Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes [1 ed.] 9783428480425, 9783428080427


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German Pages 225 Year 1994

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Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes [1 ed.]
 9783428480425, 9783428080427

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft

Band 82

Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes Von

Sabine Schmeinck

Duncker & Humblot · Berlin

SABINE

SCHMEINCK

Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp

Band 82

Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Von

Sabine Schmeinck

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schmeinck, Sabine: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes / von Sabine Schmeinck. — Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft ; Bd. 82) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-08042-4 NE: GT

D 6 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-08042-4

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Abhandlung wurde im Sommersemester 1993 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum konnten fur die Drucklegung weitgehend noch bis September 1993 ausgewertet und berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Heinrich Dörner, der die Entstehung der Arbeit mit großem Interesse begleitet und deren Fertigstellung auf vielfältige Weise gefördert hat. Daneben möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Dr. Albert Bleckmann für die Erstellung des Zweitgutachtens herzlich bedanken. Für die Aufnahme der Dissertation in die Schriftenreihe "Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft" gebührt mein Dank den Herausgebern, den Herren Professoren Dr. Erichsen, Dr. Kollhosser und Dr. Welp.

Münster, im Dezember 1993

Sabine Schmeinck

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

Einleitung

25

§ 1 Problemstellung

25

§ 2 Zielsetzung

27

§ 3 Gang der Untersuchung

28

Zweiter Teil

Grundlegende Aspekte des Kulturgüterschutzes § 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes

31 31

A. Umgang mit Kulturgütern in der Antike

31

B. Die Zeit des Westfälischen Friedens

32

C. Die napoleonischen Kriege - Kunstraub und spätere Restitutionen

33

D. Das 19. Jahrhundert

34

E. Der erste Weltkrieg

35

F. Der zweite Weltkrieg

36

I.

Umgang mit Kulturgütern während der kriegerischen Auseinandersetzungen

36

1. Behandlung von Kulturgütern durch deutsche Stellen

36

2. Behandlung von Kulturschätzen seitens der alliierten Siegermächte

37

a) Sowjetunion

37

b) USA

38

10

nsverzeichnis II.

Restitutionen nach Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen

40

1. Die von Deutschland zu leistenden Restitutionen

40

a) Besatzungsrechtliche Bestimmungen

40

b) Der Überleitungsvertrag

42

c) Friedensverträge

42

2. Die von alliierter Seite aus zu leistenden Restitutionen

42

a) Maßnahmen der USA

42

b) Maßnahmen seitens der Sowjetunion

43

G. Rückführungen von Kulturgut in der jüngeren Vergangenheit

43

H. Zusammenfassung

45

§ 2 Definition von Kulturgut

46

A. Definitionen in nationalen Rechtsordnungen

46

B. Definitionen in internationalen Abkommen

48

I.

Haager Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten

II.

48

UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970

III.

IV.

49

UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972

49

Europäische Konvention betreffend Straftaten gegen Kulturgüter

50

C. Möglichkeiten einer international einheitlichen Begriffsbestimmung

50

I.

Enumeration

50

II.

Klassifizierung

51

III.

Kategorisierung

51

IV.

Wertung

52

§ 3 Internationale Maßnahmen im Bereich des Kulturgüterschutzes A. Bemühungen um einen weltweiten Kulturgüterschutz

53 53

Inhaltsverzeichnis Β. Bemühungen um einen Kulturgüterschutz innerhalb der europäischen Staaten

Dritter

11 57

Teil

Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

61

Erster Abschnitt

Internationales Vertragsrecht

61

§ 1 Kulturgüter als Handelsware

61

§ 2 Die kollisionsrechtlichen Bestimmungen zum internationalen Vertragsrecht

63

A Staatsverträge auf dem Gebiet des internationalen Vertragsrechts

63

I.

Internationales Kaufrecht

63

II.

Internationales Schuldvertragsrecht

65

B. Die Bestimmungen der nationalen Kollisionsrechte zum internationalen Vertragsrecht

66

I.

Grundsatz der Parteiautonomie

66

II.

Objektive Anknüpfungspunkte bei Fehlen einer Rechtswahl

68

III.

Renvoi

70

IV.

Konsequenzen für den Kulturgüterschutz

72

§ 3 Bestrebungen zum Schutz des Bestandes nationalen Kulturguts gegen Ausfuhr im Vertragsrecht in Form von Ausfuhrverbotsgesetzen

73

A. Ausfuhrbestimmungen in einzelnen Rechtsordnungen

73

I.

Deutschland

73

II.

Großbritannien

75

III.

Frankreich

76

IV.

Italien

76

V.

Griechenland

77

VI.

Vereinigte Staaten von Amerika

78

VII. Japan

79

nsverzeichnis

12 VIII. Mexiko

80

Β. Wirkung von Exportgesetzen

81

I.

Das Territorialitätsprinzip

81

II.

Eingriffsnormen

82

1. Inländische Eingriffsnormen bei ausländischem Schuldstatut

83

2. Ausländische Eingriffsnormen bei ausländischem Schuldstatut

83

a) Deutsches Recht

84

aa) Die gesetzgeberische Entscheidung

84

bb) Konsequenzen

86

cc) Der Grundsatz der Nichtanwendung ausländischen öffentlichen Rechts

86

dd) Berücksichtigung auf materiellrechtlicher Ebene

87

(1) Darstellung

87

(a) Nigerianischer Maskenfall

87

(b) Borsäurefall

88

(c) Boraxfall

88

(2) Kritik

89

ee) Schuldstatutstheorie

91

(1) Darstellung

91

(2) Kritische Analyse der Schuldstatutstheorie

91

ff) Lehre von der Sonderanknüpfimg

93

(1) Darstellung

93

(2) Kritische Analyse der Lehre von der Sonderanknüpfung

95

(3) Voraussetzungen fur eine Beachtung fremden Eingriffsrechts

96

b) Französisches Recht

100

c) Englisches Recht

101

d) Zwischenergebnis

102

3. Drittstaatliche Eingriffsnormen bei in- oder ausländischem Schuldstatut

102

a) Behandlung drittstaatlicher Eingriffsnormen im deutschen Recht

103

b) Behandlung drittstaatlicher Eingriffsnormen im französischen Recht

104

c) Behandlung drittstaatlicher Eingriffsnormen im englischen Recht

105

d) Zwischenergebnis

105

nsverzeichnis C. Konsequenzen für den internationalen Kulturgüterschutz § 4 Schutz von Kulturgütern durch ihre Deklarierung zu res extra commercium

106 108

A. Inhalt

108

B. Wirkung

109

C. Praktikabilität für eine Regelung in einem internationalen Abkommen

109

Zweiter A bschnitt

Internationales Sachenrecht

113

§ 1 Die grundsätzliche Bedeutung des internationalen Sachenrechts für den internationalen Kulturgüterschutz § 2 Die kollisionsrechtlichen Bestimmungen zum internationalen Sachenrecht A. Bestimmung des anwendbaren Rechts I.

113 114 114

Regelungen zum internationalen Sachenrecht im deutschen Recht

114

1. Quellen

114

2. Gesetzgebungsvorhaben

116

a) Vorschläge des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht

116

b) Der Referentenentwurf von 1984

117

c) Vorschlag des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht vom Juli 1988 II.

III.

117

Überblick über andere Rechtsordnungen

118

1. Grundsätzliche Geltung der lex rei sitae

118

2. Ausnahmen

119

a) Schweiz

119

b) Ungarn

120

c) Argentinien

120

Vereinheitlichung des internationalen Sachenrechts

121

1. Weltweite Vereinheitlichung

121

a) Abkommen bezüglich internationaler Kaufverträge

121

nsverzeichnis

14

b) Der UNIDROIT-Entwurf eines Einheitlichen Gesetzes über den Eigentumserwerb kraft guten Glaubens an beweglichen Sachen (LUAB 1974) 2. Regionale Vereinheitlichungsbestrebungen

122 123

a) Europäische Gemeinschaften

123

b) Lateinamerikanische Staaten

123

B. Statutenwechsel

124

I.

Wechsel des Belegenheitsortes

124

II.

Wechsel des Belegenheitsortes während des Laufs von Ersitzungsfristen

126

III.

Zwischenergebnis

128

§ 3 Materiellrechtliche Bestimmungen zum Eigentumserwerb an Kunstgegenständen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen

128

A. Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten

128

I.

Darstellung

128

1. Grundsatz der unbeschränkten rei vindicatio

129

a) Norwegen, Dänemark

129

b) Spanien

130

c) Portugal

131

2. Grundsatz des unbeschränkten Gutglaubenserwerbs

131

a) Italien

131

b) Schweden

132

3. Mittellösungen

133

a) England

133

aa) Grundsatz

133

bb) Ausnahmen

133

(1) Mercantile agent

134

(2) Market overt

134

(3) Voidable title

134

(4) Estoppel

135

b) USA aa) Die Nemo Dat-Regel

135 136

nsverzeichnis bb) Ausnahmen von der Nemo Dat-Regel

136

(1) Estoppel

136

(2) §2-403 (2) UCC

137

(3) Voidable title

137

c) Frankreich

138

aa) Der Grundsatz "en fait des meubles, la possession vaut titre"

138

bb) Regelung des Art. 2279 Abs. 2 C.c

139

cc) Ausschluß des Art. 2279 C.c. für Sachen, die res extra commercium sind d) Deutschland II.

III. IV.

139 140

Rechtsprechungsfälle zum gutgläubigen Erwerb an abhandengekommenen Kulturgütern

142

1. Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd

142

2. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon

142

3. De Weerth v. Baldinger

143

Auswirkungen auf den internationalen Kulturgüterschutz

145

Vorschlag für eine international einheitliche Regelung zum gutgläubigen Erwerb abhandengekommener Kulturgüter auf materiellrechtlicher Ebene

146

1. Gutgläubigkeit

147

2. Eigentumserwerb an abhandengekommenen Sachen

148

a) Gesonderte zivilrechtliche Behandlung ausländischen Kulturguts

149

b) Ausschluß gutgläubigen Erwerbs für weltweit bekannte und in einem öffentlichen Verlustregister verzeichnete Kulturgüter B. Das Lösungsrecht I.

II.

150 153

Darstellung

153

1. Schweiz

153

2. Frankreich

154

3. Portugal

155

4. Niederlande

155

Die Geeignetheit des Lösungsrechts als zu vereinheitlichende Regelung in einem internationalen Abkommen zum Kulturgüterschutz

156

nsverzeichnis

16

C. Ersitzungs- und Verjährungsvorschriften

158

I.

Darstellung der materiellrechtlichen Regelungen einzelner Rechtsordnungen

160

II.

Beispielsfälle aus der internationalen Rechtsprechung

161

1. Koerfer gegen Goldschmidt

161

2. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon

161

Auswirkungen auf den internationalen Kulturgüterschutz

162

III. IV.

Vorschlag für eine international einheitliche Regelung der Ersitzung und Verjährung für Kulturgüter auf materiellrechtlicher Ebene

163

§ 4 Möglichkeiten, den Gefahren einer illegalen Eigentumsübertragung auf kollisionsrechtlicher Ebene zu begegnen - Modifizierung der Anknüpfungsregel

164

A. Fraus legis

165

B. Auflockerung der lex rei sitae

167

I.

Vorschläge für eine grundsätzliche Modifizierung der lex rei sitae

167

1. Kritik an starren Anknüpfungsregeln im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht

167

2. Vorschläge für eine Auflockerung der lex rei sitae im deutschen Kollisionsrecht

168

3. Bewertung II.

168

Bestrebungen, eine Auflockerung der lex rei sitae speziell für den Bereich des Kulturgüterschutzes durchzusetzen

Vierter

170

Teil

Kulturgüterschutz auf europarechtlicher £bene

175

§ 1 Bisherige Rechtslage

175

§ 2 Die Einführung des Binnenmarktes

177

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

178

A Entstehung und Entwicklung der Vorgabe

179

B. Ziel der Vorgabe

181

nsverzeichnis C. Regelungskompetenz der EG

181

D. Darstellung der geplanten Maßnahmen

183

I.

Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern

II.

183

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden

E. Bewertung der geplanten Maßnahmen I.

184 186

Die Schutzgegenstände der Verordnung und der Richtlinie

186

1. Die Verwendung des Begriffs nationales Kulturgut in Art. 1 der Verordnung

187

2. Die Kumulation von nationalem Kulturgut i.S.d. Art. 36 EWGV und europaeinheitlich festgelegten Warengruppen in der Richtlinie

188

3. Die Beschränkung beider Maßnahmen auf nationale und europäische Kulturgüter II.

189

Festlegung bestimmter Kategorien geschützter Kulturgüter in dem jeweiligen Anhang von Verordnung und Richtlinie

189

III.

Inkrafttreten der Maßnahmen

190

IV.

Sanktionierung

192

V.

Beschränkung der Rückgabeverpflichtung auf illegal exportierte Kunstgegenstände

VI.

193

1. Keine Entscheidung eigentumsrechtlicher Fragen

193

2. Kollision von Rückgabeanspruch und Eigentum

195

3. Der Kreis der Anspruchsberechtigten

195

Die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf eigentumsrechtliche Fragen nach erfolgter Rückgabe

196

VII. Entschädigung des Besitzers

197

VIII. Verjährungsfristen

198

IX.

199

Ausblick

2 Schmeinck

18

Inhaltsverzeichnis Fünfter

Teil

Zusammenfassung und Ergebnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis a. Α.

anderer Ansicht

A.C.

Law Reports, Appeal Cases

Abi. EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs.

Absatz

Abschn.

Abschnitt

AcP

Archiv für die Civilistische Praxis

Ala. App.

Alabama Appellate Court Reports

All E.R.

All England Law Reports

ALR

Allgemeines Landrecht fur die Preußischen Staaten

Am. J. Comp. L.

American Journal of Comparative Law

Am.J.Int.L.

American Journal of International Law

Amtl. Begr.

Amtliche Begründung

ÄndG

Änderungsgesetz

Anh.

Anhang

Anm.

Anmerkung

Ann. de A.A.A.

Annuaire de l'A.A.A. (Association des Auditeurs et Anciens Auditeurs de l'Académie de Droit International de la Haye

Art.

Artikel

AWD

Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters

BadWürtt

Baden-Württemberg

Bay

Bayern

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

Bek.

Bekanntmachung

Bern.

Bemerkung

Beri

Berlin

BG

Schweizer Bundesgericht

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

20 BGE

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Schweizer Bundesgericht, Amtliche Sammlung

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BR-Drucks.

Bundesrats-Drucksache

Brem

Bremen

Brit. Y.B. Int. L.

British Yearbook of International Law

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

Bull.civ.

Bulletin des arrêts des la cour de cassation, Chambres civiles

C. A.

Court of Appeal

Cass.civ.

Cour de Cassation, Chambre Civile

Cass.com.

Cour de Cassation, Chambre civile, Section commerciale

C.c.

Code civil

C.c.E.

Código civil Espaftol

ch.

chapter

Cir.

Circuit

Clunet

Journal du Droit International

C.M.L.R.

Common Market Law Review

Co. Rep.

Coke Reports

C.Pén.

Code Pénal

DB

Der Betrieb

D.C.

Recueil critique de Jurisprudence et de Législation Dalloz

DenkmSchG

Dento alschutzgesetz

Diss.

Dissertation

Doc.

Dokument

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

D.P.

Recueil Dalloz périodique et critique

E.D.N.Y.

Eastern District Court of New York

EA

Europa-Archiv

ECU

European Currency Unit

ed.

edition

EEA

Einheitliche Europäische Akte

EG

Europäische Gemeinschaften

EGBGB

Einfuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis Einl.

Einleitung

Eng.Rep.

English Reports

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EVO

EWG-Übereinkommen

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

F.2d

Federal Reporter (Second Series)

F.Supp.

Federal Supplement

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FG

Festgabe

Fn.

Fußnote

über

das

auf

vertragliche

Schuldverhältnisse anwendbare Recht vom 19. Juni 1980

Foro It.

Il Foro Italiano

FS

Festschrift

G.

Gesetz

Gaz. Pal

Gazette du Palais

GG

Grundgesetz

GRUR Int.

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil

H.L.

House of Lords

h.M.

herrschende Meinung

Hbg

Hamburg

Hess

Hessen

i.d.F.

in der Fassung

i.V.m.

in Verbindung mit

IECL

International Encyclopedia of Comparative Law

IheringsJb

Iherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts

ILM

International Legal Materials

insbes.

insbesondere

Int.Comp.L.Q.

The International and Comparative I ^ w Quarterly

IPG

Gutachten

zum

internationalen

und

ausländischen

Privatrecht IPR

Internationales Privatrecht

IPRax

Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts

IPRG

Gesetz zum Internationalen Privatrecht

22 IPRspr.

Abkürzungsverzeichnis Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts

it. Gass.

italienischer Cassationshof

IWF

Abkommen über den Internationalen Währungsfond

JbOstR

Jahrbuch für Ostrecht

Jg.

Jahrgang

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

K.B.

Law Reports, King's Bench Division

Kap.

Kapitel

KG

Kammergericht

KOM (SYN)

Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaft

KuSchG

Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung vom 6. August 1955

L.Quart.Rev.

The Law Quarterly Review

LG

Landgericht

lit.

litera

Ltd.

Limited

LUAB

Uniform law on the Protection of the Bona Fide Purchaser of Corporeal Movables

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

Mich.L.Rev.

Michigan Law Review

MünchKomm

Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Museum

Revue Trimestrielle publiée par l'UNESCO

Ν.E., N.E.2d

North Eastern Reporter (Second Series)

Nds

Niedersachsen

niederl.

niederländisch

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

No./Nr.

Nummer

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

ÖBGB1.

Österreichisches Bundesgesetzblatt

OLG

Oberlandesgericht

Q.B.

Law Reports of the Queen's Bench Division

RabelsZ

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Emst Rabel

Abkürzungsverzeichnis Ree. des Cours

Académie de Droit International, Recueil des Cours

RegE

Regierungsentwurf

Rev.crit.dr.int.privé

Revue critique de droit international privé

Rev.dr.unif.

Revue de Droit Uniforme

Rev.gen.(Jur.)

Revista general de legislacion y jurisprudencia

Rev.int.dr.comp.

Revue internationale de droit comparé

RG/RGZ

Reichsgericht,

Entscheidungen des Reichsgericht

in

Zivilsachen RGBl.

Reichsgesetzblatt

RhPf

Rheinland-Pfalz

Riv.dir.int.priv.proc.

Rivista di diritto internazionale privato e processuale

RIW

Recht der Wirtschaft

Rn.

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

Rz.

Randziffer

S.E.

Southeastern Reporter

Saarl

Saarland

SchlH

Schleswig-Holstein

Schweiz.

schweizerisch

SchweizJblntR

Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht

sec.

section

SJZ

Schweizerische Juristenzeitung

StAZ

Das Standesamt, Zeitschrift für Standesamtswesen

subsec.

subsection

SZ

Süddeutsche Zeitung

t.

tome

T.I.A.S.

Treaties and Other International Acts

Trib.civ.

Tribunal civil

Trib.com.

Tribunal de commerce

Trib.gr. inst.

Tribunale de grande instance

UFITA

Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht

U.S.C.

United States Code

UN Doc.

UN Dokument

UNCITRAL

United Nations Commission on International Trade L,aw

UNESCO

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

24

Abkürzungsverzeichnis

UNIDROIT

Institut international pour l'unification du droit privé

UNO

United Nations Organizations

UNTS

United Nations Treaty Series

US Q . App.

US Court of Appeal

v.

versus/von/vom

Verf.

Verfassung

VO

Verordnung

Vol.

Volume

WIB

Woche im Bundestag

WM

Wertpapier-Mitteilungen

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches

Recht und

Völkerrecht ZfRV

Zeitschrift fur Rechtsvergleichung

ZGB

Zivilgesetzbuch

Ziff.

Ziffer

zit.

zitiert

ZSchwR

Zeitschrift für Schweizerisches Recht

ZustimmungsG

Zustimmungsgesetz

ZVglRWiss

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

Erster Teil

Einleitung § 1 Problemstellung "One of the most noble incarnations of a people's genius is its cultural heritage , built up over the centuries by the work of its architects , sculptors , painters , engravers , goldsmiths and all the creators of forms, who have contrived to give tangible expression to the manysided beauty and uniqueness of that genius. " Mit diesen Worten leitet Amadou-Mahtor M'Bow, Generaldirektor der UNESCO, seine im Juni 1978 vor der Generalkonferenz gehaltene Rede ein. in der er zur Rückgabe der Kulturgüter an die Menschen aufruft, zu deren kulturellen Erbe sie gehören: "The men and women of these countries have the right to recover these cultural assets which are part of their being." 1 Diese Forderung greift in erster Linie das Verlangen zahlreicher Staaten auf, die sich in neuerer Zeit verstärkt um die Rückerlangung ihres nationalen Kulturbesitzes bemühen, der ihnen in der Vergangenheit in Zeiten kolonialer Beherrschung verlorengegangen ist 2 . Aber auch hinsichtlich der Kulturgüter, die in Kriegszeiten - speziell während und nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs - auf unrechtmäßige Weise außer Landes gebracht wurden, mehren sich Stimmen, die ihrer Hoffnung auf

1

A plea for the return of an irreplaceable cultural heritage to those who created it; Museum Vol. X X X I (1979) No. 1,S. 58. 2 Im Jahre 1969 wurde im Rahmen der 1. Panafrikanischen Kulturfestspiele in Algier die Forderung auf Rückgabe von Kulturgut an die Ursprungsländer laut, die vier Jahre später auf der 4. Gipfelkonferenz der Blockfreien in Algier erneuert wurde. Zur gleichen Zeit erhob General Mobutu Sese Seko, Präsident von Zaire, im Rahmen eines Kongresses des Internationalen Kunstkritikerverbandes in Kinshasa einen Anspruch auf Rückgabe aller während der kolonialen Besetzung ausgeführten Kulturgüter. Vgl. hierzu Ganslmayr, Vereinte Nationen 3/1980, S. 88. Einen Überblick über aktuelle Rückfiihrungsverlangen liefern v. Paczensky/ Ganslmayr, Nofretete will nach Hause, S. 184-188.

26

1. Teil: Einleitung

Rückerlangung dieser Gegenstände Ausdruck verleihen 3 . Berühmtes Beispiel hierfür stellen die von deutscher Seite angestrengten Bemühungen um Rückerlangung des Quedlinburger Domschatzes dar, der nach Kriegsende von dem amerikanischen Oberleutnant Joe T. Meador aus einem unterirdischen Depot illegal entwendet und seither in Texas verwahrt wurde 4 . Erneute Aktualität erlangte die Diskussion um Rechtsansprüche hinsichtlich unrechtmäßig ausgeführter Kulturgüter mit dem offiziellen Beginn der deutschrussischen Verhandlungen über die Rückgabe von im Krieg geraubten Kulturgütern im Februar 1993, die mit dem vereinbarten Austausch von Werken der Gothaer Bibliothek gegen eine ursprünglich der Bremer Kunsthalle gehörenden Sammlung bereits erste Erfolge zu verzeichnen hatten5. Das stetig wachsende Interesse an Kunst- und Kulturgütern als Sammelobjekte und die Bereitschaft, für ihren Ankauf immer höhere Summen zu zahlen, haben zu einem schwunghaften illegalen Handel mit Kunstgegenständen geführt 6. Von dem mit einem Jahresumsatz von sechs bis acht Milliarden D M angegebenen internationalen Kunsthandel 7 sollen schätzungsweise zwischen zwei und drei Milliarden D M auf gestohlene und geschmuggelte Kunstgegenstände entfallen 8. Private und öffentliche Kunstsammlungen in vielen Staaten waren und sind auch heutzutage noch in erschreckend hohem Maße dem Diebstahl ihrer Bestände ausgesetzt9. So hat allein die "International Foundation for Art Research" seit 1976 mehr als 35.000 Kunstdiebstähle registriert, wobei die Dunkelziffer erheblich höher liegen

3 Zu aktuellen Rückibrderungen von deutscher Seite vgl. Janßen, Dürer für Deutschland, Die Schätze der Nation kehren zurück, Die Zeit vom 28. September 1990, S. 17. 4

Ausführlich hierzu Spiegel vom 21. Januar 1991, S. 180-184 und SZ vom 7. November 1990,

S. 3. 5

FAZ vom 12. Februar 1993, S. 33; zu weiteren realisierten und geplanten Rückgaben vgl. FAZ vom 20. März 1993, S. 27. 6

Protty Restitutionspolitik der UNESCO in Zusammenarbeit mit Museen, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 157,158; Würtenberger, Universitas 22 (1967), S. 151,153 f. 7

v. Paczensky/Ganslmayr,

8

Nafziger,

9

Nofretete will nach Hause, S. 57.

19 International Lawyer (1985), S. 835.

Ausführlich hierzu INTERPOL, Museum Vol. X X V I (1974) No. 1, S. 4-8; Unesco Office of Public Information, Museum Vol. XLI (1989) No. 4, S. 248; Meyer, Geplünderte Vergangenheit, S. 254-293; Siehr, SJZ 1981, S. 189,190.

§ 2 Zielsetzung

27

dürfte 10 . Das Interesse am Ankauf von Kunst- und Kulturgütern durch zahlungskräftige Käufer aus anderen Ländern hat darüber hinaus einen wesentlichen Beitrag zu einer illegalen Ausfuhr der betreffenden Gegenstände unter Mißachtung der von den Ursprungsstaaten erlassenen Exportverbotsbestimmungen geleistet. Durch die Zunahme des länderübergreifenden illegalen Handels mit Kulturgütern und der damit einhergehenden weltweiten Betroffenheit ist der zunächst als rein innerstaatliches Problem verstandene Schutz des nationalen Kulturbesitzes vor Diebstahl und unrechtmäßigem Export zunehmend in das Blickfeld des internationalen Rechts gerückt. Bestärkt durch das gewandelte Bewußtsein, Kulturgüter nicht mehr allein in ihrer Bedeutung für das Ursprungsterritorium, sondern im Lichte ihrer Stellung als Teil des gemeinsamen Kulturerbes der Menschheit zu begreifen 11 , wird heutzutage mehr denn je die Notwendigkeit gesehen, einen von allen Staaten gemeinsam getragenen Kulturgüterschutz zu institutionalisieren 12 . § 2 Zielsetzung Die vorliegende Arbeit setzt sich zur Aufgabe, die internationalprivatrechtlichen und zivilrechtlichen Aspekte des Kulturgüterschutzes zu untersuchen. Dabei konzentriert sich die Untersuchung auf die für Kulturgüter bestehenden Gefahren des Diebstahls und des unrechtmäßigen Handels, sprich: der illegalen Ein- und Ausfuhr entgegen den nationalen Schutzregelungen. Aufgrund dieser thematischen Eingrenzung müssen die völkerrechtlich relevanten Aspekte des Kulturgüterschutzes außer Betracht bleiben. Insbesondere kann nicht auf die Rechtsproblematik um Rückgabeverlangen bezüglich solcher Objekte eingegangen werden, die in Zeiten kolonialer Vorherrschaft unter formaler Übereinstimmung mit den damaligen Rechtsbestimmungen

10

Spiegel, Bericht vom 26. März 1990, S. 293,294; FAZ vom 19. Januar 1991, S. 33. Nach Schätzungen eines früheren Interpol Mitarbeiters sollen weltweit gesehen jährlich etwa 50.000 Kunstgegenstände im Wert von 15 Milliarden D M gestohlen werden; Richard, Where is the museum of stolen art? International Herald Tribune vom 10./11. März 1984. 11 Dieses universale Verständnis geht zurück auf die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954 (BGBl. 1967 II S. 1235 ff), die das Kulturgut als Erbe der gesamten Menschheit betrachtet 12

Vgl. die Ausführungen im Zweiten Teil, § 3 (Internationale Maßnahmen im Bereich des Kulturgüterschutzes).

28

1. Teil: Einleitung

sowohl der Erwerber- als auch der Ursprungsländer außer Landes gebracht wurden 13 . Berührungspunkte zwischen internationalem Kulturgüterschutz und Europarecht werden insofern behandelt, als in diesem Bereich im Wege der Rechtsangleichung kollisionsrechtliche Bestimmungen zum Vertragsrecht geschaffen wurden und speziell für den Kulturgüterschutz ein Regelungsinstrumentarium auf Gemeinschaftsebene vorgeschlagen worden ist. Im Rahmen der Erörterung der zivil- und internationalprivatrechtlichen Aspekte des Kulturgüterschutzes werden zunächst die fur den Handel und die Eigentumsübertragung von Kulturgut einschlägigen kollisionsrechtlichen und materiellrechtlichen Bestimmungen verschiedener Rechtsordnungen dargestellt und auf ihre Konsequenzen und ihre Effektivität für eine Sicherung bestimmter Kunst- und Kulturgüter vor Raub und illegalem Handel hin überprüft. Mit Hilfe der hierdurch gewonnenen Ergebnisse soll dann untersucht werden, ob die einzelnen Schutzmechanismen für ein staatenübergreifendes Regelungsinstrumentarium zum Kulturgüterschutz auf internationaler Ebene geeignet sind. § 3 Gang der Untersuchung Die Arbeit liefert in einem ersten Teil Begriffsbestimmungen und grundlegende Aspekte des Kulturgüterschutzes, wobei zunächst die geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes dargestellt wird. Anschließend erfolgt eine Begriffsbestimmung des Terminus "Kulturgut" unter Zuhilfenahme nationaler und in internationalen Übereinkommen getroffener Definitionen. Zuletzt sollen die mit dem Kulturgüterschutz auf internationaler Ebene befaßten Institutionen und die Inhalte der bereits realisierten internationalen Maßnahmen vorgestellt werden. Der Hauptteil der Arbeit befaßt sich mit den internationalprivatrechtlichen Aspekten des Kulturgüterschutzes. Am Anfang steht dabei im ersten Abschnitt die Behandlung des internationalen Vertragsrechts mit einem Überblick über die staatsvertraglich vereinbarten und die nationalen kollisionsrechtlichen Regelungen. Hieran schließt sich eine Darstellung einzelstaatlicher Vorschriften zum Schutz vor illegaler Ausfuhr an, die dann auf ihre

13

Vgl. hierzu Rudolf, in: FS für Doehring, S. 853,865,866.

§ 3 Gang der Untersuchung

29

Wirksamkeit, speziell auf ihre Berücksichtigung in anderen Rechtsordnungen hin, untersucht werden. Im zweiten Abschnitt, der die Aspekte des internationalen Sachenrechts behandelt, werden zunächst die diesbezüglichen IPR-Regelungen einzelner Rechtsordnungen erläutert. Weiterhin wird untersucht, unter welchen Voraussetzungen die einzelnen Rechtsordnungen das Eigentum an Kulturgut übergehen lassen und welche Gefahren sich hieraus ergeben. Sodann werden Vorschläge für eine international einheitliche Regelung des internationalen Sachenrechts speziell im Hinblick auf Kulturgüter diskutiert. Der letzte Teil der Arbeit ist dem von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorgeschlagenen Regelungsinstrumentarium für einen Kulturgüterschutz innerhalb der Mitgliedstaaten gewidmet. Nach einer kurzen Darstellung der Entwürfe werden sie anhand der in den vorangegangenen Kapiteln der Arbeit gewonnenen Ergebnisse und Wertungen auf ihre Wirksamkeit und Effektivität hin untersucht.

Zweiter Teil

Grundlegende Aspekte des Kulturgüterschutzes § 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes A. Umgang mit Kulturgütern in der Antike

Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung hat der Umgang mit Kulturgütern in Kriegs- und Friedenszeiten einen wesentlichen Wandel erfahren. So war es in der Antike üblich, im Verlauf kriegerischer Auseinandersetzungen Kunstschätze der eroberten Gebiete als Trophäen des Triumphes zu behandeln und diese in die Heimat der Sieger zu verbringen 1 . Charakteristikum des Kunstraubes dieser Zeit war die dahinterstehende religiöse Motivation: Bei den beschlagnahmten Kulturgütern handelte es sich durchweg um Götterbilder und -symbole, die in dem Glauben, den besiegten Feind hierdurch seines göttlichen Schutzes berauben zu können, vom Ursprungsterritorium entfernt wurden 2 . Erstmals die Römer praktizierten bei ihren Feldzügen Kunstannexionen, bei denen neben Motiven wie der Sammelleidenschaft und der Triumphsucht vornehmlich rationale Gründe vorherrschten; man erkannte den wirtschaftlichen Wert von Kulturgütern 3 . Das Kulturgut der Besiegten wurde als "res nullius" 4 behandelt, das mit der Okkupation automatisch in das Eigentum der Sieger überging. Überzeugt davon, daß ihnen im Hinblick auf fremde Kulturschätze ein rechtmäßiges Kriegsbeuterecht zustehe, brachten Roms Armeen Kunstobjekte in großem Umfang im Triumphzug in ihre Heimat 5 .

1

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 6 ; Engstier, gütern im Rahmen des Völkerrechts, S. 78. 2

Die territoriale Bindung von Kultur-

Engstier, S. 78.

3

Engstier, S. 79.

4

Phillipson, The International Law and Custom of Ancient Greece and Rome, Bd.II, S. 243.

5

Reichelt, ZfRV 1990, S. 61,62; Merryman/Elsen,

Law, Ethics and the Visual Arts, Vol. 1, S. 2.

32

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

Kritik erfuhr diese Praxis zur damaligen Zeit nur vereinzelt: Neben Cicero, der aus moralischer Sicht die Verbringung und Zerstörung von fremden Kulturgütern anklagte 6 , verurteilte vor allem die Gruppe der Konservativen in Rom die Ambitionen ihrer Stadt, sich mit wertvollen griechischen Kunstschätzen zu schmücken7. Restitutionen, also Rückführungen von ehemals außer Landes gebrachten Kulturgütern an ihre Ursprungsorte, stellten eine Ausnahme dar. So gab Scipio Africanus der Jüngere (185 v.Chr.-129 v.Chr.) nach seinem Sieg über Karthago die den sizilianischen Städten geraubten und nach Karthago verschleppten Kunstschätze an diese zurück 8 . Augustus (63 v.Chr.-14 n.Chr.) restituierte nach der Eroberung des Ptolemäerreichs den Ephesern ihre nach Afrika verschleppten Kunstschätze9. In diesem Zusammenhang verdient das Verhalten der Sizilianer Beachtung, die gegen die systematische Plünderung ihres Landes durch Verres Klage auf Rückerstattung ihres Eigentums vor dem römischen Senat erhoben. Cicero als ihr Verteidiger verurteilte das Vorgehen hart und erreichte, daß Verres zu einer Geldstrafe verurteilt wurde und ins Exil ging. Eine Rückführung der sizilianischen Kunstschätze erfolgte jedoch nicht 1 0 . Abgesehen von diesen Einzelfällen verblieben die geraubten Kunstschätze in den Händen der Sieger.

B. Die Zeit des Westfälischen Friedens

Diese gemeinhin praktizierte Übung setzte sich mit wenigen Ausnahmen 11 bis etwa zur Mitte des 17. Jahrhunderts fort. Danach gewann der Gedanke der Mäßigung im Hinblick auf das kriegerische Verhalten gegenüber Menschen

6 Cicero, Zweite Rede gegen Verres, Erstes Buch, Rn. 46-61, Viertes Buch, Rn. 3-151, bei Cicero, Sämtliche Reden, Bd. III, S. 126-133, Bd. IV, S. 148-231. 7 Sickler, Die Wegnahme und Abführung vorzüglicher Kunstwerke aus den eroberten Ländern in die Länder der Sieger, S. 200 f. 8

Cicero, Zweite Rede gegen Verres, Viertes Buch, Rn. 73, bei Cicero, Sämtliche Reden, Bd. IV, S. 188. 9 10 11

Engstier, S. 83. Engstier, S. 82 f.

Karl der Große (747-814) entwickelte den Grundsatz, daß Kunstwerke an ihren Ursprungsorten verbleiben sollen, sofem nicht eine freie Zustimmung ihres Inhabers zu ihrer Verbringung vorliege, vgl. D'Arnoux, Objets et monuments d'art devant le droit des gens, S. 14. Seine These fand jedoch keinerlei Beachtung bei anderen Machthabern.

§ 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes

33

und Kulturwerken zunehmende Bedeutung 12 . Hugo Grotius (1583-1645) stellte erstmals Prinzipien zur Unantastbarkeit von Privatbesitz und staatlichem Eigentum im Krieg auf 1 3 . So kam es in der Folgezeit infolge der gewandelten Einstellung zum Kunstbeuterecht zu einer Reihe von Restitutionsregelungen in Friedensverträgen 14. Eine erste ausdrückliche Bestimmung hierzu enthielt der Westfälische Frieden von 1648 15 . Es folgten Restitutionsregelungen im Frieden von Oliva vom 23.4./3.5.1660 zwischen Brandenburg, Polen und Schweden bezüglich der von Schweden entwendeten Kunstschätze, unter denen sich - um nur die bekanntesten zu nennen - das Frauenburger Domkapitelarchiv mitsamt seiner Bibliothek von Kopernikus, die Bibliotheken von Bremen und Würzburg, sowie die königliche Bibliothek in Prag befanden. Weitere Rückgabebestimmungen enthielten der Vertrag von Nymwegen zwischen Spanien und Frankreich 16 sowie der Vertrag von Rykswik, in dem sich Frankreich zur Rückgabe zahlreicher Akten des Reichskammergerichts in Speyer verpflichtete 17 . In der Folgezeit erlangten die Lehren John Lockes (1632-1704), Jean Jacques Rousseaus (1712-1778) und Georg Friedrich von Martens (17561821) über die generelle Unantastbarkeit kulturellen Besitzes im Landkrieg zunehmende Beachtung 18 . Dies führte zu einer nahezu vollständigen Aufgabe von Kunstannexionen und zur Durchführung zahlreicher Restitutionen im 18. Jahrhundert 19 . C. Die napoleonischen Kriege - Kunstraub und spätere Restitutionen

Eine Kehrtwendung erfuhr diese Entwicklung im Verlaufe der napoleonischen Kriege (1803-1814), während derer Frankreichs Armeen getreu dem

12

Foramitti,

Kulturgüterschutz, S. 19.

13

Grotius, De iure belli ac pacis.

14

Fiedler,

Politik und Kultur 5/1987, S. 19,24.

15

§ 110 des Vertrages von Münster und § 15 des Vertrages von Osnabrück ordnen u.a. eine Rückführung von Archiven und literarischen Dokumenten an, die während der kriegerischen Besetzungen entfernt wurden ; D'Arnoux, S. 16 f. 16

Vgl.D'Arnoux, S. 18.

17

Engstier, S. 88,89.

18

Foramitti,

19

Engstier, S. 91.

3 Schmeinck

S. 20.

34

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

Vorbild der Antike Kulturgüter der eroberten Gebiete in bisher nicht erreichtem Ausmaß plünderten und sie fur das neueröffnete "Musée Napoléon", dem heutigen Louvre, nach Paris brachten 20 . Mit dem Sieg der Alliierten über Napoleons Armeen im Juni 1815 oblag den Siegermächten die Aufgabe, die in Paris angesammelten Kunstschätze ihren Ursprungsorten zurückzuerstatten. Die im Wiener Kongreß zur Neuordnung Europas vom Herbst 1814 bis zum Sommer 1815 zusammengekommenen Fürsten und Staatsmänner stimmten der Überzeugung des britischen Außenministers Castlereagh (1769-1822) zu, Kulturgüter seien "inseparable from the country they belonged" 21 und forderten die Rückerstattung sämtlicher nach Frankreich verbrachter Kulturgüter. Bei der Rückforderung beschränkte man sich nicht nur auf solche Kunstschätze, die mittels Zwang außer Landes gebracht wurden, sondern erklärte jede Art des Erwerbes, wie beispielsweise Übertragungen im Rahmen von Friedensverträgen, durch die sich Napoleon teilweise Kunstwerke angeeignet hatte 22 , fur ungültig: "...it does not appear that any middle line can be adopted, which does not go to recognize a variety of spoliations, under the cover of Treaties, if possible more flagrant in their character than the acts of undisguised rapine, by which these remains were in general brought together..," 23. Das konsequente Beharren der Alliierten bewirkte, daß zum Ende des Jahres 1815 die Kriegsbeute der Franzosen zum großen Teil in ihre Heimatländer zurückgelangte 24 . Unter den heimkehrenden Kulturschätzen befand sich auch die Quadriga des Berliner Brandenburger Tores 25 .

D. Das 19. Jahrhundert

Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es angesichts der wachsenden Überzeugung der Schutzwürdigkeit des kulturellen Erbes aller Nationen

2 0 Vogt, Die Kunstbeschlagnahmen im Zeitalter Napoleons und ihre Folgen, S. Merryman/Elsen, Law, Ethics, and the Visual Arts, Vol. 1, S. 17-19. 21

Abgedruckt bei Martens, Nouveau Recueil de Traités II, 1814-1815, S. 632-642.

22

Engstier, S. 110.

12-56;

23 Rede von Castlereagh, abgedruckt bei Martens, Nouveau Recueil de Traités, II, 1814-1815, S. 640. 24

Engstier,

25

S. 113.

Schmoller-Maier -Τ obier, Handbuch des Besatzungsrechts, Bd. 1, § 52 A; Merryman/Elsen, Law, Ethics, and the Visual Arts, Vol. 1, S. 18.

§ 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes

35

sowohl zur Schonung von Kulturgütern in kriegerischen Auseinandersetzungen als auch zu zahlreichen Restitutionen von Kulturgütern. So ist es während des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 nicht zu einer Antastung gegnerischen Kulturbesitzes durch die kriegsführenden Parteien gekommen 26 . Als Beispiel fïir eine Restitution mag das Verhalten der französischen Regierung im Jahr 1900 dienen, die alle Kunstgegenstände, die im Verlauf des Boxeraufstandes während der Besetzung Pekings durch europäische Mächte erbeutet worden waren, an China zurückgab 27 . Eine offizielle Absage an das Kriegsbeuterecht erteilte die Haager Landkriegsordnung (HLKO) von 1907 28 , deren Art. 56 Abs. 2 die Beschlagnahme "von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und Wissenschaft" untersagt. Der Geltungsbereich der HLKO beschränkt sich jedoch vornehmlich auf den Zeitpunkt nach Beendigung kriegerischer Auseinandersetzungen, während die Phase der Kampfhandlungen nur rudimentär in Art. 27 behandelt wird 2 9 . Dort heißt es, daß Gebäude der Kunst "so viel wie möglich" geschont werden "sollen". Schutzrichtung der HLKO ist - entsprechend ihrem Art. 25 - die Erhaltung des nationalen Kulturgutes eines jeden Staates30.

E. Der erste Weltkrieg

Während des 1. Weltkriegs (1914-1918) ist es zu Kunstrauben durch die kriegsführenden Armeen nicht gekommen. Die lediglich zu Schutzzwecken abtransportierten Kunstgegenstände wurden nach Beendigung der Kampfhandlungen an ihre Ursprungsorte zurückgeführt 31 . Der Versailler Vertrag vom 28.6.1919 zwischen dem deutschen Reich und den Ententemächten enthält mehrere Restitutionsregelungen 32, nach denen weggenommene, be-

26

D'Arnoux,

27

D'Arnoux,

S. 55. S. 57.

28

Auf der Haager Konferenz von 1907 von 41 Staaten bestätigt und auf den Seekrieg ausgedehnt. RGBl. 1910S. 107,256. Teilweise abgedruckt bei Foramitti, S. 22 f. 29 30

Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht, S. 15,16.

Mußgnug,

31 32

Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht, S. 15,17.

Engstier, S. 123.

Art. 238 enthält eine allgemeine Restitutionsregel, Art. 245 betrifft die Restitution speziell an Frankreich, Art. 246 schließlich regelt die Rückführung einzelner, dort normierter Kunstschätze; abgedruckt bei D'Arnoux, S. 64 f.

36

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

schlagnahmte oder sequestrierte Gegenstände, die als solche identifiziert werden konnten, zurückzugeben waren. Zur Erfüllung dieser Bestimmungen mußte Deutschland u.a. acht altflämische Altartafeln aus dem Berliner Kaiser Friedrich-Museum und der Alten Pinakothek in München an Belgien zurückgeben 33 .

F. Der zweite Weltkrieg

Mit Beginn des 2. Weltkriegs verschlechterte sich die Lage für den Kulturgüterschutz erheblich. Die zwangsweise Fortführung von Kunstgegenständen aus den besetzten Gebieten wird für die Zeit von 1939-1945 von einigen Stimmen als geradezu charakteristisch bezeichnet 34 . Zu unterscheiden sind in dieser Epoche die von deutscher Seite ausgehenden Tätigkeiten und solche seitens der alliierten Siegermächte. I. Umgang mit Kulturgütern

während der kriegerischen Auseinandersetzungen

1. Behandlung von Kulturgütern durch deutsche Stellen Von deutscher Seite aus wurden Kunstannexionen in den besetzten Gebieten in großem Umfang betrieben 35 . Überzeugt von der Idee, die antike und europäische Kunst habe ihren Ursprung in der germanischen Kultur, richtete man an allen okkupierten Orten Kunstschutzabteilungen ein, die zunächst für den Erhalt der betreffenden Gegenstände und sodann für ihre Verbringung nach Deutschland Sorge zu tragen hatten 36 . Die offiziell mit der Notwendigkeit einer Sicherstellung zu Schutzzwecken begründete Verbringung der Kunstschätze nach Deutschland vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, daß eine spätere Rückführung in den meisten Fällen nicht beabsichtigt war. Hitlers Pläne bezüglich der sequestrierten Gegenstände waren auf die Errichtung eines Zentralmuseums in Linz gerichtet, das Kunstschätze ganz Europas beherbergen und durch Umfang und Qualität alle bisherigen euro-

33

Friemuth, Die geraubte Kunst, S. 16.

34

UNESCO-Document CL 717 Annex IV, S. 46.

35

Vgl. zu Kunstplünderungen von deutscher Seite Merryman/Elsen,

36

Friemuth, S. 17.

Vol. 1, S. 20 f.

§ 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes

37

päischen Museen übertreffen sollte 37 . Unter den zahlreichen Kunstschätzen, derer man sich bemächtigte, befand sich auch das berühmte Bernsteinzimmer von Schloß Puschkin, welches nationalsozialistischem Befehl zufolge am 14. Oktober 1941 nach Königsberg abtransportiert wurde und im dortigen Schloß aufgebaut wurde, wo es im Februar 1944 auf bis heute noch ungeklärte Weise verschwand 38 . Die durch den systematischen Kunstraub in Deutschland angesammelten Gegenstände wurden - als sich gegen Ende des Krieges die Zahl der Luftangriffe erhöhte - gemeinsam mit einheimischen Museumsschätzen an geschützte Orte gebracht. Hierzu boten sich Schlösser, Klöster, Bergwerksminen und Salinen vornehmlich in Thüringen und im süddeutschen Raum an 3 9 . Nachdem die deutsche Führung im Frühjahr 1945 Informationen über die geplante Einteilung Deutschlands in verschiedene Besatzungszonen erlangte, wurde ein Großteil der allerorts ausgelagerten Kunstschätze in den süddeutschen Raum verbracht 40 . Besessen von der Idee, diese Schätze nicht in Feindeshand gelangen zu lassen, wurden in den letzten Kriegstagen teilweise Vorbereitungen zur Sprengung der Depots getroffen, zu denen es jedoch glücklicherweise nicht mehr kam 4 1 . 2. Behandlung von Kulturschätzen seitens der alliierten Siegermächte Mit dem Einzug der Alliierten in das besiegte Deutschland stießen diese nach und nach auf die einzelnen Kunstsammellager. Speziell die USA und die damalige Sowjetunion erlangten die Kontrolle über diejenigen Orte, in denen der Großteil der Kunstschätze lagerte 42 . a) Sowjetunion Nach der Besetzung Berlins durch die Rote Armee am 2. Mai 1945 entdeckten die Truppen innerstädtische Kunstdepots in den Flaktürmen Zoo und

37

Janßen, Dürer fììr Deutschland, Die Zeit vom 28. Sept. 1990, S. 17,18.

38

Friemuth, S. 20.

39

Renger, Politik und Kultur 5/1987, S. 39,42.

40

Friemuth, S. 40.

41

Janßen, Die Zeit vom 28. September 1990, S. 17,18.

4 2

Vgl. hierzu ausfuhrlich Renger, Politik und Kultur 5/1987, S. 39,42 f.

38

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

Friedrichshain sowie im unterirdischen Tresor der Neuen Münze 4 3 . Die dortigen Kunstschätze waren zuvor teils aufgrund zeitlicher, teils wegen technischer Probleme von deutscher Seite nicht mehr rechtzeitig ausgelagert worden. Durch ungeklärte Brände im Flakturm Friedrichshain sollen große Teile des dortigen Kunstbestandes zerstört worden sein. Mehr als 400 Gemälde, unter ihnen Werke von Rubens und van Dyck, bedeutende Stücke der Skulpturengalerie und des Museums für Völkerkunde fehlen seither. Einige Anhaltspunkte sprechen dafür, daß bestimmte Teile vor dem Brand durch die Truppen sichergestellt und heimlich verlagert worden sind 4 4 . Offiziell fielen den sowjetischen Truppen neben dem berühmten Pergamonaltar zahlreiche Stücke ägyptischer Großplastik sowie griechische und römische Skulpturen in die Hände, die alsbald in die Sowjetunion abtransportiert wurden 45 . Dort angekommen, wurden einige der Stücke, die teilweise in den letzten Kriegstagen noch beschädigt worden waren, sicher aufbewahrt und - sofern nötig - fachmännisch restauriert 46 . Russische Museumsoffiziere suchten im Sommer 1958 aus den Beständen die herausragendsten Stücke aus und veranstalteten mit finanzieller Unterstützung durch das sowjetische Kulturministerium Ausstellungen im Moskauer Puschkinmuseum und in der Eremitage in Leningrad, die sich als außerordentlich publikumswirksam erwiesen. Unmittelbar nach Beendigung dieser Ausstellungen wurden die Stücke verpackt und zusammen mit anderen Beständen ursprünglich deutschen Museumsgutes für einen Rücktransport in die damalige DDR vorbereitet 47 . Bedeutende Mengen von in die Sowjetunion verschleppten Kunstschätzen blieben jedoch an ihren neuen Aufbewahrungsorten, darunter mit großer Wahrscheinlichkeit auch der verloren geglaubte "Schatz des Priamos" 48 . b) USA Auch die amerikanischen Truppen stießen bei ihrer Besetzung auf zahlreiche Depots, in denen bedeutende Kunstschätze ausgelagert waren. Ihr Ziel

43

FAZ vom 11. Oktober 1990, S. 35.

4 4

Vgl. FAZ vom 11. Oktober 1990, S. 35.

4 5

Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland, Die Verluste, S. 8.

4 6

Grohn, The Burlington Magazine 101 (1959), S. 56,59; Janßen, Die Zeit vom 28. September 1990, S. 17,21. 4 7

Grohn, The Burlington Magazine 101 (1959), S. 56,59.

48

SZ vom 17./18. Oktober 1992, S. 17.

§ 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes

39

war es zum einen, die seitens der deutschen Truppen erbeuteten Kunstschätze anderer Nationen zu bergen und ihren Ursprungsländern zurückzugeben, zum anderen, deutsche Kulturgüter zu sichern und vor mutwilliger Zerstörung zu bewahren. Im August 1943 hatte der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt eine "Kommission zum Schutz und zur Rettung künstlerischer und historischer Monumente in Europa" ins Leben gerufen, die ihrerseits die Kunstschutzorganisation "Monuments, Fine Arts and Archives" (MFA&A) gründete, welche die anglo-amerikanischen Truppen bei ihrem Einzug nach Deutschland begleiten und die dortigen Kunstgegenstände sichern sollte 49 . Bei ihrem Eintreffen in den deutschen Depots mußte die Organisation feststellen, daß die ihnen zuvorgekommenen Offiziere des amerikanischen Counter Intelligence Corps (CIC) die Bestände bereits durchwühlt, Kisten aufgebrochen und die Inventarlisten mitgenommen hatten. So verwundert es nicht, daß auf diese Weise zahlreiche Kunstschätze verschwanden und Sammlungen nur unvollständig registriert werden konnten. Vage wurde vermutet, daß amerikanische Soldaten inoffiziell und illegal rund 10 % der vorgefundenen Schätze unbemerkt in ihre Heimat gebracht hatten 50 . Das seitens der amerikanischen Truppen und ihrer Kunstschutzoffiziere angetroffene Gut sollte nach einem offiziellen Beschluß des Office of Military Government for Germany (OMGUS) zu sog. Central Collecting Points 51 gebracht werden, wo es katalogisiert und über sein weiteres Schicksal entschieden werden sollte 52 . Mit dem behaupteten Zweck der Sicherstellung und der Pflege erlangte Vize-Militärgouverneur Clay die Erlaubnis, 200 Kunstwerke in die Staaten zu verbringen, die vom Direktor des New Yorker Metropolitan Museums aus den ihm zuvor übersandten Katalogen ausgewählt worden waren. Daß es sich hierbei um einen Vorwand handelte, kann unschwer daran gesehen werden, daß zum einen für diese Zwecke auch im ausgebombten Deutschland inzwischen durch die Initiative amerikanischer Kunstschutzoffiziere hinreichend Räumlichkeiten für ihre Aufbewahrung und Ausstellung geschaffen worden

4 9

Janßen, Die Zeit vom 28. September 1990, S. 17,18.

5 0

Janßen, Die Zeit vom 28. September 1990, S. 17,20.

51

Eingerichtet u.a. in Marburg, Wiesbaden und München.

52

Engstier, S. 149.

40

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

waren 53 , zum anderen für eine nur vorübergehende Sicherung die Verbringung an einen so weit entfernten Ort unverhältnismäßig erscheinen mußte. Entrüstet über die Durchführung des Abtransports unterzeichneten am 7. November 1945 zahlreiche KunstschutzofFiziere das "Wiesbadener Manifest" 54 , in dem sie sich gegen die Verbringung der Schätze sowie gegen die Verwendung der Tarnvokabel "Sicherungsverwahrung" richteten: "Keine historische Kränkung ist so andauernd und ruft soviel berechtigte Verbitterung hervor wie die Wegnahme...von einem Teil des kulturellen Erbes einer Nation...Es ist unsere Pflicht, einzeln und gemeinsam dagegen zu protestieren... Bei aller Verpflichtung vor dem Vaterland, dem wir Gehorsam schulden, gibt es unter zivilisierten Nationen die allgemeine Pflicht zu Gerechtigkeit und Anstand, zur Macht des Rechts, nicht der Gewalt." 55 Trotz dieses Aufrufes und des durch ihn verursachten Protestes konnten die Gemälde erst gemeinsam mit dem Großteil aller von den Amerikanern beschlagnahmten Bilder im Jahre 1948 an die einzelnen Bundesländer zurückgegeben werden 56 . Zurück blieben jedoch all die Kunstschätze, die von den amerikanischen Truppen nicht aufgefunden wurden, sondern von einzelnen Soldaten auf inoffizielle und illegale Weise außer Landes gebracht wurden. II. Restitutionen nach Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen Nach Beendigung des 2. Weltkrieges wurden die rechtlichen Grundlagen für Restitutionen außer Landes gebrachter Kulturgüter geschaffen. 1. Die von Deutschland zu leistenden Restitutionen a) Besatzungsrechtliche Bestimmungen Bereits während des Krieges legten die Alliierten in der sog. Londoner Deklaration vom 5. Januar 1943 57 fest, daß jede Übertragung von Eigentum an Deutschland sowie jeder Eigentumsübergang von Deutschland an andere

53

Friemuth,S.

54

Abgedruckt bei Friemuth, S. 106 f.

55

Friemuth, S. 107.

56

Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland, Die Verluste, S. 15.

57

Abgedruckt bei Schmoller-Maier-Tobler,

104.

Bd. 1, § 52 B; vgl. hierzu Foramitti,

S. 31.

§ 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes

41

Staaten für nichtig angesehen wird und nach Beendigung des Krieges durch die Alliierten nicht anerkannt werde. Neben dem Raub sollten auch scheinbar gesetzmäßige Übertragungsakte, "...transactions apparently legal in form..." für die Eigentumslage in einem späteren Zeitpunkt wirkungslos sein. Ziel dieser deklaratorischen Erklärung war es, einem späteren Einwand gutgläubigen Erwerbs - speziell durch Angehörige fremder Nationen - entgegentreten zu können 58 . Die Ankündigung in der Deklaration von London ist nach Beendigung des Krieges in einer Reihe von Gesetzen manifestiert und für Deutschland unmittelbar geltendes Recht geworden. Von ihnen seien hier nur die wichtigsten Vorschriften genannt 59 : aa) Kontrollratsproklamation Nr. 2 vom September 1945 Ziffer 19 a-c, in der die deutschen Behörden verpflichtet wurden, die von den Alliierten vorgeschriebenen Maßnahmen für die Rückerstattung durchzuführen 60 , bb) Militärregierungsgesetz Nr. 52 Àrt. 1 Abs. 2, durch das zusätzlich Vermögen, welches Gegenstand rechtswidriger Maßnahmen war, der Kontrolle durch die Militärregierung unterworfen wurde 6 1 , cc) Richtlinien des Kontrollrats für die Rückerstattung von Januar, März und April 1946 62 , dd) Anweisungen einzelner Besatzungsmächte • US-Zone: Military Government Regulations, Title 19 • Britische Zone: Zonal Executive Instruction Nr. 49 vom 24.10.1946. Gemeinsam ist diesen besatzungsrechtlichen Regelungen, daß sie - vergleichbar mit den Restitutionsregelungen nach dem 1. Weltkrieg - nur solche Gegenstände einer Restitutionspflicht unterwarfen, die identifizierbar waren und mittels Zwang oder Gewalt aus den besetzten Gebieten verbracht worden waren 63 .

58

Engstier, S. 139.

59

Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Weber, Die völkerrechtlichen Restitutionen, S. 67 ff.

6 0

Schmoller/Maier/Tobler,

Bd. 1, § 52, S. 7.

61

Schmoller/Maier/Tobler,

Bd. 1, § 52, S. 7.

62

In deutscher Übersetzung bei Schmoller/Maier/

63

Tobler, Bd. 1, § 52, S. 23 ff.

So spricht Title 18 der Military Government Regulations unter dem Punkt "restitution" (No. 106) von "identifiable looted works of art", wobei mit "loot" solche Gegenstände gemeint sind, die einem gewaltsamen Akt von "dispossession" unterlagen.

