6 24 34 15 34 43 34 48 29 34 34

Frequenzposition 2 :

472 Hz

Vergrößerung

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

4 4 22 4 0 0 0 11 4 11 0 0

40 22 7 3 7 33 33 29 11 26 7 0

45 30 15 26 34 49 49 8 41 45 34 56

0 22 33 33 11 37 18 11 7 14 18 14

45 26 0 45 23 49 19 38 45 41 41 26

4 15 18 0 30 22 26 33 15 26 15 4

11 15 37 37 30 30 37 22 22 26 26 4

11 20 30 7 15 30 26 26 7 19 15 7

7 11 26 11 41 37 33 22 14 3 22 18

48 33 52 41 37 45 83 37 26 48 45 52

45 37 11 37 26 37 37 45 26 30 41 22

26 34 8 12 19 37 19 15 26 8 12 20

Frequenzposition 3 :

708 Hz

Vergrößerung

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

5 17 10 12 0 0 8 8 0 13 5 13

5 32 45 32 42 12 22 47 27 45 34 20

55 47 65 60 68 65 60 42 62 57 55 68

17 12 24 44 32 12 0 14 2 10 14 17

69 44 72 62 44 54 52 29 52 57 49 69

35 47 57 37 30 35 35 68 10 25 35 37

5 27 22 17 27 47 49 10 12 24 17 24

32 20 45 45 65 20 37 10 7 3 12 35

12 27 44 10 57 29 22 47 19 17 29 19

59 39 62 52 54 59 69 42 39 22 57 42

35 25 65 40 53 40 60 8 53 60 63 43

29 29 54 49 51 40 39 20 36 29 40 60

Tabelle 8.

Distanzen zum ganzzahligen Schwingungsverhältnis in Cents Hörbedingung : „binaural-verzerrt"

54

WILFRIED DAENICKE

Frequenzposition 1 :

354 Hz

Verkleinerung

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

7 29 7 41 7 5 10 7 7 2 2 10

99 67 67 60 42 65 70 47 60 75 50 57

61 8 8 8 32 21 48 38 21 48 5 48

38 58 24 49 49 61 58 78 61 66 35 49

27 27 56 26 51 36 33 39 51 51 11 30

38 26 35 29 29 13 70 58 36 35 0 19

46 52 32 56 11 15 73 46 69 35 28 49

33 7 36 40 29 18 33 33 47 25 18 28

35 12 27 16 23 35 35 58 23 43 39 20

29 29 29 0 17 4 33 37 48 29 21 25

30 34 55 34 26 21 34 17 21 13 21 25

62 31 75 13 3 35 3 17 44 3 13 26

Frequenzposition 2 :

472 Hz

Verkleinerung

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

22 22 0 7 3 3 3 11 22 25 18 7

76 40 29 36 68 72 58 54 36 65 65 33

46 22 47 25 36 61 36 40 47 68 25 47

46 58 44 54 47 54 65 40 62 40 51 30

36 11 50 36 32 39 46 11 43 46 39 39

40 22 50 22 29 68 7 40 47 65 29 22

40 43 7 40 22 43 68 47 58 40 22 58

29 40 47 36 40 29 22 50 22 40 40 36

44 37 29 47 29 29 47 58 61 37 54 37

36 22 40 43 40 25 40 43 47 43 36 14

26 29 51 54 51 43 54 47 75 36 26 36

29 25 64 29 43 36 39 47 50 36 50 21

Frequenzposition 3:

708 Hz

Verkleinerung

Vp

2:1

15:8

9:5

5:3

8:5

3:2

7:5

4:3

5:4

6:5

9:8

16:15

A B C D E F G H I K L M

29 29 36 41 5 14 14 7 12 34 27 7

72 56 32 39 53 51 70 53 63 67 53 48

43 34 46 34 41 48 48 60 53 69 34 53

51 53 24 58 63 49 81 65 60 63 46 16

32 34 29 51 29 41 34 34 39 49 39 32

24 38 62 43 24 31 53 43 57 57 53 38

51 53 46 48 48 58 67 29 77 77 65 46

41 36 43 36 36 38 38 46 38 53 58 29

46 51 51 44 60 46 63 53 65 60 65 44

15 32 44 32 34 8 34 49 44 39 46 15

24 29 17 57 43 21 57 45 64 41 19 38

37 30 35 42 37 56 11 41 56 32 11 52

Tabelle 9.

Distanzen zum ganzzahligen Schwingungsverhältnis in Cents Hörbedingung: „binaural-verzerrt"

INTERVALLBEOBACHTUNGEN Frequenzposition 1 :

55

354 Hz Verkleinerung

Vergrößerung Vp

5:3

8:5

3:2

6:5

5:3

8:5

3:2

6:5

A

41 18 57 33 60 30 45 66 48 33 33 6

76 73 63 22 54 32 66 35 41 50 63 44

30 33 33 27 20 63 53 53 43 40 40 23

66 66 62 66 70 62 75 70 66 58 45 45

61 61 72 75 83 72 78 92 58 69 44 49

56 47 50 35 56 32 47 83 53 86 56 26

26 35 67 32 51 29 48 79 35 51 16 19

12 8 32 12 12 24 28 16 24 48 36 12

B C D E F G H I K L M

Frequenzposition 2 :

472 Hz Vergrößerung

vP

A

B C D E F G

H

I K L M

Frequenzposition 3 :

Verkleinerung

5:3

8:5

3:2

6:5

5:3

8:5

3:2

6:5

26 3 11 22 22 26 41 33 3 26 33 11

56 41 19 30 23 38 41 49 34 41 68 12

67 45 56 48 60 48 52 60 48 37 41 52

79 45 52 33 67 60 67 45 45 41 49 52

62 79 62 19 19 47 51 58 54 37 97 62

57 25 64 32 43 39 57 54 61 32 21 14

58 40 72 4 4 61 36 68 44 36 47 50

50 29 54 11 43 11 47 33 40 40 33 33

708 Hz Vergrößerung

Verkleinerung

vP A

5:3

8:5

3:2

6:5

5:3

8:5

3:2

6:5

C

37 49

47

34 59 59 52 54 82 62 67 34 54 42 24

22 22 65 30 35 65 55 45 22 30 30 30

72 82 82 72 80 87 93 98 93 59 42 47

63 72 60 67 84 60 67 77 70 70 74 48

44 58 68 53 22 27 49 93 82 75 44 27

72 62 90 48 29 38 55 95 36 74 41 62

62 49 75 58 20 58 53 79 27 75 60 44

B

49 62 59 80 87 22 37 39 54

D E F G

H I K L

M Tabelle 10:

Distanzen zum ganzzahligen Schwingungsverhältnis in Cents Hörbedingung: „binaural-sinus"

56

WILFRIED DAENICKE Vergrößerung

Intervall 2:1 15:8 9:5 5:3 8:5 3:2 7:5 4:3 5:4 6:5 9:8 16:15

354 Hz

472 Hz

Verkleinerung

708 Hz

354 Hz

472 Hz

708 Hz

1,83 2,25 1,58 1,95 4,13 3,62 12,83 15,09 18,00 14,09 10,20 12,07 43,50 50,08 38,67 11,67 14,03 14,33 3,92 7,25 12,00 7,21 2,84 5,80 29,67 30,08 37,83 17,06 16,05 14,82 2,08 4,92 4,00 7,02 4,05 8,12 11,83 10,83 12,42 8,76 10,41 8,15 6,67 3,75 10,67 8,75 6,16 5,31 2,33 23,50 5,25 6,40 14,31 2,56 36,17 36,25 41,92 24,03 15,87 8,59 31,67 26,92 23,50 24,93 12,76 14,62 keine verwertbaren Angaben

5,75 6,47 50,92 16,46 31,42 17,44 33,33 25,17 16,50 18,63 7,17 8,07 44,33 13,04 8,42 7,71 8,08 13,60 6,17 6,84 35,83 18,42

3,42 4,59 50,42 15,69 29,00 14,54 30,67 15,22 17,83 14,84 11,50 11,95 43,50 15,84 5,58 9,25 23,00 17,89 13,58 11,48 31,50 16,48

5,08 7,87 51,17 17,75 34,83 15,63 40,75 18,21 25,83 13,59 9,00 9,35 49,33 15,82 12,42 16,11 31,00 14,61 16,67 10,03 39,50 10,56

Tabelle 11. Mittlere Distanzen zum ganzzahligen Schwingungsverhältnis und Standardabweichungen in Cents Hörbedingung: „monaural-verzerrt"

Vergrößerung Intervall 2:1 15:8 9:5 5:3 8:5 3:2 7:5 4:3 5:4 6:5

Verkleinerung

354 Hz

472 Hz

708 Hz

354 Hz

472 Hz

708 Hz

10,08 8,52 22,25 12,79 45,67 14,94 28,50 11,10 54,17 12,75 34,67 15,77 37,33 16,27 33,58 13,42 24,17 11,68 39,92 12,95

5,00 6,39 18,25 13,35 36,00 13,83 18,17 10,81 33,17 13,92 17,33 10,21 24,75 10,16 17,75 8,40 20,42 11,55 45,58 13,55

7,58 5,47 31,08 13,09 58,67 7,71 16,50 11,66 54,42 11,91 37,58 14,31 23,42 12,82 27,58 17,97 27,67 14,06 49,67 12,55

11,17 11,19 63,25 14,27 28,82 18,76 52,17 14,16 36,50 12,95 32,25 17,77 42,67 18,48 29,00 10,35 30,50 12,36 25,08 12,74

11,92 8,86 52,67 16,20 41,67 13,48 49,25 9,66 35,67 12,03 36,75 17,64 40,67 16,41 35,92 8,52 42,50 10,78 33,58 11,24

21,25 12,19 54,75 11,49 46,92 10,36 56,92 11,17 36,92 6,89 43,58 12,47 55,42 13,46 40,17 8,65 53,00 7,86 32,67 12,84

INTERVALLBEOBACHTUNGEN 9:8 16:15

44,83 20,02 32,25 12,36

32,83 9,69 19,67 9,12

45,42 16,39 39,67 11,46

57 27,58 10,59 27,08 22,58

44,00 13,75 39,08 11,85

37,92 15,41 36,67 14,19

Tabelle 12. Mittlere Distanzen zum ganzzahligen Schwingungsverhältnis und Standardabweichungen in Cents Hörbedingung: „binaural-verzerrt" Vergrößerung Intervall 5:3 8:5 3:2 6:5

Verkleinerung

354 Hz

472 Hz

708 Hz

354 Hz

472 Hz

708 Hz

39,17 16,64 51,58 16,42 38,17 12,56 62,58 8,90

21,42 11,59 37,67 15,03 51,17 8,18 52,92 12,49

51,83 17,62 52,75 15,44 37,58 15,35 75,58 17,29

67,83 13,28 52,25 17,28 40,67 18,25 22,00 11,72

53,92 21,38 40,83 16,23 43,33 20,87 35,33 13,05

67,67 8,90 53,50 21,72 58,50 20,41 55,08 17,45

Tabelle 13. Mittlere Distanzen zum ganzzahligen Schwingungsverhältnis und Standardabweichungen in Cents Hörbedingung: „binaural-sinus" Daten der 16 (dreifaktoriellen) Nr.

