Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz: 1974 [1974] 3875371380


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Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung, Preußischer Kulturbesitz, 1974
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Dömling, Wolfgang - Über den Einfluß kunstwissenschaftlicher Theorien auf die Musikhistorie
Dahlhaus, Carl - Beethovens "Neuer Weg"
Reinecke, Hans-Peter - Überlegungen zu einer integrativen Theorie des Musikunterrichts
H.-Wiechell, Dörte - Das Hörverhalten Jugendlicher
Tomek-Schumeann, Sabine - Akustische Untersuchungen an Hammerflügeln
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Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz: 1974 [1974]
 3875371380

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JAHRBUCH DES STAATLICHEN INSTITUTS FÜR MUSIKFORSCHUNG

Jahrbuch des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz

1974

Herausgegeben von Dagmar Droysen

Verlag Merseburger Berlin

Edition Merseburger 1449

@ 197 5 Verlag Merseburger Berlin GmbH Alle Rechte vorbehalten· Printed in Germany Composersatz: Staatliches Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz Karin Mattoni und Heidemarie Schwarz Druck: Arno Brynda GmbH, Berlin

ISBN 3-87537-138-0

INHALT

DOMLING, Wolfgang Über den Einfluß kunstwissenschaftlicher Theorien auf die Musikhistorie . . . . . 7 DAHLHAUS, Carl Beethovens „Neuer Weg" . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . 46 REINECKE, Hans-Peter Überlegungen zu einer integrativen Theorie des Musikunterrichts . . . . . . . . . . . 63 H.-WIECHELL, Dörte Das Hörverhalten Jugendlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3 TOMEK-SCHUMANN, Sabine Akustische Untersuchungen an Haml'!lerflügeln

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

OBER DEN EINFLUSS KUNSTWISSENSCHAFTLICHER THEORIEN AUF DIE MUSIKHISTORIE WOLFGANG DöMLING

I Einleitung Die Ausbreitung einer Geschichtsmüdigkeit - deren Beklagen fast schon zu einem Topos geworden ist - gerade auch in den kunsthistorischen Fächern hängt möglicherweise, ohne daß der Bezug restlos schlüssig wäre, mit dem Entschwinden des in sich geschlossenen Kunstwerkes als ästhetischer Norm und als Kategorie in der künstlerischen Praxis selbst zusammen. Dem Abschied vom festgefügten, durch seine inneren Beziehungen definierten Kunstwerk zugunsten offener, variabler Prozesse, die sich als ,work in progress' verstehen, entspräche in der Historie der Abschied vom Interesse an der festgefügten, durch seine Beziehungen zu anderen Werken definierbaren Stellung des Kunstwerkes in einer Kunstgeschichte 1 als einem autonomen Forschungsgegenstand zugunsten einer Anschauungsweise, die Geschichte als bloße Basis und Voraussetzung für Veränderungen begreift, die die Zukunft betreffen. (Daß diese Betrachtungsweise heule selbst eminent geschichtlich ist, pflegt dabei selten relevant zu werden; den Wunschtraum idealer Gegenwart - Gegenwart der Utopie, Utopie der Gegenwart teilt die Metl10de mit der Kunst selbst.) Was die Musikhistorie angeht, so ka11n man allerdings im Mißbehagen an Geschichte und Historie schlicht auch einen Protest sehen, der nicht unberechtigt ist; denn der Mangel an historischer Methode, der sich indirekt auch in einem Fehlen - sieht man von rudimentären Ansätzen ab - der eigenen Wissenschaftsgeschichte dokumentiert, ist eklatant, wirft man einen Blick auf die vergleichbaren Fächer Kunstwissenschaft und Literaturwissenschaft. Vielfach besteht in der Musikwissenschaft überhaupt die Tendenz, Reflexionen über Geschichtlichkeit und Geschichte der Musik aus dem Wege zu gehen. Der seltsame Lapsus, daß in einer neueren übersieht über die Musikwissenschaft, jüngst auch in ein Standard-Musiklexikon übernommen, wenig von Musik und noch weniger von ihrer Geschichte und von Historie die Rede ist, erscheint unter diesem Aspekt weniger grotesk als signifikant: die Fachrichtung „Musikgeschichte" wird von H.H. Dräger untergegliedert in „a) Notationskunde, b) Geschichte der Musiktheorie, c) Philologie des Musikschrifttums (Bereitstellen und Interpretieren der Literatur über Musik), d) Instrumentenkunde, e) Musikalische Bildkunde, f) Aufführungspraxis" (zitiert nach: Riemann Musik-Lexikon, Sachteil, Mainz 196 7, S. 61 7). Die häufigsten Typen musikhistorischer Darstellung sind, man möchte sagen: nach wie vor, die ,Chronik der Ereignisse' und die ,Monographie' (als Künstler- oder als Werkmonographie); sodann die Untersuchung nach dem Typus ,Die Gattung x von a bis b', dem in der Allgemeinen Geschichtsschreibung - in loser Analogie - die Betrachtung einzelner politischer Einheiten entspräche. Der Typus der ,Problemgeschichte' (die 1

Der Einheitlichkeit halber wird im folgenden stets unterschieden zwischen Geschichte schehen und Historie =Geschichtsschreibung.