42

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

b) Der Überleitungsvertrag Zugleich mit den Bonner Verträgen zwischen den drei Westmächten und Deutschland vom 26.5.1952, dem sog. "Deutschlandvertrag" oder "Generalvertrag", wurde ein "Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen", der sog. "Überleitungsvertrag" unterzeichnet, der in seinem Teil V die Rückführung aller noch nicht rückerstatteter Kunstgegenstände anordnete und die Restitutionen damit endgültig beenden sollte 64 . c) Friedensverträge In den Friedensverträgen von 1947 wurden die Regierungen der ehemals mit Deutschland verbündeten Länder verpflichtet, das durch Gewalt oder Zwang aus den von Deutschland besetzten Gebieten verbrachte Eigentum den ursprünglich Berechtigten zurückzugeben 65. In Erfüllung dieser Verpflichtungen gelangten zahlreiche Kunstschätze wieder an ihre Ursprungsorte zurück: Belgien erlangte u.a. den berühmten Genter Altar der Gebrüder van Eyck zurück 6 6 , die Niederlande neben zahlreichen Gemälden holländischer Meister die Renaissance- und Barockjuwelen aus der Sammlung Mannheimer 67 . Nach Frankreich gelangten die Glasfenster des Straßburger Münsters sowie der Domschatz von Metz 6 8 , nach Österreich die Krönungsregalien und das Evangeliar Karls des Großen zurück 69 . 2. Die von alliierter Seite aus zu leistenden Restitutionen a) Maßnahmen der USA Unmittelbar nach Beendigung des Krieges im Jahre 1945 verpflichteten sich die USA zur Auslieferung aller geplünderten Kunstgegenstände, die sich auf

64

Engstier,

65

S. 143 f.

Art. 78 des Vertrages mit Italien, Art. 24 des Vertrages mit Rumänien, Art. 23 des Vertrages mit

Bulgarien, Art. 24 des Vertrages mit Ungarn, Art. 25 des Vertrages mit Finnland; Texte sämtlicher Friedensverträge finden sich bei Menzel, Die Friedensverträge von 1947, Bd. 1. 66

Engstier,

S. 153.

6 7

Dokumente des Europa-Archivs 1947, S. 56.

68

Dokumente des Europa-Archivs 1947, S. 56.

69

Engstier,

S. 154,155 m.w.N.

§ 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes

43

ihrem Territorium befanden 70 . Im Januar 1947 machte das War-Navy-Coordinating-Committee Vorschläge für die Rückgabe von "looted Objects of Art to Countries of Origin "71 und forderte von der amerikanischen Regierung "to return to their countries of origin those cultural objects which have been wrongfully taken and brought to the United States during and after the war". Zur Erleichterung der selbstauferlegten Restitution forderte das State Department im Jahre 1950 in einem Rundbrief 72 Universitäten, Museen, Bibliotheken und Kunsthändler auf, bei der Suche nach den betreffenden Gegenständen mitzuhelfen. Dank der angestrengten Aktivitäten konnten in der Folgezeit zahlreiche Kunstwerke an ihre europäischen Ursprungsorte zurückgeführt werden. Unter ihnen befanden sich der bedeutende Mainzer Psalter sowie wertvolle Gemälde von Rubens, Rembrandt und Dürer. 1955 noch konnten insgesamt 63 Gemälde des Kasseler Museums in Wien an den Museumsdirektor zurückgegeben werden 73 . b) Maßnahmen seitens der Sowjetunion Die Sowjetunion hat in einer Reihe von Vereinbarungen schrittweise seit 1953 zahlreiche Kunstschätze an die ehemalige DDR retourniert 74 . Unter diesen Transaktionen befand sich der berühmte Pergamonaltar, große Teile der Dresdener Galerie, der Skulpturensammlung, der Nationalgalerie sowie die gesamte Kollektion des Münzkabinetts 75 .

G. Rückführungen von Kulturgut in der jüngeren Vergangenheit

Im Rahmen jahrelanger Verhandlungen versuchte auch die Bundesrepublik, die Rückgabe verschollener Kunstwerke von der Sowjetunion zu erwirken. Schließlich konnte im Jahre 1989 durch die Außenminister Genscher und Schewardnadse ein Abkommen über den gegenseitigen Austausch von Kulturgütern geschlossen werden, zu dessen Vollzug im Oktober 1990 wertvolle Archivalien der ehemaligen Hansestadt Reval (heute Tallin), die bis dato im

7 0

Engstier, S. 168.

71

Department of State Bulletin, Februar 23, 1947, S. 358-360.

72

Abgedruckt im Magazine of Art, 44 (1951), S. 75.

7 3

Engstier, S. 170.

74

Vgl. hierzu Dokumente zur Außenpolitik der DDR, Ostberlin 1954-1959.

75

Janßen, Die Zeit vom 28. September 1990, S. 17,21; Engstier, S. 172.

44

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

Bundesarchiv in Koblenz lagerten, sowie Archivalien der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, die sich in Moskau befanden, den ursprünglich Berechtigten zurückgegeben wurden 76 . Eine weitere aktuelle Restitutionsregelung enthält der am 9. November 1990 unterzeichnete Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 77 . Dieser beinhaltet in seinem Art. 16 eine Bestimmung, nach der "verschollene oder unrechtmäßig verbrachte Kunstschätze... an den Eigentümer oder seinen Rechtsnachfolger zurückzugeben sind". Die westliche Fachwelt hofft, daß in Vollzug dieser Regelung viele bedeutsame Museumsschätze, von denen es teilweise bisher offiziell hieß, sie seien in den letzten Kriegstagen verbrannt oder zerstört worden, an ihre Ursprungsorte zurückkehren werden 78 . Auftrieb bekam diese seit langem gehegte Hoffnung durch einen Bericht des sowjetischen Kunstwissenschaftlers Alexej Rostorgujew von der Moskauer Universität in der Regierungszeitung "Iswestija", demzufolge in sowjetischen Archiven und Magazinen gewaltige Mengen von seit dem Zweiten Weltkrieg verschollenen und gesuchten Kunstschätzen aus westeuropäischem Besitz lagern sollen 79 . Unter den verborgenen Gegenständen soll sich neben berühmten Gemälden von Degas, Daumier, Rembrandt, Raffael, Tizian, Cézanne, van Gogh u.a. auch der von Schliemann im Jahre 1873 in Troia entdeckte "Schatz des Priamos" befinden 80 , den dieser 1881 dem deutschen Volk "zu ewigem Besitz und ungetrennter Aufbewahrung" geschenkt hatte und der seit Kriegsende als verschollen gilt. Am 24.3.1991 meldete auch die britische Zeitung "Observer", daß der Schatz des Priamos nicht - wie bislang teilweise vermutet - eingeschmolzen sei, sondern sich nach dem Bericht zweier sowjetischer Experten in der UdSSR befinde 81 .

76

FAZ vom 24. September 1990, S. 33.

77

Abgedruckt in EA 3/1991, D 85.

78

FAZ vom 5. Februar 1993, S. 37.

79

Inzwischen ist seitens des russischen Kultusministers Sidorow bestätigt worden, daß sich zahlreiche Kunstwerke deutschen Ursprungs in russischen Geheimdepots befinden, SZ vom 17./18. Oktober 1992, S. 17. 80 F A Z vom 27. März 1991, S. 33 sowie vom 12. April 1991, S. 33; SZ vom 20721. April 1991, S. 16. 81

FAZ vom 27. März 1991, S. 33; vgl. auch die Berichte im Zusammenhang mit den deutsch-russischen Verhandlungen über die Rückführung von Kulturgut, SZ vom 11. Februar 1993, S. 1.

§ 1 Geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes

45

Eine verstärkte Bereitschaft zur Rückgabe von Kulturgut zeichnet sich inzwischen durch die kooperativen Tätigkeiten zwischen Bremen und St. Petersburg aus. Nachdem große Teile der Sammlung der Kunsthalle Bremen in den Kriegswirren verlorengegangen und jahrelang in der Petersburger Eremitage versteckt gehalten wurden 82 , laufen derzeit Vorbereitungen des Museums für eine Ausstellung der "Beutekunstwerke", an denen sich Bremen beteiligt 83 . Über eine Rückgabe der Sammlung soll im Anschluß an die geplanten Ausstellungen in Bremen und St. Petersburg verhandelt werden 8 4 Mit dem offiziellen Beginn der deutsch-russischen Verhandlungen über die Rückgabe von im Krieg geraubten Kulturgütern vom 9. bis 11. Februar 1993 in Dresden sind die grundlegenden Voraussetzungen für die Restitution geraubter Kunstwerke festgelegt worden 85 . Hierbei beschränkte man sich zunächst auf praktische Regelungen wie den Rythmus weiterer Verhandlungsrunden und den Austausch von Verlustlisten 86 . Einen ersten Erfolg konnten die Gespräche jedoch bereits mit einer zugesicherten Rückführung von zahlreichen Werken der Gothaer Bibliothek und Teilen der Bremer Kunstsammlungen verzeichnen.

H. Zusammenfassung

Der geschichtliche Überblick hat gezeigt, daß der Umgang mit Kulturgütern über die Jahrhunderte hinweg einen wesentlichen Wandel erfahren hat. Mit dem Wegfall des legitimen Beuterechts hinsichtlich der Kulturschätze der besiegten Nation hat sich im Laufe der Zeit ein wachsendes Bewußtsein um ihre Schutzbedürftigkeit entwickelt. Über den Aspekt der Protektion vor Zerstörung hinaus wurde in zunehmendem Maße die Notwendigkeit erkannt, das nationale Kulturerbe als Teil des gesamten Kulturerbes der Menschheit an seinem Ursprungsort zu belassen bzw. wieder dorthin zurückzuführen.

82

FAZ vom 29. Juli 1992, S. 5.

83

FAZ vom 4. März 1992, S. 33; FAZ vom 29. Juli 1992, S. 5.

84 Für den stellvertretenden Direktor der Eremitage, Michail Piotrowski, ist eine Rückgabe der Stücke lediglich eine Frage der Zeit; vgl. FAZ vom 4. März 1992, S. 33; FAZ vom 29. Juli 1992, S. 5. 85

WIB, 6/1993, S. 48; FAZ vom 12. Februar 1993, S. 33.

86

FAZ vom 12. Februar 1993, S. 33.

46

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

§ 2 Definition von Kulturgut Eine Untersuchung des Kulturgüterschutzes setzt eine präzise Bestimmung des geschützten Objekts voraus. Dem allgemeinen Sprachgebrauch nach bezeichnet der Begriff "Kulturgut" einen Gegenstand, der als kultureller Wert Bestand hat und als solcher bewahrt w i r d 8 7 . Die nähere Betrachtung dieser Definition verdeutlicht, daß hierbei zwei Aspekte kumulativ miteinander verknüpft sind: Gefordert wird zum einen der kulturelle Wert, wobei Kultur in einem engeren Sinne die Handlungsbereiche bezeichnet, "in denen der Mensch auf Dauer angelegte und den kollektiven Sinnzusammenhang gestaltende Produkte, Produktionsformen, Lebensstile, Verhaltensweisen und Leitvorstellungen hervorzubringen vermag (Traditionen, Brauchtum)" 88 . Kultur wird hierbei als das von Menschenhand Geschaffene verstanden und dem Vorhandenen, Nicht-Gemachten - der Natur - gegenübergestellt. Hinzukommen muß zum anderen ein subjektives Moment: Es muß ein kollektives Interesse an der Bewahrung und Erhaltung solcher Zeugnisse menschlicher Kultur bestehen. Auf der Suche nach der Bedeutung des Begriffs "Kulturgut" in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen trifft man häufig wieder auf diese zwei Komponenten. Dabei kann vorweggeschickt werden, daß es keinen international einheitlich verwandten Rechtsbegriff gibt, die Definitionen vielmehr sowohl in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen, als auch in internationalen Abkommen variieren 89 .

A. Definitionen in nationalen Rechtsordnungen

An dieser Stelle soll anhand einiger Beispiele ein Überblick über die Begriffsbestimmung von Kulturgut in einigen Rechtsordnungen gegeben werden. So beschreibt beispielsweise das spanische Recht in einem Gesetz aus dem Jahre 1985 Kulturgüter als bewegliche und unbewegliche Objekte von künst-

87

Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 12, Stichwort: Kulturgut.

88

Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 12, Stichwort: Kultur.

89

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43,67; Koenig, General Report, in: Briat/ Freedberg, International Art Trade and Law, S. 157,163; Ress, Kultur und Europäischer Binnenmarkt, S. 24.

§ 2 Definition von Kulturgut

47

lerischem, historischem, paläontologischem, archäologischem, wissenschaftlichem und technischem Interesse nebst dokumentarischen und bibliographischen Arbeiten 90 . Italien spricht in seinem Gesetz No. 1089 vom 1. Juni 1939 von beweglichen Objekten, die von künstlerischem, historischem, archäologischem, paläontologischem oder ethnographischem Interesse sind 9 1 . Ausschlaggebend ist hiernach nicht der pekuniäre Wert des Gegenstandes, sondern die Überlegung, daß das Objekt aufgrund seines kulturellen Wertes in Italien verbleiben soll. Im deutschen Recht enthält das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 6. August 1955 92 Regelungen zu Kunstwerken und anderem Kulturgut, deren "Abwanderung...einen wesentlichen Verlust fur den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde" 9 3 , wobei zum Kulturbegriff neben Kunstwerken insbesondere wissenschaftliches, bibliothekarisches und archivarisches Gut zählen 94 . Ähnlich formuliert auch das österreichische Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut 9 5 , welches die Ausfuhr von Gegenständen geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung, sofern ihre Aufbewahrung im Inland im öffentlichen Interesse liegt, untersagt 96 . Portugal verwendet in einem neuen Schutzgesetz aus dem Jahre 1985 in Art. 1 den Begriff des portugiesischen Kulturerbes und zählt hierzu Werke, die eine spezielle Bedeutung für die kulturelle Identität und die Geschichte Portugals haben, unabhängig davon, ob es sich um Gegenstände portugiesischen Ursprungs handelt 97 .

90

Cremades , Spain, in: Briat/Freedberg , International Art Trade and Law, S. 53; Knapp , General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 11,22. 91 Knapp, General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat , International Sales of Works of Art, S. 11,25. 92

BGBl. 1955 I S. 501; abgedruckt in Sartorius NJW 1990, S. 1385-1390.

I, Nr. 510; näher hierzu Pieroth/Kampmann,

93

Vgl. § 1 des Kulturgüterschutzgesetzes.

9 4

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 2/76, S. 6.

95

Österreichisches Bundesgesetz vom 5. Dezember 1918 über das Verbot der Ausfuhr von Gegenständen von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung i.d.F. ÖBGB1. 1985, S. 253 und ÖBGB1. 1986, S. 391. 9 6 Vgl. Seidl-Hohenveldern, S. 25,26 ff. 97

Austria, in: Briat/

Freedberg,

International Art Trade and l^w,

Knapp , General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat , International Sales of Works of Art, S. 11,26.

48

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

Gemein ist den hier dagestellten Begriffsbestimmungen der Versuch, mittels allgemeiner Aufzählung klassischer Kunst- und Kulturbereiche einen möglichst breiten Kreis geschützter Objekte abzudecken. Bemerkenswert - angesichts der Verwendung der Definitionen in den jeweiligen Exportgesetzen jedoch verständlich - ist die oftmals anzutreffende Verbindung der allgemein gehaltenen Definition mit dem Erfordernis einer irgend gearteten Beziehung des betreffenden Gegenstands zum jeweiligen Land. B. Definitionen in internationalen Abkommen

Definitionen des Begriffs "Kulturgut" finden sich auch in einigen internationalen Abkommen. I. Haager Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten An erster Stelle zu nennen ist in diesem Zusammenhang die Haager Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten 9 8 , deren Art. 1 wie folgt lautet: Begriffsbestimmung

des Kulturguts

Kulturgut im Sinne dieser Konvention sind, ohne Rücksicht auf Herkunft oder Eigentumsverhältnisse: a) bewegliches oder unbewegliches Gut, das für das kulturelle Erbe aller Völker von großer Bedeutung ist, wie z.B. Bau-, Kunst- oder geschichtliche Denkmale religiöser oder weltlicher Art, archäologische Stätten, Gebäudegruppen, die als Ganzes von historischem oder künstlerischem Interesse sind, Kunstwerke, Manuskripte, Bücher und andere Gegenstände von künstlerischem, historischem oder archäologischem Interesse sowie wissenschaftliche Sammlungen und bedeutende Sammlungen von Büchern, Archivalien oder Reproduktionen des oben bezeichneten Kulturguts; b) Baulichkeiten, die in der Hauptsache und tatsächlich der Erhaltung oder Ausstellung des unter a) bezeichneten beweglichen Gutes dienen, wie z.B. Museen, größere Bibliotheken, Archive sowie Ber-

98

Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten in der Fassung vom 11. April 1967, BGBl. 1967 II S. 1235 ff.

§ 2 Definition von Kulturgut

49

gungsorte, in denen im Falle bewaffneter Konflikte das unter a) bezeichnete bewegliche Kulturgut in Sicherheit gebracht werden soll; c) Orte, die in beträchtlichem Umfange Kulturgut im Sinne der Unterabsätze a) und b) aufweisen und als Denkmalsorte bezeichnet sind. Der weltweit großen Akzeptanz dieses Abkommens ist es zu verdanken, daß in nahezu allen späteren Gesetzen einheitlich die Terminologie "Kulturgut" verwendet wurde". II. UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970 Beachtung verdient ferner das UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970 1 0 0 , das in seinem Art. 1 Kulturgut als das von jedem Staat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders bedeutungsvoll bezeichnete Gut definiert, welches einer der ausführlich und umfassend beschriebenen Kategorien angehört, die sodann aufgeführt werden. III. UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972 Nicht von Kulturgut, sondern von Kulturerbe spricht das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972 1 0 1 und nimmt in Art. 1 eine Definition vor, die insoweit über die Begriffsbestimmung der Haager Konvention von 1954 hinausgeht, als neben den davon geschützten Gegenständen auch solche Objekte geschützt sind, die rein natürlicher Herkunft sind, (z.B. Höhlen) bzw. sich als gemeinsame Werke von Mensch und Natur darstellen (z.B. archäologische Stätten).

99

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 12.

100

Abgedruckt in U.N.T.S., Bd. 823, S. 231 (Nr. 11806); 10 ILM (1971), S. 289; in deutscher Übersetzung bei Meyer, Geplünderte Vergangenheit, S. 294-303. 101

BGBl. 1977 II S. 215 ff.

4 Schmeinck

50

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

IV. Europäische Konvention betreffend

Straftaten gegen Kulturgüter

Schließlich enthält auch die Europäische Konvention betreffend Straftaten gegen Kulturgüter 1 0 2 in Anhang II eine sehr umfangreiche Auflistung verschiedener Kategorien von Kulturgütern, die sich inhaltlich etwa mit der Definition der Haager Konvention von 1954 decken, begrifflich jedoch erheblich detaillierter ist. Will man die in Einzelheiten voneinander abweichenden Umschreibungen auf eine gemeinsame Grundaussage bringen, so bedienen sich alle Abkommen weit angelegter und offener Definitionen, die das Erfassen zahlreicher schützenswerter Gegenstände ermöglicht.

C. Möglichkeiten einer international einheitlichen Begriffsbestimmung

Letztlich basieren alle in nationalen Rechtsordnungen und internationalen Abkommen verwendeten Definitionen, mögen sie auch generell gesehen keine einheitliche Regelung erkennen lassen, auf einem der folgenden drei Systeme: Enumeration, Klassifikation oder Kategorisierung 103 . I. Enumeration Das Enumerationssystem setzt eine genaue listenmäßige Erfassung jeden Gegenstandes, der geschützt werden soll, voraus 1 0 4 . Ein Schutz wird damit nur solchen Objekten zuteil, die einzeln als schützenswert registriert sind. Angewandt wird dieses System vornehmlich in Ländern, deren Rechtsordnungen auf dem Common Law basieren 105 . Diese Methode stellt sich als ineffektiv im Hinblick auf solche Gegenstände dar, die dem Gesetzgeber noch nicht zur Kenntnis gelangt sind, etwa weil sie zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht geschaffen oder entdeckt waren. Angesichts der praktischen

102

European Convention on Offences Relating to Cultural Property, European Treaty Series No. 119; abgedruckt auch in Briat, International Sales of Works of Art, S. 263-276. 103 O'Keefe, Export/Import Laws - Problems of Drafting and Implementation, in: Briat national Sales of Works of Art, S. 57,62. 1 0 4 105

Inter-

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 13.

Z.B. Gambia, The Monuments and Relics Act 1974, sect. 2; zitiert nach O'Keefe , Export/Import Laws - Problems of Drafting and Implementation, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 57,63.

§ 2 Definition von Kulturgut

51

Schwierigkeit, jeden betreffenden Gegenstand zu bezeichnen, liefe ein reines Enumerationssystem Gefahr, nur die bedeutendsten Stücke zu erfassen und damit einen nur lückenhaften Schutz zu bieten. Daher ist es üblich, neben der Enumeration noch eine generelle Definition einzufügen, die möglichst alle Kulturgüter erfaßt und diese unter den gesetzlichen Schutz stellen s o l l 1 0 6 . II. Klassifizierung Die Methode der Klassifizierung ist hauptsächlich in Frankreich und in den vom Code Civil beeinflußten Rechtsordnungen wie z.B. in Algerien anzutreff e n 1 0 7 . Erfaßt werden hierbei nur solche Gegenstände, die nach einer speziellen Einzelentscheidung einer hierzu ermächtigten Stelle für schutzwürdig erachtet wurden 1 0 8 . Wenn auch das Maß an Schutz für registrierte Objekte sehr hoch ist, liegen doch die Nachteile dieser Methode auf der Hand: Stücke, die sich in privatem Besitz befinden und von deren Existenz der Staat nichts weiß oder deren künstlerischer Wert unbekannt ist, genießen keinen Schutz. Im übrigen setzt die Durchsetzung dieser Methode das Vorhandensein einer Autorität voraus, die mit hinreichender Sachkenntnis und umfangreichen Hilfsmitteln ausgestattet ist. III. Kategorisierung Als letzte Möglichkeit der Bestimmung des Begriffs "Kulturgut" bietet sich die Kategorisierung an. Hierbei werden sehr allgemein gehaltene Beschreibungen und Definitionen dessen geliefert, was zu den Kulturgütern zu zählen ist. Anzutreffen ist diese Methode vornehmlich in internationalen Abkommen, so etwa in Art. 1 der UNESCO-Konvention von 1970 sowie in Art. 1 der Haager Konvention von 1954. Im Gegensatz zu den zuvor erörterten Methoden stellt die Kategorisierung die umfassendste Möglichkeit dar, alle in Betracht kommenden Objekte zu schützen. Angesichts der sehr offen gehaltenen

106

O'Keefe, Export/Import Laws - Problems of Drafting and Implementation, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 57,62. 107 Ο'Keefe, Export/Import Laws - Problems of Drafting and Implementation, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 57,64. Vgl. zur Regelung im belgischen Recht Haumont, Belgique, in: Briat/Freedberg, International Art Trade and Law, S. 31,32 ff. 108

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 13; O'Keefe, Export/Import Laws - Problems of Drafting and Implementation, in: Briat , International Sales of Works of Art, S. 57,64.

. Teil:

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Aspekte des Kulturgüterschutzes

Formulierungen birgt diese Methode jedoch auch die Gefahr der Rechtsunsicherheit in sich und benötigt zur genaueren Präzision und Eingrenzung der wirklich schützenswerten Gegenstände oftmals weitere, genauere Umschreibungen. IV. Wertung Will man zu einer internationalen Vereinheitlichung der Definition von Kulturgut gelangen, die unerläßliche Voraussetzung für einen universellen Schutz von Kulturgut eines jeden Staates ist, so sollte in einem internationalen Abkommen oder Einheitsgesetz übereinstimmend nach einer dieser Methoden, bzw. einer einheitlichen Kombination dieser Methoden verfahren werden. Angesichts der Unvollständigkeit, mit denen die zuerst genannten Verfahren der Enumeration und Klassifizierung den Kreis der geschützten Objekte nur zu bestimmen vermögen, sollte von einer international einheitlichen Begriffsbestimmung auf der Basis dieser Methoden abgesehen werden. Da allein die Kategorisierung eine weitestgehende Erfassung aller schutzwürdigen Objekte gewährleistet, sollte sie als Grundlage einer einheitlichen Regelung dienen. Hierfür spricht zudem der Aspekt, daß dieses Verfahren in der UNESCOKonvention von 1970 verwandt wird, der sich bislang bereits 68 Staaten angeschlossen haben 1 0 9 . Die große Anzahl von Staaten, denen diese Methode hierdurch bereits bekannt ist, läßt vermuten, daß eine Vereinheitlichung auf dieser Grundlage auf breitere Akzeptanz als die Verwendung einer anderen Methode stoßen würde. Die bereits angesprochenen Probleme der Ungenauigkeit und damit einhergehenden Rechtsunsicherheit, die sich aus der Verwendung allgemein gehaltener Definitionen ergeben, können zwar nicht geleugnet werden, stellen sich jedoch bei genauerer Betrachtung als nicht allzu gravierend dar. Wenn auch durch die Verwendung dieser Definitionsmethode zahlreiche Objekte erfaßt werden, für die ein globaler Schutz nicht in jedem Fall gerechtfertigt ist - etwa weil es sich um Werke noch lebender Künstler handelt, für die ein legitimes Interesse an Ausstellung und Verkauf außerhalb ihres Entstehungsortes bestehen kann - so läßt sich bestimmten Ausnahmefällen durch die Aufnahme zusätzlicher Bedingungen, wie beispielsweise Alter oder pekuniärer Wert des Gegenstandes, auch im Einzelfall gerecht werden. Mittels solcher Ein-

109

Clément , Museum Vol. XLII (1990) No. 4, S. 228.

§ 3 Internationale Maßnahmen im Bereich des Kulturgüterschutzes

53

schränkungen, die entweder generell normiert oder im jeweiligen Einzelfall berücksichtigt werden können, ist eine Beschränkung der Definition auf die wirklich schützenswerten Objekte möglich. Durch die Zugrundelegung der Kategorisierungsmethode kann insgesamt betrachtet der Kreis der schutzbedürftigen Werke weitestgehend lückenlos ermittelt werden. Im Sinne eines umfassenden Kulturgüterschutzes wäre somit eine einheitliche Anwendung dieses Definitionsweges zu begrüßen. § 3 Internationale Maßnahmen im Bereich des Kulturgüterschutzes Im folgenden soll nun untersucht werden, inwieweit ein Kulturgüterschutz auf internationaler Ebene bislang realisiert wurde, welche Aktivitäten auf diesem Gebiet zu verzeichnen und welche Organisationen hiermit befaßt sind. Kulturgüterschutz stellt ein weltweites Anliegen dar. Nahezu jeder Staat der Erde ist bemüht, den Bestand seines nationalen Kulturguts zu sichern, bzw. abhanden gekommene Objekte zurückzuerlangen 110 . Der Schutz von Kulturgütern vor Diebstahl und illegalem Export wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorwiegend mittels nationaler Rechtsvorschriften von jedem Staat autonom mit Blick lediglich auf das eigene Kulturgut praktiziert. Angesichts des wachsenden Bewußtseins um die Bedeutung der Kulturschätze aller Nationen fur die gesamte Menschheit erkannte man zunehmend die Notwendigkeit, den einzelstaatlich verankerten Kulturgüterschutz durch Maßnahmen auf internationaler Ebene zu ergänzen.

A. Bemühungen um einen weltweiten Kulturgüterschutz

Die Entwicklungen zu einem verstärkten Kulturgüterschutz auf internationaler Ebene sind zum großen Teil durch Aktivitäten der Vereinten Nation e n 1 1 1 und ihren Sonderorganisationen, speziell der UNESCO, vorangetrieben

110

Zu den einzelstaatlichen Regelungen im Bereich des Kulturgüterschutzes vgl. die Ausführungen im Dritten Teil, S. 73-80. 111

Vgl. die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 22. Oktober 1987 mit 123 JaStimmen bei 15 Enthaltungen westlicher Länder verabschiedete Resolution über die Rückgabe und Restitution von Kulturgut an die Ursprungsländer (UN Doc. A/RES/42/7). Abgestellt wird hierin auf "the Importance Attached by the Countries of Origin to the Return of Cultural Property which is of Fundamental Spiritual and Cultural Value to them, so that they may Constitute Collections Representative of their Cultural Heritage".

54

. Teil:

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Aspekte des Kulturgüterschutzes

worden 1 1 2 . Als erstes internationales Abkommen in diesem Bereich wurde im Jahre 1954 die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgütern im Falle bewaffneter Konflikte 1 1 3 geschaffen, welche die Schädigung von Kulturgut nicht nur in Bezug auf das jeweilige Herkunftsland, sondern mit Blick auf die Schädigung des kulturellen Erbes der gesamten Menschheit verurteilt 1 1 4 . Die Konvention untersagt explizit Diebstahl, Plünderung, sowie sonstige rechtswidrige Inbesitznahmen von Kulturgütern während kriegerischer Auseinandersetzungen und ordnet eine Respektierung allen Kulturguts an. (Art. 4 Nr. 1, 3) Im Jahre 1970 folgte ein UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut 1 1 5 , welches sich vornehmlich mit dem Kulturgüterschutz in Friedenszeiten befaßt. Im Vordergrund steht dabei der Transfer gestohlener und illegal aus- bzw. eingeführter Kulturgüter, für die eine Rückführungspflicht angeordnet wird. (Art. 7 lit. b ii) Als weiteres Projekt der UNESCO in diesem Bereich ist das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 16. November 1972 1 1 6 zu nennen. Im Mittelpunkt hierbei stehen unbewegliche Kulturgüter wie Monumente, Gebäudeeinheiten sowie landschaftliche Einheiten, die sich als Kombinationen menschlicher Arbeit und natürlichen Gegebenheiten darstellen. Die Konvention bemüht sich um einen speziellen Schutz universeller Werte, die in einer sogenannten World Heritage List registriert werden, wodurch ein Mindestbestand schutzwürdigen Kulturguts ermittelt werden s o l l 1 1 7 . Neben diesen realisierten Übereinkommen nahm sich UNESCO auch in der Folgezeit auf zahlreichen Konferenzen den Problemen des internationalen

112 Fiedler, Politik und Kultur 5/1987, S. 19,25 f.; Prott, Restitutionspolitik der UNESCO in Zusammenarbeit mit Museen, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 157-162. 11 * Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten in der Fassung vom 11. April 1967, BGBl. 1967 II S. 1235 ff. 114 So stellt die Präambel darauf ab, "daß jede Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volke es gehört, eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit bedeutet, weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet". 115

Abgedruckt in: U.N.T.S. Bd. 823, S. 231 (Nr. 11806); 10 I L M (1971), S. 289. In deutscher Übersetzung bei Meyer, Geplünderte Vergangenheit, S. 294-303. 116

BGBl. 1977 II S. 215 ff.

117

Fiedler,

Politik und Kultur 5/1987, S. 19,28.

§ 3 Internationale Maßnahmen im Bereich des Kulturgüterschutzes

55

Kulturgüterschutzes a n 1 1 8 . Auf der 20. Generalkonferenz der UNESCO in Paris im Oktober 1978 wurde ein "Zwischenstaatlicher Ausschuß für die Förderung der Rückführung von Kulturbesitz in sein Ursprungsland bzw. im Falle unerlaubter Aneignung seiner Rückgabe" (Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in Case of Illicit Appropriation) eingesetzt. Dieses Kommitee, das sich aus Vertretern von 20 Staaten zusammensetzt, verfolgt in erster Linie die Aufgabe, durch Förderung des Abschlusses bilateraler Abkommen die Restitution solcher Objekte durchzusetzen, die im Verlauf kolonialer oder sonstiger fremder Besetzung des Landes verlorengegangen sind 1 1 9 . Zusätzlich gehen die Bemühungen dahin, den betroffenen Ländern beim Aufbau einer musealen Infrastruktur zu helfen, sowie den internationalen Austausch von Kulturgütern zu fördern 1 2 0 . Die detailliertesten Regeln zu den zivilrechtlichen Aspekten des internationalen Kulturgüterschutzes enthält das UNESCO-Übereinkommen von 1970. Diese Konvention ist zwar weltweit von einer großen Anzahl von Staaten ratifiziert worden, hat jedoch in den westeuropäischen Staaten mit Ausnahme Italiens keine Übernahme gefunden 121 . Die fehlende Bereitschaft zum Beitritt kann größtenteils auf die in Art. 7 der Konvention normierte strikte Regelung zum Eigentumserwerb zurückgeführt werden, die eine Rückführungspflicht auch hinsichtlich gutgläubig erworbener Gegenstände anordnet. Eine derart umfassende Rückerstattung wurde als zu große Abweichung von den einzelnen nationalen Zivilrechtsregelungen angesehen und konnte sich insofern nicht weltweit durchsetzen 122 . Da es sich bei den der Unterzeichnung ferngebliebenen westeuropäischen Staaten aufgrund ihres wirtschaftlichen Wohlstands und ihrer teils früheren Stellung als Kolonialmächte oftmals gerade um solche Länder handelt, die Kunstwerke anderer Nationen in größerem Umfang beherbergen, war dem Übereinkommen im Hinblick auf seine Zielsetzung - die Rückführung solcher Kunstgegenstände, die entgegen den Rechtsvorschriften des Herkunftsstaates

118 Vgl. ausführlich hierzu Ganslmayr, Vereinte Nationen 3/1980, S. 88 f.; einen zeitlichen Überblick über die Aktivitäten der UNESCO liefert Museum, Vol. X X X I (1979) No. 1, S. 61. 119

Fradier,

Museum Vol. X X X I (1979) No. 1, S. 2.

120

Fradier,

Museum Vol. X X X I (1979) No. 1, S. 2.

121

Siehr, SJZ 1981, S. 189,196; Reichelt, IPRax 1986, S. 73,74.

122

Reichelt, IPRax 1986, S. 73,74.

56

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet verbracht worden sind - kein großer Erfolg beschieden. Aus dieser Situation heraus entschied sich die UNESCO für eine neuerliche Initiative zur internationalen Regelung des Kulturgüterschutzes und beauftragte das in Rom sitzende Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) zur Erarbeitung einer Studie über den Schutz des gutgläubigen Erwerbs von Kulturgut. UNIDROIT erstellte in der Folgezeit Forschungsarbeiten, die sich mit den zivilrechtlichen und internationalprivatrechtlichen Aspekten des Kulturgüterschutzes befaßten 123 . Am 26. Januar 1990 wurde in Rom im Rahmen einer internationalen Expertenkommission ein Vorentwurf über ein "Übereinkommen über die Restitution von gestohlenen und die Rückführung von unerlaubt ausgeführten Kulturgütern" vorgestellt, das detaillierte Regelungen enthält, die illegale Kulturexporte ermitteln und ihren Schutz in anderen Ländern sichern sollen 1 2 4 . Der Entwurf, der vornehmlich auf Versuchen beruht, das materielle Recht zu vereinheitlichen 125 , befindet sich derzeit noch im Stadium der Beratung durch Regierungsexperten 126 . Eine weitere Initiative für ein internationales Abkommen zum Kulturgüterschutz ist auf Arbeiten des Institut de Droit International zurückzuführen, das im Rahmen seiner 65. Session vom 26. August bis 3. September 1991 in Basel eine Resolution zum "Internationalen Kauf von Kunstgegenständen unter dem Blickwinkel des Schutzes des kulturellen Erbes" 1 2 7 beschlossen hat. Der Vorschlag, der sich auf die Aspekte des Diebstahls und der Ausfuhr von Kunstwerken unter Verletzung der Exportvorschriften des Herkunftslandes konzentriert, will diesen Gefahren durch eine kollisionsrechtliche Sonderbehandlung begegnen 128 .

123

Reichels Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43 ff.; Revue de Droit Uniforme 1988 I (deuxième étude), S. 52 ff. 124

Preliminary Draft Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects Approved by the UNIDROIT Study Group on the International Protection of Cultural Property (1990); vgl. hierzu Proti , Restitutionspolitik der UNESCO in Zusammenarbeit mit Museen, in: Reichelt , Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 157,160. 125

Rigaux, RabelsZ 56 (1992), S. 547,551.

126

Reichelt,

in: Reichels Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 31,35 f.

127

La vente internationale d'objets d'art sous l'angle de la protection du patrimoine culturel; abgedruckt in RabelsZ 56 (1992), S. 568-571. m

Rigaux,

RabelsZ 56 (1992), S. 547,551.

§ 3 Internationale Maßnahmen im Bereich des Kulturgüterschutzes

57

Im gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen damit für einen universellen Kulturgüterschutz mehrere Lösungsansätze. Gerade die in neuerer Zeit erarbeiteten Vorschläge für eine staatenübergreifende Regelung zum Schutz von Kunstund Kulturgüter dokumentieren die Notwendigkeit eines internationalen Instrumentariums. Es bleibt abzuwarten, ob die Empfehlungen als internationale Übereinkommen ausgestaltet und als solche von den Staaten übernommen werden. Die bislang geltenden Staatsverträge können die Probleme des illegalen Kunst- und Kulturhandels jedenfalls nicht in ausreichender Weise lösen, da sie teilweise einen nur begrenzten Regelungsbereich aufweisen und es ihnen insgesamt an einer weltweiten Akzeptanz mangelt. B. Bemühungen um einen Kulturgüterschutz innerhalb der europäischen Staaten

Um einen Kulturgüterschutz auf europäischer Ebene ist vornehmlich der Europarat bemüht 1 2 9 . Bislang sind in diesem Bereich drei Verträge geschlossen worden. An erster Stelle zu nennen ist die European Convention on the Protection of the Archaeological Heritage 130 von 1970, die derzeit sechzehn Mitgliedstaaten aufweist. Ziel dieses Übereinkommens ist es, den Transfer von archäologischen Objekten aus illegalen Ausgrabungen oder von unrechtmäßig entwendeten Stücken aus genehmigten Ausgrabungen zu verhindern. Weitere Regelungen enthält die European Convention for the Protection of the Architectural Heritage 131 von 1985, der sich bereits vier Staaten angeschlossen haben. Art. 1 des Abkommens definiert das architektonische Erbe als Monumente, Gebäudegruppen und Plätze. Art. 5 enthält Bestimmungen über das Entfernen, den Abbruch, den Transfer und den Wiederaufbau der geschützten Monumente an anderer Stelle. Mit den strafrechtlichen Aspekten des internationalen Kulturgüterschutzes befaßt sich die European Convention on Offences Relating to Cultural Property 1 3 2 , die seit 1985 zur Unterzeichnung offensteht, bislang jedoch mangels einer ausreichenden Zahl von Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten

129 Zu den Aktivitäten des Europarats vgl. Hondius , Activities of the Council of Europe, in: Briat , International Sales of Works of Art, S. 81-87. 130

European Treaty Series No. 66.

131

European Treaty Series No. 121.

132

European Treaty Series No. 119.

58

. Teil:

rnlee

Aspekte des Kulturgüterschutzes

i s t 1 3 3 . Ihr Ziel ist es, die das Kulturgut importierenden Staaten zu einer Zusammenarbeit mit den Ausfuhrstaaten in der Weise zu verpflichten, daß eine Restitution derjenigen Gegenstände zu erfolgen hat, die aufgrund einer deliktischen Handlung auf dem Territorium eines Mitgliedstaats diesem abhandengekommen sind. (Art. 6) Die Konvention enthält darüber hinaus keine Regelungen zum gutgläubigen Eigentumserwerb an gestohlenen und abhandengekommenen Sachen 134 . Allen drei Übereinkommen ist gemeinsam, daß sie lediglich ihre Mitgliedstaaten berechtigen und verpflichten, jedoch keine Regelungen für den internationalen Handel mit Kunst- und Kulturgütern unter Privaten beinhalten 135 . Darüber hinaus werden hiervon zum einen nur Teilaspekte des Kulturgüterschutzes berührt, zum anderen liefern die Abkommen keine Lösungen für bereits abhandengekommene Gegenstände. Somit besteht derzeit auch europaweit gesehen kein länderübergreifender Schutz vor illegalem Handel mit Kulturgütern. Vor dem Hintergrund dieser Situation befaßt sich derzeit die Kommission der Europäischen Gemeinschaft mit einem Kulturgüterschutz innerhalb der EG-Mitgliedstaaten und plant in diesem Bereich zwei Maßnahmen. Dem Rat ist zunächst ein "Vorschlag für eine Verordnung des Rates betreffend die Ausfuhr von Kulturgütern" vorgelegt worden, der Regelungen zum Warenverkehr mit Drittländern enthält 1 3 6 . Zusätzlich wurde ein "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaates verbracht wurden" erstellt 1 3 7 . Beide Vorschläge werden im letzten Teil der Arbeit detailliert dargestellt und

133

Hondiu s,

Activities of the Council of Europe, in:

Briat,

International Sales of Works of Art,

S. 81,83. 134 Der Vorentwurf dieser Konvention enthielt in seinem Art. 12 eine Regelung zum gutgläubigen Erwerb, die jedoch gestrichen wurde; vgl. hierzu Hondius, Activities of the Council of Europe, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 81,85. 135

Hondius, Activities of the Council of Europe, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 81,86. 136

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, KOM (91) 447 - SYN 382, S. 35-42.

137

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, KOM (91) 447 - SYN 382, S. 43-54.

§ 3 Internationale Maßnahmen im Bereich des Kulturgüterschutzes

59

auf ihre Effektivität für einen länderübergreifenden Kulturgüterschutz hin untersucht 138 . Wie die angestellten Erörterungen gezeigt haben, bestehen im Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes zahlreiche regionale und weltweite Abkommen, die den rechtlichen Problemen des Kulturgüterschutzes auf zwischenstaatlicher, internationaler Ebene begegnen wollen. Angesichts der jeweils begrenzten Regelungsbereiche und der teilweise geringen Anzahl der Vertragsparteien vermögen die bisher geschlossenen Abkommen jedoch die Rechtsprobleme des Kulturgüterschutzes in nur unvollständiger Weise zu lösen. Für die wesentlichen Rechtsfragen fehlt es derzeit noch an einem geschlossenen Regelungsnetz auf regionaler und internationaler Ebene.

138

Vgl. Vierter Teil der Arbeit.

Dritter Teil

Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes Erster Abschnitt Internationales Vertragsrecht § 1 Kulturgüter als Handelsware Mit dem wachsenden Wunsch nach Besitz von Kunst- und Kulturgütern aufgrund materieller und ideeller Interessen ist der Handel hiermit in zunehmendem Maße gestiegen. In einem Zeitalter, in dem selbst große Entfernungen kein unüberbrückbares Hindernis mehr darstellen und dem internationalen Handel über die eigenen Staatsgrenzen hinweg eine immer größere Bedeutung zukommt, werden beim Handel mit Kulturgütern oftmals mehrere Rechtsordnungen berührt, sei es, daß Parteien verschiedener Nationalität beteiligt sind, sei es, daß der betreffende Gegenstand in das Territorium eines anderen Staates verbracht wird. Ein solcher grenzüberschreitender Verkehr von Kunstschätzen mag durchaus positive Effekte erzielen, vergegenwärtigt man sich, daß hierdurch einem breiten Publikum Kunst fremder Nationen zugänglich gemacht wird, was zu einem erhöhten Verständnis für die Entwicklung fremder Kulturen 1 und damit letztlich zu einer friedlichen Koexistenz der Völker fuhren kann. Nicht immer jedoch stehen diese Aspekte im Vordergrund: In der Praxis gelangen ausländische Kunstschätze häufig in Privatbesitz und können eben nicht einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Oftmals fehlt es auch an dem Aspekt des Kulturaustauschs, stellt sich der Handel mit Kulturgütern eben nicht als gegenseitige Präsentation des "patrimoine culturel" dar;

1

Bator , Stanford Law Review 34 (1982), S. 275,307.

62

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

vielmehr erfolgt ein einseitiges Aufkaufen der Kulturschätze bestimmter, vorwiegend armer Nationen 2 . So waren außereuropäische Staaten, namentlich Länder Lateinamerikas und Afrikas, in starkem Maße dem Ausverkauf, aber auch dem Raub und heimlichen Schmuggel ihres Kulturerbes ausgesetzt3. Begünstigt wurde diese Situation durch den großen, häufig noch unentdeckten Reichtum dieser Länder an Kunstschätzen (z.B. präkolumbianische Kunst Lateinamerikas), der Armut eines Großteils ihrer Bevölkerung sowie dem steigenden Interesse der Industrienationen an Kunstschätzen aus der Dritten Welt 4 . Beim Handel mit Kulturgütern konkurrieren nun unterschiedliche Aspekte miteinander: Weder zu starker Protektionismus, noch eine zu liberale Handelspolitik vermögen in der Zukunft einen Ausgleich zwischen dem Erhalt nationalen Kulturguts in ihren Ursprungsterritorien einerseits und einem die Völkerverständigung fordernden Austausch von Kunstschätzen andererseits zu schaffen. Eine unter allein nationalem Anspruchsdenken praktizierte totale Handelsbeschränkung für Kunstschätze würde jeden positiven Aspekt des Austausches von Kulturgut zunichte machen5. Andererseits bestünde bei einem gänzlich fehlenden Regelungsinstrumentarium für den Handel mit Kulturschätzen in den jeweiligen Rechtssystemen die konkrete Gefahr des völligen Ausverkaufs nationaler Zeugnisse vergangener Epochen. Angesichts der Bedeutung von Kulturgut für das Selbstverständnis der Völker und seiner Besonderheit im Vergleich zu anderen Handelsgütern, daß es in nur begrenztem Maße vorhanden, einzigartig und nicht reproduzierbar ist, erfordert dieser Bereich ein spezielles Regelungsinstrumentarium, das sensibel die positiven und negativen Auswirkungen des internationalen Austausches von Kunstwerken gegeneinander abwägen muß und einen zufriedenstellenden

2

Byrne-Sutton, Le trafic international des biens culturels sous l'angle de leur revendication par l'Etat d'origine, S. 39. 3

Rudolf, in: FS für Doehring, S. 853,866.

4

Hanisch, in FS für Müller-Freienfels, S. 193,194; Rogers, Law and Policy in International Business 5 (1973), S. 934, spricht in diesem Zusammenhang davon, daß "...aided by accidents of geography and history, and driven by the law of supply and demand, the traffic typically originates in Latin America, the Middle East, or the Far East and arrives in the United States or Japan". 5 Vgl. Ressler , Für eine liberale Regelung des Kunstexports, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 153 ff.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

Kompromiß der widerstreitenden Interessen am internationalen Kunstmarkt bieten sollte. § 2 Die kollisionsrechtlichen Bestimmungen zum internationalen Vertragsrecht Der Handel mit Kunst- und Kulturgütern wird wie jeder andere Bereich des Handels auch durch Kaufverträge abgewickelt. Wird hierbei mehr als nur eine Rechtsordnung berührt, so gilt auch für den grenzüberschreitenden Handel mit Kulturgütern das internationale Vertragsrecht 6. Anwendung finden demnach neben den diesbezüglichen Vorschriften der nationalen Kollisionsrechte vor allem auch die im Wege staatsvertraglicher Einigung geschlossenen Konventionen zum internationalen Vertragsrecht.

A. Staats vert rage auf dem Gebiet des internationalen Vertrags rechts

I. Internationales Kaufrecht Kollisionsrechtliche Bestimmungen zum internationalen Kaufrecht enthält das Haager Kaufrechts-IPR-Übereinkommen von 19557, dem die Bundesrepublik nicht beigetreten ist 8 . Hierin wird in erster Linie bei der Bestimmung der auf einen internationalen Kauf anwendbaren Rechtsordnung auf das von den Parteien bezeichnete Recht verwiesen (Art. 2 Abs. 1). Fehlt es an einer derartigen Rechtswahl, so erklärt Art. 3 Abs. 1 prinzipiell das Aufenthaltsrecht des Verkäufers im Zeitpunkt der Bestellung für anwendbar. Daneben beinhalten die beiden Haager Abkommen zur Vereinheitlichung des materiel-

6 Hanisch, in FS für Müller-Freienfels, S. 193,194; Jayme, Anknüpfungsmaximen fur den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, S. 717. 7

Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen

anzuwendende Recht vom 15. Juni 1955, abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Nr. 47. 8

Vgl. die Aufzählung der Vertragsstaaten bei Jayme/Hausmann, Nr. 47, Fn. 1.

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

len Kaufrechts aus dem Jahre 19649 internationalprivatrechtliche Vorschriften. Das Haager Einheitskaufrecht blieb mit einer geringen Anzahl von Ratifikationen allerdings erfolglos 10 . Daher nahm sich das Rechtsvereinheitlichungsorgan der Vereinten Nationen U N C I T R A L 1 1 dieses Rechtskomplexes erneut an und erarbeitete ein Abkommen, das am 11. April 1980 als Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf 12 beschlossen wurde und dem neben der Bundesrepublik bereits zahlreiche weitere Staaten beigetreten sind 1 3 . Aufgrund der Bestimmung in Art. 99 Abs. 3-6 des Abkommens, nach der ein Staat vor seinem Beitritt die Mitgliedschaft bei dem Haager Einheitskaufrecht beenden muß, hat die Bundesrepublik die beiden Haager Abkommen am 1. Januar 1990 gekündigt 14 , die für sie ab dem 1. Januar 1991 außer Kraft getreten sind 1 5 . Entsprechend seinem Art. 1 findet das UN-Abkommen Anwendung auf WarenkaufVerträge zwischen Parteien mit Niederlassungen in unterschiedlichen Staaten, sofern diese Staaten Vertragspartner sind (Art. 1 Abs. 1 lit. a) oder die Regeln des IPR zur Anwendung der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats führen. (Art. 1 Abs. 1 lit. b)

9 Haager Übereinkommen zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen vom 1. Juli 1964, BGBl. 1973 II S. 885, 886; Haager Übereinkommen zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen vom 1. Juli 1964, BGBl. 1973 II S. 919; beide für die Bundesrepublik in Kraft seit dem 16. April 1974, BGBl. 1974 II S. 146,148, BGBl. 1974 I 358. 10 Kegel, IPR, § 18 I 4, S. 445; zu den Gründen vgl. Kropholler, für Bärmann, S. 651,652 ff. 11

IPR, § 52 IV 2; Mertens, in: FS

Vgl. hierzu Kegel, IPR, S. 72 m.w.N.

12

BGBl. 1989 II S. 588; abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht.

Nr. 48. Ausführlich hierzu

13 Für die Bundesrepublik ist es am 1. Januar 1991 im Verhältnis zu Ägypten, Argentinien, Australien, China, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Jugoslawien, Lesotho, Mexiko, Norwegen, Österreich, Sambia, Schweden, Syrien, Ungarn, den Vereinigten Staaten und Weißrußland in Kraft getreten. Es gilt femer u.a. für die Schweiz, Spanien, Niederlande und Kanada, um nur einige Vertragspartner zu nennen. Vgl. die genaue Aufzählung bei Jayme/H ausmann, Nr. 48, Fn. 1. 14

Art. 5 Abs. 1 des ZustimmungsG zum UN-Warenkaufübereinkommen, BGBl. 1989 II S. 586.

15

Bek. v. 30. Oktober 1990, BGBl. 1990 II S. 1482.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

II. Internationales Schuldvertragsrecht Am 19. Juni 1980 wurde in Rom das EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ( E V Ü ) 1 6 geschlossen, das umfangreiche kollisionsrechtliche Bestimmungen zum internationalen Vertragsrecht enthält. Ziel dieser Vereinheitlichung war die Schaffung gleicher Bedingungen unter den Vertragsstaaten, mit der zum einen der Rechtsverkehr erleichtert, zum anderen aber auch dem "forum shopping" Einhalt geboten werden soll 1 7 . Das Übereinkommen ist für die Bundesrepublik am 1. April 1991 im Verhältnis zu Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg und dem Vereinigten Königreich in Kraft getreten 18 und damit völkerrechtlich bindend geworden 19 . Es gilt heute ferner für die Niederlande, Irland und für Griechenland 20 . Das EVÜ geht zunächst von dem Grundsatz der Parteiautonomie aus und normiert in Art. 3 Abs. 1 die freie Rechtswahl: "Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muß ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben." » Fehlt es an einer Bestimmung des anwendbaren Rechts durch die Parteien, bestimmt Art. 4 die einschlägigen Anknüpfungspunkte. Für die in Art. 4 Abs. 1 zunächst als maßgeblich erachtete engste Verbindung des Vertrags zu einem Staat stellt Abs. 2 eine Vermutung auf: Die engste Verbindung soll hierbei abgesehen von Sonderbestimmungen für Gesellschaften, Vereine und juristische Personen - zu demjenigen Staat bestehen, in dem die die charakteristische Leistung erbringende Person zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Vermutungsregel kann nach Abs. 5 widerlegt werden, "wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist". Somit ergibt sich für die in den Anwendungsbereich des EVÜ fallenden Sachverhalte folgende Anknüpfungsleiter: Ausdrückliche oder schlüssige Rechtswahl durch die Parteien - engste Verbindung - Vermutung: Aufent-

16

ABl. EG 1980 Nr. L 266/1; BGBl. 1986 II S. 810; IPRax 1981, S. 67.

17

MünchKomm-A/arrmy, Bd. 7, Vor Art. 27, Rn. 8.

18

Bek. v. 12. Juli 1991, BGBl. II S. 871.

19

Grundmann, IPRax 1992, S. 1.

20

Jayme/Hausmann, Nr. 44, Fn. 4.

5 Schmeinck

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

haltsort der die vertragscharakteristische Leistung erbringenden Vertragspartei - Widerlegung der Vermutung, wenn engste Verbindung zu einem anderem Staat besteht. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß im Bereich des internationalen Vertragsrechts eine Vielzahl kollisionsrechtlicher Regeln auf dem Wege staatsvertraglicher Übereinkünfte entstanden sind. Speziell das Wiener UNEinheitskaufrecht und das EWG-Schuldvertragsübereinkommen nehmen in diesem Zusammenhang eine bedeutende Stellung ein. Soweit jedoch ein Sachverhalt mit Bezügen zum internationalen Vertragsrecht Rechtsprobleme aufwirft, die vom Geltungsbereich der Abkommen nicht umfaßt sind oder der Rechtsstreit vor Gerichten solcher Staaten verhandelt wird, die den Übereinkommen nicht beigetreten sind, können diesen internationalen Verträgen keine Lösungen entnommen werden. Für derlei Konstellationen kommt es damit weiterhin auf die allgemeinen Regeln des jeweils anzuwendenden innerstaatlichen Kollisionsrechts an. B. Die Bestimmungen der nationalen Kollisionsrechte zum internationalen Vertragsrecht

I. Grundsatz der Parteiautonomie Eine der wenigen kollisionsrechtlichen Anknüpfungen, die sich im IPR nahezu aller Staaten findet, betrifft das internationale Vertragsrecht: In annähernd weltweitem Einklang wird dieser Rechtsbereich von dem Grundsatz der Parteiautonomie beherrscht 21 . Hiernach obliegt es grundsätzlich den Parteien eines Vertrags, die hierauf anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen.

21 Einen ausführlichen Überblick über die Geltung der Parteiautonomie im internationalen Vertragsrecht der unterschiedlichen Rechtsordnungen liefert Landò , Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Chapter 24, Anm. 28-60. Zu Entwicklung und Begründung der Parteiautonomie siehe Junker, IPRax 1993, S. 1,2.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

Im deutschen Recht ist dieses Prinzip in Art. 27 EGBGB verankert, der die Bestimmung des Art. 3 EVÜ wiedergibt und in das innerstaatliche Recht übernommen hat 2 2 . Die Anknüpfung an den Parteiwillen wird sowohl in den osteuropäischen Ländern 23 und Skandinavien 24 als auch in den mitteleuropäischen und südeuropäischen Staaten wie der Schweiz 25 , Österreich 26 , Italien 2 7 , Spanien 28 , Portugal 29 und Griechenland 30 praktiziert. Darüber hinaus findet sich dieser Grundsatz in den einzelnen nordamerikanischen Kollisionsrechten 31 , im asiatischen Rechtsraum 32 und inzwischen auch - nach jahrelanger Ablehnung - in den Rechtsordnungen der südamerikanischen Staaten 33 . Von den unterschiedlichen Bestimmungen hinsichtlich des Erfordernisses einer objektiven Beziehung zwischen dem Sachverhalt und der gewünschten Rechtsordnung einerseits und der Behandlung zwingender Vorschriften der eigenen

22 Die Einstellung der Vorschriften des EVÜ in Art. 27-37 EGBGB erfolgte entgegen einer Empfehlung der EG-Kommission vom 15. Januar 1985, IPRax 1985, S. 178. Kritisch zu der Eingliederung Stellungnahme des Max-Planck-Instituts, RabelsZ 1983, S. 665; v. Hoffmann, IPRax 1984, S. 10; Beitzke, RabelsZ 1984, S. 623,631, Nolte, IPRax 1985, S. 71; Sandrock, RIW 1986, S. 841. 23

v. Bar, IPR, Bd. 2, Rn. 412.

2 4

Frisch, Das Internationale Schuldrecht der nordischen Länder im Vergleich zu dem europäischen Übereinkommen über das auf Schuldverträge anwendbare Recht, S. 17 ff. m.w.N. Finnland hat das EVÜ als autonomes Recht eingeführt, vgl. Buure-Hägglund, IPRax 1989, S. 407 ff. 25

Art. 113 Abs. 1 IPR-Gesetz.

26

§ 35 Abs. 1 IPR-Gesetz.

27

Landò , Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 24, Anni. 60 m.w.N. 28

Código civil, Titulo preliminar, Art. 10 Nr. 5; in deutscher Übersetzung in RabelsZ 39 (1975), S. 724. 29 C.c. Art. 41, zit. nach Landò , Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 24, Anm. 60. 30 C.c. (1940), Art. 25, zit. nach Landò, Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 24, Anm. 60. 31

Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 49 ff,188 ff.; Schmeding, RabelsZ 41 (1977), S. 299,300 f.; Hay, RabelsZ 35 (1971), S. 429,457 ff. 32 Für China: § 145 Abs. 1 der "Allgemeinen Regeln des Zivilrechts der Volksrepublik China", in deutscher Übersetzung bei Heuser/Zhao, RIW 1986, S. 766,767. Für Indien Rama Rao, RabelsZ 23 (1958), S. 259,277. Weitere Nachweise bei Landò, Contracts, in: International Encclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 24, Anm. 60. 33 v. Bar, IPR, Bd. 2, Rn. 412. Zum argentinischen Recht siehe Boggiano, RabelsZ 47 (1983), S. 431,433 lf.

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

oder einer fremden Rechtsordnung andererseits abgesehen, stellt sich die Parteiautonomie als nahezu weltweit geltendes und anerkanntes Prinzip dar 3 4 . II. Objektive Anknüpfungspunkte bei Fehlen einer Rechtswahl Haben die Parteien das von ihnen getätigte Rechtsgeschäft keiner bestimmten Rechtsordnung unterstellt, so erfolgt die kollisionsrechtliche Anknüpfung nach den einzelnen nationalen IPR-Bestimmungen in voneinander abweichender Weise. Einigkeit besteht in den unterschiedlichen Regelungen darüber, daß bei fehlendem Parteiwillen auf objektive Anknüpfungskriterien zurückgegriffen werden muß. Im deutschen Recht erklärt der dem Art. 4 EVÜ entsprechende Art. 28 EGBGB das Recht des Staates fur anwendbar, mit dem der Vertrag die engsten Beziehungen aufweist. Im Regelfall soll dies gem. Abs. 2 der Norm der gewöhnliche Aufenthalt der die vertragscharakteristische Leistung erbringenden Partei sein. Die gleiche Anknüpfung ergibt sich für die übrigen Vertragsstaaten des E V Ü 3 5 . In Skandinavien wird bei fehlender Rechtswahl das Vertragsstatut nach einer individualisierenden Methode bestimmt, die alle objektiven Momente des Rechtsverhältnisses wie Nationalität der Parteien, ihr Aufenthalt, Abschlußund Erfüllungsort, Vertragssprache und -Währung etc. gegeneinander abwägt 3 6 . Art. 42 Nr. 1 und 2 des portugiesischen C.c. von 1966 stellen auf den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien, hilfsweise auf den Abschlußort des Vertrages ab 3 7 . Die Anknüpfung an den Ort des Vertragsschlusses findet sich darüber hinaus in Ländern wie Österreich 38 , Taiwan 3 9 ,

34 v. Bar, IPR. Bd. 2, Rn. 412; Bauer, Renvoi im internationalen Schuld- und Sachenrecht, S. 59 m.w.N. 35

Vgl. Fn. 20.