1

2

3

4

5

6

Variationsquelle

Varianzanalysen Summe der Quadrate

di

Varianzschätzung

F

Signifikanz

zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen W W Hörb.x Intervalle W W Interv.x Vpn

16 39 7 25

744,50 331,57 715,75 684,51

1 11 11 121

16 744,50 3 575,60 701,43 212,27

35,76 16,84 4,77

l«/o l*/o l«/o

zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen W W Hörb.x Intervalle W W Interv.x Vpn

5 37 2 13

609,17 205,29 095,95 398,09

1 11 11 121

5 609,17 3 382,30 190,54 110,73

59,28 30,54 1,61

l«/o lVo 5«/o

zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen W W Hörb.x Intervalle W W Interv.x Vpn

15 59 5 21

708,78 605,18 393,84 979,45

1 11 11 121

15 708,78 5 418,65 490,35 181,65

36,78 29,83 4,29

l°/o IV» lVo

zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen W W Hörb.x Intervalle W W Inter.x Vpn

19 14 3 7

604,35 346,50 647,37 310,83

2 3 6 33

9 802,17 4 782,17 607,90 221,54

47,87 21,58 3,26

lVo lVo lVo

zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen W W Hörb.x Intervalle W W Interv.x Vpn

11 18 6 5

664,35 180,97 190,60 157,95

2 3 6 33

5 832,17 6 060,32 1 031,77 156,30

39,59 38,77 8,18

l'/ü 1«/» 1%>

zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen W W Hörb.x Intervalle W W Interv.x Vpn

24 25 7 6

191,79 750,80 621,76 853,62

2 3 6 33

12 095,90 8 583,60 1 270,29 207,69

31,05 41,32 10,29

l»/o l«/o 1 °/o

58

WILFRIED DAENICKE

Daten der 16 (dreifaktoriellen) Nr. Variationsquelle

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

zwischen Positionen zwischen Intervallen WW Pos.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Positionen zwischen Intervallen WW Pos.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen WW Hörb.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen WW Hörb.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen WW Hörb.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen WW Hörb.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen WW Hörb.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Hörbedgn. zwischen Intervallen WW Hörb.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Positionen zwischen Intervallen WW Pos.x Intervalle WW Interv.x Vpn zwischen Positionen zwischen Intervallen WW Pos.x Intervalle WW Interv.x Vpn

Varianzanalysen Summe der Quadrate

df

835,17

2

78 534,19

11

1

Varianzschätzung 7

3,68

139,47

51,83

l«/o

2,19

l°/o

6 766,38

22

307,56

121

137,75

10 389,69 177,36

2

5 194,84

13,86

l«/o

5 197,94

34,34

l«/o

2,56

l°/o

8 869,65

22

403,17

121

151,38

1

9 591,13 674,61

11

9 591,13

89,14

1 %

4

606,78

21,26

l«/o

3,51

l«/o

8 300,04

11

754,55

26 216,06

121

216,66

15 458,68 35

204,94

5 °/o

11

18 316,45

50

Signifikanz

917,59

16 667,78

57

F

1

15 458,68

25,28

l«/o

11

3 200,45

19,28

l«/o

3,57

l«/o

5 712,49

11

519,32

20 078,81

121

165,94

13 543,84

1

13 543,84

73,66

l°/o

39 683,43

11

3 607,58

23,02

1 o/o

5,69

8 026,79

11

729,71

18 961,03

121

156,70

22 512,10

2

11 256,05

49,25

l°/o

21 751,63

3

7 250,54

56,24

1%>

1,77

2 115,18

6

352,53

4 254,28

33

128,92

l ' / l

1 °/o

16 543,72

2

8 271,86

19,00

l°/o

6 438,13

3

2 146,04

8,95

l»/o

0,42

415,56

6

69,26

908,78

33

239,66

30 546,06

2

15 273,03

42,10

1 %>

9 274,24

3

3 091,41

17,31

l«/o

3,60

l«/o

7

2 925,28

6

478,55

5 890,84

33

178,51

3 945,02

2

89 719,08

11

1

972,51

4,81

5 o/o

8 156,28

36,75

l«/o

4 337,43

22

197,16

26 856,34

121

221,95

1,39

6 172,31

2

3 086,16

14,29

46 223,71

11

4 202,16

16,46

7 322,08

22

332,82

2,50

30 893,40

121

255,32

LITERATUR Abraham, Otto: Zur physiologischen Akustik von Wellenlänge und Sdiwingungszahl. 1920 In: Zeitschrift für Psychologie LI, 121—164. Abraham, Otto und Hornbostel, Erich Moritz von: Zur Psychologie der Tondistanz. 1926 In: Zeitschrift für Psychologie XCVIII, 233—249.

l°/o 1 °/o 1%>

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

59

Albersheim, Gerhard: Zur Psychologie der Ton- und Klangeigenschaften. 1939 In: Sammlung musikwissenschaftlicher Abhandlungen, (begründet von K. Nef). Straßburg. Baley, Stefan: Versuche über den dichotisdien Zusammenklang wenig verschiedener Töne. 1914—15 In: Zeitschrift für Psychologie LXX, 321—346. Benningen, Ernst G. A. von: Zur Adaptation des Ohres. 1948 In: Pflügers Archiv für die gesamte Psychologie CCL, 431—438. Bekesy, Georg von: Zur Theorie des Hörens. Uber die eben merkbare Amplituden- und Frequenz1929 änderung eines Tones. Die Theorie der Schwebungen. In: Physikalische Zeitschrift XXX, 721-745. ders.: Über die nichtlinearen Verzerrungen des Ohres. 1934 In: Annalen der Physik XX, 809—827. ders.: Physikalische Probleme der Hörphysiologie. 1935 In: Elektrische Nachrichtentechnik XII, 71—83. ders.: Fortschritte der Hörphysiologie. 1936 In: Zeitschrift für technische Physik XVII, 522—528. ders.: The Current Status of the Theory of Hearing. 1956 In: Science CXXIII, 779—788. Bloch, Ernst: Das binaurale Hören. 1893 In: Zeitschrift für Ohrenheilkunde XXIV, 25—31. Budde, Ernst: Ober die Resonanztheorie des Hörens. 1927 In: Physikalische Zeitschrift XVIII, 225—236 und 249—260. Bürck, Walter, Kotowski, P. und Lichte, H.: Der Aufbau des Tonhöhenbewußtseins. 1935 In: Elektrische Nachrichtentechnik XII, 326—350. dies.: Frequenzspektrum und Tonerkennen. 1936 In: Annalen der Physik XXV, 433—454. Cazden, Norman: Musical Consonance and Dissonance: A Cultural Criterion. 1945—46 In: Journal of Aesthetics and Art Criticism IV, 3—11. ders.: Sensory Theories of Musical Consonance. 1961—62 In: Journal of Aesthetics and Art Criticism XX, 301—319. Cocholle, R.: Etude statistique des seuils auditifs monauraux et binauraux. 1954 In: Acustica IV, 341—350. Cochran, Walther G.: Some Consequences when Assumptions for the Analysis of Variance are not 1947 satisfied. In: Biometrics III, 22—38. Cochran, W. G. und Cox, G. M.: Experimental Designs. New York. 1957 Cremer, Lothar: Ober die ungelösten Probleme in der Theorie der Tonempfindungen. 1951 In: Acustica I, 83—96. Dahlhaus, Carl: Die Natur der Musik und die Konsonanz. 1962 In: Musikalische Zeitfragen X, 23—25. Dräger, Hans Heinz: Begriff des Tonkörpers. 1952 In: Archiv für Musikwissenschaft IX, 68—77. Edwards, A. L.: Experimental design in psychological research. New York. 2/1963

60

WILFRIED DAENICKE

Enkel, Fritz: Ein Beitrag zur Typologie des Gehörs. 1956 In: Fernmeldetechnische Zeitschrift, Beiheft 3,3—6. Ewald, J. R. und Jäderholm, G. A.: Die Herabsetzung der subjectiven Tonhöhe durch Steigerung 1908 der objectiven Intensität. In: Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie CXXIV, 29—36. Faist, Anton: Versuche über Tonverschmelzung. 1897 In: Zeitschrift für Psychologie XV, 102—131. Fechner, Gustav Theodor: Elemente der Psychophysik. Leipzig. 1860 ders.: Über einige Verhältnisse des binocularen Sehens in Abhandlungen der Königl.-Sächsischen 1861 Gesellschaft der Wissenschaften 7. Band, Mathem.-physikalische Klasse V, 339—562. Feldkeller, Richard u. Zwicker, E.: Das Ohr als Nachrichtenempfänger. 1956 In: Monographien der Elektrischen Nachrichtentechnik XIV. Stuttgart. Frey, Hugo: Experimentelle Studien über die Schalleitung im Schädel. 1902 In: Zeitschrift für Psychologie XXVIII, 9—41. Fisher, R. A.: The Design of Experiments. London. 6/1951 Gildemeister, Max: Bemerkungen zur Theorie des Hörens. 1919 In: Zeitschrift für Psychologie L, 253—263. ders.: Hörschwellen und Hörgrenzen. 1926 In: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie XI, 535—546. ders.: Probleme und Ergebnisse der neueren Akustik. 1930 In: Zeitschrift für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde XXVII, 299—315. Guilford, John P.: Psychometric Methods. New York—Toronto—London. 1954 ders.: Fundamental Statistics in Psychology and Education. New York. 4/1965 Handschin, Jacques: Der Toncharakter. Eine Einführung in die Tonpsychologie. Zürich. (1948) Helmholtz, Hermann von: Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für 4/1877 die Theorie der Musik. Braunschweig. Hindemith, Paul: Unterweisung im Tonsatz I. Mainz. 1940 Hofstätter, Peter R. und Wendt, D.: Quantitative Methoden der Psychologie. München. 2/1966 Hornbostel, Erich Moritz von: Beobachtungen über ein- und zweiohriges Hören. 1916 In: Zeitschrift für Psychologie LXXV, 330—350 und 1923 in Psychologische Forschung (Festschrift für Carl Stumpf) XXXIV. ders.: Psychologie der Gehörserscheinungen. 1926 In: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie XI, 701—730. Husmann, Heinrich: Fünf- und siebenstellige Centstafeln zur Berechnung musikalischer Intervalle. 1951 In: Ethno-Musicologica II. Leiden, ders.: Eine neue Konsonanztheorie. 1952 In: Archiv für Musikwissenschaft IX, 219—230. ders.: Der Aufbau der Gehörswahrnehmungen. 1953a In: Archiv für Musikwissenschaft X, 95—118.

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

61

ders.: Vom Wesen der Konsonanz. 1953b In: Musikalische Gegenwartsfragen III. Heidelberg, ders.: Verschmelzung und Konsonanz. 1957 In: Deutsches Jahrbuch der Musikwissenschaft I, 66—75. ders.: Einführung in die Musikwissenschaft. Heidelberg. (1958) Janowsky, Wilhelm: Uber die Hörbarkeit von Verzerrungen. 1929 In: Elektrische Nachrichtentechnik VI, 421 f. Köhler, Wolfgang: Akustische Untersuchungen I. 1909 In: Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft IV und 1910 in Zeitschrift für Psychologie LIV, 241—289. ders.: Akustische Untersuchungen II. 1911 In: Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft und 1911 in Zeitschrift für Psychologie LVIII, 59—65. Korthaus, Ilse: Die Beurteilung musikalischer Intervalle im mittleren und unteren Hörbereich. 1960 Phil. Diss. (mschr). Hamburg. Kraffczyk, Gerhard: Beobachtungen über Tonhöhenänderungen bei Intensitätsänderungen. 1950 Der inogene Frequenzsprung. Nat. Diss. (mschr). Erlangen. Krueger, Felix: Beobachtungen an Zweiklängen. 1900 In: Philosophische Studien XVI, 307—383 und 568—664. ders.: Zur Theorie der Combinationstöne. 1901 In: Philosophische Studien XVII, 185—310. ders.: Differenztöne und Konsonanz. 1903 In: Archiv für die gesamte Psychologie I, 205—275. ders.: Die Theorie der Konsonanz I. Eine psychologische Auseinandersetzung vornehmlich mit 1906 C. Stumpf und Th. Lipps. In: Psychologische Studien I, 305—387. ders.: Die Theorie der Konsonanz II. Eine psychologische Auseinandersetzung . . . 1907 In: Psychologische Studien II, 205—255. Lichthorn, Hans-Gerhard: Zur Psychologie des Intervallhörens. 1962 Phil. Diss. Hamburg. Lindquist, E. F.: Design and Analysis of Experiments in Psychology and Education. Boston. 1956 Lipps, Theodor: Der Begriff Verschmelzung und damit Zusammenhängendes in Stumpfs 1892 „Tonpsychologie" Band II. In: Philosophische Monatshefte XXVIII, 547—591. ders.: Psychologische Studien. Leipzig. 2/1905 Lorenz, Carl: Untersuchungen über die Auffassung von Tondistanzen. 1891 In: Philosophische Studien VI, 26—103. Mangold, Ernst: Das äußere und mittlere Ohr und ihre physiologischen Funktionen. 1926 In: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie XI, 406—435. Matzker, Joseph: Elektroakustischer Nachweis diotischer Schwebungen und sich daraus ergebende 1954 Folgerungen für die Theorie des zentralen Hörens. In: Acta-Oto-Laryngologica XLIV, 222—228. ders.: Untersuchungen über die zentrale Synthese differenter Schallbilder beider Ohren. 1954 In: Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie, Otologie und ihre Grenzgebiete XXXIII, 296—303.