= Ge7

Allgemeine Historie, auch die Kunsthistorie kennen ihn schon lange) existiert in der Musikforschung bislang kaum in Ansätzen; eine zu schreibende Geschichte des Verhältnisses uon Musiktheorie und Kompositionspraxis etwa, oder eine Geschichte des musikalischen Geräusches wären hierher zu zählen. Die Darstellungsweise innerhalb dieser Typen ist regelmäßig die der ,ref::rierenden Geschichtsschreibung'. (Daß jede Auswahl aus dem Kontinuum der Geschichte, auch die referierende Historie unterliegt dieser Nötigung, schon Deutungsstrukturen voraussetzt, ist triviale Tatsache.) Die im eigentlichen Sinne ,deutende Geschichtsschreibung' präsentiert sich in der Musikforschung vorwiegend als Epochengeschichte (Geschichte geschlossener Zeitabschnitte) oder als Stilgeschichte. Andrerseits ist auch die mc'lographische Darstellung, die Interpretation einzelner Musikwerke, notwendig - will sie nicht bei unschlüssiger Beschreibung stehenbleiben - verknüpft mit stilgeschichtlichen Aussagen. Das Einzelwerk, um ihm den rechten Platz zuzuweisen, wird in Bezug gesetzt zu einer gedachten Stilgeschichte, einem angenommenen geschichtlichen Ablauf als der Grundlage, die es bedingt; kurz, zu einer hypothetischen streng kunstimmanenten Musikhistorie. Eine. seit Guido Adler mehrfach als Ideal geforderte musik-autonome Stilgeschichte selbst ist indes bis heute nicht geschrieben. Daß die Epochen- und die Stilgeschichte offenbar obsolet geworden sind, besagt nicht, die Probleme, die hier gestellt werden, seien gelöst worden. Es scheint vielmehr, das Unbehagen daran beruhe vor allem auf dem Mangel an musikspezifischem Gehalt, der diesen Kategorien anhaftet. Epochen-Diskussionen in der Musikhistorie pflegen, pointiert ausgedrückt, entweder in Tautologie oder in Abstrusität zu münden, und zwar vor allem deshalb, weil sich die allgemeinen Epochenbezeichnungen, die aus der Kunstoder Kulturgeschichte stammen, schlechterdings nicht umgehen lassen (ein Musterbeispiel für zirkclschlüssige Tautologie ist etwa crt: Gotik und Renaissance als Grundlagen der modernen Weltanschauung. Augsburg 1929. dcrs.: Kunstwissenschaftliche Grundfragen. Wien 1946. ders.: Probleme einer Geschichte der Kunstwissenschaft. In: DVjschr 32. 1958. S. 1-37. Georgiades, Thrasybulos: Musik und Sprache. Berlin usw. 1954. ders.: Schubert - Musik und Lyrik. Göttingen 1967. Heidrich, Ernst: Besprechung von Hansjantzen. Das niederländische Architekturbild. (1912) Wiedergedruckt in: E.H., Beiträge zur Geschichte und Methode der Kunstgeschichte. Basel 1917 (Hildesheim 2/1968). Heinz, Rudolf: Geschichte als angewandte Ästhetik. Zum Verhältnis Musikästhetik - Musikhistorie bei Friedrich Chrysander und Hermann Kretzschmar. In: Die Ausbreitung des Historiums über die Musik. Hg. von W. Wiora. Regensburg 1969. s. 251-259. (Studien zur Musikgeschichte des 19.Jahrhunderts. Bd. 14) ders.: Geschichtsbegriff und Wissenschaftscharakter der Musikwissenschaft in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Regensburg 1968. (Studien zur Musikgeschichte des 19.Jahrhunderts. Bd. 11) ders.: Guido Adlers Musikhistorik als historisches Dokument. In: Die Ausbreitung des Historiums über die Musik. Hg. von W. Wiora. Regensburg 1969. s. 209-219. (Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts. Bd. 14)

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BEETHOVENS „NEUER WEG" CARL DAHLHA US