36

Frisch, S. 70 ff.

37

Bauer, S. 94.

38

§§ 36, 37 IPR-Gesetz.

39

Law Governing the Application of Laws to Civil Matters Involving Foreign Elements von 1953, Art. 6 Nr. 2, zit. nach Landò , Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 24, Anm. 107.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

Japan 40 und Brasilien 41 . Das spanische Recht erklärt in Art. 10 Nr. 5-7 C.c., Titulo preliminar vom 29. Juli 1973, in erster Linie das gemeinsame Heimatrecht der Parteien, mangels eines solchen ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, hilfsweise den Abschlußort für maßgeblich 42 . Die einzelnen Kollisionsrechte der USA waren in früherer Zeit vornehmlich von starren Anknüpfungspunkten wie dem Abschluß- oder Erfüllungsort geprägt 43 . In neuerer Zeit - etwa ab dem Ende des Zweiten Weltkriegs - setzten sich jedoch in zunehmendem Maße flexiblere Anknüpfungskriterien durch, mit denen eine verstärkte Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls erzielt werden sollten 44 . In diesem Sinne erklärt das Restatement 2nd of the Conflicts of Laws aus dem Jahre 1971 45 in § 188 Abs. 1 die Rechtsordnung für maßgeblich, die die "most significant relationship" zum Vertrag und den Parteien aufweist. Abs. 2 der Norm zählt mehrere denkbare Aspekte auf, die eine derartige Beziehung schaffen können, wie beispielsweise der Abschlußort, die Lage des Vertragsgegenstandes, Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit der Parteien. In ähnlicher Weise enthält der mit Ausnahme Louisianas von allen US-Staaten akzeptierte Uniform Commercial Code (UCC) 4 6 eine einseitige Kollisionsregel in UCC 1-105, wonach "this Act (i.e. the UCC) applies to transactions bearing an appropriate relation to this state." 47

4 0

Horei (Law on the Application of Laws) von 1898, Art. 7 Nr. 2, zit. nach Landò , Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. Ill, Ch. 24, Anm. 107. 41 Einführungsgesetz zum C.c. von 1942, Art. 9; zit. nach Landò , Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. Ill, Ch. 24, Anm. 107. 42

Bauer, S. 94.

43

Vgl. Stoll, Die Rechtswahl Voraussetzungen, S. 6.

4 4

Landò, Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 24, Anm. 132. 4 5 Bei den Restatements handelt es sich um private Publikationen des American Law Institutes, einer im Jahre 1923 mit dem Ziel der Vereinheitlichung und Verbesserung des amerikanischen Rechts gegründeten Vereinigung; Hay, Einführung in das amerikanische Recht, S. 14; Blumenwitz, Einführung in das anglo-amerikanische Recht, S. 54. Das Restatement 2nd enthält die zweite Bearbeitung der in den einzelnen Bundesstaaten entwickelten, übereinstimmend angewandten IPRBestimmungen; Hay, S. 14; Stoll, Die Rechtswahlvoraussetzungen, S. 7. 4 6 Hierbei handelt es sich um eine von der National Conference of Commissioners on Uniform State Laws erarbeitete und im Jahre 1952 vorgelegte Kodifikation, die neben dem Kaufrecht, dem Wechselund Scheckrecht sowie dem Wertpapierrecht weitere Rechtskomplexe enthält; vgl. Blumenwitz, S. 46 f. und Hay, Einführung in das amerikanische Recht, S. 80 f. 4 7

Landò, Contracts, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 24,

Anm. 141.

0

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Gemein ist all diesen Regelungen ihr Bemühen um das Auffinden der Rechtsordnung mit der engsten Beziehung zum Sachverhalt, die den Rechtsfall eben durch die Nähe hierzu am sinnvollsten und aus kollisionsrechtlicher Sicht am gerechtesten regeln soll. III. Renvoi Haben die Parteien das auf ihren Vertrag anwendbare Recht ausdrücklich bestimmt oder wurde es mangels einer solchen Wahl durch Ermittlung der engsten Verbindung festgesetzt, stellt sich anschließend die Frage nach dem Umfang der Verweisung. Während das IPR prinzipiell Gesamtverweisungen 48 enthält, das jeweilige Recht also mitsamt seinen kollisionsrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung beruft 49 und damit konsequenterweise hiervon ausgesprochene Rückund Weiterverweisungen zu beachten hat, nimmt der Bereich des internationalen Vertragsrechts eine Sonderstellung ein. Die auf dem Gebiet des Vertragsrecht geschlossenen europäischen Staatsverträge sprechen sowohl bei subjektiver Anknüpfung an den Parteiwillen als auch bei objektiver Ermittlung der engsten Verbindung Sachnormverweisungen aus (Art. 15 E V Ü 5 0 ; Art. 2 und 3 des Haager Kaufrechts-IPR-Übereinkommens von 1955 51 ) und schließen damit einen Renvoi aus. Bei Vorliegen einer Rechtswahl durch die Parteien will auch die überwiegende Anzahl der einzelnen nationalen Rechtsordnungen nur die jeweiligen Sachnormen zur Anwendung berufen und eventuelle kollisionsrechtliche Rück- oder Weiterverweisungen nicht berücksichtigen 52 . Gegen die Beachtung eines Renvoi in diesen Fällen spricht die für das internationale Vertragsrecht spezifische Interessenlage: Den vorrangigen Parteiinteressen wird im Zweifel

48 Kegel bevorzugt hierbei den Begriff der IPR-Verweisung, da nur auf das fremde IPR (ohne das übrige fremde Privatrecht) verwiesen werde; IPR, S. 240. 4 9

Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB.

50

ABl. EG 1980 Nr. L 266/1; BGBl. 1986 II S. 810.

51

Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht vom 15. Juni 1955; abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Nr. 47. 52

Vgl. die Nachweise bei Bauer, S. 63 ff.

1

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

nur dann vollständig entsprochen, wenn das den Vertrag beherrschende Sachrecht unmittelbar festgelegt werden kann 5 3 . Unterschiedlich wird die Frage nach der Beachtlichkeit eines Renvoi bei objektiver Vertragsanknüpfung in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen beantwortet, wobei sich jedoch die überwiegende Mehrheit auch hierbei für einen reinen Sachnormverweis ausspricht 54 . Neben den Staaten, die dem EVÜ beigetreten sind und der hierin ausgesprochenen Unbeachtlichkeit eines Renvoi für den gesamten Bereich des internationalen Vertragsrechts folgen, findet sich diese Regelung beispielsweise im schweizerischen 55 und USamerikanischen Recht 56 . Hingegen wollen das österreichische 57 und das spanische Recht 58 die kollisionsrechtlichen Bestimmungen im Bereich des internationalen Vertragsrecht als Gesamtverweisungen verstehen, so daß Rück- und Weiterverweisungen grundsätzlich zu befolgen sind. Für den Ausschluß eines Renvoi auch bei objektiver Anknüpfung spricht der Sinn der als maßgeblich erachteten engsten Verbindung. Im Gegensatz zu den sonstigen im IPR anzutreffenden starren Anknüpfungspunkten, wie der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz oder der Belegenheit, erweist sich die engste Verbindung als flexibler Anknüpfungspunkt, der die Bestimmung der maßgeblichen Rechtsordnung dem Rechtsanwender im Einzelfall überläßt und diesem ein Eingehen auf die jeweiligen fallspezifischen Umstände ermöglicht 5 9 . Ist in dieser Weise der engste räumliche Zusammenhang mit einer Rechtsordnung ermittelt worden, können hiermit vernünftigerweise nur die Bestimmungen des Sachrechts gemeint sein 60 . Wollte man in diesem Zusammenhang eine eventuelle kollisionsrechtliche Rück- oder Weiterverwei-

53

Urteil des Schweizer Bundesgericht vom 21. Oktober 1955, BGE 81 II 391, 393 f.; Bauer, S. 69.

54

Bauer, S. 95.

55 BG vom 21. Oktober 1955, BGE 81 II 391, 394 fKeller/Siehr, ternationales Vertragsrecht, S. 111. 56

Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Bauer, S. 99 ff.

57

§§ 5, 36 IPRG; kritisch hierzu Sandrock/ Internationalen Vertragsgestaltung, Bd. 1, Rn. 257. 58

IPR, S. 474,477 f.; Vischer, In-

Steinschulte,

in: Sandrock, Handbuch der

Gerichtsgutachten zum spanischen internationalen Vertragsrecht, IPG 1971 Nr. 5 (München),

S. 41,49,51. 59

Dörner, StAΖ 1990, S. 1 , Neuhaus, Grundbegriffe § 34 II, S. 266; Ferid, IPR, § 6-51.

6 0

Urteil des Schweizer Bundesgericht vom 21. Oktober 1955, BGE 81 II 393, 394 f.

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

sung der ermittelten Rechtsordnung berücksichtigen, liefe dies letztlich der durch die Anknüpfung an die engste Verbindung bezweckten Einzelfallgerechtigkeit zuwider. Somit können die Verweisungen im Bereich des internationalen Vertragsrecht sinnvollerweise nur als Sachnormverweisungen verstanden werden, womit ein Renvoi grundsätzlich unbeachtlich ist. IV. Konsequenzen für den Kulturgüterschutz Da für die Behandlung von Kulturgütern derzeit keine kollisionsrechtlichen Sonderbestimmungen gelten, sind die für den Handel maßgebenden Normen des internationalen Vertragsrechts einschlägig. Grundsätzlich obliegt damit den Parteien die Entscheidung darüber, welchem materiellen Recht sie ihren Vertrag unterstellen wollen. Hierdurch kann im Einzelfall ein Kaufvertrag über Kulturgüter von einer Rechtsordnung beherrscht werden, in deren Geltungsbereich sich der betreffende Gegenstand nie befunden hat und die insofern hierfür keine Schutzbestimmungen innerhalb ihres materiellen Rechts kennt. Die Gesetzgeber der nationalen Rechtsordnungen haben im Bewußtsein um die Einmaligkeit von Kulturgütern und ihrer oben bereits erwähnten Bedeutung für die Menschheit erkannt, daß diese Gegenstände einer besonderen Protektion vor Zerstörung, illegalem Handel und widerrechtlicher Aneignung bedürfen. Um diesem Aspekt gerecht zu werden, sind zahlreiche Schutzgesetze erlassen worden, die sich inzwischen in unterschiedlicher Ausgestaltung in nahezu jeder Rechtsordnung finden 61 . Vorweggeschickt sei hierbei, daß hierdurch ausschließlich solche Kulturgüter geschützt werden, die aufgrund bestimmter Verbindungen zum Staat von diesem als Teil seines nationalen Kulturbesitzes angesehen werden 62 . Im folgenden soll nun die Effektivität dieser staatlichen Maßnahmen zur Regelung des grenzüberschreitenden Umgangs mit Kulturgütern untersucht werden.

61 Jay me, Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz, S. 7; Merryman, UFITA 111 (1989), S. 63, Koemg, General Report, in: Briat/Freedberg, International Art Trade and Law, S. 157,163. 62 Zu den Schwierigkeiten, Kunstwerke einer Nation zuzuordnen, vgl. Jay me, Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz, S. 11-34.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

§ 3 Bestrebungen zum Schutz des Bestandes nationalen Kulturguts gegen Ausfuhr im Vertragsrecht in Form von Ausfuhrverbotsgesetzen Auf der Suche nach den unterschiedlichen nationalen Schutzgesetzen für Kulturgüter ist zunächst augenfällig, daß es in nahezu jedem Staat der Erde Gesetze gibt, die die Ausfuhr des eigenen nationalen Kulturbesitzes 63 untersagen bzw. reglementieren 64. Daneben existieren in einigen Staaten durch internationale oder bilaterale Abkommen geschaffene Regelungen, die zusätzlich den Import solcher Kunstgegenstände verbieten, die entgegen dem Exportverbot eines anderen Staates aus diesem ausgeführt worden sind 6 5 . Von einigen Ausnahmen abgesehen entwickelten sich die ersten Kulturgüterschutzgesetze im 19. Jahrhundert 66 . Im folgenden soll exemplarisch ein kurzer Überblick über die Gesetze einiger Rechtsordnungen gegeben werden. A Ausfuhrbestimmungen in einzelnen Rechtsordnungen

/. Deutschland Für den Export von Kunst- und Kulturgütern ist in erster Linie das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung vom 6. August 1955 67 (im folgenden KuSchG) bedeutsam. Mit seinem Erlaß hat der Bund von seiner ihm in Art. 74 Nr. 5 GG zugewiesenen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für den "Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland" Gebrauch gemacht und eine einheitliche, länderübergreifende Regelung geschaffen. Daneben bestehen in den einzelnen Bundesländern Denkmalschutzgesetze, die Genehmigungs- bzw. Erlaubnispflichten für den Fall vor-

63 Zu den Möglichkeiten der Bestimmung der Nationalität von Kunstwerken vgl. Jay me, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, S. 717,719 ff. 6 4

Einen sehr ausführlichen Überblick über die nationalen Schutzvorschriften geben Proti & O'Keefe, Handbook of national regulations concerning the export of cultural property. Aufgezählt werden hierin auch die wenigen Staaten, deren Rechtsordnungen keine Schutzvorschriften für Kulturgüter kennen, wie z.B. Grenada, Liberia, Malediven, Namibia, Somalia, Trinidad und Tobago. Vgl. auch die Zusammenstellung der nationalen Schutzgesetze bei Burnham, The Protection of Cultural Property. 65

Vgl. hierzu Proti & O'Keefe, Law and the Cultural Heritage, Vol. 3, S. 575 ff.

6 6

Pegden, Museum Vol. X X V I (1974) No. 1, S. 53,54; Koenig, General Report, in: Briat/Freedberg, International Art Trade and Law, S. 157,163. 6 7

BGBl. 1955 I S. 501; abgedruckt in der Gesetzessammlung Sartori us I, Nr. 510.

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

sehen, daß Kulturgüter aus ihrem Gebiet transportiert werden sollen 68 . Zwar erfassen die diesbezüglichen Regelungen grundsätzlich auch Verbringungen von Kulturgütern ins Ausland, werden jedoch in diesem Bereich von den bundesgesetzlichen Bestimmungen des KuSchG verdrängt 69 . In sachlicher Hinsicht werden von dem KuSchG gem. § 1 Kunstwerke und anderes Kulturgut erfaßt, "deren Abwanderung aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde..." Während das Gesetz auf Kunstbestände in privater Hand ausnahmslos angewendet wird, gilt es für die im Eigentum juristischer Personen des öffentlichen Rechts stehenden Objekte nur nach Maßgabe der §§ 18, 19 KuSchG. Das gesetzliche Schutzinstrumentarium für die dem sachlichen Anwendungsbereich angehörenden Gegenstände setzt sich aus einer Eintragung in ein von den Ländern zu führendes "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" gem. § 1 Abs. I 7 0 und einer sich hieraus ergebenden Genehmigungspflichtigkeit fur die Ausfuhr eingetragener Stücke (§ 1 Abs. 4) zusammen 71 . Die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Genehmigung weist § 5 Abs. 1 dem Bundesminister des Innern zu. Nach § 1 Abs. 4 S. 2 ist die Ausfuhr zu versagen, "wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalls wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen." Angesichts der ähnlichen Voraussetzung für eine Eintragung wird im Regelfall bei einem auf der Liste verzeichneten Gegenstand davon auszugehen sein, daß seinem Abtransport diese wesentlichen Belange entgegenstehen72. So soll auch nach der Auffassung des Gesetzgebers nur "unter

68

§ 9 Abs. 1 lit. a NRWDenkmSchG, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BadWürttDenkmSchG, Art. 10 Abs. 1 BayDenkmSchG, § 10 Abs. 1 BerlDenkmSchG, § 10 Abs. 1 Nr. 2 BremDenkmSchG, § 11 Abs. 1 HbgDenkmSchG, § 16 Abs. 1 Nr. 5 HessDenkmSchG, § 10 Abs. 1 Nr. 2 NdsDenkmSchG, § 13 Abs. 1 Nr. 4 RhPfDenkmSchPflG, § 12 Abs. 1 Nr. 2 SaarlDenkmSchG, § 9 Abs. 1 lit. b SchlHDenkmSchG. 6 9

Pieroth/Kampmann,

70

Derzeit umfaßt das Verzeichnis rund 450 Werke; Müller, Kunst und Antiquitäten, 3/1993, S. 12.

NJW 1990, S. 1385,1386.

71

Bischop, F.R.Germany, in: Briat/Freedberg,

12

Pieroth/Kampmann,NrW

International Art Trade and Law, S. 173.

1990, S. 1385,1389.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

ganz besonderen Umständen...im Einzelfall die Möglichkeit, die Ausfuhrgenehmigung zu erteilen, nicht ausgeschlossen sein" 7 3 . Angesichts der Tatsache, daß im Rahmen dieses Gesetzes jedes Bundesland autonom über die Aufnahme bestimmter Kunstobjekte in das Verzeichnis entscheidet, kann die Praxis in den Ländern durchaus voneinander abweichen und der Kreis der als schutzwürdig erachteten Gegenstände unterschiedlich weit gezogen werden. Zweifelhaft kann damit sein, ob bundesweit ein einheitliches Maß an Schutz gewährleistet ist. Durch die Beschränkung der Genehmigungspflicht auf listenmäßig erfaßte Kulturgüter besteht darüber hinaus generell die Gefahr einer nur teilweisen Erfassung schützenswerter Gegenstände, die sich zu einem nicht unerheblichen Teil in Privatbesitz befinden und deren Vorhandensein dem Bund und den Ländern oftmals nicht zur Kenntnis gelangen werden. Das Schutzinstrumentarium ist damit weitgehend auf Kooperation mit den privaten Eigentümern angewiesen und ist insofern als eher liberale Regelung zu werten. II. Großbritannien Regelungen zum Kulturgüterschutz enthalten der Import, Export and Customs Powers (Defence) Act von 1939 sowie Ausfuhrungsgesetze hierzu. Generell genießen hiernach nur solche Objekte Schutz, die mehr als 100 Jahre alt sind, vor mehr als 50 Jahren importiert wurden oder deren Wert 16.000 Pfund Sterling übersteigt 74 . Wer einen solchen Kunstgegenstand exportieren will, benötigt eine spezielle Ausfuhrgenehmigung, die vom Board of Trade erteilt werden kann. Wenn hiernach das Objekt das Land nicht verlassen soll, wird die Genehmigung versagt, sofern ein Kaufangebot irgendeiner inländischen öffentlichen Institution vorliegt; fehlt es an einem solchen, so wird die Ausfuhr genehmigt 75 .

73

Amtl. Begr. des RegE, BT-Drucks. 11/76, S. 7; vgl. auch Pieroth/Kampmann, S. 1385,1389.

NJW 1990,

7 4 Knapp, General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 11,18; Prott & O'Keefe, Handbook of national regulations concerning the export of cultural property, S. 224. 75

Niec, The Hastings Law Journal 27 (1975/76), S. 1089,1097.

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Der Schutz von Kulturgut ist damit abhängig von den jeweils zur Verfugung stehenden staatlichen finanziellen Mitteln und kann damit nicht in allen Fällen eine Abwanderung englischen Kulturbesitzes ins Ausland verhindern. III. Frankreich Die grundlegende Regel beinhaltet das Gesetz von 1913 zum Schutz historischer Monumente mit zahlreichen Nebengesetzen und -Verordnungen. Gegenstände, deren Erhaltung unter geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Aspekten geboten ist, können in einer vom Kulturministerium geführten Liste klassifiziert werden. Sobald diese Eintragung für einen Gegenstand vorgenommen wurde, ist zum einen der Export untersagt, zum anderen ist der Gegenstand unübertragbar, d.h. niemand kann ein Eigentumsrecht hieran erwerben 76 . Darüber hinaus existiert ein Gesetz vom 23. Juni 1941, nach dessen Art. 1 und 2 der Export von künstlerischen Objekten der Genehmigung bedarf 77 . Ferner enthält eine Anweisung des "Ministère des Finances et de l'Economie", die im Zusammenhang mit einer Verordnung vom 30. November 1944 ergangen ist, ein Verbot an alle Exporteure, Kunstgegenstände ohne Lizenz auszuführen 78. Einen strikten Schutz gewährt das französische Recht somit lediglich den bereits klassifizierten Gegenständen, wobei - vergleichbar mit dem Schutzsystem im deutschen Recht - die Gefahr einer nicht vollständigen Erfassung aller schutzwürdiger Objekte besteht. IV. Italien Das an Kunstschätzen reiche und dieser Objekte oftmals beraubte Italien 7 9 hat sich in erheblichem Maße mit Kulturgüterschutz beschäftigt und in diesem

7 6

Prott & O'Keefe , Handbook of national regulations concerning the export of cultural property,

S. 79. 7 7

Prott & O'Keefe , Handbook of national regulations concerning the export of cultural property,

S. 79. 78

Knapp, General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 11,24. 7 9

Siehr, SJZ 1981, S. 189,190 spricht in diesem Zusammenhang von schätzungsweise 40.000 Kunstdiebstählen seit dem Zweiten Weltkrieg und einer annähernd gleichen Anzahl rechtswidriger Veräußerungen von Gegenständen aus archäologischen Ausgrabungen.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

Bereich zahlreiche Gesetze erlassen 80. So verbietet etwa das Gesetz betreffend die Schönen Künste und Antiken vom 20. Juni 1909 die Veräußerung sämtlicher Gegenstände aus staatlichen Sammlungen sowie aller in einem Inventar verzeichneten Objekte 81 . Das Gesetz No. 1089 von 1939 fordert eine Ausfuhrgenehmigung für alle Kulturgüter 82 ; ausgenommen sind hiervon nur Werke noch lebender Künstler und solche Objekte, die weniger als 50 Jahre alt sind 8 3 . Verglichen mit den bisher dargestellten Regelungen anderer Rechtsordnungen unterzieht das italienische Recht die Ausfuhr von Kulturgütern einer umfassenden und strikten staatlichen Kontrolle. V. Griechenland Als Reaktion auf die zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlittenen Verluste wichtiger Teile seines Kulturerbes 84 erließ Griechenland bereits im Jahre 1834 ein Antikengesetz, das grundsätzlich die Ausfuhr aller Altertümer aus Griechenland verbot. Nach einem späteren Gesetz von 1932 ist der Export von Antiken nur in Ausnahmefällen zulässig und bedarf einer ministeriellen Erlaubnis; dies gilt auch für Privatsammlungen 85 . Darüber hinaus ist Griechenland Mitglied des UNESCO-Übereinkommens über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereig-

80 Siehe die Auflistung bei Knapp , General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat , International Sales of Works of Art, S. 11,17. 81

Engstier, S. 29.

82

Alibrandi, Italie, in: Briat/Freedberg

, International Art Trade and Law, S. 177.

83

Knapp, General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat y International Sales of Works of Art, S. 11,25. 84 Prägnantes Beispiel hierfür sind die sogenannten "Elgin Marbles", eine Sammlung griechischer Antiken des Parthenon-Tempels auf der Akropolis in Athen, die von dem britischen Diplomaten Lord Elgin in den Jahren 1802 bis 1812 nach England verschifft und später an das Britische Museum in London veräußert wurden. Die von griechischer Seite gegenüber der britischen Regierung seit 1983 erhobene Forderung auf Rückerstattung der Skulpturen ist bislang stets abgelehnt worden. Vgl. hierzu ausführlichMerryman, Mich.L.Rev. 83 (1985), S. 1881-1923\Hugger, JuS 1992, S. 997-1004. 85 Dimoiitsa, Grèce, in: Briat/Freedberg , International Art Trade and Law, S. 175; Knapp , General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat , International Sales of Works of Art, S. 11,29\Engstler y S. 35 \Jayme, Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz, S. 10.

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

nung von Kulturgut von 1970 86 und hat die hierin normierten Ein- und Ausfuhrbestimmungen in nationales Recht übernommen 87 . Damit weist das griechische Recht eine fur den Kulturgüterschutz umfassende und effektive gesetzliche Regelung auf. VI. Vereinigte Staaten von Amerika Die ersten Maßnahmen zum Schutz nationalen Kulturguts enthielt ein "Act for the Preservation of American Antiquities" aus dem Jahre 1906 88 , gefolgt von dem "Historie Sites Act" von 1935 89 . Geschützt sind in erster Linie historische Denkmäler, die sich auf staatseigenem Grund befinden oder solche auf Privatgrund, die die Regierung durch Übertragung oder Enteignung erworben hat 9 0 . Daneben ist insbesondere der Export von Gegenständen der indianischen Kulturgeschichte untersagt 91 . Geschützt sind weiterhin alle Kunstund Kulturschätze präkolumbianischer Herkunft 92 . Die Vereinigten Staaten sind zudem Mitglied mehrerer bilateraler Abkommen zum Kulturgüterschutz: Zu nennen sind in diesem Zusammenhang neben dem Vertrag mit Mexiko vom 17. Juli 1970 93 , der die Rückführung von illegal außer Landes gebrachten

86 U.N.T.S. Bd. 823, S. 231 (Nr. 11806); 10 I L M (1971), S. 289; in deutscher Übersetzung bei Meyer, Geplünderte Vergangenheit, S. 294-303. 87

Knapp, General Report - Restrictions to the Importation and Exportation in the Art Trade, in: Briat , International Sales of Works of Art, S. 11,24. 88 Act of June 8, 1906, 16 U.S.C. §§ 431,432-33(1970); vgl. hierzu Burnham , The Protection of Cultural Property, S. 148; Niec, The Hastings Law Journal 27 (1975/76), S. 1089,1112. 89 Act of August 21, 1935, 16 U.S.C. §§ 461-67(1970); vgl. Niec , The Hastings Law Journal 27 (1975/76), S. 1089,1112. 9 0

Niec , The Hastings Law Journal 27 (1975/76), S. 1089,1112.

91

Prott & O'Keefe , Handbook of national regulations concerning the export of cultural property, S. 228. 9 2

Act of October 27, 1972, codified at 19 U.S.C. §§ 2091-95; geschützt sind sämtliche präkolumbianischen Gegenstände aus Bolivien, Belize, Costa Rica, Dominikanische Republik, El Salvador, Guatemala, Mexiko, Panama, Peru oder Venezuela. 93 Treaty of Cooperation between the United States of America and the United Mexican State Providing for the Recovery and the Return of Stolen Archaeological, Historical, and Cultural Properties; 9 I L M (1970), S. 1028 ff; abgedruckt bei Merryman/Elsen , Law, Ethics, and the Visual Arts, Vol. 1, S. 116,117.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

mexikanischen Kulturgutes zum Inhalt hat, die Abkommen mit Peru 94 und Guatemala 95 . Des weiteren sind die USA dem UNESCO-Übereinkommen von 1970 96 beigetreten und haben in Erfüllung der dort normierten Verpflichtungen mehrere Importrestriktionen beschlossen. Die erste dieser Art betraf Kulturschätze aus El Salvador, die ohne erforderliche Exportgenehmigung in die USA eingeführt wurden 97 . Im Rahmen seiner Bestimmungen zur Ausfuhr nationaler Kulturgüter ist die Beschränkung des amerikanischen Rechts auf Werke bestimmter früher Epochen auffällig. VIL Japan Es besteht ein Kulturgüterschutzgesetz von 1950, das im Gegensatz zu anderen fernöstlichen Staaten, deren heute noch geltende Rechtsordnungen von den früheren Kolonialmächten beeinflußt oder sogar eingeführt worden sind 9 8 , einzig auf nationale Maßnahmen zurückzuführen ist 9 9 . Der rechtliche Schutz der Kulturgüter beginnt mit ihrer Klassifizierung 100 . Wichtigste Konsequenz ist, daß dem Staat ein Vorkaufsrecht an diesen Gegenständen zukommt, sofern sie zum Verkauf angeboten werden. Der Export hochwertigen Kulturgutes ist

94

Agreement Respecting the Recovery and Return of Stolen Archaeological, Historical and Cultural Properties vom 14. September 1981; T.I.A.S. No. 10136; vgl. hierzu Walter , Rückführung von Kulturgut im internationalen Recht, S. 69. 95 Executive Agreement respecting cultural property vom 22. August 1984; zit. nach Prott O'Keefe , Handbook of national regulations concerning the export of cultural property, S. 229.

&

96

U . N . T . S . Bd. 823, S. 231 (Nr. 11806); 10 I L M (1971), S. 289; in deutscher Übersetzung bei Meyer, Geplünderte Vergangenheit, S. 294-303. 9 7 The United States restricts import of cultural artefacts from El Salvador, Museum Vol. X L (1988) No. 3, S. 164. 98 Die Schutzmaßnahmen Thailands und Kambodschas wurden durch Frankreich eingeführt; britischer Einfluß auf die Gesetzgebung kann in Indien und Burma festgestellt werden; vgl. Niec, The Hastings Law Journal 27 (1975/76), S. 1089,1107. 99

Niec, The Hastings Law Journal 27 (1975/76), S. 1089,1107.

100

Hadano/Wonsugi,

Japan, in: Briat/Freedberg,

International Art Trade and Law, S. 43.

0

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

grundsätzlich verboten; eine Exportlizenz kann nur ausnahmsweise erteilt werden, wenn dies dem internationalen Kulturaustausch forderlich i s t 1 0 1 . Mit diesen Regelungen bemüht sich das japanische Recht um einen vergleichsweise hohen und umfassenden Schutz seines nationalen Kulturbesitzes vor seiner Abwanderung in andere Staaten. VIII. Mexiko Bedingt durch die Armut in breiten Teilen der Bevölkerung, dem großen und schwer kontrollierbaren Reichtum an Kunstschätzen und einem mangelnden kulturellen Bewußtsein in großen Kreisen der Bevölkerung hat Mexiko einen Verlust seines nationalen Kulturerbes in großem Maße erlitten und ist der Gefahr eines Ausverkaufs seines Kunstbesitzes noch heute ausgesetzt 102 . Als Reaktion hierauf wurde ein "Federal Law Concerning Monuments and Archeological, Artistic and Historie Zones" von 1972 erlassen, das strenge Regelungen zu strikter staatlicher Kontrolle über den Besitz, den Umlauf und den Export von Kulturgütern enthält. Geschützt werden künstlerische, historische und archäologische Denkmäler, wobei archäologische Funde stets im Staatseigentum stehen und sowohl der Export, als auch ein Eigentumserwerb hieran ausscheidet 103 . Historische und künstlerische Werke in Privatbesitz können exportiert werden, sofern eine staatliche Erlaubnis hierfür vorliegt 1 0 4 . Damit steht der Handel mit Kulturgütern unter umfassender staatlicher Kontrolle, die den Verbleib nationalen Kulturguts im Lande sichern soll.

101

Prott & O'Keefe,

Handbook of national regulations concerning the export of cultural property,

S. 116. 102

Reinhold, Traffic in Looted Maya Art Is Diverse and Profitable, N.Y. Times vom 27. März 1973, S. 28; Niec, The Hastings Law Journal 27 (1975/76), S. 1089,1109. 103 J ay me, Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz, S. 9,10. 104

S. 144.

Prott & O'Keefe,

Handbook of national regulations concerning the export of cultural property,

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

1

B. Wirkung von Exportgesetzen

I. Das Territorialitätsprinzip Durch Exportvorschriften greift der Staat mittels öffentlich-rechtlicher Normen in private Rechte ein. Solange sich der betreffende Gegenstand auf dem eigenen Staatsterritorium befindet, bestehen keine Zweifel an der Wirksamkeit und der Durchsetzbarkeit dieser Regelungen. Problematisch ist jedoch die Geltung dieser Vorschriften für den Fall, daß ein konkreter Kunstgegenstand entgegen dem Exportverbot ausgeführt wurde und sich nun bereits auf fremdem Staatsgrund befindet. Berührt wird an dieser Stelle das Problem der Reichweite und Geltung öffentlichen Rechts. Generell ist hierzu anzumerken, daß jeder Staat in seinem Gebiet und nur dort in private Rechte eingreifen darf; es herrscht das sog. "Territorialitätsprinzip" 105 . Diesem zufolge wirken Rechtsfolgen, die ein Staat anordnet, nur im Gebiet dieses Staates 106 . Damit gilt ein inländisches öffentlich-rechtliches Exportverbot im Ausland grundsätzlich nicht. Vielmehr unterliegt der konkrete Gegenstand von dem Moment an, in dem er die Grenzen eines anderen Staaates überschreitet, kraft der Territorialhoheit dieses anderen Staates dessen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Theoretisch denkbar wäre zwar eine völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung der Staaten untereinander zur Beachtung des jeweiligen ausländischen öffentlichen Rechts. Abgesehen davon, daß hierdurch zahlreiche Interessenkonflikte entstehen können, fehlt es jedenfalls an der für das Vorliegen von Völkergewohnheitsrecht erforderlichen Staatenpraxis 107 , und so wird eine derartige Verpflichtung der Staaten nach allgemeiner Ansicht abgelehnt 108 .

105

Kegel, in: FS fòr Seidl-Hohenveldern,

106

Kegel/Seidl-Hohenveldern,

S. 243,246; Mann, in: FS für Kegel, S. 365.

in: FS für Ferid, S. 233,234.

107

Gem. Art. 38 Abs.l b IGH-Statut ist "eine allgemein als Recht anerkannte Übung" internationales Gewohnheitsrecht. Eine genauere Definition findet sich in § 102 des Restatement des American Law Institute: "Das Völkergewohnheitsrecht beruht auf einer allgemeinen und beständigen Übung der Staaten, der diese aus der Überzeugung einer rechtlichen Verpflichtung nachkommen."; zitiert nach Buergenthal/Doehring/Maier/Kokott, Grundzüge des Völkerrechts, S. 20. 108

Siehr, SJZ 1981, S. 189,196, Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten,

S. 76 f. 6 Schmeinck

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

IL Eingriffsnormen Die eben dargestellten Export- und Importregulierungen gehören dem Bereich der sog. Eingriffsnormen a n 1 0 9 . Seit Savigny bestimmte Gesetze Mvon streng positiver, zwingender Natur, die eben wegen dieser Natur zu jener freien Behandlung, unabhängig von den Gränzen verschiedener Staaten... ni cht geeignet" seien, von dem Bereich des übrigen Kollisionsrechts getrennt h a t 1 1 0 , gehören diese Normen zu einem der meist umstrittenen Problembereiche des Internationalen Privatrechts 111 . Ungeachtet der zahlreichen Meinungsstreitigkeiten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und rechtlichen Behandlung 112 werden sie übereinstimmend als solche Sachnormen verstanden, "die ohne Rücksicht auf das nach seinen allgemeinen Kollisionsnormen für den Schuldvertrag maßgebende Recht anzuwenden s i n d " 1 1 3 . Anzutreffen sind solche zwingenden Bestimmungen vornehmlich in (wirtschafts-) politischen Bereichen des öffentlichen Rechts, so etwa im Wettbewerbs- oder Kartellrecht, Währungs- und Außenhandelsrecht, aber auch in bestimmten ordnungsrelevanten Bereichen des Privatrechts, etwa des Arbeits- oder Mietrechts 114 . Bei der Frage nach der Behandlung solcher Eingriffsnormen muß danach unterschieden werden, ob es sich um zwingende Normen des Gerichtsortes, also der lex fori handelt, ob sie Teil des vom maßgeblichen IPR berufenen Vertragsstatuts sind oder ob es sich um Normen eines Drittstaates handelt, dessen Rechtsordnung weder lex fori noch Vertragsstatut ist.

109

Schiffer,

110

v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, S. 33.

ZVglRWiss 90 (1991), S. 390.

111 Coester, ZVglRWiss 1982, S. 1 ff; Koch/Magnus/Winkler vergleichung, S. 83.

von Mohrenfels,

IPR und Rechts-

112

Bereits die Terminologie ist uneinheitlich: So wird teilweise von zwingenden Vorschriften (Wengler, ZVglRWiss 1941, S. 168), von Wirtschaftskollisionsrecht, "lois d'application immédiate" ( Francescakis , Rev. crit dr. int privé 55 [1966], S. 1) oder auch positivem ordre public gesprochen. 113 Lorenz, RIW 1987, S. 569,578; Drobnig, in: FS für Neumayer, S. 159,178; Schurig, RabelsZ 1990, S. 217 ff,228. 114

Beitzke, RabelsZ 48 ( 1984), S. 643,644; Ferid, IPR, § 6-76.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

1. Inländische Eingriffsnormen bei ausländischem Schuldstatut Seit jeher wenden deutsche Gerichte Eingriffsnormen der eigenen Rechtsordnung an, unabhängig davon, ob das nationale materielle Recht oder ein ausländisches Recht zur Regelung des konkreten Rechtsfall berufen i s t 1 1 5 . Der im Rahmen der Neuregelung des IPR im Jahre 1986 eingeführte Art. 34 EGBGB, der Art. 7 Abs. 2 des EG-Übereinkommens vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht 1 1 6 entspricht, bestätigt diese Praxis nunmehr unmißverständlich. In gleicher Weise verfahren auch die nationalen Kollisionsrechte anderer Staaten mit Eingriffsnormen der eigenen Rechtsordnung; in den Grenzen des Völkerrechts wendet jeder Staat seine Eingriffsnormen unabhängig vom Vertragsstatut autonom a n 1 1 7 . 2. Ausländische Eingriffsnormen bei ausländischem Schuldstatut Unklar ist jedoch die Behandlung von zwingenden Bestimmungen des ausländischen Rechts, das mittels des IPR des Gerichtsortes zur Regelung des konkreten Rechtsverhältnisses berufen ist. Bevor die diesbezüglichen Regelungen einzelner nationaler Rechtsordnungen und die Praxis der dortigen Rechtsprechungen dargestellt werden, soll die Problematik zunächst anhand eines Rechtsstreits aus der internationalen Rechtsprechung veranschaulicht werden. Bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des italienischen Tribunale di Torino vom 25.3.1982 in der Klage der Repubik Ecuador gegen Giuseppe Danusso 118 : Von 1972 bis 1975 hatte Danusso den größten Teil seiner Sammlung präkolumbianischer Kunst in Ecuador bei verschiedenen Personen ecuadorianischer Staatsangehörigkeit erworben. Ohne die erforderliche Ausfuhrgenehmigung des Ursprungslandes und ohne italienische Einfuhrdeklaration brachte er die Stücke nach Italien, wo er sie in Mailand ausstellte. Hiervon erlangte Ecuador

115 OLG Düsseldorf AWD 1961, S. 295; BGH NJW 1972, S. 390; BGH DB 1983, S. 2132, BGH IPRspr. 1973, Nr. 30; Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 325,329; Vischer, in: FG für Gerwig, S. 167,171. 116

BGBl. 1986 II S. 810.

117

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 84; Sc hur ig, RabelsZ 1990, S. 233; von Overbeck, IPRax 1988, S. 329,333. 118 Riv. dir. int. priv. proc. 18 (1982), S. 625-635; vgl. hierzu Hönisch, in: FS für MüllerFreienfels, S. 193, 200; Walter, Rückführung von Kulturgut im internationalen Recht, S. 24 f.

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Kenntnis und verlangte unter Berufung auf ihr Eigentum, bzw. auf ihr "domaine éminent", d.h. ihre Treuhänderschaft im Hinblick auf ihr nationales Kulturgut, Herausgabe der Stücke. Nach ecuadorianischem Recht sind derartige Kunstgegenstände ohne staatliche Genehmigung unveräußerlich und nicht ausfuhrfahig. Das Turiner Gericht unterstellte die in Ecuador geschlossenen Verträge dem dortigen Recht und hatte sich alsdann mit der Frage zu befassen, inwieweit es fur die Gültigkeit der Verträge zwingendes öffentliches Recht Ecuadors zu beachten hatte. Mit der Feststellung, daß Eigentum an ausgegrabenen Gegenständen nach ecuadorianischem Recht nur erlangt werden könne, sofern die Ausgrabungen erlaubt und die Funde registriert seien, bestand für Danusso lediglich die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs. Angesichts seiner Kenntnis von der illegalen Ausgrabung und dem für solche Gegenstände bestehenden Handelsverbot konnte sich der Beklagte somit nicht auf wirksam erlangtes Eigentum berufen und wurde zur Rückgabe der präkolumbianischen Kunstobjekte an den Kläger verurteilt. Das italienische Gericht wandte damit die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des ecuadorianischen Rechts bezüglich des Eigentums an Kulturgütern im Rahmen der Erörterung eines Eigentumsrechts des Beklagten an. Die folgenden Ausführungen sollen darstellen, in wieweit andere Rechtsordnungen zwingende Bestimmungen anderer Staaten berücksichtigen. a) Deutsches Recht aa) Die gesetzgeberische Entscheidung Im deutschen Recht fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung zur Anwendung ausländischer zwingender Normen. Zwar enthielt der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Neuregelung des IPR eine Art. 7 Abs.l E V Ü 1 1 9 entsprechende Norm, nach der zwingende Normen des ausländischen Rechts berücksichtigt werden können, sofern eine hinreichend enge Verbindung der

119 "Bei Anwendung des Rechts eines bestimmten Staates auf Grund dieses Übereinkommens kann den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und ihr Gegenstand sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden."

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

Rechtsordnung zu dem Sachverhalt besteht 120 . Die Bundesregierung hat hiergegen jedoch einen nach Art. 22 Abs. 1 lit.a des Übereinkommens zulässigen Vorbehalt eingelegt und die entsprechende Norm im Gesetzesentwurf gestrichen 1 2 1 . Zur Begründung wurde angeführt, daß die betreffende Regelung aufgrund der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ein erhöhtes Maß an Rechtsunsicherheit beinhalte 122 . Im Bundesrat bestanden zusätzliche Bedenken gegen eine grundsätzliche Berücksichtigung fremden ordre publics und einer daraus resultierenden Mehrbelastung für die Gerichte durch die Ermittlung ausländischen zwingenden Rechts 123 . Diese Erwägungen stellen sich jedoch bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig dar. Gegen den zuerst angeführten Aspekt spricht, daß es mit dem Interesse an einer internationalen Entscheidungsharmonie kaum zu vereinbaren ist, fremde ordre public-Vorschriften generell unberücksichtigt zu lassen 124 . Den Bedenken gegen eine generelle Anwendbarkeit fremden zwingenden Rechts kann damit begegnet werden, daß eine positive Regelung hinsichtlich der Beachtung ausländischen Eingriffsrechts bereits existiert und auch praktiziert wird: Art. 8 Abschnitt 2(b), S. 1 des Bretton Woods-Abkommens 125 , das für die Bundesrepublik am 14.8.1952 in Kraft getreten ist, sieht eine Berücksichtigung von zwingenden Normen aller Mitgliedsstaaten vor. Dem Einwand der zu erwartenden Mehrbelastung für die Gerichte muß entgegengehalten werden, daß es sich hierbei um ein typisches Problem der Behandlung von Fällen mit Auslandsberührung handelt: Der Richter sieht sich stets mit der Schwierigkeit konfrontiert, fremdes Recht ermitteln zu müssen. Darüber hinaus wird den Gerichten über Art. 29 und 30 EGBGB eben diese

120

Art. 34 Abs. 1; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 10/504, S. 14,83.

121

Hentzen, RIW 1988, S. 508.

122

Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Bericht der Abgeordneten Eylmann und Stiegler, BT-Drucks. 10/5632, S. 45. 123

BR-Drucks. 222/83, S. 9; abgedruckt auch in BT-Drucks. 10/504, S. 98,100.

124

Schurig, Kollisionsnonn und Sachrecht, S. 262; ders., RabelsZ 54 (1990), S. 217,235, Fn. 75.

125

Abkommen über den Internationalen Währungsfonds (IWF) vom 1./22. Juli 1944 in der Fassung vom 9. Januar 1978, BGBl. 1978 II S. 13; Art. 8 Abschn. 2(b) S.l hat folgenden Wortlaut: Exchange contracts which involve the currency of any member and which are contrary to the exchange control regulations of that member maintained or imposed consistently with this Agreement shall be unenforceable in the territories of any member.

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Tätigkeit zugemutet, so daß sich der Bundesrat konsequenterweise dann auch gegen diese Vorschriften hätte wenden müssen 126 . Angesichts dieser Erwägungen hat sich der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages den vom Bundesrat zusätzlich angeführten Bedenken nicht angeschlossen, als er sich gegen die Übernahme des Art. 7 Abs. 1 EVÜ aussprach 127 . bb) Konsequenzen Denkbar wäre es, den Vorbehalt der Bundesregierung zu Art. 7 Abs. 1 EVÜ als Absage des deutschen Kollisionsrechts an die Beachtung fremden öffentlichen Eingriffsrechts zu werten. Gegen eine solche Annahme spricht jedoch, daß der Gesetzgeber der Regelung nicht prinzipiell ablehnend gegenüberstand, vielmehr lediglich in der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ein erhöhtes Gefahrenpotential erblickte. Im übrigen hätte er - wollte er die Anwendung fremden öffentlichen Rechts gänzlich aussschließen - im Rahmen der Neuregelung des IPR eine diesbezügliche Verbotsnorm in das EGBGB aufnehmen können. Die bloße NichtÜbernahme einer staatsvertraglichen Lösung kann somit nicht als klare Absage gewertet werden; vielmehr hat der Gesetzgeber diese Frage bewußt nicht geregelt und es Rechtsprechung und Lehre überlassen, diese Lücke zu füllen 1 2 8 . Mangels einer gesetzgeberischen Entscheidung muß demnach die Anwendbarkeit ausländischer Eingriffsnormen nach den allgemeinen Grundsätzen und Prinzipien des IPR ermittelt werden129 cc) Der Grundsatz der Nichtanwendung ausländischen öffentlichen Rechts In einigen früheren Entscheidungen prägte der BGH unter Hinweis darauf, die ordentlichen IPR-Regeln enthielten lediglich Verweisungen auf privatrechtliche Bestimmungen, den Grundsatz der Nichtanwendung ausländischen

126

Beitzke, RabelsZ 48 (1984), S. 644.

127

BT-Drucks. 10/5632, S. 45.

128

Allgemeine Ansicht, vgl. v. Bar, IPR, Bd. 1, Rn. 263; Däubler, RIW 1987, S. 249,256; Martiny, IPRax 1987, S. 277,279; Sandrock, RIW 1986, S. 841,853; Schurig,, RabelsZ 54 (1990), S. 217,235. 129

v. Bar, IPR, Bd. 1, Rn. 263.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

öffentlichen Rechts 130 . Diese Ansicht kann inzwischen jedoch als überholt angesehen werden 1 3 1 . Selbst der BGH durchbricht diesen angeblichen Grundsatz an zahlreichen Stellen und wendet ausländisches öffentliches Recht in bestimmten Fällen an, so etwa bei der Frage nach der Staatsangehörigkeit im Rahmen des Personalstatuts 132 , im Hinblick auf Verkehrsvorschriften im internationalen Deliktsrecht 133 , Vertretungsmachtvorschriften für juristische Personen des öffentlichen Rechts 1 3 4 , sowie bei der Untersuchung des wirksamen Zustandekommens eines fremden Gesetzes 135 . Einer grundsätzlichen Nichtbeachtung fremden öffentlichen Rechts stehen darüber hinaus praktische Bedenken entgegen: Abgesehen davon, daß die strikte Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht eine Besonderheit des deutschen Rechts und anderen Rechtsordnungen in dieser Weise nicht bekannt i s t 1 3 6 , wäre ein solcher Grundsatz kaum durchfuhrbar, da konsequenterweise jede ausländische Norm daraufhin untersucht werden müßte, ob sie öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Ursprunges ist. dd) Berücksichtigung auf materiellrechtlicher Ebene (1) Darstellung Die oberste Rechtsprechung hat bislang in den bereits entschiedenen Fällen ausländische zwingende Normen zwar nicht auf kollisionsrechtlicher, aber auf sachrechtlicher Ebene berücksichtigt. (a) Nigerianischer Maskenfall Im Jahre 1972 hatte sich der B G H 1 3 7 mit einem Fall zu befassen, in dem es um drei transportversicherte Kisten mit afrikanischen Masken und Figuren

130

Vgl. etwa BGHZ 31, 367,371.

131

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 78 ff; Schubert, RIW 1987, S. 130,Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 325,341,Zimmer, IPRax 1993, S. 65. 132

BGH NJW 1979, 1776,1777.

133

BGHZ 57, 265,267 f.

134

BGHZ 40, 197.

135

Neumayer, RabelsZ 23 (1958), S. 573,585 f.

136

Schubert, RIW 1987, S. 729,731.

137

BGHZ 59, 82; vgl. hierzu auch Bleckmann, ZaöRV 34 (1974), S. 12 ff.

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

aus Nigeria ging, die nach Hamburg verschickt wurden und bei deren Ankunft angeblich sechs Bronzefiguren fehlten. Das auf Schadensersatz verklagte Versicherungsunternehmen verweigerte jede Zahlung unter Hinweis auf den widerrechtlichen Export der Stücke unter Umgehung des nigerianischen Ausfuhrverbotsgesetzes. Der BGH entschied, daß ein Seegütervertrag, der die Ausfuhr von Kulturgut aus einem Staat zum Gegenstand hat, der diese Ausfuhr zum Schutz seines nationalen Kunstbesitzes verboten hat, gegen die guten Sitten verstoße und damit gem. § 138 I BGB nichtig sei. Zwar komme dem ausländischen Verbotsgesetz im Inland keine unmittelbare Verbindlichkeit zu, jedoch müsse die Umgehung eines Gesetzes zum Schutz des Verbleibs künstlerischen Erbes im Ursprungsland, "...da sie dem nach heutiger Auffassung allgemein zu achtenden Interesse aller Völker an der Erhaltung von Kulturwerten an Ort und Stelle zuwiderhandelt, als verwerflich betrachtet werden." 1 3 8 (b) Borsäurefall In einem weiteren Fall ging es um Borsäure, die für Polen bestimmt unter Verstoß gegen ein Embargo von Los Angeles nach Hamburg geliefert werden sollte 1 3 9 . Unter dem Vorwand, die Ware sei für Deutschland bestimmt, erschlich sich die Verkäuferin eine Ausfuhrgenehmigung. Die Ware war transportversichert und die Versicherungspolice der Akkreditivbank abgetreten. Als die Ladung in New York angehalten und eingezogen wurde, klagte die Bank gegen die Versicherung, die angeblich von den ungesetzlichen Absichten Kenntnis hatte. Der BGH erklärte den deutschem Recht unterliegenden Versicherungsvertrag wegen Verstoßes gegen das Embargo für sittenwidrig und gem. § 138 I BGB für nichtig. (c) Boraxfall In ähnlicher Weise entschied der BGH im Boraxfall 1 4 0 : Ein dem deutschen Recht unterliegender Kaufvertrag zwischen deutschen Firmen über Borax, das zunächst nach Dänemark und von dort weiter in den Ostblock geliefert werden sollte und in dem sich die Parteien zur Täuschung amerikanischer Dienststel-

138

BGHZ 59, 82,85.

139

BGH NJW 1962, 1436.

140

BGHZ 34, 169.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

len verpflichteten, wurde wegen Verstoßes gegen das amerikanische Embargo nach § 138 I BGB für nichtig erachtet. Über diese rein sachrechtliche Berücksichtigung zwingenden ausländischen Rechts hinaus hat der BGH bislang eine kollisionsrechtliche Sonderbehandlung von Eingriffsnormen nicht vorgenommen. Ihm folgend halten auch einige Stimmen in der Lehre 1 4 1 den sachrechtlichen Ansatz für den richtigen Weg zur Berücksichtigung ausländischen Eingriffsrechts. Neben der Möglichkeit, die Sittenwidrigkeit von Verträgen über § 138 BGB festzustellen, können fremde Verbotsgesetze zu einer Unmöglichkeit der Leistung 1 4 2 , zum Wegfall der Geschäftsgrundlage 143 oder zum faktischen Ausschluß bestimmter Erfüllungsweisen führen 1 4 4 . (2) Kritik Es fragt sich, ob durch eine derartige Vorgehensweise nicht letztlich die gleichen Ergebnisse erzielt werden wie bei einem kollisionsrechtlichen Lösungsansatz. Betrachtet man § 138 I BGB genauer, so stellt man fest, daß dieser als einzig mögliche Rechtsfolge die Nichtigkeit anordnet. Würde man eine fremde Verbotsnorm hingegen direkt anwenden, so müßte man konsequenterweise die von ihr angeordneten Rechtsfolgen beachten, welche möglicherweise den Gesetzesverstoß auf andere Weise sanktionieren. Die ausschließliche Nichtigerklärung stellt eine starre und unflexible Regelung dar und vermag beispielsweise all diejenigen Fälle nicht zur Zufriedenheit lösen, in denen der gesetzgeberische Zweck besser und effektiver durch eine andere Rechtsfolge erreicht werden könnte. Im übrigen birgt auch der in § 138 I BGB verwandte Terminus "gute Sitten" Probleme insoweit in sich, als dieser normative Rechtsbegriff einer wertenden Interpretation bedarf. Hierbei sind neben der herrschenden Rechts- und Sozi-

141 Lüderitz, IPRax 1989, S. 25,26; Pnìanàt-Heldrich, RIW 1988, S. 842.

Art. 34 EGBGB, Anm. 3 a), Rn. 5; Piehl,

142 RGZ 91, 260,261 f.; Vischer, in: FG für Gerwig, S. 167,185; Mann, in: FS für Beitzke, S. 607,608; dersSchweizJblntR 36 (1980), S. 93,104; Serick, RabelsZ 18 (1953), S. 633,647; Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 325,346. 143 BGH NJW 1984, 1746 mit Anm. Baum, RabelsZ 53 (1989), S. 152-164; Vischer, Gerwig, S. 167,185 f.,Mann, in: FSfor Beitzke, S. 607,608. 144 Palaneìt-Heldrich, S. 325,347 f.

in: FG fìir

Art. 34, Anm. 3 a), Rn. 5 m.w.N.; Radtke, ZVglRWiss 84 (1985),

0

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

almoral 1 4 5 vor allem auch die der Rechtsordnung immanenten rechtsethischen Werte und Prinzipien heranzuziehen 146 . Um nun aber der Besonderheit von Sachverhalten mit Beziehungen zu mehreren Rechtsordnungen gerecht zu werden, kann sich die Rechtsprechung nicht allein mit den nationalen Werten und Prinzipien begnügen, sondern muß konsequenterweise auch solche der fremden Rechtsordnungen berücksichtigen 147 . Die Frage, wessen Staates Normen und Grundsätze zu beachten sind, bleibt also weiterhin offen 1 4 8 . Zu ihrer Beantwortung müssen Überlegungen angestellt werden, die typischerweise nicht auf sachrechtlicher, sondern auf kollisionsrechtlicher Ebene zu behandeln sind. Mit einer solchen Vorgehensweise stellt sich die hier vorgestellte Theorie einer rein materiellrechtlichen Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen in Widerspruch zu ihrer Grundaussage, die derartige Bestimmungen auf kollisionsrechtlicher Ebene für unbeachtlich erklärt. Vom Ansatz her konsequenter kann es daher nur sein, den Besonderheiten fremden Eingriffsrechts bereits auf der Ebene des Kollisionsrechts Rechnung zu tragen. Weiterhin spricht gegen einen rein materiellrechtlichen Lösungsweg die heutige Tendenz zur Rechts- und insbesondere Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Im Interesse einer internationalen Entscheidungsharmonie sollten inländische und ausländische Verbotsgesetze gleichermaßen auf kollisionsrechtlicher Ebene eine Berücksichtigung erfahren 149 . Durch die Normierung präziser Voraussetzungen für eine Berücksichtigung ausländischer Eingriffsnormen und der Beibehaltung des inländischen ordre public als zusätzliche Sicherung lassen sich Konkurrenzen mit inländischen gesetzgeberischen Wertentscheidungen hinreichend vermeiden.

145 ]46

Larenz, Allgemeiner Teil, § 22 III a; Palandt-Heinrichs § 138 Anm 1 b) aa), Rn. 2.

Larenz,

Allgemeiner Teil, § 22 III a.

147

Besonders deutlich wird dies bei BGHZ 59, 82,85, wo auf das "...allgemein zu achtende Interesse aller Völker an der Erhaltung von Kulturwerten an Ort und Stelle..." abgestellt wird. 148

v. Bar, IPR, Bd. 1, Rn. 266.

149

Vgl. auch Kropholler,

IPR, § 52 VIII 4.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

1

ee) Schuldstatutstheorie (1) Darstellung Die früher international vorherrschende 150 und heute in bestimmten Ländern noch ansatzweise vertretene 151 bzw. immer noch dominierende 152 Schuldstatutstheorie versteht die Regeln des IPR als umfassende Verweise auf sämtliche Vorschriften des Vertragsstatuts, gleich ob es sich hierbei um privatoder öffentlich-rechtliche Regelungen handelt. Konsequenterweise wenden die Vertreter dieser Ansicht Eingriffsnormen der lex causae an, soweit sie mit dem inländischen ordre public in Einklang stehen 153 und diese im konkreten Fall angewandt werden wollen 1 5 4 . (2) Kritische Analyse der Schuldstatutstheorie Ein Blick auf die Entwicklung des modernen IPR mit seinem Verständnis der Nationalität und der Schaffung der großen Kodifikationen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 155 zeigt, daß die IPR-Regeln traditionell nur auf das Privatrecht verwiesen. Savigny hat öffentlich-rechtliche Normen aus-

150 Vgl. die Nachweise bei Kronstein, Das Recht der internationalen Kartelle, S. 288 und Raape, Internationales Privatrecht, S. 465. Zur Rspr. vgl. Rex v. International Trustee for the protection of Bondholders, (1937) 2 All E.R. 164; RG vom 28. Mai 1936, JW 1936, 2058; Schweiz. BG vom 1. Februar 1938, BGE 64 II 88; niederl. Höge Raad vom 13. März 1936, Rev.crit.dr.int.privé 31 (1936), S. 733; it.Cass. vom 10. Juni 1938, Foro it. 1939 I 571,573. 151 Vgl. die Nachweise bei Kreuzer, Ausländisches Wirtschaflsrecht vor deutschen Gerichten, S. 58; KG 11. Juli 1961, IPRspr. 1966-67, Nr. 190; Mann, in: FS für Wahl, S. 139,158; einschränkend Palandt-Heldrich, Art. 34, Anm. 3 a), Rn. 4,5. 152 v. Hecke, ZfRV 7 (1966), S. 23,29 f.; Heini, ZSchwR 100 (1981/1), S. 65,83; Karaquillo, Étude de quelques manifestations des lois d'application immédiate dans la jurisprudence française de droit international privé, S. 175 ff.,199; Stucki , Der Grundsatz der Nichtanwendung fremden öffentlichen Rechts im schweizerischen IPR, S. 52-68,72; Ballarino, Diritto internazionale privato, S. 370 ff,414 ff. 153

Lalive , SchweizJblntR 27 (1971) S. 103,125; Vischer , in: FG fur Gerwig , S. 189,190.