62

WILFRIED DAENICKE

ders.: Untersuchungen über monaurales und binaurales Sukzessivhören bei verschiedenen 1954 Frequenzen. In: Zeitschrift für Laryngologie, Rhinologie, Otologie und ihre Grenzgebiete XXXIII, 546—558. Maxwell, A. E. : Expérimental Design in Psychology and the Médical Sciences. London. 1958 McQuerrey, Lawrence H. : The improvement of sensitivity to interval intonation through training 1957 with a mechanical apparatus. Phil. Diss. Indiana University. Meinong, A. und Witasek, St.: Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade. 1897 In: Zeitschrift für Psychologie XV, 189—205. Melati, Gino: Über binaurales Hören. 1901 In : Philosophische Studien XVII, 431—461. Meyer, Erwin: Über den derzeitigen Stand der Theorie des Hörens. 1947 In : Die Naturwissenschaften XXXIV, 358—362. Müller, Georg Elias: Die Gesichtspunkte und Tatsachen der psychophysischen Methodik. 1904 Wiesbaden. Musik in Geschichte und Gegenwart, Allgemeine Enzyklopädie der Musik. 1949 f. (Hrsg. von Fr. Blume). Artikel: Akustik, Cent, Gehörbildung, Gehörphysiologie, Gehörpsychologie, Intervall, Konsonanz—Dissonanz, Musikpsychologie, Ton. Pollack, Irwin: Monaural and Binaural Threshold for Tones and for White Noise. 1948 In: The Journal of the Acoustical Society of America XX, 52—57. Preyer, Werner: Über die Grenzen der Tonwahrnehmung. 1877 In: Sammlung physiologischer Abhandlungen 1,1—72. ders. : Die akumetrische Verwendung des Bell'schen Telephons. 1879 In: Sitzungsberichte der Jenaischen Gesellschaft für Medicin und Naturwissenschaft für das Jahr 1878, 45—49. Quietzsch, Günther: Objektive und subjektive Lautstärkemessungen. 1955 In : Acustica V, Beiheft 1,49—66. Ranke, Otto F. : Physiologie des Gehörs. 1953 In: Lehrbuch der Physiologie. Berlin. Reinecke, Hans-Peter: Zum Problem des Hörens von Zusammenklängen und Klangfarben im 1959 Hinblick auf die akustische Funktion des Ohres. In: Bericht über den siebenten internationalen musikwissenschaftlichen Kongreß 1958, 227—229. ders. : Stellung und Grenzen akustischer Forschung innerhalb der systematischen 1959 Musikwissenschaft. In: Acta Musicologica II, 80—86. ders. : Über die Eigengesetzlichkeit des musikalischen Hörens und die Grenzen der 1962 naturwissenschaftlichen Akustik. In: Musikalische Zeitfragen X, 34—44. ders. : Experimentelle Beiträge zur Psychologie des musikalischen Hörens. 1964 In: Schriftenreihe des musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Hamburg III. Hamburg. Röser, Dietrich : Über die zentralen Vorgänge beim Hören differenter Schallbilder. 1960 In : Archiv für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilkunde CLXXIV, 568—583.

INTERVALLBEOBACHTUNGEN

63

Rossberg, Gustav: Die Schallzuleitung zum Innenohr. IV. Mitteilung, Die Knochenleitung des 1960 Hörens. In: Archiv für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilkunde CLXXIV, 345—368. Sandig, Hans: Beobachtungen an Zweiklängen in getrenntohriger und beidohriger Darbietung. 1938 München. Schaefer, Kurt L. : Ober die Wahrnehmung und Lokalisation von Schwebungen und Differenztönen. 1890 In: Zeitschrift für Psychologie I, 81—98. ders.: Die Bestimmung der unteren Hörgrenze. 1899 In : Zeitschrift für Psychologie XXI, 161—173. ders.: Über die interkranielle Fortpflanzung der Töne, insbesondere der tiefen Töne, von Ohr 1901 zu Ohr. In: Archiv für Ohrenheilkunde LH, 151—164. ders. : Psychologische Akustik. 1922 In: Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden VI, 477—546. Schaefer, Kurt L. und Guttmann, A.: Uber die Unterschiedsempfindlichkeit für gleichzeitige Töne. 1903 In : Zeitschrift für Psychologie XXXII, 87—97 und 1909 in Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft IV, 51—61. Skudrzyk, Ernst : Die Grundlagen der Akustik. Wien. 1954 Stevens, Stanley S. : The relation of pitch to intensity. 1935 In: The Journal of the Acoustical Society of America VI, 150—154. ders. : On Hearing by Electrical Stimulation. 1936—37 In: The Journal of the Acoustical Society of America VIII, 191—195. Stevens, Stanley S. und Davis, H. : Hearing, its Psychology and Physiology. New York—London. 5/1960 Stumpf, Carl: Tonpsychologie. Leipzig. 1883 Band I. 1890 Band II. ders. : Uber Vergleichungen von Tondistanzen. 1890a In : Zeitschrift für Psychologie I, 419—462. ders. : Neueres über Tonverschmelzung. 1897 In : Zeitschrift für Psychologie XV, 280—303 und 1898 in Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft II. ders. : Konsonanz und Dissonanz. 1898a In : Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft 1,1—108. ders.: Uber das Erkennen von Akkorden und Intervallen bei sehr kurzer Dauer. 1902 In : Zeitschrift für Psychologie XXVII, 148—186 und 1909 in Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft IV, 1—39. ders.: Differenztöne und Konsonanz. 1905 In : Zeitschrift für Psychologie XXXIX, 269—283 und 1909a in Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft IV, 90—104. ders. : Beobachtungen über Kombinationstöne. 1910 In: Zeitschrift für Psychologie LV, 1—142 und 1910a in Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft V, 1—142. ders. : Differenztöne und Konsonanz II. 1911 In : Zeitschrift für Psychologie LIX, 161—175 und 1911a in Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft VI, 151—165. ders. : Konsonanz und Konkordanz nebst Bemerkungen über Wohlklang und Wohlgefälligkeit musikalischer Zusammenklänge. 1911b In: Zeitschrift für Psychologie LVIII, 321—355 und 1911c in Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft VI, 116—150.

64

WILFRIED DAENICKE

ders.: Binaurale Tonmischung, Mehrheitsschwelle und Mitteltonbildung. 19X6 In: Zeitschrift für Psychologie LXXV, 330—350 und 1924 in Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft IX, 17—38. Stumpf, Carl und Meyer, M.: Maassbestimmungen über die Reinheit konsonanter Intervalle. 1898 In: Beiträge zur Akustik und Musikwissenschaft II, 84—167. Tarchanow, J.: Das Telephon als Anzeiger der Nerven- und Muskelströme beim Menschen 1878 und den Tieren. In: St. Petersburger medicinische Wochenschrift III, 353—354. Trendelenburg, Fritz: Einführung in die Akustik. Berlin—Göttingen—Heidelberg. 3/1961 Urbantschitsch, Victor: Zur Lehre von der Schallempfindung. 1881 In: Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie XXIV, 574—595. Waetzmann, E.: Zur Theorie der Kombinationstöne. 1907 In: Annalen der Physik XXIV, 68—78. ders.: Ton, Klang und sekundäre Klangerscheinungen. 1926

In: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie XI, 563—601.

Ward, W. D.: Subjective musical pitch. 1954 In: The Journal of the Acoustical Society of America XXVI, 369—380. Wartmann, Richard: Rechnen mit gerundeten bzw. verschlüsselten Zahlen, insbesondere bei der 1959 Varianzanalyse. In: Biometrische Zeitschrift 1,190—202. Weitbrecht, Wolfgang: Über den Einfluß nichtlinearer Verzerrungen auf die Hörbarkeit von 1950 Verstimmungen musikalischer Intervalle. In: Fernmeldetechnische Zeitschrift III, 336—345. Wellek, Albert: Die Aufspaltung der Tonhöhe in der Hornbostelschen Gehörpsychologie und die 1934 Konsonanztheorien von Hornbostel und Krueger. In: Zeitschrift für Musikwissenschaft XVI, 481—496 und 537—553. Wille, Wilhelm: Das Verhalten musikalischer Intervalle in mittleren und hohen Tonlagen. 1959 Phil. Diss. (mschr.). Hamburg. Winer, B. J.: Statistical Principles in Experimental Design. New York. 1962 Wundt, Wilhelm: Uber Vergleichungen von Tondistanzen. 1891 In: Philosophische Studien VI, 605—640. Zurmühl, Gustav: Abhängigkeit der Tonhöhenempfindung von der Lautstärke 1930 und ihre Beziehung zur Helmholtzschen Resonanztheorie des Hörens. In: Zeitschrift für Sinnesphysiologie LXI, 40—86. Zwicker, Eberhard: Über die Hörbarkeit nichtsinusförmiger Tonhöhenschwankungen. 1953 In: Funk und Ton VII, 342—346. ders.: Der ungewöhnliche Amplitudengang der nichtlinearen Verzerrungen des Ohres. 1955 In: Acustica, 67—74. Zwislocki, J.: Acoustic attenuation between the ears. In: The Journal of the Acoustical Society of America XXV, 752—759. 1953

DER EINFLUSS DES V E R T R A U T H E I T S G R A D E S A U F DIE BEURTEILUNG V O N M U S I K EKKEHARD JOST

„De gustíbus non disputandum est" — ein beliebtes Argument, wenn es um künstlerische Erzeugnisse geht, über deren Wert oder Unwert keine Einigung besteht. Die Tatsache, daß mit diesem Zitat im Grunde nichts gewonnen ist, da es alles und nichts zu erklären vermag, führte zu einer Reihe von Untersuchungen, die sich mit dem Warum einer affektiven oder ästhetischen Stellungnahme befassen. Auf die Musik angewandt ergaben sich vor allem die Fragen, wie man auf bestimmte musikalische Reizkonfigurationen anspricht und welche Musik eine spezifische affektive Stellungnahme im allgemeinen hervorruft. Die Ausdrücke „man" und „im allgemeinen" („in most of us": LUNDIN 1953) allein werfen einige Fragen auf, die zu klären die Musikpsychologie bisher nur sehr wenig unternommen hat. Ist „man" der abendländische Musikverbraucher mit Ausrichtung an der „klassischen" Musik des 19. Jahrhunderts oder ist „man" die Species Mensch schlechthin? Letzteres wohl kaum, da vorauszusetzen ist, daß ein siamesischer Bauer ebensowenig mit Beethovens fünfter Sinfonie anfangen kann wie wir mit den für uns allenfalls „musikähnlichen" Schallerzeugnissen der Feuerländer oder — um in der näheren Umgebung zu bleiben — der durchschnittliche Rundfunkhörer mit der musique concrete eines Pierre Schaeffer. Zwar existieren im Bereich der Musikpsychologie eine Reihe von Untersuchungen, die sich mit dem Problem des Zusammenhangs von affektiver Stellungnahme einem Kunstwerk gegenüber und der Persönlichkeitsstruktur des Hörers befassen; der Tenor dieser Analysen ist in der Regel jedoch: „Der musikalische Ausdruck ist allgemeingültig" (HEVNER 1936; GUNDLACH 1 9 3 5 ) . Ausnahmen scheinen diese Regel zu bestätigen, wenn etwa, wie in einer Untersuchung von CATELL und SAUNDERS ( 1 9 5 4 ) , Gruppen von „normalen" Studenten und „anomalen" Personen (Insassen einer Heilanstalt) gegenübergestellt werden. Auf dem Gebiet der visuellen Wahrnehmung liegen einige Untersuchungen vor, in denen die Vorliebe für bestimmte Bilder, Farben, Formen usw. auf Persönlichkeitsmerkmale des Betrachters wie Extraversion, Introversion usw. zurückgeführt werden (EYSENCK 1941). Ähnlich wird in der erwähnten Arbeit von CATELL und SAUNDERS auf Grund der Präferenz bestimmter Musikbeispiele eine Reihe von Persönlichkeitsmodellen postuliert (elf!). Neben dem Einfluß von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen auf die Beurteilung eines Kunstwerkes interessiert vor allem der Faktor des Lernens, der Übung oder des Ver5 Jahrbuch des Staad. Instituts

66

EKKEHARD JOST

trautheitsgrades mit demselben. In diesbezüglichen Untersuchungen wurden gewöhnlich Gruppen von „Experten" und „Laien" verglichen (z. B. Musik- und Psychologiestudenten, GUNDLACH 1935). In der Regel sind die Ergebnisse dieser Arbeiten negativ, dergestalt, daß sich die Gruppen nicht signifikant unterscheiden. Hier stellt sich die Frage: Ist der emotionelle Gehalt der Musik wirklich allgemeinverbindlich? Hört jeder das gleiche in der Musik? Oder war in den genannten Untersuchungen vielleicht die Auswahl der Musikbeispiele und der Versuchspersonen unbewußt so vorgenommen, daß sich keine Unterschiede in der Beurteilung ergeben konnten. Letzteres ist insofern anzunehmen, als die von den genannten Autoren verwendeten Musikbeispiele (Beethoven: 5. Sinfonie, Brahms: 1. Sinfonie usw.) so sehr Allgemeingut einer gebildeten Schicht — wie sie Studenten in gewissem Ausmaße ja darstellen — sein dürften, daß sich die Unterschiede zwischen Experten und Laien vermutlich stark verwischen, bzw. so unnuanciert sind, daß sie verbal kaum noch nachvollzogen werden können. An diesem Punkt möchte die vorliegende Arbeit anknüpfen, indem in ihr versucht werden soll, zwei äußerst verschiedene Versuchspersonen-Typen (äußerst verschieden, ohne daß eine von ihnen geisteskrank wäre) einander gegenüberzustellen und diesen zwei unterschiedliche Musikgattungen zur Beurteilung darzubieten: Es handelt sich um Musikwissenschaftler und Jazzmusiker; die Musikbeispiele wurden aus dem Bereich der klassischen Musik 1 und der Jazzmusik gewählt. Daß die genannten Versuchspersonen sich zumindest in ihrem Vertrautheitsgrad mit den beiden musikalischen Variablen sehr stark unterscheiden, kann der Verfasser aus Erfahrung in beiden Bereichen bezeugen: Während Jazzmusiker ihre eigene Musik im allgemeinen sehr gut kennen, hören sie allenfalls „gelegentlich" klassische Musik. Der durchschnittliche deutsche Musikwissenschaftler hingegen weiß so gut wie nichts vom Jazz. Wenn dieser auch in den letzten Jahrzehnten als eigenständige musikalische Kunstform „offiziell" anerkannt wurde, trägt er im allgemeinen Bewußtsein z. T. doch noch immer den „Makel" negroider Tanz- und Unterhaltungsmusik,2 oder aber er lenkt das Interesse der Musikwissenschaft in Form von meist unglücklich geratenen Konglomeraten von europäischer Konzertmusik und Jazz-Elementen auf sich (Copland, Gould, Gershwin usw.).