1

Die Einsicht, daß musikalische Form weniger ein Gebilde als ein Verlauf oder ein Prozeß ist, dürfte einer der wenigen ästhetischen Topoi sein, die niemand leugnet. Die abstrakte Maxime muß jedoch, um analytisch und historisch brauchbar zu sein, differenziert werden. Die These, deren Begründung versucht werden soll: die Behauptung, Beethoven habe in Werken, die um 1802 entstanden sind, den Prozeßcharakter der Form in einer Weise ausgeprägt, die es rechtfertigte, daß er selbst von einem „neuen Weg" oder einer „gantz neuen Manier" sprach, bleibt vage und ungreifbar, solange nicht die Vorstellungen, die im Begriff des musikalischen Prozesses miteinander verquickt sind, analysiert werden. Daß Musik sich in der Zeit erstreckt, rechtfertigt zwar das Postulat, musikalische Form 1 müsse als Verlaufsform begriffen werden , ist aber kein genügendes Motiv, um em phatisch von einem Prozeßcharakter der Musik zu sprechen {einen pointierten Begriff an einen trivialen Sachverhalt zu verschwenden, ist unzweckmäßig). Wesentli cher als das immer gleiche Faktum der Zeitlichkeit sind die auseinanderstrebendcn Konsequenzen, die aus dem fundamentalen Sachverhalt gezogen worden sind. Daß die Teile eines musikalischen Verlaufs nacheinander hervortreten, hindert keineswegs, daß sie einem Hörer als Nebeneinander erscheinen: Das Korrespondenzprinzip - der Zusammenschluß von Phrasen, Halbsätzen und Perioden durch das Verfahren, übereinstimmungen und Entgegensetzung so ineinandergreifen zu lassen, ciaß der Eindruck von Ergänzungen und Entsprechungen entsteht - begünstigt die Umwandlung eines zeitlichen Phänomens in ein quasi-räumliches und fordert sie geradezu heraus. Von einem Prozeßcharakter - statt von bloßem Verlauf - kann demgegenüber erst sinnvoll die Rede sein, wenn die Zeitlichkeit der Musik, das Nacheinander, nicht einen Widerstand bildet, gegen den sich die Form durchsetzt, sondern gerade umgekehrt deren Substanz ausmacht, wenn also die Teile auseinander hervorzugehen scheinen, so daß statt eines 2 „architektonischen" Formprinzips ein „logisches" vorherrscht • 1

K. Westphal beschreibt, gestützt auf die „energetische" Theorie der Musik, auf die Unterscheidung zwischen „Daseinsform" und „Wirkungsform" (A. von Hildebrand) und auf die Gestalttheorie, deren Ubertragung von eimielnen Phrasen oder Perioden auf ganze Werke oder Sätze allerdings nicht unproblematisch ist, die musikalische Form als „Verlaufskurve" (Musikalische Form, S. 47 ff.).

2

F. Blume sprach, um einen syntaktisch begründeten von einem auf „Substanzverwandtschaft" beruhenden musikalischen Zusammenhang zu unterscheiden, von „Fortspinnung" und „Entwicklung": „Fortspinnung bedeutet ein Verfahren der Aneinanderfügung an sich unbezogener, selbständiger Glieder, ein Nach einander von Motiven, die nicht substanzverwandt zu sein brauchen und die erst durch ihre Stellung im Zusammenhang aufeinander bezogen werden ... Entwicklung bedeutet ein Verfahren der allmählichen Umbildung eines Ausgangsgliedes zu weiteren, ihm substanzverwandten und auf es bezogenen Gliedern, ein Aus einander von Motiven, die eine Kette innerer Zusammenhänge bilden" (Fortspinnung und Entwicklung, S. 512) .

46

Musikalische Logik, die den Prozeßcharakter von Werken begründet, kann - in grober Annäherung - als thematisch-motivische Arbeit in Relation zu einer harmonisch-tonalen Entwicklung bestimmt werden. Mit anderen Worten: Der Prozeß, den eine „logische" Form darstellt, ist der Inbegriff der Konsequenzen, die aus einer thematischen Substanz gezogen werden, und zwar in Wechselwirkung mit einem harmonischen Verlauf, der die Ausarbeitung der Thematik - die Variantenbildung - trägt. Unter einem Thema ist, nach lexikalischer Definition 3 , eine „Bezugsgestalt" zu verstehen. Ein Thema erscheint also, metaphorisch gesprochen, nicht allein als Gedanke, aus dem Folgerungen hervorgehen, sondern auch als Text, der einem - zum Ausgangspunkt immer wieder zurückkehrenden - Kommentar zugrundeliegt. Die Bewegung, die ein Kommentar beschreibt, ist eher umkreisend als geradlinig. Ein fest umrissenes Thema, einerseits Voraussetzung einer musikalischen Form als Prozeß, erweist sich andererseits als Hemmnis, wenn ein zielgerichteter und nicht ein gleichsam paraphrasierender Verlauf intendiert ist. Und man kann das kompositorische Problem, das Beethoven um 1802 zu lösen suchte - in Verflechtung mit anderen Problemen-, als die Schwierigkeit umschreiben, musikalische Formen zu entwerfen, die prozessual in einem emphatischen Sinne wirken, und zwar dadurch, daß sie zugleich thematisch und nicht-thematisch sind: thematisch in dem Maße, in dem eine thematische Substanz Voraussetzung eines Formprozesses ist; nicht-thematisch insofern, als die Verfestigung zu einer prägnant umrissenen Formulierung, die als Text zu einem Kommentar am Anfang des Werkes steht, vermieden wird. Anders ausgedrückt: Die „Thematik" ist kein „Thema" mehr. Man kann demnach, wenn man musikalische Form als Prozeß bestimmt, drei Momente unterscheiden: Einmal die Trivialität, daß Formen, die sich in der Zeit erstrecken, Verlaufsformen sind; zum andern den umfassenden geschichtlichen Sachverhall,