]S 4

Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 325,343; Mann, in: FS für Wahl, S. 139,153; Karaquillo , Etude de quelques manifestations des lois d'application immédiate dans la jurisprudence française de droit international privé, S. 175 ff.,199. 155 Kropholler, IPR, § 2 III; ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung des IPR Yntema, in: FS für Rabel, S. 513-537.

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

drücklich von seinen Verweisungsnormen ausgenommen 156 . Diese historische Auslegung allein kann jedoch noch nicht zur Ablehnung der Schuldstatutstheorie führen, da zur damaligen Zeit öffentlich-rechtliche Normen mit Auswirkung auf Privatrechtsverhältnisse noch selten waren 1 5 7 , vielmehr erst im Laufe der Zeit (wirtschafte-) politisch motivierte öffentlich-rechtliche Regelungen stetig zugenommen haben und ihre Auswirkungen auf das Privatrecht nunmehr unumstritten sind. Gegen die Schuldstatutstheorie spricht jedoch der hinter den Regelungen des internationalen Vertragsrechts stehende Grundgedanke: Die hier anzutreffenden Anknüpfungspunkte - allen voran die durch Art. 27 EGBGB ermöglichte Rechtswahl - sind darauf ausgerichtet, das dem privaten Interessenausgleich der Parteien am nächsten stehende Recht zu ermitteln 1 5 8 . Ausgerichtet auf die Maxime der Parteiinteressen kann den Kollisionsnormen des internationalen Vertragsrechts nicht noch zusätzlich die Aufgabe zukommen, staatlichen Rechtsanwendungsinteressen gerecht zu werden. Eine Entscheidung über die Durchsetzung unterschiedlicher, möglicherweise widerstreitender staatlicher Interessen kann und will das internationale Vertragsrecht nicht treffen, da es lediglich auf den Ausgleich privater Interessen ausgerichtet ist, nicht jedoch spezielle Anknüpfungen für eine einseitige Durchsetzung hoheitlicher Interessen durch Eingriffsgesetze bereithält 159 . Wie Kreuzer 1 6 0 es treffend ausdrückt, kann den Interessen der Vertragsparteien einerseits und denen des betroffenen Staates andererseits in einer Kollisionsnorm auch nicht entsprochen werden, da die Parteien generell an der Anwendung einer möglichst eingriffsnormenfreien Rechtsordnung interessiert sind, während die staatlichen zwingenden Bestimmungen grundsätzlich nicht der Disposition der Parteien unterliegen. Damit stellen sich die Kollisionsnormen des internationalen Vertragsrechts insgesamt als ungeeignet für die Bestimmung des anzuwendenden Eingriffsrechts dar. Aus den angestellten Überlegungen kann

156 "Gesetze von streng positiver, zwingender Natur, die eben wegen dieser Natur zu jener freien Behandlung, unabhängig von den Gränzen verschiedener Staaten, nicht geeignet sind." Vgl. v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, S. 33 ff. 157

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 81.

158

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 82; Radtke, ZVglRWiss 84(1985), S. 325,338. 159

Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 325,338 f.

160

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 83.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

somit der von der Schuldstatutstheorie praktizierten Berücksichtigung fremden zwingenden Rechts nicht zugestimmt werden. ff) Lehre von der Sonderanknüpfung (1) Darstellung Die im wesentlichen auf Wengler 1 6 1 und Zweigert 1 6 2 zurückgehende und heutzutage verstärkt vertretene Lehre von der Sonderanknüpfung 163 bemüht sich um eine vom Vertragsstatut unabhängige Berücksichtigung von Eingriffsnormen auf kollisionsrechtlicher Ebene 1 6 4 . Ausgehend von der Überzeugung, daß zwingende Normen anderer Rechtsordnungen von den ordentlichen IPR-Verweisungen grundsätzlich nicht umfaßt sind, bemüht man sich um die Entwicklung von Grundsätzen, die das Eingreifen derartiger Vorschriften regeln sollen 1 6 5 . Uneinigkeit herrscht allerdings hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Beachtung fremden Eingriffsrechts. Wengler befürwortet eine Durchbrechung des Vertragsstatuts, wenn das fremde Recht eine enge Beziehung zum Rechtsgeschäft aufweist 1 6 6 und es nicht im Widerspruch zum inländischen ordre public steht 1 6 7 . Hieran anknüpfend verlangt eine inzwischen weit verbreitete Ansicht 1 6 8 eine Sonderanknüpfung fremder Eingriffsnormen, sofern das fremde Recht angewendet werden will, eine hinreichend enge Beziehung der Rechtsordnung zum Sachver-

161

Wengler, ZVglRWiss 54 (1941), S. 168 ff.

162

Zweigert,

RabelsZ 14 (1942), 283 ff.

163

Zur Bedeutung des Begriffs "Sonderanknüpfimg" vgl. Bär, Kartellrecht und IPR, S. 187 f; Serick, RabelsZ 18 (1953), S. 633,636. 164 Großfeld, Internationales Unternehmensrecht, S. 124,125; Kropholler, IPR, § 52 VIII 3; ReithmannMartiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 341; Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 88 f; v. Bar, IPR, Bd. 1, Rn. 264; Hentzen, RIW 1988, S. 508,511; Schubert, RIW 1987, S. 729,745; Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels, S. 193,221; Schurig, RabelsZ 54 (1990), S. 217,236 f.; MünchKomm-Mrrr/rty, Art. 34 EGBGB, Rn. 48. Ablehnend hierzu Mann, in: FS für Wahl, S. 139,158. 165 Ausführlich hierzu Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 325,335 ff.; Schubert, RIW 1987, S. 729,734; Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 59,88. 166

Wengler, ZVglRWiss 54 (1941), S. 168 ff.,174,185.

167

Wengler, ZVglRWiss 54 (1941), S. 168 ff,197.

168

Vgl. Schlosser, S. 302 f.

Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Nr. 307,

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

halt besteht und ein Konflikt mit dem inländischen ordre public ausgeschlossen werden kann. Nach Kegel ist eine ausländische Eingriffsnorm dann anwendbar, wenn der sie erlassende Staat auch die Möglichkeit hat, sie durchzusetzen 169 . Ausnahmsweise kann eine Berücksichtigung auch ohne diese Durchsetzungsmacht erfolgen, sofern die fremden wirtschaftlichen oder politischen Ziele mit denen des Inlands übereinstimmen 170 . Kreuzer fordert eine Sonderanknüpfung, wenn die fremde Norm anwendungswillig ist, der Erlaßstaat nach den Regeln des Völkerrechts regelungskompetent war und die Vorschrift auch die Interessen des Forumstaates fördert 1 7 1 . Teilweise wird unter Berufung auf das Prinzip der Gegenseitigkeit 172 danach gefragt, ob die ausländische Norm Zwecke verfolgt, die aus der Sicht des Forumstaates billigenswert sind 1 7 3 . Currie zielt mit seinem Begriff des "governmental interest" 1 7 4 darauf ab, ob ein Staat Interesse an der Anwendung seines Rechts auf den konkreten Fall hat. In Fällen echter Kollision von Interessen des fremden Staats mit solchen des Gerichtsstaats soll der lex fori der Vorrang gebühren 175 . Einen anderen dogmatischen Ansatzpunkt für die Sonderanknüpfung fremder Eingriffsnormen wählt Schubert 176 , der anstelle des Anwendungswillens der fremden Rechtsordnung den Gleichheitssatz als maßgeblich erachtet. Grundlage für die Anwendung ausländischen zwingenden Rechts könne nur eine Regelung im innerstaatlichen Recht sein: Begreift man den Auslandsbezug als gleichheitssatzrelevanten Faktor, so bestimmt dieser über die Anwendung fremden zwingenden Rechts. Der Anwendungswilligkeit der fremden

169

V. Hecke, in: FS für Mann, S. 183,191; Soergel-Kegel, Vor Art. 7, Rn. 396.

170

BGHZ 34, 169 = NJW 1961, 822; BGH AWD 1962, 208 = NJW 1962, 1436; Soergel-A'ege/, Vor Art. 7, Rn. 396. 171

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 90 ff.

17 2

v. Bar, IPR, Bd. 1, Rn. 267.

173

So im Ergebnis auch Großfeld,

Internationales Unternehmensrecht, S. 124 f.

17 4

Currie, Selected Essays on the Conflict of Laws, S. 188 ff ; ausführlich hierzu Drobnig, in: FS für Neumayer, S. 159,163 ff. 175

Vgl. Drobnig, in: FS für Neumayer, S. 159,164.

17 6

Schubert, RIW 1987, S. 729,744.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

Rechtsordnung kommt hier nur eine Abwehrfunktion dergestalt zu, daß bei fehlendem Anwendungswillen der fremden Rechtsordnung diesem im Wege der Rückverweisung Rechnung getragen w i r d 1 7 7 . (2) Kritische Analyse der Lehre von der Sonderanknüpfung Gemeinsam ist all diesen Ansichten, daß sie die zwingenden Bestimmungen einer Rechtsordnung von den üblichen IPR-Verweisungen nicht als mitumfaßt ansehen 178 , das Kollisionsrecht für diesen Bereich also Sonderregelungen treffen muß. Eine Stütze erfahrt diese Auffassung in der gesetzgeberischen Entscheidung hinsichtlich inländischer Eingriffsnormen in Art. 34 EGBGB. Im Unterschied zur ordre public-Regelung in Art. 6 EGBGB, bei der erst auf materiellrechtlicher Ebene mißliebige Ergebnisse herausgefiltert werden, nimmt Art. 34 EGBGB inländische Eingriffsnormen ausdrücklich bereits von der kollisionsrechtlichen Verweisung aus. Es stellt sich nun die Frage, warum bei ausländischen Eingriffsnormen etwas anderes gelten soll: Wenn die vorwiegend am Parteiinteresse ausgerichteten Normen des Internationalen Vertragsrechts 179 keine Vorgaben für Normen zum Schutz inländischer Staatsinteressen enthalten, ist schwerlich einzusehen, warum ihnen eine derartige Funktion im Hinblick auf ausländische Normen, die den Parteien im Zweifel unbekannt und damit fremder sind, zukommen s o l l 1 8 0 . Diese Überlegung spricht für eine Sonderanknüpfung auch fremden Eingriffsrechts. Teilweise wird der Sonderanknüpfungslehre vorgeworfen, sie bediene sich zu unbestimmter Entscheidungsmaßstäbe, sei deshalb nicht auf Prohibitgesetze zu beschränken und führe so letztlich zu einer Auflösung des I P R 1 8 1 . Weiterhin sei kein Grund für eine Unterordnung der lex fori oder des Vertragsstatuts unter das Recht anderer Staaten ersichtlich 182 . Der erstgenannte Einwand bezieht sich weniger auf die grundsätzliche Möglichkeit kollisionsrechtlicher Sonderbehandlung als vielmehr auf die hieran zu stellenden Voraussetzungen. Wählt man diese nach strengen und

17 7

Schubert, RIW 1987, S. 729,744.

17 8

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 84 m.w.N.

179

Vgl. oben S. 92.

180

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 84 f.

181

Mann, in: FS für Wahl, S. 139,158; ders., in: FS für Beitzke, S. 607,613.

182

Mann, FS für Wahl, S. 139,158.

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

eindeutigen Kriterien aus, so bleibt auch der Kreis der zu berücksichtigenden Gesetze überschaubar, so daß eine Auflösung des IPR nicht zu befürchten ist. Der weiter vorgetragene Vorwurf der Unterordnung vermag insofern nicht zu überzeugen, als ein Rechtssystem mit allseitigen Kollisionsnormen in bestimmten Fällen die Anwendung fremden Rechts vorsieht, sich diesem damit quasi unterordnet. Die hiermit bezweckte Suche nach der dem Sachverhalt nahestehendsten und damit "gerechtesten" Rechtsordnung kann es dann aber folgerichtig notwendig machen, nach der grundsätzlichen Bestimmung des anwendbaren Rechts für bestimmte Sonderbereiche (zwingende Normen) ein anderes Recht heranzuziehen. Sollte es hierdurch zu einer Kollision verschiedener zwingender Vorschriften unterschiedlicher Herkunft kommen, ließe sich eine solche durch einen festgelegten Vorrang beispielsweise der lex fori lösen. Somit vermögen die vorgetragenen Bedenken gegen die Sonderanknüpfungslehre nicht zu überzeugen. Begreift man nun mit der Lehre von der Sonderanknüpfung die zwingenden Vorschriften als von den kollisionsrechtlichen Verweisungen nicht umfaßte Normen und hat sich auch der früher teilweise vertretene Grundsatz der Nichtanwendung ausländischen öffentlichen Rechts als überholt herausgestellt, muß man zwangsläufig eine kollisionsrechtliche Sonderbehandlung fremden Eingriffsrechts vornehmen. Der hier dargestellten Theorie von der Sonderanknüpfung ist somit zu folgen. (3) Voraussetzungen für eine Beachtung fremden Eingriffsrechts Um den Kreis der relevanten Verbotsgesetze in überschaubarem Rahmen zu halten und die Frage der Kollision widerstreitender Verbotsgesetze unterschiedlicher Herkunft zu klären, müssen präzise Voraussetzungen für eine Berücksichtigung geschaffen werden. Einigkeit herrscht im allgemeinen hinsichtlich des Erfordernisses einer engen Beziehung der betreffenden Rechtsordnung zum Sachverhalt 183 . Dieses Merkmal stellt für Eingriffsnormen des Vertragsstatuts insofern kein Problem dar, als das Vertragsstatut selber bereits durch seine enge Verbindung zum

183 Im Anschluß an Wengler, ZVglRWiss 54 (1941), S. 168,185 ff; v. Bar, IPR, Bd. 1, Rn. 266; Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 63; Radtke, ZVglRWiss 84 (1985), S. 325,335 m.w.N.; Schurig, RabelsZ 54 (1990), S. 217,236; Kropholler, IPR, § 52 V I I I 3; MünchKomm-A/arr/wy, Art. 34 EGBGB, Rn. 48.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

Sachverhalt ausgewählt wurde. Aber auch fur den noch unten zu behandelnden Fall der Verbotsgesetze von Drittstaaten entspricht die Forderung nach einer engen Beziehung letztlich den allgemeinen Voraussetzungen für die Bestimmung des maßgeblichen Rechts durch das IPR. Alle unserem Kollisionsrecht innewohnenden Anknüpfungspunkte fordern eine enge Beziehung der maßgeblichen Rechtsordnung zum Sachverhalt. Fraglich ist, ob das von der Machttheorie 184 als ausschlaggebend genannte Kriterium der Durchsetzbarkeit der betreffenden Norm durch den Erlaßstaat eine sinnvolle Voraussetzung für die Anwendbarkeit fremder Verbotsgesetze ist. Wie bereits oben dargestellt, endet die Macht eines jeden Staates an seinen Grenzen 185 : Die Durchsetzung eigener Gesetze auf fremdem Staatsgebiet stellt grundsätzlich eine Verletzung der Jurisdiktion und Souveränität des anderen Staates d a r 1 8 6 und kann aus völkerrechtlicher Sicht nur dann rechtmäßig sein, wenn eine Unterstützung durch den anderen Staat etwa in Form zwischenstaatlicher Abkommen - vorliegt, die die Durchsetzung fremder staatlicher Ansprüche auf eigenem Staatsgebiet ermöglicht. Darüber hinaus muß auch klar gesehen werden, daß die Anknüpfung alleine an die Macht des Erlaßstaates im Bereich des internationalen Vertragsrechts keine zufriedenstellende Maxime ist: Da in diesem Bereich vornehmlich den Interessen der Vertragsparteien entsprochen werden soll, können die oftmals gegenläufigen Staatsinteressen und ihre Durchsetzungsmacht nicht gleichzeitig berücksichtigt werden 1 8 7 . Der Machttheorie kann somit kein ausreichendes Kriterium für die Anwendbarkeit fremden Eingriffsrechts entnommen werden. Die von einigen Stimmen geforderte Übereinstimmung der Interessen des Erlaßstaates mit denen des Forumstaates (sog. shared value approach 188 ) erfordert eine Analyse des Normzwecks auf der einen sowie der Staatsinteressen auf der anderen Seite. Setzt man als positive Anwendungsvoraussetzung eine Identität der jeweiligen Interessen voraus, so scheiden damit von vornherein solche zwingenden Vorschriften aus, die nur den fremden Staatsinteressen entsprechen, ohne dabei jedoch den eigenen nationalen Maximen zu wi-

184

V. Hecke, in: FS für Mann, S. 183,191; Soergd-Kegel,

185

Kegel FS Seidl-Hohenveldern,

186

Mann, RabelsZ 21 (1956), S. 1,7 f.

187

Vgl. oben S. 92.

188

Vgl. hierzu Großfeld/Rogers, 1993, S. 65,68. 7 Schmeinck

Vor Art. 7, Rn 396.

S. 243,246; Mann, FS Kegel, S. 365.

Int.Comp.L.Q.32 (1983) S. 931,939,943 f.; Zimmer, IPRax

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

dersprechen. Wenn nun aber aus nationaler Sicht keine Gründe gegen eine Anwendung sprechen, ist nicht einzusehen, warum dann das fremde Recht unbeachtlich sein soll. Ein Vorrang der lex fori sollte aus Gründen der internationalen Entscheidimgsharmonie und der Wertschätzung anderer Rechtsordnungen auf Fälle echter Kollision widerstreitender Staatsinteressen beschränkt sein. Solchen Kollisionen kann jedoch hinreichend durch eine negative Schranke begegnet werden, die die Anwendung fremden Rechts ausschließt, sofern die von der konkreten Norm bezweckten Interessen solchen des Forumstaates zuwiderlaufen. Einer positiven Anwendungsschranke der vorgestellten Art bedarf es hierzu jedoch nicht. Dem Kriterium der Anwendungswilligkeit fremden Rechts bzw. der Maßgeblichkeit des governmental interests wird teilweise entgegengehalten, daß damit im Prinzip jeder Rechtsordnung der Zugang zum nationalen Recht eröffnet w i r d 1 8 9 , was zur Konsequenz habe, daß letztlich jede Rechtsordnung daraufhin befragt werden müsse, ob sie auf den konkreten Fall angewandt werden wolle. Diesem Einwand kann jedoch entgegengehalten werden, daß die Anwendungswilligkeit nie das einzige Kriterium darstellt, sie vielmehr stets im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer engen Beziehung der Rechtsordnung zum Sachverhalt zu sehen ist. Schon dadurch schränkt sich der Kreis der in Frage kommenden anwendungswilligen Rechtsordnungen erheblich ein. Im übrigen ist die Berücksichtigung des Anwendungswillens einer fremden Rechtsordnung ein dem deutschen IPR durchaus bekanntes Kriterium, was bereits aus Art. 4 Abs. 1 EGBGB hervorgeht, wonach das nationale Kollisionsrecht einer Rück- oder Weiterverweisung des fremden Rechts grundsätzlich folgt. Dem Anwendungswillen der fremden Rechtsordnung vom Grundsatz her Beachtung zu schenken, ist letztlich Ausdruck der Anerkennung dieses Rechtssystems und seiner Wertentscheidungen. Wenn weiterhin gegen das Kriterium des Anwendungswillen eingewandt wird, daß es auch für den Bereich des Eingriffsrechts in erster Linie darauf ankommen muß, ob das inländische Rechtssystem ausländischen Normen Wirkung verleihen w i l l 1 9 0 , so kann dem entgegengehalten werden, daß das nationale Recht diese Entscheidung durchaus trifft, indem es eine spezielle

189

Schubert, RIW 1987, S. 729,735.

190

Schubert, RIW 1987, S. 729,735.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

Verweisungsnorm schafft, innerhalb derer Voraussetzungen für eine Anwendung fremden Rechts aufgestellt werden. Die Tatsache, daß eine dieser Voraussetzungen die Anwendungswilligkeit der fremden Rechtsordnung ist, stellt diese jedoch nicht über die nationale Wertentscheidung. Vielmehr erkennt der nationale Gesetzgeber hiermit nur die Wertigkeit der fremden Rechtsordnung an, indem er teilweise ihren Vorgaben entspricht, dies jedoch aufgrund der eigenen Entscheidung t u t 1 9 1 . Die Beachtung des Anwendungswillens der fremden Rechtsordnung kann somit als sachgerechtes Kriterium für die Beachtung fremder Eingriffsnormen angesehen werden. Die nahezu übereinstimmend geforderte Voraussetzung der Vereinbarkeit des ausländischen Gesetzes mit dem inländischen ordre public soll einen wirksamen Schutz vor solchen Gesetzen bewirken, die mit wesentlichen inländischen Grundentscheidungen kollidieren würden. Es fragt sich jedoch, ob dafür nicht die allgemeine ordre public-Klausel des Art. 6 EGBGB ausreichen würde. Während hiernach das fremde Kollisionsrecht zunächst prinzipiell zur Anwendung berufen wird und erst im Bereich des Sachrechts ein Ausschluß der von dem Gesetz angeordneten Rechtsfolgen ermöglicht wird, bewirkte eine Aufnahme des ordre public-Vorbehalts als Voraussetzung für die Anwendbarkeit fremden Eingriffsrechts, daß bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene das betreffende Gesetz nicht beachtet werden könnte. Schon aus ökonomischen Gründen sollte eine rasche Überprüfung der ordre public-Verträglichkeit der ausländischen Norm vorgenommen werden, bevor weitere Voraussetzungen für ihre Anwendung erörtert werden. Da jedoch unabhängig von einer Entscheidung auf kollisionsrechtlicher Ebene stets noch eine Korrektur auf materiellrechtlicher Ebene über Art. 6 EGBGB möglich ist, kann der Überprüfung der ordre public-Verträglichkeit auf kollisionsrechtlicher Ebene nur der Charakter einer gröberen Kontrolle zukommen, die Fälle offensichtlicher Unvereinbarkeit erfassen soll. In dieser Funktion sollte auch dieses Kriterium als Anwendungsvoraussetzung für fremdes Eingriffsrecht verstanden werden. Die angestellten Überlegungen zur Praktikabilität der im einzelnen vorgeschlagenen Voraussetzungen für die Anwendung fremden Eingriffsrechts können wie folgt zusammengefaßt werden: Verbotsnormen fremder Rechtsordnungen sollten dann beachtet werden, wenn der Sachverhalt eine hinreichende Beziehung zu der Rechtsordnung des Erlaßstaates aufweist, diese ihre

191

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 78.

100

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

betreffenden Normen im konkreten Fall angewandt wissen will und die von der Norm angeordnete Rechtsfolge mit dem inländischen ordre public vereinbar ist. Diese Voraussetzungen, die sowohl die Interessen des Forumstaates (ordre public-Vorbehalt), als auch solche des fremden Staates (enge Beziehung, Anwendungswillen) miteinander in Einklang zu bringen sucht und die in dieser Konstellation Eingang in Art. 7 I EVÜ gefunden haben, sollten einzelfallspezifisch zueinander in Beziehung gesetzt werden: Je stärker inländische Interessen betroffen sind, desto höher sollten die Voraussetzungen einer Vereinbarkeit mit dem hiesigen ordre public angesetzt werden. Umgekehrt sollte gleichermaßen gelten, daß mit zunehmender Verbindung des Sachverhalts zu einer anderen Rechtsordnung die inländischen Interessen in den Hintergrund treten und an die Voraussetzungen einer kollisionsrechtlichen ordre public-Sperre niedrigere Voraussetzungen gestellt werden 1 9 2 . Den im Rahmen der Diskussion um die Übernahme von Art. 7 I EVÜ vorgetragenen Bedenken der Rechtsunsicherheit 193 kann entgegengehalten werden, daß speziell für die Terminologie "enge Beziehung" im Bereich des IPR inzwischen hinreichende Fallgruppen zur näheren Konkretisierung und Ausfüllung dieses Begriffs entwickelt worden sind 1 9 4 . Darüber hinaus bestehende Unsicherheiten sind letztlich jeder Norm eigen, die sich normativer Tatbestandsmerkmale bedient. Mit dem Hinweis auf die bestehenden Auslegungsmöglichkeiten werden sie von Rechtsprechung und Lehre in vielen Bereichen akzeptiert. Angesichts der dargestellten Überlegungen spricht nichts gegen eine zukünftige Übernahme des Art. 7 Abs. 1 EVÜ und dessen Inkorporierung in das nationale Recht. Gerade auch im Hinblick auf eine wünschenswerte Rechtsvereinheitlichung und Annäherung der Rechtsordnungen wäre dies ein begrüßenswerter Schritt. b) Französisches Recht Im französischen Recht herrscht der Grundsatz der allumfassenden Herrschaft des Vertragsstatuts 195 . Das bedeutet, daß die französischen Kollisionsnormen prinzipiell auf die gesamte Gesetzgebung der für anwendbar befun-

192

Hentzen, RIW 1988, S. 508,511.

193

Vgl. oben S. 84,85.

194

Vgl. hierzu die Vermutungsregelung in Art. 28 Abs. 2 EGBGB.

195

Trib.gr.inst. Paris 8. März 1985, Recueil Dalloz Sirey 1985.2.346 und 500; zitiert nach Anderegg, Ausländische Eingriffsnormen im internationalen Vertragsrecht, S. 29, Fn. 129.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

101

denen Rechtsordnungen verweist. Im Hinblick auf ausländische Leistungsverbote verfährt die französische Rechtsprechung in neuerer Zeit dergestalt, daß sie zunehmend für anwendbar erklärt werden, sofern sie dem Vertragsstatut angehören 196 . Dieser Grundsatz erfahrt jedoch Ausnahmen in den Fällen, in denen das ausländische Gesetz gegen den französischen ordre public verstößt 1 9 7 oder es sich bei den Normen um solche politischen Ursprungs handelt, die darum einer territorialen Bindung unterliegen und auf fremdem Staatsgebiet grundsätzlich keine Geltung beanspruchen können 1 9 8 . Dieser letzte Aspekt wurde von der Cour d'appel von Colmar in einer Entscheidung aus dem Jahre 1937 betont, in der es heißt M...cette loi présente un caractère purement politique par le but qu'elle se propose et par les motifs qui l'inspirent ; qu'elle est donc essentiellement territoriale et qu'elle n'a aucune autorité en France..." 199. Sofern die betreffenden Normen danach von der kollisionsrechtlichen Verweisung ausgeschlossen sind, kann ihnen auf der Ebene des Sachrechts Beachtung geschenkt werden 2 0 0 . Frankreich ist darüber hinaus Mitgliedstaat des E V Ü 2 0 1 und hat gegen Art. 7 des Übereinkommens, der die Anwendung fremder zwingender Bestimmungen regelt, keinen Vorbehalt erhoben, so daß die Behandlung fremden Eingriffsrechts nach der staatsvertraglich vereinbarten Regelung zu erfolgen hat. c) Englisches Recht England ist zwar Mitgliedstaat des EVÜ, hat jedoch gleichermaßen wie die Bundesrepublik gegen die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 einen nach Art. 22 des Übereinkommens zulässigen Vorbehalt eingelegt 202 . Damit beurteilt sich die Frage nach der Behandlung fremden Eingriffsrechts weiterhin nach den allgemeinen nationalen Kollisionsbestimmungen.

196

Kösters, Die Anwendung ausländischer Eingriffsnormen im französischen Recht, S. 60 f.

197

Vgl. hierzu Cour de Cassation, Cass.civ. 17. November 1958, Bull.civ. 1958 I Nr.492, wo eine Unvereinbarkeit mit dem ordre public des Gerichtsstaates anklingt. 198

Cour d'appel de Paris 30.6.1933, Clunet 1933, S. 963.

199

Cour d'appel de Colmar, Rev.crit.dr.int.privé 1937, S. 685,687.

20 0

Anderegg, S. 30.

201

Jayme/Hausmann, Nr. 44, Fn. 4.

20 2

Jayme/Hausmann, Nr. 44, Fn. 11.

10

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

In einer Entscheidung des House of Lords im Jahre 1950 wurde bestimmt, daß das Vertragsstatut in seiner Gesamtheit einschließlich seiner zwingenden Bestimmungen Anwendung findet 203.Dieser Grundsatz ist seither in ständiger Rechtsprechung bestätigt worden 2 0 4 . Jedoch steht die kollisionsrechtliche Beachtung zwingenden Rechts des Vertragsstatuts unter zwei Vorbehalten: Die Anwendung des ausländischen Gesetzes darf nicht gegen die public policy verstoßen 205 , und es werden darüber hinaus keine Steueransprüche fremder Staaten erzwungen 206 . d) Zwischenergebnis Wie die vorangegangenen Erörterungen gezeigt haben, wird in den hier dargestellten Rechtsordnungen den zwingenden Bestimmungen des Vertragsstatuts übereinstimmend bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene Beachtung geschenkt. Während dieses Ergebnis im deutschen Recht nach der für vorzugswürdig erachteten Lehre von der Sonderanknüpfung durch eine von der ordentlichen IPR-Verweisung abweichenden kollisionsrechtlichen Sonderbehandlung erzielt wird, sind Eingriffsnormen des Vertragsstatuts im englischen und französischen Recht vorbehaltlich bestimmter Voraussetzungen bereits im Wege der allgemeinen kollisionsrechtlichen Anknüpfung mit zur Anwendung berufen. 3. Drittstaatliche Eingriffsnormen bei in- oder ausländischem Schuldstatut Klärung bedarf nun noch die Frage, inwieweit zwingenden Vorschriften von Drittstaaten, die weder dem Vertragsstatut noch der lex fori angehören, Beachtung zukommt. Diese Konstellation mag durch folgenden, vom englischen Court of Appeal entschiedenen Fall Attorney General of New Zealand ν. O r t i z 2 0 7 verdeutlicht werden:

203 Zivnostenka Banka National Corp. v. Frankman [1950] A C . 57 (71,74,77/78,85,87) (H.L.); Köhler v. Midland Bank Ltd. [1950] A.C. 24 (27,57)(H.L.); zit. nach Anderegg, S. 47. 2 0 4

Vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Anderegg, S. 47, Fn. 235.

205

Dieser Vorbehalt ist zwar mehrfach angesprochen worden, bislang jedoch im Ergebnis stets abgelehnt worden, vgl. Zivnostenka Banka National v. Frankman [1950] A C . 57 (72) (H.L.); Kohler v. Midland Bank Ltd. [1950] AC. 24 (27) (H.L.). 20 6

Anderegg, S. 48.

2 0 7

[1982] 3 All E.R. 432 ff (C.A) und [1983] 2 All E.R. 93 ff (H.L.).

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

10

1972 fand ein neuseeländischer Bauer in einem Moor eine holzgeschnitzte Figur der Maori-Kunst und verkaufte sie ein Jahr später einem Kunsthändler aus London, der sie entgegen dem im New Zealand Historie Articles Act (1962) 2 0 8 normierten Ausfuhrverbot außer Landes brachte. In New York verkaufte er die Figur an den in Genf ansässigen Kunstsammler Ortiz, der sie seinerseits im Jahre 1977 bei Sotheby's in London versteigern lassen wollte. Hiervon erfuhr die neuseeländische Regierung und machte ihr Eigentum an der Schnitzerei geltend. Nach dem neuseeländischen Ausfuhrverbotsgesetz fallen Gegenstände, die ohne die erforderliche Genehmigung exportiert werden, an die Krone "upon seizure" 209 . Wäre es zu dem Verkauf gekommen, so wäre englisches Recht Vertragsstatut gewesen. Der Court of Appeal lehnte die Berücksichtigung der neuseeländischen Eingriffsnormen ab, weil sie öffentliches Recht seien, welches grundsätzlich nur im Territorium des Erlaßstaates wirkt, bzw. weil derlei konfiskatorische Gesetze stets nur Gegenstände auf eigenem Staatsgebiet erfassen können. Das neuseeländische Ausfuhrverbotsgesetz als drittstaatliche Eingriffsnorm erfuhr also weder auf kollisionsrechtlicher noch auf sachrechtlicher Ebene eine Berücksichtigung. a) Behandlung drittstaatlicher

Eingriffsnormen

im deutschen Recht

Der von der Rechtsprechung und einzelnen Vertretern der Literatur 2 1 0 beschrittene Weg über eine rein sachrechtliche Berücksichtigung fremder Eingriffsnormen gilt auch für den Bereich drittstaatlicher Normen. Aus den bereits oben angesprochenen Erwägungen 211 kann diesen Auffassungen auch an dieser Stelle nicht gefolgt werden. Für Vertreter der Schuldstatuttheorie, die ausländische Eingriffsnormen als von den IPR-Verweisungen mitumfaßte Regelungen verstehen, können Normen, die nicht zum Schuldstatut gehören, konsequenterweise auf kollisionsrechtlicher Ebene nicht berücksichtigt werden 2 1 2 .

208

Hierzu Burnham, The Protection of Cultural Property, S. 116.

2 0 9

Vgl. Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels,

2 1 0

Vgl. oben S. 87-89.

211

Vgl. obenS. 89,90.

21 2

S. 193,204.

Mann, in: FS für Beitzke, S. 607,608 f.; dersin: FS für Wahl, S. 139,160; SandrockSteinschulte, in: Sandrock, Handbuch der Internationalen Vertragsgestaltung, Bd. 1, Rn. A 188 ff ; Serick, RabelsZ 18 (1953), S. 633,646 f.

10

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Nach der oben für vorzugswürdig erachteten Theorie der Sonderanknüpfung fremden Eingriffsrechts kann auch drittstaatlichen Normen unter den bereits angeführten Voraussetzungen durch eine Sonderanknüpfüng Wirkung verliehen werden 2 1 3 . Erforderlich ist also auch hier eine hinreichend enge Beziehung der Rechtsordnung zum Sachverhalt, die Anwendungswilligkeit der Norm sowie ihre Vereinbarkeit mit dem inländischen ordre p u b l i c 2 1 4 . Im Regelfall wird der Sachverhalt mit der Rechtsordnung eines solchen Drittstaates weniger eng verbunden sein als mit dem Vertragsstatut, das eben aufgrund der Parteiwahl oder der engsten Verbindung als solches bestimmt wurde. Um nun der stärkeren Nähebeziehung zum Vertragsstatut und der lex fori Rechnung zu tragen, kann die kollisionsrechtliche ordre public-Sperre entsprechend höher angesetzt werden als dies im Rahmen von Eingriffsnormen der lex causae der Fall ist. Je größer die Entfernung zwischen der drittstaatlichen Rechtsordnung und dem Sachverhalt ist, umso stärker wirken inländische und vertragsstatutsangehörige Wertentscheidungen auf den Rechtsfall e i n 2 1 5 . Für drittstaatliche Eingriffsnormen hat dies zur Folge, daß nur noch eminent wichtigen zwingenden Bestimmungen, die aus Sicht der lex fori nachvollziehbar sind, Beachtung geschenkt werden kann. b) Behandlung drittstaatlicher

Eingriffsnormen

im französischen Recht

M i t dem Beitritt Frankreichs zum EVÜ und der Geltung seines Art. 7 Abs. 1 ist eine kollisionsrechtliche Berücksichtigung auch drittstaatlicher zwingender Normen prinzipiell möglich. In früheren Entscheidungen der französischen Rechtsprechung wurden solche Eingriffsnormen zumeist als unbeachtlich angesehen 216 . In einigen Fällen jedoch, in denen es um Verträge über Schmuggelware ging, entschieden die Gerichte, daß hierin ein Verstoß gegen die guten Sitten iSv Art. 1133 Code C i v i l 2 1 7 bzw. ein Widerspruch zur "conscience

21 3

Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten, S. 59 m.w.N.

2 1 4

Vgl. obenS. 99,100.

215

Zu diesem Wechselwirkungsgedanken zwischen den Kriterien der engen Beziehung und dem inländischen ordre public vgl. Hentzen, RIW 1988, S. 508,511. 216

Cour d'appel de Reims 25. Oktober 1976, Clunet 1978, S. 99,100; vgl. auch Kösters,

S. 64

m.w.N. 2 1 7

Trib.com. de Dunkerque 27. November 1906, Clunet 1908, S. 138; Cour d'Alger 20. Februar 1925, Clunet 1926, S. 701; Trib.com. de Marseille, Rev.crit.dr.int.privé 1948, S. 295; Trib.civ. de la Seine 2. Juli 1932, Clunet 1933, S. 73 = Rev.crit.dr.int.privé 1934, S. 770.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

10

publique" 2 1 8 zu sehen wäre und erklärten die Verträge als nichtig. Damit hat die Rechtsprechung bislang drittstaatlichen Eingriffsnormen nur auf der Ebene des materiellen Rechts Berücksichtigung geschenkt 219 . c) Behandlung drittstaatlicher

Eingriffsnormen

im englischen Recht

Ausgehend von der These der allumfassenden Verweisung der IPR-Norm e n 2 2 0 lehnt die englische Rechtsprechung generell eine kollisionsrechtliche Sonderbehandlung von Eingriffsnormen ab. Entschieden wurde jedoch, daß aus Verträgen, in denen die Parteien bewußt und gemeinschaftlich die Umgehung eines ausländischen Gesetzes bezwecken, keine vor englischen Gerichten einklagbaren Ansprüche entstehen können 2 2 1 . Verträge dieser Art in ihrer Wirksamkeit anzuerkennen hieße, den Geboten der Staatensolidarität ("comity of nations") zuwiderzuhandeln. Generell besteht nach englischem Recht die Möglichkeit, drittstaatliche Eingriffsnormen auf materiellrechtlicher Ebene zu berücksichtigen 222 . d) Zwischenergebnis Die Rechtsprechung in England, Frankreich und Deutschland stimmt dahingehend überein, daß Eingriffsnormen, die weder der lex fori noch dem Vertragsstatut angehören, nur auf der Ebene des materiellen Rechts Wirkung verliehen werden kann. Für die Behandlung drittstaatlicher zwingender Bestimmungen im deutschen Schrifttum nach der hier vertretenen Lehre von der Sonderanknüpfung gelten im wesentlichen die gleichen Voraussetzungen für eine kollisionsrechtliche Berücksichtigung wie bei Normen des Vertragsstatuts. Die Anforderungen sind nur insofern höher zu setzen, als die drittstaatliche Rechtsordnung im Regelfall eine weniger enge Beziehung zum Sachverhalt aufweisen wird.

218

Trib.civ. de la Seine 4.1.1956, Rev.crit.dr. intprivé 1956,679 (680).

21 9

Kösters, S. 74 f.

2 2 0

Vgl. oben S. 102.

221

De Wütz v. Hendricks [1824] 27 Rev.Rep. 660 (661) (K.B.); Foster v. Driscoll [1929] 1 K.B. 470 (C.A.); Regazzoni v. K.C. Sethia (1944) Ltd. [1956] Q.B. 490 (C.A.) und [1958] A.C. 301 (H.L.). 22 2

Anderegg, S. 63 f.

10

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

C. Konsequenzen für den internationalen Kulturgüterschutz

Die vorangegangenen Erörterungen haben gezeigt, daß die in den nationalen Rechtsordnungen verankerten Ausfuhrverbotsgesetze einen nur unvollständigen Schutz für den dauerhaften Verbleib von Kulturgütern an ihren rechtmäßigen Ursprungsterritorien bieten. Weitläufige und schwer zu kontrollierende Grenzen, ungenügende Überwachung grenzüberschreitender Transporte und ein immer ausgeklügelteres Netz internationalen Schmuggels haben dazu gefuhrt, daß in zahlreichen Fällen Kulturgüter unter Verletzung der von den Herkunftsländern erlassenen Exportrestriktionen illegal außer Landes gebracht wurden 2 2 3 . Da ein Gegenstand von dem Moment an, ab dem er sich auf dem Gebiet eines anderen Staates befindet, kraft der Territorialhoheit den dortigen öffentlich-rechtlichen Regeln unterliegt und die Möglichkeit des Herkunftslandes zur Sanktionierung der illegalen Ausfuhr an seinen eigenen Staatsgrenzen endet 2 2 4 , liegt es allein in der Macht des Belegenheitsstaates, den fremden Exportbestimmungen Wirkung zu verleihen. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht noch keine generelle Verpflichtung der Staaten, öffentlich-rechtliche Handelsbeschränkungen anderer Länder zu beachten 225 . Vielmehr wird - wie oben dargestellt - fremden Eingriffsnormen oftmals n i c h t 2 2 6 oder lediglich auf materiellrechtlicher Ebene Rechnung getragen 227 . In Anbetracht des zunehmenden Bewußtseins um die Bedeutung des Erhalts nationalen Kulturguts an seinen Ursprungsterritorien und des inzwischen als internationale Angelegenheit verstandenen Kulturgüterschutzes 228 könnte diesem Mangel durch ein staatenübergreifendes Schutzinstrumentarium abgeholfen werden. In einem weltweit geltenden Abkommen ließe sich eine Verpflichtung aller Staaten zur gegenseitigen Anerkennung der Exportverbote für das jeweilige

22 3

Siehr, SJZ 1981, S. 189 f.; Hönisch, in: FSfor Müller-Freienfels,

224

Vgl. oben S. 81.

22 5

Siehr, SJZ 1981, S. 189,196; Kreuzer, Ausländisches Wirtschaftsrecht vor deutschen Gerichten,

S. 193,195 f.

S. 76 f. 226

Attorney General of New Zealand v. Ortiz, [1982] 3 All E.R. 432 ff. (C.A.), [1983] 2 All E.R. 93 ff. (H.L.). 2 2 7

BGHZ 59, 82; BGH NJW 1962, 1436; BGHZ 34, 169.

228

Vgl. oben S. 53 ff

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

10

nationale Kulturerbe formulieren 229 . Hierin könnte zum einen angeordnet werden, daß Gegenstände, die entgegen einem Ausfuhrverbot außer Landes gebracht wurden, an ihrem derzeitigen Aufenthaltsort nach den dortigen Rechtsvorschriften nicht übertragbar sind, d.h. daß hieran ein Eigentumserwerb ausscheidet und auch eine erneute Ausfuhr in weitere Staaten untersagt wird. Weiterhin wäre eine Vereinbarung der gegenseitigen Hilfeleistung bei der Suche nach unrechtmäßig ausgeführten Stücken und ihrer Rückführung an den rechtmäßigen Ursprungsort möglich. Ob sich eine derartige staatenübergreifende Verpflichtung in absehbarer Zeit auf der Grundlage eines internationalen Abkommens zum Kulturgüterschutz durchsetzen läßt, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Angesichts der bislang nur unvollständigen Akzeptanz der internationalen Abkommen auf diesem Gebiet könnten hieran Zweifel bestehen 230 . Jedoch muß bedacht werden, daß seit der Entstehung der bereits realisierten Staatsverträge Jahre vergangen sind, in denen das Bewußtsein um die Notwendigkeit eines Kulturgüterschutzes auf internationaler Ebene ständig gewachsen ist und damit eine inzwischen höhere Bereitschaft der Staaten zur Entwicklung eines neuen grenzüberschreitenden Schutzinstrumentariums durchaus möglich ist. Darüber hinaus können auch die vereinzelt vorgetragenen Gründe für eine Ablehnung früherer Übereinkommen untersucht werden und einem neuen Projekt insofern zugute kommen, als für einzelne Bereiche gezielt nach Alternativlösungen gesucht werden kann. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß den Gefahren des illegalen Handels mit Kulturgütern wirksam nur mit einem internationalen Schutzinstrumentarium begegnet werden kann, das Vorschriften über eine gegenseitige Berücksichtigung der einzelnen nationalen Ausfuhrverbotsgesetze enthält.

229 Ygj insoweit den Vorschlag des Institut de Droit International zum internationalen Kauf von Kunstgegenständen, La vente internationale d'objets d'art sous l'angle de la protection du patrimoine culturel , abgedruckt in RabelsZ 56 (1992), S. 566-571: "Art. 3: Les dispositions de la loi du pays d'origine concernant l'exportation d'objets d'art seront applicables." 2 3 0

Vgl. oben S. 55 ff.

10

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

§ 4 Schutz von Kulturgütern durch ihre Deklarierung zu res extra commercium Eine Anzahl von Staaten bemüht sich, ihre Kulturschätze dem Handel gänzlich zu entziehen, indem sie die betreffenden Gegenstände jeweils zu res extra commercium deklarieren. A. Inhalt

Bewirkt wird hiermit, daß das jeweilige, nicht handelsfähige Objekt weder übertragbar ist, noch an ihm in irgendeiner Weise Eigentum erworben werden k a n n 2 3 1 . Von erheblicher Bedeutung ist zudem, daß weder Verjährungs- noch Ersitzungsvorschriften hierauf Anwendung finden, die - wie noch zu zeigen ist - im Bereich des illegalen Kunsthandels oftmals unliebsame Konsequenzen haben können 2 3 2 . Die Deklarierung von Kulturgut als res extra commercium findet sich beispielsweise im italienischen Recht: Gegenstände, die gem. Art. 1145 Codice Civile res extra commercium sind, werden in Spezialgesetzen aufgelistet. So enthält Art. 23 des Gesetzes No. 1089 vom 1. Juni 1939 ein Klassement dieser Kulturgüter 2 3 3 . Auch das französische Recht trifft eine derartige Anordnung und entzieht klassifizierte Objekte 2 3 4 dem Handelsverkehr 235 . Am häufigsten finden sich res extra commercium-Bestimmungen bei Funden aus archäologischen Ausgrabungen. Bezüglich dieser Objekte ordnen Länder wie Griechenland, Türkei, Peru und Ägypten alleiniges Eigentum des Staates a n 2 3 6 . Das deutsche

231 2 3 2

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1988 I, S. 52,89. Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht, S. 15,22,23.

233

Zitiert nach Reichels Revue de Droit Uniforme 1988 I, S. 52,89.

2 3 4

Zur Methode der Klassifizierung vgl. oben S. 51.

23 5

Burnham, The Protection of Cultural Property, S. 73,74; Niec, The Hastings Law Journal 27 (1975/76), S. 1089,1093,1094. 27 6

> Picker, Artis 10/90, S.\l\Pegden , Museum Vol. X X V I (1974) No. 1, S. 53,56.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

10

Recht hingegen behandelt Kunst- und Kulturschätze gleich allen beweglichen Gegenständen, entzieht sie somit nicht dem Handelsverkehr 237 . B. Wirkung

Solange sich der betreffende Gegenstand innerhalb der Grenzen des deklarierenden Staates befindet, kann - entsprechend der gesetzlichen Regelung der Gegenstand weder übertragen werden, noch ein Eigentumserwerb hieran stattfinden, bzw. der Herausgabeanspruch verjähren. Hat jedoch ein Transfer in einen anderen Staat bereits stattgefunden, bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit dieser öffentlich-rechtlichen Regelung die gleichen Bedenken, wie sie für Exportverbote bereits geschildert wurden. Somit kann ungeachtet der res extra commercium-Bestimmung durch die Rechtsordnung des Ursprungsortes der konkrete Gegenstand in einem fremden Staat vorbehaltlich seiner eigenen gesetzlichen Regelungen übertragen und hieran Privateigentum erworben werd e n 2 3 8 . Die Effektivität des hier dargestellten Instrumentariums ist somit bedingt durch den Verbleib der Kunstschätze auf inländischem Staatsgebiet: Solange kein wirksames Mittel gegen den illegalen Export mit Kunstschätzen gefunden ist, vermag die dargestellte Regelung keine befriedigende Lösung des Problems zu bieten.

C. Praktikabilität für eine Regelung in einem internationalen Abkommen

Eine grenzüberschreitende Berücksichtigung der Deklarierung von Kulturgut als res extra commercium könnte auf dem Wege eines staatsvertraglichen Übereinkommens erzielt werden 2 3 9 , in dem die Mitgliedsstaaten sich verpflichten, eine derartige Bestimmung eines Staates für sich als verbindlich zu

2 3 7

Als prägnantes Beispiel hierfür mag das Urteil des BGH zum Hamburger Stadtsiegel, Urteil vom 5. Oktober 1989, abgedruckt in NJW 1990, S. 899,900 dienen: Das von der Freien und Hansestadt Hamburg von 1306 bis 1810 benutzte Stadtsiegel wurde 1945 gestohlen, tauchte 1987 auf einer Auktion wieder auf, wo es von einem Antiquitätenhändler ersteigert wurde. Die Stadt Hamburg verklagte den Händler, unterlag jedoch in allen drei Instanzen. Die Gerichte wandten § 935 Abs. 2 BGB an, wonach der Beklagte das Siegel gutgläubig auf einer öffentlichen Auktion rechtmäßig erwerben konnte. Vgl. hierzu ausführlich Mußgnug, Museums- und Archivgut als "res extra commercium"?, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz / Wiener Symposium, S. 141 ff. 23 8

Siehr, SJZ 1981, S. 189,195.

239 ygi

Mußgnug,, Museums- und Archivgut als "res extra commercium"? in: Reichelt,

Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 141,146.

10

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

verstehen, mithin beispielsweise keinen Eigentumserwerb an dem betreffenden Gegenstand zuzulassen 240 . Konsequenterweise würde dadurch eine große Anzahl von Kunst- und Kulturschätzen gänzlich dem internationalen Handel entzogen. Der oben dargestellte Konflikt der im internationalen Kunsthandel widerstreitenden Interessen - der Wunsch öffentlicher und privater Kunstsammlungen an der Innehabung von Kunstbesitz, bzw. dessen Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit einerseits, die nationalen Interessen an der Erhaltung und Bewahrung kultureller Schaffenszeugnisse der Nation im eigenen Land andererseits - würde also eindeutig zugunsten des letztgenannten Aspektes entschieden. Verdeutlicht man sich die positiven Auswirkungen eines Austauschs von Teilen des nationalen Kulturbesitzes wie die weltweite Information von nationalen Entwicklungen und Eigenarten, die der Förderung des Verständnisses der Völker untereinander dienlich ist und damit einen wichtigen Beitrag zu einer dauerhaften Friedenssicherung leistet 2 4 1 , so spricht dies eindeutig dagegen, dem internationalen Handel sämtliche Kulturwerke vorzuenthalten 242 . Zudem bewirkte eine derartige Regelung mit ihrer alleinigen Sicherung des nationalen Bestandes von Kulturgut einen gegenläufigen Schritt zu der neueren Tendenz des "kulturellen Internationalismus" 243 . Im Gegensatz zum früheren Verständnis von Kulturgut als rein nationaler Angelegenheit geht dieser auch dem Haager Abkommen von 1954 2 4 4 zugrundeliegende Gedanke davon aus, daß nationales Kulturgut stets Teil eines gemeinsamen kulturellen Erbes

2 4 0 Vgl. hierzu die Regelung in Art. 13 d des UNESCO-Übereinkommens über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970, (U.N.T.S. Bd. 823, S. 231 (Nr. 11806); 10 I L M (1971), S. 289; in deutscher Sprache abgedruckt bei Meyer, Geplünderte Vergangenheit, S. 294-303): "Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens übernehmen ferner...folgende Verpflichtungen:... sie erkennen das unantastbare Recht jedes Vertragsstaates dieses Übereinkommens an, bestimmtes Kulturgut als unveräußerlich einzustufen und zu erklären, das schon deshalb ipso facto nicht ausgeführt werden darf, und sie helfen dem betreffenden Staat, das Gut zurückzubekommen, falls es ausgeführt worden ist." 241 Interessant hierzu die Argumentation von Maurice, FAZ-Magazin vom 19. Juni 1992, S. 66, der unter Hinweis auf die Weigerung deutscher Generäle, Paris und London zu bombardieren, darauf abstellt, daß die Zerstörung Dresdens vermutlich nicht erfolgt wäre, wenn seine kulturelle und historische Größe bekannter gewesen wäre. 24 2 Rodotà , The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: International Legal Protection of Cultural Property, S. 99,106. 243 2 4 4

Die Terminologie geht zurück aufMerryman, 80 Am.J.Int.L. (1986), S. 831,840 ff.

Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, BGBl. 1967 II S. 1235 ff.

1. Abschnitt: Internationales Vertragsrecht

11

der gesamten Menschheit ist und jeder Staat eine kulturelle Verantwortung im Hinblick auf das in seinem Territorium befindlichen Kulturgut gegenüber der Gesamtheit aller Staaten zu tragen h a t 2 4 5 . Dieser Verantwortung kann nur unvollständig Rechnung getragen werden, wenn man nationale Kunstschätze gänzlich dem internationalen Handel und damit auch fremden Nationen entzieht, wie es durch die Deklarierung von Gegenständen zu res extra commercium geschieht. Die Aufgabe von Kulturgut, Zeugnis über die kulturelle Entwicklung der gesamten Menschheit abzulegen, verlangt, daß die betreffenden Kulturschätze nicht nur der einheimischen Bevölkerung, sondern Menschen unterschiedlicher Nationalität zugänglich gemacht werden 2 4 6 . Die angeführten Erwägungen zeigen somit, daß sich die Deklarierung von nationalen Kunstgütern als dem Handel gänzlich entzogene Objekte nicht dazu eignet, in einem internationalen Abkommen als verbindlich festgelegt zu werden.

24 5 24 6

Rudolf in: FS für Doehring, S. 853,861.

Rodotà , The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: International Legal Protection of Cultural Property, S. 99,106.

Zweiter Abschnitt

Internationales Sachenrecht § 1 Die grundsätzliche Bedeutung des internationalen Sachenrechts für den internationalen Kulturgüterschutz Neben den Risiken eines illegalen Exports unter Umgehung der von den jeweiligen Ursprungsorten erlassenen Ausführverboten sind Kulturgüter oftmals den Gefahren des Diebstahls und einer anschließenden Eigentumsübertragung auf Dritte ausgesetzt. Da Kunstgegenstände bislang weder in materiell- noch in kollisionsrechtlicher Hinsicht eine Sonderbehandlung erfahren, sind eigentumsrechtliche Fragen stets nach den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Sachenrechts zu behandeln1. Für den Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes interessieren hierbei vornehmlich die diesbezüglichen Bestimmungen der nationalen IPR-Gesetze einerseits und die materiellrechtlichen Regelungen der einzelnen Rechtsordnungen zum rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Eigentumserwerb an gestohlenen und abhandengekommenen Gegenständen andererseits. Im Bereich eigentumsrechtlicher Fragen bei gestohlenen Kulturgütern sieht sich jede Rechtsordnung vor die Aufgabe gestellt, die widerstreitenden Interessen des Neuerwerbers einerseits und des ehemaligen Eigentümers andererseits zu berücksichtigen und gerechterweise miteinander in Einklang zu bringen. Dieser Verpflichtung kommen die einzelnen Rechtsordnungen in unterschiedlicher Weise nach, indem sie entweder den Neuerwerber oder den Alteigentümer stärker schützen.

1 Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 17; Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels, S. 193,209; Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, S. 15,17; Jay me, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, S. 717.

8 Schmeinck

1

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

§ 2 Die kollisionsrechtlichen Bestimmungen zum internationalen Sachenrecht A. Bestimmung des anwendbaren Rechts

/. Regelungen zum internationalen Sachenrecht im deutschen Recht 1. Quellen In der deutschen Rechtsordnung fehlt es bislang an einer ausdrücklichen Normierung des Internationalen Sachenrechts. Speziell das EGBGB enthält zur Zeit noch keine Regelung hierzu. Vereinzelt finden sich Vorschriften zum internationalen Sachenrecht in Spezialgesetzen, wie etwa in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15. November 19402 und in §§ 103-106 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26. Februar 19593, die jedoch über den von ihnen behandelten Sonderbereich hinaus keine allgemeinen Bestimmungen enthalten. Die vom Gesetzgeber bislang noch nicht geschlossene Regelungslücke wird durch die gewohnheitsrechtlich 4 anerkannte lex rei sitae-Regel geschlossen5. Hiernach sind alle sachenrechtlichen Vorgänge nach der am Lageort der betreffenden Sache zum Zeitpunkt der Verwirklichung des juristischen Vorgangs geltenden Rechtsordnung zu beurteilen 6.

2

RGBl. 1940 I S. 1499; abgedruckt bei Jayme/H ausmann, Nr. 56.

3

BGBl. 1959 I S. 57; abgedruckt bei Jayme/Hausmann, Nr. 57.

4

BGHZ 39, 173,174 = IPRspr 1962-63 Nr.60 = NJW 1963, 1200; BGH IPRspr 1966-67 Nr.55 b = AWD 1968, 62. Zu den früher vertretenen Auffassungen zum Geltungsgrund der lex rei sitae vgl. v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. 8, S. 169 (freiwillige Unterwerfung); Kahn, IheringsJb 40, S. 1, 39 f.; Gutzwiller, IPR, S. 1554, Fn 2; Zitelmann, IPR, Bd.l, S. 133 (allgemeines Völkerrecht); Frankenstein, IPR, Bd.2, S. 3 ff. (Souveränität des Situs-Staates); Pillet, Principes de Droit International Privé, S. 385,405 f. (ordre public). 5 Inzwischen h.M., vgl. BGHZ 39, 173,174; BGH W M 1967, 1198; 1980, 410,411; BGHZ 100, 321,324; OLG Koblenz RIW 1989, 384,386; Ferid, IPR, § 7-4; Staudinger-Sfo//, Internationales Sachenrecht, Rn. 7,57; MünchKomm-^renzer, Nach Art. 38 EGBGB, Anh.I, Rn. 12; PalandtHeldrich, Anh. II zu Art. 38 EGBGB, Anm. 2 a), Rn. 2. 6

Fend, IPR, § 7-8; ?n\andt-Heldnch, Anh. II zu Art 38 EGBGB Anm. 2 a), Rn. 2.

. Abschnitt: Internationales

a e c h t

11

Die lex rei sitae-Regel7 beinhaltet damit neben einer örtlichen (Lageort) auch eine zeitliche Komponente (Zeitpunkt der Verwirklichung des juristischen Vorgangs) 8. Für Immobilien läßt sich die Geltung der Situs-Regel bis auf die im Mittelalter vertretene Statutentheorie 9 zurückverfolgen. Im Hinblick auf bewegliche Sachen hat sie sich in Deutschland jedoch erst im 19. Jahrhundert durchgesetzt 10. Die ältere, noch im Rahmen der Statutentheorie vertretene Auffassung, nach der bei beweglichen Sachen das Personalstatut des Eigentümers maßgeblich war, ("mobilia ossibus inhaerent" oder "mobilia personam sequuntur") 11 war noch im preußischen Allgemeinen Landrecht niedergelegt 1 2 . Seit Ablehnung der Wohnsitzanknüpfung durch Savigny 13 und Wächter 14 gilt auch für bewegliche Sachen heutzutage nach allgemeiner Ansicht die lex rei sitae 15 . Dieser Grundsatz wird von einigen Vorschriften des geltenden IPR, so etwa von Art. 3 Abs. 3, 11 Abs. 5 und Art. 12 Abs. 1 S. 2 EGBGB. als selbstverständlich vorausgesetzt. Ihre Rechtfertigung findet die Anknüpfung an die Belegenheit des betreffenden Gegenstandes in den Beziehungen der Sachenrechts- und speziell der Eigentumsordnung zu den am Belegenheitsort geltenden diversen öffentlich-

7

Auch lex situs, Situs-Recht, Lageortsrecht oder Belegenheitsrecht genannt.