VERSUCHSAUFBAU UND VARIABLE Getestet wurden je 10 Jazzmusiker (Gruppe A) und Musikwissenschaftler (Gruppe B). Erstere sind zum Teil Berufsmusiker, zum Teil Amateure aus Hamburger Jazz-Gruppen. Die Gruppe der Musikwissenschaftler bestand aus Studenten und Dozenten des Musik1

2

Unter „klassischer" Musik sei hier der Einfachheit halber gemäß dem Umgangssprachgebrauch die abendländische Kunstmusik zusammengefaßt, ganz gleich, ob es sich um Händel oder Strawinsky handelt. Man vgl. z. B. den Artikel Jazz im MOSERL (4/1955, Bd. I, 566): „ . . . Jazz . .. seit 1914 in USA entwickelter Niggerstil der Tanzmusik .. .".

BEURTEILUNG VON MUSIK

67

wissenschaftlichen Instituts an der Universität Hamburg. Das Alter der Versuchspersonen (Vpn) lag zwischen 21 und 40 Jahren. Die Beurteilung der Musikstücke erfolgte durch das Polaritätsprofil, (1952)

und

HOFSTÄTTER ( 1 9 5 5 )

einer von

OSGOOD

vor allem zur Bedeutungsanalyse von Vorstellungen ent-

wickelten Methode, die aber — wie sich gezeigt hat — ebenso zur Analyse individueller Beurteilung auditiver Reize geeignet ist

(RAHLFS 1 9 6 6 , REINECKE 1 9 6 7 , KÖTTER 1 9 6 8 ) .

Das in der vorliegenden Untersuchung verwendete Polaritätsprofil bestand aus 46 Adjektivpaaren, zwischen denen die Vpn auf sechsstufigen Skalen das zu beurteilende Musikstück einzustufen hatten (vgl. Abb. 6). Im einzelnen wurde also z. B. festgestellt, ob der Beurteiler einer bestimmten Musik eher das Attribut traurig oder froh, eckig oder rund, warm oder kühl usw. zuzuordnen geneigt war. Die Auswertung der einzelnen Profilbögen erfolgte zur besseren Überschaubarkeit des umfangreichen Datenmaterials (20 Vpn X 46 Polaritäten X 12 Musikbeispiele =

11040

Daten !) durch quantitative Methoden. Von 12 untersuchten Musikbeispielen stammen sechs aus dem Bereich der klassischen Musik und sechs aus der Jazzmusik. Da die Beispiele aus der klassischen Musik als dem Leser weitgehend bekannt vorausgesetzt werden können, sollen lediglich den Jazzbeispielen einige erklärende Worte hinsichtlich des Stils, der Instrumentation und der Interpreten — welche im Jazz als einer z. T. improvisierten Musik eine bedeutendere Rolle spielen als in der klassischen Musik — beigefügt werden, ohne daß allerdings den später zu besprechenden Urteilen der Vpn vorgegriffen wird. Es handelt sich um folgende Musikbeispiele: 1. Georg Friedrich HÄNDEL: Oboenkonzert B-Dur, Anfang des 1. Satzes. 2. Wolfgang Amadeus MOZART: Sinfonie Nr. 40, g-moll, Anfang des Menuetts. 3. Franz

SCHUBERT

: Sinfonie Nr. 7 (9), C-Dur, Einleitung.

4. Hector BERLIOZ: Symphonie Fantastique, Der Gang zum Richtplatz. 5. Igor STRAWINSKY: Petrouschka, Der Mohr. 6.

François

7.

Eddy

COUPERIN

CONDON

(Le Grand) : Prélude in C-Dur für Cembalo.

— Orchester: Serenade to a skylock.

Ein Beispiel aus dem „alten" Jazz in der üblichen Dixieland-Besetzung mit Trompete, Klarinette, Posaune und Rhythmusgruppe. Sehr lebendige Spielweise, z. T. Kollektivimprovisationen der drei Bläser. S.

Charly

PARKER

Quintett: Cardboard.

Eine Aufnahme der „Be-Bop"-Epoche aus dem Anfang der fünfziger Jahre. Besetzung: Altsaxophon, Trompete, Posaune, Rhythmusgruppe. Parker gilt als der führende Musiker des Be-Bop, er weitete die starre Harmonik des „Swing"-Stils erheblich aus und brachte die Jazzmusik nicht zuletzt durch die rhythmische Komplexität seiner Phrasierung auf neue Wege. 9.

Stan

GETZ

Quintett: Who cares.

Getz ist einer der Inauguratoren des „Cool-Jazz", der gemäßigten „weißen" Variante des „schwarzen" Be-Bop. Er spielt hier eine in der Jazz-Terminologie sog. „Ballade", d. h. ein 5*

68

EKKEHARD JOST

langsames Stück „erzählenden Charakters". Die Melodiegruppe, bestehend aus Tenorsaxophon und Ventilposaune, ergibt einen tiefen, volltönenden, sehr stark verschmelzenden Klang. John COLTRANE Quartett: A love supreme. Besetzung: Tenorsaxophon und Rhythmusgruppe; Coltranes Musik ist als konsequente Weiterführung der Musik Parkers zu verstehen: weitgehende Ungebundenheit in Rhythmus und Harmonik. Selbst die bis dahin das Metrum betonende Rhythmusgruppe spielt jetzt „frei", insofern als der Grundrhythmus zwar immanent vorhanden und daher fühlbar ist, jedoch analytisch kaum nachvollzogen werden kann.

10.

11. Charles M I N G U S Orchester: Black Saint and Sinner-Lady. Die Musik Mingus' steht im Bereich der Jazz-Avantgarde. Große instrumentale Wirkungen; wie bei Coltrane Lösung von herkömmlichen harmonischen und rhythmischen Schemata; z . T . chaotisch anmutende Arrangements und Kollektiv-Improvisationen. Kenny BURELL Quartett: Downstairs. Besetzung: Gitarre und Rhythmusgruppe. Das Beispiel liegt auf der Grenze zwischen „modern-jazz", der „rhythm and blues"-Musik der amerikanischen Neger und der kommerziellen Beat-Musik. Relativ einfache melodische und rhythmische Formen.

12.

Die Versuchspersonen wurden gebeten, neben der Beurteilung dieser 12 Musikbeispiele auf einem gesonderten Fragebogen einige Angaben hinsichtlich ihrer musikalischen Vorbildung zu machen. Außerdem sollten sie — soweit wie möglich — in einem vorgegebenen Schema die einzelnen Musikstücke nach ihrem stilistischen Bereich (Barock, Romantik; Dixieland, Be-Bop usw.) identifizieren und darüber hinaus die Namen der Kompositionen, der Komponisten und Interpreten nennen. Für die klassische Musik war dabei naturgemäß der Name des Komponisten relevant, für die Jazzmusik eher der Interpret, der dort ohnehin bei der Mehrzahl der Stücke mit dem Komponisten identisch ist. Die Ergebnisse dieser Befragung zum Vertrautheitsgrad mit der Musik sind in Tabelle 1 wiedergegeben, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Kategorien „Stilistischer Bereich", „Komposition" und „Komponist" bzw. „Interpret".

Komposition

Komponist

Stil.-Bereich

Komposition

Interpret

JAZZMUSIK

Stil.-Bereich

KLASSISCHE MUSIK

Jazzmusiker

50

8

18

76

117

59

13

45

Musikwissenschaftler

55

30

33

118

17

12

1

3

I

2

Tabelle 1. Richtig identifizierte Musikstücke (Die Zahlen ergeben sich aus der Summe der richtigen Urteile von jeweils 10 Vpn über sechs Musikstücke; maximal mögliche richtige Urteile pro Zelle = 60)

BEURTEILUNG VON MUSIK

69

Es zeigt sich, daß vor allem bei der Frage nach dem stilistischen Bereich die Jazzmusiker im allgemeinen mit der klassischen Musik vertrauter sind als die Musikwissenschaftler mit der Jazzmusik. Inwieweit diese Tatsache eine scharfe Abgrenzung der Gruppen beeinträchtigen könnte und damit die Ergebnisse dieser Untersuchung beeinflußt, muß zunächst dahingestellt bleiben. In den vier mittleren Zellen der Tabelle sind die Summen der je drei Kategorien angegeben. Die Differenzen zwischen diesen wurden mit einem Vierfelder-Chi-Quadrat-Test auf statistische Relevanz geprüft; sie erweisen sich als hoch signifikant auf dem 99 %-Niveau der Verläßlichkeit. Die Gruppen sind damit hinsichtlich ihres Vertrautheitsgrades mit den beiden Musikgattungen als ausreichend verschieden anzusehen.

METHODEN DER AUSWERTUNG Die Verarbeitung des Datenmaterials erfolgte nach drei Gesichtspunkten, deren Interpretationen einander ergänzend zur Klärung der in Frage stehenden Sachverhalte herangezogen werden sollen. a) Faktorenanalyse der Versuchspersonen Die individuellen Urteile der 20 Versuchspersonen werden verglichen, indem für jedes der beurteilten Musikstücke (12) eine Faktorenanalyse der Beurteiler gerechnet wird, anhand derer sich eventuelle Gruppierungstendenzen nach dem Grad der musikalischen Vorbildung der Vpn bzw. nach deren Einstellung ableiten lassen. b) Faktorenanalyse der Musikstücke Ausgehend von der Hypothese, daß eine auf musikalischer Vorbildung basierende Homogenität innerhalb jeder der beiden Vpn-Gruppen besteht, werden diese als Ganzes betrachtet und einander gegenübergestellt. Methodisch geschieht dies durch eine Faktorenanalyse der Musikstücke, in der die Mittelwertsprofile der einzelnen Gruppen getrennt als Analysen-Objekte fungieren (2 X 12 = 24 Objekte). c) Vergleich von Mittelwertsprofilen Über einen rein quantitativen Vergleich der Vpn-Gruppen hinaus — ausgedrückt durch Korrelationskoeffizienten, Faktorenladungen usw. — werden qualitative Aussagen durch die Gegenüberstellung einzelner Mittelwertsprofile ermöglicht, wobei u. a. festgestellt werden kann, bei welchen charakteristischen Beschreibungskategorien (Polaritäten) die Gruppen maximale Differenzen aufweisen. Allgemein ausgedrückt, soll also nicht nur ermittelt werden, wie weit sich die Urteile der Gruppen unterscheiden, sondern auch worin.

FAKTORENANALYSE DER VERSUCHSPERSONEN Zur faktorenanalytischen Verarbeitung wurden die Einzelprofile der Vpn für jedes Musikbeispiel getrennt interkorreliert. Aus den 12 Korrelationsmatrizen wurden je fünf

EKKEHARD JOST

70

Faktoren nach dem Hauptachsenverfahren (mit anschließender ,,Varimax"-Rotation) extrahiert.® In der Regel werden wir uns auf die unrotierten Faktorenmatrizen beziehen, da weitere Rotationen häufig eine in diesem Fall ungerechtfertigte Streuung der Objekte (Vpn) innerhalb der Faktorenstruktur verursachten. Bei der Mehrzahl der 12 Analysen ergibt sich eine einfaktorielle Verteilung der Versuchspersonen, wobei meistens der erste Faktor, den wir hier Haupt- oder Generalfaktor nennen wollen, 4 mit Varianzanteilen von 70—80 ®/o an der Gesamtvarianz beteiligt ist (vgl. Tabelle 2). I

II

III

IV

V

0.80

0.07

0.06

0.04

0.03

0.54

0.19

0.12

0.08

0.07

0.74

0.09

0.07

0.05

0.04

0.75

0.10

0.07

0.05

0.03

Faktor Händel Couperin Mozart Schubert Berlioz Strawinsky Condon Parker Getz Coltrane Mingus Burell Tabelle 2.