8

BGHZ 39, 173,174; 45,95,99; BGH NJW 1989, 1352.

9

Vgl. hierzu Kropholler,

IPR, § 54 I; v. Bar, IPR, Bd. 1, Rn. 425 ff.

10

Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 60; Kegel, IPR, S. 484.

11

Kropholler,

IPR, § 54 I.

12

Einleitung § 28: "Das bewegliche Vermögen eines Menschen wird nach den Gesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit desselben beurteilt "Einleitung § 23: "Die persönlichen Eigenschaften und Befugnisse eines Menschen werden nach den Gesetzen der Gerichtsbarkeit beurteilt, unter welcher derselbe seinen ordentlichen Wohnsitz hat." 13

v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts VIII, S. 169 ff.

14

Wächter, AcP 25 (1842), S. 361, 385 ff.

15

Vgl. RGZ 8, 110,113; 11, 52,55; 18, 39,45; BGHZ 39, 173; 100, 321,324; BGH NJW 1989, 1352; Deutscher Rat für IPR, in: Lauterbach, Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Personen- und Sachenrecht, S. 28,29; Ferid, IPR, § 7-4; Kegel, IPR, S. 484; Lüderitz, IPR, Rn. 3\l\Kunz, IPR, Rn. 494; v. Bar, IPR, Bd.2, Rn. 750.

1

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

rechtlichen Beschränkungen des Eigentums 16 . Des weiteren entspricht die Anknüpfung an den Lageort dem Verkehrsinteresse, da sich jedermann darauf einrichten kann, daß auf Sachen stets nur nach Maßgabe der am Belegenheitsort geltenden Rechtsvorschriften eingewirkt werden kann 1 7 . 2. Gesetzgebungsvorhaben Um die für das internationale Sachenrecht in der deutschen Rechtsordnung bestehende Regelungslücke zu schließen, wurden mehrere Gesetzesvorhaben entwickelt. a) Vorschläge des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht Der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht veröffentlichte im Jahr 1972 im Rahmen seiner "Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Personen- und Sachenrechts" allseitige Kollisionsnormen zum internationalen Sachenrecht, die im wesentlichen die gewohnheitsrechtlichen Regeln wiedergaben 18 . Neben Spezialregelungen für Transportgüter und vereinbarte Sicherungsrechte behandelt der Vorschlag zunächst die generelle Geltung der lex rei sitae.

(1) Entstehung, Änderung, Übergang und Untergang von Rechten an einer Sache richten sich nach dem Recht des Ortes, an dem sich die Sache befindet. (2) Gelangt eine Sache, an der Rechte begründet sind, in ein anderes Land, so richten sich die Wirkungen dieser Rechte nach dem Recht des Staates, in den sie gelangt ist.

16

Vgl. Niemeyer, Zur Vorgeschichte des IPR, S. 113: "..im besonderen die Vorschriften über die Natur der zulässigen Rechte, ihre Erwerbung und Ausübung müssen den volkswirtschaftlichen Anforderungen des betreffenden Gebietes genügen und sind in ihrer Ausübung durch diese bedingt.." 17

Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 59.

18

Kreuzer, Gutachtliche Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Internationalen Privatrechts, in: Henrich, Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts, S. 37,38. 19

Abgedruckt bei Kreuzer, Gutachtliche Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Internationalen Privatrechts, in: Henrich, Vorschläge und Gutachten zur Reform des internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts, S. 38.

. Abschnitt: Internationales

11

a e c h t

(3) Abs. 1 und 2 gelten nicht für Staaten, in denen sich die Sache auf der Durchreise befindet. Im Jahre 1981 wurde dieser Vorschlag von der I. Kommission des Deutschen Rates überarbeitet und mit einer Modifizierung hinsichtlich einer Kollisionsnorm für Transportmittel neu gefaßt 20 . b) Der Referentenentwurf

von

I984 2i

Der Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Internationalen Privatrechts enthält in Art. 43-45 Vorschläge zur Normierung des Internationalen Sachenrechts, die in Art. 43 erneut die Geltung der lex rei sitae vorsehen: Art. 43 Rechte an einer Sache (1) Entstehung, Änderung, Übergang und Untergang von Rechten an einer Sache unterliegen dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet. Die sachenrechtlichen Vorschriften dieses Staates sind auch dann anzuwenden, wenn nach einer anderen Verweisungsvorschrift dieses Gesetzes das Recht eines anderen Staates maßgeblich wäre. (2) Gelangt eine Sache, an der Rechte begründet sind, in einen anderen Staat, so unterliegen die Wirkungen dieser Rechte dem Recht des Staates, in den sie gelangt ist. c) Vorschlag des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht Juli 1988 22

vom

Im Jahre 1988 wurde erneut ein Vorschlag zur Kodifizierung des Internationalen Sachenrechts durch den Deutschen Rat für IPR beschlossen, der folgendes beinhaltet:

20 Hinweise zu den Beschlüssen vom November 1981 finden sich bei Soergel-Z^ege/, Vor Art. 7, Rn. 588. 21 22

Abgedruckt bei v. Bar, IPR, Bd. 2, Rn. 747.

Abgedruckt bei Henrich, Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts, S. 1.

1

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

(Art. 43) Rechte an einer Sache (1) Rechte an einer Sache unterstehen dem am Lageort der Sache geltenden Recht. (2) Gelangt eine Sache, an der Rechte begründet sind, in einen anderen Staat, so können die Rechte nicht im Widerspruch zu der Rechtsordnung dieses Staates ausgeübt werden. Ob es in nächster Zeit zu einer Übernahme dieser Vorschläge in das EGBGB kommen wird, bleibt abzuwarten. Die Vorteile einer solchen Inkorporierung sollten jedoch nicht überschätzt werden. Aus der bloßen Normierung der - zumindest als grundlegendes Prinzip unbestrittenen - Maßgeblichkeit des Belegenheitsrechts wäre weder eine Veränderung der bestehenden Rechtslage, noch eine der Rechtssicherheit dienende Klarstellung zu erwarten. Festzuhalten bleibt damit, daß trotz fehlender gesetzlicher Normierung die grundsätzliche Geltung der lex rei sitae im Bereich des internationalen Sachenrechts einstimmig bejaht und praktiziert wird. IL Überblick über andere Rechtsordnungen 1. Grundsätzliche Geltung der lex rei sitae Sachenrechtliche Vorgänge mit internationalem Bezug werden weltweit gesehen von nahezu allen Rechtsordnungen der lex rei sitae unterstellt 23 . Zumindest vom Grundsatz her findet sich diese Praxis sowohl in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen 24 als auch in den vom common law bestimmten Ländern. Sowohl die Praxis in England und in den USA, als auch das Restatement von 1934 und das Restatement 2nd von 1971 gehen von der Maßgeblichkeit des Belegenheitsrechts aus 25 .

23

Einen Überblick über die einzelnen nationalen Regelungen geben Lalive, The Transfer of Chattels in the Conflict of Laws - A Comparative Study, S. 175-184 und Venturini , Property, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. Ill, Ch. 21, Anm. 2,3. 24 § 31 des österreichischen Bundesgesetzes über das IPR vom 15. Juni 1978; Art. 27 des griechischen Zivilgesetzbuches vom 15. März 1940; Art. 46 des portugiesischen Zivilgesetzbuches von 1967; für Spanien Art. 10 § 1 C.c. vom 31. Mai 1974. 25 Dicey and Morris, On the Conflict of Laws, Vol 2, S. 899-915; Cheshire & North , Private International Law, S. 777-780, 790-798; Scoles and Hay, Conflict of Laws, S. 745.

. Abschnitt: Internationales

a e c h t

11

In den skandinavischen Ländern existieren zwar keine ausdrücklichen Regelungen zum internationalen Sachenrecht, der Grundsatz der lex rei sitae ist jedoch in Rechtsprechung und Lehre unbestritten 26 . Den gleichen Anknüpfungspunkt wählen die Rechtsordnungen der osteuropäischen 27 und der asiatischen Staaten 28 . Darüber hinaus weisen die mittel - und südamerikanischen Staaten übereinstimmend das Prinzip der lex rei sitae im Bereich des internationalen Sachenrechts auf 2 9 . 2. Ausnahmen Diese vom Grundsatz her international einheitlich praktizierte Anknüpfung an den Belegenheitsort erfährt in einigen Rechtsordnungen partielle Ausnahmen 3 0 . a) Schweiz Das Schweizer Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 31 räumt neben der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der lex rei sitae sowohl für Grundstücke (Art. 99) als auch für bewegliche Sachen (Art. 100) in seinem Art. 104 die Möglichkeit einer begrenzten Rechtswahl ein. Art. 104 (1) Die Parteien können den Erwerb und den Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen dem Recht des Abgangs- oder des Be-

2 6

Venturini, Anm. 2.

Property, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 21,

27

Siehe zu den Gesetzgebungen in Osteuropa De Nova 13 Am.J.Comp.Law (1964), S. 542, 543-551. 28 § 10 des japanischen Gesetzes vom 21. Juni 1898 betreffend die Anwendung der Gesetze, abgedruckt bei Makarov, Quellen, Bd. 1, Japan, S. 2; Art. 22 der chinesischen Verordnung über Rechtsanwendung vom 5. August 1918, abgedruckt bei Makarov, Quellen des Internationalen Privatrechts, Bd. 1, China, S. 8. 2 9 Eine ausführliche Zusammenstellung findet sich bei Venturini , Property, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 21, Anm.2. Zum IPR der mittel - und südamerikanischen Staaten vgl. Valladäo, Ree. des Cours 81 (1952 II), S. 1-116. 30

Kegel, IPR, S. 485.

31

BB1. 1988 I S. 5; abgedruckt in IPRax 1988, S. 376-388.

10

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

stimmungsstaates oder dem Recht unterstellen, dem das zugrundeliegende Rechtsgeschäft untersteht. (2) Die Rechtswahl kann Dritten nicht entgegengehalten werden. Deutlich wird aus Abs. 2, daß diese Rechtswahl lediglich Wirkung inter partes entfalten kann und nicht - wie es fur das Sachenrecht geradezu charakteristisch ist - gegenüber jedermann wirkt 3 2 . Sobald Interessen Dritter betroffen sind, bleibt es demnach trotz erfolgter Rechtswahl bei der Geltung des Belegenheitsrechts. b) Ungarn Eine Sonderregelung trifft auch das ungarische IPR 3 3 , welches in seinem § 21 zunächst den Grundsatz der lex rei sitae für Sachenrechte festlegt. § 23 Abs. 3 erklärt jedoch im Hinblick auf Gegenstände, die ein Reisender für den persönlichen Gebrauch mit sich führt, dessen Personalstatut für anwendbar 34 . c) Argentinien Gem. Art. 11 Halbs. 2 des argentinischen Código civil von 1869 ist auf Mobilien, die der Eigentümer stets bei sich trägt, die seinem persönlichen Gebrauch zu dienen bestimmt sind oder deren Verkauf oder Beförderung an einen anderen Ort beabsichtigt ist, das Recht des Eigentümerwohnsitzes anzuwenden 35 . Für den Bereich des Kulturgüterschutzes haben die hier angesprochenen Ausnahmefälle keine Bewandtnis, da sie weder unter die Voraussetzungen der Sonderbestimmungen im ungarischen und argentinischen Recht zu subsumieren sind, noch eine Anwendung des Art. 104 des schweizerischen IPRG möglich ist. Bei der Frage nach den Eigentumsverhältnissen an gestohlenen oder abhandengekommenen Kulturschätzen sind stets neben den Interessen der Parteien des Rechtsgeschäfts zusätzlich solche des ehemaligen Eigentümers zu berücksichtigen, demgegenüber eine eventuell erfolgte Rechtswahlbestimmung

32 Baur/Stürner, recht, S. 2.

Sachenrecht, § 2 I 1 a); Westermann, Sachenrecht, " 2 II 1 a); Schwab, Sachen-

33

Gesetzes-VO No. 13/1979 des Präsidialrates der ungarischen Volksrepublik über das IPR, in Kraft getreten am 1. Juli 1979; in deutscher Sprache abgedruckt in JbOstR 20 (1979), S. 473-494. 34

Siehe hierzu auch Müller, RIW/AWD 1982, S. 461-470.

35

Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 62; Kegel, IPR, S. 485.

. Abschnitt: Internationales

a e c h t

11

nicht wirkt und damit die allgemeine lex rei sitae wieder auflebt. Internationale Sachverhalte um die sachenrechtliche Zuordnung von Kulturgütern werden damit übereinstimmend dem Recht des Belegenheitsortes unterstellt. III. Vereinheitlichung

des internationalen Sachenrechts

1. Weltweite Vereinheitlichung a) Abkommen bezüglich internationaler

Kaufverträge

Durch die beiden Haager Übereinkommen vom 1.7.1964 zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen 3 6 sowie zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen 37 wurde das materielle Recht des internationalen Warenkaufs vereinheitlicht. Ausdrücklich ausgenommen von beiden Abkommen ist die Frage des Eigentumsübergangs (Art. 8 S. 2 E K G ) 3 8 . Gleiches gilt für das Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 39 , das in Art. 4 lit.b einen dahingehenden Ausschluß normiert 40 . Zwar wurden im Zusammenhang mit der Erarbeitung dieser Abkommen Überlegungen zur Vereinheitlichung auch der sich auf den Eigentumsübergang beim Warenkauf beziehenden Kollisionsnormen angestellt, diese sind jedoch bislang erfolglos geblieben. Auch das auf der 8. Haager Konferenz von 1956 beschlossene "Projet de Convention sur la loi applicable au transfert de la propriété en cas de vente à caractère international d'objets mobiliers corporels" ist derzeit noch nicht in Kraft getreten 41 .

36

BGBl. 1973 II S. 892; abgedruckt bei Jayme/Hausmann Nr. 46.

37

BGBl. 1973 II 919; abgedruckt bei Jayme/Hausmann Nr. 47.

38

Dolie-Herber, Art. 8, Rn. 4.

39

Abgedruckt bei Jayme/H ausmann Nr. 48.

4 0

Vgl. hierzu Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, S. 18 f.

41

Text in RabelsZ 24 (1959), S. 145-151. Bislang ist das Abkommen lediglich von Griechenland gezeichnet und von Italien ratifiziert worden; vgl. Kegel, IPR, S. 492 f.

1

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

b) Der UNI DR ΟIT-En twurf eines Einheitlichen Gesetzes über den Eigentumserwerb kraft guten Glaubens an beweglichen Sachen (LU AB 1974) Im Jahre 1968 veröffentlichte UNIDROIT den Entwurf eines Einheitlichen Gesetzes zum Schutz des gutgläubigen Käufers beweglicher Sachen 42 , der bedeutsame Vorschläge für die Vereinheitlichung des Eigentumserwerbs lieferte. Der hierin zum Ausdruck kommende eindeutige Vorrang des Interesses an freiem Handelsverkehr vor dem Schutz des Eigentums hat zu einer erheblichen Kritik gefuhrt 43 . Nach einer Überarbeitung wurde das Exposé im Jahre 1974 durch den Entwurf eines Einheitlichen Gesetzes über den Eigentumserwerb kraft guten Glaubens an beweglichen Sachen (LUAB 1974) 44 ersetzt. Von besonderem Interesse sind hierbei Art. 7, der die näheren Voraussetzungen der Gutgläubigkeit normiert, und Art. 11, der eine Regelung bezüglich gestohlener Sachen trifft. Art. 7 LUAB (1) Good faith consists in the reasonable belief that the transferor has the right to dispose of the movables in conformity with the contract. (2) The transferee must have taken the precautions normally taken in transactions of that kind according to the circumstances of the case. (3) In determining whether the transferee acted in good faith, account shall, inter alia, be taken of the nature of the movables concerned, the qualities of the transferor or his trade, any special circumstances in respect of the transferor's acquisition of the movables known to the transferee, the price, or provisions of the contract and other circumstances in which it was concluded." Art. 11 LUAB The transferee of stolen movables cannot invoke his good faith. Die letztgenannte Bestimmung ist überwiegend auf Ablehnung gestoßen, da der generelle Ausschluß gutgläubigen Erwerbs in Widerspruch zu zahlreichen Rechtsordnungen steht, die den Eigentumserwerb auch in diesen Fällen gene-

4 2

UNIDROIT, study XLV-Doc. 37 (1968).

43

Ausführlich hierzu Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, S. 170. 4 4 UNIDROIT, Study XLV-Doc. 55 (1974)=Revue de Droit Uniforme 1975 I, S. 79-83; Study XLV-Doc. 57 (1974)=Revue de Droit Uniforme 1975 I, S. 84-117 (Explanatory Report).

. Abschnitt: Internationales

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1

rell, bzw. innerhalb weit gefaßter Ausnahmen zulassen 45 . Die zu große Diskrepanz zwischen der vorgeschlagenen Regelung und den einzelnen nationalen Rechtsordnungen bewirkte, daß ihre Durchsetzung fur bewegliche Sachen nicht weiter angestrebt wurde 46 . 2. Regionale Vereinheitlichungsbestrebungen a) Europäische Gemeinschaften Die EG-Kommission plante ursprünglich, im Rahmen der Vereinheitlichung des Kaufrechts auch das internationale Sachenrecht zu erfassen, hat diese Absicht jedoch mittlerweile aufgegeben 47. Anstelle einer Harmonisierung des gesamten Sachenrechtskomplexes gehen die Bestrebungen inzwischen dahin, Spezialbereiche wie etwa die Anerkennung besitzloser Mobiliarsicherheiten sowie das Insolvenzverfahren zu vereinheitlichen 48 . b) Lateinamerikanische

Staaten

Die südamerikanischen Staaten haben ihr internationales Privatrecht zunächst durch die Verträge von Montevideo 1889/1940 49 und durch den Código Bustamante von 1928 50 einander angeglichen 51 . Später wurde dann die Rechtsvereinheitlichung vornehmlich mittels Spezialkonventionen weiterbetrieben. So wurden auf der Konferenz von Panama im Jahre 1975 sechs und auf der Konferenz von Montevideo 1979 weitere acht solcher Konventionen, die bestimmte Einzelmaterien behandeln, geschlossen52. Erfaßt wurden hierin neben allgemeinen Grundsätzen des IPR vor allem Fragen des internationalen

45

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43,59; Knott, S. 173 f.

4 6

Vgl. UNIDROIT, C.D. 63-Doc. 7, S. 3-5 (1984).

4 7

MünchKomm-A>e«zer, Nach Art. 38 EGBGB, Anh. I, Rn. 7.

4 8

Vgl. hierzu Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 52.

4 9

Französische und deutsche Übersetzung der Verträge bei Makarov, Die Quellen des Internationalen Privatrechts, Bd. 2, S. 82-98, 723-732. 50 Schrifttum und Übersetzungen in französischer und deutscher Sprache bei Makarov, Die Quellen des Internationalen Privatrechts, Bd. 2, S. 1-66. 51 52

Vgl. Kegel, IPR, S. 161-164 mit zahlreichen Nachweisen.

Samtleben, RabelsZ 44 (1980), S. 257-320; Neuhaus, ZfRV 1982, S. 287-301; Villela, Rev.crit.dr.intprivé 73 (1984), S. 233-265.

1

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Handels- und Verfahrensrechts. Bestimmungen hinsichtlich des internationalen Sachenrechts wurden dagegen nicht getroffen. Festzuhalten bleibt damit, daß eine Vereinheitlichung des gesamten internationalen Sachenrechts bislang noch nicht erfolgt ist und auch keine Anhaltspunkte vorliegen, die fur eine internationale Angleichung der diesbezüglichen Regelungen in naher Zukunft sprechen. Nach wie vor entscheidet jedes nationale Kollisionsrecht autonom darüber, wie es sachenrechtliche Vorgänge mit internationalen Bezügen anknüpft, wobei sich hierbei der Grundsatz der lex rei sitae universell durchgesetzt hat 5 3 .

B. Statutenwechsel

I. Wechsel des Belegenheitsortes Wenn auch die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Situs-Rechts bei eigentumsrechtlichen Fragen im Bereich von Kunst- und Kulturgütern feststeht, bleibt weiterhin zu klären, wie sich in kollisionsrechtlicher Hinsicht eine Veränderung des Belegenheitsortes auswirkt. Als bewegliche Sachen können die hier interessierenden Gegenstände unter rein tatsächlichen Aspekten problemlos an immer neue Orte transportiert werden, so daß sich die Frage stellt, inwieweit nach dem Gebietswechsel noch die Vorschriften des früheren Staates maßgeblich sind bzw. ab welchem Zeitpunkt die neue Rechtsordnung anwendbar ist. Angesprochen ist damit das Problem des maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkts. Grundsätzlich ist hierbei zwischen abgeschlossenen Erwerbs- und Verlusttatbeständen einerseits und nicht-abgeschlossenen Sachverhalten andererseits zu differenzieren 54 . Hat sich der Eigentumserwerb oder die Erlangung eines sonstigen Rechts vor dem Lageortswechsel nach den Vorschriften des bisher maßgeblichen Situs-Rechts vollständig vollzogen, so wird die Frage nach der rechtlichen Zuordnung des Gegenstands auch nach dem Ortswechsel grundsätzlich nach

53

Venturini , Property, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. III, Ch. 21,

Anm. 3,7; Lalive , The transfer of chattels in the conflict of laws, S. 99. 54

v. Bar , IPR, Bd. 2, Rn. 755.

. Abschnitt: Internationales

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der alten Rechtsordnung beurteilt 55 . In diesem Zusammenhang wird von der Unwandelbarkeit des Sachenrechtsstatuts gesprochen 56. Von diesem Grundsatz bestehen jedoch zwei Ausnahmen: Zum einen richtet sich der Inhalt von Rechten und Pflichten aus der sachenrechtlichen Zuordnung des Gegenstandes ex nunc nach dem Recht des neuen Belegenheitsstaates57. Zum anderen erfordert der Fortbestand dieser Rechte und Pflichten, daß sie mit der sachenrechtlichen Ordnung des neuen Belegenheitsstaates in Einklang stehen 58 . Vollzieht sich hingegen der Lageortswechsel, bevor der sachenrechtliche Vorgang vollständig abgeschlossen ist, soll alleine das neue Situs-Recht anwendbar sein 59 . Für Kulturgüter wirkt sich diese Regelung in der Weise aus, daß eine nach der von den kollisionsrechtlichen Bestimmungen des Belegenheitsortes berufenen Rechtsordnung wirksam erfolgte Eigentumsübertragung auch im Fall einer späteren Verbringung des Gegenstandes an einen anderen Ort wirksam bleibt und prinzipiell anerkannt werden muß. Entsprechend diesem Grundsatz entschied das Turiner Appellationsgericht in dem bereits oben angesprochenen Fall Republik Ecuador gegen Giuseppe Danusso 60 , daß die einmal begründete Eigentümerstellung des ecuadorianischen Staates trotz der Ausfuhr der

55 So wird im Anschluß an BGHZ 39, 173,175 in der Rechtsprechung erklärt, "grundsätzlich (erkenne) das neue Sachstatut ein Recht an der Sache, das nach den Vorschriften des früheren Statuts wirksam entstanden ist, auch in seinem Herrschaftsbereich an"; vgl. BGHZ 45, 95,96; OLG Bremen IPRspr. 1958/59 Nr. 7 A (S.746,748); OLG Hamburg IPRspr. 1964/65 Nr. 73; KG NJW 1988, S. 341,342. Vgl. die Nachweise zur Rechtsprechung Frankreichs und Österreichs bei Kegel, IPR, S. 488. 56

v. Bar, IPR, Bd. 2, Rn. 756.

57

So bestimmt das neue Recht beispielsweise darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen ein vereinbarter Eigentumsvorbehalt nach dem Lageortswechsel konkursfest ist; siehe hierzu LG Köln IPRspr. 1962/63 Nr. 225; BGHZ 45, 95 ff. 58

Ein nach deutschem Recht wirksam vereinbarter Eigentumsvorbehalt erlischt, wenn Vorbehaltsware aus Deutschland in die Schweiz oder nach Frankreich gelangt, wo die Wirkung dieses Vorbehalts von einem Eintrag in einem Register abhängig ist; Kegel, IPR, S. 488; MünchKomm-Ärewzer, Nach Art. 38 EGBGB, Anh I, Rn 62. Nach BGH, Urteil vom 8. April 1987, IPRax 1987, S. 374,376 soll ein Lösungsrecht dann erlöschen, wenn die damit behaftete Sache nach Verbringung in ein Land, dessen Rechtsordnung ein Lösungsrecht nicht kennt, veräußert wird. 59

IPG 1972 Nr. 11, S. 92,93 (Hamburg); OLG Hamburg IPRspr. 1964/65 Nr. 73; OLG Hamm IPRspr. 1985 Nr. 143 (S. 392); v. Bar, IPR, Bd. 2, Rn. 757; Kegel, IPR, S. 489. 6 0

Riv. dir. int. priv. proc. 18 (1982), S. 625 ff.

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Kunstgegenstände nach Italien und ihrer dortigen Aufbewahrung wirksam geblieben ist 6 1 . II. Wechsel des Belegenheitsortes während des Laufs von Ersitzungsfristen Besondere Probleme des Statutenwechsels stellen sich in Fällen des gesetzlichen Eigentumserwerbs an Kulturgütern durch Ersitzung, d.h. durch einen ununterbrochenen Eigenbesitz während einer gewissen Zeitdauer 62 . Wechselt ein Gegenstand während der Ersitzungsfrist in ein fremdes Staatsterritorium, so gilt es zu klären, ob die unter der alten Rechtsordnung abgelaufene Frist bei der nunmehr maßgeblichen Ersitzungsfrist der neuen Rechtsordnung anzurechnen ist 6 3 . Mit dieser Frage hatte sich das Schweizer Bundesgericht im Rechtsstreit Koerfer v. Goldschmidt 64 zu befassen. Der Beklagte hatte auf einer öffentlichen Auktion in Berlin im Jahre 1941 zwei Bilder von Toulouse-Lautrec ersteigert, die er seit 1944 bei seiner Ehefrau in der Schweiz aufbewahrte. Die Bilder stammten aus den Kunstsammlungen des jüdischen Kaufmanns Goldschmidt, die dieser 1931 aufgrund des Zusammenbruchs seiner Bank an die Dresdner Bank zur Sicherheit übertragen hatte und die im Wege der Konfiskation jüdischen Vermögens als dem deutschen Reich für verfallen erklärt wurden. Als rechtmäßiger Erbe machte der Sohn Goldschmidts einen Eigentumsherausgabeanspruch gegen Koerfer geltend. Das Gericht mußte zunächst klären, ob die Versteigerung der Bilder rechtmäßig war, da in diesem Fall der Beklagte die der Bank zustehenden Rechte wirksam erworben hätte. War hingegen Goldschmidt zum Zeitpunkt der Versteigerung noch Eigentümer und der Erwerb seitens Koerfer unrechtmäßig, konnte der Beklagte nur im Wege der Ersitzung Eigentum an den Bildern erwerben. Das Bundesgericht entschied, daß ein Eigentumserwerb Koerfers lediglich durch Ersitzung möglich war 6 5 . Nach Maßgabe der Situs-Regel war

61

Vgl. Hönisch, in: FS fürMüUer-Freienfels,

62

Vgl. zur Problematik der Ersitzung fiir den Kulturgüterschutz unten S. 158-164.

S. 193,210; Walter,

63

S. 24,25.

Ist die Ersitzung nach Maßgabe des früheren Situs-Recht vollständig abgeschlossen, so gelten hierfür die allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsätze über den Statutenwechsel, vgl. Hanisch, in: FS fìlr Müller-Freienfels, S. 193,220. 6 4

Bundesgericht vom 13. Dezember 1968, BGE 94 II S. 297.

65

BGE 94 II S. 297, 305.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

127

auf den gesetzlichen Eigentumserwerb zunächst deutsches, danach schweizerisches Recht anwendbar 66 . Hinsichtlich der entscheidenden Frage, ob die Aufbewahrung der Bilder in Deutschland zwischen 1941 und 1944 auf die nach Schweizer Recht fünf Jahre andauernde Ersitzungsfrist anzurechnen war, entschied das Gericht, daß eine Anrechnung zwar grundsätzlich zu erfolgen hätte 67 , im vorliegenden Fall jedoch angesichts des über fünf Jahre währenden Eigenbesitzes in der Schweiz keine Auswirkung habe 68 . Zahlreiche Stimmen in der Literatur stimmen mit dieser Aussage überein und wollen die in einem Staat bereits abgelaufene Ersitzungsdauer nach einem Wechsel des Belegenheitsrechts auf die nach der nun maßgeblichen Rechtsordnung festgesetzten Frist anrechnen 69 . Probleme können sich in diesem Zusammenhang dann ergeben, wenn die einzelnen Rechtsordnungen unterschiedliche Voraussetzungen an die Ersitzung stellen. Ob die nach der neuen lex rei sitae zu beurteilende Ersitzung bereits teilweise durch Vorgänge unter einer anderen Rechtsordnung verwirklicht worden ist, muß im Wege der Substitution geklärt werden 70 . Dabei ist zu prüfen, ob nach Sinn und Zweck der betreffenden Norm (Ersitzungsvorschrift der lex rei sitae) deren Voraussetzungen auch durch im Ausland verwirklichte Tatbestände erfüllt werden können, d.h. es müssen die national divergierenden Vorschriften auf ihre Gleichwertigkeit hin untersucht werden 71 . Der sich daraus ergebende Unsicherheitsfaktor für eigentumsrechtliche Ansprüche an abhandengekommenen Kulturgütern könnte aus dem Weg geräumt werden, wenn im Rahmen einer Schaffung eines staatenübergreifenden Übereinkommens speziell für den Kulturgüterschutz eine international einheitliche Norm zur Ersitzung geschaffen würde, die sowohl die Länge der Fristen als

6 6

BGE 94 II S. 297, 305.

6 7

BGE 94 II S. 297, 306-308.

68

BGE 94 II S. 297, 309-311.

69

Für das deutsche Recht Staudinger-£fo//, Internationales Sachenrecht, Rn. 205 f.; Firsching, Einfuhrung in das Internationale Privatrecht, § 36, 4 e); Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels, S. 193,220. Für das amerikanische Recht Scoles/Hay, Conflict of Laws, S. 738. Für die Schweiz Lalive, 26 Schw.Jb.Int.R. (1969/1970), S. 259, 326. 70 Der Begriff der Substitution wurde erstmals geprägt von Lewald, Ree. des Cours 69 (1939-III), S. 1 ff. Vgl. zu Begriff und Gegenstand der Substitution Hug , Die Substitution im Internationalen Privatrecht, S. 1-22. 71 Ferid, GRUR Int. 1973, S. 472, 475 ff; MünchKomm-Sonnenb erger, Bd. 7, Einl. Rn. 437; Hug , Die Substitution im Internationalen Privatrecht, S. 117; Neuhaus, Die Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, § 46 IV.

128

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

auch detaillierte Voraussetzungen fur ihren Lauf enthielt. Angesichts des dann einheitlich geregelten gesetzlichen Eigentumserwerbs an Kulturgütern durch Ersitzung wäre eine gegenseitige Anerkennung und Anrechnung von teilweise abgelaufenen Fristen in anderen Rechtsordnungen unproblematisch. III. Zwischenergebnis Eigentumsrechtliche Ansprüche auf Herausgabe von Kulturgütern werden von den einzelnen nationalen Kollisionsrechten international einheitlich dem Recht des Belegenheitsortes unterstellt. Die hierdurch zur Anwendung berufene Rechtsordnung entscheidet sowohl über die Wirksamkeit eines rechtsgeschäftlichen als auch eines gesetzlichen Eigentumserwerbs. Wechselt der betreffende Kunstgegenstand seinen Lageort, so ist ein einmal abgeschlossener sachenrechtlicher Erwerbs- oder Verlusttatbestand auch nach der neuen Rechtsordnung anzuerkennen. Vollzieht sich hingegen ein Lageortswechsel vor Abschluß des eigentumsrechtlichen Tatbestandes, soll sich die sachenrechtliche Zuordnung allein nach der neuen Rechtsordnung richten. Im Bereich des gesetzlichen Eigentumserwerbs soll die in einem Staat abgelaufene Frist für die Ersitzung nach einem Lageortswechsel bei der nunmehr maßgeblichen Ersitzungsfrist der neuen Rechtsordnung angerechnet werden. Im folgenden sollen nun die einzelnen Rechtsordnungen mit ihren materiellrechtlichen Regelungen zum Eigentumserwerb an gestohlenen Gegenständen dargestellt werden. § 3 Materiellrechtliche Bestimmungen zum Eigentumserwerb an Kunstgegenständen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen A. Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten

/. Darstellung Im Rahmen der Untersuchung des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten müssen zwei Fallkonstellationen unterschieden werden, die von den einzelnen Rechtsordnungen in voneinander abweichender Weise behandelt werden. Fall 1 : Der Eigentümer einer beweglichen Sache gibt sie zur Aufbewahrung an eine Person, die sie ohne entsprechende Verfügungsbefugnis an einen gutgläubigen Dritten veräußert.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

129

Fall 2: Die Sache wird dem Eigentümer gegen seinen Willen entzogen und sodann an einen gutgläubigen Dritten weiterveräußert. Vergleicht man die unterschiedlichen nationalen Regelungen zum gutgläubigen Erwerb, lassen sie sich im wesentlichen auf drei Lösungstypen zurückführen: Die Extrempositionen bilden hierbei der Grundsatz der unbeschränkten rei vindicatio auf der einen Seite und der des unbeschränkten Gutglaubenserwerbs auf der anderen Seite. Zwischen diesen beiden Polen sind bestimmte Mittellösungen angesiedelt, die unter bestimmten Voraussetzungen einen gutgläubigen Erwerb zulassen, in anderen Fällen jedoch den früheren Eigentümer in seiner Rechtsposition schützen. 1. Grundsatz der unbeschränkten rei vindicatio Der Grundsatz der unbeschränkten rei vindicatio begünstigt den Eigentümer und gewährt diesem in beiden oben dargestellten Fallkonstellationen einen Rückgabeanspruch gegen den gutgläubigen Dritten. Dieses Prinzip findet seine Ursprünge im römischen Recht 72 , das von der Regel ausging: "Nemo plus iuris in alium transferre potest quam ipse habet"™ Grundsätzlich kann der Erwerber hiernach nicht mehr Rechte erlangen, als dem Veräußerer seinerseits an der Sache zustehen 74 . a) Norwegen, Dänemark Unter den Staaten, deren Rechtsordnungen weitestgehend dem Grundsatz der rei vindicatio folgen, sind zunächst Dänemark und Norwegen zu nennen 7 5 . Von dieser Regel, die prinzipiell auch bei dem Verkauf gestohlener, geraubter oder unterschlagener Gegenstände gilt, bestehen jedoch Ausnahmen, die auf zwei Gesichtspunkten basieren: Ein Eigentumserwerb des Gutgläubigen ist zum einen dann möglich, wenn der frühere Eigentümer die er-

7 2

Sauveplanne, RabelsZ 29 (1965), S. 651,652.

7 3

Ulpian, Digesten 40,17,54.

74

Über das Rechtsinstitut der "usucapio", der Ersitzung, die bei Mobilien eine kurze Ersitzungszeit vorsah (ein Jahr nach klassischem Recht, drei Jahre nach dem Corpus Iuris Justinians), wurde der Erwerber geschützt, der nur für kurze Zeit der Gefahr einer Rückgabepflicht ausgesetzt war. Jedoch galten die kurzen Ersitzungsfristen nicht in den Fällen, in denen ein "furtum" vorlag, die Sache also gestohlen war. Vgl. hierzu Römer, Der gutgläubige Mobiliarerwerb im französischen Recht, S. 40. 75

Hessler, RabelsZ 32 (1968), S. 284,289; Zweigert,

9 Schmeinck

RabelsZ 23 (1958), S. 1,4.

130

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

forderliche Sorgfalt hat fehlen lassen, etwa weil er die Sache einer Person übertragen hat, von der er annehmen konnte, daß sie den Gegenstand möglicherweise unberechtigt weiterveräußern würde 7 6 . Zum anderen kann auch die Passivität des ursprünglichen Eigentümers zum Eigentumserwerb des Gutgläubigen führen, wenn der Alteigentümer nichts unternommen hat, obwohl ihm die Veräußerung der Sache oder der unberechtigte Weiterverkauf bekannt waren 77 . Eine weitere Ausnahme wird weiterhin in den Fällen gemacht, in denen ein erhöhtes Interesse an freiem Handel vorliegt, wie es bei Wertpapieren und Geschäften von Kommissionären der Fall ist 7 8 . Damit bewirken diese Rechtsordnungen einen weitgehenden Schutz des Eigentümers von Kulturgut. Dieser kann sein Eigentum grundsätzlich nur dann verlieren, wenn ihm ein besonderer Sorgfaltsverstoß vorgeworfen werden kann. b) Spanien Das spanische Recht manifestiert in Art. 464 Código civil den aus dem französischen Recht stammenden Grundsatz "possession vaut titre". Dieser wird von der Rechtsprechung 79 dahingehend verstanden, daß der gutgläubige Käufer nicht unmittelbar, sondern erst nach dreijährigem gutgläubigen Besitz das Eigentum an der Sache durch Ersitzung erwirbt 8 0 . Ausgeschlossen ist diese Form gesetzlichen Eigentumserwerbs gem. Art. 464 Abs.l S.2 C.c.E., sofern der Eigentümer die Sache verloren hat oder sie ihm unfreiwillig abhandengekommen ist. Eine Ausnahme dieses Grundsatzes besteht zum Schutz des Handelsverkehrs für Messekäufe sowie für den Erwerb des Gegenstandes von einem Kaufmann, der mit Sachen gleicher Art handelt: Art. 85 Código di Comercio 81 läßt in diesen Fällen einen sofortigen Eigentumsübergang zu, unabhängig davon, ob die Sache gestohlen ist oder nicht.

7 6 Landò , Das Sachenrecht in Dänemark mit einigen Bemerkungen zum norwegischen Recht, in: Das Sachenrecht der Europäischen Gemeinschaft, S. 246,292. 7 7 Landò , Das Sachenrecht in Dänemark mit einigen Bemerkungen zum norwegischen Recht, in: Das Sachenrecht der Europäischen Gemeinschaft, S. 246,292. 7 8

Ussing, Rev.int.dr.comp. 4 (1952), S. 5,6 ff.; Zweigert,

RabelsZ 23 (1958), S. 1,4.

79

Urteil des obersten spanischen Gerichtshofs vom 19. Juni 1945, Rev.gen.(Jur.) 11 (1945), S. 376; zitiert nach Römer, S. 43. 80

Knott, S. 62.

81

Auf diese Vorschrift verweisen Art. 1955 Abs. 3 und 464 Abs. 4 C.c.E.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

131

Unter dem Blickwinkel des Kulturgüterschutzes läßt sich hier also eine Stärkung der Position des Eigentümers von Kulturgut feststellen. Angesichts der Tatsache, daß Kunstgegenstande in den meisten Fällen von Händlern veräußert werden, erlangt jedoch die Ausnahme des Art. 85 Código di Comerciale eine entsprechend hohe Bedeutung, so daß in praxi oftmals dem Erwerber das Eigentum an dem Kunstgegenstand zufallen wird. c) Portugal Das portugiesische Recht lehnt einen gutgläubigen Eigentumserwerb grundsätzlich ab, also auch dann, wenn dem Eigentümer die Sache nicht abhandengekommen ist 8 2 . Der Erwerber ist danach stets zur Herausgabe des Gegenstandes verpflichtet. Allerdings findet der Gedanke eines verstärkten Schutzes des Handels auch hier durch Art. 1301 Código c i v i l 8 3 Eingang, wonach beim Erwerb von einem Kaufmann, der mit Waren derselben oder ähnlichen Art handelt, der Eigentümer dem Gutgläubigen gegen Herausgabe des Gegenstandes den Kaufpreis erstatten muß. Im Gegensatz zum spanischen Recht bewirkt die Übertragung durch einen Kaufmann noch keine Veränderung der bisherigen Eigentumsverhältnisse. Damit kann das portugiesische Recht als für den Eigentümer von Kulturgut günstigere Rechtsordnung bezeichnet werden. 2. Grundsatz des unbeschränkten Gutglaubenserwerbs Der entgegengesetzte Lösungsweg erkennt einen gutgläubigen Erwerb auch bei gestohlenen Sachen an und versagt dem ehemaligen Eigentümer damit in beiden oben dargestellten Fallkonstellationen einen Herausgabeanspruch gegen den Erwerber. a) Italien Der gutgläubige Erwerb ist in Art. 1153-1157 Codice Civile von 1942 geregelt. Hiernach erlangt der Erwerber eine wirksame Eigentumsstellung, sofern er guten Glaubens hinsichtlich der Herkunft der Sache war, unabhängig da-

82 83

Siehr, ZVglRWiss 80 (1981), S. 273,281.

Código civil vom 25.11.1966, in Kraft getreten 1967, geändert worden auf Grund der neuen Verfassung im Jahre 1976.

132

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

von, ob der Eigentümer die Sache willentlich abgegeben hat oder sie ihm abhandengekommen ist 8 4 . In den Gesetzesmotiven finden sich mehrere Begründungen für diese Regelung: Einerseits bestünde unter den heutigen wirtschaftlichen Umständen keine Rechtfertigung mehr für eine Unterscheidung zwischen anvertrauten und abhandengekommenen Sachen, zum anderen könnten durch eine Gleichbehandlung der Fälle freiwilligen und unfreiwilligen Besitzverlusts langwierige Rechtsstreitigkeiten um die Frage des Abhandenkommens vermieden werden. Schließlich habe auch das Argument der Schutzlosigkeit des Eigentümers an Überzeugungskraft verloren, da nach heutigem Recht bereits so bedeutsame Transaktionen wie die Veräußerung von Inhaberpapieren und der Eigentumserwerb auf öffentlichen Versteigerungen einem unbeschränkten gutgläubigen Erwerb unterlägen 85 . Das italienische Recht räumt damit eindeutig den Interessen des Neuerwerbers den Vorrang ein. Der Käufer von Kunstschätzen geht damit in Italien kein Risiko eines späteren Regresses durch einen Alteigentümer ein. Für den illegalen Kunsthandel hat Italien hierdurch eine erhebliche Bedeutung erlangt. Eine einmal nach den italienischen Rechtsvorschriften und dort vorgenommene Eigentumsübertragung nimmt dem betreffenden Kulturschatz für immer den Makel der illegalen Herkunft. b) Schweden Das schwedische Recht erkennt in Ch. 11:4 und 12:4 des schwedischen Handelsgesetzbuchs einen gutgläubigen Erwerb auch bei gestohlenen Sachen an 8 6 . Dem Alteigentümer wird allerdings die Möglichkeit eingeräumt, unter Darlegung eines besonderen Affektionsinteresses den Gegenstand gegen Erstattung des Tauschwertes herauszuverlangen. Im Gegensatz zum italienischen Recht stellt diese Regelung für den Alteigentümer eine etwas günstigere Lösung dar. Gerade bei Kunst- und Kulturschätzen erscheint es angesichts ihrer Einmaligkeit nicht allzu schwer für den früheren Eigentümer, das geforderte Affektionsinteresse nachzuweisen. Angesichts der sich an eine Herausgabe anknüpfenden Zahlungspflicht sind

84

Vgl. hierzu Luther/Becher,

85

Codice civile, Secondo libro, Progetto e Relazione, S. 229 ff.

86

Hessler, RabelsZ 32 (1968), S. 284,285; Sauveplanne , RabelsZ 29 (1965), S. 651,660.

Italienisches Zivilgesetzbuch, S. 225.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

133

Rückforderungsansprüche jedoch stets von der Solvenz des Eigentümers abhängig. 3. Mittellösungen Die meisten Rechtsordnungen bemühen sich um eine Kompromißlösung zwischen dem Schutz des Eigentums einerseits und dem des Rechtsgeschäfts andererseits, indem sie in bestimmten Fällen der Schutzwürdigkeit des ersten Eigentümers den Vorzug geben, in anderen Situationen hingegen den gutgläubigen Erwerber stärker protektionieren. Die Entscheidung über die im Einzelfall stärker geschützte Person variiert von Rechtsordnung zu Rechtsordnung. a) England aa) Grundsatz Das englische Recht folgt der dem römischen Recht entstammenden Nemo Dat-Regel 87 , die in Art. 21 Abs. 1 des Sale of Goods Acts normiert wurde 8 8 . Hiernach kann niemand ein besseres Recht übertragen, als er selbst innehat oder zu übertragen berechtigt ist. Von der Rechtsprechung wird insoweit der Grundsatz "No one can transfer a better title than he possesses himself 89 angewandt. bb) Ausnahmen Bestimmte Ausnahmen von diesem Grundprinzip finden sich im Sale of Goods Act von 1893, novelliert durch den Sale of Goods Act von 1979, section 21-25 und im Factors Act von 1889, section 2:

87

Vgl. oben S. 129 f.

88

"Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Gesetzes gilt folgendes: Werden Sachen von jemandem veräußert, der nicht Eigentümer ist und der auch nicht im Auftrag oder im Einverständnis des Eigentümers handelt, so erwirbt der Käufer kein besseres Recht an den Sachen als der Verkäufer selber hatte, es sei denn, daß der Eigentümer der Sachen infolge seines Verhaltens die Vollmacht des Verkäufers nicht bestreiten kann"; zitiert nach Hartley, Das Sachenrecht im Vereinigten Königreich und Irland, in: Das Sachenrecht der Europäischen Gemeinschaft, S. 126,178. 89

S. 46.

Willers, in Whistler v. Forster (1863) 32, L.J.C.P. 161,164; 143 E.R. 411,445; zit. nach Römer

134

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

(1) Mercantile agent Von den für den Kulturgüterschutz interessanten Regelungen sei zunächst die genannt, die sich mit dem Kauf von einem Handelsagenten oder Kommissionär befaßt. Sofern dieser mit Zustimmung des Eigentümers im Besitz des betreffenden Gegenstandes ist, kann der Dritte gutgläubig Eigentum erwerben (sec. 2 subsec. 1 Factors Act 1889). (2) Market overt Sofern der Käufer einen Gegenstand gutgläubig ohne Kenntnis der mangelnden Berechtigung des Verkäufers auf einem "market overt" 9 0 gekauft hat, erwirbt er hieran rechtmäßiges Eigentum. Diese Regelung betrifft auch gestohlene Gegenstände91. Gutgläubigkeit liegt dann vor, wenn der Käufer "honestly, whether it is done negligently or not" 9 2 war. (3) Voidable title Gem. sec. 23 des Sale of Goods Act kann derjenige, der mittels voidable title, d.h. gutgläubig von einem Veräußerer mit anfechtbarem Titel erworben hat, die Sache wirksam an einen gutgläubigen Dritten übertragen. Ein solcher anfechtbarer Titel kann dadurch entstehen, daß der Eigentümer zwar die Absicht hatte, das Eigentum an den Verkäufer zu übertragen, die Willensbildung jedoch fehlerhaft war. Sofern der Eigentümer das Recht des Verkäufers nicht vor Abschluß des Rechtsgeschäfts angefochten hat, kann ein Dritter vom Veräußerer das Eigentum erwerben. Die Besonderheit besteht bei dieser Ausnahme darin, daß bei Vorliegen eines voidable title des Verkäufers die Gutgläubigkeit des Käufers vermutet wird 9 3 .

90 Hierunter ist ein offener, öffentlicher und rechtmäßig abgehaltener Markt zu verstehen; nach der Rechtsprechung zählt hierzu jedes Geschäftslokal in der City of London; entschieden erstmals im sog. "market overt case" 5 Co.Rep.(=77 Eng.Rep.) 180 (Nr. 83 b), 181. 91

Halsbury's Laws of England, Bd. 45, Nr. 1436 (4.Aufl. 1985).

92

See. 61 subsec. 3 Sale of Goods Act 1979.

93

Whitehom Brothers v. Davison, [1911] 1 K.B. 463,481 f.,487 f.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

135

(4) Estoppel In bestimmten Fällen verhindert die mit der Rechtsscheinshaftung im deutschen Recht vergleichbare "Estoppel-Regel" 94 , daß der Alteigentümer seinen Herausgabeanspruch prozessual geltend machen kann. Diese Ausnahme greift dann ein, wenn der Eigentümer in zurechenbarer Weise bei dem Veräußerer über die bloße Besitzverschaffüng hinaus 95 zusätzliche Anhaltspunkte für eine Veräußerungsbefugnis geschaffen hat, so daß der Käufer von einer "authority to sell" seitens des Verkäufers ausgehen konnte 96 . Zusammenfassend kann also festgehalten werden, daß das englische Recht trotz der grundsätzlichen Geltung der Nemo Dat-Regel in mehreren Ausnahmefällen einen gutgläubigen Erwerb anerkennt. Generell erfahrt das Interesse des Erwerbers einen höheren Schutz, wenn entweder dem Alteigentümer ein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann 9 7 oder das Interesse am schnellen und reibungslosen Handelsverkehr überwiegt 98 . b) USA Eine Regelung zum gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen enthält sec. 2-403 des Uniform Commercial Code (UCC) von 1954".

9 4

See. 21 subsec. 1 Sale of Goods Act 1979, Halsbury's Statutes of England, Bd. 49, S. 1102,1123 (3. A 1979). 95 Die alleinige Besitzverschaffung reicht im Unterschied zu manchen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen nicht aus, vgl. Central Newbury Car Auctions Ltd. (1967) 1 Q.B. 371 mit Anm. Goodhart, L.Quart.Rev. 73 (1957), S. 309-311. 9 6

Farquason v. Kind, (1902), A.C. 325, 342; zit. nach Römer, S. 49.

9 7

Bei der Estoppel-Regelung wird dem Eigentümer ein positives Tun (BesitzVerschaffung sowie Schaffung zusätzlicher Indizien für die Rechtmäßigkeit der Übertragung), bei der Ausnahme des voidable title ein Unterlassen (fehlende Anfechtung) vorgeworfen. 98 Besonders deutlich wird dies bei der Ausnahme des market overt. Aber auch der Kauf von einem Handelsagenten oder Kommissionär unterliegt kraft ihrer Bedeutung für den Handelsverkehr Sonderbestimmungen. 99

Hierbei handelt es sich um ein Modellgestz zum Handelsverkehr, das inzwischen in allen 49 Common Law-Staaten sowie im District of Columbia und auf den Virgin Islands gilt. Lediglich Louisiana hat das Kaufrecht des UCC (Art. 2) nicht übernommen.

136

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

aa) Die Nemo Dat-Regel UCC sec. 2-403 (1) Satz 1 normiert den Grundsatz: "A purchaser of goods acquires all title which his transferor had or had power to transfer except that a purchaser of a limited interest acquires rights only to the extent of the interest purchasedDie Vorschrift folgt damit in Anlehnung an das englische Recht der common law-Regel, nach der niemand ein besseres Recht übertragen kann, als er selbst innehat oder zu übertragen berechtigt ist: "Title like a stream cannot rise higher than its source l,10°. Somit ist die Eigentumsübertragung von einem Dieb auf eine dritte Person grundsätzlich nicht möglich, auch wenn der Dritte gutgläubig w a r 1 0 1 . bb) Ausnahmen von der Nemo Dat-Regel (1) Estoppel Unter bestimmten Umständen kann dem Eigentümer - ähnlich wie oben bereits beim englischen Recht dargestellt - nach dem allgemeinen Verwirkungsgedanken (estoppel) die Geltendmachung seines Herausgabeanspruchs verwehrt sein 1 0 2 . Im Sinne dieser Regelung wurde entschieden, daß der Eigentümer dann seinen Herausgabeanspruch verliert, wenn er den Verkäufer in den Besitz der Sache bringt und darüberhinaus weitere Indizien für die Rechtmäßigkeit des Besitzes bei dem Veräußerer schafft 103 .

100

National Bank of Commerce v. Chicago B. and N.R. Co., 46 N.W. 342,345; vgl. Pfetsch, Die Ausweitung des Gutglaubensschutzes beim Kauf beweglicher Sachen im amerikanischen Recht durch den Uniform Commercial Code, S. 28. 101 Atlas Auto Rental Corp. v. Weisberg, 54 Mise. 2d 168,281 N.Y.S.2d 400,403 (1967); Gay v. Huguley, 33 Ala.App. 483, 34 So.2d 712,714 (1948); Cundy v. Lindsay, [1878] L.R., 3 A.C. 459,464 (H.L.); zit. nach Knott y S. 32. 102 Die Geltung des estoppel-Prinzips ergibt sich aus UCC sec. 1-103, wo es heißt: "Unless displaced by the particular provisions of this Act, the principles of law and equity, including the law merchant and the law relative to capacity to contract, principle and agent, estoppel, fraud, ...shall supplement its' provisions." 103 J.L.Mc Clure Motor Co. v. Mc Clain, 34 Ala.App. 614, 42 So. 2d 266 (1949); Zendmann v. Harry Winston,Inc., (1953), 305, N.Y. 180, 111 N.E. 2d 871, 875 f; zit. nach Knott , S. 32.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

137

(2) § 2-403 (2) UCC Die zweite und zugleich wichtigste Ausnahme von der Nemo Dat-Regel betrifft den Fall der Eigentumsübertragung durch einen Kaufmann, der mit gleicher Ware wie der veräußerten handelt und dem die Sache anvertraut war. § 2-403 (2) UCC besagt, daß "Any entrusting of possession to a merchant who deals in goods of that kind gives him the power to transfer all rights of the entruster to a buyer in ordinary course of business". Im Unterschied zur zuvor geschilderten Ausnahme des Estoppel wird der gutgläubige Erwerber bei einem Kauf von einem Kaufmann auch dann geschützt, wenn dieser lediglich im Besitz der Sache w a r 1 0 4 . (3) Voidable title Als weitere Ausnahme von der Nemo Dat-Regel nennt sec. 2-403 (1) Satz 2 den voidable title: "A person with voidable title has the power to transfer a good title to a good faith purchaser for value." Bei fehlender Anfechtung des Rechts des Verkäufers durch den Eigentümer kann der Dritte gutgläubig Eigentum erwerben. Ähnlich dem englischen Recht 1 0 5 begünstigt das amerikanische Recht vom Grundsatz her den Eigentümer. Die aufgeführten Ausnahmen machen jedoch deutlich, daß in den Fällen, in denen sich der Eigentümer sorgfaltswidrig verhalten hat oder Interessen des Handelsverkehrs betroffen sind, ein Eigentumserwerb des gutgläubigen Dritten zugelassen wird. Da bei Transaktionen von Kunstgegenständen oftmals Händler auf der einen Seite beteiligt sind und das amerikanische Recht in diesem Fall einen Eigentumswechsel auch an gestohlener Kulturware zuläßt, ist ein umfassender Schutz des ursprünglichen Eigentümers bei einer Übertragung nach amerikanischem Recht nicht gewährleistet.

104 Carter v. Rowley 211 P. 267 (Cal.App. 1922); Harrison v. Auto Securities Co., 257 P. 677,679 (Utah 1927); Heaston v. Martinez, 282, P. 2d 833, 835 (Utah 1955); Mahar v. White 142 P. 2d 260, 261-261 (Okla. 1942); zit. nach Römer, S. 53. 105 Vgl. zu den genaueren Unterschieden zwischen dem amerikanischen und dem englischen Recht zum gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten Knott, S. 58.

138

3. Teil Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

c) Frankreich aa) Der Grundsatz "en fait des meubles, la possession vaut titre" Der Erwerb vom Nichtberechtigten ist in Art. 2279 C.c. geregelt, der in Abs. 1 den Grundsatz "en fait des meubles, la possession vaut titre" normiert. Anders als in Fällen des Erwerbs vom Berechtigten, bei denen sich der Eigentumserwerb automatisch mit Abschluß des Kaufvertrages vollzieht 1 0 6 , stellt das französische Recht fur den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten allein auf den Besitz seitens des Erwerbers ab und läßt schon mit gutgläubigem Besitzerwerb das Eigentum auf den Käufer übergehen 107 . Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ist nach Art. 2279 Abs. 1 C.c. unter den folgenden Voraussetzungen möglich: Der Erwerber muß eine "possession réelle", d.h. die tatsächliche Sachherrschaft erlangt haben 1 0 8 , diese muß von einem animus domini getragen sein 1 0 9 , und es muß sich um eine "possession exempte de vices", also um fehlerfreien Besitz handeln 1 1 0 Das Erfordernis des guten Glaubens seitens des Erwerbers ist zwar in Art. 2279 Abs. 1 C.c. nicht erwähnt, wird jedoch von der Rechtsprechung einmütig verlangt 1 1 1 . Unter diesen Voraussetzungen kann der Erwerber wirksam Eigentum erwerben, wodurch ein Rückgabeverlangen des früheren Eigentümers ausgeschlossen ist.

106 Das französische Recht folgt insoweit dem Konsensualprinzip. Art. 1138 C.c. bestimmt: "L'obligation de livrer la chose est parfaite par le seul consentement des parties contractantes. Elle rend le créancier propriétaire et met la chose à ses risques dès l'instant où elle a du etre livrée encore que la tradition n'en ait point été faite...". 107

Römer, S. 128\ Ferid/Sonnenberger,

Das Französische Zivilrecht, 3 Β 1.

108

Aiazeaud, t. 2, vol. 2, Nr. 1529: "...la possession effective a pour but de renseigner les tiers"; Ferid/Sonnenberger, 3 B 16. 109 Das Erfordernis der "possession animo domini" wird auch in anderen Vorschriften des C.c., so etwa in Art. 2228 deutlich: "La possession est la détention ou la jouissance d'une chose ou d'un droit que nous tenons ou que nous exerçons pour nous mêmes...". 110

Das Erfordernis des fehlerfreien Besitzes findet seine gesetzliche Grundlage in Art. 2229 C.c.: "Pour pouvoir prescrire, il faut une possession continue et non interrompue, paisible publique, non équivoque et à titre de propriétaire"; Römer , S. 129 f.; Ferid/Sonnenberger , 3 B 18. 111

Req. 22. Mai 1906, D.P. 1906.1.351; Req. 16. Juli 1907, D.P. 1908.1.31; Req. 30. Mai 1908, Ree. Sirey 1908.1.444; Req. 16. Juli 1909, D.P. 1911.1.465; Req. 11. Januar 1937, D.H. 1937.97; Trib. civ. Seine 10. Januar 1941, Gaz. Pal. 1941.1.85; zit. nach Römer, S. 137.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

139

bb) Regelung des Art. 2279 Abs. 2 C.c. Sofern der Gegenstand dem Eigentümer gestohlen wurde 1 1 2 oder verlorengegangen i s t 1 1 3 , kann sich der gutgläubige Erwerber gem. Art. 2279 Abs. 2 C.c. für die Dauer von drei Jahren nicht auf die fonction acquisitive des Besitzes berufen. Vielmehr kann der Eigentümer in dieser Zeit den Gegenstand zurückfordern, ohne daß er dem Erwerber etwaige Aufwendungen erstatten muß. Eine Ausnahme hiervon beinhaltet Art. 2280 Abs. 1 C.c., der dem Erwerber einen Lösungsanspruch in Höhe des von ihm gezahlten Kaufpreises gegen den Eigentümer zuspricht, sofern er den Gegenstand auf einer Messe, einem Markt, in öffentlicher Versteigerung oder bei einem Kaufmann erworben hat, der mit Sachen dieser Art handelt 1 1 4 . Die Drei-Jahres-Frist des Art. 2279 Abs. 2 C.c. stellt eine Ausschlußfrist des materiellen Rechts dar, die nicht erst mit Erlangung des Besitzes, sondern bereits im Zeitpunkt des Abhandenkommens zu laufen beginnt 1 1 5 . Im Gegensatz zu Verjährungsvorschriften bestehen hierfür keine Unterbrechungs- oder Verlängerungsvorschriften 116 . cc) Ausschluß des Art. 2279 C.c. für Sachen, die res extra commercium sind Vom rechtsgeschäftlichen Warenhandel ausgeschlossen sind nach französischem Recht Gegenstände, die zur "domaine publique" gehören. Mit der Deklarierung zu res extra commercium gelten hierfür weder die Regelungen zum Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten noch Ersitzungs- und Verjährungsvorschriften. So ist etwa für Gegenstände, die unter das Gesetz über "monuments historiques" fallen, ein Eigentumserwerb ausdrücklich ausgeschlossen 117 .