0.41

0.23

0.16

0.11

0.71

0.09

0.08

0.05

0.05

0.77

0.09

0.05

0.04

0.03

0.74

0.09

0.07

0.05

0.04

0.75

0.12

0.05

0.04

0.03

0.55

0.15

0.12

0.10

0.07

0.44

0.19

0.15

0.12

0.09

0.65

0.16

0.08

0.05

0.05

0.09

Varianzanteile der fünf Faktoren an der Gesamtvarianz (Gesamtvarianz = 1.00)

In diesen Fällen ist anzunehmen, daß die Beurteilung der Musik durch die Versuchspersonen nach einem Hauptgesichtspunkt vorgenommen wird; daß sich also die Vpn bezüglich der Mehrzahl der affektiven und ästhetischen Merkmale der Musikbeispiele einig sind. Inwieweit sich darüber hinaus Gruppierungstendenzen ermitteln lassen und wodurch diese verursacht werden, soll im folgenden in einer detaillierten Diskussion der einzelnen Faktorenanalysen unter Einbeziehung der Mittelwertsprofile der beiden Gruppen zu klären versucht werden. a)

Gruppierungstendenzen

1. Einfaktorielle Verteilung der Versuchspersonen Die Beispiele

HÄNDEL

und

MOZART

ohne

Gruppierung

weisen die ausgeprägteste Urteilshomogenität inner-

halb der gesamten Stichprobe auf. Der Hauptfaktor vereinigt auf sich 80 bzw. 74 % der Gesamtvarianz, wobei die Anordnung der Vpn in keiner der Faktorenebenen in irgendeiner Zur Faktorenanalyse vgl. u. a.: CATELI ( 1 9 5 2 ) ; GUILFORD ( 1 9 5 4 ) Kap. 1 6 . Einen kurzen Überblick gibt HOFSTÄTTER (1962). Die Berechnungen wurden an der Telefunken-Redienanlage TR 4 im Rechenzentrum der Universität Hamburg durchgeführt. * In Analogie zu dem innerhalb der Intelligenzforschung von Spearman ermittelten G-Faktor. 3

BEURTEILUNG

VON

71

MUSIK

Weise gegliedert ist. Zur Veranschaulichung dieses Sachverhaltes sei auf Abb. 1 hingewiesen, in der die Verteilung der Vpn in der Hauptfaktorenebene

I

X

II

für das Beispiel

HÄNDEL

dargestellt ist. FI

FI

Faktorenebene I X II; Musikbeispiel HÄNDEL (O = Musikwissenschaftler, % = Jazzmusiker)

Faktorenebene I X II; Musikbeispiel GETZ (O = Musikwissenschaftler, # = Jazzmusiker)

Abb. 3. Verteilung der Versuchspersonen in der Faktorenebene I X II; Musikbeispiel COLTRANE (O = Musikwissenschaftler, # = Jazzmusiker)

Abb. 4. Verteilung der Versuchspersonen in der Faktorenebene I X II; Musikbeispiel BERLIOZ (O = Musikwissenschaftler, 0 = Jazzmusiker)

2. Einfaktorielle

Verteilung

der Vpn mit

Gruppierung

Für eine Reihe von Beispielen ergibt sich bei einem stark ausgebildeten Hauptfaktor eine deutliche Gruppierung der Vpn auf dem zweiten Faktor

(SCHUBERT, PARKER, GETZ, CONDON).

Dabei zeigt es sich meistens, daß eine der Vpn-Gruppen die negative und die andere die

72

EKKEHARD JOST

positive Seite von Faktor II besetzt (vgl. Abb. 2; Beispiel GETZ). In diesen Fällen wird es möglich, durch eine Rotation der Faktoren I und II (meist um etwa 45°) die Faktorenstruktur so zu verschieben, daß sich die Gruppierung zahlenmäßig erfassen läßt. So ergibt die Varimax-Rotation z. B. bei SCHUBERT eine derartige Gliederung der Vpn. Danach ist Gruppe A mit 23 % an Faktor I und mit 53 °/o an Faktor II beteiligt, während bei Gruppe B Faktor I 5 7 % und Faktor II 18 °/o der von ihr extrahierten Gesamtvarianz enthält.5 Diese „Schwerpunktsverlagerung" der beiden Gruppen nach verschiedenen Faktoren liefert somit günstige Interpretationsmöglichkeiten für die Ursachen von Gruppierungstendenzen, indem man die Profile von Vpn, die für den jeweiligen Faktor besonders repräsentativ sind, — d. h., die besonders hohe Ladungszahlen auf ihm besitzen — einander gegenüberstellt und so die Faktoren inhaltlich gegeneinander abgrenzen kann. Wir wollen jedoch in diesem Abschnitt von einer Interpretation der Ursachen absehen und nur soweit zur Deutung beitragen, als wir feststellen, daß mitunter neben dem General-Faktor, der die Grundeinstellung gegenüber dem jeweiligen Musikstück repräsentiert, ein weiterer, differenzierender Faktor (F II) besteht, der — wiederum in Analogie zu SPEARMANS Intelligenztheorie — bestimmte individuelle Tendenzen wiederzugeben vermag. 3. Homogenität

contra

Heterogenität

Eine andere Art der Gruppierung zeigen die Faktorenanalysen der Beispiele C O U P E R I N , M I N G U S und COLTRANE. Während die „Experten" — also bei C O U P E R I N die Musikwissenschaftler und bei COLTRANE und M I N G U S die Jazzmusiker — am positiven Ende des Hauptfaktors einen sog. „Cluster" bilden, verteilen sich die Varianzanteile der „Laien" nahezu gleichmäßig abnehmend über alle fünf Faktoren (vgl. Tabelle 3 und Abb. 3). Gruppe '

I

II

III

IV

V

79

7

6

5

3

B

31

26

19

14

10

A

42

28

18

6

6

B

67

9

9

8

7

A

48

12

12

21

7

B

6

34

33

13

14

A

COLTRANE

COUPERIN

MINGUS

Tabelle 3.

Varianzanteile der Vpn-Gruppen für die Faktoren I—V

Hier steht also einer weitgehenden Kongruenz der Expertenurteile eine starke Streuung der Laienurteile gegenüber. Die spezielle musikalische Vorbildung dürfte somit eine ausgeprägte Gruppierungstendenz, die mangelnde Vertrautheit mit dem Musikbeispiel eine 5

Es handelt sich hier um die prozentualen Anteile an der von einer Gruppe extrahierten Gesamtvarianz.

BEURTEILUNG V O N

MUSIK

73

gewisse Unsicherheit im Urteil hervorrufen. Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, stellt dabei das Beispiel MINGUS insofern einen Sonderfall dar, als es darüber hinaus eine Schwerpunktsverlagerung der beiden Gruppen auf verschiedene Faktoren enthält (Gruppe A: Faktor I und IV; Gruppe B: Faktor II und III). 4. Heterogenität, verursacht durch die musikalische

Struktur

Besonders uneinheitlich fiel die Beurteilung des Beispiels BERLIOZ aus. Die Faktorenanalyse der Vpn zeigt bei großer Streuung über alle Faktorenebenen keinerlei Gruppierungstendenzen nach Experten oder Laien (vgl. Abb. 4). Vermutlich ist die geringe Konformität der Urteile auf die musikalisch und ausdrucksmäßig komplexe Struktur des Stückes zurückzuführen. Plötzlicher Wechsel in Dynamik wie auch Instrumentation mögen die Ursache dafür sein. Ein ähnlicher Sachverhalt lag in einer Untersuchung von HEVNER ( 1 9 3 6 ) vor, wo bei der Beurteilung von DEBUSSYS Reflets dans l'eau mittels des sog. Hevnerschen Adjektivzirkels zunächst eine extreme Urteilsstreuung auftrat, die entfiel, nachdem die Autorin das Stück, in drei in sich homogene Teile aufgegliedert, erneut beurteilen ließ. Wie aus den besprochenen Faktorenanalysen hervorgeht, zeichnen sich die einzelnen Analysen durch verschieden große Streuung der Versuchspersonen über die fünf extrahierten Faktoren aus, wodurch wir in der Lage sind, auf den Grad der Homogenität der Vpn-Urteile hinsichtlich der betreffenden Musikbeispiele zu schließen. Zur besseren Überschaubarkeit des gesamten Materials sei hier auf ein weiteres Kriterium der Homogenität hingewiesen, welches speziell das Ausmaß der Urteilskonformität innerhalb einer Vpn-Gruppe zu erfassen vermag: die mittlere Varianz s2 =

Ts?

einer Vpn-Gruppe über alle N Polaritäten (i)

des Profils (vgl. Abb. 5). Aus Abb. 5 ist zu ersehen, daß die Urteilskonformität der jeweiligen „Expertengruppe" bei den Musikbeispielen aus dem ihr vertrauten Bereich weitgehend unabhängig von der musikalischen Struktur der einzelnen Musikstücke ist (Ausnahme: BERLIOZ). Besonders ausgeprägt ist das bei den Jazzmusikern: Die mittleren Varianzen der Jazz-Beispiele liegen nahezu konstant bei s2 = 1.55 (ränge = 0.12).' Große Schwankungen dagegen weisen die Durchschnittsvarianzen der Beurteilung der jeweils „gruppenfremden" Musik auf. Der „ränge" für die Beispiele aus der klassischen Musik in der Beurteilung durch die Jazzmusiker beträgt 1.18 und für die Jazz-Beispiele in der Beurteilung durch die Musikwissenschaftler sogar 1.32. Wie bereits bei den Beispielen COLTRANE, COUPERIN und MINGUS (vgl. S. 72) dürfte im ganzen gesehen eine Wechselwirkung zwischen der Art der Musik und der Beurteilergruppe hinsichtlich der Urteilshomogenität vorauszusetzen sein.

• Der englische Begriff „ränge" entspricht in der Statistik im Deutschen etwa „Variationsbreite", womit die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert einer Verteilung gemeint ist.

74

EKKEHARD JOST

2.4 .

V T3 C IUI

L Hl 0.

N 0

i

'S

ü Abb. 5.

.0 3

n 0 T *

i

S

(/)

rJc ¡2 c C

i

L ü)

c 0 XJ c 0 0

L V JC L 10 Q.

N

tt>

0

V c als sog. „Fehlerfaktor" von der Interpretation ausgeschlossen werden konnte. Von den beiden zur Verfügung stehenden Faktorenmatrizen, unrotierte und „Varimax"-rotierte, erwies sich die letztere als besser interpretierbar (vgl. Tabelle 4). a) Interpretation

der

Faktoren

Die vier Faktoren werden am eindeutigsten durch folgende Musikstücke repräsentiert (in den Klammern sind die Beurteilergruppen bezeichnet): FAKTOR

I:

FAKTOR II: FAKTOR III: FAKTOR IV:

Parker (A + B), Condon (A + B), Mozart (A + B), Strawinsky ( A + B ) , Coltrane (A), Burell (A + B). Schubert (A + B), Getz (A + B), Händel ( A + B ) , Couperin (A + B). Berlioz ( A + B ) . Mingus (A + B), Coltrane (B).

Die sinngemäße Bedeutung dieser Faktoren läßt sich aus den Durchschnittsprofilen von Stücken ableiten, die für den betreffenden Faktor besonders bedeutsam sind, die also eine besonders hohe Ladungszahl darauf tragen. Dabei ist es zur Abgrenzung der Faktoren

81

BEURTEILUNG VON MUSIK II

I

*

CD

•6 tn

S

III

IV

V

h2

Händel Mozart Schubert Berlioz Strawinsky Couperin Condon Parker Getz Coltrane Mingus Burell

.214 .867 .206 .393 .803 —.233 .952 .953 —.348 .533 —.239 .798

.864 .084 .925 .075 —.344 .819 .071 —.211 .875 —.316 .065 .445

.000 .299 .194 .796 .095 —.120 —.127 —.039 .034 .066 .234 —.059

—.103 —.097 —.099 .273 .399 —.049 —.138 .039 .134 .716 .890 —.124

.414 .308 —.022 .042 —.128 .326 .069 .028 —.213 .170 .011 —.237

.944 .953 .947 .870 .920 .849 .951 .956 .951 .930 .908 .910

Händel Mozart Schubert Berlioz Strawinsky Couperin Condon Parker Getz Coltrane Mingus Burell

.117 .853 —.064 —.058 .790 —.055 .935 .957 —.048 .790 .167 .834

.881 .170 .956 .245 —.421 .640 —.108 —.104 .972 —.022 —.119 .465

.011 .257 .215 .909 .243 .037 —.028 .134 .064 .432 .549 —.018

—.130 —.160 —.070 .155 .268 .024 .020 .110 —.008 .332 .685 —.074

.389 .323 —.021 .047 —.079 .706 .007 —.072 —.083 —.105 —.300 —.138

.958 .953 .969 .916 .938 .913 .886 .962 .958 .925 .903 .937

Tabelle 4. Faktorenanalyse der Musikbeispiele (Die Matrix ist nach „Varimax" rotiert)

untereinander wünschenswert, daß Objekte ausgewählt werden, die in einem möglichst unabhängigen Verhältnis zueinander stehen (Korrelationen um 0.00). Diesen Vorauss e t z u n g e n g e n ü g e n die Beispiele PARKER A ( F I = (F III =

0 . 9 1 ) u n d MINGUS B ( F I V =

0 . 9 6 ) , HÄNDEL B (F II =

0 . 8 5 ) , BERLIOZ A

0 . 8 9 ) , nach d e n e n f o l g e n d e B e s c h r e i b u n g s k a t e g o r i e n

für die Faktoren ermittelt wurden: FAKTOR I: fließend, drängend, schnell, vorwärtsstrebend, lebhaft, erregt, munter, schwungvoll, froh, glänzend, aufregend, aggressiv, straff, klar und bestimmt. FAKTOR II: geordnet, objektiv, klar, bestimmt, symmetrisch, stabil, regelmäßig, feierlich, ernst, friedlich, gemessen, behaglich, gelöst, weich, warm, beruhigend, zurückhaltend und kreisend. FAKTOR III: subjektiv, dynamisch, ernst, robust, angespannt, dunkel, aktiv, schön, traurig und aggressiv. FAKTOR IV: rauh, grob, fremd, verschwommen, langsam, gedehnt, unregelmäßig, zufällig, klagend, farbig, kreisend, kräftig, aufdringlich und angespannt. Will man diese Faktoren bezüglich ihrer konnotativen Bedeutung benennen, so bietet sich eine Reihe von Bezeichnungen an, die in der Sozialpsychologie sowie in neueren Untersuchungen der Musikpsychologie zur Kategorisierung des Eindrucksspielraumes heran6

Jahrbuch des S t a a t l . Instituts

EKKEHARD J O S T

82

gezogen wurden. In Anlehnung an die Arbeiten von REINECKE HABER ( 1 9 6 8 ) wollen wir hier folgende Deutungen vorschlagen:

(1966)

und de la

MOTTE-

Faktor I = Aktivität, Faktor II = Ausgeglichenheit, Faktor III = Mystik und Faktor IV = Chaos. b) Positionsunterschiede

von gleichen Objekten

in der Beurteilung von beiden

Vpn-Gruppen

Über die allgemeine Lage der Objekte im Konnotationsraum hinaus interessieren uns hier natürlich vor allem die Relationen, in denen die Musikstücke in versdüedener Beurteilung durch die beiden Vpn-Gruppen zueinander stehen. Hierüber geben — rein quantitativ — einmal die Korrelationskoeffizienten Auskunft, auf die wir später zurückkommen wollen, zum anderen aber auch die Faktorenstruktur selbst. Sie enthält neben der quantifizierenden Aussage eine inhaltliche, dergestalt, daß z.B. ein Musikstück in der Beurteilung durch Gruppe A eine wesentlich höhere Ladungszahl auf dem Aktivitätsfaktor besitzt als in der Beurteilung durch Gruppe B (vgl. etwa das Beispiel COLTRANE, Abb. 8 a). Wir wollen hier von einer detaillierten Diskussion absehen, die im übrigen die Ergebnisse der Faktorenanalysen der Vpn nur bestätigen würde. Stattdessen mag man sich anhand der Abb. 8 a—c ein Bild davon machen, inwieweit sich der Einfluß des Vertrautheitsgrades, der musikalischen Einstellung usw. in der Faktorenstruktur niederschlägt.

AKTIVITÄT

Abb. 8a. Verteilung der Musikbeispiele in der Beurteilung durch Musikwissenschaftler ( O ) und Jazzmusiker ( 0 ) , Faktorenebene I X II

BEURTEILUNG V O N MUSIK

83

AKTIVITÄT

Abb. 8b. Verteilung der Musikbeispiele in der Beurteilung durch Musikwissenschaftler ( O ) und Jazzmusiker ( # ) , Faktorenebene I X III

AKTIVITÄT

Abb. 8c. Verteilung der Musikbeispiele in der Beurteilung durch Musikwissenschaftler ( O ) und Jazzmusiker ( £ ) , Faktorenebene I X IV

6'

84

EKKEHARD JOST

c) Korrelationskoeffizient

und

Distanzmaß

Die Ähnlichkeitsrelationen zwischen den Stücken in verschiedener Beurteilung durch beide Vpn-Gruppen, repräsentiert durch die Korrelationskoeffizienten, sind mit Werten zwischen 0.95 und 0.43 verhältnismäßig hoch. Man könnte daher versucht sein vorauszusetzen, daß bei einer Reihe von Beispielen — u. a. auch SCHUBERT, PARKER und CONDON — keine wesentlichen Gruppierungstendenzen auftreten. (Daß dies nicht der Fall ist, konnte bereits nachgewiesen werden.) Allerdings muß man dabei berücksichtigen, daß der Korrelationskoeffizient in der Hauptsache nur einen Aspekt der Ähnlichkeit erfaßt, nämlich die Verlaufsform der Profile. Benutzt man also zur Interpretation der Zusammenhänge lediglich den Korrelationskoeffizienten, so läßt man dabei die Tatsache außer acht, daß ja auch die Höhe des Profils praktisch eine Rolle spielt. OSGOOD und Suci ( 1 9 5 2 ) haben daher einen Ähnlichkeitsindex D entwickelt, der den Gesichtspunkt der Profildistanzen berücksichtigt: D = dj 2 , wobei dj die Profildifferenz für eine beliebige Polarität j darstellt. Im Idealfall müßte einer hohen positiven Korrelation ein verhältnismäßig niedriger Distanzwert entsprechen. Daß dieses nicht immer der Fall ist, geht aus Abb. 9 hervor. Hier sind Distanzen und Korrelationskoeffizienten der gleichen Musikbeispiele in verschiedener Beurteilung graphisch dargestellt. Demnach dürften in einer Faktorenanalyse unter Verwendung des Distanzmaßes vor allem bei den Beispielen PARKER und GETZ einige zusätzliche Hinweise auf Gruppenunterschiede zu gewinnen sein. 0.9

0.8

0.7

0.6

Korrelationen Händel

S

Mozart Schubert Strawinskij Burell Berlioz Couperin Condon Getz Parker Mingus Coltrane Distanzen

2.0 Abb. 9.

4.0

6.0

8.0

Distanzen ( # — # ) und Korrelationen ( O — O ) zwischen den Vpn-Gruppen

BEURTEILUNG VON MUSIK

85

Wenn innerhalb dieser Untersuchung aus Gründen eines großen Rechenaufwandes auf eine weitere Verarbeitung des Datenmaterials mittels des Distanzmaßes verzichtet werden muß, so soll doch darauf hingewiesen werden, daß gerade zur Abgrenzung verschiedener sozialer Gruppen, bei denen zwar die Grundtendenz übereinstimmt, die aber weitgehende graduelle Unterschiede aufweisen, das Distanzmaß möglicherweise durchaus zu prägnanteren Ergebnissen führen könnte.

ZUSAMMENFASSUNG Der Vergleich zweier Versuchspersonen-Gruppen, die sich hinsichtlich ihrer Vorbildung und Einstellung gegenüber den Musikgattungen klassische Musik und Jazzmusik signifikant unterscheiden, führte zu folgenden Ergebnissen: 1. Es besteht im allgemeinen eine einheitliche Tendenz in der Beurteilung von Musik, die durch den „General-Faktor" in den Faktorenanalysen der Versuchspersonen repräsentiert wird. 2. Neben dem G-Faktor ergeben sich — ähnlich dem Spearman'schen Modell der Intelligenztheorie — bei einem Teil der Musikbeispiele weitere Faktoren, die eine Differenzierung nach musikalischer Vorbildung und Einstellung erlauben. 3. Ursachen von Gruppierungstendenzen dürften einmal auf die Struktur der Stücke zurückgehen, zum anderen basieren sie auf den spezifischen Hörgewohnheiten der Beurteiler. Von musikalischen Kriterien werden vor allem der Faktor der Aktivität, die „Ordnungschaffenden" Kategorien und die Klangfarbe wirksam. Eine wesentliche Rolle auf seiten der Beurteiler spielt der „Halo-Effekt" sowie eine gewisse Voreingenommenheit bestimmten Arten von Musik gegenüber.

LITERATUR Catell, R. B.: Factor analysis. New York. 1952 Catell, R. B. and Saunders, D. R.: Musical preferences and personality diagnosis: I. A factoriza1954 tion of 120 themes. In: The Journal of Social Psychology, 39, 3—24. Eysende, H. J.: „Type"-Factors in aesthetic judgements. 1941 In: British Journal of Psychology, 31,262—270. Guilford, J. P.: Psychometric methods, Factor analysis. New York. 1954 Gundlach, R. H.: Factors determining the characterization of musical phrases. 1935 In: American Journal of Psychology, 47, 624—644. Hevner, Kate: Experimental studies of the elements of expression in music. 1936 In: American Journal of Psychology, 48,246—268.

86

EKKEHARD JOST

Hofstätter, Peter Robert: Faktorenanalyse. 1962 In: Handbuch der Empirischen Sozialforschung, hrsg. von R. König, 385—412. Stuttgart. Jost, Ekkehard: Akustische und psychometrische Untersuchungen an Klarinettenklängen. Köln. 1967 Kötter, Eberhard: Der Einfluß übertragungstechnischer Faktoren auf das Musikhören. Köln. 1968 Lundin, R. W.: An objective psychology of music. New York. 1953 Moser, Hans Joachim: Musik-Lexikon, Bd. I. Hamburg. 4/1955 Motte-Haber, Helga de la: Ein Beitrag zur Klassifikation musikalischer Rhythmen. Köln. 1968 Osgood, Ch. E. and Suci, G. J.: A measure of relation determined by both mean differences and 1952 profile information. In: Psychological Bulletin, 49, 251. Rahlfs, Volker: Psychometrische Untersuchungen zur Wahrnehmung musikalischer Klänge. 1966 Phil. Diss. Hamburg. Reinecke, Hans-Peter: Stereo-Akustik, Einführung in die Grundlagen stereophonen Musikhörens. 1966 Köln. ders.: Über den Zusammenhang zwischen Stereotypen und Klangbeispielen verschiedener musikali1966 scher Epochen. Kongreßbericht. Leipzig.

Z U M PROBLEM DER KLASSIFIZIERUNG VON HARFENDARSTELLUNGEN IN DER BUCHMALEREI DES FRÜHEN UND HOHEN MITTELALTERS DAGMAR

DROYSEN

Die Tatsache, daß die Zahl der Darstellungen von Musikinstrumenten, die aus dem frühen und hohen Mittelalter überliefert wurde, zwar groß ist, das Ausmaß an Hinweisen — etwa über Art und Gebrauch der Instrumente — jedoch weit dahinter zurückbleibt, führt notwendigerweise zu der Konsequenz, möglichst alle Informationen zu nutzen, und seien sie auch noch so versteckt. Solche Informationen können in Zusammenhängen zu finden sein, die sich individueller Interpretation wie auch direktem Vergleich entziehen. Instrumentendarstellungen des Mittelalters verführen bei Vernachlässigung oder nur oberflächlicher Kenntnis der in dieser Zeit gültigen Maßstäbe und Selbstverständlichkeiten leicht zu Fehldeutungen, wie es in der Instrumentenkunde immer wieder geschehen ist. Der Aussagewert, der in den Darstellungen steckt, ist oft schon dadurch eingeschränkt, daß es sich bei den Bildmotiven zumeist um „Klischees" bzw. Übernahmen aus früheren Epochen handelt. Details wurden nach der Bedeutung, die man ihnen beimaß, einer Selektion unterworfen. Wir können daher oft nur schwer unterscheiden, was realiter abgebildet oder indirekt „zum Ausdruck gebracht" werden sollte. Eine wichtige Gruppe von Instrumenten würde man heute unter dem Begriff „Harfen" zusammenfassen. Die Bezeichnung ist insofern ambivalent, als man sie im Mittelalter für die verschiedenartigsten Saiteninstrumente verwendet hat. Daher wird in diesem Beitrag immer dann von „Harfe" gesprochen, wenn es sich um ein mit der Hand gezupftes halsloses Musikinstrument von annähernd dreieckiger Grundform handelt. Es wäre zwecklos, den Begriff enger zu begrenzen, da sich den Darstellungen zu wenige Einzelheiten für eine eindeutigere Definition entnehmen lassen. Ihn wiederum als Synonym für Saiteninstrumente allgemein zu verwenden1, erscheint als Einteilung zu grob, denn die Gruppe der Halsinstrumente („Fidein") läßt sich mit Sicherheit von der der halslosen trennen.

1

Vgl. hierzu G. BANDMANN (i960, S. 22 ff.), der in seiner ausgezeichneten Deutung der Illustration zum 42. Psalm des Stuttgart-Psalters das gezupfte Fidelinstrument Kithara — dem Psalmtext entsprechend (cythara) — und nachfolgend Harfe nennt.