112

Hinsichtlich des Diebstahlbegriffs hält sich die Rechtsprechung strikt an die Definition des Art. 379 C.Pén.: "Quiconque a soustrait frauduleusement une chose qui ne lui appartient pas est coupable de vol". Eine Anwendung der Norm auf Fälle von Betrug oder Vertrauensbruch wird abgelehnt, da der Eigentümer die Sache hierbei selber aus der Hand gegeben hat; Römer S. 154. 113 Unter Verlust ist das Abhandenkommen gegen oder ohne den Willen des Eigentümers zu verstehen (dépossession involontaire); Ferid/ Sonnenberger, 3 Β 31. 114

Ferid/Sonnenberger,

3 Β 38.

115

Ferid/Sonnenberger,

3 Β 33.

1

^ Römer, S. 157.

117

Loi du 31 décembre 1913 sur les monuments historiques, abgedruckt in D.P. 1915.4.153.

140

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Das französische Recht gewährt dem gutgläubigen Besitzer von gestohlenem Kulturgut einen weitreichenden Schutz. Zum einen unterliegt er nur während der relativ kurzen Frist von drei Jahren etwaigen Herausgabeansprüchen seitens des Eigentümers. Zum anderen wird sein Schutz durch das ihm unter den Voraussetzungen des Art. 2280 Abs. 1 C.c. zustehende Lösungsrecht gegen den rückfordernden Eigentümer verstärkt. Für den Eigentümer von Kulturgut stellt die Entscheidung des französischen Rechts hingegen eine ungünstige Regelung dar. Grundsätzlich muß er innerhalb von drei Jahren nach dem Abhandenkommen den Besitzer ermitteln und selbst wenn ihm dies gelingt, wird er womöglich oftmals nicht in der Lage sein, das dem Besitzer eventuell zustehende Lösungsrecht in Höhe des von diesem gezahlten Kaufpreises zu befriedigen. d) Deutschland Eine Regelung zum gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten enthalten die §§ 932 ff. BGB. Ihre Anwendung setzt das Vorliegen eines dinglichen Verfügungsgeschäftes in einer der von §§ 929-931 BGB vorgesehenen Formen voraus. Damit folgt das deutsche Recht im Gegensatz zu den zuvor geschilderten Rechtsordnungen dem Abstraktionsprinzip 118 . Hiernach vollzieht sich der Eigentumsübergang nicht bereits durch Abschluß des Kaufvertrages, sondern verlangt darüberhinaus eine gesonderte Einigung der Parteien über den Übergang des Eigentums 119 . War der Veräußerer Nichtberechtigter, kann der Erwerber Eigentum erlangen, sofern er den Besitz in einer der von §§932 ff. BGB vorgesehenen Weise erlangt h a t 1 2 0 und gutgläubig w a r 1 2 1 . Gem. § 935 BGB ist ein gutgläubiger Erwerb an gestohlenen, verlorengegangenen oder abhandengekommenen Sachen grundsätzlich ausgeschlossen.

118 Ausführlich hierzu Westermann, Sachenrecht, Bd. 1, § 4 I; Baur/Stürner, Wieling, Sachenrecht, § 1 III 3 c). 119

Sachenrecht, § 5 IV;

P&iandl-Bassenge, § 929, Anm. 2 a), Rn. 2; Wieling, Sachenrecht, § 9 I; Baur/Stürner, recht, § 51 I.

Sachen-

120 Die Vorschriften der § 932 ff. BGB gelten nur für Fälle rechtsgeschäftlichen, nicht für solche gesetzlichen Eigentumsübergangs; Palandt-Bassenge, § 932, Anm. 1 a), Rn. 1. 121 § 932 Abs. 2 BGB schließt den Erwerb aus, sofern der Erwerber positiv weiß, daß der Veräußerer nicht der Eigentümer ist oder wenn ihm dies infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

141

Abhandenkommen in diesem Zusammenhang meint den Besitzverlust ohne (nicht notwendig gegen) den Willen des Eigentümers 122 . Der Ausschluß des gutgläubigen Erwerbs bei abhandengekommenen Sachen erfährt seinerseits Ausnahmen in den Fällen, in denen eine möglichst reibungslose Umlauffähigkeit des Gegenstandes im wirtschaftlichen Verkehrsinteresse besonders bedeutsam i s t 1 2 3 : So läßt § 935 Abs. 2 BGB einen gutgläubigen Erwerb an Geld und Inhaberpapieren, sowie an Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerung veräußert werden, auch dann zu, wenn der ursprüngliche Eigentümer den Besitz hieran unfreiwillig verloren hat. Im Hinblick auf abhandengekommene Kulturgüter besteht somit nach deutschem Recht die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nur dann, wenn diese im Wege öffentlicher Versteigerung nach Maßgabe der diesbezüglichen Vorschriften erworben worden sind 1 2 4 . Sonstige Privilegierungen, wie sie anderen Rechtsordnungen eigen s i n d 1 2 5 , finden sich im deutschen Recht nicht. Damit weist die hiesige Rechtsordnung die Tendenz eines verstärkten Schutzes des Eigentümers abhandengekommener Gegenstände auf und setzt dem illegalen Handel mit gestohlenen Kulturgütern eine wirksame Schranke entgegen. Der Überblick über die materiellrechtlichen Bestimmungen zum gutgläubigen Erwerb in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen hat gezeigt, daß eine Regelung dieses Rechtsinstituts in extrem unterschiedlicher Weise erfolgt. Wie die globale Einteilung der einzelstaatlichen Normierungen in drei Grobpositionen bereits erahnen ließ, kann in diesem Rechtsbereich noch nicht einmal ein Minimalkonsens innerhalb der Rechtsordnungen festgestellt werden. Der nun folgende Abschnitt soll die Auswirkungen der unterschiedlichen materiellrechtlichen Regelungen zum gutgläubigen Erwerb an Kulturgütern anhand von Fällen der internationalen Rechtsprechung darstellen.

122

RGZ 101, 224,225; Baur/Stürner,

Sachenrecht, § 52 V 2; Westermann,

Sachenrecht, Bd. 1,

§49 I. 123 Wolf, Sachenrecht, Rn. 432; Baur/Stürner, Sachenrecht, Bd. 1, § 49 III. 124 125

Sachenrecht, § 52 I 1 c), § 52 V 4; Westermann,

Für bewegliche Sachen regeln die §§ 1234 ff. BGB den Ablauf der öffentlichen Versteigerung.

Vgl. etwa die gesonderte Behandlung des Erwerbs auf einem öffentlichen Markt nach englischem Recht; oben S. 134.

142

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

11. Rechtsprechungsfälle zum gutgläubigen Erwerb an abhandengekommenen Kulturgütern 1. Winkworth v. Christie, Manson & Woods L t d . 1 2 6 Gegenstand dieses Rechtsstreits war eine Sammlung japanischer Kunstwerke, die in England gestohlen und nach Italien verbracht wurde, wo sie von einem Italiener erworben wurde. Dieser schickte die Sammlung nach London zu Christie's, wo sie versteigert werden sollte. Hiervon erlangte der bestohlene Eigentümer in England Kenntnis und verlangte sowohl von Christie's als auch von dem italienischen Auftraggeber Herausgabe der Kunstwerke, ersatzweise Auszahlung des Versteigerungserlöses. Unter Anwendung des Grundsatzes der lex rei sitae entschied das englische Gericht die Eigentumsfrage nach dem Recht des Staates, in dem sich die Kunstschätze zum Zeitpunkt der Übergabe befanden, in diesem Fall also nach italienischem Recht. Da Art. 1153 Codice civile (1942) einen gutgläubigen Erwerb auch bei gestohlenen Sachen zuläßt, konnte der Beklagte rechtswirksames Eigentum erlangen; die Klage wurde mithin abgewiesen. 2. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 1 2 7 Im Jahre 1966 wurden bei dem New Yorker Anwalt Elicofon zwei DürerPorträts entdeckt, die ursprünglich Teil der Weimarer Kunstsammlungen waren, gegen Kriegsende jedoch auf bislang ungeklärte Weise verschollen waren. Elicofon gab an, sie von einem ehemaligen amerikanischen Soldaten 1946 käuflich erworben und von ihrem wahren Wert sowie ihrer Herkunft erst 20 Jahre später Kenntnis erlangt zu haben. In der Folgezeit klagten die Bundesrepublik, die Herzogin von Sachsen-Weimar und die Kunstsammlungen zu Weimar gegen den Anwalt vor dem New Yorker District Court auf

126 Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd. [1980] 1 All E.R. 1121, (Chancery Division)=[1980] 2 Weekly Law Reports 937, vgl. hierzu Jefferson , L. Quart. Rev. 96 (1980), S. 508-511 ; Siehr, SJZ 1981, S. 189ff.; 194. 127

Kunstsammlungen zu Weimar v: Elicofon, 536 F. Supp. 829 ( E.D.N.Y. 1981) = I L M 20 (1981) 1122;bestätigt durch 678 F.2d 1150 (US Ct.App. 2d Cir.) = I L M 21 (1982) 773. Ausführlich hierzu Drobnig, IPRax 1984, S. 61-65.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

143

Rückgabe der Porträts. Zugesprochen wurden die Bilder letztlich den Kunstsammlungen zu Weimar 1 2 8 , wohin sie 1982 auch zurückgelangten 129 . Elicofon machte gegen das Herausgabeverlangen bona fide-Erwerb zum einen, Ersitzung bzw. Verjährung des Anspruchs zum anderen geltend. Da weder das amerikanische, noch das deutsche Recht einen gutgläubigen Erwerb an gestohlenen Gegenständen zulassen, konnte ein gutgläubiger Erwerb seitens Elicofon ausgeschlossen werden 1 3 0 . Im Hinblick auf den Einwand der Ersitzung bzw. der Verjährung stellte das Gericht auf die lex rei sitae ab, hier also auf das Recht des Staates New Y o r k 1 3 1 . Dem vom Beklagten vorgebrachte Einwand der Ersitzung konnte nicht entsprochen werden, da das New Yorker Recht nicht nur einen gutgläubigen Eigentumserwerb vom Dieb, sondern auch die Ersitzung gestohlener Gegenstände ausschließt 132 . Die nach New Yorker Recht geltende Verjährungsfrist für Herausgabeansprüche von drei Jahren war an sich zwar bereits abgelaufen, jedoch wurde diesbezüglich eine Hemmung der Veijährungsfrist bis zum Zeitpunkt der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch die USA angenommen, so daß der Herausgabeanspruch noch bestand und auch durchsetzbar war. 3. De Weerth v. Baldinger 1 3 3 Gegen Ende des 2. Weltkrieges wurde in Deutschland aus einem Haus, in dem zeitweise amerikanische Soldaten untergebracht waren, ein von der Klägerin ererbtes Gemälde von Claude Monet entwendet. Eine New Yorker Galerie nahm das Bild 1956 von einem Kunsthändler aus Genf in Kommission und verkaufte es im folgenden Jahr an eine New Yorkerin, die das Bild seitdem in ihrem Besitz hatte. 1982 erfuhr die deutsche Klägerin von dem Verbleib des

128

Mit Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik durch die USA im Jahre 1974 zog die Bundesrepublik die Klage zurück. Die Herzogin von Sachsen-Weimar schied aus dem Prozeß aus, nachdem nachgewiesen worden war, daß die Bilder nicht zum Privatvermögen, sondern zum "Krongut" des sachsen-weimarischen Herzogshaus gehörten und damit 1921 auf das Land Thüringen übergegangen waren; vgl. hierzu Drobnig, IPRax 1984, S. 61, 62 f. 129

FAZ vom 4. Juni 1982 und vom 16. Juli 1982, S. 33.

130

Vgl. Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels,

131

536 F.Supp. 829,845 f.

S. 193,216 f.

132 vgl. hierzu Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, S. 15,19. 133

De Weerth v. Baldinger v: Wildenstein & Co., Inc., 658 F. Supp. 688, 692 (US D.Ct.S.N.Y. 1987), aufgehoben durch Urteil des US Ct. App. vom 30.12.1987; 836 F.2d 103, 107. Ausfuhrlich hierzu Mansel, IPRax 1988, S. 268 ff. Kritisch hierzu jüngst Siehr, IPRax 1993, S. 339,340.

144

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Werkes und erhob ein Jahr später Klage auf Herausgabe vor dem US District Court. Das Gericht übertrug die im Elicofon-Fall 1 3 4 angewandten kollisionsrechtlichen Grundsätze hinsichtlich der Ersitzung auf das Rechtsinstitut des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten. Mit der Feststellung, daß "questions relating to the validity of a transfer of personal property" der lex rei sitae zu unterstellen seien, gelangte der District Court zur Maßgeblichkeit New Yorker Rechts. Untersucht wurde sodann, ob die Beklagte das Eigentum an dem Gemälde gutgläubig vom Nichtberechtigten erworben hatte bzw. ob sie das Eigentum hieran durch Ersitzung erlangt hat. Beide Fragen wurden indes unter Anwendung des New Yorker Sachrechts negativ entschieden. Im Rahmen der Untersuchung eines möglichen gutgläubigen Erwerbs ging das Gericht ohne nähere Begründung davon aus, daß die New Yorker Galerie bzw. der Genfer Kunsthändler Nichtberechtigte waren. Hätte sich das Gericht näher mit der Frage befaßt, ob der Schweizer Kunsthändler möglicherweise durch den Erwerb und die Aufbewahrung des Bildes in der Schweiz Berechtigter war, so hätte konsequenterweise nach der lex rei sitae hierauf das schweizerische Recht angewandt werden müssen 135 . Ob es sich bei dem ausgesprochenen Verweis um eine Gesamt- oder Sachnormverweisung handelte, kann im folgenden offenbleiben, da das schweizerische Recht sie aufgrund der auch dort prinzipiell geltenden lex rei sitae in jedem Fall annnehmen würde 1 3 6 . Das schweizerische materielle Recht kennt zwar keinen gutgläubigen Erwerb an gestohlenen Sachen (Art. 933 I ZGB), schließt jedoch den Herausgabeanspruch des ursprünglichen Eigentümers gegen den Erwerber nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Diebstahl aus (Art. 934 I i.V.m. 936 ZGB). Mit dem Zeitablauf wird somit der Makel des Abhandenkommens geheilt, und eine spätere Eigentumsübertragung ist nach den allgemeinen Regeln möglich. Somit war eine wirksame rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung an die Beklagte durchaus denkbar und hätte in konsequenter Anwendung der Situs-Regel vom Gericht sorgsam überprüft werden müssen. Mit der Ablehnung des gutgläubigen Erwerbs seitens der Beklagten sah sich der District Court zusätzlich vor die Frage der Veijährung des Herausgabean-

134

Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F.Supp. 829 ff.(E.D.N.Y. 1981) = ILM 20

(1981) 1122; 678 F.2d 1150 ff.(U.S.Ct.App. 2d Cir.) = I L M 21 (1982) 773. U5

Mansel,

136

IPRax 1988, S. 268,270.

Vi scher, Internationales Privatrecht, in: Gutzwiller, S. 509,652 f.

Schweizerisches Privatrecht, Bd. I,

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

145

spruchs gestellt, verneinte jedoch eine solche Möglichkeit unter dem Hinweis darauf, daß die Klägerin alle zumutbaren Schritte zur Wiedererlangung der Bilder unternommen habe 1 3 7 . Der in nächster Instanz mit dem Fall befaßte Court of Appeal stellte hingegen mehrere Versäumnisse der Klägerin in dieser Hinsicht fest 1 3 8 und wies die Klage wegen Verjährung des geltend gemachten Anspruchs nach New Yorker Recht ab. Zur Anwendung dieses Rechts gelangte das Gericht ohne kollisionsrechtliche Schritte aufgrund eines allgemeinen Grundsatzes des New Yorker Rechts 139 . IIL Auswirkungen auf den internationalen Kulturgüterschutz Die vorangegangenen Erörterungen haben die Auswirkungen der Vielzahl unterschiedlicher materiellrechtlicher Regelungen zum gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten auf den internationalen Kulturgüterschutz gezeigt. Die grundsätzliche Anwendung des jeweiligen Lageortsrechts auch bei abhandengekommenen Kulturgütern ermöglicht es insbesondere Kunstdieben, durch gezielte Manipulation des Veräußerungsortes gutgläubigen Dritten Eigentum zu verschaffen und etwaige Rückgriffsansprüche der früheren Eigentümer auszuschließen. Wie die Darstellung der einzelnen zivilrechtlichen Bestimmungen erkennen läßt, ist zwar die Anzahl der Staaten, die einen gutgläubigen Erwerb an gestohlenen Gegenständen zulassen, gering 1 4 0 , jedoch weisen mehrere Rechtsordnungen relativ kurze Ausschlußfristen für eine Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs auf, die es dem ehemaligen Eigentümer in der Praxis oftmals nicht ermöglichen, sein Eigentum zurückzuerlangen 141 . Selbst wenn sich der Gegenstand zu einem späteren Zeitpunkt wieder an einem Ort befindet, dessen Rechtsordnung einen Eigentumsübergang unter den gegebenen Umständen nicht zugelassen hätte, wird der einmal abgeschlossene

137

658 F.Supp. 688,694 f.

138

836 F.2d 103,108,111,112 ("Most indicative of De Weerth's lack of diligence is her failure to conduct any search 24 years from 1957 until 1981"). 139 "Under New York law, actions that accrue within the State are governed by the local statute of limitations, while actions that accrue outside the State may be subject, pursuant to New York's borrowing' statute, to the foreign jurisdiction's limitations provisions. However, actions that accrue outside the State are subject to a borrowed limitations period only if it is shorter than New York's." Vgl. Mansel, IPRax 1988, S. 268,270. 140

Vgl. insbes. die Regelung des italienischen Zivilrechts in Art. 1153 Abs. 1, 1154 Codice civile.

141

Art. 934 Schweizer ZGB (5 Jahre), Art. 2279 Abs. 2 des französischen Code civil (3 Jahre).

10 Schmeinck

146

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Erwerbsvorgang weiterhin anerkannt 142 . Diesem für den internationalen Kulturgüterschutz mißlichen Zustand könnte in wirksamer Weise nur durch die Schaffung eines staatenübergreifenden Schutzinstrumentariums abgeholfen werden. IV. Vorschlag für eine international einheitliche Regelung zum gutgläubigen Erwerb abhandengekommener Kulturgüter auf materiellrechtlicher Ebene Solange es keinen internationalen Konsens hinsichtlich der materiellrechtlichen Regelungen zum Eigentumserwerb an gestohlenen Kulturgütern gibt, kann der gezielten Wahl eines für die Übertragung günstigen Sachrechts durch Manipulation des Lageorts nicht wirksam begegnet werden. Um diesem Mißstand abzuhelfen, wäre es dringend erforderlich, eine von allen Staaten anerkannte Regelung zu treffen, nach der das Eigentum an abhandengekommenen Kunstschätzen nur unter bestimmten, einheitlich festgelegten Voraussetzungen übertragen werden k a n n 1 4 3 . Im Gegensatz zu sonstigen Handelsgütern, bei denen das Bedürfnis an problemloser Übertragbarkeit im Vordergrund steht, muß für Kulturgüter angesichts ihrer Einmaligkeit und ihrer Bedeutung für das jeweilige Ursprungsland dieser Besonderheit Beachtung geschenkt werden 1 4 4 . Dem notwendigen Interessenausgleich zwischen freiem Handel einerseits und dem Schutz von Kulturgut vor Raub und anschließender

142

Allgemein hierzu Picker, Artis 12/90, S. 26.

143

Garro, The Recovery of Stolen Art Objects from Bona fide Purchasers, in: Lalive, International Sales of Works of Art-Geneva Workshop, S. 518; Prott & O'Keefe, National Legal Control of Illicit Traffic in Cultural Property (UNESCO Doc. CLT-83/WS/16), S. 126, Nr. 159; Byrne-Sutton , Le trafic international des biens culturels sous l'angle de leur revendication par l'Etat d'origine, S. 244 f.; Fraoua , Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, S. 208 f. Skeptisch, daß sich in absehbarer Zeit eine weltweite Vereinheitlichung durchsetzen wird Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels, S. 193,222; Chatelain, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 82. Letzterer strebt einen zunächst auf Europa beschränkten Schutz nur für Kulturgüter in öffentlichem Besitz bzw. für privates Eigentum, das behördlicherseits eingetragen ist; ebenda S. 84, 94. 144

Für das Anlegen anderer Maßstäbe hinsichtlich der Gutgläubigkeit beim Erwerb von Kunstwerken vgl. Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 41,65.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

147

Übertragung andererseits sollte im Bereich des Sachenrechts mit einer modifizierten Behandlung entsprochen werden 1 4 5 . Im Rahmen eines internationalen Regelungsinstrumentariums zum Kulturgüterschutz sollte eine einheitliche Norm die Frage regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen an abhandengekommenen Kunstgegenständen gutgläubig Eigentum erworben werden kann. 1. Gutgläubigkeit Angesichts der divergierenden Voraussetzungen, die die unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen an die Gutgläubigkeit des Erwerbers stellen, müßte eine Einheitsnorm diesbezüglich genaue Angaben enthalten 146 . Als Vorbild hierfür könnte Art. 7 L U AB (1974) 1 4 7 dienen, der klare Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Erwerbers stellt. Die Chancen für eine allgemeine Akzeptanz dieser Regelung sind gut zu bewerten, da der UNIDROITEntwurf von 1974 seinerzeit vornehmlich Kritik aufgrund seiner Regelung in Art. 11, nicht jedoch aufgrund Art. 7 erfuhr 1 4 8 . Die Vorteile des Art. 7 L U AB gegenüber den bestehenden nationalen Vorschriften lassen sich an mehreren Aspekten nachweisen. Zunächst wird hier der gute Glaube nicht vermutet, sondern muß nach Maßgabe der Voraussetzungen der Norm positiv festgestellt werden 1 4 9 . Darüber hinaus bringt der Terminus "reasonable belief' in Abs. 1 zum Ausdruck, daß der gute Glaube nicht allein subjektive, sondern zusätzlich auch objektivierbare Kriterien verlangt 1 5 0 . Letztlich verlangen die in Abs. 3 detailliert aufgeführten Nachforschungspflichten eine gegenüber den meisten nationalen Vorschriften erhöh-

145

Für eine generelle Sonderbehandlung Rodotà , The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: International Legal Protection of Cultural Property, S. 99; Walter , S. 190 f. Byrne-Sutton, Le trafic international des biens culturels sous l'angle de leur revendication par l'Etat d'origine, S. 244. 147

UNIDROIT Study XLV-Doc. 55 (1974)=Revue de Droit Uniforme 1975 I, S. 79-83; Study XLV-Doc. 57 (1974)=Revue de Droit Uniforme 1975 I, S. 84-117 (Explanatory Report). 148

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43,59.

149

Study XLV-Doc. 57, S. 16 = Revue de Droit Uniforme 1975 I, S. 107.

150

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43,111; Knott , S. 171.

148

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

tere Sorgfaltspflicht des Erwerbers 151 . Art. 7 L U AB bietet sich somit als internationale Regelung für den Bereich des Kulturgüterschutzes a n 1 5 2 . 2. Eigentumserwerb an abhandengekommenen Sachen Wie schon dargestellt, weichen die Regelungen bezüglich abhandengekommener Sachen in den nationalen Gesetzen erheblich voneinander a b 1 5 3 . Eine diesbezügliche Vereinheitlichung wird somit nicht einfach durchzusetzen sein. Anders als bei Art. 7 L U AB (1974) ist der Vorschrift in Art. 11 L U AB, die den Eigentumserwerb in diesen Fällen generell ausschließt, nachhaltige Kritik entgegengebracht worden, so daß die Durchsetzung dieser Norm nicht weiter vorangetrieben wurde 1 5 4 . Eine Vorbildfunktion für eine international einheitliche materielle Regelung kann dieser Norm somit nicht zukommen. Darüber hinaus würde eine grundsätzliche Ablehnung gutgläubigen Erwerbs bei abhandengekommenen Kulturgütern den Interessen des internationalen Verkehrs am Austausch von Kunstgegenständen und an einem freien Kunsthandel zuwiderlaufen. Die entgegengesetzte Extremposition, die auch bei abhandengekommenen Gütern einen Eigentumserwerb ohne Einschränkungen zuläßt, führt zu einer einseitigen Bevorzugung des freien Handels und verweigert dem Eigentümer jeglichen Schutz. Die mißliebigen Konsequenzen dieser Praxis sind in den obigen Beispielsfallen hinreichend zum Ausdruck gekommen 155 . Der für den Kulturgüterschutz notwendige und angestrebte Interessenausgleich zwischen freiem Handelsverkehr einerseits und Eigentumsschutz andererseits kann somit weder durch die Wahl einer unbeschränkten Zulassung, noch durch die

151

Byrne-Sutton, Le trafic international des biens culturels ÓOUS l'angle de leur revendication par l'Etat d'origine, S. 244, 245 nennt bestimmte Aspekte, die ein Käufer von Kunstgegenständen beachten muß, um als gutgläubig gelten zu können. 152 Vgl. Garro, The Recovery of Stolen Art Objects from Bona fide Purchasers, in: Lalive, International Sales of Works of Art-Geneva Workshop, S. 518; Proti & O'Keefe , National Legai Control of illicit traffic in cultural Property (UNESCO Doc. CLT-83/WS/16), S. 126, Nr. 159; Reichels Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43,61. 153

Vgl. die Ausführungen oben, S. 129-141.

154

Vgl. UNIDROIT, C.D.63-Doc. 7, S. 3-5 (1984).

155

Vgl. insbes. den oben dargestellten Beispielsfall Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd. (1980) 1, All E.R. 1121 (Chancery Divisional980) 2 Weekly Law Reports 937.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

149

ausnahmslose Nichtanerkennung gutgläubigen Erwerbs an abhandengekommenen Kulturgütern realisiert werden 1 5 6 . a) Gesonderte zivilrechtliche

Behandlung ausländischen Kulturguts

Teilweise wird vorgeschlagen, daß die Staaten, die einem Ausschluß gutgläubigen Erwerbs an gestohlenen Kulturgütern in einem internationalen Übereinkommen ablehnend gegenüberstehen, sich verpflichten sollten, einen Eigentumsübergang zumindest für gestohlenes ausländisches Kulturgut in ihren Zivilrechtsordnungen auszuschließen 157 . Zweifelhaft erscheint jedoch, ob sich eine derartige Verpflichtung durchsetzen läßt. Bedenkt man zunächst die Motive, die zu einer unbeschränkten Zulassung gutgläubigen Erwerbs beispielsweise im italienischen Recht geführt haben 1 5 8 , so erscheint es wenig wahrscheinlich, daß diese Rechtsordnung gewillt sein wird, für ausländisches Kulturgut von ihren Grundprinzipien abzuweichen und hierfür gesonderte Vorschriften hinsichtlich einer Eigentumsübertragung zu normieren. Eine Bereitschaft zur Übernahme der hier vorgeschlagenen Verpflichtung erscheint des weiteren zweifelhaft angesichts der Überlegung, daß hierdurch eine Ungleichbehandlung von Eigentümern in- und ausländischen Kulturbesitzes vorgenommen werden müßte: Während inländische abhandengekommene Stücke von Dritten gutgläubig erworben und dem ehemaligen Eigentümer damit ersatzlos entzogen werden könnten, hätte der Eigentümer ausländischen Kunstbesitzes aufgrund des hierfür ausgeschlossenen gutgläubigen Erwerbs die Möglichkeit, sein Eigentum zurückzuerlangen. Neben der geschilderten Benachteiligung von Eigentümern inländischer Kulturschätze birgt der Vorschlag aber auch Gefahren für die Rechtssicherheit. Angesichts der unterschiedlichen rechtlichen Behandlung müßte vor jeder beabsichtigten Übertragung von Kulturgut zunächst geklärt werden, ob es sich um Stücke in- oder ausländischer Herkunft handelt, was oftmals aufwendige Untersuchungen erfordern würde und damit den Handel mit Kulturgütern erschwert. Abgesehen von der fragwürdigen Akzeptanz des Vorschlags

156

So aber Rodotà , The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: International Legal Protection of Cultural Property, S. 99,109, nach dessen Ansicht der Besonderheit von Kulturgut nur entsprochen werden kann, wenn unabhängig von der Gutgläubigkeit des Erwerbers stets nur der legale Transfer geschützt wird. 157

Walter,

158

Vgl. obenS. 132.

S. 201,202.

150

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

stehen ihm somit auch praktische Bedenken entgegen, die gegen eine Geeignetheit dieser Regelung fur eine zivilrechtliche Lösung des gutgläubigen Erwerbs an gestohlenen Kulturgütern in einem internationalen Übereinkommen sprechen. b) Ausschluß gutgläubigen Erwerbs für weltweit bekannte und in einem öffentlichen Verlustregister verzeichnete Kulturgüter Eine von allen Staaten akzeptierte und angewandte Norm könnte dergestalt aussehen, daß die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs vom Grundsatz her auch für abhandengekommene Kunstgegenstände bestehen bleibt, in bestimmten Ausnahmefallen jedoch Einschränkungen erfährt. Eine Benachteiligung des Erwerbers durch die Versagung des Eigentumserwerbs wäre immer dann zu rechtfertigen, wenn besondere Umstände vorliegen, die den Gegenstand eindeutig dem Eigentum eines Dritten zuordnen. Dies könnte beispielsweise bejaht werden bei weltweit bekannten Werken oder bei Gegenständen, die in einem für den Erwerber einsehbaren Register als gestohlen aufgeführt sind 1 5 9 . Ein solches Register könnte von einer internationalen Institution geführt werden, welche weltweit Verlustmeldungen aufnimmt und diese in einem Computerverbund für potentielle Käufer aus allen Ländern einsehbar macht 1 6 0 . Ähnlich der hier vorgeschlagenen Art wird heutzutage ein Computerverzeichnis von der Metropolitan Police in London geführt. Als effektives Mittel im Kampf gegen den illegalen Kunsthandel vermag es jedoch aus mehreren Gründen nicht zu dienen: Das Verzeichnis erhebt zum einen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da hierin nur Diebstähle aus dem Londoner Raum bzw. von anderen Bezirken freiwillig mitgeteilte Diebstähle registriert werden. Zum anderen besteht keine Möglichkeit zur Einsichtnahme in das Register für Privatpersonen 161 . Ein internationales Register müßte diesen Mängeln begegnen und sowohl Vollständigkeit und Aktualität, als auch die jederzeitige Möglichkeit der Einsichtnahme für jedermann garantieren. Der bestohlene Eigentümer könnte durch Veranlassung der Eintragung seines

159

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43,61.

160

Ausführlich hierzu Crewdson, An International Register of Stolen Valuables, in: International Legal Protection of Cultural Property, S. 112,113. Vgl. auch Roucounas, General Report, in: International Legal Protection of Cultural Property, S. 136,142. 161 Vgl. hierzu Crewdson, An International Register of Stolen Valuables, in: International Legal Protection of Cultural Property, S. 112.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

151

Objekts erwirken, daß er sein Eigentum an niemanden verlieren k a n n 1 6 2 . Durch die Realisierung dieser Voraussetzungen würden weder dem Käufer unzumutbare Anstrengungen abverlangt, noch stünde eine erhebliche Behinderung des internationalen Kunsthandels zu befürchten. Von anderer Seite wird der Vorschlag laut, einen gutgläubigen Erwerb an Kulturgut nur dann zuzulassen, wenn der Erwerber sich einen "Stammbaum" des betreffenden Gegenstands aushändigen läßt, der über die sachenrechtlichen Beziehungen Auskunft g i b t 1 6 3 . Die Erstellung sollte einer international tätigen Organisation obliegen 164 . Zurück geht diese Idee auf die Tätigkeit des Internationalen Museumsrates (ICOM = International Council of Museums) 165 , der im Jahre 1970 eine Empfehlung an die Museen ausgesprochen hat, nach der sie beim Erwerb von Kunstgegenständen deren rechtliche Herkunft überprüfen und insbesondere Gesetze der Ursprungsländer beachten sollen 1 6 6 . In der Folgezeit haben sich zahllose Museen und Verbände zur Berücksichtigung dieser Empfehlung bereiterklärt 167 . Sicherlich ließe sich hiermit dem illegalen Kunsthandel wirkungsvoll begegnen. Es fragt sich jedoch, ob eine solche Vorgehensweise praktisch durchführbar ist. Die mit der Erstellung eines solchen "Stammbaums" betraute Organisation müßte in allen Fällen der beabsichtigten Veräußerung von Kulturgut die Eigentumsfrage sowie die Berechtigung zur Übertragung überprüfen, was in einigen Fällen vielleicht unproblematisch möglich ist, in anderen Fällen jedoch, in denen der Gegenstand beispielsweise zuvor bereits durch zahlreiche Hände gelaufen ist und womöglich in mehreren Staaten nach Maßgabe der dortigen Rechtsvorschriften übertragen wurde, zu umfangreichen und langwierigen Nachforschungen führen wird. Um einer solchen Aufgabe ge-

162

Nach Crewdson sollte parallel zu der Computererfassung eine internationale Konvention geschlossen werden, in der sich die Mitgliedsstaaten verpflichten, bei registriertem Kulturgut keinen Eigentumserwerb zuzulassen, An International Register of Stolen Valuables, in: International Legal Protection of Cultural Property, S. 112,113. 163

Für eine generelle Einführung eines solchen "Stammbaums" Hanisch, in: FS für MüllerFreienfels, S. 193,223. 164

Hanisch, in: FSfor Müller-Freienfels,

S. 193,224.

165

Näher zum ICOM: Yearbook of International Organizations 17 (1978) Nr. A 1749; Nafziger , Denver Journal of International Law and Policy 2 (1972), S. 231, 244-253. 166 ICOM Recommendations, abgedruckt bei FeldmanAVeil, S. 638-641.

Art Works - Law, Policy, Practice,

167 Die Erklärungen sind teilweise abgedruckt bei Meyer, FeldmanAVeil, Art Works - Law, Policy, Practice, S. 640 f.

Geplünderte

Vergangenheit;

152

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

wachsen zu sein, müßte die betreffende Organisation sowohl in technischer als auch in personeller Hinsicht gut ausgestattet sein. Angesichts der Vielzahl der Übertragungen von Kunstschätzen stünde eine hoffnungslose Überlastung dieser Organisation zu befürchten. Darüberhinaus wären die Untersuchungen auch mit erheblichen Kosten verbunden, die von einer der KaufVertragsparteien zu tragen wären und sich letztlich wieder auf den Veräußerungspreis der Kulturgüter niederschlagen würden. Alles in allem gesehen stellt dieser Vorschlag hohe Anforderungen an eine Transaktion von Kunstschätzen und führt in finanzieller, vor allem aber auch zeitlicher Hinsicht zu einer erheblichen Hemmung des freien Handels. Im Unterschied zur zuvor geschilderten Möglichkeit, den gutgläubigen Erwerb nur bei weltweit bekanntem oder registriertem Kulturgut auszuschließen, werden hier hauptsächlich der Organisation und dem Verkäufer, der für den Herkunftsnachweis die notwendigen Angaben machen muß und entsprechende Belege vorlegen muß, Pflichten auferlegt, während der Käufer seiner Sorgfaltspflicht bereits durch bloßes Einsehen in den Stammbaum nachkommt. Vergegenwärtigt man sich, daß es letztlich in seinem Interesse liegt, gutgläubig Eigentum zu erlangen, erscheint es angemessener, ihn bestimmte Nachforschungen anstellen zu lassen, wie es im zuvor geschilderten Vorschlag vorgesehen ist.

Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, daß es einem Ausgleich der Interessen des internationalen Kunstmarktes einerseits und denen des Eigentümerschutzes andererseits am ehesten entspricht, eine Regelung zu wählen, die den gutgläubigen Erwerb an abhandengekommenen Kunstgütern zwar grundsätzlich zuläßt, Ausnahmen jedoch bei weltweit bekannten und in einem Register als gestohlen gemeldeten Kulturgütern macht.

Abschließend kann damit festgehalten werden, daß im Rahmen eines internationalen Schutzabkommens eine Norm die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs abhandengekommener Kulturgüter vom Nichtberechtigten einheitlich festlegen müßte. Für die Voraussetzung der Gutgläubigkeit könnte die Regelung des Art. 7 L U AB (1974) zum Vorbild genommen werden. Abhandengekommene Kunstgegenstände sollten nur dann unter den verschärften Voraussetzungen des Art. 7 L U AB gutgläubig erworben werden können, wenn es sich hierbei weder um weithin bekannte Werke handelt, noch die Gegenstände in einem öffentlichen Verlustregister als gestohlen gemeldet sind.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

153

B. Das Lösungsrecht

I. Darstellung In einigen Rechtsordnungen findet sich im Zusammenhang mit den Regelungen zum gutgläubigen Erwerb zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwischen dem Alteigentümer und dem Neuerwerber die Rechtsfigur des sog. Lösungsrechts. Ein solches Lösungsrechts 168 ist in unterschiedlicher Ausgestaltung in Frankreich, Belgien, Luxemburg, der Schweiz, Portugal, Spanien, Skandinavien, den Niederlanden und Ungarn bekannt 1 6 9 . Abgesehen von den regional divergierenden Besonderheiten gewährt das Lösungsrecht dem gutgläubigen Erwerber einen Anspruch auf Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises gegen den auf Herausgabe klagenden Eigentümer 1 7 0 , sofern der Kauf unter privilegierten Umständen stattgefunden hat. 1. Schweiz Eine Regelung zum Lösungsrecht enthält Art. 934 Abs. 2 des schweizerischen Zivilgesetzbuches 171 . Während der Erwerber einer abhandengekommenen Sache gem. Art. 934 Abs.l ZGB innerhalb von fünf Jahren einem Herausgabeverlangen des Alteigentümers entschädigungslos ausgesetzt ist, privilegiert Abs. 2 den Erwerber beim öffentlichen Kauf. Diesem wird in Höhe seines negativen Interesses ein Zurückbehaltungsrecht 172 gegen den rückfordernden Eigentümer zugestanden. Aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlauts ist das Lösungsrecht auf einen Zweiterwerber übertragbar, sofern dieser gutgläubig

168 Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Lösungsrecht des gutgläubigen Käufers und einer Lösungspflicht des Klägers, vgl. Felgentraeger, Antikes Lösungsrecht, S. 1, Fn. 1. 169

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 19.

17 0

Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100,102.

171

Art. 934 ZGB hat folgenden Wortlaut: (Abs.l) Der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt, kann sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. (Abs.2) Ist die Sache öffentlich versteigert oder auf einem Markt oder durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt, übertragen worden, so kann sie dem ersten und jedem späteren gutgläubigen Empfänger nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises abgefordert werden. 172 BG vom 1. März 1945, BGE 71 II 90; Bertan, La revendication des meubles en droit suisse, S. 66-68; Η ι nder ling, Der Besitz, in: Gutzwiller, Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, S. 403,491 f.

154

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

ist; nicht erforderlich ist hierbei, daß auch die Weiterveräußerung unter den privilegierten Umständen i.S.d. Art. 934 Abs. 2 ZGB stattfindet 173 . 2. Frankreich Das französische Recht normiert in Art. 2280 C.c. ein Lösungsrecht 174 . Sofern der Erwerber den Gegenstand im Wege eines Markt- oder Messekaufs, auf öffentlicher Versteigerung oder von einem Kaufmann, der mit Sachen dieser Art handelt, erlangt hat, kann der Alteigentümer die Sache nur gegen Erstattung des vom Erwerber gezahlten Kaufpreises herausverlangen. Diese bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende Privilegierung öffentlicher Käufe wurde vom Code civil aufgegriffen und verfolgt neben der ursprünglich bezweckten Förderung des Handels auf Gemeinplätzen vor allem eine Besserstellung des Erwerbers im Handelsverkehr 175 . Im Gegensatz zu der zuvor geschilderten Regelung im schweizerischen Recht ist der Anspruch auf Ersatz des gezahlten Kaufpreises nicht auf einen späteren gutgläubigen Zweiterwerber übertragbar. Er steht vielmehr nur dem "possesseur actuel" zu, d.h. demjenigen, der die Sache unter den Voraussetzungen des Art. 2280 C.c. erworben hat. Hat daher der Ersterwerber die Sache auf privatem Wege weiterveräußert, kann der Alteigentümer von dem Dritten die Herausgabe des Gegenstandes verlangen, ohne ihm den Kaufjpreis erstatten zu müssen 176 . Vergleichbar mit der dargestellten französischen Regelung handhaben auch die Rechtsordnungen Belgiens und Luxemburg das Institut des Lösungsrechts 1 7 7 .

17 3

Stoll, IPRax 1987, S. 357,359.

174

Art. 2280 C.c.f.: "Si le possesseur actuel de la chose volée ou perdue l'a achetée dans une foire ou dans un marché, ou dans une vente publique, ou d'un marchand vendant des choses pareilles, le propriétaire originaire ne peut se la faire rendre qu'en remboursant au possesseur le prix qu'elle lui a coûté.". 17 5

Römer, S. 159,160.

176

T r i b . civ. de la Seine 17. Feb. 1911, Gaz. des Trib. 20. April 1911; Cour d'appel de Paris, 13. Nov. 1930, Gaz. des Trib. 6. Dez. 1930; Cass. civ. 11. Feb. 1931, S. 1931.1.273; Cour d'appel de Paris 2. März 1933, Gaz. du Palais 1933.1.952; zit. nach Römer, S. 164. 17 7

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 19.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

155

3. Portugal Mit der grundsätzlichen Ablehnung eines gutgläubigen Erwerbs im portugiesischen Recht 1 7 8 kann der Eigentümer einer Sache diese stets vom gutgläubigen Erwerber herausverlangen, unabhängig davon, ob sie abhandengekommen ist oder nicht. Hat jedoch der Erwerber den Gegenstand von einem Kaufmann erlangt, der mit Sachen derselben oder ähnlichen Art handelt, so ist der rückfordernde Eigentümer ihm gegenüber gem. Art. 1301 Código civil zur Erstattung des Kaufpreises verpflichtet 179 . 4. Niederlande Das niederländische Recht regelt in Art. 2014 II, 637 Burgerlijk Wetboek ein Lösungsrecht des Eigentümers gegen den gutgläubigen Erwerber. Vom Grundsatz her spricht Art. 2014 II Burgerlijk Wetboek demjenigen, der eine Sache verloren hat oder dem etwas entwendet worden ist, das Recht zu, diesen Gegenstand binnen drei Jahren von dem Besitzer entschädigungslos herauszuverlangen. Hat der Besitzer den Gegenstand jedoch unter besonderen privilegierten Umständen (Markt, öffentliche Versteigerung) gutgläubig erworben, ist er gem. Art. 637 Burgerlijk Wetboek zu dessen Herausgabe an den Alteigentümer nur gegen Erstattung des von ihm gezahlten Kaufjpreises verpflichtet. Ähnlich dem französischen Recht steht dieses Recht nur demjenigen zu, der in seiner Person die Voraussetzungen eines privilegierten Kaufes erf ü l l t 1 8 0 . Das Lösungsrecht geht damit nicht automatisch auf jeden Rechtsnachfolger über. Der Entwurf eines neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs enthält in Art. 3.4.2.3a Vorschriften zum gutgläubigen Erwerb, zum Rückforderungsrecht des Eigentümers und zu einem beschränkten Rückgabeverweigerungsrecht des Gutgläubigen 181 . Hat der Erwerber den betreffenden Gegenstand auf einem Markt gekauft, so darf er ihn so lange behalten, bis der Eigentümer ihm

17 8

Siehr, ZVglRWiss 80 (1981), S. 273,281.

17 9

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 20; Siehr, ZVglRWiss 80 (1981), S. 273,281.

180

Siehr, ZVglRWiss 83 (1984) S. 100,105.

181

Vgl. ausführlich hierzu Götzen, Eigentumsübertragung, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung bei beweglichen Sachen in den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland, S. 19,20.

156

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

den gezahlten Kaufpreis vergütet oder den Schaden ersetzt hat, den er durch die Rückgabe erleidet 182 . IL Die Geeignetheit des Lösungsrechts als zu vereinheitlichende Regelung in einem internationalen Abkommen zum Kulturgüterschutz Das Lösungsrecht stellt einen Kompromiß dar zwischen der vorbehaltlosen Zulassung und der generellen Ablehnung gutgläubigen Erwerbs 1 8 3 . Der Alteigentümer wird insofern geschützt, als er seinen Gegenstand bis zu einer bestimmten Zeitspanne herausverlangen kann. Den Interessen des gutgläubigen Erwerbers wird dadurch entsprochen, daß er diesem Herausgabeverlangen seinen Anspruch auf Erstattung des von ihm gezahlten Kaufjpreises entgegensetzen kann. In der Literatur wird teilweise die Normierung eines Lösungsrechts in einem internationalen Kulturgüterschutzabkommen vorgeschlagen 184 . Hiermit soll den widerstreitenden Interessen zwischen Eigentümer und Erwerber von Kulturgut im Einzelfall flexibler entsprochen werden können, da den Beteiligten ein weiteres rechtliches Instrument zur Verfügung gestellt werde, durch das die Rückgabe von Kulturgut unter neuen Konsequenzen möglich sei 1 8 5 . Anders als die Regelungen vieler Rechtsordnungen, die ein Lösungsrecht nicht kennen und in denen sich der Erwerber nur an den Dieb bzw. seinen Vertragspartner halten kann, sieht das Lösungsrecht eine Inanspruchnahme des Alteigentümers vor. Für den Gutgläubigen bringt diese Regelung Vorteile insofern, als ihm durch die Erstattung des Kaufjpreises ein Anreiz zur Rückübertragung gegeben wird. Letztlich würde durch dieses Instrumentarium die Rückführung gestohlenen oder abhandengekommenen Kulturguts an den Ur-

182

Götzen, Eigentumsübertragung, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung in den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland, S. 19,20. 183

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 18; Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100,104.

n A

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1988 I, S. 52,105 ff; dies., Internationaler Kulturgüterschutz, S. 18 ff; Siehr, ZVglRWiss 80 (1981), S. 273,287. Dafür, die Höhe der Entschädigung nach dem vom Erwerber entrichteten Kaufpreis zu bestimmen: Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, S. 171 f.; Byrne-Sutton, Le trafic international des biens culturels sous l'angle de leur revendication par l'Etat d'origine, S. 243. Anders hingegen Siehr, ZVglRWiss 80 (1981), S. 273,288, der auf den Wert der Sache zum Zeitpunkt der Veräußerung abstellen will. 185

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 23.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

157

sprungsort erleichtert werden 1 8 6 , was den Interessen des Kulturgüterschutzes in hohem Maße entsprechen würde. Gegen die internationale Einführung eines Lösungsrechts könnten jedoch die Interessen des Alteigentümers sprechen 187 . Zwar wird ihm die Entscheidungsmöglichkeit eingeräumt, sein Eigentum gegen Erstattung des Kaufpreises vom Erwerber herauszuverlangen oder es bei der bestehenden Rechtslage bewenden zu lassen. Angesichts der in letzter Zeit rasant gestiegenen Preise für Kunstgegenstände auf dem internationalen Markt wird er jedoch oftmals nicht in der Lage sein, den vom Erwerber aufgewandten Kaufjpreis zu zahlen. Die durch das Lösungsrecht ermöglichte Inanspruchnahme des Alteigentümers könnte dann unbillig sein, wenn ihm kein Sorgfaltsvorwurf gemacht werden kann, etwa weil er das Abhandenkommen seines Kunstgegenstandes sofort bei den zuständigen Stellen publik gemacht, eine Registereintragung vornehmen ließ und alle notwendigen Schritte für eine Rückerlangung in die Wege geleitet h a t 1 8 8 . In diesem Fall wäre es dann dem gutgläubigen Erwerber - auch wenn er die Sache unter den genannten privilegierten Umständen erworben h a t 1 8 9 - durchaus möglich gewesen, durch Einsichtnahme in die betreffenden Register bzw. durch Anfragen an Sachverständige die Herkunft des Gegenstandes in Erfahrung zu bringen und die Illegalität der Übertragung festzustellen. Wenn in einem solchen Fall der Erwerber dem Herausgabeverlangen des Alteigentümers seinen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises entgegensetzen könnte, widerspräche dies der Schutzwürdigkeit des Alteigentümers und würde den fahrlässig handelnden Erwerber noch begünstigen. Die oben vorgeschlagene einheitliche Regelung zum gutgläubigen Erwerb an abhandengekommenen Kunst- und Kulturgütern 1 9 0 stellt insofern eine gerechtere Lösung des Interessenkonflikts dar, als sie in den Fällen, in denen der Alteigentümer alle Vorkehrungen getroffen hat, um das Abhandenkommen

186

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 22.

187

Gegen die internationale Einführung eines Lösungsrechts Chatelain, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 95; Rodotà , The Civil Law Aspects of the International Protection of Cultural Property, in: International Inegal Protection of Cultural Property, S. 99,110; Knott , S. 181 f. 188

Vgl. zu den möglichen Schritten oben S. 150-152.

189

Kauf auf einem öffentlichen Markt, bei einer öffentlichen Versteigerung, bei einem Kaufmann,

der mit Sachen dieser Art handelt, etc. 190

Vgl. obenS. 146-152.

158

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

publik zu machen, die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs ablehnt. Damit gewährt sie demjenigen, der seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, den ihm gebührenden Schutz durch Sicherung seines Eigentums vor Verlust. Denkbar wäre es jedoch, das Lösungsrecht auf alle anderen Fälle zu beschränken, in denen der Erwerber den für seine Gutgläubigkeit erforderlichen Untersuchungspflichten nachgekommen ist und der Alteigentümer auf den Verlust seines Gegenstandes nicht oder in nicht ausreichendem Maße reagiert hat. Nach der oben vorgeschlagenen Regelung zum gutgläubigen Erwerb würde der Erwerber in diesem Fall wirksam Eigentum an dem Gegenstand erlangen. Die Normierung eines Lösungsrechts für derlei Fälle hingegen würde bewirken, daß der Erwerber unabhängig von den seinerseits angestrengten Nachforschungen für eine bestimmte Zeitspanne dem Herausgabeverlangen des Alteigentümers ausgesetzt wäre, wenn auch unter dem Vorbehalt der Erstattung des Kaufpreises. Den Interessen des Erwerbers würde hiermit eindeutig nicht entsprochen. Letztlich widerspräche die internationale Einführung eines Lösungsrechts auch den Interessen der Rechtssicherheit und des freien Handels. Zwar ist durch die Befristung des Lösungsrechts nur während einer zeitlich begrenzten Dauer mit Herausgabeansprüchen zu rechnen, jedoch muß gesehen werden, daß dieses Rechtsinstrument keine eindeutige Regelung darüber trifft, wem das Eigentumsrecht in der Zwischenzeit mit all seinen Konsequenzen 191 zusteht 1 9 2 . Die Interessen sowohl des Handels als auch aller an einer Veräußerung beteiligten Parteien fordern eine klare Entscheidung darüber, ob eine wirksame Eigentumsübertragung stattgefunden hat, die gegenüber jedermann wirkt. Die angeführten Überlegungen sprechen gegen die Geeignetheit des Lösungsrechts als zu vereinheitlichende Norm in einem internationalen Abkommen.

C. Ersitzungs- und Verjährungsvorschriften

Allen Rechtsordnungen sind bestimmte Fristen bekannt, nach deren Ablauf der eigentumsrechtliche Herausgabeanspruch entweder verjährt oder das Eigentum kraft Ersitzung auf denjenigen übergeht, der die Sache in Besitz

191 ]92

Nutzungsrechte, Aufwendungen, Fruchterwerb, etc.

Knott,S.

182.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

159

h a t 1 9 3 . Mit diesen Rechtsinstituten, durch die ursprünglich rechtswidrige Besitzverhältnisse an Gegenständen legalisiert werden, soll die Sicherung des Rechtsfriedens vor der Geltendmachung lang verschwiegener, in der Vergangenheit weit zurückliegender Ansprüche bezweckt werden 1 9 4 . Nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne sollen der gutgläubige Eigenbesitzer, aber auch der rechtsgeschäftliche Verkehr in dem Vertrauen auf die faktische Besitzlage geschützt werden 1 9 5 . Für den Kulturgüterschutz haben derlei Regelungen eine große Bedeutung, da die betreffenden Kunstschätze oftmals erst nach längerer Zeit ausfindig gemacht und Herausgabeklagen daher nicht selten erst Jahre später angestrengt werden können 1 9 6 . Fragen, die mit der Ersitzung bzw. Verjährung von Herausgabeansprüchen in Zusammenhang stehen, werden nach weithin übereinstimmender Meinung dem Recht unterstellt, das den geltend gemachten Anspruch beherrscht 197 . Bei den hier interessierenden Eigentumsherausgabeansprüchen gilt somit für beide Rechtskomplexe die lex rei s i t a e 1 9 8 ' 1 9 9 .

193 Vgl. den nachfolgenden Überblick über die Regelungen einzelner Rechtsordnungen. Zur historischen Entwicklung der Ersitzung für das deutsche Recht vgl. Wieling, Sachenrecht, Bd. 1, S. 405 f. ]94

Mugdan, Materialien zum BGB, Bd.l, S. 511,512; MiXnchKomm-Quack, § 937, Rn. 1; Chatelain, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 75. 195 Baur/Stürner, recht, Rn 481.

Sachenrecht § 53 h I 3; Westermann, Sachenrecht, Bd. 1, § 51 I 2; Wolf,

Sachen-

196 So wurden beispielsweise die beiden Dürer-Porträts, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland spurlos verschwanden, erst im Jahre 1966 bei dem späteren Beklagten Elicofon aufgefunden. Der daraufhin angestrengte Rechtsstreit zog sich bis ins Jahr 1982 hin; Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F.Supp. 829=ILM 20 (1981) 1122; 678 F.2d 1150=ILM 21 (1982) 773. Im Fall De Weerth v. Baldinger, 658 F.Supp. 688; 836 F.2d 103, erfuhr die Klägerin von dem Verbleib ihres gegen Kriegsende verschwundenen Gemäldes erst im Jahre 1982. 197

Kropholler, IPR, § 41 II 1; Kegel, Die Grenze von Qualifikation und Renvoi im internationalen Verjährungsrecht, S. 13. 198

Zur Geltung der lex rei sitae für Fragen der Ersitzung Staudinger-Sfo//, Internationales Sachenrecht, Rn. 205; MünchKomm-Arewzer, Nach Art. 38 EGBGB, Anh. I, Rn. 54,77; Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels, S. 193,219. Für die Schweiz: BGE 94 II 297 ff; USA: 536 F.Supp. 829=I.L.M. 20 (1981) 1122; 678 F. 2d 1150=I.L.M. 21 (1982) 773. 199 Obwohl sie nicht Bestandteil des Sachenrechts sind, werden Regeln über die Verjährung eines dinglichen Herausgabeanspruchs kollisionsrechtlich gleich den Ersitzungsvorschriften behandelt; es gilt somit auch hierfür das Recht am Belegenheitsort; Firsching, § 36, 4 e); Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn 204; MünchKomm-ATrewzer, Nach Art. 38 EGBGB, Anh. I, Rn. 77; Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels, S. 193,219.

160

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

I. Darstellung der materiellrechtlichen Regelungen einzelner Rechtsordnungen Im deutschen Recht beträgt die Verjährungsfrist bei Herausgabeansprüchen gem. § 195 BGB dreißig Jahre. Nach Ablauf dieser Frist kann der Anspruchsteller sein Eigentum nicht mehr herausverlangen. Ersitzung, d.h. Übergang des Eigentums auf den Besitzer, tritt gem. § 937 Abs. 1 BGB nach zehn Jahren ein. Der Eigentumserwerb durch Ersitzung ist im Gegensatz zu der Regelung in § 935 BGB auch bei gestohlenen und abhandengekommenen Sachen möglich, sofern der Eigenbesitzer gutgläubig im Hinblick auf sein Recht zum Eigenbesitz i s t 2 0 0 . Die Länge der Fristen für die Ersitzung in anderen Rechtsordnungen variieren erheblich: So beträgt die Frist in Österreich drei Jahre, in der Schweiz fünf Jahre, in Italien zehn Jahre 2 0 1 . Dem amerikanischen Recht ist das Rechtsinstitut der Ersitzung fremd 2 0 2 . Die einzelnen Bundesstaaten der USA kennen zwar keine dingliche, aber eine deliktische Herausgabeklage, die sog. conversion 203. Die Verjährungsfristen hierfür schwanken in den jeweiligen Rechtsordnungen zwischen zwei und zehn Jahren 204 . Im englischen Recht beträgt die Verjährungsfrist für eine Herausgabeklage sechs Jahre 2 0 5 . Die Konsequenzen dieser unterschiedlichen Fristenregelungen der nationalen Rechtsordnungen für den internationalen Handel mit gestohlenen Kulturgütern sollen anhand von Rechtsprechungsfällen kurz dargestellt werden.

2 0 0

§ 937 Abs. 2 BGB.

201

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43,115; Picker, Kunst- und Antiquitätenhandel, in: Kunst und Recht, S. 43,50; May, Die Ersitzung von Mobilien und Immobilen nach deutschem, schweizer und französischem Recht, S . l l . 20 2

Drobnig, IPRax 1984, S. 61,64; Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in:

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/ Wiener Symposium, S. 41,64; Knott, S. 78. 203

Vgl.Mansel, IPRax 1988, S. 268,269; Drobnig, IPRax 1984, S. 61,64.

20 4

Knott, S. 40; vgl. ausführlich zu den unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Bundesstaaten Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 41,48 ff. 205 See. 2 Limitation Act 1980, Halsbury's Statutes of England, Bd. 50 (1) S. 1253,1255 (3. Aufl. 1981).