88

DAGMAR DROVSEN

Dem Instrumentenkundler, der sich mit den Klangwerkzeugen und damit zugleich mit der musikalischen Vorstellungswelt des Mittelalters beschäftigt, erwächst in erster Linie die Aufgabe, durch Auffinden und Klassifizieren von direkten wie auch indirekten Hinweisen und Merkmalen allgemeine Zusammenhänge aufzudecken. Naheliegend ist daher die Frage nach Art und Umfang des jeweils gebräuchlichen Instrumentariums; sie geht einher mit derjenigen nach der „Bedeutung" der einzelnen Instrumente; hierbei ist es nicht ungefährlich, etwa aus der Häufigkeit des Auftretens bestimmter Typen unreflektiert darauf schließen zu wollen. Ein solches Verfahren verbietet sich zumindest so lange, wie man annehmen muß, daß eine derartige Häufung auch den Manieren einzelner Malschulen entspringen kann. Damit aber entfällt die Möglichkeit, das musikwissenschaftliche Kriterium vom kunsthistorischen zu trennen, das zur Gewichtung beigetragen hat. Indirekte Hinweise über die Bedeutung der Instrumente lassen sich jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit aus bevorzugtem Auftreten in Verbindung mit bestimmten — vor allem emotionell gefärbten — Themenkreisen gewinnen. So weist z. B. das häufig wiederkehrende Motiv der Besänftigung des erzürnten Saulus durch Davids Saitenspiel (I. Samuel XVI, 23) auf die mit dem Klang des Instruments verbundenen Affekte. Diese haben antike wie mittelalterliche Theoretiker immer wieder beschäftigt; Guido von Arezzo schreibt dazu im XIV. Kapitel des Micrologus: „Item et David Saul daemonium cithara mitigabat et daemoniacam feritatem huius artis potenti vi ac suavitate frangebat."1 David mit Saitenspiel als vermeintlicher Erfinder der Psalmen sei als Beispiel einer metaphorischen Zentrierung dieser Gestalt genannt; dazu Tafel I: Aus den Wolken ergießt sich aus einem Füllhorn der Geist Gottes über die ihn verkörpernde Gestalt der Taube auf Davids Zepter, die den lauschenden König inspiriert. Ein anderer Aspekt der Bedeutung ergibt sich aus der relativen Größe und der damit verbundenen Hervorhebung der David-Figur (Tafel II). Wir sehen David im Bildzentrum, umgeben von den musizierenden Gesellen Asaph, Eman, Ethan und Idithun, ein Bildmotiv, mit dem vorwiegend der erste Psalm „Beatus vir qui non abiit" eingeleitet wird. Diese Hinweise zeigen eindringlich, wie notwendig es ist, die in den Darstellungen enthaltenen Informationen möglichst umfassend — und nicht nur hinsichtlich der Instrumentenform — zu entschlüsseln. Die Betrachtung ermöglicht zwar das Erkennen mancher Zusammenhänge, doch die Vielfalt der Merkmale wie Objekte legt es nahe, für den Vergleich auch die Hilfe quantitativer Methoden in Anspruch zu nehmen. Sie vermögen bei der Kategorisierung so komplizierter Merkmalskonfigurationen, bei denen das menschliche Gedächtnis längst versagen würde, sogar unschätzbare Dienste zu leisten; doch müssen sie, das sei betont, immer in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Niemals können sie das Studium des einzelnen Bildes und seines Kontextes ersetzen. Für einen ersten Versuch in dieser Richtung wurden 15 Harfendarstellungen aus der Buchmalerei des 9. bis 14. Jahrhunderts ausgewählt. Eine Merkmalsliste der wichtigsten erkennbaren Details (Tabelle 1) diente dem Vergleich eines jeden mit jedem Beispiel (Tabelle 2). Diese Merkmale weisen auf zwei einschränkende Vorbehalte hin, unter denen die 2

Zit. nach Corpus Scriptorum de Musica (1955) Bd. 4, S. 161.

Tafel I. (3) — D a v i d (Psalter um 1050: London, B. M., Cott. Ms. Tib. C. VI, f. 10)

HARFENDARSTELLUNGEN

l a2

Grundform Grundform

(dreieckig) gerade (dreieckig) geschwungen

bi b2 b3

Schallboden Schallboden Schallboden

mit Schallöffnungen vorgetäuscht durch Grundierung

c

Schallkasten

zum Spieler gehalten

d

Schallkasten

sich verjüngend

e

Schallkasten

mit Saitenhalterung

f

Schallkasten

mit Schallöffnungen

g

Saitenträger

oben liegend

h

Saitenträger

mit Wirbeln (o. ä.)

i

Saitenträger

geschwungen

)

Saitenträger

Winkel mit Schallkasten bildend

k

Saitenträger

und Schallkasten durch Zwischenstück getrennt

1

Saitenträger

in Tierkopf (o. ä.) auslaufend

m

Vorderstange

Winkel mit Schallkasten bildend

n

Vorderstange

gebogen

0

Vorderstange

mit Wülsten (Verzierungen)

P

Saitenebene

normal verlaufend (von Saitenträger zum Schallkasten)

q

untere Instr.-Spitze

in Tuch aufgestützt

r

Instrument

mit Trageband gehalten

Sl s2

„Trag"-Instrument „Stand"-Instrument

ti t. ts t4

Instrument Instrument Instrument Instrument

a

89

beidseitig gezupft von einer Hand gezupft, zweite Hand als Stützhand von einer Hand gezupft, zweite Hand nicht sichtbar wird gestimmt Tabelle 1.

Merkmalsübersidit

Die Merkmale sind als edite Alternativen aufzufassen, eine Ausnahme bilden die unter a, b, s und t zusammengefaßten. Hier wird lediglieli nach der Identität der Merkmalsgruppe gefragt: Beispiel :

Merkmal

a a

i 2

Objekt 1

2

1 0

1 1

Merkmal identisch ( = 1) \ Merkmalsgruppe Merkmal nicht identisch ( = 0) f nicht identisch ( = 0)

90

DAGMAR DROYSEN Merkmal:

Objekt: 1 2

3

4

5

6

7

8

9

xo

XX

X2

X3

X4

a,

1 0

1 0

0 1

0 1

0 1

X 0

1 0

1 0

0 1

0 X

0 X

0 X

0 X

0 X

0 X

bi b. b3

0 0 0

0 0 0

0 0 0

0 0 0

0 0 0

1 0 0

1 0 0

1 0 0

0 0 0

0 0 0

0 0 0

0 0 X

0 0 X

0 0 0

0 0 0

c

0

1

1

X

0

0

1

1

1

X

X

X

X

X

X

d

0

0

1

0

1

0

0

0

0

0

0

X

X

0

X

e

1

1

1

1

X

0

0

0

0

X

0

X

0

0

X

f

0

0

X

1

0

0

1

0

1

X

X

0

X

X

X

S

0

X

1

1

1

1

1

1

X

X

X

X

X

X

X

h

X

1

1

1

1

1

1

1

0

0

X

X

X

0

X

i

0

0

0

0

1

0

0

0

1

0

X

X

X

X

X

j

0

0

1

X

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

k

0

0

0

1

0

1

1

0

1

X

0

0

0

0

0

1

X

1

X

X

1

0

1

0

X

X

X

X

X

X

X

m

0

0

1

1

1

0

0

0

X

X

X

X

X

X

X

n

0

0

1

1

1

0

0

0

X

X

X

X

X

X

X

0

0

1

1

1

1

0

0

0

X

0

0

0

0

0

0

P

1

1

1

1

1

1

1

X

1

0

X

X

0

X

X

q

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

X

0

0

X

r

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Si s.

1 0

X 0

1 0

1 0

1 0

X 0

1 0

X 0

X 0

X 0

X 0

X 0

X 0

X 0

X 0

t, t., t>

0 1 0 0

0 0 0 0

0 0 0 0

0 1 0 0

0 0 0 0

0 0 0 0

0 0 1 0

0 0 1 0

X 0 0 0

0 X 0 0

0 0 0 X

X 0 0 0

X 0 0 0

0 0 0 0

X 0 0 0

h

Tabelle 2.

15

Merkmalskonfigurationen der Instrumentendarstellungen

Ergebnisse gesehen werden müssen: Sie sind nur an Informationen über technische Details des Instruments wie des Spielens orientiert, während solche, mit denen etwas über die „Bedeutung" ausgesagt werden könnte, hier noch unberücksichtigt bleiben mußten. Weiter-

HARFENDARSTELLUNGEN

91

hin unterblieb eine Gewichtung der Merkmale hinsichtlich der Häufigkeit ihres Auftretens. Es wurden lediglich statistische Ähnlichkeitsberechnungen mit Hilfe eines vereinfachten Vierfelder-(tetrachorischen)Korrelationskoeffizienten vorgenommen. Unter Annahme, daß die Variablen (Harfendarstellungen x und y) normalverteilt auf einem Kontinuum gegeben sind, ist dieser Koeffizient nach der sog. „Cosinus-Pi-Formel" 8 zu berechnen:

Dabei sind a, b, c und d die Häufigkeiten der verschiedenen Verbindungsmöglichkeiten der Merkmale:

(+) y (-)

b

a

+ +

d

c + —

(-)

X

(+ )

( + ) bedeutet: Merkmal vorhanden, (—): Merkmal nicht vorhanden; a und d repräsentieren die identischen Fälle ( + + und ), b und c dagegen die nicht identischen (—I- und H—). Der Korrelationskoeffizient, den wir als Ergebnis erhalten, gibt aufgrund des Ausmaßes der Übereinstimmung von Merkmalen den Grad der Ähnlichkeit zwischen den Grenzen — 1 < r < + 1 an, wobei r = + 1 völlige Übereinstimmung, r = 0 nur zufällige Ähnlichkeit, r = —1 hingegen vollständigen Kontrast kennzeichnet. Ein weiteres Verfahren, die Dimensions- oder Faktorenanalyse, erlaubt die Rückführung der korrelativen Zusammenhänge auf diejenige Anzahl unabhängiger Dimensionen (Faktoren), die zu ihrer Beschreibung notwendig ist. Diese Reduktion eröffnet in Verbindung mit einer geeigneten Rotation der Dimensionen die Möglichkeit, die Ergebnisse weitgehend plausibel zu interpretieren.4 Die Faktorenstruktur ist innerhalb einer Dimensionsebene graphisch darzustellen, indem die Faktoren die Achsen eines Koordinatensystems bilden (vgl. Abb. 1 und 2). Das Ausmaß der Ähnlichkeit zwischen zwei Objekten — hier also zwischen zwei Harfendarstellungen — wird in der jeweiligen Dimensionsebene durch deren Entfernung repräsentiert. Ihre Positionen sind durch je zwei Zahlen — die entsprechenden Faktorenladungen — gekennzeichnet. Eine solche Analyse wurde hier vorgenommen5. Sie zeigt eine vier Dimensionen umfassende Merkmalsstruktur: 3

V g l . d a z u J . P . GUILFORD ( 4 / 1 9 6 5 ) S . 3 2 8 .

4

V g l . u . a . P . R . HOFSTÄTTER u n d D . W E N D T ( 1 9 6 6 ) S . 1 8 9 ff.

5

Frau Dr. H. de la Motte hat die Faktorenanalyse freundlicherweise nach einem Programm von Herrn Dipl.-Psych. E. Rey im Rechenzentrum der Universität Hamburg geredinet.

92

D A G M A R DROYSEN

Faktorenmatrix, nach Varimax rotiert' (Alle Zahlen sind kleiner als 1 ; der Einfachheit halber wurde die 0 vor dem Komma weggelassen) Harfendarstellung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Fl

lat. 1 vat. lat. 63 Cott. Tib. C. VI Roy. 1 C. VII Dijon Ms. 14 lat. 6755 (2) Harl. 2804 Add. 9350 Roy. 2 A. XXII Clm 2599 Clm 835 Add. 24686 lat. 1023 Roy. 15 D. II Add. 49622

F2

—.177 —.003 .385 .009 .548 —.199 .005 .123 .541 .080 .805 .874 .950 .726 .854

F1 F2 F3 F4

.691 .669 —.173 —.013 —.064 .927 .875 .908 —.085 .146 .241 —.105 —.092 .145 —.219

Varianz: 0.352 0.261 0.216 0.171

F3 —.023 .200 .450 .840 .028 —.058 .462 —.130 .770 .855 .499 —.173 .191 .571 .194

F4 .544 .714 .719 .519 .815 —.003 —.098 —.072 —.011 .042 .150 .340 —.119 .107 .384

hs .805 .997 .897 .975 .970 .903 .988 .861 .892 .761 .978 .920 .961 .886 .963

Gesamtvarianz: 0.352 0.613 0.829 1.000

Die Interpretation ist durch die kleine Stichprobe eingeengt; sie erlaubt daher naturgemäß nur wenige und vorsichtige Aussagen allgemeineren Inhalts7. Der Zweck, eine Methode zu demonstrieren wie Probleme aufzuzeigen, die bei einem Zusammenspiel von instrumentenkundlichen, kunsthistorischen sowie mathematisch-methodischen Gesichtspunkten auftreten, ist in jedem Fall erfüllt. Die Auswahl der Stichprobe war neben Herkunft und Datierbarkeit der Miniaturen auch durch den Versuch bestimmt, verschiedene Gruppen sich physiognomisch voneinander unterscheidender Instrumentenformen einer näheren Analyse zu unterziehen. In den Mittelpunkt soll die Frage gestellt werden, inwieweit die Konfigurationen der berücksichtigten Merkmale etwa auf (1) zeitliche, (2) stilistische, (3) formale oder (4) Herkunftsunterschiede hinweisen. Diese Kategorien sind zwar nicht unabhängig, doch gehören sie zu den kunst-

6

7

Dieses auf H. F. KAISER (1956) zurückgehende Verfahren zielt darauf ab, eine möglichst einfache Faktorenstruktur zu erreichen. Vgl. auch H. H. HARMAN (1960) S. 301 ff. Die Kommunalitäten (h 2 -Werte) geben an, wieviel der Variation eines Objektes durch mit den anderen Objekten gemeinsame Faktoren erklärt wird. Vgl. hierzu auch H. de la Motte, Eine Methode zur Klassifizierung mittelalterlicher Harfendarstellungen (erscheint in Die Musikforschung).

Tafel II. (6) — David (Traktat des Lambertus, vorgeheftetes Blatt, 12. J h . erste Hälfte bis M i t t e : Paris, B. N., M s . lat. 6755 (2), f. Av)

HARFENDARSTELLUNGEN F

93

1

Abb. 1. Ladungen in der Ebene F l/F 2

historisch geläufigen Kriterien; schon deshalb sollte man darauf Bezug nehmen, um die Brauchbarkeit quantitativer Methoden zu erweisen. Betrachten wir zunächst die Entstehungszeit. Sie wird hier vereinfachend in zwei Kategorien unterteilt: die Perioden frühes und hohes Mittelalter. Tatsächlich gruppieren sich die entsprechenden Darstellungen nahezu unabhängig (Abb. 1) in der Dimensionsebene I/II. („Wenn x = 1, dann y = 0" und umgekehrt.) Abweichungen sind zu erwarten und hier durch unterschiedliche Formen bedingt. Eine gewisse stilistische Zuordnung läßt sich innerhalb dieses Merkmalssystems, z. B. für die Übergangsperioden Karolingerzeit zur Romanik bzw. Romanik zur Gotik, erreichen. In der Dimensionsebene F2/F4 (Abb. 2) heben sich die karolingischen Darstellungen deutlich von den zwei romanischen Gruppen ab.8 Jene Instrumentenform ist dreieckig und stellt vermutlich eine Übernahme von Vorbildern einer vergangenen Epoche dar oder ist an Vorstellungen der Kirchenväter gebunden. Nach deren Ansicht besaßen die im Alten Testament genannten Instrumente nur allegorische Bedeutung. Es handelt sich innerhalb dieser Gruppe zunächst um zwei Harfendarstellungen aus der Karolingerzeit: 8

Der dritte Faktor wird hier wegen der kleinen Stichprobe nicht interpretiert.

94

DAGMAR DROYSEN F

4

1. König David (Bildmitte) zupft schreitend ein Saiteninstrument. Er ist von zwei Kriegern (Leibwächtern) und den vier musizierenden Gesellen umgeben. Große Miniatur vor Beginn der Psalmen in der Bibel Karls des Kahlen (Vivien-Bibel), vermutlich in der Abtei Saint-Martin in Tours um 846 gemalt. Paris, B.N., Ms.lat. 1, f. 215v 2. Mit Zepter und Saitenspiel thront König David in einer Arkade. Die Hand Gottes weist auf ihn. Zu seinen Füßen die vier Gesellen als Schreiber. Miniatur zum ersten Psalm aus einem ambrosianischen Psalter (und Hymnar), in Mailand oder Umgebung im vierten Viertel des 10. Jahrhunderts entstanden. Rom, Bibl. vat., cod. lat. 83, f. 12v Die romanischen Darstellungen umfassen zwei Typen, einmal die geschwungene Form: 3. König David lauscht, die Harfe im Arm haltend, den Eingebungen einer Taube (Heiliger Geist), die auf seinem Zepter sitzt. Aus den Wolken wird aus einem (Füll-) Horn der „Geist Gottes" ausgeschüttet. Ganzseitige Miniatur aus einem lateinischen Psalter mit angelsächsischen Glossen, wahrscheinlich in Winchester um 1050 angefertigt. London, B.M., Cott. Ms.Tib. C. VI, f. 10 (Tafel I) 4. In der mittleren von drei Arkaden spielt König David Harfe, links neben ihm ein Fidelspieler, rechts ein Hornbläser. Mit der großen Bildinitiale F („Factum est autem") beginnt das zweite Buch der Könige (II Samuel I, 1). Zusammengefaßt sind Teile des Alten Testaments (Josua bis Könige) und vermutlich in Canterbury, Christ Church, zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstanden. London, B.M., Royal M s . l C. VII, f. 92

HARFENDARSTELLUNGEN

95

5. König David (deutlich von seiner Umgebung abgehoben) mit Harfe und Stimmschlüssel auf seinem Thron. Unter ihm die vier musizierenden Gesellen. Den Rahmen dieser Szene bildet eine Burgmauer mit vier Türmen (Toren), auf drei Türmen wird heftig gekämpft. Ganzseitige Miniatur aus dem dritten Teil einer vierbändigen Bibel (Mss. 12—15), die dem Abt Stephan Harding gehörte und sehr wahrscheinlich in der Zisterzienserabtei Citaux, Burgund, zu Anfang des 12. Jahrhunderts, vermutlich vor 1111, angefertigt wurde. Dijon, Bibl. mun., Ms. 14, f. 13v zum anderen eine eckige Form: 6. König David als Zentralfigur in Bildmitte hält ein dreieckiges Instrument (Schallboden, Stimmschlüssel) vor sich. Symmetrisch auf die Bildecken verteilt die Gesellen mit Musikinstrumenten. Vorgeheftetes und auf das Format des Traktats von Lambertus (zwischen 1260 und 1279) beschnittenes Blatt unbekannter Herkunft. Nach J. Porcher, Paris, stammt die Miniatur aus England, vielleicht aus St. Albans, nach R. Schilling, London, dagegen aus Nordfrankreich. Sie gehört in die erste Hälfte (bis Mitte) des 12. Jahrhunderts. Paris, B.N., Ms. lat. 6755 (2), f. Av (Tafel II) 7. Einer von Davids musizierenden Gesellen mit dreieckigem Saiteninstrument (Schallboden). Groß über ihm thront David in einer Arkade und zupft die Leier. Miniatur vor Beginn der Psalmen, Einleitung zum zweiten Teil einer zweibändigen Bibel (Mss. 2803—2804) deutscher Herkunft und um 1148 entstanden. London, B.M., Harl. Ms. 2804, f. 3v 8. König David thront über seinen vier musizierenden Gesellen und zupft ein dreieckiges Saiteninstrument (Schallboden). Fast halbseitige Miniatur, die außer figürlichen Darstellungen noch die Initiale B („Beatus vir") enthält. Beginn eines lateinisch kommentierten Psalters umbrischrömischer Herkunft, der vermutlich im frühen dritten Viertel des 12. Jahrhunderts angefertigt wurde. London, B.M., Add. Ms. 9350, f. 1 Die karolingischen Darstellungen unterscheiden sich von den romanischen Dreiecksformen durch die offene Saitenebene. Die Beispiele 6 bis 8 besitzen demgegenüber den für Harfen unüblichen Schallboden (Tafel II). Es fragt sich, ob sie überhaupt zu den Harfen im engeren Sinn zu zählen sind." Die Ebene F l / F 2 (Abb. 1) beschreibt am deutlichsten die formale Seite: Den dreieckigen Formen (F 2) stehen die geschwungenen und zugleich späteren (F1) gegenüber: 9. König David spielt auf seinem Thron Harfe; über ihm hängen vier Glocken. Miniatur vor den Psalmen aus einem lateinischen Psalter mit Kalender. Der erste Psalm wird außerdem noch durch ein reich verziertes Beatus-Initial (f. 15) eingeleitet. Die Handschrift wurde in England im späten 12. Jahrhundert illuminiert, die letzten fünf Blätter (ab f. 219) fügte man in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hinzu. Der Psalter gehörte offensichtlich zur Westminster-Abtei, daher seine Bezeichnung: „Westminster"-Psalter. London, B.M., Royal Ms. 2 A. XXII, f. 14v 9

H. STEGER (1961, S. 50 f.) kategorisiert diese Instrumente unter dem Begriff „Harfenzithern". Vgl. auch C. SACHS (1920) S. 133 f.

96

DAGMAR DROYSEN

10. In der unteren Bildhälfte einer ganzseitigen Miniatur überragt ein Harfenspieler (ungekrönter David?) durch seine Größe den neben ihm sitzenden Monochordspieler. Im Hintergrund eine Rotte mit Bogen. Federzeichnung, die wie die anderen zehn ohne Zusammenhang zu den voranstehenden Texten (Predigten, musikhistorischer Traktat) in die lateinische Sammelhandschrift eingefügt wurde. Vermutlich im Zisterzienserkloster Aldersbach, Diözese von Passau, kurz nach 1200 entstanden. München, Bayer. Staatsbibl., Clm 2599, f. 96v10 11. König David, durch Größe und zentrale Stellung (Bildmitte) von den vier schreibenden Gesellen abgehoben, sitzt auf seinem Thron und stimmt die Harfe ein. Dieses Bildmotiv, das gewöhnlich für die Zierseite vor den Psalmen verwendet wird, ist als ganzseitige Miniatur ohne den üblichen Zusammenhang in den Psalter eingefügt und vermutlich in Gloucester um 1200 ausgeführt. München, Bayer. Staatsbibl., Clm 835, f. 148v 12. König David in einem Thronsessel spielt Harfe. Er stützt das Instrument vor sich auf eine Bank auf. Bildinitiale („Beatus vir") mit Zierrand als Einleitung zum ersten Psalm im sog. „Tenison"-Psalter. Möglicherweise wurde der Psalter in einem Dominikanerkloster, vielleicht Blackfriars in London, angefertigt. Er war als Hochzeitsgeschenk für Alphonso, einen Sohn Edwards I., und Margaret von Holland gedacht. Entstehungszeit zwischen 1281 und 1284 (Alphonso starb 1284). Sechs Seiten mit flämischen Miniaturen wurden um 1300 hinzugefügt. London, B.M., Add. Ms. 24686, f. 11 13. König David spielt Harfe, zu seinen Füßen ein Psalteriumspieler. Im Hintergrund Sänger und Posaunenbläser, im oberen Bilddrittel die Bundeslade. Bildinitiale („Exultate deo") zum 80. Psalm im Brevier Philipps des Schönen. Die Handschrift wurde in einem Pariser Atelier für ein Mitglied der königlichen Familie vor 1296 angefertigt. Paris, B.N., Ms. lat. 1023, f. 36v (Tafel III) 14. Christus in einer Mandorla hält das geöffnete Buch mit den sieben Siegeln in der Hand, auf seinem Schoß das Lamm mit den sieben Augen. Neben der Mandorla stehen symmetrisch verteilt 12 an Stelle der genannten 24 Ältesten mit Harfe und Phiala. In den Ecken der Miniatur die vier Evangelistensymbole. Die Miniatur ist auf den nachfolgenden Text (Apoc. V, 6—8) bezogen. Die sog. „Greenfield"-Apokalypse (mit französischem Kommentar) geht auf eine normannische Version des 12. Jahrhunderts zurück. Sie ist im Gebiet um Nottingham um oder vor 1314/15 entstanden. London, B.M., Royal Ms. 15 D. II, f. 124 15. Der ungekrönte David spielt Harfe. Er ist von seinen musizierenden Gesellen umgeben. Untere Hälfte der Bildinitiale E („Exultate deo") zum 80. Psalm. Die Handschrift, bekannt als „Gorleston"-Psalter, wurde für die Kirche St. Andrew in Gorleston Anfang des 14. Jahrhunderts (nach Cockerell um 1340) geschrieben und illuminiert. London, B.M., Add. Ms. 49622, f. 107v Die Herkunft der Miniaturen erscheint in keinem plausiblen Zusammenhang mit den Konfigurationen der technischen Details. Dafür könnte man die geringe Zahl von Bei10

Die Beispiele 9 und 10 lassen sich anhand der hier verwendeten Merkmale nur ungenügend interpretieren.

"-'cfc cttmü^aistummuTto lllWffiltlHMm t A d W ^ «

fcramtuertfirftiüi vmmnxe quanconflrmaih abtf^tfb • cUfcaitmus atcimu&cain& nas-crnmnmtiuuuftabtm* l > i t c ® mranüoittcnc6.-^