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

IL Beispielsfälle

161

aus der internationalen Rechtsprechung

Zur Veranschaulichung des gesetzlichen Eigentumserwerbs durch Ersitzung sowie zur Verjährung des Herausgabeanspruchs eignen sich die folgenden Fälle: 1. Koerfer gegen Goldschmidt 206 In dem oben bereits angesprochenen Rechtsstreit Koerfer gegen Goldschmidt 207 hatte das Schweizer Bundesgericht über einen Eigentumsübergang durch Ersitzung zu befinden. Nach Maßgabe des durch die SitusRegel berufenen schweizerischen Rechts 2 0 8 beträgt die diesbezügliche Frist fünf Jahre. Das Gericht entschied, daß Koerfer das Eigentum an den umstrittenen Bildern durch fünfjährigen Eigenbesitz in der Schweiz im Wege der Ersitzung erlangt habe und mußte folglich einen Herausgabeanspruch des Klägers abweisen. 2. Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon 2 0 9 Um die Verjährung eines Herausgabeanspruchs ging es im oben geschilderten Fall Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon. Von 1969 bis 1982 klagten die Bundesrepublik, die Erbgroßherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach sowie die Kunstsammlungen zu Weimar gegen Elicofon als Besitzer der beiden Dürer-Porträts. Nachdem das Gericht die Parteifähigkeit der Kunstsammlungen verneint 2 1 0 und dingliche Ansprüche der Erbgroßherzogin abgewiesen hatte 2 1 1 , blieb als Klägerin allein die Bundesrepublik übrig, die sich auf ihre Treuhänderschaft für die Kunstsammlungen berief. Mit der völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch die USA am 4. September 1974 wurden die Kunstsammlungen als Intervenientin zugelassen, woraufhin die Bundesre-

206

BGB 94 II 297; hierzu Lalive, SchwJblntR 26 (1969/70), S. 259, 315ff.

2 0 7

Oben S. 126.

208

Art. 934 Abs. 1 i.V.m. Art. 936 ZGB.

2 0 9

Kunstsammlung zu Weimar v. Elicofon, 536 F. Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981) = I L M 20 (1981) 1122; bestätigt durch 678 F.2d 1150 (US Ct.App. 2d Cir.)=ILM 21 (1982) 773. Ausfuhrlich hierzu Drobnig, IPRax 1984, S. 61-65. 2 1 0

358 F.Supp. 747, 753 ff; 478 F.2d 231, 232.

211

Ausfuhrlich hierzu Drobnig, IPRax 1984, S. 61,62 f.

11 Schmeinck

162

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

publik ihre treuhänderische Aufgabe als beendet ansah und die Klage zurückz o g 2 1 2 . Dem nunmehr allein von den Kunstsammlungen vorgetragenen Herausgabeanspruch hielt der Beklagte den Einwand der Ersitzung entgegen. Dieses dem amerikanischen Recht fremde Rechtsinstitut wurde vom Gericht als Instrument des Eigentumserwerbs qualifiziert und der lex rei sitae unterworf e n 2 1 3 . Nach der hierdurch berufenen New Yorker Rechtsordnung verjährt ein Anspruch auf Herausgabe nach drei Jahren. Bei dem damit prinzipiell Ende 1949 verjährten Anspruch nahm das Gericht jedoch eine Hemmung der Frist bis zur völkerrechtlichen Anerkennung der DDR und der zugelassenen Klageerhebung durch die Kunstsammlungen zu Weimar an. Der Einwand der Ersitzung bzw. der Verjährung des Herausgabeanspruchs wurde somit abgelehnt und der Anspruch der Klägerin bestätigt. III. Auswirkungen auf den internationalen Kulturgüterschutz Die unterschiedlichen Längen der Veijährungs- und Ersitzungsfristen bieten den Parteien eines internationalen Kaufes von Kulturgut ein abweichendes Maß an Schutz. Das jeweils von der Situs-Regel zur Anwendung berufene Recht bestimmt darüber, ob ein Herausgabeanspruch bereits verjährt oder das Eigentum an einem Gegenstand durch Ersitzung auf den neuen Besitzer übergegangen ist. Für den gutgläubigen Erwerber von Kulturgütern bringt diese Situation keine großen Probleme mit sich, da er - vorausgesetzt, er hat den Gegenstand am Erwerbsort dauerhaft in seinem Eigenbesitz gehabt durch Kenntnis der dort geltenden Veijährungs- und Ersitzungsvorschriften absehen kann, ab welchem Zeitpunkt ihm keinerlei Herausgabeansprüche mehr drohen. Anders stellt sich jedoch die Lage für den ursprünglichen Eigentümer von abhandengekommenem Kulturgut dar. Im Regelfall wird er über den Verbleib seines Objekts keine Kenntnis haben, und infolgedessen kann er auch nicht wissen, welche nationalen Vorschriften für eine Verjährung oder Ersitzung einschlägig sind. Ein Vertrauen seinerseits auf den Bestand seines Eigentumsrechts sowie auf die Durchsetzbarkeit seines Herausgabeanspruchs ist damit nicht möglich.

212

Es bestand eine Pflicht zur Klagerücknahme gegenüber der DDR, da Art. 4 des Grundlagenvertrages vom 21. Dezember 1972 das Verbot gegenseitiger internationaler Vertretung vorsah; Drobnig, IPRax 1984, S. 61,62. 213

536 F.Supp. 829,833,845 f.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

163

Angesichts des zunehmenden grenzüberschreitenden Handels mit Kulturgütern stellen die divergierenden Veijährungs- und Ersitzungsvorschriften in den nationalen Rechtsordnungen einen nicht zu unterschätzenden Unsicherheitsfaktor dar. Abhilfe könnte hier im Rahmen eines internationalen Abkommens zum Kulturgüterschutz die Einführung einer Norm schaffen, die einheitliche Vorschriften für die Veijährung und Ersitzung enthält, auf die sich die am Kunsthandel Beteiligten einstellen könnten 2 1 4 . IV Vorschlag für eine international einheitliche Regelung der Ersitzung und Verjährung fitr Kulturgüter auf materiellrechtlicher Ebene Ein internationales Übereinkommen zum Kulturgüterschutz müßte Vorschriften enthalten, die neben den Voraussetzungen und Wirkungen beider Rechtsinstitute vor allem den Beginn und die Länge der Fristen sowie etwaige Unterbrechungs- und Hemmungsmöglichkeiten regeln. Teilweise wird unter der Maxime des Eigentümerschutzes vorgeschlagen, dingliche Herausgabeansprüche an Kunst- und Kulturwerken keinen Verjährungsfristen zu unterstellen 215 . Diesem Gedanken muß zwar zugestanden werden, daß hierdurch dem illegalen Kunsthandel ein wirksames Mittel entgegengesetzt würde, jedoch verlangt das Interesse an freiem Handel und an Rechtssicherheit die Existenz bestimmter Fristen, nach deren Ablauf sich jedermann auf die bestehende Rechtslage verlassen k a n n 2 1 6 . Eine Unverjährbarkeit von Eigentumsherausgabeklagen im Hinblick auf Kulturgüter zuzulassen, würde zu einer Verunsicherung potentieller Erwerber führen, die zeitlebens mit etwaigen Ansprüchen von ursprünglichen Eigentümern rechnen müßten, ohne sich womöglich an ihren Vertragspartnern schadlos halten zu können. Dem Interesse an einem weltweiten Austausch von Kunstwerken aller Nationen würde eine derartige Regelung entscheidend entgegenwirken 217 .

21 4

Reichelî , Revue de Droit Uniforme 1985 I, S. 43,119; Chat e lain, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 96. 215

Mußgnug, Museums- und Archivgut als "res extra commercium"?, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 141,145; v. Gehren, lus nudum, in: FAZ vom 10. Juli 1992, S. 31 ; Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution, S. 183 f. 216 21 7

Vgl. die Ausführungen inMugdan, Materialien zum BGB, Bd. I, S. 512.

Chatelai η, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 96.

164

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Die bereits angesprochene anzustrebende Vereinheitlichung der Ersitzungsund Verjährungsvorschriften im Rahmen eines internationalen Übereinkommens zum Kulturgüterschutz sollte also einerseits dem illegalen Kunsthandel wirksam entgegenwirken, andererseits auch das Interesse an Rechtssicherheit durch die Anerkennung lang bestehender faktischer Zustände berücksichtigen. Die Fristen sollten hierbei so bemessen sein, daß dem beraubten Eigentümer ausreichend Zeit zugestanden wird, um unter Ausnutzung aller ihm zumutbaren Möglichkeiten den Verbleib seines Kunstwerks in Erfahrung zu bringen und die erforderlichen Schritte für die Geltendmachung seines Anspruchs einzuleiten. In diesem Sinne erscheinen Fristen von einer Mindestdauer von zehn Jahren als angebracht 218 . Diese Zeitspanne stellt zum einen für den gutgläubigen Erwerber eine noch zumutbare, überschaubare Frist dar, zum anderen ermöglicht sie dem Alteigentümer umfassende Nachforschungen. Daß diese Zeitspanne auch für den freien Handel noch keine einschneidenden Auswirkungen hat, belegt die Praxis in Ländern wie Deutschland und Italien, die seit Jahren für sämtliche bewegliche Güter eine Ersitzungszeit von 10 Jahren anordnen. § 4 Möglichkeiten, den Gefahren einer illegalen Eigentumsübertragung auf kollisionsrechtlicher £bene zu begegnen - Modifizierung der Anknüpfungsregel Die vorangegangenen Ausführungen haben sich mit den unterschiedlichen nationalen Regelungen zum rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Eigentumserwerb an abhandengekommenen Kulturgütern und der Notwendigkeit einer internationalen Vereinheitlichung dieser materiellrechtlichen Vorschriften befaßt. Neben der Suche nach einer Lösung der Problematik durch die Schaffung von Einheitsprivatrecht 219 muß die Überlegung angestellt werden, ob dem Raub und der Übertragung gestohlenen Kulturguts nicht auch auf der Ebene des Kollisionsrechts wirksam begegnet werden kann.

218

Chatelain verlangt zur Eindämmung des illegalen Kunsthandels eine dreißigjährige Frist, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 96. 2 1 9 Vgl. zu Begriffsbestimmung, Entstehung und bislang realisiertem Einheitsprivatrecht Kegel, IPR, S. 41-74.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

165

A. Fraus legis

Der gezielten Herbeiführung eines für die Beteiligten günstigen Anknüpfungspunktes durch entsprechende Wahl des Veräußerungsortes kann nach heutiger Rechtslage lediglich im Fall der Gesetzesumgehung, der sogenannten fraus legis 2 2 0 begegnet werden. Im Sinne der allgemeinen Rechtslehre ist hierunter die Veränderung eines Sachverhalts mit dem Ziel zu verstehen, diesen dem an sich geltenden Rechtssatz und seinen mißliebigen Rechtsfolgen zu entziehen und einem anderen Rechtssatz und dessen erwünschten Rechtsfolgen zu unterstellen 221 . Im Bereich des Internationalen Privatrechts kann eine Gesetzesumgehung in der Weise angestrebt werden, daß jemand ausschließlich zur Umgehung unerwünschter Vorschriften des an sich maßgebenden Rechts in ungewöhnlicher Weise arglistig durch Veränderung des kollisionsrechtlich relevanten Sachverhalts eine Anknüpfung herstellt oder verwendet, die zur Anwendung anderer Rechtsnormen führt 2 2 2 . Sofern der Nachweis der Gesetzesumgehung erbracht wurde, kann die fraudulös hergestellte Anknüpfung unter bestimmten Voraussetzungen ignoriert und das an sich maßgebliche Recht zur Anwendung berufen werden 2 2 3 . Im Gegensatz zu einigen ausländischen Kollisionsrechten 224 findet die Gesetzesumgehung im deutschen IPR zwar keine ausdrückliche Normierung, ist jedoch vom Grundsatz her anerkannt 225 . Die Feststellung und Sanktionierung einer Gesetzesumgehung begegnet jedoch mehreren Schwierigkeiten: Als weitgehend ungeschriebenes Prinzip sind zunächst die Voraussetzungen und Grenzen der fraus legis nicht immer hinreichend geklärt 2 2 6 . Nach allgemeiner Ansicht kann eine fraus legis nur dann angenommen werden, wenn den am Rechtsgeschäft beteiligten Personen eine

2 2 0 Zur genauen Bedeutung vgl. Römer, Gesetzesumgehung im deutschen Internationalen Privatrecht; v. Bar, IPR, Bd.l, Rn. 574-580; Schurig,, Kollisionsnorm und Sachrecht, S. 241-246. 221

MünchKomm-Sonnenberger, Bd. 7, Einl. Rn. 564.

22 2

Kegel, IPR, S. 301 f.; Feri«/, IPR, § 3-159.

223

BGB-RGRK-Weng/er, Bd. VI/1, S. 233,234; Ferid,

IPR, § 3-174.

2 2 4

Vereinzelt finden sich im Ausland geschriebene Umgehungsverbote im IPR, so etwa in Portugal (Art. 21 Código civil), Spanien (Art. 12 Abs. 4 Código civil) und in Ungarn (§ 8 IPR-Gesetz). Speziell für die Heirat kennen die Schweiz und einige Staaten der USA Umgehungsverbote. Vgl. die Aufzählungen bei Kegel IPR, S. 301 f. und MünchKomm-Sonnenberger, Bd. 7, Einl. Rn. 573. 22 5

Kegel IPR, S. 301 f.; MünchKomm-Sonnenberger, Bd. 7, Einl. Rn. 567.

22 6

Mansel IPRax 1988, S. 268,270; Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 194.

166

3. Teil: Inteationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Umgehungsabsicht nachgewiesen werden k a n n 2 2 7 . An dieser Intention wird es zumindest dem gutgläubigen Erwerber von gestohlenen Kunstgegenständen regelmäßig fehlen. In der Praxis wird daher aufgrund dieser Beweisschwierigkeiten mit dem Begriff der Gesetzesumgehung nur sehr zurückhaltend operiert 228 . Speziell die deutsche 229 , aber auch die Rechtsprechung Englands und der U S A 2 3 0 haben sich bislang eher großzügig gegenüber einer von den Parteien beeinflußten Anknüpfung verhalten und gingen nur selten vom Vorliegen einer Gesetzesumgehung aus. In den romanischen Rechtssystemen, insbesondere in Frankreich, wird hingegen die "fraude à la loi" stark bekämpft; bei erwiesener Gesetzesumgehung wird die Anknüpfung regelmäßig nicht beachtet: "fraus omnia corrumpit" 2 3 1 . Die bewußte Umgehung bestimmter Normen eines Rechtssystems ist nicht der einzige Grund, der Personen dazu bewegen kann, das beabsichtigte Rechtsgeschäft der Herrschaft eines anderen Rechts zu unterstellen. Gerade im Bereich des internationalen Sachenrechts, in dem das IPR mit der lex rei sitae einen leicht zu verändernden Anknüpfungspunkt gewählt hat, können die Parteien den Wunsch haben, das Geschäft nicht nach den an sich berufenen Regeln, sondern etwa nach dem ihnen vertrauteren Heimatrecht beurteilen zu lassen. Denkbar wäre auch ein Interesse der Parteien an einer schnellen und problemlosen Abwicklung des Rechtsgeschäfts, dem die Anwendung einer Rechtsordnung mit weniger strikten Formvorschriften entgegenkommen würde. Es wird somit im Einzelfall schwierig sein, den Parteien nachzuweisen, daß sie den Anknüpfungspunkt einzig zu dem Zweck manipuliert haben, unliebsame Gesetze zu umgehen. Dieses Problem trifft auch auf die Fälle der Veräußerung von Kunstgegenständen zu: Wenn auch durch die Wahl des Veräußerungsortes eine Gesetzesumgehungsabsicht naheliegt, wird es oftmals nicht möglich sein, den diesbezüglichen Nachweis zu erbringen. Somit vermag die fraus legis die Probleme des illegalen Kunst- und Kulturhandels nicht zufriedenstellend zu lösen. Erforderlich hierzu wäre vielmehr die Schaffung

2 2 7 11%

BGB-RGRK-Wengler, Bd. VI/1, S. 233,234; Kegel, IPR, S. 301 f.

Ferid,

IPR, §3-175.

22 9

Kegel, IPR, S. 305 f.; Ferid, IPR, § 3-175. Vgl. zu den wenigen Fällen, in denen eine Gesetzesumgehung diskutiert wurde, MünchKomm-Sonnenberger, Bd. 7, Einl. Rn. 584-589. 2 3 0 Vgl. etwa Graveson, 78 L.Quart.Rev. (1962), S. 337,357-359; Dicey and Morris, Vol. 1, S. 467-471. 231 Zur Theorie "fraus omnia corrumpit" vgl. Vidal, droitfrançais, S. 272 f.,381-453.

Essai d'une théorie générale de la fraude en

167

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

eines Instrumentariums, das der gezielten Manipulierung des Anknüpfungspunktes einen Riegel vorschiebt. B. Auflockerung der lex rei sitae

Durch die ausnahmslose Maßgeblichkeit der lex rei sitae bei eigentumsrechtlichen Ansprüchen kann anderen Bezügen des Sachverhalts in kollisionsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich keine Beachtung geschenkt werden. Hieran ändert sich nach geltender Rechtslage auch dann nichts, wenn zwar die Belegenheit des jeweiligen Gegenstandes für die Anwendung des dort geltenden Rechts spricht, eine Vielzahl anderer denkbarer Anknüpfungspunkte 232 jedoch übereinstimmend auf eine andere Rechtsordnung verweisen. In neuerer Zeit mehren sich Stimmen, die von der ausschließlichen kollisionsrechtlichen Berücksichtigung des Lageorts abweichend auch anderen Bezügen des Sachverhalts Rechnung tragen wollen 2 3 3 . In diesem Zusammenhang wird zunehmend eine Auflockerung der lex rei sitae diskutiert 2 3 4 . /. Vorschläge für eine grundsätzliche Modifizierung

der lex rei sitae

1. Kritik an starren Anknüpfungsregeln im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht Insbesondere in England und in den Vereinigten Staaten lassen sich Tendenzen einer Abkehr von der lex rei sitae als "mechanischer" Anknüpfungsregel erkennen 235 . Die kollisionsrechtliche Entscheidung könne nicht abstrakt für jeden Fall gleich vorgenommen werden, sondern müsse vielmehr den Besonderheiten jedes einzelnen Falls Rechnung tragen. Hierbei seien neben den

2 3 2 Als solche kämen beispielsweise der Parteiwille, der Herkunftsort des betreffenden Gegenstandes, das die Veräußerung bestimmende Recht oder - generell gesprochen - die engste Verbindung in Betracht. 233

Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 66; Kreuzer, Gutachtliche Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Internationalen Privatrechts, in: Henrich. Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts, S. 37,54 f.; Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100,109; Jefferson , L.Quart.Rev. 96 (1980), S. 508,511 ; Reichelt, IPRax 1986, S. 13,14',Mansel, IPRax 1988, S. 268,271. 2 3 4 Einen Überblick über die unterschiedlichen Lösungsansätze gibt MünchKomm-Afrewzer, Bd. 7. Nach Art. 38 EGBGB, Anh. I, Rn. 64-67. 235

Vgl. hierzu die Ausführungen bei Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 64.

168

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

jeweiligen Partei- und Gemeininteressen vor allem auch die jeweiligen Rechtsschutzziele, die die zur Anwendung berufenen Sachnormen verfolgen, gegeneinander abzuwägen 236 . In diesem Sinne wird teilweise die Meinung vertreten, die Veräußerung beweglicher Sachen unterläge dem "proper law of the transfer", das im Zweifel allerdings mit dem Lageort identisch sei. Wenn jedoch die Umstände des Falls die Anknüpfung an den Lageort als zufällig oder willkürlich erscheinen lassen, könne dies die Anwendung einer anderen Rechtsordnung legitimie-

2. Vorschläge für eine Auflockerung der lex rei sitae im deutschen Kollisionsrecht Einige Vertreter in der Literatur wenden sich gegen die Maßgeblichkeit des oft zufalligen Lageortsrechts und fordern die Möglichkeit einer Rechtswahl durch die Parteien eines internationalen Verkehrsgeschäftes hinsichtlich des Sachstatuts 238 . Fehlt es an einer solchen Rechtswahl, sei das maßgebliche Recht nach objektiven Sinnzusammenhängen zu ermitteln 2 3 9 . 3. Bewertung Diesen Ansätzen ist insofern zuzustimmen, als die Anknüpfungspunkte im Internationalen Privatrecht keinen Selbstzweck erfüllen, vielmehr stets das Ergebnis einer Abwägung aller Bezüge des Sachverhalts zu verschiedenen Rechtsordnungen sein sollen 2 4 0 . Wenn das Kollisionsrecht grundsätzlich bemüht ist, diejenige Rechtsordnung zur Anwendung zu berufen, die mit dem Sachverhalt die engste Beziehung aufweist, so müssen auch die im Kollisionsrecht angegebenen festen Anknüpfungspunkte stets diese Voraussetzung

236

Vgl. Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 65.

23 7

Aiorris, Brit.Y.B.Int.L. 22 (1945), S. 222-248.

23 8

Drobnig, RabelsZ 32 (1968), S. 450,460 ff; Flessner, RabelsZ 34 (1970), S. 547,569-572; Stoll, RabelsZ 38 (1974), S. 450,452-457; Stoll, IPRax 1987, S. 357,359; Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100,109; v. Venrooy, JuS 1980, S. 363,365 f.; Weber, RabelsZ 44 (1988), S. 510,522-524 (nur für Erwerb und Verlust, nicht für Inhalt und Wirkung). 23 9

Siehr, ZVglRWiss 83 (1984), S. 100,109; Staudinger-Sfo//, Internationales Sachenrecht,

Rn. 67. 2 4 0

Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 66.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

169

erfüllen. Dieser Gedanke würde den Schluß rechtfertigen, in den Fällen, in denen die starren Anknüpfungspunkte die geforderte enge Beziehung zum Sachverhalt nicht aufweisen, das maßgebliche Recht in anderer Weise zu ermitteln und der grundsätzlich ausgesprochenen Verweisung nicht zu folgen. Damit würde jedoch dem gesetzgeberischen Ziel bei der Wahl eines Anknüpfungspunktes keine Beachtung geschenkt werden. Durch die Angabe eines festen Anknüpfungspunktes kann das IPR zum einen eine Hilfe bei der Auswahl verschiedener enger Beziehungen bezwecken, es kann jedoch auch die Durchsetzung anderer wichtiger Ordnungsinteressen 241 verfolgen. Daß derartig andere Interessen als die Wahl nach der engsten Beziehung des Sachverhalts zu einer Rechtsordnung im IPR durchaus möglich sind und auch praktiziert werden, zeigt insbesondere das Vorhandensein von Exklusivnorm e n 2 4 2 im deutschen Kollisionsrecht 243 . Speziell für den Fall des internationalen Sachenrechts haben sich die unterschiedlichen Rechtsordnungen unabhängig voneinander für die Wahl des Veräußerungsortes entschieden. Diese Entscheidung findet ihre Rechtfertigung zum einen in den Beziehungen sachenrechtlicher Vorgänge zu bestehenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen 244 . Da insbesondere das Eigentum stets den an seinem Lageort geltenden staatlichen Vorschriften unterworfen ist, muß das IPR den dort geltenden Regelungen Beachtung schenken. Zum anderen spricht für die Geltung der Situs-Regel das Sicherheitsbedürfnis im internationalen Verkehr 2 4 5 sowie das Interesse an einer klaren Vorhersehbarkeit des Sachstatuts 246 : Die Sachherrschaft einer Person über Gegenstände wirkt grundsätzlich gegenüber einer Vielzahl, größtenteils noch unbekannter Personen. Dabei muß sowohl für diese Person, aber auch für Dritte hinreichend geklärt sein, in welcher Weise auf den Gegenstand eingewirkt werden, wonach das Eigentum hieran verlorengehen und in welcher Weise

241 So entspricht es dem Verkehrsinteresse, sachenrechtliche Vorgänge dem Recht des Lageorts zu unterwerfen, vgl. Kegel, IPR, S. 85. 242

Vgl. hierzu v. Bar, IPR, Bd.l, Rn. 17; Kropholler,

IPR, § 36 VIII.

243

So soll z.B. durch Art. 13 Abs. 2 EGBGB die Eheschließungsfreiheit gesichert, durch Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB die obligatorische Zivilehe und durch Art. 17 Abs. 2 EGBGB die Ehescheidung nur durch Urteil durchgesetzt werden; vgl. Kropholler, IPR, § 36 VIII. 244

Ferid,

IPR, § 7-5.

245

MünchKomm-Arewzer, Bd. 7, Nach Art. 38 EGBGB, Anh. I, Rn. 14; Kropholler,

24 6

Vischer, Internationales Vertragsrecht, S. 177.

IPR, § 54 I.

170

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

über den Gegenstand verfügt werden k a n n 2 4 7 . Diese Sicherheit für jedermann kann nur durch die ausnahmslose Maßgeblichkeit des Belegenheitsortes als feststehendem Anknüpfungspunkt vermittelt werden 2 4 8 . Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, daß die Geltung der lex rei sitae im internationalen Sachenrecht aus den angegebenen Gründen gerechtfertigt ist. Die vorgeschlagenen Auflockerungen würden den Interessen der Verkehrssicherheit zuwiderlaufen und beinhalten darüber hinaus mangels fest umschriebener Voraussetzungen eine Gefahr für die Rechtssicherheit. Von einer generellen Auflockerung der lex rei sitae sollte deshalb abgesehen werden. II. Bestrebungen, eine Auflockerung der lex rei sitae speziell für den Bereich des Kulturgüterschutzes durchzusetzen Teilweise wird vorgeschlagen, die Situs-Regel speziell für den Handel mit Kunst- und Kulturgütern zu modifizieren 249 . Bei gestohlenen oder abhandengekommenen Kunstgegenständen sei eine von den grundsätzlichen Anknüpfungsregeln abweichende Behandlung vorzunehmen 250 . Auf der einen Seite wird empfohlen, auch in diesem Fall zunächst von der Maßgeblichkeit des Belegenheitsrechts auszugehen, eine Ausnahme hiervon jedoch in den Fällen zuzulassen, in denen die Veräußerung zufällig oder in bewußter Gesetzesumgehung in einem Land erfolgte, mit dem der Sachverhalt ansonsten keinerlei Beziehungen aufweist 251 . Von der lex rei sitae soll hiernach dann abgewichen werden, wenn alle Anknüpfungskriterien mit Ausnahme des Belegenheitsortes zu einer anderen Rechtsordnung verweisen, die engste Beziehung des Sachverhalts mithin eindeutig zu dieser anderen Rechtsordnung besteht 252 .

2 4 7

Staudinger-Sfo//, Internationales Sachenrecht, Rn. 59.

248

Staudinger-Sto//, Internationales Sachenrecht, Rn. 58,59; Fend, IPR, § 7-5; Kegel, IPR, S. 484.

24 9

Reichelt, Revue de Droit Uniforme 1985 I S. 43,91; dies., Internationaler Kulturgüterschutz, S. 24 f.; dies., IPRax 1986, S. 73,74; Jayme, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, S. 717,723 ff; Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels, S. 193,215; Jefferson, L.Quart.Rev. 96 (1980), S. 508,51 \\Mansel, IPRax 1988, S. 271. 25 0

Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels, S. 508-511 ;Mansel, IPRax 1988, S. 268,271. 251 25 2

S. 193,215; Jefferson,

L.Quart.Rev., 96 (1980),

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 24 f.

Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 24,25 spricht in diesem Zusammenhang von einer Beispielsfunktion des internationalen Kulturgüterschutzes für die in der Literatur oft geforderten "règles de rattachement à caractère substantiel".

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

171

Auf der anderen Seite wird für den Handel mit abhandengekommenen Kunstgegenständen eine Änderung des Anknüpfungszeitpunktes vorgeschlagen: Maßgeblich soll die Rechtsordnung sein, auf deren Gebiet sich der betreffende Gegenstand zum Zeitpunkt des Abhandenkommens befunden h a t 2 5 3 . Einen weiteren Vorschlag zur Veränderung der kollisionsrechtlichen Behandlung der Eigentumsübertragung bei Kunstgegenständen enthält eine Empfehlung des Institut de Droit International, die für eine Anwendung der Rechtsordnung des Ursprungsortes plädiert 2 5 4 . Der zuerst genannte Vorschlag ermöglicht ein detailliertes Eingehen auf alle Umstände, mit denen der betreffende sachenrechtliche Vorgang eine Verbindung aufweist. Durch die Würdigung aller möglichen Anknüpfungskriterien kann der Gefahr einer rein formalen Anknüpfung vorgebeugt werden und die tatsächlich engste Beziehung des Sachverhalts zu einer Rechtsordnung ermittelt und berücksichtigt werden. Die vorgeschlagene Vorgehensweise begegnet jedoch manchen Schwierigkeiten. Zunächst dürfte es in der Vielzahl der Fälle überaus schwierig sein, zwischen den einzelnen Bezügen des Sachverhalts zu unterschiedlichen Rechtsordnungen eine Auswahl hinsichtlich des bedeutsamsten Anknüpfungspunktes zu treffen. Wie sollte man beispielsweise einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit der an der Eigentumsübertragung beteiligten Personen eine Priorität vor dem Belegenheitsort des Gegenstandes zum Zeitpunkt des Transfers einräumen? Wenn vorgeschlagen wird, eine Modifizierung der lex rei sitae auf die Fälle zu beschränken, in denen mit Ausnahme des Lageorts alle übrigen Anknüpfungspunkte übereinstimmend auf eine andere Rechtsordnung verweisen, ist die praktische Relevanz dieses Vorschlags für den internationalen Handel mit Kulturgütern in Zweifel zu ziehen. Häufig sind hierbei zum einen Parteien unterschiedlicher Staatsangehörigkeit betroffen, zum anderen werden etwa die Nationalität des Künstlers oder auch das Ursprungsland des Gegenstandes oftmals auf unterschiedliche Rechtsordnungen verweisen. Somit kann die vorgeschlagene Modifizierung der Situs-Regel keinen wirksamen Schutz für die Vielzahl der Fälle illegalen Kunsthandels bieten.

25 3 25 4

Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels,

S. 193,215; Mansel, IPRax 1988, S. 268,271.

La vente internationale d'objets d'art sous l'angle de la protection du patrimoine culturel , abgedruckt in RabelsZ 56 (1992), S. 566-571. "Art. 2: Le transfert de la propriété des objets d'art appartenant au patrimoine culturel du pays d'origine du bien est soumis à la loi de ce pays."

172

3. Teil: Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes

Im übrigen könnte mit einer einzelfallspezifischen internationalprivatrechtlichen Entscheidung unter Berücksichtigung und Abwägung aller denkbaren Anknüpfungskriterien der notwendigen Sicherheit und Vorhersehbarkeit der kollisionsrechtlichen Entscheidung im internationalen Sachenrecht nicht mehr entsprochen werden 2 5 5 . Aus diesen Gründen vermag der vorgeschlagenen Abweichung von der Situs-Regel, sofern alle übrigen Anknüpfungskriterien auf eine andere Rechtsordnung verweisen, nicht zugestimmt werden. Möglicherweise ließe sich jedoch dem zweitgenannten Vorschlag beipflichten, der unter Modifizierung des Anknüpfungszeitpunktes das Recht des Ortes zur Anwendung berufen will, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Diebstahls bzw. des Abhandenkommens befunden hat. Hiermit würde zweifelsfrei den Interessen des Alteigentümers entsprochen, der sich bei einem Abhandenkommen seines Kunstgegenstandes schnellstens über das zur Anwendung berufene Recht und über die Einwirkungsmöglichkeiten auf sein Eigentum Kenntnis verschaffen kann. Für den gutgläubigen Erwerber hingegen, dem weder der Diebstahl, noch der Ort des Delikts bekannt sein dürfte, birgt diese Regelung einen erheblichen Unsicherheitsfaktor. Mangels seiner Kenntnis von der den Erwerbsvorgang beherrschenden Rechtsordnung kann der Dritte weder sicher wissen, ob er wirksam Eigentum erlangt hat, noch ob und in welcher Zeitspanne er mit etwaigen späteren Ansprüchen eines früheren Eigentümers zu rechnen hat. Da der Ort des Abhandenkommens im Regelfall nur wenigen Personen bekannt sein wird, bleiben sowohl der Erwerber als auch die Öffentlichkeit im Unklaren über die sachenrechtliche Zuordnung des Gegenstandes. Angesichts der Wirkung dinglicher Sachverhalte gegenüber jedermann kann diese Unsicherheit eine schwerwiegende Gefährdung des Rechtsverkehrs bedeuten. Darüber hinaus gibt der hier untersuchte Vorschlag keine Angaben darüber, ob das nach dem Ort des Diebstahls bestimmte Recht nur für den ersten Transfer des Gegenstandes oder auch für alle später vollzogenen Übertragungen gelten soll. Um einen Schutz vor späteren Manipulationen des Anknüpfungspunktes bieten zu können, müßte das festgestellte Recht des Diebstahlsortes wohl für alle weiteren Veräußerungen gelten. Die soeben dargestellten Bedenken hinsichtlich der Verunsicherung der Erwerber und der Öffentlichkeit würden dann erst recht bei späteren Transfers gelten, bei denen die Verbindungen zum Alteigentümer und dem Diebstahlsort immer schwächer werden

255

Vgl. die Ausführungen oben S. 168-170.

2. Abschnitt: Internationales Sachenrecht

173

und schwerer nachvollziehbar sind. So ist auch dieser Vorschlag mit den Interessen der Verkehrssicherheit nicht in Einklang zu bringen. Die angeführten Bedenken bestehen gleichermaßen gegenüber dem zuletzt genannten Vorschlag, der das Recht des Ursprungsortes von Kunstgegenständen zur Anwendung berufen w i l l 2 5 6 . Dem gutgläubigen Erwerber dürfte im Zweifel die genaue Herkunft des von ihm erworbenen Gegenstandes unbekannt sein, so daß er nie sicher sein kann, ob ihm das Eigentum hieran tatsächlich zusteht oder er mit späteren Ansprüchen seitens des Alteigentümers zu rechnen hat. Der für das Sachenrecht geforderten Rechtssicherheit könnte mit diesem Vorschlag ebensowenig entsprochen werden, wie dies für den zuvor geschilderten Lösungsweg gilt. Die angeführten Überlegungen haben gezeigt, daß auch für den Bereich des Kulturgüterschutzes von der lex rei sitae als festem Anknüpfungspunkt nicht abgewichen werden kann. Verdeutlicht man sich das zunehmende Streben nach Rechtsvereinheitlichung auch auf dem kollisionsrechtlichen Sektor, wäre eine Änderung der Anknüpfung sachenrechtlicher Vorgänge auch nicht empfehlenswert, da dies einer der wenigen Bereiche ist, in denen die Staaten nahezu weltweit eine übereinstimmende Regelung getroffen haben und auch praktizieren. Ob sich eine hiervon abweichende Regelung in naher Zukunft einheitlich durchsetzen ließe, erscheint sehr fragwürdig, bedenkt man die Unsicherheiten, die den beiden hier vorgestellten Lösungsvorschlägen noch anhaften. Im Interesse eines weitgehenden äußeren Entscheidungseinklangs sollte das Prinzip der lex rei sitae auch weiterhin beibehalten werden 2 5 7 . Somit empfiehlt es sich, von einer Auflockerung der lex rei sitae auch im Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes abzusehen und die einheitlich bestehende Regelung im internationalen Sachenrecht weiter beizubehalten. Ein internationales Übereinkommen zum Kulturgüterschutz sollte die grundsätzliche Maßgeblichkeit der lex rei sitae auch für den Bereich eigentumsrechtlicher Ansprüche an gestohlenen Kulturgütern bekräftigen und von einer derzeit noch unsicheren Modifizierung der Anknüpfungsregel Abstand nehmen.

256

Vgl. obenS. 171, Fn. 254.

2 5 7

MünchKomm-Kreuzer, Bd. 7, Nach Art. 38 EGBGB, Anh. I, Rn. 67.

Vierter

Teil

Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene Die bisherigen Erörterungen haben sich mit den derzeit geltenden nationalen Bestimmungen zum Kulturgüterschutz und den Möglichkeiten und Perspektiven für ein staatenübergreifendes Schutzinstrumentarium auf internationaler Ebene befaßt. Die Europäischen Gemeinschaften haben die Notwendigkeit eines einheitlichen Kulturgüterschutzes erkannt und Vorschläge fur ein darauf bezogenes gemeinschaftsinternes Regelungswerk erarbeitet. Im folgenden werden nun zunächst die Entwicklung und die Inhalte der Entwürfe dargestellt. Anschließend sollen die vorgeschlagenen Bestimmungen unter Berücksichtigung der in den vorangegangenen Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse auf ihre Effektivität für einen regionalen Kulturgüterschutz hin untersucht werden. § 1 Bisherige Rechtslage Kulturgüterschutz wird bislang in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft mittels nationaler Vorschriften von jedem Staat selbständig betrieben 1. Dabei variieren die Schutzvorschriften sowohl hinsichtlich der Definition der geschützten Objekte, als auch bezüglich der den Handel mit Kulturgütern regelnden Normen 2 . Restriktionen für die Ausfuhr von Kulturgütern werden als öffentlich-rechtliche Regelungen von anderen Staaten grundsätzlich nicht angewandt, sind also in ihrer Wirkung auf das eigene Territorium und die eigene Rechtsordnung beschränkt 3. Auf der anderen Seite beziehen sich die nationalen Ausfuhrregelungen stets nur auf inländisches

1

Müller, Kunst und Antiquitäten, 3/1993, S. 12.

2

Vgl. oben S. 46-48, 73-80.

3

Kegel/Seidl-Hohenveldern, in: FS für Fend, S. 233,234; vgl. zur Wirkung öffentlich-rechtlicher Normen in anderen Staaten oben S. 81.

176

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

Kulturgut, wohingegen Gegenstände anderer Staaten keinen Exportbeschränkungen unterzogen werden 4. Nach dem geltenden Recht der Europäischen Gemeinschaften werden Kulturgüter als Waren behandelt5, unterliegen damit also den allgemeinen Vorschriften des E WG-Vertrags über die Warenverkehrsfreiheit 6. Hiernach ist es den Mitgliedsstaaten grundsätzlich nicht gestattet, mengenmäßige Ein- 7 oder Ausfuhrverbote 8 gegenüber den anderen Vertragspartnern durchzusetzen. Für Kulturgüter greift jedoch die in Art. 36 EWG-Vertrag normierte Ausnahmebestimmung ein. Diese berechtigt die Mitgliedstaaten, Ein- und Ausfuhrverbote oder -beschränkungen, die aus Gründen des Schutzes des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert gerechtfertigt sind, zu erlassen. Allerdings dürfen diese Maßnahmen "weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten darstellen" 9.

4 Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Januar 1992, KOM (91) 447 - SYN 382, S. 6 (ABl. EG Nr. C 53 vom 28. Februar 1992); Fechner, DÖV 1992, S. 609. 5

Europäische Gemeinschaften, Verstärkung der Gemeinschaftsaktion im Bereich Kultur, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Vorlage vom 12. Oktober 1982; abgedruckt bei Ress, Europäischer Binnenmarkt und Kulturpolitik, Bd. 1, S. 335-348, Einleitung, Anm. 2; Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, S. 81,86; Fechner, DÖV 1992, S. 609,611; Leerem er, La libre circulation des oeuvres d'art dans la communauté européenne, in: Briat, International Sales of Works of Art, S. 89; Niedobitek , Kultur und Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 134,135. 6 So entschied der Gerichtshofs in seinem Urteil vom 10. Dezember 1968, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Italienische Republik (Entscheidungssammlung des EuGH, Bd. XIV [1968], S. 634, 642), daß "unter Waren...Erzeugnisse zu verstehen (sind), die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. Die durch das italienische Gesetz erfaßten Güter (Güter künstlerischen, historischen, archäologischen oder volkskundlichen Charakters) teilen nun aber, durch welche sonstigen Eigenschaften sie sich auch von anderen Handelsgütern unterscheiden mögen, mit diesen letzteren das Merkmal, daß sie einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können." 7

Art. 30 EWG-Vertrag.

8

Art. 34 EWG-Vertrag.

9

Art. 36 S. 2 EWG-Vertrag.

§ 2 Die Einführung des Binnenmarktes

177

§ 2 Die Einführung des Binnenmarktes Die im Februar 1986 unterzeichnete 10 , im Juli 1986 in Kraft getretene 11 Einheitliche Europäische Akte (EEA) hat eine Reform der Gemeinschaften bewirkt. Eingefugt wurde hierdurch u.a. ein Art. 8a, nach dem bis zum 31. Dezember 1992 der Binnenmarkt 12 als Raum ohne Binnengrenzen zu verwirklichen ist 1 3 . Theoretisch entfallen damit ab dem 1. Januar 1993 sämtliche Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft 14 . Für den Kulturgüterschutz hat dies einerseits zur Konsequenz, daß es den Staaten nicht mehr möglich ist, die Einhaltung ihrer nationalen Kulturgutschutzbestimmungen an den innergemeinschaftlichen Grenzen zu überwachen 15 . Um der dadurch geschaffenen Gefahr eines illegalen Handels mit Kulturgütern unter Mißachtung der bestehenden Handelsrestriktionen wirksam begegnen zu können, muß ein Ausgleich für den Wegfall der gemeinschaftsinternen Grenzkontrollen geschaffen werden 16 . Erforderlich wäre hierzu eine Regelung, nach der öffentlich-rechtliche Kulturgutschutzvorschriften eines Mitgliedsstaates in allen anderen Mitgliedsstaaten Beachtung finden und illegal ausgeführte Kunstschätze an ihren Ursprungsort innerhalb der Gemeinschaft zurückgeführt werden. Andererseits muß die Einhaltung von öffentlich-rechtlichen Handelsbeschränkungen an den Außengrenzen der Gemeinschaft gewährleistet sein 1 7 . Um das Kulturgut aller Mitgliedsstaaten vor illegalem Abtransport in Drittstaaten zu schützen, müßten an den Außengrenzen die Schutzregelungen aller

10

BGBl. 1986 II S. 1102; ABl. EG L 169 v. 29. Juni 1987, S. 29.

11

BGBl. 1987 II S. 451; ABl. EG L 169 v. 29. Juni 1987, S. 29.

12 Zur genauen Begriffsbestimmung des Binnenmarktes und zur Diskussion um die Abgrenzung des Binnenmarkts zum Gemeinsamen Markt (Art. 2 EWG-Vertrag) vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 7,8. 13

Konkretisiert werden die Vorstellungen hinsichtlich der Errichtung des Binnenmarktes insbes. durch die Ausführungen der Kommission: vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Vollendung des Binnenmarktes - Weißbuch der Kommission an den Rat. 14

Bleckmann, Europarecht, Rn. 8.

15

Taschner, Kulturgüterschutz aus der Sicht des EG-Rechts, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 97; Fechner, DÖV 1992, S. 609,612; Müller, Kunst und Antiquitäten, 3/1993, S. 12. 16

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 2.

17

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 6.

12 Schmeinck

178

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

Mitgliedsstaaten angewendet und daraufhin befragt werden, ob der jeweilige Herkunftsstaat die Ausfuhr der betreffenden Gegenstände zuläßt 18 . Bezüglich der erstgenannten Konsequenz besteht bislang innerhalb der EGMitgliedstaaten noch keine Regelung, nach der entgegen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen ausgeführte Kulturgüter wieder an den Ursprungsstaat herauszugeben sind 1 9 . Somit könnte dem illegalen Handel mit Kulturgütern innerhalb der Gemeinschaft mit der Einführung des Binnenmarktes nach jetziger Rechtslage nicht wirksam begegnet werden. Um die illegale Ausfuhr von Kulturgut in Drittstaaten zu verhindern, müssen die Grenzkontrollen an den Außengrenzen der Gemeinschaft wirksam ausgestaltet werden, d.h. es müssen nicht nur die Schutzregelungen der an diesen Außengrenzen liegenden Staaten, sondern auch die diesbezüglichen Vorschriften aller anderen Mitgliedsstaaten berücksichtigt werden. In der derzeitigen Situation hieße dies, daß die verschiedenen Gesetze aller Mitgliedsstaaten nebeneinander angewandt werden müßten. Das mit der Grenzkontrolle beauftragte Personal wäre also verpflichtet, sich mit den gesamten Regelungen zum Kulturgüterschutz aus zwölf unterschiedlichen Rechtsordnungen vertraut zu machen und ihr Eingreifen im Einzelfall zu prüfen. Eine solche Vorgehensweise wäre jedoch in der Praxis mit den derzeit zur Verfügung stehenden personellen Mitteln kaum durchfuhrbar 20 . § 3 Die Maßnahmen der £G-Kommission Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hat zwei Maßnahmen vorgestellt, die einen Ausgleich schaffen sollen für den Wegfall der Überprüfung nationaler Kulturgüterschutzvorschriften an den Binnengrenzen der Gemeinschaft 21 : - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Rückgabe von

18

Taschner, Kulturgüterschutz aus der Sicht des EG-Rechts, in: Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz/Wiener Symposium, S. 97. 19 Chatelain, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 81,82. 20 21

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 6; Fechner, DÖV 1992, S. 609,612.

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, KOM (91) 447 - SYN 382 vom 17. Januar 1992, ABl. EG Nr. C 53 vom 28. Februar 1992, S. 8,11.

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

179

Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden - Vorschlag für eine Verordnung des Rates betreffend die Ausfuhr von Kulturgütern. A. Entstehung und Entwicklung der Vorgabe

Angesichts der durch die Vollendung des Binnenmarktes eintretenden Veränderungen hinsichtlich der Kontrollen an den Binnengrenzen und den damit einhergehenden Problemen für den nationalen Schutz von Kulturgut hat die Kommission in einer Mitteilung an den Rat über den Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Hinblick auf die Beseitigung der Binnengrenzen im Jahre 1992 22 bestimmte Leitlinien vorgeschlagen. Hierin sollten die widerstreitenden Interessen des freien Verkehrs mit Kunstgegenständen einerseits und des Schutzes nationalen Kulturguts andererseits miteinander in Einklang gebracht werden. Zugleich wurde den Mitgliedsstaaten der Entwurf einer Mitteilung über die Bedingungen für den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft für Gegenstände von künstlerischem, geschichtlichem und archäologischem Wert übergeben, zu der sie sich schriftlich äußerten 23 . Nach eingehender Prüfung der Problematik des Kulturgüterschutzes auf dem Binnenmarkt äußerte sich der Ausschuß für Kulturfragen in einem Bericht über den "Schutz nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Werte nach 1992" 24 . In Punkt 10 seines Berichtes nimmt der Ausschuß Stellung hinsichtlich bestehender Alternativen zu einer Gemeinschaftsmaßnahme zum Kulturgüterschutz innerhalb der EG: "In der Mitteilung der Kommission (Nummern 46 bis 48) wird festgestellt, daß eine Gemeinschaftsmaßnahme entbehrlich sein könnte, wenn alle Mitgliedstaaten entweder die UNESCO-Konvention über Kulturgut vom 14.11.1970 oder die Europäische Konvention vom 23.6.1985 über die Verstöße im Zusammenhang mit Kulturgütern (Europarat Nr. 119) ratifizierten. Zwar haben verschiedene Mitgliedstaaten mitgeteilt, daß sie ihren Standpunkt gegenüber diesen

22

KOM (89) 594 endg. vom 22. November 1989; vgl. KOM (91) 447 - SYN 382, S. 2.

23

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 3.

24

Ratsdokument Nr. 9818/90 vom 13. November 1990.

180

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

Konventionen überprüfen würden, doch dürfte eine Ratifizierung durch alle zwölf Staaten in naher Zukunft nicht möglich sein. Außerdem werden mit den Konventionen andere Zwecke verfolgt als mit einer Maßnahme zur Einführung einer Zusammenarbeit im Rechtsbereich zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, sodaß sie im Gemeinschaftskontext unzureichend wären. " Der Rat und die im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen schlugen im Anschluß an diesen Bericht in ihren Schlußfolgerungen am 19. November 1990 eine weitergehende Prüfung und Intensivierung folgender Aspekte vor: Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission, Harmonisierung der Ausfuhrkontrollen für Kulturgüter in Drittländer und zuletzt die Schaffung von Maßnahmen zur Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmäßig aus einem Mitgliedstaat verbracht wurden 25 . In der Folgezeit befaßte sich der Ausschuß für Kulturfragen mit den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit. Die Kommission erörterte gemeinsam mit den Sachverständigen der Mitgliedstaaten die Harmonisierung der Ausfuhrkontrollen und die Probleme der Rückgabe von Kulturgut. Darüber hinaus wurden zu diesem Rechtsbereich drei Seminare abgehalten, die die Harmonisierung der Ausfuhrkontrollen, die Rückgabe von Kulturgut und den freien Verkehr von Kulturgütern in der Gemeinschaft zum Gegenstand hatten 26 . Das Europäische Parlament nahm im Dezember 1990 einen Initiativbericht und eine Entschließung zum Verkehr von Kulturgütern im Hinblick auf den Binnenmarkt a n 2 7 und forderte im Anschluß hieran die Kommission auf, sich mit den Möglichkeiten eines Rückgabeinstrumentariums zu befassen und eine erläuternde Darstellung der Art. 30-36 EWG-Vertrag zu erarbeiten. Als Ergebnis ihrer Untersuchungen und Überprüfungen legte die Kommission dem Rat und dem Europäischen Parlament den oben erwähnten Vorschlag für eine Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmässig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden und den Vorschlag für eine Verordnung des Rates betreffend die Ausfuhr von Kulturgütern vor.

25

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 4.

26

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 4.

27

ABl. EG Nr. C 19 vom 28. Januar 1991, S. 287.

181

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

B. Ziel der Vorgabe

Mit den Vorschlägen für eine Richtlinie und eine Verordnung zum innergemeinschaftlichen Kulturgüterschutz soll der bislang nur auf nationaler Ebene praktizierte Kulturgüterschutz durch einen gemeinsamen Schutz der Mitgliedstaaten ergänzt werden. Die in diesem Bereich bestehenden nationalen Vorschriften sollen in ihrer jetzigen Form weiterbestehen, d.h. jeder Staat kann weiterhin bestimmte Kunstgegenstände als schützenswert einstufen und sein Regelungsinstrumentarium hierauf anwenden 28 . Gleichzeitig sollen jedoch gemeinschaftsinterne Schutzvorschriften die durch die Einführung des Binnenmarktes veränderte Rechtslage der Mitgliedstaaten untereinander und insbesondere auch gegenüber Drittstaaten regeln.

C. Regelungskompetenz der £ G

Mit ihren Regelungsvorschlägen hat sich die Kommission einer kulturpolitischen Problematik angenommen, für die prinzipiell die Mitgliedstaaten kraft ihrer Souveränität zuständig sind 29 . Ob in diesem Bereich der EG eine Regelungskompetenz zukommen kann, ist unsicher und wird kontrovers diskutiert 3 0 . Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (compétence d'attribution )31 besitzt die Europäische Gemeinschaft nur eine ihr in den Gründungsverträgen ausdrücklich eingeräumte und keine allgemeine Rechtssetzungsbefugnis 32. Die Bestimmungen des EWG-Vertrags, insbesondere Art. 3 EWGV, der den Tätigkeitskatalog der Gemeinschaft enthält, erwähnen keine Kompetenzen der EG bezüglich Bildungs- oder Kulturpolitik. Aus diesem Grunde wird eine Rechtssetzungskompetenz der EG im kultu-

28

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 2,5Müller, Kunst und Antiquitätem, Heft 3, 1993, S. 12.

2 9

Oppermann, Europarecht, Rn. 1984.

30

Ausführlich hierzu Niedobitek, Kultur und Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 188 ff. m.w.N.; Ress, Kultur und Europäischer Binnenmarkt, S. 29 ff, 100 ff. 31 Zur unterschiedlichen Verwendung der Begriffe vgl. Grabitz-Grabitz, Vertrag, Art. 189, Rn. 4.

Kommentar zum EWG-

32 Bleckmann, Europarecht, Rn. 108; Oppermann, Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsche Bildungsordnung, S. 35.

182

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

rellen Bereich von einigen Autoren gänzlich verneint 33 , von anderen zumindest in Frage gestellt 34 . Die Kompetenzen der EG gegenüber den Mitgliedstaaten können jedoch nicht in der stringenten Form der Abgrenzung wie etwa die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern im föderalen Staat gesehen werden 35 . Zur Erfüllung des in Art. 2 EWG-Vertrag niedergelegten Aufgabenkatalogs und insbesondere zur Erreichung eines Gemeinsamen Marktes ist es häufig erforderlich, der EG eine zusätzliche Regelungskompetenz zu übertragen, die außerhalb ihres eng ausgelegten Tätigkeitsfeldes anzusiedeln ist 3 6 . So ist zwar die Kulturpolitik als solche nicht der Kompetenz der EG zugewiesen, sobald jedoch gemeinschaftsrechtliche Bereiche wie etwa der Waren-, Personen- oder Güterverkehr tangiert sind, berechtigt dies die Gemeinschaft zum Tätigwerden 37 . Der Wegfall der Binnengrenzen durch den Binnenmarkt stellt die Mitgliedstaaten hinsichtlich des Schutzes ihres nationalen Kulturbesitzes vor die geschilderten, schwerwiegende Probleme 38 . Da dieser Problematik auf einzelstaatlicher Ebene nicht wirksam begegnet werden kann, muß der EG zum Schutz ihrer Mitgliedstaaten die Befugnis zukommen, einen Ausgleich für den Wegfall der Kontrollmöglichkeiten an den Binnengrenzen zu schaffen 39 .

33 Eiselstem, NVwZ 1989, S. 323,328 f.; Lachmann, C.M.L.R. 1981, S. 447,454; Stoiber, EA 1987, S. 543,546. 34

Hochbaum, in : Hochbaum/Eiselstein, Die Freizügigkeitsrechte des Art. 48 EWG-Vertrag und der öffentliche Dienst, S. 8,11 f.; Hochbaum, The Federai Structure of Member States as a Limit to Common Educational Policy: The Case of Germany, in: de Witte, European Community Law of Education, S. 145,151; Oppermann , Europäisches Gemeinschaftsrecht und deutsche Bildungsordnung, S. 35-40. 35

Schneider-de Groot, § 29, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1967.

36

De Witte, The Scope of Community Powers in Education and Culture in the Light of Subsequent Practice, in: Bieber/Ress, Die Dynamik des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 261,262 f. bezeichnet die Befugnisse der Gemeinschaft als "functional powers"; Tomuschat, Rechtliche Aspekte des Gemeinschaftshandelns auf dem Gebiet der Kultur, S. 17,29 spricht von Kompetenzen in funktionellem Zusammenhang im Gegensatz zu denen in sachlich-thematischem Zusammenhang. 37

Schneider-de Groot, § 29, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 2001. Vgl. auch Oppermann, Europarecht, Rn. 1980 f., 1985, der die kulturrelevante Gemeinschaftszuständigkeit nur unter dem Vorbehalt ihrer Handhabung im Bewußtsein der nationalen Verankerung des Kulturbereichs anerkennt. 38

Vgl. obenS. 177,178.

39

Fechner, DÖV 1992, S. 609,614.

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

183

D. Darstellung der geplanten Maßnahmen

Im folgenden soll kurz der Inhalt der geplanten Maßnahmen wiedergegeben werden. /. Vorschlag fur eine Verordnung (EWG) des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern Der dem Rat vorgelegte "Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern" enthält Regelungen zum Warenverkehr mit Drittländern. Gestützt werden soll die Verordnung auf Art. 113 E WG-Vertrag, nach dem die gemeinsame Handelspolitik mit Nicht-EG-Staaten, speziell die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen, nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet werden soll 4 0 . In der Präambel der Verordnung wird die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherstellung der einheitlichen Kontrolle der Ausfuhr von Kulturgütern an den Außengrenzen der Gemeinschaft betont. Hierfür sei eine Regelung erforderlich, die eine Ausfuhrgenehmigung für Kulturgüter vorsieht. Besonders hingewiesen wird darauf, daß die im Anhang zur Verordnung abgedruckte Liste keine Bestimmung des Begriffs "nationales Kulturgut" i.S.d. Art. 36 EWG-Vertrag treffen möchte, vielmehr lediglich eine Festlegung von Kategorien einschlägiger Kulturgüter enthält, die als solche eingestuft werden können und daher unter die harmonisierten Ausfuhrkontrollen und das Rückgabesystem fallen können. Art. 1 definiert das im Sinne dieser Verordnung geltende nationale Kulturgut durch Hinweis auf eine Liste der im Anhang aufgezählten Waren. Hierin werden bestimmte Kategorien von Kulturgütern 41 genannt, die teilweise ein bestimmtes Alter, bzw. einen gewissen monetären Wert (in ECU berechnet) aufweisen müssen. Von den vierzehn aufgezählten Kategorien seien hier beispielhaft archäologische Ausgrabungsgegenstände und Funde (mehr als 100 Jahre alt), Gemälde aus der Zeit zwischen 1600 und 1900 (75.000 ECU), aus der Zeit nach 1900 (150.000 ECU), Originalstiche, -schnitte und -Steindrucke (7.500 ECU), Photographien (7.500 ECU), Handschriften, die älter als 100

40

Fechner,

DÖV 1992, S. 609,612; zur Bedeutung des Art. 113 EWG vgl. ausführlich Pieper

§ 25, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1741-1761. 41

Zur Methode der Kategorisierung vgl. oben S. 51.

184

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

Jahre sind, Bücher, mehr als 200 Jahre alt und Briefmarkensammlungen (25.000 ECU) genannt. Titel 1 der Verordnung (Art. 2 bis 4)befaßt sich mit der Ausfuhrgenehmigung. Art. 2 legt die Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung für einen Export von Kulturgütern und die Wirkung dieser Genehmigung in der gesamten Gemeinschaft fest. Die Absätze 3-5 regeln die für die Erteilung der Genehmigung zuständigen Stellen, die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Übermittlung einer Liste der zuständigen Stellen an die Kommission sowie die Veröffentlichung dieser Liste im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Art. 3 bestimmt die Vorlagepflicht der Ausfuhrgenehmigung gegenüber den Zollbehörden, Art. 4 sieht eine Möglichkeit der Beschränkung der zuständigen Zollstellen vor. Titel 2 befaßt sich mit der Zusammenarbeit der Verwaltungen und bestimmt in Art. 5 die Anwendung der Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1468/81 über die gegenseitige Unterstützung der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit dieser Behörden mit der Kommission. In Titel 3 (Art. 6 bis 10) schließlich sind Gemeinsame und Schlußvorschriften niedergelegt, die sich mit der Errichtung eines Beratenden Ausschusses, mit Sanktionen im Fall von Verstößen gegen die Verordnung und mit dem Inkrafttreten der Verordnung befassen. IL Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden Zusätzlich zum Verordnungsvorschlag hat die Kommission dem Rat einen Vorschlag für eine auf Art. 100 a E WG-Vertrag gestützte 42 "Richtlinie des Rates betreffend die Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaates verbracht wurden" unterbreitet 43 .

4 2

Fechner, DÖV 1992, S. 609,613.

43

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 18-31,43-54.

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

185

In der Präambel wird zunächst festgehalten, daß es den Mitgliedstaaten auch nach 1992 grundsätzlich möglich ist, im Rahmen von Art. 36 EWG-Vertrag ihre nationalen Kulturgüter zu bestimmen und Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz dieses nationalen Kulturerbes zu sichern. Innerhalb der Gemeinschaft können die Mitgliedstaaten jedoch aufgrund des Binnenmarktes keine Kontrollen an den Binnengrenzen mehr vornehmen, um die Einhaltung ihrer Schutzvorschriften zu überprüfen. Es besteht daher die Notwendigkeit der Einführung einer Rückgaberegelung, mittels derer die Mitgliedstaaten die Rückführung ihrer Kulturgüter, die gemäß Art. 36 EWG-Vertrag als nationales Kulturgut gelten und die entgegen nationaler Schutzbestimmungen aus dem Staatsgebiet verbracht wurden, verlangen können. Die Rückführungspflicht soll sich nicht auf das gesamte nationale Kulturgut der Mitgliedsstaaten beziehen, sondern beschränkt sein auf solche Gegenstände, die gemeinsamen Kategorien von Kulturgütern angehören, wie sie im Anhang zur Richtlinie aufgeführt sind. Art. 1 enthält Begriffsbestimmungen und definiert hierin u.a. Kulturgut als einen Gegenstand, der nach der nationalen Gesetzgebung i.S.v. Art. 36 EWGVertrag zum "nationalen Kulturgut" gehört und der in eine der im Anhang dieser Richtlinie genannten Kategorien fallt 4 4 . Art. 2 sieht eine Rückgabepflicht der Mitgliedstaaten hinsichtlich unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter vor. Art. 3 befaßt sich mit der Errichtung zuständiger Stellen, die die in der Richtlinie vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen. Art. 4 regelt die Zusammenarbeit der zentralen Stellen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Belegenheitsort von Kulturgütern, ihre unrechtmäßige Verbringung, Erhaltung und ähnliches. Dem ersuchenden Mitgliedstaat wird in Art. 5 die Möglichkeit eingeräumt, gegen den Besitzer beim zuständigen Gericht des ersuchten Staates Klage auf Rückgabe des Kulturguts zu erheben. In dieser Vorschrift werden zudem besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen normiert. Regelungen zur Veijährung des Rückgabeanspruchs enthält Art. 8, der eine fünfjährige Frist von dem Zeitpunkt an, zu dem der ersuchende Staat den Verbleib des Gegenstandes erfahren hat oder nach vernünftigem Ermessen hätte erfahren müssen, festsetzt. Diese flexible Veijährungsregelung wird ergänzt

4 4 Die im Anhang aufgelisteten Kategorien von Gegenständen entsprechen den Kategorien beim Verordnungsvorschlag; KOM (91) 447 - SYN 382, S. 8,14.

186

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

durch eine absolute Frist von 30 Jahren ab dem Zeitpunkt der unrechtmäßigen Verbringung des Gegenstandes aus dem Mitgliedstaat. Art. 10 des Richtlinienvorschlags erlegt dem ersuchenden Staat nach angeordneter Rückgabe die Zahlung einer Entschädigung an den Besitzer auf, sofern dieser beweist, daß er keine Kenntnis von der unrechtmäßigen Verbringung des Gegenstandes hatte, bzw. haben mußte. Nicht berührt werden durch diese Richtlinie die nach nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Schadensersatzansprüche gegen die für die unrechtmäßige Verbringung zuständige Person (Art. 12 und 16) sowie Vorschriften über die eigentumsrechtliche Lage an dem rückgeforderten Gegenstand (Art. 13). Art. 14 legt den zeitlichen Geltungsbereich dieser Richtlinie auf unrechtmäßige Verbringungen aus einem Mitgliedstaat ab dem 1. Januar 1993 fest. Art. 17 beschreibt die Aufgaben der Kommission in diesem Zusammenhang, Art. 18 setzt die Aufgaben der Mitgliedstaaten zum Erlaß der erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften fest. £. Bewertung der geplanten Maßnahmen

Mit ihren Regelungsvorschlägen zum Kulturgüterschutz konzentriert sich die Kommission vornehmlich auf die Rückführung illegal verbrachter nationaler Kulturgüter eines Mitgliedstaates in einen anderen und die Kontrollen hinsichtlich nationaler Kulturgüter an den Außengrenzen der Gemeinschaft. Im folgenden soll nun anhand der in den vorangegangenen Kapiteln erarbeiteten Vorschläge und Kritiken staatlicher Schutzregelungen für Kulturgüter die Effektivität der geplanten EG-Maßnahmen untersucht werden. I. Die Schutzgegenstände der Verordnung und der Richtlinie Vergleicht man Verordnung und Richtlinie miteinander, so fällt zunächst auf, daß der Kreis der geschützten Kulturgüter in ihnen nicht identisch ist. Während unter die Ausfuhrregelung der Verordnung alle Gegenstände fallen, die im Anhang zur Verordnung als Waren aufgeführt sind, bezieht sich die in der Richtlinie vorgeschlagene Rückgabeverpflichtung nur auf solche Stücke, die von einem Mitgliedstaat als nationales Kulturgut i.S.d. Art. 36 EWG-Vertrag eingestuft wurden und die in eine der im Anhang der Richtlinie genannte Kategorie fallen.

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

187

1. Die Verwendung des Begriffs nationales Kulturgut in Art. 1 der Verordnung Gem. Art. 1 der Verordnung gelten als nationale Kulturgüter alle Gegenstände, die in eine der im Anhang aufgezählten Kategorien fallen, unabhängig davon, ob sie nach den nationalen Vorschriften des Herkunftsstaates als solche definiert und geschützt werden. Es besteht mithin eine von den nationalen Vorschriften abweichende Definition. Insofern ist auch die Verwendung des Terminus "nationale Kulturgüter" unpräzise und verwirrend, da dies eindeutig auf nationale, einzelstaatliche Definitionen hinweist. Sinnvollerweise sollte in diesem Zusammenhang von "europäischem Kulturgut" gesprochen werden, da die Definition unabhängig von einzelstaatlichen Vorschriften durch die Kommission als ein Organ der EG europaeinheitlich festgelegt wird 4 5 . Verschiedentlich wird zwar angesichts der verbliebenen Kulturhoheit der Mitgliedsstaaten der gemeinschaftlichen Förderung einer "europäischen Kultur" Skepsis entgegengebracht und hierin eine Gefahr für die Vielfalt nationaler Kulturen gesehen46. Jedoch sollte auch der Begriff "europäische Kultur" lediglich als ein Oberbegriff verstanden werden, der die Vielzahl nationaler Kulturen nicht leugnet, sondern sie umfaßt und mit einem zusätzlichen Schutz auf Gemeinschaftsebene versieht. Der Terminus "europäische Kultur" bedeutet damit kein Ende nationaler Kulturen, sondern vielmehr eine Förderung der Entwicklung und des Austauschs nationaler Kulturen. In diesem Sinne spricht auch Art. 128 des Vertrages über die Europäische Union von der Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes bei grundsätzlicher Wahrung der nationalen und regionalen Vielfalt der Kulturen der Mitgliedstaaten. Nationales und europäisches Kulturgut sollten demnach nicht als unvereinbare Gegensätze gelten, sondern nebeneinander Bestand haben und sich gegenseitig ergänzen. Da die Verordnung bereits festgelegte europaeinheitliche Warengruppen zur Definition des geschützten Kulturguts vorsieht, die die Mitgliedstaaten im Falle ihres Wirksamwerdens auch binden, würde die kulturelle Länderhoheit durch die Einführung des Begriffs "europäische Kultur" in den Verordnungsvorschlag auch nicht darüber hinausgehend eingeschränkt werden.

45 4 6

Fechner, DÖV 1992, S. 609,614.

Eiselstein, NVwZ 1989, S. 323,328 f.; Hochbaum, BayVBl.1987, S. 481 ff.; Stoiber, EA 1987, S. 543 ff.

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4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

2. Die Kumulation von nationalem Kulturgut i.S.d. Art. 36 EWGV und europaeinheitlich festgelegten Warengruppen in der Richtlinie Einer Rückführungspflicht sollen nach den Vorschriften des Richtlinienvorschlags nur Gegenstände unterfallen, die sowohl als nationales Kulturgut eines Mitgliedstaates i.S.v. Art. 36 EWGV anzusehen sind, als auch in eine der im Anhang aufgeführten Warengruppen fallen. Diese vom Verordnungsvorschlag abweichende Definition findet seine Rechtfertigung darin, daß die Rückführung dann keinen Sinn macht, wenn der ersuchende Staat nach seinen autonomen Vorschriften keine Ausfuhrbeschränkung vorsieht und einen Export dieser Gegenstände als unbedenklich oder sogar als dem internationalen Handel forderlich sieht 47 . Problematisch kann sich das Erfordernis der Einstufung als nationales Kulturgut dann auswirken, wenn der betreffende Gegenstand nach den nationalen Vorschriften mehrerer Mitgliedstaaten als jeweiliges Kulturgut g i l t 4 8 . Denkbar ist eine solche Überschneidung etwa in Fällen, in denen ein Künstler in einem anderen als seinem Herkunftsland ein Werk erstellt hat, wenn er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat und an unterschiedlichen Orten tätig geworden ist, oder auch dann, wenn sich ein Gegenstand über einen langen Zeitraum hinweg in einem anderen als seinem Herkunftsland befunden hat. Art. 7 der Richtlinie räumt in einem derartigen Konfliktfall dem ersuchenden Mitgliedstaat vor anderen Staaten den Vorrang ein. Wenn letztere ebenfalls einen Anspruch auf Rückgabe des Gegenstandes für sich behaupten, können sie sich zwar am laufenden Verfahren beteiligen, eine Rückgabe desselben Gegenstandes kann jedoch nur durch eigene Klageerhebung in einem gesonderten Prozeß erreicht werden. Angesichts der vorrangigen Stellung des nunmehr ersuchenden Staates in dem neuen Verfahren (Art. 7) müßte der Gegenstand dann womöglich an diesen Anspruchsteller herausgegeben werden. Eine unendliche Folge gegenseitig angestrengter Klagen wäre eine durchaus vorstellbare Konsequenz dieser Regelung. Für derartige Fälle fehlt es dem Richtlinienvorschlag an einer endgültigen Streitentscheidung. Der insoweit lücken-

4 7 Man denke in diesem Zusammenhang etwa an die Werke noch lebender Künstler, die in vielen Staaten keinen Ausfuhrverboten unterliegen. So wird auch von der EG die Hoffnung geäußert, daß die Freizügigkeit von Künstlern und deren Werke den kulturellen Aufschwung in der Gemeinschaft fordern wird, ABl. EG Nr. C 42 vom 15. Februar 1988, S. 59,60. 48 Zu den Schwierigkeiten der Zuordnung von Kunstwerken zu einer Nation vgl. Jayme, Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz, S. 11-34.

189

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

hafte Vorschlag müßte im Interesse eines effektiven Kulturgüterschutzes durch eine zusätzliche Regelung hinsichtlich der endgültigen Zuordnung einzelner Gegenstände zu bestimmten Staaten ergänzt werden. 3. Die Beschränkung beider Maßnahmen auf nationale und europäische Kulturgüter Schutzgegenstände beider Regelungsvorhaben sind ausschließlich nationale Kulturgüter der EG-Mitgliedstaaten. Angesichts des zunehmenden Verständnisses von Kulturgütern als Zeugnisse der gesamten Menschheit 49 und des wachsenden Bedürfnisses der Integrität nationalen Kulturguts 50 erscheinen die Maßnahmen der EG als zu eng. Der Schutz europäischen Kulturguts vor Abwanderung in Drittländer durch Ausfuhrkontrollen an den Außengrenzen der Gemeinschaft sollte durch entsprechende Importverbote hinsichtlich illegal ausgeführter fremder Kulturgüter ergänzt werden 51 . Da es den Mitgliedstaaten durch den Binnenmarkt nicht mehr möglich ist, die Einhaltung eventueller nationaler Importverbote bezüglich fremder Kunstgüter zu kontrollieren, ist hier die Gemeinschaft angesichts ihrer Verantwortung nicht nur den Mitgliedstaaten, sondern auch gegenüber anderen Staaten, gefordert, einem illegalen Handel mit Kulturgütern und einem Ausverkauf fremder Staaten hinsichtlich ihrer Kulturschätze vorzubeugen. In diesem Zusammenhang fehlt es den Maßnahmen einerseits an einem Importverbot für illegal ausgeführte Kunstschätze aus Drittländern, andererseits an einer Rückgabepflicht illegal importierter Güter gegenüber Drittländern. II. Festlegung bestimmter Kategorien geschützter Kulturgüter in dem jeweiligen Anhang von Verordnung und Richtlinie Mit der Normierung bestimmter Kategorien geschützter Kulturgüter hat sich die Kommission hinsichtlich der Definition geschützter Kulturgüter der Methode der Kategorisierung bedient, wie sie in zahlreichen nationalen

4 9 Vgl. hierzu Rudolf in: FS für Doehring, S. 853, 861 ff.,870; Fiedler, S. 199 ff ; ders., Politik und Kultur 5/1987, S. 19,26 ff.

in: FS filr Doehring,

50 Vgl. das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 2. Februar 1977, BGBl. 1977 II S. 215 ff, das die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit bei der Bewahrung herausragender Kulturgüter auffordert. 51

Vgl. hierzu Fechner, DÖV 1992, S. 609,618.

190

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

Rechtsordnungen und in bestimmten internationalen Abkommen verwandt wird 5 2 . Um eine wirksame Anwendung der Bestimmungen zu gewährleisten, wurde die Zollnomenklatur (kombinierte Nomenklatur) zugrundegelegt, die der Bezeichnung der Gegenstände entspricht, wie sie von den fur die Kontrollen an den Außengrenzen der Gemeinschaft zuständigen Zollverwaltungen verwendet wird 5 3 . Die Festlegung bestimmter Wertgruppen, wie sie für zahlreiche Gegenstände vorgesehen ist, kann im Widerspruch zu nationalen Definitionen stehen und Gegenstände ausschließen, die bestimmte Mitgliedstaaten für durchaus schützenswert halten. Da jedoch eine wirksame Ausfuhrkontrolle an den Außengrenzen hinsichtlich kultureller Güter aller Mitgliedstaaten erforderlich ist und eine Anerkennung der einzelstaatlichen Definitionen zum jetzigen Zeitpunkt nicht durchsetzbar ist, soll der Schutzmechanismus sich vorerst auf einen europaweit einheitlich festgelegten "harten Kern" nationaler Kulturgüter beschränken 54. Angesichts dieses übergangsweisen Charakters kann die Festlegung von Wertgruppen akzeptiert werden. III. Inkrafttreten

der Maßnahmen

Sowohl die Verordnung als auch die Richtlinie sollen ab dem 1. Januar 1993 in Kraft treten. Im Gegensatz zur Richtlinie ist die Verordnung in der Zwischenzeit bereits verabschiedet worden 55 . Da jedoch ihr Inkrafttreten an das der Richtlinie geknüpft ist, kann mit einer Wirksamkeit beider Rechtsinstrumente erst gegen Ende des Jahres 1993 gerechnet werden. Anders als bei der Verordnung bedürfen die Regeln der Richtlinie weiterhin einer Umsetzung in die innerstaatlichen Rechtsordnungen, wofür den Mitgliedstaaten eine Frist von 12 Monaten eingeräumt wurde 56 .

52

Vgl. oben S. 52.

53

KOM (91) 447 - SYN 382, S. \5\Müller, Kunst und Antiquitäten, 3/1993, S. 12.

54

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 8. Die Kommission behält sich jedoch vor, das Ziel der wechselseitigen Anerkennung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften weiter zu verfolgen. 55 Müller, Kunst und Antiquitäten, 3/1993, S. 12. Sie ist als Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 vom 9.12.1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern am 30.3.1993 in Kraft getreten; vgl. Siehr, NJW 1993, S. 2206,2207. 56

Müller, Kunst und Antiquitäten, 3/1993, S. 12.

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

191

Für das Rückgabesystem des Richtlinienvorschlags bedeutet die zeitliche Beschränkung, daß nur solche Kulturgüter Gegenstand einer Rückgabeklage sein können, die nach dem Inkrafttreten unrechtmäßig aus ihrem Herkunftsstaat verbracht worden sind. Begründet wird diese Einschränkung damit, daß das Rückgabesystem lediglich eine ausgleichende Maßnahme für die Aufhebung der innergemeinschaftlichen Kontrollen nach dem 31. Dezember 1992 darstelle 57 . Den einzelnen Mitgliedstaaten bleibt es jedoch gem. Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie unbenommen, den Anwendungsbereich der Rückgaberegelung auch auf Gegenstände auszuweiten, die vor diesem Fixpunkt ihren Ursprungsort unrechtmäßig verlassen haben. Als freiwillige Erweiterung des zeitlichen Anwendungsbereichs kann daraus jedoch kein Anspruch auf Gegenseitigkeit gegenüber den anderen Mitgliedstaaten geltend gemacht werden 5 8 . Mit der Befristung der Rückgabeverpflichtung in zeitlicher Hinsicht werden also alle diejenigen Kulturgüter nicht erfaßt, die bislang unrechtmäßig ausgeführt wurden. Der Schutzmechanismus beschränkt sich auf zukünftige Fälle und beläßt es hinsichtlich bereits erfolgter unrechtmäßiger Verbringungen bei der jetzigen, unklaren Rechtslage. Angesichts der erhofften Annäherung der Mitgliedstaaten wäre es jedoch außerordentlich wünschenswert, eine rechtlich verbindliche Lösung auch für bisherige Rechtsfalle zu schaffen, um zwischenstaatliche Konflikte innerhalb der Gemeinschaft zu bereinigen. Man denke in diesem Zusammenhang nur an den seit langer Zeit schwelenden Konflikt zwischen Griechenland und Großbritannien um die Rückforderung der "Elgin Marbles" 59 . Zwar bestehen Bedenken gegen eine Rückwirkung im Hinblick auf den Einzelnen, der einer Rückgabeverpflichtung unterliegen kann. Wollte man Privatpersonen rückwirkend eine Herausgabepflicht auferlegen, so stellte dies einen Eingriff in ihr Grundrecht auf Eigentum dar, der sich äußerst problema-

57

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 30.

58

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 31.

59

Gegenstand dieser Rückforderung sind Skulpturen des Parthenon-Fri es von der Akropolis in Athen, die in der Zeit zwischen 1801 und 1812 zusammen mit anderen wertvollen kulturellen Gegenständen durch den damaligen britischen Botschafter Lord Elgin mit Zustimmung des türkischen Sultans entfernt und im Jahre 1816 der Britischen Regierung verkauft wurden. Die Skulpturen, die sich noch heute im Britischen Museum in London befinden, sind von der griechischen Regierung zwar mehrmals erfolglos zurückgefordert worden, der Rechtsweg hierzu wurde bislang jedoch noch nicht beschritten. Vgl. hierzuMerryman, Mich.L.Rev. 83 (1985), S. 1881-1923.

192

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

tisch darstellte. Hingegen kann den grundsätzlichen Bedenken gegen eine Einbeziehung auch früherer Sachverhalte bei Kunstwerken in staatlichem Besitz mit der Erwägung begegnet werden, daß Berechtigung und Verpflichtung aus der Richtlinie die Mitgliedstaaten zumindest theoretisch in gleichem Maße treffen und insofern nicht einseitig Positionen entzogen werden. Soweit sich die Rückgabepflicht gegenüber Staaten und nicht Privaten richtet, sollte der Geltungsbereich der Maßnahmen also nicht nur zukünftige Fälle illegalen Handels regeln, sondern darüber hinaus auch eine Lösung für bestehende Konflikte bieten. Abgesehen von der fehlenden Rückwirkung beinhaltet die Vorschrift des Art. 14 der Richtlinie noch ein weiteres Problem. Den ersuchenden Mitgliedstaat trifft die Pflicht, nachzuweisen, daß der Gegenstand das Staatsgebiet nach dem 31. Dezember 1992 verlassen hat. Da es an Kontrollmöglichkeiten an den Binnengrenzen ab dem 1. Januar 1993 fehlt, wird dieser Nachweis nicht leicht zu erbringen sein. Wenn sich ein dem Staat bekannter Kunstgegenstand nicht mehr an seinem üblichen Aufenthaltsort befindet, ist damit noch nicht geklärt, ob er bereits das Staatsgebiet verlassen hat. Noch problematischer stellt sich die Situation bei Gegenständen dar, die dem Staat noch nicht bekannt sind, etwa weil sie sich in Privatbesitz befinden oder Teil einer noch nicht registrierten Ausgrabungsstätte sind: Hier dürfte der Nachweis, wann der Gegenstand genau die Grenze zu einem anderen Staat überschritten hat, kaum zu erbringen sein. Diesen Schwierigkeiten könnte mit einer Umkehr der Beweislast abgeholfen werden: Der Besitzer, gegen den der ersuchende Staat auf Rückgabe klagt, kann im Zweifel einfacher den Nachweis erbringen, ab welchem Zeitpunkt er in den Besitz des betreffenden Gegenstandes gelangt ist 6 0 . Da jedoch auch dieser Nachweis letztlich nicht zweifelsfrei dokumentiert, ab wann sich der Gegenstand auf dem neuen Territorium befand, beherbergt Art. 14 einen gewissen Unsicherheitsfaktor. IV Sanktionierung Art. 8 des Verordnungsvorschlags verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Festlegung bestimmter Sanktionen für den Fall der Verletzung der Vorschriften, insbesondere bei einer Ausfuhr ohne die erforderliche Ausfuhrgenehmigung. Hinsichtlich der Ausgestaltung dieser Sanktionen beläßt Art. 8 den Mitglied-

6 0

Fechner, DÖV 1992, S. 609,617.

193

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

Staaten einen weiten Handlungsspielraum. Angesichts der Notwendigkeit der Effektivität der Ausfuhrkontrollen an den Grenzen zu Drittstaaten sollten die Sanktionen einen abschreckenden Charakter aufweisen 61 . Wie das Beispiel des Artenschutzes zeigt, fehlt es insbesondere Geldstrafen an dieser ausreichend abschreckenden Wirkung, da diese häufig schlicht in den Verkaufspreis mit einberechnet werden 62 . Der Verordnungsvorschlag sollte in diesem Bereich bestimmte Vorgaben für die Sanktionierung enthalten, die einen hinreichenden Strafrahmen vorsehen, der fur alle Mitgliedstaaten verbindlich ist. V. Beschränkung der Rückgabeverpflichtung exportierte Kunstgegenstände

auf illegal

Die Richtlinie unterwirft nur solche Gegenstände einer Rückgabepflicht, die entgegen den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates in einen anderen verbracht wurden. (Art. 1 Nr. 2) Nicht erfaßt werden hiervon gestohlene Gegenstände. Da Kunstraub und illegaler Handel oftmals eng miteinander verbunden sind, würde es sich anbieten, ein innergemeinschaftliches Rechtsinstrumentarium für beide Aspekte zu schaffen 63. 1. Keine Entscheidung eigentumsrechtlicher Fragen Die in der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen beschränken sich auf die Bekämpfung des illegalen Handels 64 . Im Hinblick auf den Schutzgegenstand differenziert der Entwurf nicht zwischen rechtmäßig erworbenen und gestohlenen Gegenständen. Art. 16 nimmt zivilrechtliche Ansprüche des ersuchenden Staates und des Eigentümers, dem das Kulturgut entwendet wurde, ausdrücklich vom Geltungsbereich der Richtlinie aus. Bezüglich dieser Fragen ist also nach wie vor das voneinander abweichende IPR der Mitgliedstaaten und ihre unterschiedlichen zivilrechtlichen Bestimmungen gefragt. Angesichts der in den vorangegangenen Teilen der Arbeit betonten Notwendigkeit eines umfassenden Kulturgüterschutzes wäre es auch im Rahmen einer regionalen

61

Fechner, DÖV 1992, S. 609,617.

62

Vgl. Bendomir-Kahlo, CITES - Washingtoner Artenschutzübereinkommen. Regelung und Durchführung auf internationaler Ebene in der Europäischen Gemeinschaft, S. 120 f. 63 So schon Chatelain, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 98 ff.,110; Fechner, DÖV 1992, S. 609,616. 6 4

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 18.

13 Schmeinck

194

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

Vereinheitlichung der Schutzbestimmungen sinnvoll, übereinstimmende Vorschriften zum Eigentumserwerb an gestohlenen Kulturgütern zu entwikkeln 6 5 . Fraglich erscheint jedoch, ob der EG hinsichtlich eigentumsrechtlicher Bestimmungen überhaupt eine Rechtsetzungsbefiignis zusteht. Gem. Art. 222 EWGV läßt der Vertrag die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt. Hierdurch wird zum einen klargestellt, daß durch den Vertrag in die nationalen Eigentumsordnungen nicht eingegriffen w i r d 6 6 , zum anderen die Regelungskompetenz für die Zuordnung des Eigentums uneingeschränkt bei den Mitgliedstaaten verblieben ist 6 7 . Aus eigener Kompetenz heraus wäre es der EG somit wohl nicht möglich, das vorgestellte Schutzinstrumentarium für Kulturgüter um eigentumsrechtliche Vorschriften zu ergänzen. Angesichts der bei den Mitgliedstaaten verbliebenen Regelungskompetenzen bleibt es ihnen jedoch unbenommen, eine Änderung ihrer Eigentumsordnungen herbeizuführen. Denkbar wäre somit eine übereinstimmende Erklärung aller Mitgliedstaaten, einheitliche Regelungen zum Eigentumserwerb an gestohlenen und abhandengekommenen Kunst- und Kulturgütern einzuführen und hiernach zu verfahren. Das mittels der Verordnung und der Richtlinie entwickelte Schutzsystem der EG für Kulturgüter könnte dann im Sinne eines umfassenden Kulturgüterschutzes durch die von den Mitgliedstaaten kraft ihrer Souveränität erlassenen eigentumsrechtlichen Sonderbestimmungen ergänzt werden. Trotz der insoweit eingeschränkten Befugnisse der EG ließe sich auf dem hier vorgeschlagenen Weg eine kombinierte Regelung entwikkeln, die den Gefahren des illegalen Handels mit Kulturgütern in einer umfassenderen Weise begegnen könnte. Die bislang noch bestehende Beschränkung auf illegal exportierte Güter stellt demgegenüber eine nur unvollständige Lösung der Problematik dar, wie auch die folgenden Ausführungen noch zeigen werden.

Für eine gemeinsame Regelung von Kunstdiebstahl und illegalem Export Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, S. 24 f., 179 f.; Walter, Rückführung von Kulturgut im internationalen Recht, S. 7 f\Fechner, DÖV 1992, S. 609,616. 66

Groeben/Thiesing/Ehlermann-//ocA6aww, Art. 222, Rn. 5.

6 7

Groeben/Thiesing/Ehlermann-Hochbaum, Art. 222, Rn. 6.

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

195

2. Kollision von Rückgabeanspruch und Eigentum Da der Richtlinienentwurf allein auf die unrechtmäßige Verbringung abstellt und eigentumsrechtliche Fragen unberührt läßt, können Situationen auftreten, in denen diese beiden Rechtspositionen miteinander kollidieren. So kann beispielsweise der Anspruch gegen den Eigentümer von Kulturgut gerichtet werden, sofern dieser den betreffenden Gegenstand unter Umgehung nationaler Ausfuhrverbote in einen anderen Mitgliedstaat gebracht und dort in Besitz genommen hat. Der Herausgabepflicht unterliegt weiterhin auch derjenige, der einen illegal ausgeführten Kunstschatz gutgläubig erworben hat und die Sachherrschaft hierüber ausübt. Folge einer durch die Richtlinie angeordneten Rückführungspflicht ist in diesen Fällen das Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum. Zwar ist den nationalen Rechtsordnungen ein solcher Fall durchaus bekannt, beansprucht aber zu seiner Regelung zahlreiche Normen 6 8 . Die gleiche Situation auf internationaler Ebene würde zahlreiche Probleme bereiten, bedenkt man nur die Unklarheiten hinsichtlich der Nutzungsund Verwendungsrechte, des Fruchterwerbs und ähnlicher Rechtsfragen. Dies macht deutlich, daß eine Einigung innerhalb der EG-Mitgliedstaaten auch hinsichtlich zivilrechtlicher, speziell eigentumsrechtlicher Fragen sinnvoll wäre. Die Außerachtlassung der privatrechtlichen Fragen stellt die nationalen Rechte letztlich nur vor weitere Probleme, anstatt eine umfassende rechtliche Lösung innerhalb der EG zu leisten. 3. Der Kreis der Anspruchsberechtigten Der Richtlinienentwurf beschränkt in Art. 5 die Berechtigung zur Klageerhebung auf Mitgliedstaaten. Der einzelne Bürger, dem ein Kulturgut abhandengekommen und außer Landes verbracht worden ist, hat hingegen keine Möglichkeit, das Schutzinstrumentarium der Richtlinie in Anspruch zu nehmen 6 9 . Um die Rückkehr des betreffenden Gegenstandes bewirken zu können, ist er auf ein Tätigwerden des Staates angewiesen. Um den Interessen des Einzelnen hinreichend entsprechen zu können, müssen also die nationalen Rechtsordnungen Vorsorge dafür treffen, daß Privatpersonen ein rechtlich

68

Vgl. nur im deutschen Recht §§ 985 ff. BGB.

6 9

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 18,24.

196

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

durchsetzbarer Anspruch gegen den Staat auf Geltendmachung des Rückgabeanspruchs zusteht. VI. Die Bestimmung des anwendbaren Rechts auf eigentumsrechtliche nach erfolgter Rückgabe

Fragen

Art. 13 des Richtlinienentwurfs bestimmt, daß für eigentumsrechtliche Fragen nach erfolgter Rückgabe an den ersuchenden Staat dessen Rechtsvorschriften anwendbar sein sollen. Hierbei handelt es sich um eine Kollisionsnorm 7 0 , die von den allgemeinen und nahezu weltweit einheitlichen Grundsätzen des Internationalen Sachenrechts abweicht 71 . Ab dem Zeitpunkt der Rückkehr befinden alleine die nationalen Bestimmungen des ersuchenden Staates über das Eigentum an dem betreffenden Gegenstand, auch wenn der Besitzer das Eigentum hieran durch Rechtsvorschriften des ersuchten Staates, eines anderen Mitgliedstaates oder eines Drittstaates erworben hat. Verändert wird durch diese Norm also nicht nur die traditionelle lex rei sitae-Regel, sondern zugleich auch der Grundsatz der Anerkennung von unter einer früher maßgebenden Rechtsordnung wirksam erworbenen Rechtspositionen72. Begründet wird die Ignorierung zeitlich vorangegangener sachenrechtlicher Sachverhalte damit, daß die Rechtsnorm, die eine Änderung ermöglichte, nicht hätte gelten dürfen, da ihre Anwendung alleine aufgrund der unrechtmäßigen Ausfuhr ermöglicht wurde 73 . Nach den oben angestellten Überlegungen zu einer kollisionsrechtlichen Lösung kommt der lex rei sitaeRegel angesichts ihrer weltweiten Geltung durchaus eine Berechtigung zu, da sie den Interessen an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit kollisionsrechtlicher Entscheidungen entspricht 74 . Wenn nun hiervon innerhalb der EGMitgliedstaaten abgewichen wird, indem die nach früherem Statut wirksam erworbenen Rechte nicht anerkannt werden, so beinhaltet dies eine massive Gefahr für den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit. Die an Eigentumsübertragungen beteiligten Personen können sich für die Zukunft nicht mehr darauf verlassen, daß die nach dem Belegenheitsrecht wirksam erfolgte Eigentumsübertragung auch gegenüber anderen Personen nach einem späteren

70

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 30.

71

Vgl. zur nahezu weltweit einheitlichen Geltung der lex rei sitae oben S. 118,119.

72

Vgl. hierzu Kropholler,

73

KOM (91) 447 - SYN 382, S. 30.

74

Vgl. obenS. 115-116, 169-170.

IPR, § 54 III; v. Bar, IPR, Bd. 1, Rn, 305 ff.

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

197

Wechsel des Aufenthaltsortes des Gegenstandes wirkt. Eine solche Form der Rechtsunsicherheit ist jedoch mit dem Interesse an einem internationalen Handel mit Kulturgütern schwer vereinbar. Weitere Bedenken gegen die Modifizierung der lex rei sitae-Regel ergeben sich aus dem eingeschränkten sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie: Da hiervon nur Fälle illegalen Handels erfaßt sind, Diebstähle jedoch weiterhin nach den allgemeinen, bisher geltenden Vorschriften beurteilt werden, erfahren diese oftmals miteinander einhergehenden Erscheinungen in kollisionsrechtlicher Hinsicht eine unterschiedliche Behandlung. Die rechtliche Bewertung des illegalen Kunsthandels wird damit nicht effizienter, sondern im Gegenteil durch die Anwendung unterschiedlicher, sich möglicherweise widersprechender Kollisionsregeln erschwert. Die Regelung in Art. 13 des Richtlinienentwurfs beinhaltet somit zahlreiche Probleme und sollte im Interesse der Rechtssicherheit geändert werden. VIL Entschädigung des Besitzers Gem. Art. 10 des Richtlinienvorschlags hat der Besitzer nach erfolgter Rückübertragung an den ersuchenden Staat gegen diesen einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung, sofern er nachweist, daß er nicht wissen konnte oder mußte, daß der betreffende Gegenstand unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaates verbracht worden ist. Da auch hier wieder lediglich auf die illegale Ausfuhr abgestellt wird und eigentumsrechtliche Fragen unbeachtet bleiben, gebührt die Entschädigung dem Besitzer grundsätzlich auch dann, wenn er kein Eigentum an dem Gegenstand hat. Diese Tatsache wirft bei näherer Betrachtung mehrere Fragen auf. Unklar ist beispielsweise, ob dem Besitzer die Entschädigung auch dann unwiderruflich gebührt, wenn er zwar keine Kenntnis von einer illegalen Ausfuhr hatte, jedoch wußte, daß es sich hierbei um einen gestohlenen Gegenstand handelt. Des weiteren fehlt auch die Klärung der Frage, ob der ersuchende Staat, der einen in Privateigentum stehenden Kunstschatz rückfordert und an den Besitzer die Entschädigung zahlen muß, vom Eigentümer Regreß verlangen kann. Würde man dem Staat einen derartigen Anspruch zugestehen, wäre damit das Risiko illegalen Handels auf den Eigentümer abgewälzt, der möglicherweise finanziell nicht in der Lage ist, die angemessene Entschädigung aufzubringen. Die Regelung finanzieller Ausgleichszahlungen ohne Klärung zivilrechtlicher Ansprüche stellt somit keine endgültige rechtliche Lösung dar, sondern wirft

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

198

ihrerseits zahlreiche Folgeprobleme auf. Eine derartige Vorschrift sollte demnach nicht getrennt von zivilrechtlichen Ansprüchen angewendet werden. VIII. Verjährungsfristen Art. 8 des Richtlinienentwurfs sieht für Rückgabeklagen unterschiedliche Verjährungsvorschriften vor. Fünf Jahre nach Kenntniserlangung des ersuchenden Staates von der unrechtmäßigen Verbringung soll der Rückgabeanspruch verjähren (relative Frist). Diese variable Frist wird ergänzt durch eine absolute Frist von 30 Jahren vom Zeitpunkt der unrechtmäßigen Verbringung an gerechnet. Unabhängig davon, ob der Staat hiervon Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen, ist nach dieser Zeitspanne der Rückforderungsanspruch nicht mehr durchsetzbar. Daß die Festsetzung von Verjährungsvorschriften für Ansprüche zur Sicherung des Rechtsfriedens unverzichtbar sind, wurde bereits oben dargelegt 75 . Die relative Frist von fünf Jahren stellt eine großzügige Regelung dar und ermöglicht dem Staat die Geltendmachung seines Anspruchs für eine verhältnismäßig lange Zeit. Angesichts der erwünschten Eindämmung illegalen Kunsttransfers stellt diese Vorschrift eine angemessene Regelung dar. Es fragt sich jedoch, inwieweit die absolute Frist von 30 Jahren ihre Berechtigung hat. Nach Ablauf dieser Frist kann der Besitzer von illegal ausgeführtem Kulturgut ungestört seine Position behaupten. In der Literatur wird teilweise vorgeschlagen, die Verjährung des Herausgabeanspruchs nach der Richtlinie nur nach der relativen Frist von fünf Jahren nach Kenntniserlangung zu beurteilen, da eine absolute Frist den illegalen Handel begünstige 76 . Hiergegen läßt sich jedoch einwenden, daß den Interessen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nur entsprochen werden kann, wenn nach Ablauf bestimmter Fristen ein Vertrauen in die faktische Besitzlage grundsätzlich ermöglicht wird 7 7 . Wird nun die Verjährungsfrist nur in Gang gesetzt, sobald der ersuchende Staat Kenntnis erlangt, bedeutet dies, daß der Rückgabeanspruch praktisch zeitlich unbegrenzt durchsetzbar ist, der Besitzer von illegal exportiertem Kulturgut also nie die Sicherheit der Unantastbarkeit seiner Rechtsposition erlangen kann. Eine Rechtssicherheit kann es für ihn dann nicht geben.

75

Vgl. oben S. 159,163,164.

7 6

Fechner, DÖV 1992, S. 609,617.

7 7

Baur/Stürner,

Sachenrecht § 53 h I 1; Wolf, Sachenrecht, Rn. 481.

§ 3 Die Maßnahmen der EG-Kommission

199

Im übrigen gewährt die absolute Frist des Art. 8 dem Staat eine verhältnismäßig lange Zeitspanne, die es ihm ermöglicht, durch entsprechende Maßnahmen in Erfahrung zu bringen, ob ein Kulturgegenstand abhandengekommen ist und sich außer Landes befindet. Insofern hat die Regelung des Art. 8 insgesamt ihre Rechtfertigung und ist geeignet, den Interessen der Vorbeugung des illegalen Handels zu entsprechen. IX. Ausblick Zusammenfassend läßt sich somit sagen, daß trotz der umfangreichen Regelungen der Verordnung und der Richtlinie zahlreiche Probleme des internationalen Kulturgüterschutzes unbeantwortet bleiben. Zum großen Teil sind diese Lücken auf den zeitlichen Geltungsbereich und die fehlenden Bestimmungen über eigentumsrechtliche Fragen zurückzuführen. Angesichts des zunehmenden illegalen Handels mit Kulturgütern und der damit einhergehenden Gefahr für den Bestand nationalen Kulturguts wäre es erforderlich, den diesbezüglichen Problemen in einer umfassenden Weise durch Schaffung einer ausführlichen Regelung zu entsprechen. Da sich ein weltweit geltendes Schutzinstrumentarium bislang noch nicht durchgesetzt hat und hiervon in naher Zukunft auch nicht sicher ausgegangen werden kann 7 8 , wäre es von Vorteil, eine Lösung innerhalb Europas zu erzielen, die eine Vorreiterrolle für eine spätere weltweite Lösung übernehmen könnte 79 . Für eine solche Funktion wäre die Europäische Gemeinschaft auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt prädestiniert, da sich hier eine vergleichsweise kleine Anzahl von Staaten gegenüberstehen, die aufgrund ihrer bereits erzielten Rechtsangleichung in bestimmten Sachgebieten80 und ihrer gemeinsamen abendländischen Kultur auch eher die Voraussetzung für eine Bereitschaft zur Rechtsvereinheitlichung

78

Hanisch, in: FS für Müller-Freienfels,

S. 193, 222.

79

Für eine zunächst auf Europa beschränkte Problemlösung Chatelain, Mittel zur Bekämpfung des Diebstahls von Kunstwerken und ihres unerlaubten Handels im Europa der Neun, S. 93 ff. 80 Ein Überblick über die Rechtsangleichung für einzelne Gebiete findet sich bei Lenz (Hrsg.), EG Handbuch, Recht im Binnenmarkt. Vgl. etwa S. 180-181 (Freier Warenverkehr, bearb. von Glashoff)\ S. 222-232 (Niederlassungs-/ Dienstleistungsfreiheit, bearb. von Clausnitzer); S. 291-296 (Finanzinstitute, Wertpapiere und Versicherungen, bearb. von Pfisterer); S. 326-329 (Arbeitnehmerfreizügigkeit und Arbeitsrecht, bearb. von Birk); S. 648-650 (Verkehr, bearb. von Rogge)·, S. 698-701 (Umweltrecht, bearb. von Hüwels). Zum Stand der Rechtsangleichung im Hinblick auf den Binnenmarkt vgl. Siebter Bericht von der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Durchführung des Weißbuchs der Kommission zur Vollendung des Binnenmarkts, KOM (92) 383 endg. vom 2. September 1992.

200

4. Teil: Kulturgüterschutz auf europarechtlicher Ebene

in kulturellen Angelegenheiten bieten. Mit den vorgestellten Vorschlägen kann den Gefahren des illegalen Kunsthandels in nur unzureichender Weise begegnet werden. Es ist daher zu empfehlen, die Maßnahmen um die noch ausstehenden Problembereiche zu erweitern, bzw. sie durch zusätzliche Abkommen zu ergänzen, um damit zu einer zumindest vorläufigen regionalen Lösung der Problematik des illegalen Kunsthandels zu gelangen.

Fünfter Teil

Zusammenfassung und Ergebnis Während das Phänomen des Kunstraubs bis in die Antike zurückverfolgt werden kann, hat die Idee des Kulturgüterschutzes eine vergleichsweise junge Tradition. Der seit Mitte des 17. Jahrhunderts entwickelte Gedanke der Schonung von Kulturgütern in Kriegszeiten hat eine Bestätigung in der Haager Landkriegsordnung von 1907 erfahren, die eine offizielle Absage an das Kriegsbeuterecht erteilt. Über den Aspekt der Protektion vor Zerstörung in Kriegszeiten hinaus erkannte man in neuerer Zeit zusätzlich die Notwendigkeit eines Kulturgüterschutzes auch in Friedenszeiten. Während Kunst- und Kulturgüter in früheren Zeiten allein als nationale Schaffenszeugnisse angesehen wurden, geht das heutige Verständnis dahin, diese Gegenstände als Teil des gesamten Kulturerbes der Menschheit zu begreifen, für deren Erhaltung alle Nationen Sorge zu tragen haben. Durch diese gewandelte Einstellung setzte sich zunehmend die Forderung eines Schutzes von Kulturgütern vor Raub, unrechtmäßiger Verbringung aus den Ursprungsorten und illegalem Handel durch. Durch das stetig wachsende Interesse an Kunst- und Kulturgütern als Sammelobjekte, die Bereitschaft, für ihren Ankauf immer höhere Summen zu zahlen und die blinde Profitgier zahlreicher Händler haben Kunstdiebstähle und illegaler Handel mit Kulturgütern in den letzten Jahren in erschreckender Weise zugenommen und stellen eine ernst zu nehmende Form der Kriminalität dar. Das Ziel eines internationalen Kulturgüterschutzes muß es sein, diesen Phänomenen auf wirksame Weise entgegen zu treten und einen Schutz des Bestandes nationalen Kulturguts an seinen Ursprungsterritorien zu sichern. Hierfür ist die Schaffung eines staatenübergreifenden Schutzübereinkommens für Kulturgüter erforderlich, das in umfassender Weise Regelungen für die einzelnen Probleme des illegalen Kunsthandels bereithält. Angesichts der Tatsache, daß der Gefahr des Diebstahls und der illegalen Ausfuhr von Kulturgütern mit den bislang zur Verfügung stehenden gesetzli-

202

5. Teil: Zusammenfassung und Ergebnis

chen Mechanismen in nur unvollständiger Weise begegnet werden kann, haben sich zahlreiche Staaten und internationale Organisationen bemüht, den bislang einzelstaatlich verankerten Kulturgüterschutz durch Maßnahmen auf internationaler Ebene zu ergänzen. In diesem Sinne sind bereits mehrere Konventionen erarbeitet worden, die größtenteils auf Aktivitäten der UNESCO und des Europarats zurückzuführen sind. Aufgrund des teilweise eng begrenzten Regelungsbereichs bestimmter Abkommen und einer fehlenden weltweiten Akzeptanz und Übernahme der Verträge können die bislang realisierten Abkommen jedoch keinen effektiven Kulturgüterschutz gewährleisten. Die Notwendigkeit der Schaffung eines ausführlichen und weltweit geltenden Schutzinstrumentariums stellt sich somit nach wie vor. Eine weltweit einheitliche Definition des Begriffes Kulturgut fehlt bislang; die genauen Angaben darüber, welche Gegenstände unter diesen Begriff zu subsumieren und einem Schutzinstrumentarium zu unterstellen sind, weichen sowohl in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen als auch in den bislang erarbeiteten Abkommen voneinander ab. Im Sinne eines international einheitlich praktizierten Kulturgüterschutzes wäre es somit zunächst erforderlich, eine für alle Staaten verbindliche Definition des Begriffs Kulturgut zu schaffen, die übereinstimmend den Kreis der geschützten Objekte festlegt. Hierfür bietet sich die Methode der Kategorisierung an, die aufgrund ihrer allgemein und weit gehaltenen Begriffsumschreibungen am ehesten in der Lage ist, alle schutzwürdigen Objekte zu erfassen. Als Vorbild könnten die diesbezüglichen Vorschriften der UNESCO-Konvention aus dem Jahre 1970 dienen. Da diesem Abkommen bereits zahlreiche Staaten angehören, bestehen große Chancen dafür, daß eine an Art. 1 des UNESCO-Übereinkommens angelehnte Definition in einer internationalen Konvention zum Kulturgüterschutz auf breite Akzeptanz unter den Staaten stoßen wird. Kulturgüter werden bislang in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen gleich allen anderen Gütern behandelt. Sie erfahren weder in kollisionsrechtlicher noch in materiellrechtlicher Hinsicht eine Sonderbehandlung. Angesichts der Bedeutung von Kulturgut für das nationale Selbstverständnis der Völker und ihrer Einmaligkeit erfordert dieser Bereich ein spezielles Regelungsinstrumentarium, das der besonderen Bedeutung von Kulturgut gerecht wird. Da neben dem Anliegen des Kulturgüterschutzes auch die Interessen eines legitimen internationalen Kunsthandels zu berücksichtigen sind, muß ein in-

5. Teil: Zusammenfassung und Ergebnis

ternationales Schutzabkommen darauf ausgerichtet sein, einen gerechten Ausgleich zwischen diesen widerstreitenden Interessen zu finden, der der Schutzwürdigkeit kultureller Werte entspricht, ohne die Freiheit des Kunsthandels übermäßig einzuengen. Ausfuhrverbote oder -beschränkungen für nationale Kulturgüter sind in nahezu jeder Rechtsordnung zu finden. Da jedoch die Einhaltung dieser Vorschriften an den Grenzen oftmals unzureichend überprüft wird und aufgrund weiter, schwer kontrollierbarer Grenzen häufig auch nicht die Möglichkeit einer vollständigen Kontrolle besteht, gelangen trotz der gesetzlichen Bestimmungen zahlreiche Kulturgüter in fremde Länder, wo sie als Waren gehandelt werden. Als Normen öffentlich-rechtlichen Charakters werden Ausführverbote einer Rechtsordnung in anderen Staaten nicht automatisch berücksichtigt. Vielmehr weicht die Behandlung ausländischer zwingender Gesetze in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen erheblich voneinander ab. So kann sich ein Staat, dessen nationales Kulturerbe unter Umgehung seiner Exportvorschriften außer Landes gebracht wurde, nicht darauf verlassen, in einem späteren, vor Gerichten anderer Staaten ausgetragenen Rechtsstreit, unter Berufung auf den Gesetzesverstoß den betreffenden Gegenstand herausverlangen zu können. Die in den nationalen Rechtsordnungen verankerten Ausführverbotsbestimmungen bieten somit einen nur unvollständigen Schutz für einen dauerhaften Verbleib nationalen Kulturguts an seinen Ursprungsorten. Diesem mißlichen Zustand könnte im Rahmen eines internationalen Schutzübereinkommens durch die Schaffung einer Norm abgeholfen werden, in der eine Verpflichtung aller Staaten zur gegenseitigen Anerkennung und Berücksichtigung von Exportregelungen normiert wird. Ähnlich den in den nationalen Kollisionsrechten anzutreffenden Bestimmungen über die Anwendung eigenen zwingenden Rechts bei ausländischem Schuldstatut und der Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 EVÜ über die Anwendung zwingender Normen fremdstaatlichen Ursprungs müßte eine Norm formuliert werden, die eine Berücksichtigung ausländischer zwingender Bestimmungen auf kollisionsrechtlicher Ebene ermöglicht. Fremdes zwingendes Recht sollte dann beachtet werden, wenn eine hinreichend enge Verbindung zwischen der Rechtsordnung und dem Sachverhalt besteht, die betreffenden Regelungen im konkreten Fall angewandt werden wollen und ihre Anwendung dem inländischen ordre public nicht widerspricht.

204

5. Teil: Zusammenfassung und Ergebnis

Die in einigen Staaten anzutreffende Deklarierung von Kulturgut als res extra commercium eignet sich hingegen nicht für eine Übernahme in ein internationales Übereinkommen, da hierdurch der notwendige Interessenausgleich von Kulturgüterschutz und internationalem Kunsthandel eindeutig zugunsten des erstgenannten Aspektes entschieden und der internationale Handel mit Kulturgütern gänzlich eingeschränkt wird. Im Bereich des internationalen Sachenrechts weisen die nationalen Kollisionsrechte übereinstimmend den Grundsatz der lex rei sitae auf, der ausnahmslos auch für abhandengekommene Kulturgüter gilt. Die in den einzelstaatlichen Sachrechten verankerten Bestimmungen hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten, des gesetzlichen Eigentumserwerbs durch Ersitzung und der Verjährung des Eigentumsherausgabeanspruchs weichen dagegen in erheblicher Weise voneinander ab. Angesichts dieser Unterschiede und der ausnahmslosen Geltung der lex rei sitae liegt es nahe, daß bei Veräußerungen von Kunstgegenständen der Ort der Eigentumsübertragung oftmals im Hinblick auf eine für den Transfer günstigere Rechtslage ausgewählt wird. Da es immer noch Staaten gibt, die einen uneingeschränkten Eigentumserwerb an gestohlenen Kunstwerken zulassen, haben sich diese Orte zu beliebten Kunstumschlagplätzen entwickelt. Aufgrund der Tatsache, daß das nach dem Belegenheitsrecht einmal wirksam erworbene Eigentum auch von anderen Rechtsordnungen anerkannt wird, bestehen für den Erwerber keinerlei Gefahren einer späteren Herausgabepflicht dem ehemaligen beraubten Eigentümer gegenüber. Die unterschiedlich ausgestalteten Bestimmungen zum Eigentumserwerb stellen damit für den internationalen Kulturgüterschutz einen ernst zu nehmenden Risikofaktor dar. Abhilfe könnte hier im Rahmen einer internationalen Konvention zum Kulturgüterschutz geschaffen werden, die eine Norm enthalten müßte, in der die Möglichkeiten und Voraussetzungen eines gutgläubigen Eigentumserwerbs vom Nichtberechtigten einheitlich festgelegt werden. Hinsichtlich der Voraussetzungen für die Gutgläubigkeit des Erwerbers könnte Art. 7 LUAB als Vorbild dienen, der präzise Anforderungen an den guten Glauben stellt und dem Erwerber umfangreiche Nachforschungspflichten auferlegt. Bei der Frage nach den Möglichkeiten gutgläubigen Erwerbs auch an gestohlenen Kulturgütern sollte sowohl von einer gänzlichen Ablehnung, als

5. Teil: Zusammenfassung und Ergebnis

auch von einer vorbehaltlosen Zulassung Abstand genommen werden. Während die erstgenannte Variante angesichts entgegenstehender materiellrechtlicher Vorschriften zahlreicher Rechtsordnungen kaum durchzusetzen sein wird und darüber hinaus der internationale Kunsthandel hierdurch erheblich eingeschränkt würde, verweigert die zweite Variante unter einseitiger Protektion des freien Handels dem Alteigentümer jeglichen Schutz und begünstigt den Kunsthandel mit Diebesgut. Eine von allen Staaten akzeptierte und angewandte Norm könnte dergestalt aussehen, daß die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs vom Grundsatz her auch für abhandengekommene kulturelle Objekte besteht, in bestimmten Ausnahmefällen jedoch Einschränkungen erfahrt. Eine Ablehnung gutgläubigen Erwerbs ließe sich beispielsweise in Fällen rechtfertigen, in denen das konkrete Kunstwerk eindeutig dem Eigentum einer dritten Person zugeordnet werden kann, wie dies bei weltweit bekannten Stükken und bei einer möglichen Kenntnisnahme des Erwerbers von dem Diebstahl des Gegenstandes der Fall sein wird. Zur Erzielung einer größeren Popularität von gestohlenen Kunstwerken könnte ein für potentielle Käufer zugängliches Computerverzeichnis erstellt werden, in dem laufend aktuelle Verlustmeldungen bestohlener Kunstsammler mit genauen Beschreibungen der entwendeten Objekte aufgenommen werden. Bestehen für den Erwerber Zweifel an der Legitimität der Veräußerung, so kann er sich durch Einsichtnahme in das hier vorgeschlagene Register Sicherheit verschaffen. Hat der ehemalige Eigentümer seinen Verlust auf die vorgeschlagene Weise veröffentlicht, so besteht keine Notwendigkeit für einen stärkeren Schutz des Erwerbers, der die ihm möglichen Nachforschungen nicht wahrgenommen hat. Die prinzipielle Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs auch bei abhandengekommenen Kulturgütern sollte damit dann ausgeschlossen sein, wenn der Erwerber von der Herkunft des Kaufobjekts auf den hier vorgeschlagenen Wegen hätte Kenntnis nehmen können. Angesichts der Tatsache, daß oftmals Jahre vergehen, bis der Alteigentümer von dem Verbleib seines Werkes Kenntnis erlangt und gerichtliche Schritte für eine Rückerlangung in die Wege leiten kann, kommt den unterschiedlich ausgestalteten Fristen für die Verjährung und die Ersitzung in den nationalen Rechtsordnungen eine entsprechend große Bedeutung zu. Die teilweise relativ kurz angelegten Fristen können bewirken, daß das Eigentum an dem

206

5. Teil: Zusammenfassung und Ergebnis

betreffenden Gegenstand in der Zwischenzeit im Wege des gesetzlichen Eigentumserwerbs auf einen Dritten übergegangen ist oder der Herausgabeanspruch bereits verjährt ist. Der hierdurch bestehenden Gefahr für den internationalen Kulturgüterschutz könnte innerhalb eines internationalen Abkommens durch die Einführung einer Norm begegnet werden, die die Voraussetzungen und die genaue Ausgestaltung der Fristen einheitlich festlegt. Die Bemessung der Zeitspannen sollte einerseits dem illegalen Kunsthandel wirksam entgegentreten, andererseits auch das Interesse an Rechtssicherheit durch die Anerkennung lang bestehender, faktischer Zustände berücksichtigen. Um dem beraubten Eigentümer Gelegenheit zu geben, unter Ausnutzung aller denkbaren Möglichkeiten den Verbleib seines Kunstwerks in Erfahrung zu bringen und seine Rückgabe zu fordern, erscheinen Fristen von einer Mindestdauer von zehn Jahren als angebracht. Neben dieser vorgeschlagenen Vereinheitlichung der materiellrechtlichen Normen sollte von einer Abweichung von der lex rei sitae-Regel für Kulturgüter kein Gebrauch gemacht werden. Zwar bestehen zum jetzigen Zeitpunkt kaum Möglichkeiten, eine von den Parteien zwecks Umgehung unliebsamer Rechtsnormen beeinflußte Veränderung des Belegenheitsortes zu sanktionieren. Eine Modifizierung der lex rei sitae speziell für den Bereich des Kulturgüterschutzes sollte dennoch nicht vorgenommen werden, da einerseits Zweifel an der Akzeptanz einer solchen, von den nationalen Kollisionsrechten abweichenden, Bestimmung bestehen, zum anderen die Voraussetzungen für ein Abweichen von der Situs-Regel nicht präzise genug formuliert werden können. Da die Anknüpfung an den Belegenheitsort sowohl dem Sicherheitsbedürfnis im internationalen Rechtsverkehr, als auch dem Interesse an einer klaren Vorhersehbarkeit des Sachstatuts entspricht, sollte hiervon auch für den Spezialbereich des internationalen Kulturgüterschutzes nicht abgewichen werden. Die von der EG-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen für einen gemeinsamen Kulturgüterschutz innerhalb der EG-Mitgliedsstaaten sind erforderlich, um einen Ausgleich für die mit der Einführung des Binnenmarkts weggefallenen Kontrollmöglichkeiten an den innergemeinschaftlichen Grenzen auszugleichen. Da die Mitgliedsstaaten einerseits die Einhaltung ihrer Ausfuhrbestimmungen für Kulturgüter an den Binnengrenzen der Gemein-

5. Teil: Zusammenfassung und Ergebnis

schaft nicht mehr überprüfen können, andererseits aber ein Verbleib der Gegenstände in ihren Ursprungsorten und ein effektiver Schutz vor Abwanderung in Drittländer gewährleistet sein muß, bedarf es eines mitgliedsstaatlichen Regelungsinstrumentariums. Mit der von der Verordnung vorgeschriebenen Ausfuhrgenehmigung für Kulturgüter und der in der Richtlinie geforderten Rückgabeverpflichtung hinsichtlich illegal exportierter Stücke scheinen die Maßnahmen auf den ersten Blick einen effektiven Kulturgüterschutz zu gewähren. Bei näherer Betrachtung jedoch erweisen sich die Vorschriften als lückenhaft: Als bedeutendster Mangel muß das Fehlen jeglicher Vorschriften zur Regelung eigentumsrechtlicher Fragen gewertet werden, die im Rahmen eines gemeinschaftlichen Schutzes sinnvollerweise zusammen mit der illegalen Ausfuhr geregelt werden sollten. Darüber hinaus ist die Abweichung von der traditionellen lex rei sitae für illegal exportierte Kulturgüter innerhalb der Richtlinie nicht empfehlenswert, da sie einerseits eine Gefahr für den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit darstellt, andererseits in Fällen, in denen gestohlene Güter illegal exportiert werden, eine unterschiedliche kollisionsrechtliche Behandlung beider, oftmals zusammenhängender Phänomene zahlreiche Folgeprobleme aufwirft und sich daher nicht als zu vereinheitlichende Regelung anbietet. Weiterhin vermögen die Vorschläge der EG-Kommission angesichts ihres zeitlichen Geltungsbereichs nur solche Streitigkeiten zu lösen, in denen Kulturgüter nach dem 1. Januar 1993 unrechtmäßig aus ihren Ursprungsländern ausgeführt wurden. Für aktuelle Rückforderungsansprüche hingegen greifen die Maßnahmen nicht ein. Zuletzt entspricht die EG-Kommission mit ihren Maßnahmen zwar den Bedürfnissen der Mitgliedsstaaten, berücksichtigt jedoch nicht das Interesse von Drittstaaten, deren kulturelle Werte auf illegale Weise in ein EG-Land gelangt sind. Angesichts der zunehmend erkannten Notwendigkeit eines weltweit getragenen Kulturgüterschutzes sollte die Gemeinschaft ihrer Verpflichtung gegenüber drittstaatlichem Kulturgut in der Weise nachkommen, daß Verordnung und Richlinie um ein Importverbot hinsichtlich nicht-mitgliedsstaatlicher, illegal ausgeführter Kunstschätze erweitert werden und eine zusätzliche Rückgabeverpflichtung gegenüber Drittstaaten normiert wird.

208

5. Teil: Zusammenfassung und Ergebnis

Es wird daher vorgeschlagen, ein europäisches Schutzübereinkommen für Kulturgüter um die angesprochenen, bislang ausgesparten Problembereiche zu ergänzen.

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